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{ "id": 835, "jurisdiction": "Sozialgerichtsbarkeit", "level_of_appeal": null, "name": "Sozialgericht Düsseldorf", "state": 12 }
S 46 AS 2230/15
2027-04-06T00:00:00
Urteil
Tenor Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 1Tatbestand: 2Streitig zwischen den Beteiligten ist die Höhe der dem Kläger zu gewährenden Grundsi-cherungsleistungen, hier insbesondere ein höherer Bedarf auf Grund alters- und ge-schlechtsspezifischer Diskriminierung, Rechtsmittelkosten, sowie die Übernahme der Kosten für einen Elektroradiator zum zusätzlichen Beheizen der Wohnung im zweiten Kalenderhalbjahr 2014. 3Der Kläger bezieht seit dem 01.01.2005 laufend Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) von dem Beklagten. Er bewohnt eine 48 qm große Erdgeschosswohnung, bestehend aus einem Kinderzimmer, einem Bad, einer Küche welche ohne Tür mit dem Flur verbunden ist, ei-nem Wohnzimmer und einem Schlafzimmer. Die Wohnung wird mit einer Gasetagenhei-zung beheizt. Die Warmwasserbereitung erfolgt nach Angaben des Klägers jedoch über Strom. Die Gasetagenheizung hat nach den Herstellerangaben eine kleinste Wärmebe-lastung von 8,4 Kilowatt (kW), die elektrische Leistungsaufnahme beträgt 120 Watt (W). 4Bereits bei seiner ersten Antragstellung gab der Kläger an, dass er auf Grund seiner per-sönlichen Lebensführung, seiner Anschauungen, sowie seiner genetischen Anlagen einen erhöhten monatlichen Mehraufwand habe. Er berief sich dabei unter anderem auf die UN-Menschenrechte. Hinsichtlich sowohl der höheren Bedarfe, als auch der Heizkosten wurde in der Vergan-genheit bereits eine Vielzahl von Verfahren vor dem hiesigen Sozialgericht und dem Landessozialgericht geführt. 5Mit Bescheid vom 23.05.2014 bewilligte der Beklagte dem Kläger Grundsicherungsleis-tungen für den Zeitraum 01.07.2014 bis 31.12.2014 in Höhe von 391,00 Euro Regelleis-tung und 279,04 Euro für die Kosten der Unterkunft und Heizung (insgesamt: 670,04 Eu-ro). Gegen den Bescheid erhob der Kläger Widerspruch. Mit Änderungsbescheid vom 04.08.2014 rechnete der Beklagte ein Guthaben aus einer Nebenkostenabrechnung an. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 17.06.2015 hob der Beklagte den Änderungsbescheid vom 04.08.2014 wieder auf und bewilligte die Leistun-gen in ursprünglicher Höhe. 6Mit Widerspruchsbescheid vom 21.05.2015 setzte der Beklagte die Leistungen ausdrück-lich wieder in ursprünglicher Höhe von insgesamt 670,04 Euro fest und wies den Wider-spruch des Klägers im Übrigen zurück. Hinsichtlich der Höhe der Heizkosten und der Verfassungsmäßigkeit der Bedarfe verwies der Beklagte insoweit auf die abgeschlossenen Gerichtsverfahren. 7Mit der dagegen am 19.06.2015 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren wei-ter. Er trägt vor, dass junge Menschen einen höheren Ernährungsbedarf haben als ältere, sowie Männer einen höheren Bedarf als Frauen. Dies sei wissenschaftlich erwiesen. Auch sei die Unterscheidung zwischen Arbeitslosengeld und der bis 2004 bestehenden Arbeitslosenhilfe unzulässig. Ebenso unzulässig sei die Unterscheidung zwischen Ar-beitslosengeld und Arbeitslosengeld II. Das Handeln des Beklagten verstoße gegen hö-herrangiges Recht, insbesondere gegen die UN-Menschenrechte. Seine Heizkosten inklusive des Betriebes des Elektroradiators seien angemessen. 8Der Kläger beantragt, 9den Bescheid vom 23.05.2014 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 04.08.2014 und 17.06.2015 und des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2015 abzuändern und den Beklagten zur Gewährung weiterer Leistungen zu verurtei-len. 10Der Kläger beantragt dabei insbesondere: 111. Ich beantrage, meine dokumentierte Inbetriebnahme meines Elektroradiators "Baufa 1500 Watt Type ERST 15, Nr. 316088" meine tatsächlichen Heizkosten vollumfänglich zu erstatten. Dies ist ein Volumen von 270 kw/h 122. Ich beantrage, die Entscheidungen des LSG NRW als Beweis hinzuzuziehen u.a. Urteil L 2 AS 273/14, L 2 AS 564/14, L 2 AS 798/14 und L 2 AS 800/14. 133. Ich beantrage, das Sitzungsprotokoll vom 23.09.2014 und die entsprechen-den späteren anderslautenden Entscheidungen des LSG NRW als Beweis hinzuzuziehen u.a. die Sitzungsprotokolle zu denselben Aktenzeichen, wie zu den Urteilen unter 2. genannt. 144. Beantrage ich einen Schadensersatz gem. § 823 BGB und 839 BGB sowie auch einen immateriellen Schaden nach § 253 BGB. Außerdem fordere ich Schmerzensgeld (§ 847 BGB). 155. Ich beantrage, die verfassungswidrigen Diskriminierungen bei der Ernährung bzw. Diskriminierung von Männern/jungen Menschen gegenüber Frau-en/älteren Menschen bei der Ernährung durch die nichtbedarfsgerechte/nicht transparente Grundsicherung SGB II Regelleistung zu unterlassen. Ich ma-che begründet höhere Leistungen geltend. 166. Ich beantrage, die fehlende Transparenz insbesondere der Referenzgruppe der Einkommens- und Verbraucherstichprobe und die Streichungen von Ta-bak und Alkohol zu unterlassen. 177. Ich beantrage es zu unterlassen, an dem verfassungswidrigen Handeln, ver-fassungswidrigen Diskriminierungen festzuhalten. 188a. Ich beantrage, dass das Handeln (die Bescheidungen) der Beklagten und das Handeln Deutschlands in Übereinstimmung mit den Zielen und Grunds-ätzen der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte stehen, weil Deutsch-land sich in der Schlussakte der KSZE unter VII dazu verpflichtet hat, dass sein Handeln in Übereinstimmung mit den Zielen und Grundsätzen der all-gemeinen Erklärung der Menschenrechte steht. 198b. Ich beantrage es zu unterlassen, dass das Handeln Deutschlands nicht in Übereinstimmung mit den Zielen und Grundsätzen der allgemeinen Erklä-rung der Menschenrechte steht. 209. Ich beantrage, die Unterscheidung ALG und ALG II bzw. die Diskriminierung der sogenannten Langzeitarbeitslosen zu unterlassen. Ich beantrage, alle Ar-beitslosen gleich zu behandeln, abzusichern und die widerrechtlichen Sank-tionsandrohungen und Sanktionen zu unterlassen. 219a. Ich beantrage eine Erstattung meiner Rechtsmittelkosten. Ich beantrage Kos-tenfestsetzung und mache Schadensersatzansprüche geltend. 2210. Ich beantrage die Verfahren gem. § 100 Abs. 2 Grundgesetz auszusetzen und an das zuständige Bundesverfassungsgericht zu verweisen, weil es um Völkerrecht/Schlussakte der KSZE geht, weil sich Deutschland in der Schlussakte der KSZE unter VII dazu verpflichtet hat, dass sein Handeln mit den Zielen und Grundsätzen der allgemeinen Erklärung der Menschen-rechte im Einklang steht und Deutschland/Jobcenter dieser Verpflichtung aus der Schlussakte der KSZE unter VII zuwider handelt. 2311. Ich beantrage, meine gesamten schriftlichen Einreichungen/Anträge zu be-rücksichtigen. 24Der Beklagte beantragt, 25die Klage abzuweisen. 26Er ist bei seiner im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren vertretenen Auffassung verblieben und verweist auf die Ausführungen in den vorangegangenen Verfahren so-wie im angefochtenen Widerspruchsbescheid. 27Der Kläger hat eine Übersicht über die Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr einge-reicht. Hinsichtlich des Betriebes des Elektroradiators zum Beheizen der Wohnung hat der Kläger eine Aufstellung zu den Akten gereicht, wann und wie lange er im Zeitraum ab Januar 2015 den Radiator benutzt hat. Zudem hat er Erklärungen seiner Mutter und seiner Brü¬der eingereicht, ausweislich derer der Kläger auch mit dem Elektroradiator ge-heizt habe. 28Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Be-zug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist. 29Entscheidungsgründe: 30Die form- und fristgerecht erhobene, insgesamt zulässige Klage ist nicht begründet. 31Der Bescheid vom 23.05.2014 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 04.08.2014 und 17.06.2015 und des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2015 ist rechtmäßig. Der Kläger wird durch diesen Bescheid nicht in seinen Rechten verletzt, § 54 Abs. 2 Sozial-gerichtsgesetz (SGG). 32Die Höhe der von dem Beklagten übernommenen Kosten für die Unterkunft und Hei-zung im hier streitgegenständlichen Zeitraum 01.07.2014 bis 31.12.2014 sind nicht zu beanstanden. 33Die Wohnung des Klägers ist mit einer Gasetagenheizung ausgestattet. Die Abschläge für die Gasversorgung werden in voller Höhe übernommen. Für den Betriebsstrom der Gasheizung wird zusätzlich ein Anteil von 5% der Heizkosten übernommen. Dies entspricht der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.09.2016, Az.: L 31 AS 300/15; LSG Nordrhein-Westfalen, Ur-teil vom 19.02.2013, Az.: L 2 AS 2081/12; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 10.06.2016, Az.: L 11 AS 1788/15 m.w.N. Auch das Bundessozialgericht ver-weist darauf, dass die Kosten für den Betriebsstrom mangels eigenen Zählers einer Schätzung zugänglich sind, und dass ein Anteil von 4 – 10% der Brennstoffkosten eine mögliche Rechenweise für die Schätzung darstellt: BSG, Urteil vom 03.12.2015, Az.: B 4 AS 47/14 R). 34Die Übernahme der Kosten für den Elektroradiator kommt daneben nicht in Betracht. Zum einen ist die Wohnung mit einer Gasetagenheizung ausgestattet. Wenn diese nicht ausreicht, um die Wohnung komplett zu beheizen, muss sich der Kläger an seinen Ver-mieter wenden. Auch das Fehlen eines Heizkörpers im Flur und in der Küche führt nicht zu einem Anspruch auf Kostenübernahme durch den Beklagten. Aus der Tatsache, dass das Landessozialgericht in einem der Sitzungsprotokolle der früheren Verfahren festge-halten hat, dass ein Anspruch darauf bestehe, die gesamte Wohnung zu beheizen, ergibt sich insoweit nichts anderes. Aus den von dem Kläger eingereichten Protokollen über den Betrieb des Elektroradiators in anderen Streitzeiträumen (hier: ab 2015, im Pa-rallelverfahren S 46 AS 4050/14 auch für den früheren Zeitraum Januar bis März 2014) ergibt sich, dass er den Radiator ausschließlich abends und nachts verwendet hat. Im Verhandlungstermin hat der Kläger zudem angegeben, dass er den Elektroradiator nicht nur in der Küche und im Flur, sondern auch in seinem Arbeitszimmer (das auch als Kin-derzimmer bezeichnet worden ist), im Wohnzimmer und im Schlafzimmer benutzt hat. Die Notwendigkeit des Heizens mit dem Elektroradiator ist zur Überzeugung der Kammer nicht gegeben. Denn in der Küche und insbesondere im Flur, in dem man sich nicht dauerhaft aufhält, erschließt sich die Notwendigkeit des Heizens in der Nacht nicht. In den anderen Räumen sind Heizkörper vorhanden, die mit der Gasetagenheizung beheizt werden können. Die insoweit entstehenden Kosten werden von dem Beklagten über-nommen. Zum anderen sind die Kosten für den Betrieb des Elektroradiators nicht nachgewiesen. Zwar hat der Kläger Erklärungen von Familienangehörigen eingereicht, dass er den Ra-diator benutzt habe, aber dies stellt keinen geeigneten Nachweis über die genaue Be-triebsdauer und insbesondere nicht über die dadurch entstandenen Kosten dar. Die blo-ße Behauptung, dass der Elektroradiator einen Betrag X verbrauche und dass deshalb ein Verbrauch von 270 kw/h im hier streitigen Zeitraum gegeben sei, ist zur Überzeugung der Kammer nicht ausreichend, um den tatsächlichen Verbrauch zu belegen. 35Die weiteren Anträge des Klägers zu Nr. 2. bis 11. haben ebenfalls keinen Erfolg. Die Urteile und Sitzungsprotokolle des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen liegen vor, für eine weitergehende Beiziehung der in den Anträgen Nr. 2. und 3. genannten und bereits vorliegenden Urteile und Protokolle fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. 36Für eine Schadenersatzforderung und Schmerzensgeld (Antrag Nr. 4) besteht keine Zu-ständigkeit des Sozialgerichts. Der Sozialrechtsweg gemäß § 51 SGG ist nicht eröffnet. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden gemäß § 51 Abs. 1 SGG nur über öf-fentlich-rechtliche Streitigkeiten in den unter Nr. 1 – 10 genannten Fällen und gemäß § 51 Abs. 2 SGG über privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung sowie der sozialen und privaten Pflegeversicherung. Eine Scha-denersatzklage kann daher vor dem Sozialgericht keinen Erfolg haben. 37Die Anträge Nr. 5. bis 9. sind unzulässig, soweit sie auf die allgemeine Verfassungswid-rigkeit oder auf allgemeine Ansprüche anderer Menschen abstellen. Eine konkrete eige-ne Beschwer des Klägers im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG ist insoweit nicht ersicht-lich. Soweit der Kläger die Verfassungsmäßigkeit des Regelsatzes (§ 20 SGB II) in Frage stellt und höhere Leistungen begehrt, da er als junger Mann einen höheren Bedarf habe als ältere Menschen oder Frauen, ist die Klage unbegründet. Das Gericht hat an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Regelbedarfes keine Zweifel (vgl. u.a. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.07.2014, Az.: L 2 AS 1866/13, sowie BSG, Urteil vom 28.03.2013, Az.: B 4 AS 12/12 R). 38Der Antrag Nr. 9a ist weder zulässig, noch begründet. Rechtsmittelkosten werden nach § 63 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) übernommen, soweit ein Widerspruch er-folgreich ist. In Klageverfahren werden Kosten nach § 193 SGG erstattet. Die Kostener-stattung erfolgt hierbei konkret für das jeweilige Verfahren. Im vorliegenden Verfahren waren Widerspruch und Klage nicht erfolgreich, so dass eine Kostenerstattung insoweit nicht in Betracht kommt. Eine allgemeine, über § 63 SGB X und § 193 SGG hinausge-hende Erstattung von Rechtsmittelkosten sieht das Gesetz nicht vor. 39Dem Antrag Nr. 10 war ebenfalls nicht zu folgen. Gemäß Art. 100 Abs. 2 Grundgesetz hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen, wenn in ei-nem Rechtsstreit zweifelhaft ist, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bun-desrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Das Gericht hat keine Zweifel daran, dass dem Kläger weitere Ansprüche auf Grund völkerrechtliche Bestimmungen nicht zustehen. 40Antrag Nr. 11 ist gegenstandslos, da alle Anträge des Klägers berücksichtigt worden sind. Sämtliche Schriftsätze und Anträge waren ohnehin Gegenstand des Verfahrens, so dass ein Rechtsschutzbedürfnis für diesen Antrag nicht gegeben ist. 41Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
die klage wird abgewiesen. außergerichtliche kosten sind nicht zu erstatten. 1
2streitig zwischen den beteiligten ist die höhe der dem kläger zu gewährenden grundsi-cherungsleistungen, hier insbesondere ein höherer bedarf auf grund alters- und ge-schlechtsspezifischer diskriminierung, rechtsmittelkosten, sowie die übernahme der kosten für einen elektroradiator zum zusätzlichen beheizen der wohnung im zweiten kalenderhalbjahr 2014. 3der kläger bezieht seit dem 01.01.2005 laufend grundsicherungsleistungen nach dem sozialgesetzbuch zweites buch – grundsicherung für arbeitsuchende (sgb ii) von dem beklagten. er bewohnt eine 48 qm große erdgeschosswohnung, bestehend aus einem kinderzimmer, einem bad, einer küche welche ohne tür mit dem flur verbunden ist, ei-nem wohnzimmer und einem schlafzimmer. die wohnung wird mit einer gasetagenhei-zung beheizt. die warmwasserbereitung erfolgt nach angaben des klägers jedoch über strom. die gasetagenheizung hat nach den herstellerangaben eine kleinste wärmebe-lastung von 8,4 kilowatt (kw), die elektrische leistungsaufnahme beträgt 120 watt (w). 4bereits bei seiner ersten antragstellung gab der kläger an, dass er auf grund seiner per-sönlichen lebensführung, seiner anschauungen, sowie seiner genetischen anlagen einen erhöhten monatlichen mehraufwand habe. er berief sich dabei unter anderem auf die un-menschenrechte. hinsichtlich sowohl der höheren bedarfe, als auch der heizkosten wurde in der vergan-genheit bereits eine vielzahl von verfahren vor dem hiesigen sozialgericht und dem landessozialgericht geführt. 5mit bescheid vom 23.05.2014 bewilligte der beklagte dem kläger grundsicherungsleis-tungen für den zeitraum 01.07.2014 bis 31.12.2014 in höhe von 391,00 euro regelleis-tung und 279,04 euro für die kosten der unterkunft und heizung (insgesamt: 670,04 eu-ro). gegen den bescheid erhob der kläger widerspruch. mit änderungsbescheid vom 04.08.2014 rechnete der beklagte ein guthaben aus einer nebenkostenabrechnung an. mit weiterem änderungsbescheid vom 17.06.2015 hob der beklagte den änderungsbescheid vom 04.08.2014 wieder auf und bewilligte die leistun-gen in ursprünglicher höhe. 6mit widerspruchsbescheid vom 21.05.2015 setzte der beklagte die leistungen ausdrück-lich wieder in ursprünglicher höhe von insgesamt 670,04 euro fest und wies den wider-spruch des klägers im übrigen zurück. hinsichtlich der höhe der heizkosten und der verfassungsmäßigkeit der bedarfe verwies der beklagte insoweit auf die abgeschlossenen gerichtsverfahren. 7mit der dagegen am 19.06.2015 erhobenen klage verfolgt der kläger sein begehren wei-ter. er trägt vor, dass junge menschen einen höheren ernährungsbedarf haben als ältere, sowie männer einen höheren bedarf als frauen. dies sei wissenschaftlich erwiesen. auch sei die unterscheidung zwischen arbeitslosengeld und der bis 2004 bestehenden arbeitslosenhilfe unzulässig. ebenso unzulässig sei die unterscheidung zwischen ar-beitslosengeld und arbeitslosengeld ii. das handeln des beklagten verstoße gegen hö-herrangiges recht, insbesondere gegen die un-menschenrechte. seine heizkosten inklusive des betriebes des elektroradiators seien angemessen. 8der kläger beantragt, 9den bescheid vom 23.05.2014 in der gestalt der änderungsbescheide vom 04.08.2014 und 17.06.2015 und des widerspruchsbescheides vom 21.05.2015 abzuändern und den beklagten zur gewährung weiterer leistungen zu verurtei-len. 10der kläger beantragt dabei insbesondere: 111. ich beantrage, meine dokumentierte inbetriebnahme meines elektroradiators "baufa 1500 watt type erst 15, nr. 316088" meine tatsächlichen heizkosten vollumfänglich zu erstatten. dies ist ein volumen von 270 kw/h 122. ich beantrage, die entscheidungen des lsg nrw als beweis hinzuzuziehen u.a. urteil l 2 as 273/14, l 2 as 564/14, l 2 as 798/14 und l 2 as 800/14. 133. ich beantrage, das sitzungsprotokoll vom 23.09.2014 und die entsprechen-den späteren anderslautenden entscheidungen des lsg nrw als beweis hinzuzuziehen u.a. die sitzungsprotokolle zu denselben aktenzeichen, wie zu den urteilen unter 2. genannt. 144. beantrage ich einen schadensersatz gem. § 823 bgb und 839 bgb sowie auch einen immateriellen schaden nach § 253 bgb. außerdem fordere ich schmerzensgeld (§ 847 bgb). 155. ich beantrage, die verfassungswidrigen diskriminierungen bei der ernährung bzw. diskriminierung von männern/jungen menschen gegenüber frau-en/älteren menschen bei der ernährung durch die nichtbedarfsgerechte/nicht transparente grundsicherung sgb ii regelleistung zu unterlassen. ich ma-che begründet höhere leistungen geltend. 166. ich beantrage, die fehlende transparenz insbesondere der referenzgruppe der einkommens- und verbraucherstichprobe und die streichungen von ta-bak und alkohol zu unterlassen. 177. ich beantrage es zu unterlassen, an dem verfassungswidrigen handeln, ver-fassungswidrigen diskriminierungen festzuhalten. 188a. ich beantrage, dass das handeln (die bescheidungen) der beklagten und das handeln deutschlands in übereinstimmung mit den zielen und grunds-ätzen der allgemeinen erklärung der menschenrechte stehen, weil deutsch-land sich in der schlussakte der ksze unter vii dazu verpflichtet hat, dass sein handeln in übereinstimmung mit den zielen und grundsätzen der all-gemeinen erklärung der menschenrechte steht. 198b. ich beantrage es zu unterlassen, dass das handeln deutschlands nicht in übereinstimmung mit den zielen und grundsätzen der allgemeinen erklä-rung der menschenrechte steht. 209. ich beantrage, die unterscheidung alg und alg ii bzw. die diskriminierung der sogenannten langzeitarbeitslosen zu unterlassen. ich beantrage, alle ar-beitslosen gleich zu behandeln, abzusichern und die widerrechtlichen sank-tionsandrohungen und sanktionen zu unterlassen. 219a. ich beantrage eine erstattung meiner rechtsmittelkosten. ich beantrage kos-tenfestsetzung und mache schadensersatzansprüche geltend. 2210. ich beantrage die verfahren gem. § 100 abs. 2 grundgesetz auszusetzen und an das zuständige bundesverfassungsgericht zu verweisen, weil es um völkerrecht/schlussakte der ksze geht, weil sich deutschland in der schlussakte der ksze unter vii dazu verpflichtet hat, dass sein handeln mit den zielen und grundsätzen der allgemeinen erklärung der menschen-rechte im einklang steht und deutschland/jobcenter dieser verpflichtung aus der schlussakte der ksze unter vii zuwider handelt. 2311. ich beantrage, meine gesamten schriftlichen einreichungen/anträge zu be-rücksichtigen. 24der beklagte beantragt, 25die klage abzuweisen. 26er ist bei seiner im verwaltungs- und widerspruchsverfahren vertretenen auffassung verblieben und verweist auf die ausführungen in den vorangegangenen verfahren so-wie im angefochtenen widerspruchsbescheid. 27der kläger hat eine übersicht über die referenzwerte für die nährstoffzufuhr einge-reicht. hinsichtlich des betriebes des elektroradiators zum beheizen der wohnung hat der kläger eine aufstellung zu den akten gereicht, wann und wie lange er im zeitraum ab januar 2015 den radiator benutzt hat. zudem hat er erklärungen seiner mutter und seiner brü¬der eingereicht, ausweislich derer der kläger auch mit dem elektroradiator ge-heizt habe. 28hinsichtlich der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes, sowie des weiteren vorbringens der beteiligten wird auf den inhalt der gerichts- und verwaltungsakten be-zug genommen, der gegenstand der mündlichen verhandlung gewesen ist. 29
30die form- und fristgerecht erhobene, insgesamt zulässige klage ist nicht begründet. 31der bescheid vom 23.05.2014 in der gestalt der änderungsbescheide vom 04.08.2014 und 17.06.2015 und des widerspruchsbescheides vom 21.05.2015 ist rechtmäßig. der kläger wird durch diesen bescheid nicht in seinen rechten verletzt, § 54 abs. 2 sozial-gerichtsgesetz (sgg). 32die höhe der von dem beklagten übernommenen kosten für die unterkunft und hei-zung im hier streitgegenständlichen zeitraum 01.07.2014 bis 31.12.2014 sind nicht zu beanstanden. 33die wohnung des klägers ist mit einer gasetagenheizung ausgestattet. die abschläge für die gasversorgung werden in voller höhe übernommen. für den betriebsstrom der gasheizung wird zusätzlich ein anteil von 5% der heizkosten übernommen. dies entspricht der obergerichtlichen rechtsprechung (vgl. lsg berlin-brandenburg, urteil vom 14.09.2016, az.: l 31 as 300/15; lsg nordrhein-westfalen, ur-teil vom 19.02.2013, az.: l 2 as 2081/12; landessozialgericht niedersachsen-bremen, urteil vom 10.06.2016, az.: l 11 as 1788/15 m.w.n. auch das bundessozialgericht ver-weist darauf, dass die kosten für den betriebsstrom mangels eigenen zählers einer schätzung zugänglich sind, und dass ein anteil von 4 – 10% der brennstoffkosten eine mögliche rechenweise für die schätzung darstellt: bsg, urteil vom 03.12.2015, az.: b 4 as 47/14 r). 34die übernahme der kosten für den elektroradiator kommt daneben nicht in betracht. zum einen ist die wohnung mit einer gasetagenheizung ausgestattet. wenn diese nicht ausreicht, um die wohnung komplett zu beheizen, muss sich der kläger an seinen ver-mieter wenden. auch das fehlen eines heizkörpers im flur und in der küche führt nicht zu einem anspruch auf kostenübernahme durch den beklagten. aus der tatsache, dass das landessozialgericht in einem der sitzungsprotokolle der früheren verfahren festge-halten hat, dass ein anspruch darauf bestehe, die gesamte wohnung zu beheizen, ergibt sich insoweit nichts anderes. aus den von dem kläger eingereichten protokollen über den betrieb des elektroradiators in anderen streitzeiträumen (hier: ab 2015, im pa-rallelverfahren s 46 as 4050/14 auch für den früheren zeitraum januar bis märz 2014) ergibt sich, dass er den radiator ausschließlich abends und nachts verwendet hat. im verhandlungstermin hat der kläger zudem angegeben, dass er den elektroradiator nicht nur in der küche und im flur, sondern auch in seinem arbeitszimmer (das auch als kin-derzimmer bezeichnet worden ist), im wohnzimmer und im schlafzimmer benutzt hat. die notwendigkeit des heizens mit dem elektroradiator ist zur überzeugung der kammer nicht gegeben. denn in der küche und insbesondere im flur, in dem man sich nicht dauerhaft aufhält, erschließt sich die notwendigkeit des heizens in der nacht nicht. in den anderen räumen sind heizkörper vorhanden, die mit der gasetagenheizung beheizt werden können. die insoweit entstehenden kosten werden von dem beklagten über-nommen. zum anderen sind die kosten für den betrieb des elektroradiators nicht nachgewiesen. zwar hat der kläger erklärungen von familienangehörigen eingereicht, dass er den ra-diator benutzt habe, aber dies stellt keinen geeigneten nachweis über die genaue be-triebsdauer und insbesondere nicht über die dadurch entstandenen kosten dar. die blo-ße behauptung, dass der elektroradiator einen betrag x verbrauche und dass deshalb ein verbrauch von 270 kw/h im hier streitigen zeitraum gegeben sei, ist zur überzeugung der kammer nicht ausreichend, um den tatsächlichen verbrauch zu belegen. 35die weiteren anträge des klägers zu nr. 2. bis 11. haben ebenfalls keinen erfolg. die urteile und sitzungsprotokolle des landessozialgerichts nordrhein-westfalen liegen vor, für eine weitergehende beiziehung der in den anträgen nr. 2. und 3. genannten und bereits vorliegenden urteile und protokolle fehlt das rechtsschutzbedürfnis. 36für eine schadenersatzforderung und schmerzensgeld (antrag nr. 4) besteht keine zu-ständigkeit des sozialgerichts. der sozialrechtsweg gemäß § 51 sgg ist nicht eröffnet. die gerichte der sozialgerichtsbarkeit entscheiden gemäß § 51 abs. 1 sgg nur über öf-fentlich-rechtliche streitigkeiten in den unter nr. 1 – 10 genannten fällen und gemäß § 51 abs. 2 sgg über privatrechtliche streitigkeiten in angelegenheiten der gesetzlichen krankenversicherung sowie der sozialen und privaten pflegeversicherung. eine scha-denersatzklage kann daher vor dem sozialgericht keinen erfolg haben. 37die anträge nr. 5. bis 9. sind unzulässig, soweit sie auf die allgemeine verfassungswid-rigkeit oder auf allgemeine ansprüche anderer menschen abstellen. eine konkrete eige-ne beschwer des klägers im sinne des § 54 abs. 1 satz 2 sgg ist insoweit nicht ersicht-lich. soweit der kläger die verfassungsmäßigkeit des regelsatzes (§ 20 sgb ii) in frage stellt und höhere leistungen begehrt, da er als junger mann einen höheren bedarf habe als ältere menschen oder frauen, ist die klage unbegründet. das gericht hat an der verfassungsmäßigkeit der höhe des regelbedarfes keine zweifel (vgl. u.a. lsg nordrhein-westfalen, urteil vom 16.07.2014, az.: l 2 as 1866/13, sowie bsg, urteil vom 28.03.2013, az.: b 4 as 12/12 r). 38der antrag nr. 9a ist weder zulässig, noch begründet. rechtsmittelkosten werden nach § 63 zehntes buch sozialgesetzbuch (sgb x) übernommen, soweit ein widerspruch er-folgreich ist. in klageverfahren werden kosten nach § 193 sgg erstattet. die kostener-stattung erfolgt hierbei konkret für das jeweilige verfahren. im vorliegenden verfahren waren widerspruch und klage nicht erfolgreich, so dass eine kostenerstattung insoweit nicht in betracht kommt. eine allgemeine, über § 63 sgb x und § 193 sgg hinausge-hende erstattung von rechtsmittelkosten sieht das gesetz nicht vor. 39dem antrag nr. 10 war ebenfalls nicht zu folgen. gemäß art. 100 abs. 2 grundgesetz hat das gericht die entscheidung des bundesverfassungsgerichtes einzuholen, wenn in ei-nem rechtsstreit zweifelhaft ist, ob eine regel des völkerrechtes bestandteil des bun-desrechtes ist und ob sie unmittelbar rechte und pflichten für den einzelnen erzeugt. dies ist vorliegend nicht der fall. das gericht hat keine zweifel daran, dass dem kläger weitere ansprüche auf grund völkerrechtliche bestimmungen nicht zustehen. 40antrag nr. 11 ist gegenstandslos, da alle anträge des klägers berücksichtigt worden sind. sämtliche schriftsätze und anträge waren ohnehin gegenstand des verfahrens, so dass ein rechtsschutzbedürfnis für diesen antrag nicht gegeben ist. 41die kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 sgg.
346,915
{ "id": 842, "jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit", "level_of_appeal": null, "name": "Verwaltungsgericht Düsseldorf", "state": 12 }
3 K 7947/21
2022-10-13T00:00:00
Urteil
Tenor Der Bescheid des Oberbürgermeisters der Beklagten über den Widerruf der Zuweisung von Großmarktflächen vom 16. November 2021 wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollsteckbar. Die Berufung wird zugelassen. 1Tatbestand: 2Die Klägerin betreibt seit inzwischen mehreren Jahrzehnten einen Obst- und Gemüsegroßhandel mit derzeit 28 Mitarbeitern auf dem Großmarkt der Beklagten; die Ware für die rund 280 Kunden, darunter Großkantinen, Krankenhäuser, Altenheime, Catering, Schulen und Kindergärten, wird jede Nacht bei den insgesamt etwa 30 Zulieferbetrieben auf dem Großmarkt frisch eingekauft und noch am selben Tage ausgeliefert. 3Nachdem die ursprünglichen Zuweisungen von Flächen in der Halle 00 bzw. davor („Halle 00X“) des Großmarktes seitens des Oberbürgermeisters der Beklagten mit Bescheid vom 17. November 2015 (aus Gründen der Hallenstatik sowie wegen der Werksmodernisierung des benachbarten Sprinterwerks der Firma E. AG) widerrufen worden waren, erhielt die Klägerin mit Bescheid vom 6. April 2016 ersatzweise die Standplätze Nr. 00 bis 00 in der Halle 0 des Großmarktes neu zugewiesen; die seitens der Klägerin angestrengten gerichtlichen Verfahren (3 K 7996/15 und 3 L 49/16) wurden übereinstimmend für erledigt erklärt. 4Zwecks Neuausrichtung zu einem privat – ohne städtischen Einfluss in Eigenregie der Großmarkthändlerinnen und Großmarkthändler – geführten Großmarkt (auf dem dann der städtischen Tochtergesellschaft J. AG gehörenden Großmarktgelände mit neu zu errichtenden Großmarkthallen) beschloss der Rat der Beklagten am 12. Juli 2018 die Auflösung der öffentlichen Einrichtung Großmarkt (zum 31. Dezember 2018). In Umsetzung dieser Entscheidung widerrief der Oberbürgermeister der Beklagten gegenüber der Klägerin mit Bescheid vom 17. September 2018 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die oben genannte Zuweisung der sieben Standplätze in Halle 0 des Großmarktes zum 31. Dezember 2018. Dem hiergegen von der Klägerin seinerzeit gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (3 L 2854/18) gab die Kammer durch Beschluss vom 27. November 2018 wegen mangelnder Vereinbarkeit des Widerrufes und des ihm zu Grunde liegenden Ratsbeschlusses mit höherrangigem Recht in Gestalt der durch das Bundesverwaltungsgericht in seinem „Weihnachtsmarkturteil“ vom 27. Mai 2009 (8 C 10.08) zu Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG erarbeiteten Grundsätze statt. Gegen diesen sowie gegen eine Parallelentscheidung der Kammer legte die Beklagte keine Rechtsmittel ein. Vielmehr verfolgte sie das Ziel eines zukunftsfähigen Großmarktes in Eigenregie der Händlerinnen und Händler in zahlreichen Verhandlungsgesprächen zunächst weiter, verwarf es jedoch, als sich abzeichnete, dass eine Lösung auf der Basis eines breiten Konsenses aussichtslos erschien. Sie setzte den Ratsbeschluss von 2018 nicht um, sondern hob die gerichtlich angegriffenen Widerrufsbescheide im April 2021 allesamt auf; die zahlreichen Klageverfahren wurden einschließlich des der Klägerin (3 K 7827/18) übereinstimmend für erledigt erklärt. 5Im Folgenden prüfte die Beklagte die Optionen „Fortführung der öffentlichen Einrichtung Großmarkt“ und „Auflösung der öffentlichen Einrichtung Großmarkt“ (ohne Möglichkeit der Weiterführung durch die Großmarkthändlerinnen und -händler in Eigenregie im Anschluss an die Auflösung). Am 1. Juli 2021 entschied sich der Rat der Beklagten für die zweite Option und beschloss die Auflösung der öffentlichen Einrichtung Großmarkt zum 31. Dezember 2024. Zur Begründung wurde in der Beschlussvorlage (XXX/000/2021) insbesondere die ineffiziente Struktur auf dem Großmarktgelände, die nicht mehr heutigen Maßstäben der Flächennutzung entspreche, ein enormer Investitionsbedarf bzw. hoher Sanierungsaufwand und ein hohes Defizit angeführt; ferner sei mit einzubeziehen, dass das Großmarktgelände als eine der wenigen großen, zusammenhängen und attraktiven Flächen im Stadtgebiet einer neuen und sinnvolleren Nutzung zugeführt werden solle. Der Großmarkt sei für die Versorgung der Düsseldorfer Bürgerinnen und Bürger auch nicht unabdingbar, denn seine Funktion als Einrichtung der Daseinsvorsorge habe er längst verloren. In Umsetzung dieses Ratsbeschlusses widerrief der Oberbürgermeister der Beklagten mit Bescheid vom 16. November 2021 die Zuweisungen für die Stände Nr. 00 bis 00 in der Halle 0 des Großmarktes zum 31. Dezember 2024 (Ziffer 1), ordnete die Räumung und saubere Zur-Verfügung-Stellung der Flächen zu diesem Zeitpunkt (Ziffer 2) und drohte widrigenfalls die Durchführung im Wege der Ersatzvornahme bei vorläufig veranschlagten Kosten in Höhe von 3.000,00 Euro (Ziffer 3) an. Sie stützte den Widerruf auf § 49 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW: § 6 Abs. 4 Großmarktsatzung (GMS) lasse den Widerruf aus sachlich gerechtfertigtem Grund zu; ebenso sei in der Zuweisung ein Widerruf vorbehalten. 6Gegen den Bescheid vom 16. November 2021 hat die Klägerin am 22. November 2021 Klage erhoben. 7Zu deren Begründung führt sie im Wesentlichen an, dass es an einem „sachlich gerechtfertigten Grund“ im Sinne von § 6 Abs. 4 GMS fehle, weil die Vorschrift nur „bauliche Änderungen“ zu Gunsten der öffentlichen Einrichtung Großmarkt, nicht aber Baumaßnahmen Privater erfasse, zu deren Umsetzung die öffentliche Einrichtung aufgelöst werden müsse.Überdies sei die Entscheidung, den Großmarkt als öffentliche Einrichtung zum 31. Dezember 2024 aufzulösen, mit höherrangigem Recht nicht vereinbar. Erneut habe die Beklagte insoweit das in Art. 28 Abs. 2 GG wurzelnde Gebot der Sicherung und Wahrung des Aufgabenbestandes der Gemeinden missachtet. Das „Weihnachtsmarkturteil“ des Bundesverwaltungsgerichts gelte nicht nur für die materielle Privatisierung öffentlicher Einrichtungen, sondern erst recht für deren vollständige Auflösung, wie sie die Beklagte hier verfolge. Auch seien nicht nur Einrichtungen erfasst, die – kumulativ – sozial, kulturell oder traditionell geprägt seien, sondern es genüge zur Anerkennung einer grundsätzlichen Aufgabenwahrnehmungspflicht, wenn die von der Gemeinde geschaffene öffentliche Einrichtung – alternativ – sozial, kulturell oder traditionell geprägt sei. Dass es sich bei dem Großmarkt Düsseldorf um eine derartige öffentliche Einrichtung im Sinne des „Weihnachtsmarkturteils“ und eben nicht um eine ausschließlich wirtschaftliche Betätigung der Beklagten handele, habe die Kammer im November 2018 völlig zu Recht festgestellt; maßgebliche Änderungen hätten sich in den Jahren danach nicht ergeben. Zudem habe die Beklagte im Rahmen ihrer Auflösungsentscheidung die berechtigten Interessen der Händler und Marktbeschicker völlig außer Acht gelassen.Jedenfalls sei der Widerruf – noch dazu innerhalb einer so kurz bemessenen Frist – ermessensfehlerhaft, weil dessen existenzbedrohende Wirkung für die Klägerin nicht hinreichend berücksichtigt worden sei.Könne der Widerruf mithin offensichtlich keinen Bestand haben, so gelte dies auch für die Räumungsanordnung, zumal die Voraussetzungen des § 6 Abs. 5 GMS nicht erfüllt seien. Die Androhung der Ersatzvornahme sei schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil ihr – der Klägerin – nicht nur vertretbare Handlungen aufgegeben worden seien. 8Die Klägerin beantragt, 9den Bescheid des Oberbürgermeisters der Beklagten über den Widerruf der Zuweisung von Großmarktflächen vom 16. November 2021 aufzuheben. 10Die Beklagte beantragt, 11die Klage abzuweisen. 12Sie verteidigt die Entscheidung ihres Rates vom 1. Juli 2021 und den diese umsetzenden Widerrufsbescheid ihres Oberbürgermeisters:Die Argumentation der Klägerin zu § 6 Abs. 4 GMS sei ein Zirkelschluss, denn in der dortigen Nummer 2 stünden die öffentlichen Zwecke sprachlich dem Großmarkt gegenüber und sollten ihn ersetzen und nicht ihm dienen. Das in dem Ratsbeschluss dargestellte Ziel, das Großmarktgelände neuen Planungen zugänglich zu machen, stelle sich als Vorhaben der Stadtentwicklung und damit eindeutig als öffentlicher Zweck dar. Hilfsweise werde darauf hingewiesen, dass die Aufzählung in § 6 Abs. 4 GMS nicht abschließend sei und die Auflösung des Großmarktes jedenfalls einen ungeschriebenen Widerrufsgrund darstelle.Das „Weihnachtsmarkturteil“ stehe dem Ratsbeschluss zur Auflösung sowie dem streitgegenständlichen Widerrufsbescheid nicht entgegen. Der Großmarkt sei keine öffentliche Einrichtung mit kulturellem, sozialem und traditionsbildendem Hintergrund im Sinne der höchstrichterlichen Entscheidung. Hinsichtlich der Umschreibungen des Bundesverwaltungsgerichts „gemeinschaftsbezogene Gemeinwohlbelange“, das „örtliche Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Gemeindebürgern“ und die „Förderung der Kontakte der Gemeindebürger untereinander“ sei vielmehr zu betonen, dass dem Großmarkt eine solche Funktion nicht zukomme. Dieser sei ein abgeschlossenes Gelände, zu dem allein zugelassene Händlerinnen und Händler sowie gewerbliche Großmarktkundinnen und -kunden Zutritt erhielten. Der Handel beginne nach Mitternacht und ende in den frühen Morgenstunden. Der Großmarktbetrieb finde damit unter weitgehendem Ausschluss der Gemeindebürgerinnen und -bürger statt und besitze damit weder kulturelle, soziale oder traditionsbildende Funktion für die örtliche Gemeinschaft, noch diene er in irgendeiner Weise der Förderung der Kontakte der Gemeindebürger untereinander oder stelle sich als sozial und kulturell prägend dar. Er stelle, auch im Sinne des § 107 GO NRW, eine wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde dar, in dem er allein als Markt und damit als Ort des Warenaustauschs diene. Die Bedeutung des Großmarktes habe sich gewandelt: Er habe sich von der Daseinsvorsorgeeinrichtung zu einem reinen Handelsplatz entwickelt, der in Konkurrenz zur Vielzahl anderer Anbieter stehe. Nicht zuletzt als Folge der Digitalisierung sei die Ortsnähe für die Versorgung der örtlichen Bevölkerung nicht mehr notwendig. Hinzu komme, dass ein erheblicher Anteil der Großmarktkunden gar nicht aus Düsseldorf, sondern aus der näheren und weiteren Umgebung stamme. Gerade wegen dieser mit einer rückläufigen Nachfrage einhergehenden Entwicklung hätten diverse Händler selbst die Umstrukturierung des Großmarktes gewollt. Die Anwendung der im „Weihnachtsmarkturteil“ entwickelten Grundsätze scheitere überdies an einer fehlenden Fortführung des Großmarktes. Die von diesem als unzulässig erachtete Konstellation einer materiellen Privatisierung liege gerade nicht vor. Die Sorge des Gerichts gelte einer aus seiner Sicht potentiell schädlichen Kommerzialisierung der öffentlichen Einrichtung, nicht hingegen deren reinem Fortbestand. In diesem Zusammenhang sei das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 26. September 2011 (Au 7 K 10.1951) zu nennen, mit dem sich die Kammer auch in ihrem Beschluss von November 2018 befasst habe. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts müsse auch so einschränkend verstanden und könne auf keinen Fall auch auf andere Konstellationen wie die ersatzlose Auflösung einer öffentlichen Einrichtung erweitert werden. Die kritischen Literaturstimmen zeigten, dass die vom Senat erkannte Figur der Selbstverwaltungspflicht nur in sehr engen Grenzen angewendet werden könne. Das von der Klägerin nahegelegte Verständnis würde die Pervertierung des Selbstverwaltungsrechts bedeuten. Denn die Verwaltung der Gemeinde richte sich allein nach dem Willen der Bürgerschaft, die wiederum durch den demokratisch gewählten Rat vertreten werde. Soweit also keine schutzwürdigen Individualrechtspositionen der Auflösung der freiwilligen öffentlichen Einrichtung Großmarkt entgegenstünden, sei nicht ersichtlich, warum eine andere Instanz als ebendieser Rat, seien es Händlerinnen und Händler, ein Gericht oder eine staatliche Stelle, über diese Auflösung entscheiden und sie – die Beklagte – damit entgegen dem Willen der Bürgerschaft auf ewig an den Betrieb des Großmarktes binden solle. Auch sei keine Verdichtung von einer freiwilligen zu einer pflichtigen Einrichtung erfolgt, zumal die Grundversorgung der Bevölkerung auch nach Schließung des Großmarktes nicht gefährdet sei, wie ein Blick in die umliegenden Städte zeige, welche keine kommunalen Großmärkte bereithielten und deren Bevölkerung gleichwohl keinen Hunger leiden müsse. Ermessensfehler hafteten weder dem Ratsbeschluss noch dem streitgegenständlichen Widerrufsbescheid an. Denn die Interessen der wirtschaftlich tätigen Händlerinnen und Händler seien jeweils in die Abwägung eingestellt worden. Dem Rat komme bei der Entscheidung über die Auflösung einer freiwilligen Einrichtung ein sehr weiter Ermessensspielraum zu. Es gebe weder ein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand des Großmarktes noch einen individuellen Vertrauensschutz im Hinblick auf Investitionen in den Aus- oder Umbau des Standes. Schließlich zeige auch ein Vergleich mit zivilrechtlichen Gewerbemietverhältnissen und der dort üblichen Kündigungsfrist von maximal 12 Monaten, dass die Widerrufsfrist keinesfalls als unverhältnismäßig eingestuft werden könne. 13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte – insbesondere auch auf das Protokoll des am 16. August 2022 durchgeführten Erörterungstermins – nebst der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (einschließlich der „Ratsunterlagen“) Bezug genommen. 14Entscheidungsgründe: 15Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch den (Vorsitzenden als) Berichterstatter entscheiden, weil die Beteiligten sich in dem oben genannten Erörterungstermin jeweils hiermit (gemäß §§ 101 Abs. 2, 87a Abs. 2 und 3 VwGO) einverstanden erklärt haben. 16Die Klage hat Erfolg. 17Sie ist als Anfechtungsklage im Sinne des § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO zulässig und auch begründet; der Bescheid des Oberbürgermeisters der Beklagten über den Widerruf der Zuweisung von Großmarktflächen vom 16. November 2021 ist rechtwidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). 18Der in Ziffer 1. des angegriffenen – zugleich den maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt markierenden – Bescheides vorgenannten Datums enthaltene Widerruf der Zuweisung von sieben Standplätzen in Halle 8 des Großmarktes ist – ebenso wie der diesem zu Grunde liegende Beschluss des Rates der Landeshauptstadt Düsseldorf vom 1. Juli 2021 über die Auflösung der öffentlichen Einrichtung Großmarkt (zum 31. Dezember 2024) – mit höherrangigem Recht nicht vereinbar. 19Wie bereits 2018 bei der Umstrukturierungsentscheidung liegt bei der nunmehrigen Auflösungsentscheidung wiederum ein Verstoß gegen die aus der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) abgeleiteten Grundsätze vor, die das Bundesverwaltungsgericht in seinem sogenannten „Weihnachtsmarkturteil“ (vom 27. Mai 2009 - 8 C 10.08 -, juris) aufgestellt hat. Demnach sind die Gemeinden durch die Selbstverwaltungsgarantie nicht nur vor staatlichen Eingriffen in ihren Aufgabenbereich geschützt, sondern aus der Verfassungsnorm folgt auch eine Bindung der Gemeinden in Bezug auf die Aufrechterhaltung ihres Aufgabenbestandes, wenn dieser in den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft wurzelt. 20Bei dem Großmarkt der Beklagten handelt es sich um eine „öffentliche Einrichtung mit kulturellem, sozialem und traditionsbildendem Hintergrund“ im Sinne der vorgenannten höchstrichterlichen Entscheidung und nicht um eine primär wirtschaftliche Betätigung, bei der „eine verfassungsrechtliche Aufgabenverpflichtung der Gemeinden bereits tatbestandlich ausscheiden“ soll. 21Vgl. Stepanek, Diss. Würzburg 2013, Verfassungsunmittelbare Pflichtaufgaben der Gemeinden, Berlin 2014, S. 22 f. 22Hierzu hat die Kammer bereits in ihrem Beschluss vom 27. November 2018 in dem vorläufigen Rechtsschutzverfahren selbigen Rubrums Folgendes ausgeführt: 23„(…) Denn bei dem seit 1936 existierenden Großmarkt der Antragsgegnerin (vgl. die auf §§ 69 RGewO und 58 Abs. b PolVwG PR gestützte Marktordnung vom 15. Juni 1936) handelt es sich nach der bisherigen Konzeption um eine kommunale öffentliche Einrichtung im Sinne von § 8 GO NRW (vgl. auch § 1 der Großmarktsatzung). Bereits in ihrer Widerrufsverfügung (…) weist die Antragsgegnerin zutreffend darauf hin, dass es sich bei einem Großmarkt – anders als beispielsweise bei Schulen und Friedhöfen – nicht um eine Pflichtaufgabe handelt, d. h. eine Kommune eine derartige öffentliche Einrichtung „zur wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Betreuung ihrer Einwohner“ im Sinne von § 8 Abs. 1 GO NRW nicht schaffen muss. Entgegen der (bereits in der Widerrufsverfügung) zum Ausdruck gebrachten Annahme der Antragsgegnerin folgt hieraus aber nicht, dass eine Gemeinde (unbeschränkt) über die Abschaffung bzw. Privatisierung eines Großmarktes entscheiden kann. Vielmehr sind dabei die aus der bundesverfassungsrechtlichen Garantie der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) abgeleiteten Grundsätze zu beachten, die das Bundesverwaltungsgericht in seinem sogenannten „Weihnachtsmarkturteil“ aufgestellt hat. Nach dieser Entscheidung steht es nicht im freien Ermessen der Gemeinde, „freie Selbstverwaltungsangelegenheiten“ zu übernehmen oder sich auch jeder Zeit wieder dieser Aufgaben zu entledigen. Gehören Aufgaben zu den Angelegenheiten des örtlichen Wirkungskreises, so darf sich die Gemeinde im Interesse einer wirksamen Wahrnehmung dieses örtlichen Wirkungskreises, der ausschließlich der Gemeinde, letztlich zum Wohle der Gemeindeangehörigen, anvertraut ist, nicht ihrer gemeinwohlorientierten Handlungsspielräume begeben. Der Gemeinde steht es damit nicht grundsätzlich zu, sich ohne Weiteres der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu entledigen. Andernfalls hätten es die Gemeinden selbst in der Hand, den Inhalt der kommunalen Selbstverwaltung durch Abstoßen oder Nichtwahrnehmung ihrer ureigenen Aufgaben auszuhöhlen. Um ein Unterlaufen des ihr anvertrauten Aufgabenbereichs zu verhindern, muss sich die Gemeinde grundsätzlich zumindest Einwirkungs- und Steuerungsmöglichkeiten vorbehalten, wenn sie die Angelegenheiten des örtlichen Wirkungskreises anderen übertragen will. Sie kann sich damit nicht ihres genuinen Verantwortungsbereichs für die Wahrnehmung ihrer Angelegenheiten des örtlichen Wirkungskreises entziehen. Will sie Dritte bei der Verwaltung bestimmter Bereiche ihres eigenen Aufgabenbereichs einschalten, die gerade das Zusammenleben und Zusammenwohnen der Menschen in der politischen Gemeinschaft betreffen, so muss sie ihren Einflussbereich über die Entscheidung etwa über die Zulassung im Grundsatz behalten. Der Gemeinde ist es verwehrt, gewissermaßen den Inhalt der Selbstverwaltungsaufgaben selbst zu beschneiden oder an Dritte abzugeben. 24Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009 - 8 C 10.08 -, juris, Rn. 29. 25(…) 26Die Geltung der im „Weihnachtsmarkturteil“ aufgestellten Grundsätze kann entgegen der Ausführungen in der angegriffenen Widerrufsverfügung (…) und der Argumentation der Antragsgegnerin in dem vorliegenden Verfahren (…) auch nicht unter Verweis auf die „wirtschaftliche Funktion“, die „rein wirtschaftlichen Belange“, die „vorrangige wirtschaftliche Betätigung“ bzw. die „Subsidiaritätsklausel des § 107 Abs. 1 GO NRW“ in Abrede gestellt werden. Denn das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung deutlich gemacht, dass die Pflicht der gemeindlichen Wahrung und Sicherung ihres eigenen Aufgabenbestandes für öffentliche Einrichtungen mit kulturellem, sozialen und traditionsbildenden Hintergrund gilt, die schon lange Zeit in der bisherigen kommunalen Alleinverantwortung lagen. Nur wenn es allein um eine wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde geht, bei der von vornherein zweifelhaft sein kann, ob es sich um eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft handelt, die das Zusammenleben und Zusammenwohnen der Menschen in der politischen Gemeinschaft betrifft, so ist die Frage einer Pflicht der gemeindlichen Wahrung und Sicherung ihres eigenen Aufgabenbestandes nach Auffassung des 8. Senats anders zu beantworten. 27Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009 - 8 C 10.08 -, juris, Rn. 30. 28Bei dem Großmarkt Düsseldorf handelt es sich nicht um eine derartige allein wirtschaftliche Betätigung, sondern um eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft im Sinne von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG. Dies sind nach dem „Rastede-Beschluss“ des Bundesverfassungsgerichts diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben, die also den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und Zusammenwohnen der Menschen in der (politischen) Gemeinde betreffen; auf die Verwaltungskraft der Gemeinde kommt es hierfür nicht an. 29Vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. November 1988 - 2 BvR 1619/83 u. a. -, juris, Ls. 4 und Rn. 59. 30Die Antragstellerin hat hierzu in ihrer Antragsbegründung überzeugend ausgeführt, dass die Antragsgegnerin mit dem Großmarkt ihre hoheitliche Aufgabe erfülle, die Versorgung der Bevölkerung und örtlichen Unternehmen mit hochwertigen, gesunden und frischen Lebensmitteln (vorrangig Obst und Gemüse) sicherzustellen und darüber hinaus Düsseldorf als attraktiven Standort für den Handel, das Handwerk, die Produktion und den Gastronomiebedarf zu stärken. Der Großmarkt führe Erzeuger, Großhandel und mittelständischen Lebensmitteleinzelhandel sowie die Gastronomie und die Wochenmarktbeschicker zum Vorteil der Verbraucher regional zusammen und gewährleiste darüber hinaus eine transparente Preisgestaltung. Es handele sich mithin um eine Einrichtung mit stark sozial geprägtem Hintergrund im Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge. Dieser Bewertung ist beizupflichten. Hinzu kommt der vom Bundesverwaltungsgericht betonte Gesichtspunkt der „traditionellen Prägung“. 31Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009 - 8 C 10.08 -, juris, Rn. 31. 32Denn immerhin gehört der Großmarkt seit über achtzig Jahren zum Aufgabenbestand der (jetzigen) Landeshauptstadt, die sich gern ihrer hochwertigen und vielfältigen Gastronomie rühmt. Der Versuch der Antragsgegnerin, den Großmarkt unter Hinweis auf den Bedeutungswandel zu einem rein wirtschaftlichen Belang herabzustufen, verfängt nicht, zumal das von ihr zum Beleg herangezogene (recht aktuelle) Gutachten der Firma Belius (…) die Bedeutung der Großmärkte auch als Versorgungsfaktor (und nicht nur als Wirtschaftsfaktor) als Ergebnis festhält. Dass nicht nur die Düsseldorfer Gastronomie, sondern auch die über die Stadtgrenze hinaus seitens des Großmarktes beliefert wird, deckt sich mit dem Befund der überregionalen Bedeutung der Großmärkte in dem vorgenannten Gutachten und unterstreicht den immensen – einer Einrichtung des Messe- und Ausstellungswesens im Sinne von § 107 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GO NRW ähnlichen – Standortfaktor, entkoppelt diese Einrichtung aber nicht von der örtlichen Gemeinschaft.“ 33An dieser für den seinerzeitigen Zeitpunkt im dritten Quartal des Jahres 2018 vorgenommenen Einstufung hält die Kammer ungeachtet vereinzelter Kritik in der Rechtsprechung, 34vgl. den stark von hauptstädtischem Impetus getragenen Beschluss des VG Berlin vom 17. Juni 2020 - 4 L 171/20 -, juris, Rn. 24, 35und insbesondere auch angesichts des Vorbringens der Beklagten für den jetzt maßgeblichen Zeitpunkt im zweiten Halbjahr des Jahres 2021 (und darüber hinaus bis zum aktuellen Datum) fest. 36Entgegen der von der Klägerin in ihrem jüngsten Schriftsatz geäußerten Auffassung geht sie – die Kammer – dabei davon aus, dass die vom Bundesverwaltungsgericht in dem „Weihnachtsmarkturteil“ formulierte verfassungsrechtliche Aufgabenverpflichtung der Gemeinden (nur) für solche öffentliche Einrichtungen gilt, die kumulativ einen kulturellen, sozialen und traditionsbildenden Hintergrund aufweisen. 37Vgl. Sing, Diss. Würzburg 2018, Zulässigkeit der Privatisierung öffentlicher Einrichtungen mit kulturellem, sozialem und traditionsbildendem Hintergrund am Beispiel der Privatisierung eines Weihnachtsmarktes, München 2019, S. 226 und 265. 38Dass die genannten Merkmale jeweils nicht im Sinne einer mathematisierenden Betrachtungsweise zu gleichen „Anteilen“ erfüllt sein müssen, versteht sich angesichts der Vielgestaltigkeit der gemeindlichen öffentlichen Einrichtungen von selbst und bedarf keiner weiteren Darlegung. 39Dies vorausgeschickt vermochte und vermag dem Großmarkt der Beklagten der Charakter einer öffentlichen Einrichtung mit kulturellem, sozialem und traditionsbildendem Hintergrund nicht abgesprochen zu werden: Zunächst ist zu betonen, dass auch die Beklagte die (ihrer Auffassung nach ehemalige) Funktion als Einrichtung der Daseinsvorsorge ausweislich der maßgeblichen Beschlussvorlage (dort Seite 5 oben) und ihrer Ausführungen im Erörterungstermin – der Großmarkt sei vor fünfundachtzig Jahren eine Maßnahme der Stadthygiene und ein geordneter Rahmen für die Versorgung der Bevölkerung durch den deutlich regionalen Handel (auch in schwierigen Zeiten) gewesen – anerkennt. Dass die mehr als acht Jahrzehnte existierende öffentliche Einrichtung Großmarkt Düsseldorf in dieser Zeit einen gewissen Bedeutungswandel erfahren hat (und weiter erfährt) stellt die Kammer nicht in Frage; die Dimension dieses Bedeutungswandels bleibt jedoch unscharf, zumal auch die Beklagte im Erörterungstermin eingeräumt hat, dass der Großmarkt sicherlich immer noch einen Anteil „x“ habe. Wie sich dieser Anteil gerade angesichts der durch die Digitalisierung pp. eröffneten alternativen Möglichkeiten der Versorgung mit frischem Obst und Gemüse entwickelt hat, ist für die Kammer allerdings nicht nachvollziehbar. Die in der Beschlussvorlage AUS/051/2021 (dort erster Absatz auf Seite 5) aufgestellte Behauptung, die 33 Zuweisungsinhaber und 7 Mieter auf dem Großmarkt fielen gegenüber dem Großmarkt Venlo, den allein 159 Lebensmittelgroßhändlern mit eigener Lagerhaltung auf Düsseldorfer Stadtgebiet sowie den zahlreichen Agenturen nicht erheblich ins Gewicht, ist zwar numerisch beeindruckend, besagt über Höhe und Entwicklung des Großmarktanteils aber noch nichts Konkretes. Derartiges lässt sich auch dem von der Beklagten im Nachgang zum Erörterungstermin in Bezug genommenen – bei Beschlussfassung 2021 immerhin schon mehr als sechs Jahre alten – Gutachten des Instituts für I. (L. ) vom 11. Mai 2015 nicht entnehmen: Auf Seite 22 des Gutachtens (= Bl. 12 der Heftung 4 der „Ratsunterlagen“) heißt es zwar, dass der Großmarkt eher eine Einkaufsstätte für Gastronomen mit besonderer Frischeaffinität und kleine Unternehmungen sei; Kernzielgruppe seien die knapp 75.000 Restaurants mit Bedienung, die allerdings auch den Strukturwandel in der Gastronomie (mit einer rückläufigen Zahl bei stagnierenden Umsätzen) verspürten; diese Zahlen beziehen sich aber auf ganz Deutschland und lassen keinen Rückschluss auf die besonderen Düsseldorfer Verhältnisse mit ihrer „hochwertigen und vielfältigen Gastronomie“ sowie dem für seine Frische, Qualität und Vielfalt weit über die Landeshauptstadt hinaus bekannten (u. a. durch die Klägerin belieferten) Markt auf dem Carlsplatz zu. In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass das neuerlich vorgebrachte Argument der Beklagten, ein erheblicher Anteil der Großmarktkunden stamme gar nicht aus Düsseldorf, sondern aus der näheren und weiteren Umgebung bis in das europäische Ausland, die Bedeutung des Großmarktes für die hiesige Gastro- und Marktkultur nicht zu schmälern vermag. Abgesehen davon liegt der Anteil der Düsseldorfer Lebensmittelkunden ausweislich des vorgenannten J1. -Gutachtens (dort Seite 50 = Bl. 11 der Heftung 4 der „Ratsunterlagen“) bei über 50 % bzw. mit Rheinland und Niederrhein sogar bei 75 %, während die Niederlande nur zu 1 % vertreten sind. Im Übrigen sei zur rechtlichen Bewertung dieses Arguments zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf die einschlägigen Ausführungen am Ende des obigen Auszuges aus dem Beschluss der Kammer von November 2018 verwiesen. Ist der Großmarkt für die Versorgung gerade mit frischen Lebensmitteln – auch in Zeiten ohne Hungersnöte und Versorgungsengpässe – demnach immer noch von Bedeutung, so lässt er sich – trotz der sicherlich gegebenen Konkurrenzsituation – nicht zu einem (beliebigen) „reinen Handelsplatz“ degradieren.Der soziale Hintergrund vermag dem Großmarkt ebenfalls nicht abgesprochen zu werden, denn dieses Kriterium ist nicht auf die „Veranstaltung von Altennachmittagen, das Auftreten von Musikkapellen und das Bestehen von Kindernachmittagen“, 40vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009 - 8 C 10.08 -, juris, Rn. 36, 41beschränkt. Abgesehen von den bereits in dem Beschluss von November 2018 genannten Aspekten fördert die in Rede stehende öffentliche Einrichtung durchaus auch die Kommunikation und den Kontakt der Gemeindebürgerinnen und -bürger untereinander. Dies gilt zunächst unmittelbar für das „muntere Feilschen“, 42vgl. Internetseite der Beklagten zum „Großmarkt Düsseldorf“ (heutiger Aufruf), 43des aus „Wiederverkäufern und Großverbrauchern“ bestehenden „Kundenstammes“ mit den „Händlern“ sowie für deren Gespräche über Frische und den Bezug zum Beispiel von tropisch-exotischen Köstlichkeiten, „für deren Angebot der Großmarkt bekannt ist“ und das „nicht bei Kiwis, Mangos oder Ananas aufhört“, sondern auch „Mangostan oder Rambutan oder Platarinas“ umfasst. 44Vgl. Internetseite der Beklagten zum „Großmarkt Düsseldorf“ (heutiger Aufruf). 45Die durch den Großmarkt geförderte Kommunikation reicht jedoch über den Kreis der Händlerinnen und Händler sowie der gewerblichen Großmarktkundinnen und -kunden hinaus, denn sie erfasst mittelbar auch die Gäste sowie Kundinnen und Kunden der zuletzt genannten Kategorie, namentlich der Gastronomie und der Marktbeschicker (insbesondere des Carlsplatzes); nach nicht nur einmaliger Beobachtung der Kammer ist die durch den Großmarkt vermittelte Frische und (auch exotische) Vielfalt insbesondere des Obst- und Gemüseangebotes dort (auch untereinander) durchaus ein Thema, bei dem gerade bei qualitätsbewussten Gästen sowie Verbraucherinnen und Verbrauchern ein gewisser (traditionsbildender und das örtliche Zusammengehörigkeitsgefühl stärkender) Stolz mitschwingt. Das von der Beklagten gezeichnete Bild eines abgeschlossenen Geländes mit allein zutrittsberechtigten Händlerinnen und Händlern sowie gewerblichen Großmarktkundinnen und -kunden, die in der Nacht und am frühen Morgen unter weitgehendem Ausschuss der Gemeindebürgerinnen und -bürger handeln, mag zwar von der Beschreibung her zutreffend sein, lässt die gezogene Schlussfolgerung vor dem aufgezeigten Hintergrund jedoch nicht zu. 46Ist der Düsseldorfer Großmarkt (trotz Bedeutungswandels) auch im Beschlussjahr 2021 noch als die Kriterien des Bundesverwaltungsgerichts erfüllende traditionelle öffentliche Einrichtung der Daseinsvorsorge einzustufen, so kann die Geltung der Grundsätze des „Weihnachtsmarkturteils“ nach Auffassung der Kammer entgegen der Beklagten nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass vorliegend – anders als 2018 – keine Umstrukturierung, sondern eine Auflösung des Großmarktes in Rede steht. Denn ungeachtet des seinerzeitigen konkreten Falles – der Privatisierung des Offenbacher Weihnachtsmarktes – gilt die verpflichtende Zielrichtung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG nach der Begründung der höchstrichterlichen Entscheidung auch für den Fall der mangelnden Fortführung, also auch für den „Auflösungsfall“. Soweit das schon seinerzeit von der Beklagten angeführte Verwaltungsgericht Augsburg in seinem Urteil vom 26. September 2011 47- Au 7 K 10.1951 -, juris, Rn. 73 ff., 48(bezüglich des seit mehr als einhundert Jahren veranstalteten Volksfestes der Stadt Neu-Ulm) zu einer abweichenden Auffassung gelangt, so vermag dies nicht zu überzeugen, 49vgl. Stepanek, a. a. O., S. 25 Fn. 49, 50weil die Aussage der dortigen Kammer den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts klar widerspricht, 51vgl. Sing, a. a. O, S. 247 mit dem zutreffenden Hinweis, die genaue Lektüre der Entscheidungsgründe (des „Weihnachtsmarkturteils“) ergebe, dass das Bundesverwaltungsgericht seine Rechtsprechung auch auf die Frage der gänzlichen Einstellung einer kommunalen Einrichtung angewendet sehen wollte, 52und auch der Hinweis des – die 1. Instanz bestätigenden – Berufungsgerichts, 53vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 21. Dezember 2012 - 4 ZB 11.2496 -, juris, Rn. 8, 54auf die mangelnde Vergleichbarkeit so nicht richtig ist. 55Vgl. Sing, a. a. O., S. 249 unter Berufung auf Schoch, der unter Verweis auf das Bundesverwaltungsgericht, das mehrfach von der Unzulässigkeit der „Entledigung“ von (…) Aufgaben spricht und nicht nur von der Unzulässigkeit materieller Privatisierungen, allein die Tatsache der Aufgabenentledigung für maßgeblich hält. 56Der Vollständigkeit halber sei angeführt, dass die vorstehende Bewertung der Augsburger Entscheidung nicht im Widerspruch zu den Ausführungen in dem Beschluss vom 27. November 2018 steht: Seinerzeit hat die Kammer lediglich betont, dass die Grundsätze zur Disponibilität gemeinwohlorientierter Handlungsspielräume in der vorliegenden Konstellation Geltung beanspruchten, weil es sich (bei der Umstrukturierung) um einen „Privatisierungsfall“ handele und es anders als bei dem Neu-Ulmer Sachverhalt nicht um einen „Auflösungsfall“ gehe; den Umkehrschluss hat sie hingegen (mangels jeglicher Veranlassung) nicht gezogen. 57Dies heißt aber nicht gleichsam automatisch, dass der hier in Rede stehende grundlegende Ratsbeschluss vom 1. Juli 2021 wegen Verstoßes gegen die aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG abgeleitete Aufgabenwahrnehmungspflicht mit höherrangigem Recht unvereinbar ist. Wenn dies der Fall wäre, also der Beklagten keinerlei Spielraum mehr verbliebe und sie die öffentliche Einrichtung Großmarkt bis „in alle Ewigkeit“ fortführen müsste, träfe die von ihr bemühte (zahlreiche) Kritik der Literatur, in der von „Versteinerung“ oder „Zementierung“ die Rede ist, 58vgl. nur den in dem Schriftsatz vom 28. Juni 2022 zitierten BeckOK Kommunalrecht NRW, Dietlein/Heusch, Systematische Einführung zum Kommunalrecht Deutschlands, Rn. 91 f. m. w. N., 59tatsächlich zu. Bei genauer Betrachtung hat der 8. Senat eine derartige ausnahmslose Aufgabenwahrnehmungspflicht allerdings nicht festgeschrieben: Wie in ihrer abwehrrechtlichen Dimension muss die Selbstverwaltungsgarantie vielmehr in ihrer verpflichtenden Zielrichtung der Abwägung mit anderen Belangen zugänglich sein, was das Bundesverwaltungsgericht selbst andeutet, indem es lediglich von der Pflicht der Gemeinde zur „grundsätzlichen“ Sicherung und Wahrung ihres Aufgabenbestandes spricht. 60Vgl. (offenbar unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009 - 8 C 10.08 -, juris, Rn. 38) Stein, DVBl. 2010, S. 563, 569; Sing, a. a. O., S. 264 m. w. N. 61Jedoch ergibt sich bei einem „Rückzug“ der Kommune eine besondere Begründungspflicht. 62Vgl. Stein, a. a. O. 63Dieser Anforderung ist die Beklagte schon deshalb nicht gerecht geworden, weil sie die verpflichtende Zielrichtung der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG offenbar gar nicht als Ausgangspunkt und gewichtigen Belang in ihre Entscheidung eingestellt hat. Ihre Ausführungen in der Ratsvorlage AUS/051/2021 zeigen (trotz der Worte „Interessenabwägung“ und „Abwägung“ im Zusammenhang mit der „auskömmlichen Frist“ im zweiten Absatz auf deren Seite 5) ebenso wie ihre Schriftsätze in dem vorliegenden Verfahren (möglicherweise auch im Hinblick auf die angenommene Einschlägigkeit des Augsburger Urteils) vielmehr, dass man sich dieser verfassungsrechtlichen Dimension der getroffenen Entscheidung nicht (hinreichend) bewusst gewesen ist. Insbesondere der von der Beklagten (in dem Schriftsatz vom 28. Juni 2022) reklamierte „sehr weite Ermessensspielraum“ des Rates bei der Entscheidung über die Auflösung einer freiwilligen Einrichtung belegt dies eindrucksvoll. Aus Sicht des Rates ist das konsequent, zumal in der maßgeblichen Ratsvorlage trotz der auf deren Seite 3 oben referierten fortbestehenden – in dem vorliegenden Urteil bestätigten – Bewertung der Kammer ausweislich deren Seite 5 oben im ersten Absatz sinngemäß davon ausgegangen wird, dass es sich bei dem Großmarkt (wegen des angenommenen Verlustes der Funktion als Einrichtung der Daseinsvorsorge) nicht (mehr) um eine die Kriterien des „Weihnachtsmarkturteils“ erfüllende öffentliche Einrichtung handelt. 64Verstößt Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides nach alledem gegen höherrangiges Recht, so ist eine Auseinandersetzung mit den „einfachrechtlichen“ Argumenten der Klägerin entbehrlich, wobei die Kammer durchaus anmerkt, dass (bei unterstellter Einhaltung der verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) Gewichtiges für die Annahme jedenfalls eines ungeschriebenen Widerrufsgrundes und die Verhältnismäßigkeit der mehr als dreijährigen (Auflösungs- und) Widerrufsfrist spräche. 65Schließlich teilen die Ziffern 2 und 3 des angefochtenen Bescheides des Oberbürgermeisters der Beklagten unabhängig von der durch die Klägerin weiter aufgeworfenen vollstreckungsrechtlichen Frage deren rechtliches Schicksal. 66Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 167 Abs. 2 VwGO sowie 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 709 ZPO. 67Die Berufung war gemäß §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, weil die Rechtssache mindestens zwei Fragen aufwirft, die im Sinne der Rechtseinheit einer Klärung bedürfen: An erster Stelle, ob die in dem „Weihnachtsmarkturteil“ des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten Grundsätze nur für den „Privatisierungsfall“ – so offenbar das Verwaltungsgericht Augsburg und der dieses bestätigende Bayerische Verwaltungsgerichtshof in den oben genannten Entscheidungen – oder auch für den „Auflösungsfall“ gelten; und bejahendenfalls an zweiter Stelle, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen sowie mit welchen Anforderungen die Auflösung einer öffentlichen Einrichtung im Sinne des „Weihnachtsmarkturteils“ (ausnahmsweise) verfassungsrechtlich zulässig ist.Eine Zulassung (auch) gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO wegen Abweichens von dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. Juni 2017 - 15 B 664/17 -, juris, Rn. 7 ff., hält die Kammer nicht für geboten, weil der dortige Senat zwar die grundsätzliche – nur durch das Willkürverbot begrenzte – Entscheidungsfreiheit einer Gemeinde bei der Schaffung und Beibehaltung einer öffentlichen Einrichtung (dort einer von mehreren gemeindlichen Sportplätzen) betont, sich dabei aber nicht mit dem „Weihnachtsmarkturteil“ auseinandergesetzt hat. 68Rechtsmittelbelehrung: 69Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich Berufung eingelegt werden. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen. 70Auf die seit dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 71Die Berufung ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich einzureichen. 72Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). 73Im Berufungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen. 74Die Berufungsschrift und die Berufungsbegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. 75Beschluss 76Der Streitwert wird auf 30.000,00 Euro festgesetzt. 77Gründe: 78Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Sie ist wegen der vergleichbaren wirtschaftlichen Bedeutung an der obergerichtlichen gewerberechtlichen Streitwertpraxis, 79vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1. Oktober 2004 - 4 B 1637/04 -, GewArch 2005, 77, 80sowie an Ziff. 54.1 und 54.2 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 orientiert. Wie schon in den seinerzeitigen Klageverfahren 3 K 7996/15 und 3 K 7827/18 ist dort genannte Betrag (in Höhe von 15.000,00 Euro) wegen des besonderen Zuschnitts der Klägerin zu verdoppeln. 81Rechtsmittelbelehrung: 82Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. 83Auf die seit dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 84Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 85Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 Euro nicht übersteigt. 86Die Beschwerdeschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. 87War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
der bescheid des oberbürgermeisters der beklagten über den widerruf der zuweisung von großmarktflächen vom 16. november 2021 wird aufgehoben. die beklagte trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten gegen sicherheitsleistung in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages vorläufig vollsteckbar. die berufung wird zugelassen. 1
2die klägerin betreibt seit inzwischen mehreren jahrzehnten einen obst- und gemüsegroßhandel mit derzeit 28 mitarbeitern auf dem großmarkt der beklagten; die ware für die rund 280 kunden, darunter großkantinen, krankenhäuser, altenheime, catering, schulen und kindergärten, wird jede nacht bei den insgesamt etwa 30 zulieferbetrieben auf dem großmarkt frisch eingekauft und noch am selben tage ausgeliefert. 3nachdem die ursprünglichen zuweisungen von flächen in der halle 00 bzw. davor („halle 00x“) des großmarktes seitens des oberbürgermeisters der beklagten mit bescheid vom 17. november 2015 (aus gründen der hallenstatik sowie wegen der werksmodernisierung des benachbarten sprinterwerks der firma e. ag) widerrufen worden waren, erhielt die klägerin mit bescheid vom 6. april 2016 ersatzweise die standplätze nr. 00 bis 00 in der halle 0 des großmarktes neu zugewiesen; die seitens der klägerin angestrengten gerichtlichen verfahren (3 k 7996/15 und 3 l 49/16) wurden übereinstimmend für erledigt erklärt. 4zwecks neuausrichtung zu einem privat – ohne städtischen einfluss in eigenregie der großmarkthändlerinnen und großmarkthändler – geführten großmarkt (auf dem dann der städtischen tochtergesellschaft j. ag gehörenden großmarktgelände mit neu zu errichtenden großmarkthallen) beschloss der rat der beklagten am 12. juli 2018 die auflösung der öffentlichen einrichtung großmarkt (zum 31. dezember 2018). in umsetzung dieser entscheidung widerrief der oberbürgermeister der beklagten gegenüber der klägerin mit bescheid vom 17. september 2018 unter anordnung der sofortigen vollziehung die oben genannte zuweisung der sieben standplätze in halle 0 des großmarktes zum 31. dezember 2018. dem hiergegen von der klägerin seinerzeit gestellten antrag auf gewährung vorläufigen rechtsschutzes (3 l 2854/18) gab die kammer durch beschluss vom 27. november 2018 wegen mangelnder vereinbarkeit des widerrufes und des ihm zu grunde liegenden ratsbeschlusses mit höherrangigem recht in gestalt der durch das bundesverwaltungsgericht in seinem „weihnachtsmarkturteil“ vom 27. mai 2009 (8 c 10.08) zu art. 28 abs. 2 satz 1 gg erarbeiteten grundsätze statt. gegen diesen sowie gegen eine parallelentscheidung der kammer legte die beklagte keine rechtsmittel ein. vielmehr verfolgte sie das ziel eines zukunftsfähigen großmarktes in eigenregie der händlerinnen und händler in zahlreichen verhandlungsgesprächen zunächst weiter, verwarf es jedoch, als sich abzeichnete, dass eine lösung auf der basis eines breiten konsenses aussichtslos erschien. sie setzte den ratsbeschluss von 2018 nicht um, sondern hob die gerichtlich angegriffenen widerrufsbescheide im april 2021 allesamt auf; die zahlreichen klageverfahren wurden einschließlich des der klägerin (3 k 7827/18) übereinstimmend für erledigt erklärt. 5im folgenden prüfte die beklagte die optionen „fortführung der öffentlichen einrichtung großmarkt“ und „auflösung der öffentlichen einrichtung großmarkt“ (ohne möglichkeit der weiterführung durch die großmarkthändlerinnen und -händler in eigenregie im anschluss an die auflösung). am 1. juli 2021 entschied sich der rat der beklagten für die zweite option und beschloss die auflösung der öffentlichen einrichtung großmarkt zum 31. dezember 2024. zur begründung wurde in der beschlussvorlage (xxx/000/2021) insbesondere die ineffiziente struktur auf dem großmarktgelände, die nicht mehr heutigen maßstäben der flächennutzung entspreche, ein enormer investitionsbedarf bzw. hoher sanierungsaufwand und ein hohes defizit angeführt; ferner sei mit einzubeziehen, dass das großmarktgelände als eine der wenigen großen, zusammenhängen und attraktiven flächen im stadtgebiet einer neuen und sinnvolleren nutzung zugeführt werden solle. der großmarkt sei für die versorgung der düsseldorfer bürgerinnen und bürger auch nicht unabdingbar, denn seine funktion als einrichtung der daseinsvorsorge habe er längst verloren. in umsetzung dieses ratsbeschlusses widerrief der oberbürgermeister der beklagten mit bescheid vom 16. november 2021 die zuweisungen für die stände nr. 00 bis 00 in der halle 0 des großmarktes zum 31. dezember 2024 (ziffer 1), ordnete die räumung und saubere zur-verfügung-stellung der flächen zu diesem zeitpunkt (ziffer 2) und drohte widrigenfalls die durchführung im wege der ersatzvornahme bei vorläufig veranschlagten kosten in höhe von 3.000,00 euro (ziffer 3) an. sie stützte den widerruf auf § 49 abs. 2 nr. 1 vwvfg nrw: § 6 abs. 4 großmarktsatzung (gms) lasse den widerruf aus sachlich gerechtfertigtem grund zu; ebenso sei in der zuweisung ein widerruf vorbehalten. 6gegen den bescheid vom 16. november 2021 hat die klägerin am 22. november 2021 klage erhoben. 7zu deren begründung führt sie im wesentlichen an, dass es an einem „sachlich gerechtfertigten grund“ im sinne von § 6 abs. 4 gms fehle, weil die vorschrift nur „bauliche änderungen“ zu gunsten der öffentlichen einrichtung großmarkt, nicht aber baumaßnahmen privater erfasse, zu deren umsetzung die öffentliche einrichtung aufgelöst werden müsse.überdies sei die entscheidung, den großmarkt als öffentliche einrichtung zum 31. dezember 2024 aufzulösen, mit höherrangigem recht nicht vereinbar. erneut habe die beklagte insoweit das in art. 28 abs. 2 gg wurzelnde gebot der sicherung und wahrung des aufgabenbestandes der gemeinden missachtet. das „weihnachtsmarkturteil“ des bundesverwaltungsgerichts gelte nicht nur für die materielle privatisierung öffentlicher einrichtungen, sondern erst recht für deren vollständige auflösung, wie sie die beklagte hier verfolge. auch seien nicht nur einrichtungen erfasst, die – kumulativ – sozial, kulturell oder traditionell geprägt seien, sondern es genüge zur anerkennung einer grundsätzlichen aufgabenwahrnehmungspflicht, wenn die von der gemeinde geschaffene öffentliche einrichtung – alternativ – sozial, kulturell oder traditionell geprägt sei. dass es sich bei dem großmarkt düsseldorf um eine derartige öffentliche einrichtung im sinne des „weihnachtsmarkturteils“ und eben nicht um eine ausschließlich wirtschaftliche betätigung der beklagten handele, habe die kammer im november 2018 völlig zu recht festgestellt; maßgebliche änderungen hätten sich in den jahren danach nicht ergeben. zudem habe die beklagte im rahmen ihrer auflösungsentscheidung die berechtigten interessen der händler und marktbeschicker völlig außer acht gelassen.jedenfalls sei der widerruf – noch dazu innerhalb einer so kurz bemessenen frist – ermessensfehlerhaft, weil dessen existenzbedrohende wirkung für die klägerin nicht hinreichend berücksichtigt worden sei.könne der widerruf mithin offensichtlich keinen bestand haben, so gelte dies auch für die räumungsanordnung, zumal die voraussetzungen des § 6 abs. 5 gms nicht erfüllt seien. die androhung der ersatzvornahme sei schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil ihr – der klägerin – nicht nur vertretbare handlungen aufgegeben worden seien. 8die klägerin beantragt, 9den bescheid des oberbürgermeisters der beklagten über den widerruf der zuweisung von großmarktflächen vom 16. november 2021 aufzuheben. 10die beklagte beantragt, 11die klage abzuweisen. 12sie verteidigt die entscheidung ihres rates vom 1. juli 2021 und den diese umsetzenden widerrufsbescheid ihres oberbürgermeisters:die argumentation der klägerin zu § 6 abs. 4 gms sei ein zirkelschluss, denn in der dortigen nummer 2 stünden die öffentlichen zwecke sprachlich dem großmarkt gegenüber und sollten ihn ersetzen und nicht ihm dienen. das in dem ratsbeschluss dargestellte ziel, das großmarktgelände neuen planungen zugänglich zu machen, stelle sich als vorhaben der stadtentwicklung und damit eindeutig als öffentlicher zweck dar. hilfsweise werde darauf hingewiesen, dass die aufzählung in § 6 abs. 4 gms nicht abschließend sei und die auflösung des großmarktes jedenfalls einen ungeschriebenen widerrufsgrund darstelle.das „weihnachtsmarkturteil“ stehe dem ratsbeschluss zur auflösung sowie dem streitgegenständlichen widerrufsbescheid nicht entgegen. der großmarkt sei keine öffentliche einrichtung mit kulturellem, sozialem und traditionsbildendem hintergrund im sinne der höchstrichterlichen entscheidung. hinsichtlich der umschreibungen des bundesverwaltungsgerichts „gemeinschaftsbezogene gemeinwohlbelange“, das „örtliche zusammengehörigkeitsgefühl unter den gemeindebürgern“ und die „förderung der kontakte der gemeindebürger untereinander“ sei vielmehr zu betonen, dass dem großmarkt eine solche funktion nicht zukomme. dieser sei ein abgeschlossenes gelände, zu dem allein zugelassene händlerinnen und händler sowie gewerbliche großmarktkundinnen und -kunden zutritt erhielten. der handel beginne nach mitternacht und ende in den frühen morgenstunden. der großmarktbetrieb finde damit unter weitgehendem ausschluss der gemeindebürgerinnen und -bürger statt und besitze damit weder kulturelle, soziale oder traditionsbildende funktion für die örtliche gemeinschaft, noch diene er in irgendeiner weise der förderung der kontakte der gemeindebürger untereinander oder stelle sich als sozial und kulturell prägend dar. er stelle, auch im sinne des § 107 go nrw, eine wirtschaftliche betätigung der gemeinde dar, in dem er allein als markt und damit als ort des warenaustauschs diene. die bedeutung des großmarktes habe sich gewandelt: er habe sich von der daseinsvorsorgeeinrichtung zu einem reinen handelsplatz entwickelt, der in konkurrenz zur vielzahl anderer anbieter stehe. nicht zuletzt als folge der digitalisierung sei die ortsnähe für die versorgung der örtlichen bevölkerung nicht mehr notwendig. hinzu komme, dass ein erheblicher anteil der großmarktkunden gar nicht aus düsseldorf, sondern aus der näheren und weiteren umgebung stamme. gerade wegen dieser mit einer rückläufigen nachfrage einhergehenden entwicklung hätten diverse händler selbst die umstrukturierung des großmarktes gewollt. die anwendung der im „weihnachtsmarkturteil“ entwickelten grundsätze scheitere überdies an einer fehlenden fortführung des großmarktes. die von diesem als unzulässig erachtete konstellation einer materiellen privatisierung liege gerade nicht vor. die sorge des gerichts gelte einer aus seiner sicht potentiell schädlichen kommerzialisierung der öffentlichen einrichtung, nicht hingegen deren reinem fortbestand. in diesem zusammenhang sei das urteil des verwaltungsgerichts augsburg vom 26. september 2011 (au 7 k 10.1951) zu nennen, mit dem sich die kammer auch in ihrem beschluss von november 2018 befasst habe. die rechtsprechung des bundesverwaltungsgerichts müsse auch so einschränkend verstanden und könne auf keinen fall auch auf andere konstellationen wie die ersatzlose auflösung einer öffentlichen einrichtung erweitert werden. die kritischen literaturstimmen zeigten, dass die vom senat erkannte figur der selbstverwaltungspflicht nur in sehr engen grenzen angewendet werden könne. das von der klägerin nahegelegte verständnis würde die pervertierung des selbstverwaltungsrechts bedeuten. denn die verwaltung der gemeinde richte sich allein nach dem willen der bürgerschaft, die wiederum durch den demokratisch gewählten rat vertreten werde. soweit also keine schutzwürdigen individualrechtspositionen der auflösung der freiwilligen öffentlichen einrichtung großmarkt entgegenstünden, sei nicht ersichtlich, warum eine andere instanz als ebendieser rat, seien es händlerinnen und händler, ein gericht oder eine staatliche stelle, über diese auflösung entscheiden und sie – die beklagte – damit entgegen dem willen der bürgerschaft auf ewig an den betrieb des großmarktes binden solle. auch sei keine verdichtung von einer freiwilligen zu einer pflichtigen einrichtung erfolgt, zumal die grundversorgung der bevölkerung auch nach schließung des großmarktes nicht gefährdet sei, wie ein blick in die umliegenden städte zeige, welche keine kommunalen großmärkte bereithielten und deren bevölkerung gleichwohl keinen hunger leiden müsse. ermessensfehler hafteten weder dem ratsbeschluss noch dem streitgegenständlichen widerrufsbescheid an. denn die interessen der wirtschaftlich tätigen händlerinnen und händler seien jeweils in die abwägung eingestellt worden. dem rat komme bei der entscheidung über die auflösung einer freiwilligen einrichtung ein sehr weiter ermessensspielraum zu. es gebe weder ein schutzwürdiges vertrauen in den fortbestand des großmarktes noch einen individuellen vertrauensschutz im hinblick auf investitionen in den aus- oder umbau des standes. schließlich zeige auch ein vergleich mit zivilrechtlichen gewerbemietverhältnissen und der dort üblichen kündigungsfrist von maximal 12 monaten, dass die widerrufsfrist keinesfalls als unverhältnismäßig eingestuft werden könne. 13wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird ergänzend auf den inhalt der gerichtsakte – insbesondere auch auf das protokoll des am 16. august 2022 durchgeführten erörterungstermins – nebst der beigezogenen verwaltungsvorgänge der beklagten (einschließlich der „ratsunterlagen“) bezug genommen. 14
15die kammer konnte ohne mündliche verhandlung durch den (vorsitzenden als) berichterstatter entscheiden, weil die beteiligten sich in dem oben genannten erörterungstermin jeweils hiermit (gemäß §§ 101 abs. 2, 87a abs. 2 und 3 vwgo) einverstanden erklärt haben. 16die klage hat erfolg. 17sie ist als anfechtungsklage im sinne des § 42 abs. 1 alt. 1 vwgo zulässig und auch begründet; der bescheid des oberbürgermeisters der beklagten über den widerruf der zuweisung von großmarktflächen vom 16. november 2021 ist rechtwidrig und verletzt die klägerin in ihren rechten (§ 113 abs. 1 satz 1 vwgo). 18der in ziffer 1. des angegriffenen – zugleich den maßgeblichen entscheidungszeitpunkt markierenden – bescheides vorgenannten datums enthaltene widerruf der zuweisung von sieben standplätzen in halle 8 des großmarktes ist – ebenso wie der diesem zu grunde liegende beschluss des rates der landeshauptstadt düsseldorf vom 1. juli 2021 über die auflösung der öffentlichen einrichtung großmarkt (zum 31. dezember 2024) – mit höherrangigem recht nicht vereinbar. 19wie bereits 2018 bei der umstrukturierungsentscheidung liegt bei der nunmehrigen auflösungsentscheidung wiederum ein verstoß gegen die aus der garantie der kommunalen selbstverwaltung (art. 28 abs. 2 satz 1 gg) abgeleiteten grundsätze vor, die das bundesverwaltungsgericht in seinem sogenannten „weihnachtsmarkturteil“ (vom 27. mai 2009 - 8 c 10.08 -, juris) aufgestellt hat. demnach sind die gemeinden durch die selbstverwaltungsgarantie nicht nur vor staatlichen eingriffen in ihren aufgabenbereich geschützt, sondern aus der verfassungsnorm folgt auch eine bindung der gemeinden in bezug auf die aufrechterhaltung ihres aufgabenbestandes, wenn dieser in den angelegenheiten der örtlichen gemeinschaft wurzelt. 20bei dem großmarkt der beklagten handelt es sich um eine „öffentliche einrichtung mit kulturellem, sozialem und traditionsbildendem hintergrund“ im sinne der vorgenannten höchstrichterlichen entscheidung und nicht um eine primär wirtschaftliche betätigung, bei der „eine verfassungsrechtliche aufgabenverpflichtung der gemeinden bereits tatbestandlich ausscheiden“ soll. 21vgl. stepanek, diss. würzburg 2013, verfassungsunmittelbare pflichtaufgaben der gemeinden, berlin 2014, s. 22 f. 22hierzu hat die kammer bereits in ihrem beschluss vom 27. november 2018 in dem vorläufigen rechtsschutzverfahren selbigen rubrums folgendes ausgeführt: 23„(…) denn bei dem seit 1936 existierenden großmarkt der antragsgegnerin (vgl. die auf §§ 69 rgewo und 58 abs. b polvwg pr gestützte marktordnung vom 15. juni 1936) handelt es sich nach der bisherigen konzeption um eine kommunale öffentliche einrichtung im sinne von § 8 go nrw (vgl. auch § 1 der großmarktsatzung). bereits in ihrer widerrufsverfügung (…) weist die antragsgegnerin zutreffend darauf hin, dass es sich bei einem großmarkt – anders als beispielsweise bei schulen und friedhöfen – nicht um eine pflichtaufgabe handelt, d. h. eine kommune eine derartige öffentliche einrichtung „zur wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen betreuung ihrer einwohner“ im sinne von § 8 abs. 1 go nrw nicht schaffen muss. entgegen der (bereits in der widerrufsverfügung) zum ausdruck gebrachten annahme der antragsgegnerin folgt hieraus aber nicht, dass eine gemeinde (unbeschränkt) über die abschaffung bzw. privatisierung eines großmarktes entscheiden kann. vielmehr sind dabei die aus der bundesverfassungsrechtlichen garantie der kommunalen selbstverwaltung (art. 28 abs. 2 satz 1 gg) abgeleiteten grundsätze zu beachten, die das bundesverwaltungsgericht in seinem sogenannten „weihnachtsmarkturteil“ aufgestellt hat. nach dieser entscheidung steht es nicht im freien ermessen der gemeinde, „freie selbstverwaltungsangelegenheiten“ zu übernehmen oder sich auch jeder zeit wieder dieser aufgaben zu entledigen. gehören aufgaben zu den angelegenheiten des örtlichen wirkungskreises, so darf sich die gemeinde im interesse einer wirksamen wahrnehmung dieses örtlichen wirkungskreises, der ausschließlich der gemeinde, letztlich zum wohle der gemeindeangehörigen, anvertraut ist, nicht ihrer gemeinwohlorientierten handlungsspielräume begeben. der gemeinde steht es damit nicht grundsätzlich zu, sich ohne weiteres der angelegenheiten der örtlichen gemeinschaft zu entledigen. andernfalls hätten es die gemeinden selbst in der hand, den inhalt der kommunalen selbstverwaltung durch abstoßen oder nichtwahrnehmung ihrer ureigenen aufgaben auszuhöhlen. um ein unterlaufen des ihr anvertrauten aufgabenbereichs zu verhindern, muss sich die gemeinde grundsätzlich zumindest einwirkungs- und steuerungsmöglichkeiten vorbehalten, wenn sie die angelegenheiten des örtlichen wirkungskreises anderen übertragen will. sie kann sich damit nicht ihres genuinen verantwortungsbereichs für die wahrnehmung ihrer angelegenheiten des örtlichen wirkungskreises entziehen. will sie dritte bei der verwaltung bestimmter bereiche ihres eigenen aufgabenbereichs einschalten, die gerade das zusammenleben und zusammenwohnen der menschen in der politischen gemeinschaft betreffen, so muss sie ihren einflussbereich über die entscheidung etwa über die zulassung im grundsatz behalten. der gemeinde ist es verwehrt, gewissermaßen den inhalt der selbstverwaltungsaufgaben selbst zu beschneiden oder an dritte abzugeben. 24vgl. bverwg, urteil vom 27. mai 2009 - 8 c 10.08 -, juris, rn. 29. 25(…) 26die geltung der im „weihnachtsmarkturteil“ aufgestellten grundsätze kann entgegen der ausführungen in der angegriffenen widerrufsverfügung (…) und der argumentation der antragsgegnerin in dem vorliegenden verfahren (…) auch nicht unter verweis auf die „wirtschaftliche funktion“, die „rein wirtschaftlichen belange“, die „vorrangige wirtschaftliche betätigung“ bzw. die „subsidiaritätsklausel des § 107 abs. 1 go nrw“ in abrede gestellt werden. denn das bundesverwaltungsgericht hat in seiner entscheidung deutlich gemacht, dass die pflicht der gemeindlichen wahrung und sicherung ihres eigenen aufgabenbestandes für öffentliche einrichtungen mit kulturellem, sozialen und traditionsbildenden hintergrund gilt, die schon lange zeit in der bisherigen kommunalen alleinverantwortung lagen. nur wenn es allein um eine wirtschaftliche betätigung der gemeinde geht, bei der von vornherein zweifelhaft sein kann, ob es sich um eine angelegenheit der örtlichen gemeinschaft handelt, die das zusammenleben und zusammenwohnen der menschen in der politischen gemeinschaft betrifft, so ist die frage einer pflicht der gemeindlichen wahrung und sicherung ihres eigenen aufgabenbestandes nach auffassung des 8. senats anders zu beantworten. 27vgl. bverwg, urteil vom 27. mai 2009 - 8 c 10.08 -, juris, rn. 30. 28bei dem großmarkt düsseldorf handelt es sich nicht um eine derartige allein wirtschaftliche betätigung, sondern um eine angelegenheit der örtlichen gemeinschaft im sinne von art. 28 abs. 2 satz 1 gg. dies sind nach dem „rastede-beschluss“ des bundesverfassungsgerichts diejenigen bedürfnisse und interessen, die in der örtlichen gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen bezug haben, die also den gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das zusammenleben und zusammenwohnen der menschen in der (politischen) gemeinde betreffen; auf die verwaltungskraft der gemeinde kommt es hierfür nicht an. 29vgl. bverfg, beschluss vom 23. november 1988 - 2 bvr 1619/83 u. a. -, juris, ls. 4 und rn. 59. 30die antragstellerin hat hierzu in ihrer antragsbegründung überzeugend ausgeführt, dass die antragsgegnerin mit dem großmarkt ihre hoheitliche aufgabe erfülle, die versorgung der bevölkerung und örtlichen unternehmen mit hochwertigen, gesunden und frischen lebensmitteln (vorrangig obst und gemüse) sicherzustellen und darüber hinaus düsseldorf als attraktiven standort für den handel, das handwerk, die produktion und den gastronomiebedarf zu stärken. der großmarkt führe erzeuger, großhandel und mittelständischen lebensmitteleinzelhandel sowie die gastronomie und die wochenmarktbeschicker zum vorteil der verbraucher regional zusammen und gewährleiste darüber hinaus eine transparente preisgestaltung. es handele sich mithin um eine einrichtung mit stark sozial geprägtem hintergrund im rahmen der kommunalen daseinsvorsorge. dieser bewertung ist beizupflichten. hinzu kommt der vom bundesverwaltungsgericht betonte gesichtspunkt der „traditionellen prägung“. 31vgl. bverwg, urteil vom 27. mai 2009 - 8 c 10.08 -, juris, rn. 31. 32denn immerhin gehört der großmarkt seit über achtzig jahren zum aufgabenbestand der (jetzigen) landeshauptstadt, die sich gern ihrer hochwertigen und vielfältigen gastronomie rühmt. der versuch der antragsgegnerin, den großmarkt unter hinweis auf den bedeutungswandel zu einem rein wirtschaftlichen belang herabzustufen, verfängt nicht, zumal das von ihr zum beleg herangezogene (recht aktuelle) gutachten der firma belius (…) die bedeutung der großmärkte auch als versorgungsfaktor (und nicht nur als wirtschaftsfaktor) als ergebnis festhält. dass nicht nur die düsseldorfer gastronomie, sondern auch die über die stadtgrenze hinaus seitens des großmarktes beliefert wird, deckt sich mit dem befund der überregionalen bedeutung der großmärkte in dem vorgenannten gutachten und unterstreicht den immensen – einer einrichtung des messe- und ausstellungswesens im sinne von § 107 abs. 2 satz 1 nr. 4 go nrw ähnlichen – standortfaktor, entkoppelt diese einrichtung aber nicht von der örtlichen gemeinschaft.“ 33an dieser für den seinerzeitigen zeitpunkt im dritten quartal des jahres 2018 vorgenommenen einstufung hält die kammer ungeachtet vereinzelter kritik in der rechtsprechung, 34vgl. den stark von hauptstädtischem impetus getragenen beschluss des vg berlin vom 17. juni 2020 - 4 l 171/20 -, juris, rn. 24, 35und insbesondere auch angesichts des vorbringens der beklagten für den jetzt maßgeblichen zeitpunkt im zweiten halbjahr des jahres 2021 (und darüber hinaus bis zum aktuellen datum) fest. 36entgegen der von der klägerin in ihrem jüngsten schriftsatz geäußerten auffassung geht sie – die kammer – dabei davon aus, dass die vom bundesverwaltungsgericht in dem „weihnachtsmarkturteil“ formulierte verfassungsrechtliche aufgabenverpflichtung der gemeinden (nur) für solche öffentliche einrichtungen gilt, die kumulativ einen kulturellen, sozialen und traditionsbildenden hintergrund aufweisen. 37vgl. sing, diss. würzburg 2018, zulässigkeit der privatisierung öffentlicher einrichtungen mit kulturellem, sozialem und traditionsbildendem hintergrund am beispiel der privatisierung eines weihnachtsmarktes, münchen 2019, s. 226 und 265. 38dass die genannten merkmale jeweils nicht im sinne einer mathematisierenden betrachtungsweise zu gleichen „anteilen“ erfüllt sein müssen, versteht sich angesichts der vielgestaltigkeit der gemeindlichen öffentlichen einrichtungen von selbst und bedarf keiner weiteren darlegung. 39dies vorausgeschickt vermochte und vermag dem großmarkt der beklagten der charakter einer öffentlichen einrichtung mit kulturellem, sozialem und traditionsbildendem hintergrund nicht abgesprochen zu werden: zunächst ist zu betonen, dass auch die beklagte die (ihrer auffassung nach ehemalige) funktion als einrichtung der daseinsvorsorge ausweislich der maßgeblichen beschlussvorlage (dort seite 5 oben) und ihrer ausführungen im erörterungstermin – der großmarkt sei vor fünfundachtzig jahren eine maßnahme der stadthygiene und ein geordneter rahmen für die versorgung der bevölkerung durch den deutlich regionalen handel (auch in schwierigen zeiten) gewesen – anerkennt. dass die mehr als acht jahrzehnte existierende öffentliche einrichtung großmarkt düsseldorf in dieser zeit einen gewissen bedeutungswandel erfahren hat (und weiter erfährt) stellt die kammer nicht in frage; die dimension dieses bedeutungswandels bleibt jedoch unscharf, zumal auch die beklagte im erörterungstermin eingeräumt hat, dass der großmarkt sicherlich immer noch einen anteil „x“ habe. wie sich dieser anteil gerade angesichts der durch die digitalisierung pp. eröffneten alternativen möglichkeiten der versorgung mit frischem obst und gemüse entwickelt hat, ist für die kammer allerdings nicht nachvollziehbar. die in der beschlussvorlage aus/051/2021 (dort erster absatz auf seite 5) aufgestellte behauptung, die 33 zuweisungsinhaber und 7 mieter auf dem großmarkt fielen gegenüber dem großmarkt venlo, den allein 159 lebensmittelgroßhändlern mit eigener lagerhaltung auf düsseldorfer stadtgebiet sowie den zahlreichen agenturen nicht erheblich ins gewicht, ist zwar numerisch beeindruckend, besagt über höhe und entwicklung des großmarktanteils aber noch nichts konkretes. derartiges lässt sich auch dem von der beklagten im nachgang zum erörterungstermin in bezug genommenen – bei beschlussfassung 2021 immerhin schon mehr als sechs jahre alten – gutachten des instituts für i. (l. ) vom 11. mai 2015 nicht entnehmen: auf seite 22 des gutachtens (= bl. 12 der heftung 4 der „ratsunterlagen“) heißt es zwar, dass der großmarkt eher eine einkaufsstätte für gastronomen mit besonderer frischeaffinität und kleine unternehmungen sei; kernzielgruppe seien die knapp 75.000 restaurants mit bedienung, die allerdings auch den strukturwandel in der gastronomie (mit einer rückläufigen zahl bei stagnierenden umsätzen) verspürten; diese zahlen beziehen sich aber auf ganz deutschland und lassen keinen rückschluss auf die besonderen düsseldorfer verhältnisse mit ihrer „hochwertigen und vielfältigen gastronomie“ sowie dem für seine frische, qualität und vielfalt weit über die landeshauptstadt hinaus bekannten (u. a. durch die klägerin belieferten) markt auf dem carlsplatz zu. in diesem zusammenhang ist zu betonen, dass das neuerlich vorgebrachte argument der beklagten, ein erheblicher anteil der großmarktkunden stamme gar nicht aus düsseldorf, sondern aus der näheren und weiteren umgebung bis in das europäische ausland, die bedeutung des großmarktes für die hiesige gastro- und marktkultur nicht zu schmälern vermag. abgesehen davon liegt der anteil der düsseldorfer lebensmittelkunden ausweislich des vorgenannten j1. -gutachtens (dort seite 50 = bl. 11 der heftung 4 der „ratsunterlagen“) bei über 50 % bzw. mit rheinland und niederrhein sogar bei 75 %, während die niederlande nur zu 1 % vertreten sind. im übrigen sei zur rechtlichen bewertung dieses arguments zwecks vermeidung von wiederholungen auf die einschlägigen ausführungen am ende des obigen auszuges aus dem beschluss der kammer von november 2018 verwiesen. ist der großmarkt für die versorgung gerade mit frischen lebensmitteln – auch in zeiten ohne hungersnöte und versorgungsengpässe – demnach immer noch von bedeutung, so lässt er sich – trotz der sicherlich gegebenen konkurrenzsituation – nicht zu einem (beliebigen) „reinen handelsplatz“ degradieren.der soziale hintergrund vermag dem großmarkt ebenfalls nicht abgesprochen zu werden, denn dieses kriterium ist nicht auf die „veranstaltung von altennachmittagen, das auftreten von musikkapellen und das bestehen von kindernachmittagen“, 40vgl. bverwg, urteil vom 27. mai 2009 - 8 c 10.08 -, juris, rn. 36, 41beschränkt. abgesehen von den bereits in dem beschluss von november 2018 genannten aspekten fördert die in rede stehende öffentliche einrichtung durchaus auch die kommunikation und den kontakt der gemeindebürgerinnen und -bürger untereinander. dies gilt zunächst unmittelbar für das „muntere feilschen“, 42vgl. internetseite der beklagten zum „großmarkt düsseldorf“ (heutiger aufruf), 43des aus „wiederverkäufern und großverbrauchern“ bestehenden „kundenstammes“ mit den „händlern“ sowie für deren gespräche über frische und den bezug zum beispiel von tropisch-exotischen köstlichkeiten, „für deren angebot der großmarkt bekannt ist“ und das „nicht bei kiwis, mangos oder ananas aufhört“, sondern auch „mangostan oder rambutan oder platarinas“ umfasst. 44vgl. internetseite der beklagten zum „großmarkt düsseldorf“ (heutiger aufruf). 45die durch den großmarkt geförderte kommunikation reicht jedoch über den kreis der händlerinnen und händler sowie der gewerblichen großmarktkundinnen und -kunden hinaus, denn sie erfasst mittelbar auch die gäste sowie kundinnen und kunden der zuletzt genannten kategorie, namentlich der gastronomie und der marktbeschicker (insbesondere des carlsplatzes); nach nicht nur einmaliger beobachtung der kammer ist die durch den großmarkt vermittelte frische und (auch exotische) vielfalt insbesondere des obst- und gemüseangebotes dort (auch untereinander) durchaus ein thema, bei dem gerade bei qualitätsbewussten gästen sowie verbraucherinnen und verbrauchern ein gewisser (traditionsbildender und das örtliche zusammengehörigkeitsgefühl stärkender) stolz mitschwingt. das von der beklagten gezeichnete bild eines abgeschlossenen geländes mit allein zutrittsberechtigten händlerinnen und händlern sowie gewerblichen großmarktkundinnen und -kunden, die in der nacht und am frühen morgen unter weitgehendem ausschuss der gemeindebürgerinnen und -bürger handeln, mag zwar von der beschreibung her zutreffend sein, lässt die gezogene schlussfolgerung vor dem aufgezeigten hintergrund jedoch nicht zu. 46ist der düsseldorfer großmarkt (trotz bedeutungswandels) auch im beschlussjahr 2021 noch als die kriterien des bundesverwaltungsgerichts erfüllende traditionelle öffentliche einrichtung der daseinsvorsorge einzustufen, so kann die geltung der grundsätze des „weihnachtsmarkturteils“ nach auffassung der kammer entgegen der beklagten nicht dadurch in frage gestellt werden, dass vorliegend – anders als 2018 – keine umstrukturierung, sondern eine auflösung des großmarktes in rede steht. denn ungeachtet des seinerzeitigen konkreten falles – der privatisierung des offenbacher weihnachtsmarktes – gilt die verpflichtende zielrichtung des art. 28 abs. 2 satz 1 gg nach der begründung der höchstrichterlichen entscheidung auch für den fall der mangelnden fortführung, also auch für den „auflösungsfall“. soweit das schon seinerzeit von der beklagten angeführte verwaltungsgericht augsburg in seinem urteil vom 26. september 2011 47- au 7 k 10.1951 -, juris, rn. 73 ff., 48(bezüglich des seit mehr als einhundert jahren veranstalteten volksfestes der stadt neu-ulm) zu einer abweichenden auffassung gelangt, so vermag dies nicht zu überzeugen, 49vgl. stepanek, a. a. o., s. 25 fn. 49, 50weil die aussage der dortigen kammer den vorgaben des bundesverwaltungsgerichts klar widerspricht, 51vgl. sing, a. a. o, s. 247 mit dem zutreffenden hinweis, die genaue lektüre der entscheidungsgründe (des „weihnachtsmarkturteils“) ergebe, dass das bundesverwaltungsgericht seine rechtsprechung auch auf die frage der gänzlichen einstellung einer kommunalen einrichtung angewendet sehen wollte, 52und auch der hinweis des – die 1. instanz bestätigenden – berufungsgerichts, 53vgl. bayerischer verwaltungsgerichtshof, beschluss vom 21. dezember 2012 - 4 zb 11.2496 -, juris, rn. 8, 54auf die mangelnde vergleichbarkeit so nicht richtig ist. 55vgl. sing, a. a. o., s. 249 unter berufung auf schoch, der unter verweis auf das bundesverwaltungsgericht, das mehrfach von der unzulässigkeit der „entledigung“ von (…) aufgaben spricht und nicht nur von der unzulässigkeit materieller privatisierungen, allein die tatsache der aufgabenentledigung für maßgeblich hält. 56der vollständigkeit halber sei angeführt, dass die vorstehende bewertung der augsburger entscheidung nicht im widerspruch zu den ausführungen in dem beschluss vom 27. november 2018 steht: seinerzeit hat die kammer lediglich betont, dass die grundsätze zur disponibilität gemeinwohlorientierter handlungsspielräume in der vorliegenden konstellation geltung beanspruchten, weil es sich (bei der umstrukturierung) um einen „privatisierungsfall“ handele und es anders als bei dem neu-ulmer sachverhalt nicht um einen „auflösungsfall“ gehe; den umkehrschluss hat sie hingegen (mangels jeglicher veranlassung) nicht gezogen. 57dies heißt aber nicht gleichsam automatisch, dass der hier in rede stehende grundlegende ratsbeschluss vom 1. juli 2021 wegen verstoßes gegen die aus art. 28 abs. 2 satz 1 gg abgeleitete aufgabenwahrnehmungspflicht mit höherrangigem recht unvereinbar ist. wenn dies der fall wäre, also der beklagten keinerlei spielraum mehr verbliebe und sie die öffentliche einrichtung großmarkt bis „in alle ewigkeit“ fortführen müsste, träfe die von ihr bemühte (zahlreiche) kritik der literatur, in der von „versteinerung“ oder „zementierung“ die rede ist, 58vgl. nur den in dem schriftsatz vom 28. juni 2022 zitierten beckok kommunalrecht nrw, dietlein/heusch, systematische einführung zum kommunalrecht deutschlands, rn. 91 f. m. w. n., 59tatsächlich zu. bei genauer betrachtung hat der 8. senat eine derartige ausnahmslose aufgabenwahrnehmungspflicht allerdings nicht festgeschrieben: wie in ihrer abwehrrechtlichen dimension muss die selbstverwaltungsgarantie vielmehr in ihrer verpflichtenden zielrichtung der abwägung mit anderen belangen zugänglich sein, was das bundesverwaltungsgericht selbst andeutet, indem es lediglich von der pflicht der gemeinde zur „grundsätzlichen“ sicherung und wahrung ihres aufgabenbestandes spricht. 60vgl. (offenbar unter bezugnahme auf bverwg, urteil vom 27. mai 2009 - 8 c 10.08 -, juris, rn. 38) stein, dvbl. 2010, s. 563, 569; sing, a. a. o., s. 264 m. w. n. 61jedoch ergibt sich bei einem „rückzug“ der kommune eine besondere begründungspflicht. 62vgl. stein, a. a. o. 63dieser anforderung ist die beklagte schon deshalb nicht gerecht geworden, weil sie die verpflichtende zielrichtung der selbstverwaltungsgarantie des art. 28 abs. 2 satz 1 gg offenbar gar nicht als ausgangspunkt und gewichtigen belang in ihre entscheidung eingestellt hat. ihre ausführungen in der ratsvorlage aus/051/2021 zeigen (trotz der worte „interessenabwägung“ und „abwägung“ im zusammenhang mit der „auskömmlichen frist“ im zweiten absatz auf deren seite 5) ebenso wie ihre schriftsätze in dem vorliegenden verfahren (möglicherweise auch im hinblick auf die angenommene einschlägigkeit des augsburger urteils) vielmehr, dass man sich dieser verfassungsrechtlichen dimension der getroffenen entscheidung nicht (hinreichend) bewusst gewesen ist. insbesondere der von der beklagten (in dem schriftsatz vom 28. juni 2022) reklamierte „sehr weite ermessensspielraum“ des rates bei der entscheidung über die auflösung einer freiwilligen einrichtung belegt dies eindrucksvoll. aus sicht des rates ist das konsequent, zumal in der maßgeblichen ratsvorlage trotz der auf deren seite 3 oben referierten fortbestehenden – in dem vorliegenden urteil bestätigten – bewertung der kammer ausweislich deren seite 5 oben im ersten absatz sinngemäß davon ausgegangen wird, dass es sich bei dem großmarkt (wegen des angenommenen verlustes der funktion als einrichtung der daseinsvorsorge) nicht (mehr) um eine die kriterien des „weihnachtsmarkturteils“ erfüllende öffentliche einrichtung handelt. 64verstößt ziffer 1 des streitgegenständlichen bescheides nach alledem gegen höherrangiges recht, so ist eine auseinandersetzung mit den „einfachrechtlichen“ argumenten der klägerin entbehrlich, wobei die kammer durchaus anmerkt, dass (bei unterstellter einhaltung der verfassungsrechtlichen anforderungen des art. 28 abs. 2 satz 1 gg) gewichtiges für die annahme jedenfalls eines ungeschriebenen widerrufsgrundes und die verhältnismäßigkeit der mehr als dreijährigen (auflösungs- und) widerrufsfrist spräche. 65schließlich teilen die ziffern 2 und 3 des angefochtenen bescheides des oberbürgermeisters der beklagten unabhängig von der durch die klägerin weiter aufgeworfenen vollstreckungsrechtlichen frage deren rechtliches schicksal. 66die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 1 vwgo, die entscheidung zur vorläufigen vollstreckbarkeit auf §§ 167 abs. 2 vwgo sowie 167 abs. 1 vwgo i. v. m. § 709 zpo. 67die berufung war gemäß §§ 124a abs. 1 satz 1, 124 abs. 2 nr. 3 vwgo wegen grundsätzlicher bedeutung zuzulassen, weil die rechtssache mindestens zwei fragen aufwirft, die im sinne der rechtseinheit einer klärung bedürfen: an erster stelle, ob die in dem „weihnachtsmarkturteil“ des bundesverwaltungsgerichts aufgestellten grundsätze nur für den „privatisierungsfall“ – so offenbar das verwaltungsgericht augsburg und der dieses bestätigende bayerische verwaltungsgerichtshof in den oben genannten entscheidungen – oder auch für den „auflösungsfall“ gelten; und bejahendenfalls an zweiter stelle, ob und ggf. unter welchen voraussetzungen sowie mit welchen anforderungen die auflösung einer öffentlichen einrichtung im sinne des „weihnachtsmarkturteils“ (ausnahmsweise) verfassungsrechtlich zulässig ist.eine zulassung (auch) gemäß § 124 abs. 2 nr. 4 vwgo wegen abweichens von dem beschluss des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen vom 27. juni 2017 - 15 b 664/17 -, juris, rn. 7 ff., hält die kammer nicht für geboten, weil der dortige senat zwar die grundsätzliche – nur durch das willkürverbot begrenzte – entscheidungsfreiheit einer gemeinde bei der schaffung und beibehaltung einer öffentlichen einrichtung (dort einer von mehreren gemeindlichen sportplätzen) betont, sich dabei aber nicht mit dem „weihnachtsmarkturteil“ auseinandergesetzt hat. 68rechtsmittelbelehrung: 69gegen dieses urteil kann innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) schriftlich berufung eingelegt werden. die berufung muss das angefochtene urteil bezeichnen. 70auf die seit dem 1. januar 2022 unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 71die berufung ist innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils zu begründen. die begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der einlegung der berufung erfolgt, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen (aegidiikirchplatz 5, 48143 münster oder postfach 6309, 48033 münster) schriftlich einzureichen. 72die begründungsfrist kann auf einen vor ihrem ablauf gestellten antrag von dem vorsitzenden des senats verlängert werden. die begründung muss einen bestimmten antrag enthalten sowie die im einzelnen anzuführenden gründe der anfechtung (berufungsgründe). 73im berufungsverfahren müssen sich die beteiligten durch prozessbevollmächtigte vertreten lassen. dies gilt auch für prozesshandlungen, durch die das verfahren eingeleitet wird. die beteiligten können sich durch einen rechtsanwalt oder einen rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten hochschule eines mitgliedstaates der europäischen union, eines anderen vertragsstaates des abkommens über den europäischen wirtschaftsraum oder der schweiz, der die befähigung zum richteramt besitzt, als bevollmächtigten vertreten lassen. auf die zusätzlichen vertretungsmöglichkeiten für behörden und juristische personen des öffentlichen rechts einschließlich der von ihnen zur erfüllung ihrer öffentlichen aufgaben gebildeten zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 abs. 4 satz 4 vwgo und § 5 nr. 6 des einführungsgesetzes zum rechtsdienstleistungsgesetz – rdgeg –). darüber hinaus sind die in § 67 abs. 2 satz 2 nr. 3 bis 7 vwgo bezeichneten personen und organisationen unter den dort genannten voraussetzungen als bevollmächtigte zugelassen. 74die berufungsschrift und die berufungsbegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. 75beschluss 76der streitwert wird auf 30.000,00 euro festgesetzt. 77gründe: 78die streitwertfestsetzung beruht auf § 52 abs. 1 gkg. sie ist wegen der vergleichbaren wirtschaftlichen bedeutung an der obergerichtlichen gewerberechtlichen streitwertpraxis, 79vgl. ovg nrw, beschluss vom 1. oktober 2004 - 4 b 1637/04 -, gewarch 2005, 77, 80sowie an ziff. 54.1 und 54.2 des streitwertkataloges für die verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 orientiert. wie schon in den seinerzeitigen klageverfahren 3 k 7996/15 und 3 k 7827/18 ist dort genannte betrag (in höhe von 15.000,00 euro) wegen des besonderen zuschnitts der klägerin zu verdoppeln. 81rechtsmittelbelehrung: 82gegen den streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur niederschrift des urkundsbeamten der geschäftsstelle bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) beschwerde eingelegt werden, über die das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen in münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der zivilprozessordnung gilt entsprechend. 83auf die seit dem 1. januar 2022 unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 84die beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs monaten eingelegt wird, nachdem die entscheidung in der hauptsache rechtskraft erlangt oder das verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der streitwert später als einen monat vor ablauf dieser frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines monats nach zustellung oder formloser mitteilung des festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 85die beschwerde ist nicht gegeben, wenn der wert des beschwerdegegenstandes 200,00 euro nicht übersteigt. 86die beschwerdeschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. 87war der beschwerdeführer ohne sein verschulden verhindert, die frist einzuhalten, ist ihm auf antrag von dem gericht, das über die beschwerde zu entscheiden hat, wiedereinsetzung in den vorigen stand zu gewähren, wenn er die beschwerde binnen zwei wochen nach der beseitigung des hindernisses einlegt und die tatsachen, welche die wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. nach ablauf eines jahres, von dem ende der versäumten frist angerechnet, kann die wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
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19 A 295/21
2022-09-29T00:00:00
Urteil
Tenor Das angefochtene Urteil wird geändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in entsprechender Höhe Sicherheit leistet. Die Revision wird nicht zugelassen. 1Tatbestand: 2Die am 00. Mai 1991 geborene Klägerin bestand 2016 erstmalig nicht die Erste Staatsprüfung gemäß der für sie nach § 20 Abs. 4 LABG NRW noch anwendbaren Ordnung der Ersten Staatsprüfungen für Lehrämter an Schulen (Lehramtsprüfungsordnung – LPO 2003) vom 27. März 2003 (GV. NRW. S. 182), zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. Juni 2006 (GV. NRW. S. 278), für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen, nachdem ihre mündliche Prüfung der Fachwissenschaft im Fach Englisch (Modul: AM 1) mit „mangelhaft“ (5,0) bewertet wurde. Im September 2017 unternahm sie eine erste Wiederholung der mündlichen Prüfung der Fachwissenschaft im Fach Englisch. Die Prüfung bestand sie wiederum nicht, die Note wurde mit nach erfolglosem Abschluss des Widerspruchsverfahrens bestandskräftigem Bescheid vom 4. Oktober 2017 mit „mangelhaft“ (5,0) bewertet. 3Ende 2017 wurde sie zur zweiten Wiederholung der mündlichen Prüfung in der Fachwissenschaft im Fach Englisch zugelassen und hierüber seitens der Außenstelle Q. des Landesprüfungsamts für Lehrämter an Schulen (im Folgenden: Landesprüfungsamt) entsprechend benachrichtigt. Im April 2018 meldete sich die Klägerin zur zweiten Wiederholungsprüfung der mündlichen Prüfung in der Fachwissenschaft im Fach Englisch an. Die mündliche Prüfung fand am 31. August 2018 statt. Prüferinnen waren Frau Prof. Dr. N. und Frau Dr. M. . An der mündlichen Prüfung nahm auch der kommissarische Leiter der Außenstelle Q. des Landesprüfungsamts, Herr Dr. L. , teil. Der Leiter der Außenstelle wohnte sowohl dem Prüfungs-, also auch dem anschließenden Notenberatungsgespräch der beiden Prüferinnen bei. In einem Vermerk vom gleichen Tag hielt er fest, die Durchführung der Prüfung sei aus seiner Sicht nicht zu beanstanden. Im Beurteilungsgespräch sei durch beide Prüferinnen eine detaillierte, sorgfältige und abwägende Gewichtung von fachlichen und sprachlichen Aspekten erfolgt; beide Prüferinnen seien übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen, dass die Prüfung den Anforderungen nicht genüge und mit der Note „mangelhaft“ zu bewerten sei. Herr Dr. L. hatte sich zu Beginn der Prüfung kurz vorgestellt und machte sich im Verlauf der Prüfung einige Notizen. Fragen oder Kommentare gab es von seiner Seite nicht. Nach dem Prüfungsgespräch verblieb er mit den Prüferinnen im Prüfungsraum. Bei der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses verblieb er ebenfalls im Raum. 4Der kommissarische Leiter Herr Dr. L. war seitens der Bezirksregierung Detmold mit Verfügung vom 17. November 2017 in der Zeit von Januar bis September 2018 vom Oberstufenkolleg C. an das Landesprüfungsamt ‑ Außenstelle Q. ‑ abgeordnet worden. Dem ging eine zu seinen Gunsten durch eine ‑ u. a. mit Vertretern des für Schule zuständigen Ministeriums besetzte ‑ Auswahlkommission getroffene Auswahlentscheidung vom 11. September 2017 für die Stelle des Referenten im Arbeitsbereich 1 des Landesprüfungsamts für Lehrämter an Schulen ‑ Leitung der Außenstelle Q. ‑ voraus. Hierhin wurde er sodann mit Wirkung vom 29. Oktober 2018 versetzt. In der Außenstelle Q. des Landesprüfungsamts nahm er seit Januar 2018 die Außenstellenleitung und alle damit zusammenhängenden Amtsgeschäfte wahr. Durch Ernennungsurkunde des Ministeriums für Schule und Bildung vom 2. Oktober 2018 wurde Herr Dr. L. am 30. Oktober 2018 zum Regierungsschuldirektor ‑ als Referent am Landesprüfungsamt für Lehrämter an Schulen ‑ ernannt. 5Mit Bescheid vom 10. September 2018 setzte das Landesprüfungsamt für die Prüfungsleistung der mündlichen Prüfung in der Fachwissenschaft im Fach Englisch abermals die Note „mangelhaft“ (5,0) fest. Es wurde festgestellt, dass die Klägerin die Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen endgültig nicht bestanden habe. 6Auf den Widerspruch der Klägerin gegen die Benotung der mündlichen Prüfung im Fach Englisch legte das Landesprüfungsamt die Verlängerungsbescheide der Berufungen zu Mitgliedern des Landesprüfungsamts für Erste Staatsprüfungen für Lehrämter an Schulen bezogen auf die beiden Prüfer Frau Dr. N. und Frau Dr. M. (jeweils Prüfungsfach Englisch) vor und verwies im Übrigen darauf, dass Herr Dr. L. als Leiter der Außenstelle Q. des Landesprüfungsamts auf der Grundlage von § 31 Abs. 2 und 4 Satz 1 LPO 2003 zur Teilnahme an der Staatsprüfung sowie zur Anwesenheit bei der Beratung über die Festsetzung der Note berechtigt gewesen sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 2019 wies das Landesprüfungsamt den Widerspruch der Klägerin zurück. Gemäß § 22 Satz 2 der Geschäftsordnung für das Landesprüfungsamt für Lehrämter an Schulen (Runderlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung vom 21. Februar 2014, ABl. NRW. S. 124, im Folgenden: GO LPA) nähmen die mit der fachlichen Koordinierung betrauten Referentinnen und Referenten die Aufgaben einer Geschäftsstellenleitung gemäß § 30 Abs. 5 LPO 2003 wahr. Der in der Prüfung anwesende Herr Dr. L. nehme als Referent die Geschäftsstellenleitung der Geschäftsstelle Q. wahr. 7Die Klägerin hat am 11. März 2019 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, Herr Dr. L. habe als „unbefugter Dritter“ an ihrer Prüfung teilgenommen. Er habe nicht an der Beratung über die Festsetzung der Note am 31. August 2018 anwesend sein dürfen. Dieser Verfahrensfehler müsse zu einer Wiederholung der konkreten Prüfung führen. Herr Dr. L. sei auch nicht von § 30 Abs. 5 LPO 2003 erfasst und damit kein Leitungsmitglied des Prüfungsamts; eine etwaige Stellung als bloßer Geschäftsstellenleiter erfülle die Voraussetzungen der Vorschrift nicht, so dass auch hieraus keine Befugnis zur Anwesenheit in der fraglichen Prüfung folgen könne. 8Die Klägerin hat beantragt, 9den Beklagten unter Aufhebung des Prüfungsbescheids vom 10. September 2018 und des Widerspruchsbescheids vom 12. Februar 2019 zu verpflichten, der Klägerin eine (nochmalige) Wiederholung der mündlichen Prüfung in der Fachwissenschaft im Fach Englisch zu ermöglichen. 10Der Beklagte hat beantragt, 11die Klage abzuweisen. 12Zur Begründung hat das Landesprüfungsamt sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Herr Dr. L. sei selbstverständlich ab dem 1. Januar 2018 als Referent des Landesprüfungsamts für den Dienstort Q. einberufen worden. Die Übergangsregelung in § 22 Satz 2 GO LPA beziehe sich zudem genau auf diesen Umstand, dass durch die 2014 erfolgte Umstrukturierung der Landesprüfungsämter keine Geschäftsführer, sondern Referenten als Geschäftsstellenleiter ausgewiesen würden. Die in § 31 Abs. 2 LPO 2003 vorgesehene Möglichkeit der Teilnahme von Leitungsmitgliedern des Prüfungsamts bei der Beratung entspreche dem dienstlichen Interesse des Landesprüfungsamts u. a. an der Qualitätssicherung und der Sicherung und Weiterentwicklung standortspezifischer und standortübergreifender prüfungsbezogener Qualitätsstandards. Ein solches dienstliches Interesse gebe es auch unter Geltung der Ordnung des Vorbereitungsdienstes und der Staatsprüfung für Lehrämter an Schulen (Ordnung des Vorbereitungsdienstes und der Staatsprüfung – OVP) vom 10. April 2011, nach dessen § 31 Abs. 4 Satz 2 Vertreterinnen oder Vertreter des Prüfungsamtes bei den Beratungen des Prüfungsausschusses zugegen sein dürften. 13Mit Urteil vom 2. Dezember 2020 hat das Verwaltungsgericht den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Landesprüfungsamts vom 10. September 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Februar 2019 verpflichtet, der Klägerin eine mündliche Prüfung in der Fachwissenschaft im Fach Englisch als zweite Wiederholung zu ermöglichen. Die mündliche Prüfung der Klägerin am 31. August 2018 sei verfahrensfehlerhaft durchgeführt worden, weil mit Herrn Dr. L. ein hierzu nicht Berechtigter an der Notenberatung der beiden Prüferinnen über die mündliche Prüfung teilgenommen habe. § 31 Abs. 2 LPO 2003 gestatte die Anwesenheit auch von Leitungsmitgliedern des Prüfungsamts im Sinn des § 30 Abs. 5 LPO 2003 bei den Beratungen über die Festsetzung der Note für die mündlichen Prüfungsleistungen. Zu diesem Personenkreis gehöre der Betreffende als mit der fachlichen Koordinierung der Außenstelle Q. des Landesprüfungsamts betrauter Referent. Die eine Anwesenheit entsprechender Vertreter des Landesprüfungsamts gestattende Regelung des § 31 Abs. 2 LPO 2003 sei jedoch mit höherrangigem Recht unvereinbar. Durch die Anwesenheit eines Leitungsmitglieds des Prüfungsamts bei der Beratung werde das aus Art. 12 Abs. 1 GG folgende Gebot der Unabhängigkeit und Eigenständigkeit der Prüferinnen und Prüfer bei der Leistungsbewertung beeinträchtigt, ohne dass dies durch einen legitimen Zweck gerechtfertigt sei. Das Bewertungsverfahren müsse objektivitäts- und neutralitätssichernd ausgestaltet sein, so dass die Prüfer ihre Bewertung der Prüfungsleistung eigenständig und unabhängig vornehmen könnten. Diesen Anforderungen genüge eine Verfahrensgestaltung nicht, die Personen des Prüfungsamts die Teilnahme an der Notenberatung ermögliche. Jedenfalls bei mündlichen Prüfungen und den Beratungen des Gremiums hierüber bringe allein die Anwesenheit Dritter die Gefahr mit sich, dass diese ‑ wenn auch möglicherweise nur averbal ‑ auf das Gespräch Einfluss nehmen und eine solche Anwesenheit jedenfalls geeignet sei, die Unbefangenheit der stimmberechtigten Mitglieder des Gremiums zu beeinträchtigen. Ein legitimer Zweck werde mit § 31 Abs. 2 LPO 2003 demgegenüber nicht verfolgt. Gründe der Qualitätssicherung stritten nicht für eine Anwesenheit gerade beim Beratungsprozess. Wegen der weiteren Begründung des Urteils wird auf dessen Entscheidungsgründe Bezug genommen. 14Am 15. Januar 2021 hat der Beklagte die vom Verwaltungsgericht gegen das ‑ dem Landesprüfungsamt am 4. Januar 2021 zugestellte ‑ Urteil zugelassene Berufung eingelegt. Das Landesprüfungsamt verfolgt sein erstinstanzliches Begehren weiter. 15Der Beklagte beantragt schriftsätzlich sinngemäß, 16das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen. 17Die Klägerin beantragt schriftsätzlich, 18die Berufung zurückzuweisen. 19Sie hält die Berufung mangels eines ausdrücklichen Berufungsantrags bereits für unzulässig. Zur Begründung in der Sache verweist sie auf das angefochtene Urteil und führt ergänzend und vertiefend aus: Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts stehe die Teilnahme von Herrn Dr. L. bereits nicht in Einklang mit § 31 Abs. 2 LPO 2003. Er gehöre nicht zum nach dieser Vorschrift berechtigten Personenkreis. Ein Geschäftsstellenleiter sei nicht identisch mit einer Geschäftsführerstellung, Leitungsmitglied des Prüfungsamts gemäß § 30 Abs. 5 LPO 2003 sei er gerade nicht. Außerdem fehle es insoweit an der nach § 22 Satz 3 GO LPA erforderlichen Einberufung durch das Schulministerium. Soweit das Verwaltungsgericht zutreffend auf die Unvereinbarkeit von § 31 Abs. 2 LPO 2003 mit höherrangigem Recht erkannt habe, sei dem zuzustimmen. Gerade der auch dem Prüfling entzogene, besonders sensible Bereich der Notenberatung müsse allein den Prüferinnen und Prüfern vorbehalten bleiben, die völlig frei von äußeren Einflüssen ihr „Urteil“ fällen können müssten. Für sie mache es einen Unterschied, ob ein „Aufpasser“ mit im Raum sitze oder ob sie ohne jedweden äußeren Einfluss ihre Gedanken austauschen könnten. 20Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter und ohne mündliche Verhandlung erklärt. 21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Landesprüfungsamts Bezug genommen. 22Entscheidungsgründe: 23Der Senat entscheidet durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 87a Abs. 2 und 3, § 101 Abs. 2, § 125 Abs. 1 VwGO). 24Die Berufung des Beklagten ist zulässig (I.) und begründet (II.). 25I. Die Berufung ist trotz des Fehlens eines ausdrücklichen Berufungsantrags zulässig. 26Nach § 124a Abs. 3 Satz 1 VwGO ist im Fall der Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht diese innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Berufungsbegründung muss nach § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Hier hat der Beklagte als Berufungskläger innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils des Verwaltungsgerichts keinen ausdrücklichen Berufungsantrag gestellt. Daraus ergibt sich indes nicht die Unzulässigkeit der Berufung. § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO verlangt nicht, dass ein ausdrücklicher Antrag gestellt wird. Dem Antragserfordernis wird regelmäßig entsprochen, wenn in dem einzureichenden Schriftsatz hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, dass, in welchem Umfang und weshalb der Berufungsführer an der Durchführung des zugelassenen Berufungsverfahrens festhalten will. Bei der Beurteilung ist im Grundsatz davon auszugehen, dass eine Berufung im Zweifel gegen die gesamte angefochtene Entscheidung gerichtet ist, der Berufungsführer diese also insoweit angreift, als er durch sie beschwert ist. Es genügt, wenn das Ziel des Rechtsmittels aus der Tatsache seiner Einlegung allein oder in Verbindung mit den während der Rechtsmittelfrist abgegebenen Erklärungen erkennbar ist. Welche Mindestanforderungen in Anwendung der vorstehenden Grundsätze jeweils an die Berufungsbegründung zu stellen sind, hängt schließlich wesentlich von den Umständen des konkreten Einzelfalls ab. 27BVerwG, Beschluss vom 21. September 2011 ‑ 3 B 56.11 ‑, juris, Rn. 6, 14; Urteil vom 9. März 2005 ‑ 6 C 8.04 ‑, NVwZ 2005, 821, juris, Rn. 16; BGH, Beschluss vom 20. Juni 2022 ‑ VIa ZB 3/22 ‑, juris, Rn. 9; OVG NRW, Urteil vom 27. Januar 2021 ‑ 6 A 4105/18 ‑, NWVBl. 2021, 377, juris, Rn. 35; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 28. März 2022 ‑ 1 S 1265/21 ‑, juris, Rn. 30, jeweils m. w. N. 28Bei der danach gebotenen Berücksichtigung der Ausführungen in dem Schriftsatz vom 13. Januar 2021, mit dem das Landesprüfungsamt die Berufung eingelegt und zugleich begründet hat, ergibt eine sachdienliche Auslegung (vgl. § 125 Abs. 1, § 88 VwGO), 29vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Februar 2000 ‑ 9 B 31.00 ‑, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 29, juris, Rn. 5; Urteil vom 7. Februar 1997 ‑ 9 C 11.96 ‑, DVBl 1997, 907, juris, Rn. 8, 30dass das Landesprüfungsamt implizit auch einen Sachantrag gestellt hat. Denn es hat durch seine Berufungsbegründung inhaltlich unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht, dass es mit seiner Berufung sein erstinstanzlich erfolglos gebliebenes Klageabweisungsbegehren weiterverfolgen wollte. Es hat sich eingehend mit den inhaltlichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur von diesem angenommenen Unwirksamkeit von § 31 Abs. 2 LPO 2003 auseinandergesetzt und deren Rechtsfehlerhaftigkeit gerügt. 31II. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die zulässige Verpflichtungsklage der Klägerin ist unbegründet. 32Der Prüfungsbescheid vom 10. September 2018 und der Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 2019 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch gegenüber dem Landesprüfungsamt, ihr eine mündliche Prüfung in der Fachwissenschaft im Fach Englisch als zweite Wiederholung zu ermöglichen. Die Festsetzung der Note „mangelhaft“ (5,0) für die Prüfungsleistung der mündlichen Prüfung in der Fachwissenschaft im Fach Englisch (Modul: AM 1) und die Feststellung, dass die Klägerin die Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen endgültig nicht bestanden habe, sind frei von Rechtsfehlern. Insbesondere liegen keine Verfahrensfehler vor. Weder ist § 31 Abs. 2 LPO 2003 wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht unwirksam (dazu 1.), noch liegen Anhaltspunkte für eine unzulässige Beeinflussung der Prüferinnen vor (dazu 2.), noch bestehen Zweifel an der Eigenschaft von Herrn Dr. L. als gemäß § 31 Abs. 2 LPO 2003 zur Anwesenheit bei der Notenberatung vom 31. August 2018 berechtigtem Leitungsmitglied des Prüfungsamts (dazu 3.). 331. § 31 Abs. 2 LPO 2003 verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Das in Art. 12 Abs. 1 GG verankerte Erfordernis der eigenständigen und unabhängigen Urteilsbildung der Prüfer wird nicht durch eine Verfahrensgestaltung verletzt, die Personen des Prüfungsamts die Anwesenheit bei der Notenberatung gestattet. 34a) Das Grundrecht der Berufsfreiheit beansprucht Geltung auch für die Durchführung berufsbezogener Abschlussprüfungen und der insoweit gewährleistete Grundrechtsschutz ist auch durch die Gestaltung des Verfahrens zu bewirken. Wegen der Intensität, mit der solche Prüfungen in die Freiheit der Berufswahl eingreifen, und weil der nachträglichen gerichtlichen Kontrolle ‑ vor allem wegen der unabdingbaren Entscheidungsfreiräume der Prüfer in Bezug auf prüfungsspezifische Wertungen ‑ Grenzen gesetzt sind, bedarf es einer objektivitäts- und neutralitätssichernden Gestaltung des Bewertungsverfahrens, um den Maßstäben des Art. 12 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 3 GG zu genügen. Dies bedeutet, dass u. a. die Gestaltung des Ablaufs derartiger Berufszulassungsprüfungen geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinn sein muss, um den Prüfungszweck, nämlich die Feststellung der beruflichen Qualifikation der Bewerber, zu erreichen. Demnach ist ein Verfahren, das für die Bewertung von Prüfungsleistungen vorgesehen ist, nur dann geeignet, wenn es eine hinreichend aussagekräftige Entscheidung über die Befähigung der Bewerber gewährleistet. 35BVerfG, Kammerbeschluss vom 16. Januar 1995 ‑ 1 BvR 1505/94 ‑, NVwZ 1995, 469, juris, Rn. 15; BVerwG, Beschlüsse vom 21. Dezember 2016 - 2 B 108.15 ‑, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 427, juris, Rn. 12, vom 9. Oktober 2012 - 6 B 39.12 ‑, NVwZ-RR 2013, 44, juris, Rn. 5, jeweils m. w. N., und Urteil vom 16. März 1994 - 6 C 1.93 ‑, BVerwGE 95, 237, juris, Rn. 25, 27; OVG NRW, Beschluss vom 9. November 2020 ‑ 19 A 3522/19 ‑, NWVBl. 2021, 117, juris, Rn. 10 und 12 ff. (dort zur Auswahl und Bestellung von Prüfern); ferner im Grundsatz schon BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81 ‑, BVerfGE 84, 34, juris, Rn. 39. 36Verfassungsrechtlich geboten ist danach sowohl eine sachkundige Leistungsbewertung als auch eine eigene, unmittelbare und vollständige Kenntnisnahme der Prüfungsleistung. 37Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 16. Januar 1995, a. a. O., Rn. 17; BVerwG, Urteile vom 24. Februar 2003 - 6 C 22.02 ‑, DÖV 2003, 726, juris, Rn. 12, und vom 16. März 1994, a. a. O., Rn. 27; OVG NRW, Beschlüsse vom 9. November 2020, a. a. O., Rn. 12, 14 und 18, und vom 30. September 2011 - 19 A 1881/10 ‑, juris, Rn. 23. 38Diese Gebote der sachkundigen Leistungsbewertung sowie der eigenen, unmittelbaren und vollständigen Kenntnisnahme der Prüfungsleistung werden ergänzt durch das Erfordernis der eigenständigen und unabhängigen Urteilsbildung seitens der Prüfer. 39Vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 2012, a. a. O., Rn. 7 f. 40b) Diesen in der verfassungsgerichtlichen, höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung hinlänglich geklärten Grundsätzen genügt § 31 Abs. 2 LPO 2003. Die in dieser Vorschrift ‑ wie entsprechend auch aktuell in § 31 Abs. 4 Satz 2 OVP allgemein für Vertreterinnen oder Vertreter des Prüfungsamts ‑ zugelassene Anwesenheit von Leitungsmitgliedern des Prüfungsamts bei den Beratungen der Prüferinnen und Prüfer ist vereinbar mit dem Grundsatz der Chancengleichheit und stellt ohne Hinzutreten weiterer Umstände keinen zur Rechtswidrigkeit der Prüfungsentscheidung führenden Verfahrensfehler dar. 41Nach § 31 Abs. 2 LPO 2003 durften bei den Beratungen über die Festsetzung der Note für die mündlichen Prüfungsleistungen nur die Prüferinnen und Prüfer und Leitungsmitglieder des Prüfungsamts (§ 30 Abs. 5 LPO 2003) anwesend sein (1. Halbsatz); sie waren verpflichtet, über die Vorgänge bei der Beratung Verschwiegenheit zu wahren (2. Halbsatz). Die damit zugelassene Anwesenheit von Vertretern des Prüfungsamts nicht nur bei der mündlichen Prüfung selbst, sondern auch bei den Prüfungs- und Notenberatungen, berührt grundsätzlich den Grundsatz der Chancengleichheit. 42Zur Anwesenheit weiterer Personen während der Prüfung selbst, d. h. der Phase der Leistungsermittlung, traf § 31 Abs. 4 LPO 2003 nur die Regelung, dass Vertreterinnen und Vertreter sowie Beauftragte des Prüfungsamts, der Schulaufsicht und der Kirchen (bei den jeweiligen Religionslehren) an Ersten Staatsprüfungen teilnehmen konnten (Satz 1); Personen, die ein berechtigtes Interesse hatten, konnten an Ersten Staatsprüfungen teilnehmen, sofern nicht der Prüfling widersprach (Satz 2). Weder nach § 31 Abs. 4 LPO 2003 noch unter Geltung des aktuellen § 31 Abs. 3 OVP ist damit die Anwesenheit Dritter bei der mündlichen Prüfung selbst ausgeschlossen. Die Entscheidung hierüber trifft das Prüfungsamt nach pflichtgemäßem Ermessen oder ‑ unter Geltung von § 31 Abs. 3 Satz 1 OVP ‑ das Prüfungsamt oder das vorsitzende Mitglied des Prüfungsausschusses. Dies entspricht allgemeinen Grundsätzen, wonach es im pflichtgemäßen Ermessen des zuständigen Entscheidungsgremiums steht, inwiefern weiteren Personen die Anwesenheit während der Prüfung gestattet wird, sofern die jeweilige Prüfungsordnung die Anwesenheit weiterer Personen während der Prüfung nicht ausdrücklich ausschließt. 43Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 18. März 2021 ‑ 14 A 272/21 ‑, juris, Rn. 7, und vom 19. Dezember 2016 ‑ 6 A 1699/15 ‑, juris, Rn. 8; Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Aufl. 2022, Rn. 452. 44Für die an die Phase der Leistungsermittlung anschließende Beratung über das Ergebnis der Prüfung treffen § 31 Abs. 2 LPO 2003 wie auch § 31 Abs. 4 Satz 2 OVP eine ausdrückliche Bestimmung, die den Kreis der anwesenheitsberechtigten weiteren Personen einschränkt. Neben den Prüferinnen und Prüfern dürfen danach bei den Beratungen über die Festsetzung der Note für die mündlichen Prüfungsleistungen nur die Leitungsmitglieder des Prüfungsamts (bzw. Vertreterinnen oder Vertreter des Prüfungsamts nach § 31 Abs. 4 Satz 2 OVP) zugegen sein. Diese ausdrückliche verordnungsrechtliche Befugnis unterscheidet die hier einschlägige Prüfungsordnung von anderen Prüfungsordnungen, die neben der allgemeinen Zulässigkeit der Anwesenheit weiterer Personen bei Prüfungen gerade keine ausdrückliche Bestimmung für die Anwesenheit bei Beratung und Feststellung des Prüfungsergebnisses kennen. 45Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Dezember 2016, a. a. O., Rn. 8. 46Fehlt es an einer prüfungsordnungsrechtlichen Grundlage für die Anwesenheit weiterer Personen bei der Beratung über die mündliche Prüfungsleistung, ist eine solche nach allgemeinen prüfungsrechtlichen Grundsätzen unzulässig und die Annahme gerechtfertigt, dass diese Anwesenheit ein erheblicher Verfahrensfehler ist und nicht ausgeschlossen werden kann, dass hierdurch das Prüfungsergebnis beeinflusst worden ist. 47Vgl. BFH, Urteil vom 18. September 2012 ‑ VII R 41/11 ‑, BFHE 239, 280, juris, Rn. 20; OVG NRW, Beschluss vom 19. Dezember 2016, a. a. O., Rn. 8; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 10. April 2019 ‑ 9 S 1724/18 -, juris, Rn. 11; Fischer/Jeremias/Dieterich, a. a. O., Rn. 373, 452. 48Denn es widerspricht im Grundsatz dem rechtsstaatlichen Gebot der eigenständigen und unabhängigen Urteilsbildung seitens der Prüfer, außenstehende Dritte in einer Weise am Prüfungsverfahren zu beteiligen, dass ihnen ein bestimmender Einfluss auf das Prüfungsergebnis eingeräumt wird. 49Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteile vom 27. September 2012 ‑ 9 S 2143/11 ‑, VBlBW 2013, 111, juris, Rn. 29, und vom 16. Januar 1990 ‑ 9 S 3071/88 ‑, GewArch 1990, 134, juris, Rn. 36. 50Diesen Maßstäben genügte § 31 Abs. 2 LPO 2003. 51Die ausdrücklich durch § 31 Abs. 2 LPO 2003 ‑ wie auch durch § 31 Abs. 4 Satz 2 OVP ‑ gestattete Anwesenheit der genannten Dritten bei Prüfungsberatungen ist durch Sachgründe gerechtfertigt. Nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 LPO 2003 umfasste der Auftrag des Prüfungsamts die Vorbereitung, Durchführung und Qualitätssicherung der Ersten Staatsprüfungen im Zusammenwirken mit den Hochschulen. Nach der näheren Ausgestaltung durch die GO LPA ist das Landesprüfungsamt u. a. zuständig für die Qualitätssicherung und -entwicklung innerhalb und außerhalb von Staatsprüfungen (§ 1 Abs. 1 3. Spiegelstrich GO LPA). Diesem zunächst rein institutionellen Interesse diente § 31 Abs. 2 LPO 2003, indem es Leitungsmitgliedern des Prüfungsamts gestattet wurde, auch dem einer inhaltlichen Einflussnahme grundsätzlich entzogenen Bereich der Beratung über die Prüfungsleistung beizuwohnen und von den Vorgängen der Prüfungstätigkeit Kenntnis zu nehmen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts geht es dabei nicht darum, dass die in ihrer Prüfungstätigkeit nach § 31 Abs. 1 LPO 2003 im Rahmen der Rechtsvorschriften unabhängigen Prüfer „unter der Aufsicht oder nach Maßgabe der Vorstellungen des Prüfungsamts entscheiden“ (S. 7 des Urteils). Neben der Anwesenheit beim Prüfungsgespräch und der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses kann die Anwesenheit auch beim Vorgang der Beratung dem für die administrativ-organisatorische und institutionelle Ausgestaltung des Prüfungsverfahrens verantwortlichen Prüfungsamt weitere Erkenntnisse hierfür, nicht zuletzt für sachdienliche Fortentwicklungen des Prüfungsverfahrens verschaffen. Sowohl die LPO 2003 als auch die aktuell geltende OVP verfolgen mit der ausdrücklichen Zulassung von Vertretern des Landesprüfungsamts neben diesem mehr institutionellen Zweck auch individuelle Schutzzwecke. Die Anwesenheit der genannten Personen kann dem Prüfling die Gewähr vermitteln, dass auch bei dem der Öffentlichkeit und seiner eigenen Kenntnis entzogenen Bereich der Beratung über seine Prüfungsleistung das einschlägige Recht ‑ und damit die Grenze der Unabhängigkeit der Prüferinnen und Prüfer (§ 31 Abs. 1 LPO 2003) ‑ eingehalten wird. Dies betrifft etwa die einer verwaltungsinternen wie gerichtlichen Kontrolle grundsätzlich nicht zugänglichen prüfungsspezifischen Bewertungsspielräume. Diese sind nach ständiger Senatsrechtsprechung nur überschritten, wenn die Prüfer einen Verfahrensfehler begehen, anzuwendendes Recht verkennen, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgehen, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzen oder sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen oder sonst willkürlich handeln. 52Vgl. allgemein zum prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum bei schul- und lehrerprüfungsrechtlichen Entscheidungen OVG NRW, Beschlüsse vom 15. September 2022 ‑ 19 B 976/22 ‑, juris, Rn. 3, vom 15. März 2022 ‑ 19 B 1649/21 ‑, juris, Rn. 7, vom 30. September 2021 ‑ 19 B 1508/21 ‑, juris, Rn. 4, und vom 29. April 2020 ‑ 19 A 110/19 ‑, juris, Rn. 32 ff., jeweils m. w. N. 53Nicht nur der Nachweis etwa von verfahrensbezogenen Fehlern im Prüfungs- wie Beratungsverlauf oder Anhaltspunkte für Willkür oder sachfremde Erwägungen kann durch die Anwesenheit eines Vertreters des Prüfungsamts leichter aufgeklärt werden, sondern bereits die bloße Anwesenheit kann im Sinn einer vorbeugenden Fehlerkontrolle qualitäts- und rechtssichernd wirken. Denn grundsätzlich bewerten Prüfer die Prüfungsleistungen und entscheiden über deren Ergebnis zwar eigenverantwortlich und unabhängig, aber nicht unkontrolliert. 54Vgl. Fischer/Jeremias/Dieterich, a. a. O., Rn. 326 f., 786 ff. 55Auf der anderen Seite vermag die Präsenz von Vertretern des Prüfungsamts den Prüfern gerade bei zwischenmenschlich herausfordernden Prüfungssituationen die Sicherheit zu vermitteln, etwaigen Vorwürfen etwa einer unsachlichen Beratung nicht gänzlich schutzlos ausgeliefert zu sein. 56Demgegenüber ist den Prüfern eine von äußeren Einflüssen ungestörte eigenständige und unabhängige Bewertung der Prüfungsleistung auch bei der nach § 31 Abs. 2 LPO 2003 zugelassenen Anwesenheit von Leitungsmitgliedern des Prüfungsamts möglich. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, eine den Prüfern unbewusste Beeinflussung lasse sich nie gänzlich ausschließen, trifft zwar in dieser Allgemeinheit zu, übersieht jedoch, dass sich derartige abstrakte Gefahren selbst bei einem pauschalen Ausschluss Dritter von der Beratung nicht vollständig eliminieren lassen. Die Möglichkeit, auf einen durch Vorverständnisse, äußere Gegebenheiten und sonstige sachliche wie unsachliche Umstände „beeinflussten“ Prüfer zu treffen, liegt in der Natur der Sache einer von Menschen durchgeführten Prüfungssituation. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ‑ auch wenn ein Prüfer die Leistungen des Prüflings persönlich unmittelbar zur Kenntnis zu nehmen und eine selbstständige, eigenverantwortliche, nur seinem Wissen und Gewissen verpflichtete Entscheidung zu fällen hat ‑ nicht jede Möglichkeit eines Einflusses auf die Entscheidung des Prüfers eine Gefahr für die ordnungsgemäße Erfüllung dieser Aufgabe darstellt, zu deren vorbeugender Abwehr der Normgeber Verfahrensregelungen erlassen muss. Vielmehr darf der Normgeber grundsätzlich von dem Bild des Prüfers ausgehen, der zu einer selbstständigen, eigenverantwortlichen Bewertung fähig und bereit ist. 57OVG NRW, Beschluss vom 27. Dezember 2017 ‑ 19 B 1255/17 ‑, GewArch 2018, 163, juris, Rn. 2. 58Der Einhegung einer gleichwohl bestehenden Möglichkeit einer unzulässigen Beeinflussung dienen ein qualitätsvolles Prüfungsverfahren genauso wie die Wirksamkeit von internen und externen Kontrollinstrumenten. Die von § 31 Abs. 2 LPO 2003 ermöglichte Präsenz von Leitungsmitgliedern des Prüfungsamts setzt vor diesem Hintergrund kein spezifisch gefahrenerhöhendes Risiko einer (auch unbewussten) Beeinflussung der Prüfer. 59Treffen Prüfungsordnungen ‑ wie hier ‑ ausdrückliche Bestimmungen zur Anwesenheit weiterer Personen bei der Beratung über Prüfungsleistungen, führt eine solche Präsenz nur dann zur Annahme eines dem Erfordernis der eigenständigen und unabhängigen Bewertung widersprechenden erheblichen Risikos einer Beeinflussung der Prüfer, wenn nach den Umständen des Einzelfalls Anhaltspunkte hierfür vorliegen. Derartige objektive Anhaltspunkte können dem Prüfling aus dem gesamten Prüfungsverfahren bekannt sein, auch wenn sich der Beratungsvorgang selbst seiner Kenntnisnahme entzieht. Sind derartige Anhaltspunkte geltend gemacht, ist das im üblichen Rahmen der Amtsermittlung aufzuklären (§ 24 Abs. 1 VwVfG NRW, § 86 Abs. 1 VwGO). Dass dies den Prüfling nicht rechtlos oder vor unzumutbare Herausforderungen stellt, zeigt ein Blick auf die hergebrachten Grundsätze, nach denen gemäß § 21 Abs. 1 VwVfG NRW die Besorgnis der Befangenheit von Prüfern berechtigt ist. 60Vgl. hierzu OVG NRW, Beschlüsse vom 31. August 2021 ‑ 19 A 1452/20 ‑, juris, Rn. 11, vom 28. Juni 2021 ‑ 19 A 480/20 ‑, juris, Rn. 39, und vom 9. November 2020 ‑ 19 A 4189/19 ‑, juris, Rn. 9, Urteile vom 10. Dezember 2015 ‑ 19 A 254/13 ‑, DVBl. 2016, 926, juris, Rn. 121, und vom 25. September 2014 ‑ 14 A 1872/12 ‑, DVBl. 2015, 52, juris, Rn. 58. 612. Es liegen keine objektiven Anhaltspunkte dafür vor, dass die Anwesenheit von Herrn Dr. L. in der mündlichen Prüfung sowie der Beratung vom 31. August 2018 dem Gebot der eigenständigen und unabhängigen Bewertung seitens der beiden Prüferinnen widersprochen hätte. Nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten, an denen zu zweifeln der Senat keinen Anlass hat, hatte sich Herr Dr. L. zu Beginn der Prüfung kurz vorgestellt und sich im Verlauf der Prüfung einige Notizen gemacht. Im Prüfungsgespräch stellte er weder Fragen noch gab er Kommentare ab. Nach dem Prüfungsgespräch verblieb er mit den Prüferinnen im Prüfungsraum. Bei der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses verblieb er ebenfalls im Raum. Es gibt auch sonst keinerlei Hinweise auf eine aktive Beteiligung oder Einmischung im Rahmen der eigentlichen Beratung. In der Niederschrift der Prüferinnen ist er nicht erwähnt. 62Anhaltspunkte für eine Beeinflussung der Prüferinnen ergeben sich des Weiteren nicht aus dem durch Herrn Dr. L. gefertigten Vermerk vom 31. August 2018, der ‑ da ersichtlich im Anschluss an die Beratung gefertigt ‑ nicht zu einer Einflussnahme auf den Prüfungs- oder Beratungsverlauf geführt haben kann. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts spricht im Übrigen, ohne dass dies der Vertiefung bedürfte, vieles dafür, dass der für die Akten des Prüfungsamts gefertigte interne Vermerk nicht gegen das Beratungsgeheimnis des § 31 Abs. 2 2. Halbsatz LPO 2003 verstößt, wonach die bei der Beratung Anwesenden verpflichtet waren, über die Vorgänge bei der Beratung Verschwiegenheit zu wahren. Der allein die Beratung betreffende Teil des Vermerks ist kurz und abstrakt gehalten und beschränkt sich auf eine kursorische Untermauerung der Einschätzung des Verfassers, dass die Durchführung der Prüfung aus seiner Sicht nicht zu beanstanden sei. Wertende Elemente enthält die Stellungnahme allein insoweit, als sie den Prüferinnen ‑ ohne inhaltliche Erläuterung ‑ eine „detaillierte, sorgfältige und abwägende Gewichtung von fachlichen und sprachlichen Aspekten“ attestiert, im Übrigen wird allein das Prüfungsergebnis referiert. Nach Sinn und Zweck der Pflicht zur Verschwiegenheit über Prüfungsvorgänge findet diese ihren Rechtsgrund vorwiegend in dem das Prüfungsrecht beherrschenden Grundsatz der Chancengleichheit. Der Grundsatz der Chancengleichheit wird aber nicht durchgreifend beeinträchtigt, wenn lediglich allgemeine Kenntnisse und Erfahrungen, die ein Prüfer im Rahmen seiner Prüfertätigkeit gewonnen hat, weitergegeben werden. 63OVG NRW, Beschluss vom 21. Januar 2013 ‑ 14 B 338/12 ‑, juris, Rn. 11. 64Nichts anderes gilt für die Vorgänge der Beratung. Hier schweigt der Vermerk über die inhaltlichen, sich unmittelbar auf die Notenfindung beziehenden Aspekte. Der diskursive Austausch der Prüferinnen, auf den das Prüfungs- und Bewertungsverfahren in besonderer Weise angelegt und auch angewiesen ist, um dem Prüfungszweck und dem Anspruch des Prüflings auf leistungsgerechte Bewertung vollständig Rechnung zu tragen, 65vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. November 2020, a. a. O., Rn. 31, 66wird nicht näher inhaltlich wiedergegeben. 673. Das Verwaltungsgericht hat schließlich ohne Rechtsfehler angenommen, dass Herr Dr. L. bei der Notenberatung vom 31. August 2018 Leitungsmitglied des Prüfungsamts gemäß § 31 Abs. 2 i. V. m. § 30 Abs. 5 LPO 2003 war. 68Die nach § 31 Abs. 2 1. Halbsatz i. V. m. § 30 Abs. 5 Satz 1 LPO 2003 verordnungsrechtlich definierten Leitungsmitglieder des Prüfungsamts sind ‑ soweit hier relevant ‑ die Leiterin oder der Leiter des Prüfungsamts, die Stellvertreterin oder der Stellvertreter, und die Geschäftsführerinnen oder Geschäftsführer, die jeweils vom Ministerium berufen werden. Der damalige Leiter der Außenstelle Q. war Leitungsmitglied des Prüfungsamts in diesem Sinn. Dies ergibt sich aus der Entwicklungsgeschichte und den hierzu ergangenen Bestimmungen für das Landesprüfungsamt. Im Zuge der Umstrukturierung des Prüfungswesens für Lehramtsprüfungen wurde mit Wirkung vom 15. Februar 2014 das Landesprüfungsamt für Lehrämter an Schulen (Landesprüfungsamt) durch Zusammenlegung des Landesprüfungsamts für Erste Staatsprüfungen für Lehrämter an Schulen und des Landesprüfungsamts für Zweite Staatsprüfungen für Lehrämter an Schulen errichtet. Sitz des neuen Landesprüfungsamts ist Dortmund, es verfügt über Außenstellen u. a. in Q. . Dieser strukturellen Organisationsänderung trägt der Wortlaut des § 30 Abs. 5 LPO 2003 nicht hinreichend Rechnung. So gibt es etwa im Landesprüfungsamt keine Geschäftsführer. Auch in der früher geltenden Geschäftsordnung für das Landesprüfungsamt für Erste Staatsprüfungen für Lehrämter an Schulen vom 19. Juni 2006 (ABl. NRW. S. 255) sowie dem Runderlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung vom 19. Juni 2006 (ABl. NRW. S. 254) zur Errichtung eines Landesprüfungsamts für Erste Staatsprüfungen für Lehrämter an Schulen findet sich der Begriff nicht. Für den Hinweis des Verwaltungsgerichts auf S. 5 des angefochtenen Urteils gibt es damit ‑ soweit ersichtlich ‑ keine Grundlage. Mit „Geschäftsführern“ werden die früheren Geschäftsstellenleitungen des ehemaligen Landesprüfungsamts für Erste Staatsprüfungen für Lehrämter an Schulen bezeichnet. Leitungsmitglieder des Prüfungsamts im Sinn dieser Vorschrift sind über die Leiterin oder den Leiter des Prüfungsamts und deren oder dessen Stellvertreterin oder Stellvertreter hinaus auch die Leiterinnen und Leiter der Außenstellen des Prüfungsamts. Dies ergibt sich jedenfalls aus einer Zusammenschau von Nr. 5 des Runderlasses des Ministeriums für Schule und Weiterbildung vom 24. Januar 2014 (ABl. NRW. S. 80) zur Errichtung eines Landesprüfungsamtes für Lehrämter an Schulen, wonach die Leiterinnen und Leiter der Außenstellen im Rahmen der Gesamtverantwortung der Leitung die Verantwortung für die Wahrnehmung der den Außenstellen übertragenen Aufgaben tragen, mit der näheren Entfaltung der Geschäftsordnung des Landesprüfungsamts. Die Außenstellen des Landesprüfungsamts sind für die Geltungsdauer der LPO 2003 die gemäß § 30 Abs. 2 und 5 LPO 2003 für Prüfungen nach dieser Prüfungsordnung zuständigen Organisationseinheiten (Geschäftsstellen) des Prüfungsamts (§ 22 Satz 1 GO LPA). Gemäß § 22 Satz 2 GO LPA nehmen die mit der fachlichen Koordinierung betrauten Referentinnen und Referenten die Aufgaben einer Geschäftsstellenleitung gemäß § 30 Abs. 5 LPO 2003 wahr. 69Als mit der fachlichen Koordinierung betrauter Referent nahm Herr Dr. L. seit Januar 2018 und auch noch zum Zeitpunkt der mündlichen Prüfung am 31. August 2018 die Außenstellenleitung und alle damit zusammenhängenden Amtsgeschäfte der Außenstelle Q. des Landesprüfungsamts wahr. Unerheblich ist dabei, dass Herr Dr. L. nicht ausdrücklich durch gesonderten Formalakt durch das für Schule zuständige Ministerium selbst berufen wurde. Er wurde (nur) seitens der Bezirksregierung Detmold mit Verfügung vom 17. November 2017 an das Landesprüfungsamt ‑ Außenstelle Q. ‑ abgeordnet. Zur Überzeugung des Senats liegt gleichwohl eine dem Ministerium zuzurechnende Berufungsentscheidung im Sinn des § 22 Satz 3 GO LPA vor, wonach abweichend von § 9 Abs. 2 GO LPA ‑ und der dort vorgesehenen Übertragung der Außenstellenkoordinierung und entsprechenden Aufgabenwahrnehmung schon durch die Leitung des Landesprüfungsamts ‑ die mit der fachlichen Koordinierung einer Außenstelle zu betrauenden Referentinnen und Referenten für die Geltungsdauer dieser Prüfungsordnung durch das für Schule zuständige Ministerium berufen werden. Ausweislich der seitens des Beklagten vorgelegten Unterlagen besteht kein Zweifel daran, dass die zum Zeitpunkt der mündlichen Prüfung noch geltende Abordnung der Umsetzung der seitens der ‑ u. a. mit Vertretern des für Schule zuständigen Ministeriums besetzten ‑ Auswahlkommission getroffenen Auswahlentscheidung für die Stelle des Referenten im Arbeitsbereich 1 des Landesprüfungsamts für Lehrämter an Schulen ‑ Leitung der Außenstelle Q. ‑ diente und damit dem zuständigen Ministerium zurechenbar ist. Die Geschäftsordnung enthält keine weiteren formalen Anforderungen hinsichtlich der Qualität der „Berufung“ durch das Ministerium. § 22 Satz 3 GO LPA bringt gegenüber § 9 Abs. 2 GO LPA lediglich zum Ausdruck, dass die Übertragung der Außenstellenleitung nicht allein durch die Leitung des Landesprüfungsamts erfolgen soll, sondern ‑ wenigstens ‑ unter Beteiligung des Ministeriums. Dass eine solche Beteiligung stattgefunden hat, steht hier, wie ausgeführt, außer Zweifel. 70Unabhängig davon wäre auch ein eventuell formal unzureichender Berufungsakt in Umsetzung der Geschäftsordnungsbestimmung in § 22 Satz 3 GO LPA für die nach außen hin wirksame ‑ und rein faktisch auch unstreitige ‑ Stellung von Herrn Dr. L. als Leiter der Außenstelle nicht erheblich. 71Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. 72Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. 73Der Senat lässt die Revision nicht zu, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
das angefochtene urteil wird geändert. die klage wird abgewiesen. die klägerin trägt die kosten des verfahrens in beiden instanzen. die kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. die klägerin darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe des vollstreckungsbetrags abwenden, wenn nicht der beklagte vor der vollstreckung in entsprechender höhe sicherheit leistet. die revision wird nicht zugelassen. 1
2die am 00. mai 1991 geborene klägerin bestand 2016 erstmalig nicht die erste staatsprüfung gemäß der für sie nach § 20 abs. 4 labg nrw noch anwendbaren ordnung der ersten staatsprüfungen für lehrämter an schulen (lehramtsprüfungsordnung – lpo 2003) vom 27. märz 2003 (gv. nrw. s. 182), zuletzt geändert durch gesetz vom 27. juni 2006 (gv. nrw. s. 278), für das lehramt an gymnasien und gesamtschulen, nachdem ihre mündliche prüfung der fachwissenschaft im fach englisch (modul: am 1) mit „mangelhaft“ (5,0) bewertet wurde. im september 2017 unternahm sie eine erste wiederholung der mündlichen prüfung der fachwissenschaft im fach englisch. die prüfung bestand sie wiederum nicht, die note wurde mit nach erfolglosem abschluss des widerspruchsverfahrens bestandskräftigem bescheid vom 4. oktober 2017 mit „mangelhaft“ (5,0) bewertet. 3ende 2017 wurde sie zur zweiten wiederholung der mündlichen prüfung in der fachwissenschaft im fach englisch zugelassen und hierüber seitens der außenstelle q. des landesprüfungsamts für lehrämter an schulen (im folgenden: landesprüfungsamt) entsprechend benachrichtigt. im april 2018 meldete sich die klägerin zur zweiten wiederholungsprüfung der mündlichen prüfung in der fachwissenschaft im fach englisch an. die mündliche prüfung fand am 31. august 2018 statt. prüferinnen waren frau prof. dr. n. und frau dr. m. . an der mündlichen prüfung nahm auch der kommissarische leiter der außenstelle q. des landesprüfungsamts, herr dr. l. , teil. der leiter der außenstelle wohnte sowohl dem prüfungs-, also auch dem anschließenden notenberatungsgespräch der beiden prüferinnen bei. in einem vermerk vom gleichen tag hielt er fest, die durchführung der prüfung sei aus seiner sicht nicht zu beanstanden. im beurteilungsgespräch sei durch beide prüferinnen eine detaillierte, sorgfältige und abwägende gewichtung von fachlichen und sprachlichen aspekten erfolgt; beide prüferinnen seien übereinstimmend zu dem ergebnis gekommen, dass die prüfung den anforderungen nicht genüge und mit der note „mangelhaft“ zu bewerten sei. herr dr. l. hatte sich zu beginn der prüfung kurz vorgestellt und machte sich im verlauf der prüfung einige notizen. fragen oder kommentare gab es von seiner seite nicht. nach dem prüfungsgespräch verblieb er mit den prüferinnen im prüfungsraum. bei der bekanntgabe des prüfungsergebnisses verblieb er ebenfalls im raum. 4der kommissarische leiter herr dr. l. war seitens der bezirksregierung detmold mit verfügung vom 17. november 2017 in der zeit von januar bis september 2018 vom oberstufenkolleg c. an das landesprüfungsamt ‑ außenstelle q. ‑ abgeordnet worden. dem ging eine zu seinen gunsten durch eine ‑ u. a. mit vertretern des für schule zuständigen ministeriums besetzte ‑ auswahlkommission getroffene auswahlentscheidung vom 11. september 2017 für die stelle des referenten im arbeitsbereich 1 des landesprüfungsamts für lehrämter an schulen ‑ leitung der außenstelle q. ‑ voraus. hierhin wurde er sodann mit wirkung vom 29. oktober 2018 versetzt. in der außenstelle q. des landesprüfungsamts nahm er seit januar 2018 die außenstellenleitung und alle damit zusammenhängenden amtsgeschäfte wahr. durch ernennungsurkunde des ministeriums für schule und bildung vom 2. oktober 2018 wurde herr dr. l. am 30. oktober 2018 zum regierungsschuldirektor ‑ als referent am landesprüfungsamt für lehrämter an schulen ‑ ernannt. 5mit bescheid vom 10. september 2018 setzte das landesprüfungsamt für die prüfungsleistung der mündlichen prüfung in der fachwissenschaft im fach englisch abermals die note „mangelhaft“ (5,0) fest. es wurde festgestellt, dass die klägerin die erste staatsprüfung für das lehramt an gymnasien und gesamtschulen endgültig nicht bestanden habe. 6auf den widerspruch der klägerin gegen die benotung der mündlichen prüfung im fach englisch legte das landesprüfungsamt die verlängerungsbescheide der berufungen zu mitgliedern des landesprüfungsamts für erste staatsprüfungen für lehrämter an schulen bezogen auf die beiden prüfer frau dr. n. und frau dr. m. (jeweils prüfungsfach englisch) vor und verwies im übrigen darauf, dass herr dr. l. als leiter der außenstelle q. des landesprüfungsamts auf der grundlage von § 31 abs. 2 und 4 satz 1 lpo 2003 zur teilnahme an der staatsprüfung sowie zur anwesenheit bei der beratung über die festsetzung der note berechtigt gewesen sei. mit widerspruchsbescheid vom 12. februar 2019 wies das landesprüfungsamt den widerspruch der klägerin zurück. gemäß § 22 satz 2 der geschäftsordnung für das landesprüfungsamt für lehrämter an schulen (runderlass des ministeriums für schule und weiterbildung vom 21. februar 2014, abl. nrw. s. 124, im folgenden: go lpa) nähmen die mit der fachlichen koordinierung betrauten referentinnen und referenten die aufgaben einer geschäftsstellenleitung gemäß § 30 abs. 5 lpo 2003 wahr. der in der prüfung anwesende herr dr. l. nehme als referent die geschäftsstellenleitung der geschäftsstelle q. wahr. 7die klägerin hat am 11. märz 2019 klage erhoben. zur begründung hat sie geltend gemacht, herr dr. l. habe als „unbefugter dritter“ an ihrer prüfung teilgenommen. er habe nicht an der beratung über die festsetzung der note am 31. august 2018 anwesend sein dürfen. dieser verfahrensfehler müsse zu einer wiederholung der konkreten prüfung führen. herr dr. l. sei auch nicht von § 30 abs. 5 lpo 2003 erfasst und damit kein leitungsmitglied des prüfungsamts; eine etwaige stellung als bloßer geschäftsstellenleiter erfülle die voraussetzungen der vorschrift nicht, so dass auch hieraus keine befugnis zur anwesenheit in der fraglichen prüfung folgen könne. 8die klägerin hat beantragt, 9den beklagten unter aufhebung des prüfungsbescheids vom 10. september 2018 und des widerspruchsbescheids vom 12. februar 2019 zu verpflichten, der klägerin eine (nochmalige) wiederholung der mündlichen prüfung in der fachwissenschaft im fach englisch zu ermöglichen. 10der beklagte hat beantragt, 11die klage abzuweisen. 12zur begründung hat das landesprüfungsamt sein vorbringen aus dem widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. herr dr. l. sei selbstverständlich ab dem 1. januar 2018 als referent des landesprüfungsamts für den dienstort q. einberufen worden. die übergangsregelung in § 22 satz 2 go lpa beziehe sich zudem genau auf diesen umstand, dass durch die 2014 erfolgte umstrukturierung der landesprüfungsämter keine geschäftsführer, sondern referenten als geschäftsstellenleiter ausgewiesen würden. die in § 31 abs. 2 lpo 2003 vorgesehene möglichkeit der teilnahme von leitungsmitgliedern des prüfungsamts bei der beratung entspreche dem dienstlichen interesse des landesprüfungsamts u. a. an der qualitätssicherung und der sicherung und weiterentwicklung standortspezifischer und standortübergreifender prüfungsbezogener qualitätsstandards. ein solches dienstliches interesse gebe es auch unter geltung der ordnung des vorbereitungsdienstes und der staatsprüfung für lehrämter an schulen (ordnung des vorbereitungsdienstes und der staatsprüfung – ovp) vom 10. april 2011, nach dessen § 31 abs. 4 satz 2 vertreterinnen oder vertreter des prüfungsamtes bei den beratungen des prüfungsausschusses zugegen sein dürften. 13mit urteil vom 2. dezember 2020 hat das verwaltungsgericht den beklagten unter aufhebung des bescheids des landesprüfungsamts vom 10. september 2018 in der gestalt des widerspruchsbescheids vom 12. februar 2019 verpflichtet, der klägerin eine mündliche prüfung in der fachwissenschaft im fach englisch als zweite wiederholung zu ermöglichen. die mündliche prüfung der klägerin am 31. august 2018 sei verfahrensfehlerhaft durchgeführt worden, weil mit herrn dr. l. ein hierzu nicht berechtigter an der notenberatung der beiden prüferinnen über die mündliche prüfung teilgenommen habe. § 31 abs. 2 lpo 2003 gestatte die anwesenheit auch von leitungsmitgliedern des prüfungsamts im sinn des § 30 abs. 5 lpo 2003 bei den beratungen über die festsetzung der note für die mündlichen prüfungsleistungen. zu diesem personenkreis gehöre der betreffende als mit der fachlichen koordinierung der außenstelle q. des landesprüfungsamts betrauter referent. die eine anwesenheit entsprechender vertreter des landesprüfungsamts gestattende regelung des § 31 abs. 2 lpo 2003 sei jedoch mit höherrangigem recht unvereinbar. durch die anwesenheit eines leitungsmitglieds des prüfungsamts bei der beratung werde das aus art. 12 abs. 1 gg folgende gebot der unabhängigkeit und eigenständigkeit der prüferinnen und prüfer bei der leistungsbewertung beeinträchtigt, ohne dass dies durch einen legitimen zweck gerechtfertigt sei. das bewertungsverfahren müsse objektivitäts- und neutralitätssichernd ausgestaltet sein, so dass die prüfer ihre bewertung der prüfungsleistung eigenständig und unabhängig vornehmen könnten. diesen anforderungen genüge eine verfahrensgestaltung nicht, die personen des prüfungsamts die teilnahme an der notenberatung ermögliche. jedenfalls bei mündlichen prüfungen und den beratungen des gremiums hierüber bringe allein die anwesenheit dritter die gefahr mit sich, dass diese ‑ wenn auch möglicherweise nur averbal ‑ auf das gespräch einfluss nehmen und eine solche anwesenheit jedenfalls geeignet sei, die unbefangenheit der stimmberechtigten mitglieder des gremiums zu beeinträchtigen. ein legitimer zweck werde mit § 31 abs. 2 lpo 2003 demgegenüber nicht verfolgt. gründe der qualitätssicherung stritten nicht für eine anwesenheit gerade beim beratungsprozess. wegen der weiteren begründung des urteils wird auf dessen entscheidungsgründe bezug genommen. 14am 15. januar 2021 hat der beklagte die vom verwaltungsgericht gegen das ‑ dem landesprüfungsamt am 4. januar 2021 zugestellte ‑ urteil zugelassene berufung eingelegt. das landesprüfungsamt verfolgt sein erstinstanzliches begehren weiter. 15der beklagte beantragt schriftsätzlich sinngemäß, 16das angefochtene urteil zu ändern und die klage abzuweisen. 17die klägerin beantragt schriftsätzlich, 18die berufung zurückzuweisen. 19sie hält die berufung mangels eines ausdrücklichen berufungsantrags bereits für unzulässig. zur begründung in der sache verweist sie auf das angefochtene urteil und führt ergänzend und vertiefend aus: entgegen der rechtsauffassung des verwaltungsgerichts stehe die teilnahme von herrn dr. l. bereits nicht in einklang mit § 31 abs. 2 lpo 2003. er gehöre nicht zum nach dieser vorschrift berechtigten personenkreis. ein geschäftsstellenleiter sei nicht identisch mit einer geschäftsführerstellung, leitungsmitglied des prüfungsamts gemäß § 30 abs. 5 lpo 2003 sei er gerade nicht. außerdem fehle es insoweit an der nach § 22 satz 3 go lpa erforderlichen einberufung durch das schulministerium. soweit das verwaltungsgericht zutreffend auf die unvereinbarkeit von § 31 abs. 2 lpo 2003 mit höherrangigem recht erkannt habe, sei dem zuzustimmen. gerade der auch dem prüfling entzogene, besonders sensible bereich der notenberatung müsse allein den prüferinnen und prüfern vorbehalten bleiben, die völlig frei von äußeren einflüssen ihr „urteil“ fällen können müssten. für sie mache es einen unterschied, ob ein „aufpasser“ mit im raum sitze oder ob sie ohne jedweden äußeren einfluss ihre gedanken austauschen könnten. 20die beteiligten haben übereinstimmend ihr einverständnis mit einer entscheidung durch den berichterstatter und ohne mündliche verhandlung erklärt. 21wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstands wird auf den inhalt der gerichtsakten sowie der beigezogenen verwaltungsvorgänge des landesprüfungsamts bezug genommen. 22
23der senat entscheidet durch den berichterstatter ohne mündliche verhandlung, weil sich die beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 87a abs. 2 und 3, § 101 abs. 2, § 125 abs. 1 vwgo). 24die berufung des beklagten ist zulässig (i.) und begründet (ii.). 25i. die berufung ist trotz des fehlens eines ausdrücklichen berufungsantrags zulässig. 26nach § 124a abs. 3 satz 1 vwgo ist im fall der zulassung der berufung durch das verwaltungsgericht diese innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils zu begründen. die berufungsbegründung muss nach § 124a abs. 3 satz 4 vwgo einen bestimmten antrag enthalten sowie die im einzelnen anzuführenden gründe der anfechtung (berufungsgründe). hier hat der beklagte als berufungskläger innerhalb von zwei monaten nach zustellung des urteils des verwaltungsgerichts keinen ausdrücklichen berufungsantrag gestellt. daraus ergibt sich indes nicht die unzulässigkeit der berufung. § 124a abs. 3 satz 4 vwgo verlangt nicht, dass ein ausdrücklicher antrag gestellt wird. dem antragserfordernis wird regelmäßig entsprochen, wenn in dem einzureichenden schriftsatz hinreichend deutlich zum ausdruck kommt, dass, in welchem umfang und weshalb der berufungsführer an der durchführung des zugelassenen berufungsverfahrens festhalten will. bei der beurteilung ist im grundsatz davon auszugehen, dass eine berufung im zweifel gegen die gesamte angefochtene entscheidung gerichtet ist, der berufungsführer diese also insoweit angreift, als er durch sie beschwert ist. es genügt, wenn das ziel des rechtsmittels aus der tatsache seiner einlegung allein oder in verbindung mit den während der rechtsmittelfrist abgegebenen erklärungen erkennbar ist. welche mindestanforderungen in anwendung der vorstehenden grundsätze jeweils an die berufungsbegründung zu stellen sind, hängt schließlich wesentlich von den umständen des konkreten einzelfalls ab. 27bverwg, beschluss vom 21. september 2011 ‑ 3 b 56.11 ‑, juris, rn. 6, 14; urteil vom 9. märz 2005 ‑ 6 c 8.04 ‑, nvwz 2005, 821, juris, rn. 16; bgh, beschluss vom 20. juni 2022 ‑ via zb 3/22 ‑, juris, rn. 9; ovg nrw, urteil vom 27. januar 2021 ‑ 6 a 4105/18 ‑, nwvbl. 2021, 377, juris, rn. 35; vgh bad.-württ., urteil vom 28. märz 2022 ‑ 1 s 1265/21 ‑, juris, rn. 30, jeweils m. w. n. 28bei der danach gebotenen berücksichtigung der ausführungen in dem schriftsatz vom 13. januar 2021, mit dem das landesprüfungsamt die berufung eingelegt und zugleich begründet hat, ergibt eine sachdienliche auslegung (vgl. § 125 abs. 1, § 88 vwgo), 29vgl. bverwg, beschluss vom 9. februar 2000 ‑ 9 b 31.00 ‑, buchholz 402.240 § 53 auslg nr. 29, juris, rn. 5; urteil vom 7. februar 1997 ‑ 9 c 11.96 ‑, dvbl 1997, 907, juris, rn. 8, 30dass das landesprüfungsamt implizit auch einen sachantrag gestellt hat. denn es hat durch seine berufungsbegründung inhaltlich unzweifelhaft zum ausdruck gebracht, dass es mit seiner berufung sein erstinstanzlich erfolglos gebliebenes klageabweisungsbegehren weiterverfolgen wollte. es hat sich eingehend mit den inhaltlichen ausführungen des verwaltungsgerichts zur von diesem angenommenen unwirksamkeit von § 31 abs. 2 lpo 2003 auseinandergesetzt und deren rechtsfehlerhaftigkeit gerügt. 31ii. das verwaltungsgericht hat der klage zu unrecht stattgegeben. die zulässige verpflichtungsklage der klägerin ist unbegründet. 32der prüfungsbescheid vom 10. september 2018 und der widerspruchsbescheid vom 12. februar 2019 sind rechtmäßig und verletzen die klägerin nicht in ihren rechten (§ 113 abs. 5 satz 1 vwgo). die klägerin hat keinen anspruch gegenüber dem landesprüfungsamt, ihr eine mündliche prüfung in der fachwissenschaft im fach englisch als zweite wiederholung zu ermöglichen. die festsetzung der note „mangelhaft“ (5,0) für die prüfungsleistung der mündlichen prüfung in der fachwissenschaft im fach englisch (modul: am 1) und die feststellung, dass die klägerin die erste staatsprüfung für das lehramt an gymnasien und gesamtschulen endgültig nicht bestanden habe, sind frei von rechtsfehlern. insbesondere liegen keine verfahrensfehler vor. weder ist § 31 abs. 2 lpo 2003 wegen verstoßes gegen höherrangiges recht unwirksam (dazu 1.), noch liegen anhaltspunkte für eine unzulässige beeinflussung der prüferinnen vor (dazu 2.), noch bestehen zweifel an der eigenschaft von herrn dr. l. als gemäß § 31 abs. 2 lpo 2003 zur anwesenheit bei der notenberatung vom 31. august 2018 berechtigtem leitungsmitglied des prüfungsamts (dazu 3.). 331. § 31 abs. 2 lpo 2003 verstößt nicht gegen höherrangiges recht. das in art. 12 abs. 1 gg verankerte erfordernis der eigenständigen und unabhängigen urteilsbildung der prüfer wird nicht durch eine verfahrensgestaltung verletzt, die personen des prüfungsamts die anwesenheit bei der notenberatung gestattet. 34a) das grundrecht der berufsfreiheit beansprucht geltung auch für die durchführung berufsbezogener abschlussprüfungen und der insoweit gewährleistete grundrechtsschutz ist auch durch die gestaltung des verfahrens zu bewirken. wegen der intensität, mit der solche prüfungen in die freiheit der berufswahl eingreifen, und weil der nachträglichen gerichtlichen kontrolle ‑ vor allem wegen der unabdingbaren entscheidungsfreiräume der prüfer in bezug auf prüfungsspezifische wertungen ‑ grenzen gesetzt sind, bedarf es einer objektivitäts- und neutralitätssichernden gestaltung des bewertungsverfahrens, um den maßstäben des art. 12 abs. 1 gg i. v. m. art. 3 gg zu genügen. dies bedeutet, dass u. a. die gestaltung des ablaufs derartiger berufszulassungsprüfungen geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren sinn sein muss, um den prüfungszweck, nämlich die feststellung der beruflichen qualifikation der bewerber, zu erreichen. demnach ist ein verfahren, das für die bewertung von prüfungsleistungen vorgesehen ist, nur dann geeignet, wenn es eine hinreichend aussagekräftige entscheidung über die befähigung der bewerber gewährleistet. 35bverfg, kammerbeschluss vom 16. januar 1995 ‑ 1 bvr 1505/94 ‑, nvwz 1995, 469, juris, rn. 15; bverwg, beschlüsse vom 21. dezember 2016 - 2 b 108.15 ‑, buchholz 421.0 prüfungswesen nr. 427, juris, rn. 12, vom 9. oktober 2012 - 6 b 39.12 ‑, nvwz-rr 2013, 44, juris, rn. 5, jeweils m. w. n., und urteil vom 16. märz 1994 - 6 c 1.93 ‑, bverwge 95, 237, juris, rn. 25, 27; ovg nrw, beschluss vom 9. november 2020 ‑ 19 a 3522/19 ‑, nwvbl. 2021, 117, juris, rn. 10 und 12 ff. (dort zur auswahl und bestellung von prüfern); ferner im grundsatz schon bverfg, beschluss vom 17. april 1991 - 1 bvr 419/81 ‑, bverfge 84, 34, juris, rn. 39. 36verfassungsrechtlich geboten ist danach sowohl eine sachkundige leistungsbewertung als auch eine eigene, unmittelbare und vollständige kenntnisnahme der prüfungsleistung. 37vgl. bverfg, kammerbeschluss vom 16. januar 1995, a. a. o., rn. 17; bverwg, urteile vom 24. februar 2003 - 6 c 22.02 ‑, döv 2003, 726, juris, rn. 12, und vom 16. märz 1994, a. a. o., rn. 27; ovg nrw, beschlüsse vom 9. november 2020, a. a. o., rn. 12, 14 und 18, und vom 30. september 2011 - 19 a 1881/10 ‑, juris, rn. 23. 38diese gebote der sachkundigen leistungsbewertung sowie der eigenen, unmittelbaren und vollständigen kenntnisnahme der prüfungsleistung werden ergänzt durch das erfordernis der eigenständigen und unabhängigen urteilsbildung seitens der prüfer. 39vgl. bverwg, beschluss vom 9. oktober 2012, a. a. o., rn. 7 f. 40b) diesen in der verfassungsgerichtlichen, höchst- und obergerichtlichen rechtsprechung hinlänglich geklärten grundsätzen genügt § 31 abs. 2 lpo 2003. die in dieser vorschrift ‑ wie entsprechend auch aktuell in § 31 abs. 4 satz 2 ovp allgemein für vertreterinnen oder vertreter des prüfungsamts ‑ zugelassene anwesenheit von leitungsmitgliedern des prüfungsamts bei den beratungen der prüferinnen und prüfer ist vereinbar mit dem grundsatz der chancengleichheit und stellt ohne hinzutreten weiterer umstände keinen zur rechtswidrigkeit der prüfungsentscheidung führenden verfahrensfehler dar. 41nach § 31 abs. 2 lpo 2003 durften bei den beratungen über die festsetzung der note für die mündlichen prüfungsleistungen nur die prüferinnen und prüfer und leitungsmitglieder des prüfungsamts (§ 30 abs. 5 lpo 2003) anwesend sein (1. halbsatz); sie waren verpflichtet, über die vorgänge bei der beratung verschwiegenheit zu wahren (2. halbsatz). die damit zugelassene anwesenheit von vertretern des prüfungsamts nicht nur bei der mündlichen prüfung selbst, sondern auch bei den prüfungs- und notenberatungen, berührt grundsätzlich den grundsatz der chancengleichheit. 42zur anwesenheit weiterer personen während der prüfung selbst, d. h. der phase der leistungsermittlung, traf § 31 abs. 4 lpo 2003 nur die regelung, dass vertreterinnen und vertreter sowie beauftragte des prüfungsamts, der schulaufsicht und der kirchen (bei den jeweiligen religionslehren) an ersten staatsprüfungen teilnehmen konnten (satz 1); personen, die ein berechtigtes interesse hatten, konnten an ersten staatsprüfungen teilnehmen, sofern nicht der prüfling widersprach (satz 2). weder nach § 31 abs. 4 lpo 2003 noch unter geltung des aktuellen § 31 abs. 3 ovp ist damit die anwesenheit dritter bei der mündlichen prüfung selbst ausgeschlossen. die entscheidung hierüber trifft das prüfungsamt nach pflichtgemäßem ermessen oder ‑ unter geltung von § 31 abs. 3 satz 1 ovp ‑ das prüfungsamt oder das vorsitzende mitglied des prüfungsausschusses. dies entspricht allgemeinen grundsätzen, wonach es im pflichtgemäßen ermessen des zuständigen entscheidungsgremiums steht, inwiefern weiteren personen die anwesenheit während der prüfung gestattet wird, sofern die jeweilige prüfungsordnung die anwesenheit weiterer personen während der prüfung nicht ausdrücklich ausschließt. 43vgl. ovg nrw, beschlüsse vom 18. märz 2021 ‑ 14 a 272/21 ‑, juris, rn. 7, und vom 19. dezember 2016 ‑ 6 a 1699/15 ‑, juris, rn. 8; fischer/jeremias/dieterich, prüfungsrecht, 8. aufl. 2022, rn. 452. 44für die an die phase der leistungsermittlung anschließende beratung über das ergebnis der prüfung treffen § 31 abs. 2 lpo 2003 wie auch § 31 abs. 4 satz 2 ovp eine ausdrückliche bestimmung, die den kreis der anwesenheitsberechtigten weiteren personen einschränkt. neben den prüferinnen und prüfern dürfen danach bei den beratungen über die festsetzung der note für die mündlichen prüfungsleistungen nur die leitungsmitglieder des prüfungsamts (bzw. vertreterinnen oder vertreter des prüfungsamts nach § 31 abs. 4 satz 2 ovp) zugegen sein. diese ausdrückliche verordnungsrechtliche befugnis unterscheidet die hier einschlägige prüfungsordnung von anderen prüfungsordnungen, die neben der allgemeinen zulässigkeit der anwesenheit weiterer personen bei prüfungen gerade keine ausdrückliche bestimmung für die anwesenheit bei beratung und feststellung des prüfungsergebnisses kennen. 45vgl. ovg nrw, beschluss vom 19. dezember 2016, a. a. o., rn. 8. 46fehlt es an einer prüfungsordnungsrechtlichen grundlage für die anwesenheit weiterer personen bei der beratung über die mündliche prüfungsleistung, ist eine solche nach allgemeinen prüfungsrechtlichen grundsätzen unzulässig und die annahme gerechtfertigt, dass diese anwesenheit ein erheblicher verfahrensfehler ist und nicht ausgeschlossen werden kann, dass hierdurch das prüfungsergebnis beeinflusst worden ist. 47vgl. bfh, urteil vom 18. september 2012 ‑ vii r 41/11 ‑, bfhe 239, 280, juris, rn. 20; ovg nrw, beschluss vom 19. dezember 2016, a. a. o., rn. 8; vgh bad.-württ., beschluss vom 10. april 2019 ‑ 9 s 1724/18 -, juris, rn. 11; fischer/jeremias/dieterich, a. a. o., rn. 373, 452. 48denn es widerspricht im grundsatz dem rechtsstaatlichen gebot der eigenständigen und unabhängigen urteilsbildung seitens der prüfer, außenstehende dritte in einer weise am prüfungsverfahren zu beteiligen, dass ihnen ein bestimmender einfluss auf das prüfungsergebnis eingeräumt wird. 49vgl. vgh bad.-württ., urteile vom 27. september 2012 ‑ 9 s 2143/11 ‑, vblbw 2013, 111, juris, rn. 29, und vom 16. januar 1990 ‑ 9 s 3071/88 ‑, gewarch 1990, 134, juris, rn. 36. 50diesen maßstäben genügte § 31 abs. 2 lpo 2003. 51die ausdrücklich durch § 31 abs. 2 lpo 2003 ‑ wie auch durch § 31 abs. 4 satz 2 ovp ‑ gestattete anwesenheit der genannten dritten bei prüfungsberatungen ist durch sachgründe gerechtfertigt. nach § 30 abs. 3 nr. 1 lpo 2003 umfasste der auftrag des prüfungsamts die vorbereitung, durchführung und qualitätssicherung der ersten staatsprüfungen im zusammenwirken mit den hochschulen. nach der näheren ausgestaltung durch die go lpa ist das landesprüfungsamt u. a. zuständig für die qualitätssicherung und -entwicklung innerhalb und außerhalb von staatsprüfungen (§ 1 abs. 1 3. spiegelstrich go lpa). diesem zunächst rein institutionellen interesse diente § 31 abs. 2 lpo 2003, indem es leitungsmitgliedern des prüfungsamts gestattet wurde, auch dem einer inhaltlichen einflussnahme grundsätzlich entzogenen bereich der beratung über die prüfungsleistung beizuwohnen und von den vorgängen der prüfungstätigkeit kenntnis zu nehmen. entgegen der auffassung des verwaltungsgerichts geht es dabei nicht darum, dass die in ihrer prüfungstätigkeit nach § 31 abs. 1 lpo 2003 im rahmen der rechtsvorschriften unabhängigen prüfer „unter der aufsicht oder nach maßgabe der vorstellungen des prüfungsamts entscheiden“ (s. 7 des urteils). neben der anwesenheit beim prüfungsgespräch und der bekanntgabe des prüfungsergebnisses kann die anwesenheit auch beim vorgang der beratung dem für die administrativ-organisatorische und institutionelle ausgestaltung des prüfungsverfahrens verantwortlichen prüfungsamt weitere erkenntnisse hierfür, nicht zuletzt für sachdienliche fortentwicklungen des prüfungsverfahrens verschaffen. sowohl die lpo 2003 als auch die aktuell geltende ovp verfolgen mit der ausdrücklichen zulassung von vertretern des landesprüfungsamts neben diesem mehr institutionellen zweck auch individuelle schutzzwecke. die anwesenheit der genannten personen kann dem prüfling die gewähr vermitteln, dass auch bei dem der öffentlichkeit und seiner eigenen kenntnis entzogenen bereich der beratung über seine prüfungsleistung das einschlägige recht ‑ und damit die grenze der unabhängigkeit der prüferinnen und prüfer (§ 31 abs. 1 lpo 2003) ‑ eingehalten wird. dies betrifft etwa die einer verwaltungsinternen wie gerichtlichen kontrolle grundsätzlich nicht zugänglichen prüfungsspezifischen bewertungsspielräume. diese sind nach ständiger senatsrechtsprechung nur überschritten, wenn die prüfer einen verfahrensfehler begehen, anzuwendendes recht verkennen, von einem unrichtigen sachverhalt ausgehen, allgemeingültige bewertungsmaßstäbe verletzen oder sich von sachfremden erwägungen leiten lassen oder sonst willkürlich handeln. 52vgl. allgemein zum prüfungsspezifischen bewertungsspielraum bei schul- und lehrerprüfungsrechtlichen entscheidungen ovg nrw, beschlüsse vom 15. september 2022 ‑ 19 b 976/22 ‑, juris, rn. 3, vom 15. märz 2022 ‑ 19 b 1649/21 ‑, juris, rn. 7, vom 30. september 2021 ‑ 19 b 1508/21 ‑, juris, rn. 4, und vom 29. april 2020 ‑ 19 a 110/19 ‑, juris, rn. 32 ff., jeweils m. w. n. 53nicht nur der nachweis etwa von verfahrensbezogenen fehlern im prüfungs- wie beratungsverlauf oder anhaltspunkte für willkür oder sachfremde erwägungen kann durch die anwesenheit eines vertreters des prüfungsamts leichter aufgeklärt werden, sondern bereits die bloße anwesenheit kann im sinn einer vorbeugenden fehlerkontrolle qualitäts- und rechtssichernd wirken. denn grundsätzlich bewerten prüfer die prüfungsleistungen und entscheiden über deren ergebnis zwar eigenverantwortlich und unabhängig, aber nicht unkontrolliert. 54vgl. fischer/jeremias/dieterich, a. a. o., rn. 326 f., 786 ff. 55auf der anderen seite vermag die präsenz von vertretern des prüfungsamts den prüfern gerade bei zwischenmenschlich herausfordernden prüfungssituationen die sicherheit zu vermitteln, etwaigen vorwürfen etwa einer unsachlichen beratung nicht gänzlich schutzlos ausgeliefert zu sein. 56demgegenüber ist den prüfern eine von äußeren einflüssen ungestörte eigenständige und unabhängige bewertung der prüfungsleistung auch bei der nach § 31 abs. 2 lpo 2003 zugelassenen anwesenheit von leitungsmitgliedern des prüfungsamts möglich. die annahme des verwaltungsgerichts, eine den prüfern unbewusste beeinflussung lasse sich nie gänzlich ausschließen, trifft zwar in dieser allgemeinheit zu, übersieht jedoch, dass sich derartige abstrakte gefahren selbst bei einem pauschalen ausschluss dritter von der beratung nicht vollständig eliminieren lassen. die möglichkeit, auf einen durch vorverständnisse, äußere gegebenheiten und sonstige sachliche wie unsachliche umstände „beeinflussten“ prüfer zu treffen, liegt in der natur der sache einer von menschen durchgeführten prüfungssituation. dabei ist zu berücksichtigen, dass ‑ auch wenn ein prüfer die leistungen des prüflings persönlich unmittelbar zur kenntnis zu nehmen und eine selbstständige, eigenverantwortliche, nur seinem wissen und gewissen verpflichtete entscheidung zu fällen hat ‑ nicht jede möglichkeit eines einflusses auf die entscheidung des prüfers eine gefahr für die ordnungsgemäße erfüllung dieser aufgabe darstellt, zu deren vorbeugender abwehr der normgeber verfahrensregelungen erlassen muss. vielmehr darf der normgeber grundsätzlich von dem bild des prüfers ausgehen, der zu einer selbstständigen, eigenverantwortlichen bewertung fähig und bereit ist. 57ovg nrw, beschluss vom 27. dezember 2017 ‑ 19 b 1255/17 ‑, gewarch 2018, 163, juris, rn. 2. 58der einhegung einer gleichwohl bestehenden möglichkeit einer unzulässigen beeinflussung dienen ein qualitätsvolles prüfungsverfahren genauso wie die wirksamkeit von internen und externen kontrollinstrumenten. die von § 31 abs. 2 lpo 2003 ermöglichte präsenz von leitungsmitgliedern des prüfungsamts setzt vor diesem hintergrund kein spezifisch gefahrenerhöhendes risiko einer (auch unbewussten) beeinflussung der prüfer. 59treffen prüfungsordnungen ‑ wie hier ‑ ausdrückliche bestimmungen zur anwesenheit weiterer personen bei der beratung über prüfungsleistungen, führt eine solche präsenz nur dann zur annahme eines dem erfordernis der eigenständigen und unabhängigen bewertung widersprechenden erheblichen risikos einer beeinflussung der prüfer, wenn nach den umständen des einzelfalls anhaltspunkte hierfür vorliegen. derartige objektive anhaltspunkte können dem prüfling aus dem gesamten prüfungsverfahren bekannt sein, auch wenn sich der beratungsvorgang selbst seiner kenntnisnahme entzieht. sind derartige anhaltspunkte geltend gemacht, ist das im üblichen rahmen der amtsermittlung aufzuklären (§ 24 abs. 1 vwvfg nrw, § 86 abs. 1 vwgo). dass dies den prüfling nicht rechtlos oder vor unzumutbare herausforderungen stellt, zeigt ein blick auf die hergebrachten grundsätze, nach denen gemäß § 21 abs. 1 vwvfg nrw die besorgnis der befangenheit von prüfern berechtigt ist. 60vgl. hierzu ovg nrw, beschlüsse vom 31. august 2021 ‑ 19 a 1452/20 ‑, juris, rn. 11, vom 28. juni 2021 ‑ 19 a 480/20 ‑, juris, rn. 39, und vom 9. november 2020 ‑ 19 a 4189/19 ‑, juris, rn. 9, urteile vom 10. dezember 2015 ‑ 19 a 254/13 ‑, dvbl. 2016, 926, juris, rn. 121, und vom 25. september 2014 ‑ 14 a 1872/12 ‑, dvbl. 2015, 52, juris, rn. 58. 612. es liegen keine objektiven anhaltspunkte dafür vor, dass die anwesenheit von herrn dr. l. in der mündlichen prüfung sowie der beratung vom 31. august 2018 dem gebot der eigenständigen und unabhängigen bewertung seitens der beiden prüferinnen widersprochen hätte. nach den übereinstimmenden angaben der beteiligten, an denen zu zweifeln der senat keinen anlass hat, hatte sich herr dr. l. zu beginn der prüfung kurz vorgestellt und sich im verlauf der prüfung einige notizen gemacht. im prüfungsgespräch stellte er weder fragen noch gab er kommentare ab. nach dem prüfungsgespräch verblieb er mit den prüferinnen im prüfungsraum. bei der bekanntgabe des prüfungsergebnisses verblieb er ebenfalls im raum. es gibt auch sonst keinerlei hinweise auf eine aktive beteiligung oder einmischung im rahmen der eigentlichen beratung. in der niederschrift der prüferinnen ist er nicht erwähnt. 62anhaltspunkte für eine beeinflussung der prüferinnen ergeben sich des weiteren nicht aus dem durch herrn dr. l. gefertigten vermerk vom 31. august 2018, der ‑ da ersichtlich im anschluss an die beratung gefertigt ‑ nicht zu einer einflussnahme auf den prüfungs- oder beratungsverlauf geführt haben kann. entgegen der auffassung des verwaltungsgerichts spricht im übrigen, ohne dass dies der vertiefung bedürfte, vieles dafür, dass der für die akten des prüfungsamts gefertigte interne vermerk nicht gegen das beratungsgeheimnis des § 31 abs. 2 2. halbsatz lpo 2003 verstößt, wonach die bei der beratung anwesenden verpflichtet waren, über die vorgänge bei der beratung verschwiegenheit zu wahren. der allein die beratung betreffende teil des vermerks ist kurz und abstrakt gehalten und beschränkt sich auf eine kursorische untermauerung der einschätzung des verfassers, dass die durchführung der prüfung aus seiner sicht nicht zu beanstanden sei. wertende elemente enthält die stellungnahme allein insoweit, als sie den prüferinnen ‑ ohne inhaltliche erläuterung ‑ eine „detaillierte, sorgfältige und abwägende gewichtung von fachlichen und sprachlichen aspekten“ attestiert, im übrigen wird allein das prüfungsergebnis referiert. nach sinn und zweck der pflicht zur verschwiegenheit über prüfungsvorgänge findet diese ihren rechtsgrund vorwiegend in dem das prüfungsrecht beherrschenden grundsatz der chancengleichheit. der grundsatz der chancengleichheit wird aber nicht durchgreifend beeinträchtigt, wenn lediglich allgemeine kenntnisse und erfahrungen, die ein prüfer im rahmen seiner prüfertätigkeit gewonnen hat, weitergegeben werden. 63ovg nrw, beschluss vom 21. januar 2013 ‑ 14 b 338/12 ‑, juris, rn. 11. 64nichts anderes gilt für die vorgänge der beratung. hier schweigt der vermerk über die inhaltlichen, sich unmittelbar auf die notenfindung beziehenden aspekte. der diskursive austausch der prüferinnen, auf den das prüfungs- und bewertungsverfahren in besonderer weise angelegt und auch angewiesen ist, um dem prüfungszweck und dem anspruch des prüflings auf leistungsgerechte bewertung vollständig rechnung zu tragen, 65vgl. ovg nrw, beschluss vom 9. november 2020, a. a. o., rn. 31, 66wird nicht näher inhaltlich wiedergegeben. 673. das verwaltungsgericht hat schließlich ohne rechtsfehler angenommen, dass herr dr. l. bei der notenberatung vom 31. august 2018 leitungsmitglied des prüfungsamts gemäß § 31 abs. 2 i. v. m. § 30 abs. 5 lpo 2003 war. 68die nach § 31 abs. 2 1. halbsatz i. v. m. § 30 abs. 5 satz 1 lpo 2003 verordnungsrechtlich definierten leitungsmitglieder des prüfungsamts sind ‑ soweit hier relevant ‑ die leiterin oder der leiter des prüfungsamts, die stellvertreterin oder der stellvertreter, und die geschäftsführerinnen oder geschäftsführer, die jeweils vom ministerium berufen werden. der damalige leiter der außenstelle q. war leitungsmitglied des prüfungsamts in diesem sinn. dies ergibt sich aus der entwicklungsgeschichte und den hierzu ergangenen bestimmungen für das landesprüfungsamt. im zuge der umstrukturierung des prüfungswesens für lehramtsprüfungen wurde mit wirkung vom 15. februar 2014 das landesprüfungsamt für lehrämter an schulen (landesprüfungsamt) durch zusammenlegung des landesprüfungsamts für erste staatsprüfungen für lehrämter an schulen und des landesprüfungsamts für zweite staatsprüfungen für lehrämter an schulen errichtet. sitz des neuen landesprüfungsamts ist dortmund, es verfügt über außenstellen u. a. in q. . dieser strukturellen organisationsänderung trägt der wortlaut des § 30 abs. 5 lpo 2003 nicht hinreichend rechnung. so gibt es etwa im landesprüfungsamt keine geschäftsführer. auch in der früher geltenden geschäftsordnung für das landesprüfungsamt für erste staatsprüfungen für lehrämter an schulen vom 19. juni 2006 (abl. nrw. s. 255) sowie dem runderlass des ministeriums für schule und weiterbildung vom 19. juni 2006 (abl. nrw. s. 254) zur errichtung eines landesprüfungsamts für erste staatsprüfungen für lehrämter an schulen findet sich der begriff nicht. für den hinweis des verwaltungsgerichts auf s. 5 des angefochtenen urteils gibt es damit ‑ soweit ersichtlich ‑ keine grundlage. mit „geschäftsführern“ werden die früheren geschäftsstellenleitungen des ehemaligen landesprüfungsamts für erste staatsprüfungen für lehrämter an schulen bezeichnet. leitungsmitglieder des prüfungsamts im sinn dieser vorschrift sind über die leiterin oder den leiter des prüfungsamts und deren oder dessen stellvertreterin oder stellvertreter hinaus auch die leiterinnen und leiter der außenstellen des prüfungsamts. dies ergibt sich jedenfalls aus einer zusammenschau von nr. 5 des runderlasses des ministeriums für schule und weiterbildung vom 24. januar 2014 (abl. nrw. s. 80) zur errichtung eines landesprüfungsamtes für lehrämter an schulen, wonach die leiterinnen und leiter der außenstellen im rahmen der gesamtverantwortung der leitung die verantwortung für die wahrnehmung der den außenstellen übertragenen aufgaben tragen, mit der näheren entfaltung der geschäftsordnung des landesprüfungsamts. die außenstellen des landesprüfungsamts sind für die geltungsdauer der lpo 2003 die gemäß § 30 abs. 2 und 5 lpo 2003 für prüfungen nach dieser prüfungsordnung zuständigen organisationseinheiten (geschäftsstellen) des prüfungsamts (§ 22 satz 1 go lpa). gemäß § 22 satz 2 go lpa nehmen die mit der fachlichen koordinierung betrauten referentinnen und referenten die aufgaben einer geschäftsstellenleitung gemäß § 30 abs. 5 lpo 2003 wahr. 69als mit der fachlichen koordinierung betrauter referent nahm herr dr. l. seit januar 2018 und auch noch zum zeitpunkt der mündlichen prüfung am 31. august 2018 die außenstellenleitung und alle damit zusammenhängenden amtsgeschäfte der außenstelle q. des landesprüfungsamts wahr. unerheblich ist dabei, dass herr dr. l. nicht ausdrücklich durch gesonderten formalakt durch das für schule zuständige ministerium selbst berufen wurde. er wurde (nur) seitens der bezirksregierung detmold mit verfügung vom 17. november 2017 an das landesprüfungsamt ‑ außenstelle q. ‑ abgeordnet. zur überzeugung des senats liegt gleichwohl eine dem ministerium zuzurechnende berufungsentscheidung im sinn des § 22 satz 3 go lpa vor, wonach abweichend von § 9 abs. 2 go lpa ‑ und der dort vorgesehenen übertragung der außenstellenkoordinierung und entsprechenden aufgabenwahrnehmung schon durch die leitung des landesprüfungsamts ‑ die mit der fachlichen koordinierung einer außenstelle zu betrauenden referentinnen und referenten für die geltungsdauer dieser prüfungsordnung durch das für schule zuständige ministerium berufen werden. ausweislich der seitens des beklagten vorgelegten unterlagen besteht kein zweifel daran, dass die zum zeitpunkt der mündlichen prüfung noch geltende abordnung der umsetzung der seitens der ‑ u. a. mit vertretern des für schule zuständigen ministeriums besetzten ‑ auswahlkommission getroffenen auswahlentscheidung für die stelle des referenten im arbeitsbereich 1 des landesprüfungsamts für lehrämter an schulen ‑ leitung der außenstelle q. ‑ diente und damit dem zuständigen ministerium zurechenbar ist. die geschäftsordnung enthält keine weiteren formalen anforderungen hinsichtlich der qualität der „berufung“ durch das ministerium. § 22 satz 3 go lpa bringt gegenüber § 9 abs. 2 go lpa lediglich zum ausdruck, dass die übertragung der außenstellenleitung nicht allein durch die leitung des landesprüfungsamts erfolgen soll, sondern ‑ wenigstens ‑ unter beteiligung des ministeriums. dass eine solche beteiligung stattgefunden hat, steht hier, wie ausgeführt, außer zweifel. 70unabhängig davon wäre auch ein eventuell formal unzureichender berufungsakt in umsetzung der geschäftsordnungsbestimmung in § 22 satz 3 go lpa für die nach außen hin wirksame ‑ und rein faktisch auch unstreitige ‑ stellung von herrn dr. l. als leiter der außenstelle nicht erheblich. 71die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 1 vwgo. 72die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit beruht auf § 167 vwgo i. v. m. § 708 nr. 10, § 711 zpo. 73der senat lässt die revision nicht zu, weil die voraussetzungen des § 132 abs. 2 vwgo nicht vorliegen.
346,839
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16 K 5167/21
2022-09-15T00:00:00
Urteil
Tenor Das beklagte Land wird verpflichtet, über den Antrag der Klägerin vom 23. März 2021 auf Gewährung von Corona-Überbrückungshilfe III unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden, soweit es im Bescheid der C. E. vom 1. Juli 2022 die von der Klägerin in ihrem Antrag unter den Kostenpositionen 01 (Mieten und Pachten für Gebäude, Grundstücke und Räumlichkeiten) und 21 (Investitionen für Digitalisierung) geltend gemachte Kosten nicht als förderfähig berücksichtigt hat. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu zwei Dritteln (2/3) und das beklagte Land zu einem Drittel (1/3). Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Die Klägerin, die in E. ein Restaurant betreibt, begehrt mit der vorliegende Klage vom beklagten Land die Gewährung einer erhöhten Zuwendung im Rahmen der Phase 3 der Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Unternehmen, die ihren Geschäftsbetrieb im Zuge der Corona-Krise ganz oder zu wesentlichen Teilen einstellen mussten (Überbrückungshilfe III). 3Am 23. März 2021 beantragte die Klägerin über ihre Steuerberaterin als sog. prüfende Dritte (pD) bei der C. E. (BRD NRW) die Gewährung von Überbrückungshilfe III, wobei das automatisierte Online-Antragsverfahren eine Gesamtfördersumme von 27.602,24 € auswies unter Berechnung eines Anteils förderbarer Fixkosten von 60 %. Der Antrag enthielt u.a. folgende Angaben zu förderbaren Fixkosten: 4Monat Kostenposition 01 (Mieten und Pachten für Gebäude, Grundstücke und Räumlichkeiten) Kostenposition 10 (Versicherungen, Abonnements und andere feste Ausgaben) Kostenposition 21 (Investitionen für Digitalisierung) 01/2021 42,31 79,45 02/2021 9.300,00 473,02 03/2021 3.911,00 4.704,88 2.790,00 04/2021 3.911,00 150,00 05/2021 3.911,00 150,00 06/2021 3.911,00 150,00 Summe 24.986,31 5.707,35 2.790,00 5Nach Antragseingang kam es durch die BRD NRW gegenüber der pD zu Nachfragen und Aufforderungen zur Vorlage von Belegen sowie diesbezüglicher Korrespondenz über das Online-Antragsportal betreffend die Kostenpositionen 01, 10 und 21: Am 22. April 2021 bat die BRD NRW die pD um Zusendung folgender Unterlagen: (1.) Gewerbemietvertrag, (2.) Rechnungen bezogen auf das Geltendmachen von Digitalisierung, (3.) Rechnungen bzw. Gebührenbescheide bezogen auf das Geltendmachen der Kosten für Versicherungen, Abonnements und andere feste Ausgaben und (4.) die Arbeitnehmer-Sozialversicherungs-Meldebescheinigungen. Daraufhin übermittelte die pD der BRD NRW Arbeitnehmermeldebescheinigungen, einen Mietvertrag über eine Gaststätte nebst Wirtewohnung, eine im März 2021 ausgestellte Rechnung über eine TSE-Kasse und vier im November 2020 ausgestellte Rechnungen über Buchhaltungsarbeiten, ferner eine betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) für März 2021, und erläuterte dazu: Sämtliche Buchhaltungsrechnungen seien im März 2021 bezahlt worden. Die BWA liefere einen Überblick über die Kosten. In den Folgemonaten sei eine Orientierung sowohl an den Umsatzerlösen März 2021 als auch an den laufenden Kosten erfolgt. In der Folgezeit legte die pD auf Anforderung der BRD NRW zusätzlich noch eine Vermieterbescheinigung betreffend den Gaststättenmietvertrag vor. 6Am 11. Mai 2021 wurde seitens der BRD NRW im Verwaltungsvorgang vermerkt: 7„Nach Sichtung der von der Steuerberaterin eingereichten Unterlagen ergeben sich folgende Änderungen bezogen auf die Angaben im Antrag: 8Punkt 1 (Gewerbemiete):- Januar: nicht zu beanstanden-Februar: 3.100,00,--März: 3.100,00,--April: 3.100,00,--Mai: 3.100,00,--Juni: 3.100,00,-Weitere Gewerbemietverträge wurden nicht eingereicht. 9Punkt 10 (Versicherungen, Abo´s, andere feste Kosten):-Januar: 0,00,--Februar: 0,00,--März: 0,00,--April: 0,00,--Mai: 0,00,--Juni: 0,00,-Die Abweichungen ergeben sich aus dem Umstand das die Steuerberaterin lediglich vier Rechnungen (…) eingereicht hat die im November fällig geworden sind. Der Monat November ist jedoch nicht förderfähig. 10Punkt 21 (Digitalisierung):Im gesamten Förderzeitraum können keine Kosten für Digitalisierung geltend gemacht werden. Dies liegt daran das der Erwerb einer Kasse nebst Drucker nicht von Punkt 21 erfasst werden. 11Danach kann nur eine Teilbewilligung erfolgen.“ 12Durch Bescheid vom 1. Juli 2021 bewilligte die BRD NRW der Klägerin daraufhin Überbrückungshilfe III in Höhe von 15.019,27 € und lehnte deren Antrag im Übrigen ab. Begründet wurde die Teilablehnung bezogen auf die Kostenpositionen 01 und 10 im Kern wie folgt: „Die im Antrag (…) geltend gemachten Ausgaben unter Fixkostenpunkt Nr. 01 und 10 in den Monaten von Januar bis Juni 2021 konnten in der angegebenen Höhe weder durch Nachweise noch durch eine Erklärung Ihrerseits hinreichend plausibilisiert werden. Diese Kosten können aus den nachfolgend dargelegten Gründen nicht (vollumfänglich) berücksichtigt werden und wirken sich auf die Förderhöhe aus. (…) Die von Ihnen für die Monate von Januar bis Juni 2021 unter Punkt 01 und 10 angesetzten wurden nicht vollständig berücksichtigt, da von Ihnen hinsichtlich der Höhe keine Nachweise vorgelegt wurden und der erhebliche Anstieg der Fixkosten nicht hinreichend plausibilisiert werden konnte Ein Anspruch auf Förderung dieser Kosten entfällt. Ihr Antrag ist somit für diese Fixkosten teilweise abzulehnen. Der Bewilligungsbetrag wurde deshalb um 12.582,97 Euro reduziert. Die geltend gemachten Personalkosten wurden entsprechend der nicht anerkannten Fixkosten prozentual gekürzt.“ Bezogen auf die Kostenposition 21 wurde die Teilablehnung im Kern wie folgt begründet: „Ausweislich der vorliegenden Unterlagen haben Sie im Antrag (…) die Kosten für Investitionen für Digitalisierung (Fixkosten Nr. 21) im März 2021 geltend gemacht. Diese Kosten können aus den nachfolgend dargelegten Gründen nicht berücksichtigt werden und wirken sich auf die Förderhöhe aus. (…) Die von Ihnen für März 2021 unter Punkt 21. angesetzten Kosten für Investitionen für Digitalisierung wurden nicht berücksichtigt, weil von Ihnen keine Zwischen- oder Schlussrechnung vorgelegt werden konnte. Ein Anspruch auf Förderung dieser Kosten entfällt. Der Bewilligungsbetrag wurde deshalb um 12.582,97 Euro reduziert.“ 13Am 26. Juli 2021 hat die Klägerin Klage erhoben. 14Diese begründet sie im Kern wie folgt: Die Bescheidbegründung, es seien keine Nachweise hinsichtlich der Fixkosten beigebracht worden, und generell der Vorwurf der nicht vollständigen Vorlage von Unterlagen im Antragsverfahren seien unzutreffend; alle diesbezüglichen Anfragen sei vollständig beantwortet worden, alle angeforderten Rechnungen und Nachweise seien fristgerecht vorgelegt worden. Dabei würden die im März 2021 bezahlten Buchhaltungskosten den erheblichen Anstieg unter Punkt 10 erklären. Für die Monate April bis Juni 2021 sei eine Schätzung erfolgt. Soweit die geltend gemachten Mietkosten nicht vollständig anerkannt worden seien, sei dies auch in der Sache unbegründet; die Miete bestehe aus eigentlicher Miete und Nebenkosten, was zusammen 3.911,00 € monatlich ab dem 1. Januar 2021 ergebe. Die Kosten der Digitalisierung seien durch Vorlage der Rechnung für die angeschaffte TSE-Kasse nachgewiesen worden und die diesbezügliche Ablehnung auch der Sache nach nicht gerechtfertigt. Angesichts des Ablaufs der gesetzlichen Frist für die Anschaffung einer TSE-Kasse während der Corona-Pandemie seien die Kosten coronabedingt gewesen und die Anschaffung habe auch der Existenzsicherung gedient, weil ohne eine solche ein Weiterbetrieb des Restaurants ohne Verstoß gegen strafrechtliche Vorschriften nicht möglich gewesen wäre. 15Die in der mündlichen Verhandlung nicht vertretene Klägerin hat zuvor schriftsätzlich beantragt: 16„Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin unter Abänderung des Bescheids vom 01.07.2021 die restliche beantragte, jedoch abgelehnte Corona-Überbrückungshilfe III zu bezahlen.“ 17Das beklagte Land beantragt, 18die Klage abzuweisen, 19und tritt der Klage mit folgenden Argumenten entgegen: Die Klage sei bereits unzulässig, weil die Klägerin mangels Stellung eines Änderungsantrages auf den ergangenen Bescheid hin, soweit mit diesem der Antrag abgelehnt worden sei, ihre Mitwirkungspflichten verletzt habe. Die Klage sei jedenfalls auch unbegründet, weil anhand der eingereichten Nachweise keine höhere Bewilligung möglich gewesen sei als erfolgt. Die im Antrag angegebene Nettomiete sei zu kürzen gewesen; aus den vorgelegten Unterlagen ergäben sich 2.650,00 € Nettomiete für die Gaststätte und 411,00 € Nettomiete für die Wirtewohnung, insgesamt also 3.061,00 €, die auf 3.100,00 € aufgerundet worden seien. Kosten für Versicherungen, Abonnements und andere feste Ausgaben seien nicht nachgewiesen; es seien nur im Förderzeitraum fällige Fixkosten förderfähig, was auf die geltend gemachten Lohnbuchhaltungskosten nicht zutreffe; soweit Lohnbuchhaltungsrechnungen aus November 2020 vorgelegt worden seien, seien diese im Übrigen ggf. bereits durch die Novemberhilfe, die der Klägerin zusätzlich zu der streitgegenständlichen Überbrückungshilfe III bewilligt worden sei, abgegolten; im Übrigen habe die Klägerin trotz diesbezüglicher Aufforderung und eigener Mitwirkungspflicht keine weiteren Nachweise für die unter Punkt 10 des Antrages angesetzten Fixkosten erbracht, so dass solche Kosten nicht berücksichtigungsfähig seien. Die geltend gemachten Kosten der Digitalisierung seien schließlich ausweislich der maßgeblichen Förderrichtlinien nicht förderfähig, weil die Pflicht zur Anschaffung einer TSE-Kasse nicht im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie stehe. 20In der mündlichen Verhandlung hat der Prozessbevollmächtigte des beklagten Landes die Begründung des Bescheides der BRD NRW vom 1. Juli 2021 und die diesbezüglichen Ermessenserwägungen wie folgt ergänzt: „Bezüglich der Mietkosten sind für die Monate Februar bis Juni 2021 3.100,00 € monatlich angesetzt worden. Diese beziehen sich auf die Nettokaltmiete und die Nettonebenkosten. Im Januar 2021 ist der Betrag von 42,31 € entsprechend dem Antrag angesetzt worden. Hinsichtlich der unter Punkt 21 erfassten Kosten für die Digitalisierung konnten die Ansätze von März 2021 nicht gefördert werden. Es konnte keine Zwischen- oder Schlussabrechnung vorgelegt werden, die sich auf förderfähige Anschaffungen beziehen.“ 21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der BRD NRW verwiesen. 22Entscheidungsgründe: 23Das Gericht konnte trotz Ausbleibens der Klägerin bzw. deren Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden, weil der Prozessbevollmächtigter in der Ladung hierauf hingewiesen worden ist (§§ 102 Abs. 1 und 2 VwGO). Zwar wurde die Ladung dem Prozessbevollmächtigten ausweislich dessen Empfangsbekenntnis erst am 6. September 2022 zugestellt mit der Folge, dass die sich aus § 102 Abs. 1 Satz 1 VwGO ergebende Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen nicht eingehalten wurde. Jedoch hat der Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 8. September 2022 ausdrücklich auf die Einhaltung der Ladungsfrist verzichtet und dem Gericht dadurch zu erkennen gegeben, dass es auch ohne Einhaltung der Ladungsfrist verhandeln und entscheiden kann. 24Die Klage ist zulässig. 25Statthaft ist sie in Form einer auf Erlass eines abgelehnten Verwaltungsakts gerichteten Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Fallvariante 2 VwGO – als eine solche legt das Gericht den formulierten Klageantrag aus. 26Die Zulässigkeit der Klage scheitert dabei entgegen der Annahme des beklagten Landes nicht an fehlendem Rechtsschutzbedürfnis. Vor Anrufung der Gerichte braucht sich ein Rechtsschutzsuchender grundsätzlich nicht vergeblich an den Rechtsschutzgegner gewandt zu haben, es sei denn, das Prozessrecht sieht ausdrücklich eine Antragstellung bei der Verwaltung vor, 27vgl. Ehlers in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, vor § 40 VwGO, Rn. 82, 42. EL Februar 2022, m.w.N. 28Da keine Rechtsvorschrift existiert, aus der sich ergibt, dass die Klägerin vor der Ergreifung des Rechtsbehelfs der Klage, welcher in der Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides des BRD NRW vom 1. Juli 2021 ausdrücklich als solcher bezeichnet ist, einen Änderungsantrag bei der BRD NRW stellen müsste, steht eine solche Option dem Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin nicht entgegen. Hinzu kommt, dass die Stellung eines Änderungsantrages und das Abwarten auf dessen Bescheidung mit dem Risiko verbunden sein kann, die Klagefrist zu versäumen. 29Begründet ist die Klage in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang, im Übrigen unbegründet: Soweit die Klägerin die Verpflichtung des beklagten Landes begehrt, ihr über die durch Bescheid der BRD NRW vom 1. Juli 2021 bereits bewilligte Überbrückungshilfe III hinaus weitere Überbrückungshilfe in sich aus ihrem Antrag vom 23. März 2021 ergebender Höhe zu bewilligen, steht ihr lediglich ein Anspruch auf Neubescheidung durch das beklagte Land bezogen auf die im Tenor genannten Kostenpositionen zu; im Übrigen, d.h. sowohl betreffend die im Tenor genannten Kostenpositionen über eine reine Neubescheidung hinausgehend als auch bezogen auf die weitere Kostenposition 10 (Versicherungen, Abonnements und andere feste Ausgaben) generell, steht ihr kein Anspruch gegen das beklagte Land zu. 30Das beklagte Land gewährt auf der Grundlage von § 53 der Landeshaushaltsordnung und den als Runderlass des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie Nordrhein-Westfalen – V A 3 – 81.11.18.02 – vom 10. Februar 2021 veröffentlichten Richtlinien des Landes zur fortgesetzten Gewährung von Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Unternehmen 2021 („Überbrückungshilfe III NRW“ und „Überbrückungshilfe III Plus NRW“) (nachfolgend: Förderrichtlinien – FRL) in Verbindung mit den unter A.1.(2) b) und c) der FRL benannten weiteren Bestimmungen aufgrund pflichtgemäßen Ermessens die Überbrückungshilfe in Form einer Billigkeitsleistung als freiwillige Zahlung im Rahmen verfügbarer Haushaltsmittel. 31Die Förderrichtlinien begründen damit vom Ansatz her keinen gebundenen Anspruch auf eine Billigkeitsleistung in bestimmter Höhe, sondern es besteht zusammen mit § 40 VwVfG NRW, wonach die Behörde, wenn sie ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten hat, ein Anspruch eines jeden Antragstellers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde über dessen Antrag. Dabei ist gemäß § 114 Satz 1 VwGO die gerichtliche Kontrolle auf die Prüfung beschränkt, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. 32Im Rahmen des behördlich auszuübenden Ermessens kommt den Förderrichtlinien, bei denen es sich nicht um eine Rechtsnorm, d.h. nicht einen Rechtssatz mit Außenwirkung, sondern um eine (bloße) interne Verwaltungsvorschrift handelt, die Funktion zu, für die Verteilung der Fördermittel einheitliche Maßstäbe zu setzen und dadurch das Ermessen der Bewilligungsbehörde intern zu binden und zu steuern. Als ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften unterliegen derartige Förderrichtlinien auch keiner eigenständigen richterlichen Auslegung wie Rechtsnormen. Entscheidend ist vielmehr, wie die zuständigen Behörden die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt haben und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG gebunden sind. Durch den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG ist die Bewilligungsbehörde nämlich in ihrem rechtlichen Verhältnis zum Förderempfänger – abgesehen von den sonstigen gesetzlichen Grenzen des Verwaltungshandelns – gebunden. Wenn sich die Behörde an ihre Förderrichtlinien hält, ist sie daher durch das Gleichbehandlungsgebot verpflichtet, dies auch weiterhin zu tun, sofern nicht sachliche Gründe im Einzelfall eine Abweichung rechtfertigen oder gar gebieten. Weicht sie hingegen generell von den Förderrichtlinien ab, so verlieren diese insoweit ihre ermessensbindende Wirkung; ob das Verwaltungshandeln mit dem Gleichbehandlungsgebot vereinbar ist, beurteilt sich dann nur nach der tatsächlichen Verwaltungspraxis. 33Vgl. BVerwG, Urteile vom 26. April 1979 - 3 C 111/79 -, BVerwGE 58, 45 ff. = juris, Rn. 24, vom 25. April 2012 - 8 C 18/11 -, BVerwGE 143, 50 ff., Rn. 31 f., vom 17. Januar 1996 - 11 C 5/95 -, NJW 1996, 1766 f. = juris, Rn. 21, und vom 16. Juni 2015 - 10 C 15/14 -, BVerwGE 152, 211 ff., Rn. 24, jeweils m.w.N. 34Zur Feststellung der tatsächlich geübten Verwaltungspraxis kann dabei neben den Förderrichtlinien ergänzend auf öffentliche Verlautbarungen der Bewilligungsbehörde, der dieser übergeordneten Landesbehörde oder der aufgrund Verwaltungsvereinbarung in die Förderung eingebundene zuständige Bundesbehörde zurückgegriffen werden, wenn diese Aufschluss über die tatsächlich geübte Verwaltungspraxis geben. 35Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 3. Dezember 2021 - 19 K 2760/20 - juris, Rn. 38; VG Halle (Saale), Urteil vom 25. April 2022 - 4 A 28/22 -, juris, Rn. 20. 36Relevant insoweit sind namentlich die gemeinsam vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und dem Bundesministerium der Finanzen veröffentlichten FAQs zur „Corona-Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Unternehmen“ – Dritte Phase von November 2020 bis Juni 2021, 37https://www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de/UBH/Navigation/DE/Dokumente/FAQ/Ueberbrueckungshilfe-III/ueberbrueckungshilfe-lll.html, 38(nachfolgend: FAQ). 39In Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich der Anspruch der Klägerin auf Neubescheidung bezogen auf die Kostenpositionen 01 (Mieten und Pachten für Gebäude, Grundstücke und Räumlichkeiten) und 21 (Investitionen für Digitalisierung) daraus, dass die insoweit im streitgegenständlichen Bescheid erfolgte Ablehnungsentscheidung sich als gemessen an § 114 Satz 1 VwGO ermessensfehlerhaft erweist, da das beklagte Land bzw. die BRD NRW nicht sämtliche Erwägungen in die Entscheidung hat einfließen lassen, die anhand der tatsächlich geübten Verwaltungspraxis für die Entscheidung von Relevanz waren. 40Dies gilt zum einen für die Kostenposition 21, in deren Rahmen die Klägerin in dem Antrag des pD Kosten in Höhe von 2.790,00 € geltend gemacht hat und auf die diesbezüglichen Nachfragen und Aufforderungen der BRD NRW zur Vorlage von Belegen hin eine Rechnung der Fa. J. GmbH vom 00. März 2021 über eine „Aaden Kasse (Restaurant)“ – bei welcher es sich gemäß weiterer Beschreibung in der Rechnung um eine T. -TSE-Kasse handelt – nebst „H. U. “ zum Gesamtnettopreis von 2.790,00 € bzw. Gesamtbruttopreis incl. 19 % Umsatzsteuer von 3.320,10 € vorgelegt hat. Angesichts dieser Rechnungsvorlage lässt sich die Antragsablehnung nicht auf die im streitgegenständlichen Bescheid als Begründung dargelegte Erwägung stützen, zu den für März 2021 unter Punkt 21 angesetzten Kosten für Investitionen für Digitalisierung sei keine Zwischen- oder Schlussrechnung vorgelegt worden. Diese Begründung geht offensichtlich von einem falschen Sachverhalt aus und erweist sich damit, sollte sie für die getroffene Ermessensentscheidung leitend gewesen sein, als ermessensdefizitär. Sollte hingegen nicht diese im Bescheid gegebene Begründung, sondern die von dieser Begründung abweichende, in der im Verwaltungsvorgang der BRD NRW unter „Kommentare Historie“ niedergelegte Erwägung, der Erwerb einer Kasse nebst Drucker werde „nicht von Punkt 21 erfasst“, für die getroffene Ermessensentscheidung leitend gewesen sein, erweist sich diese Entscheidung auch gemessen hieran nicht als ermessensfehlerfrei. Zwar hat das beklagte Land diesen Aspekt in seiner Klageerwiderungsschrift vom 18. September 2021 wie folgt näher erläutert:„Nach den FAQ zur Corona-Überbrückungshilfe", dort Ziffer 2.4. Punkt 14, können Investitionen in Digitalisierung erstattet werden. Anhang 4 der FAQ enthält eine Beispielliste mit ansetzbaren Kosten. Zudem wird im Anhang 4 ausgeführt, dass die vorgenommene Digitalisierungsmaßnahme „primär der Existenzsicherung des Unternehmens in der Pandemie dienen" muss und „kein Abbau eines Investitionsstaus (das heißt Maßnahmen, die bereits vor Beginn der Pandemie angestanden hätten und durch diese nicht bedingt sind) sein darf. Es wird weiter ausgeführt: „Ebenso sind Maßnahmen nicht förderfähig, die zur Einhaltung bereits vor der Pandemie bestehenden gesetzlichen Vorgaben dienen. Förderfähig sind vornehmlich Kosten, die infolge von Vorschriften zur Eindämmung der Corona-Pandemie (zum Beispiel Corona-Arbeitsschutzverordnung, Homeoffice-Pflicht, Maskenpflicht und so weiter) entstehen beziehungsweise entstanden sind. [...] Eine Begründung und Einzelfallprüfung ist in jedem Fall erforderlich.“ Nach diesen Grundsätzen waren die Kosten für die Anschaffung einer TSE-Kasse (technische Sicherheitseinrichtung = TSE) nicht förderfähig. Die Pflicht, eine TSE-Kasse einzusetzen, folgt aus dem Kassengesetz und besteht bereits seit dem 01.01.2020. Die Anschaffungsfrist wurde in Nordrhein-Westfalen bis zum 31.03.2021 verlängert. Die Verpflichtung zur Einsetzung einer TSE-Kasse folgt jedoch eindeutig nicht aus den Vorschriften zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Auch sonst steht die Kassenpflicht in keinem Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, inwiefern die Anschaffung einer TSE-Kasse primär der Existenzsicherung des Unternehmens· in der Pandemie dienen sollte.“Ungeachtet dessen, dass bloßes schriftsätzliches Vorbringen im gerichtlichen Verfahren ohne ausdrückliche Kennzeichnung als solche nicht als Ergänzung von Ermessenserwägungen im Sinne des § 114 Satz 2 VwGO anzusehen ist, 41vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2011 – 1 C 14/10 –, BVerwGE 141, 253 ff., Rn. 18, 42lässt selbst diese ausführliche Erläuterung nicht hinreichend erkennen, dass die BRD NRW im Rahmen ihrer Ermessensausübung sämtliche für die zu treffende Entscheidung maßgeblichen Aspekte hinreichend gewürdigt hat. Dabei geht das Gericht mangels anderer Anhaltspunkte davon aus und die aus der Klageerwiderungsschrift zitieren Ausführungen implizieren dies auch, dass sich die tatsächlich geübte Verwaltungspraxis des beklagten Landes bzw. der BRD NRW betreffend die Erstattungsfähigkeit von sog. Digitalisierungskosten vollständig an den FRL in Verbindung mit den FAQ orientieren. In seiner Inbezugnahme der FAQ verschweigt das beklagte Land aber, dass in diesen unter Punkt 2.4., Unterpunkt 14. ausdrücklich ausgeführt ist: „Förderungsfähig sind auch Anschaffungen und Erweiterung von elektronischen Aufzeichnungssystemen im Sinne des § 146a Abgabenordnung (AO).“ Um ein solches System handelt es sich bei der TSE-Kasse. Auch erwähnt das beklagte Land die in Anhang 4 der FAQ enthaltene Beispielliste mit ansetzbaren Kosten, lässt aber das konkret Kassensysteme betreffende Beispiel „Wechsel des Kassensystems, um neue digitale Services zu ermöglichen zum Beispiel "am Tisch per Handy ordern"“ unerwähnt. Um einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG auszuschließen, hätte die BRD NRW jedenfalls zusätzlich zu den in der Klageerwiderungsschrift dargelegten Erwägungen die Möglichkeit prüfen müssen, ob es sich bei der von der Klägerin angeschafften TSE-Kasse um einen Wechsel des Kassensystems, um neue digitale Services zu ermöglichen, handelt, zumal die FAQ, wie vom beklagten Land selbst zitiert, ausdrücklich vorgeben, dass eine Begründung und Einzelfallprüfung in jedem Fall erforderlich ist. Da auch die vom Prozessbevollmächtigten des beklagten Landes in der mündlichen Verhandlung abgegebene Erklärung, mit der ausdrücklich die für den streitgegenständlichen Bescheid maßgeblichen Ermessenserwägungen ergänzt wurden, eine dementsprechende erschöpfende Einzelfallprüfung unter Einbeziehung der Frage eines Wechsels des Kassensystems, um neue digitale Services zu ermöglichen, nicht enthält, wird das beklagte Land im Rahmen der ihr obliegenden Neuentscheidung dieser Frage nachzugehen und sodann unter Würdigung sämtlicher Einzelfallumstände unter Zugrundelegung ihrer ständigen Verwaltungspraxis eine abschließende Entscheidung über die Förderfähigkeit der von der Klägerin angeschafften TSE-Kasse zu treffen haben. 43Dies gilt desweiteren für die Kostenposition 01, in deren Rahmen die Klägerin in dem von ihrer pD gestellten Antrag Mietkosten in Höhe von insgesamt 24.986,31 € geltend gemacht hat. Insoweit ergibt sich aus dem Verwaltungsvorgang der BRD NRW unter „Kommentare Historie“, dass für Januar 2021 die geltend gemachten Mietkosten von 42,31 € in voller Höhe anerkannt wurden und für die Monate Februar bis einschließlich Juni 2021 eine Teilanerkennung der geltend gemachten Kosten – für Februar 2021 waren dies 9.300,00 € für die weiteren Monate jeweils 3.911,00 € – in Höhe von monatlich 3.100,00 € erfolgt ist. Auch insoweit fehlt es jedoch an einer nachvollziehbaren, ermessensfehlerfreien Darlegung, warum die über 3.100,00 € monatlich hinausgehenden Kosten nicht anerkannt wurden. 44Der insoweit auf die diesbezüglichen Nachfragen und Aufforderungen der BRD NRW zur Vorlage von Belegen hin vorgelegte Mietvertrag vom 5. August 2020 über eine Gaststätte nebst im darüber gelegenen Geschoss befindlicher Wirtewohnung weist unter § 4 Nr. 1 folgende Mietkosten aus:- Nettomiete für die Gaststätte (Wirtschafts- und Nebenräume) 2.550,00 €- zzgl. ges. Mehrwertsteuer, zurzeit 19 % 484,50 €- Vorauszahlungen auf die Nebenkosten für die Gaststätte 550,00 €- zzgl. ges. Mehrwertsteuer, zurzeit 19 % 104,50 €- Nettomiete für die Wirtewohnung 411,00 €- Vorauszahlungen auf die Nebenkosten für die Wirtewohnung 100,00 € 4.200,00 €Ferner enthält der Mietvertrag unter § 4 Nr. 4 einen Passus, wonach sich die monatliche Nettomiete der Gaststätte (Wirtschafts- und Nebenräume) ab dem 1. Januar 2021 um 100,00 € auf 2.650,00 € erhöht und in den Folgejahren zum jeweils Jahresersten um weitere 100,00 € monatlich bis zur letzten Erhöhung ab dem 1. Januar 2027 um 100,00 € auf 3.250,00 €. 45Angesichts der Vorlage dieses Mietvertrages lässt sich die Ablehnung der über die anerkannten Kosten hinausgehenden Kosten nicht auf die im streitgegenständlichen Bescheid gegebene Begründung stützen, die für die Monate von Januar bis Juni 2021 unter Punkt 01 und 10 angesetzten Kosten seien nicht vollständig berücksichtigt worden, da hinsichtlich der Höhe keine Nachweise vorgelegt worden seien und der erhebliche Anstieg der Fixkosten nicht habe hinreichend plausibilisiert werden können. Wiederum geht die Begründung offensichtlich von einem falschen Sachverhalt aus und erweist sich damit, sollte sie für die getroffene Ermessensentscheidung leitend gewesen sein, als ermessensdefizitär, denn es wurde von der pD der Klägerin in Form des Mietvertrages ein Nachweis hinsichtlich der Höhe der Mietkosten vorgelegt, der erkennbar von der BRD NRW geprüft wurde und diese veranlasste, nur einen Teil der Kosten anzuerkennen. Aus der vom Prozessbevollmächtigten des beklagten Landes in der mündlichen Verhandlung abgegebene Erklärung, mit der ausdrücklich die für den streitgegenständlichen Bescheid maßgeblichen Ermessenserwägungen ergänzt wurden, lässt sich nunmehr auch erschließen, welche Kostenbestandteile die für Februar bis einschließlich Juni 2021 anerkannten Mietkosten in Höhe von monatlich insgesamt 3.100,00 € enthalten: Ordnet man die vom Prozessbevollmächtigten benannte „Nettokaltmiete“ als Nettomiete für die Gaststätte (Wirtschafts- und Nebenräume) gemäß Mietvertrag in Höhe von 2.550,00 € ein und erblickt man in den vom Prozessbevollmächtigten benannten „Nettonebenkosten“ die Vorauszahlungen auf die Nebenkosten für die Gaststätte in Höhe von 550,00 €, ergibt sich der Gesamtbetrag von 3.100,00 €. Da die Klägerin jedoch durch den vorgelegten Mietvertrag höhere monatliche Mietkosten als nur 3.100,00 € monatlich nachgewiesen hat, nämlich darüber hinausgehend 100,00 € zusätzliche Nettomiete für die Gaststätte (Wirtschafts- und Nebenräume) aufgrund der Mieterhöhung ab dem 1. Januar 2021, 411,00 € Nettomiete für die Wirtewohnung, 100,00 € Vorauszahlungen auf die Nebenkosten für die Wirtewohnung und im Übrigen 19 % Mehrwertsteuer auf Nettomiete und Nebenkostenvorauszahlungen für die Gaststätte, hätte es einer Befassung der BRD NRW anhand der für ihre Ermessensausübung maßgeblichen Leitlinien bedurft, warum sie diese weiteren nachgewiesenen Kosten nicht anerkennt, was jedoch – auch im Rahmen der in der mündlichen Verhandlung nachgeschobenen Ermessenserwägungen – bislang nicht erfolgt ist. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, warum die sich aus § 4 Nr. 4 des Mietvertrages ergebende Nettomieterhöhung von 100,00 € monatlich zum 1. Januar 2021 nicht förderfähig sein soll, obwohl das beklagte Land diese in ihrer Klageerwiderungsschrift vom 18. September 2021 selbst den förderfähigen Fixkosten zugerechnet hat. Auch geht das beklagte Land in der Klageerwiderungsschrift abweichend von der in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärung ihres Prozessbevollmächtigten von der Förderfähigkeit der Nettomiete für die Wirtewohnung aus, so dass es auch insoweit – und zusätzlich bezogen auf die diesbezüglichen Nebenkostenvorauszahlungen – Erwägungen anhand der tatsächlich geübten Verwaltungspraxis bedarf, warum diese förderfähig oder nicht förderfähig ist. Angesichts des bisherigen Fehlens derartiger Erwägungen wird das beklagte Land im Rahmen der anstehenden Neuentscheidung der Frage nachzugehen haben, welche der vorbenannten Kosten zusätzlich anerkannt werden können und im Falle der fehlenden Anerkennungsfähigkeit die hierfür maßgeblichen Erwägungen zu dokumentieren und darzulegen haben. 46Als gemessen an § 114 Satz 1 VwGO ermessensfehlerfrei und damit rechtmäßig erweist sich hingegen die erfolgte Ablehnung bezogen auf die Kostenposition 10 (Versicherungen, Abonnements und andere feste Ausgaben) mit der Folge, dass der Klägerin insoweit kein Anspruch auf Neubescheidung zusteht. 47Die oben wiedergegebene, sich nicht nur auf die Kostenposition 01, sondern auch auf die Kostenposition 10 beziehende Begründung im streitgegenständlichen Bescheid, die für die Monate von Januar bis Juni 2021 unter Punkt 01 und 10 angesetzten Kosten seien nicht vollständig berücksichtigt worden, da hinsichtlich der Höhe keine Nachweise vorgelegt worden seien und der erhebliche Anstieg der Fixkosten nicht habe hinreichend plausibilisiert werden können, trifft bezogen auf die Kostenposition 10 zu und vermag deshalb die im Rahmen der Ermessensausübung insoweit getroffene Ablehnungsentscheidung zu tragen. Zwar hatte die pD der Klägerin auch bezogen auf die Kostenposition 10 auf die diesbezüglichen Nachfragen und Aufforderungen zur Vorlage von Belegen der BRD NRW hin Unterlagen vorgelegt. Allerdings bezog sich keine der vorgelegten Rechnungen auf den Förderzeitraum Januar bis einschließlich Juni 2021, sondern die vier vorgelegten Rechnungen über Buchhaltungsarbeiten datierten aus November 2020. Angesichts der Vorgabe in Nr. 2.10 der FAQ, wonach die zeitliche Zuordnung von Rechnungen nach dem Fälligkeitsprinzip zu erfolgen hat, namentlich bei einer Rechnungsstellung ohne Zahlungsziel die Fixkosten mit dem Erhalt der Rechnung als fällig gelten und betriebliche Fixkosten, die nicht im Förderzeitraum fällig sind, nicht anteilig angesetzt werden dürfen, ist die Bescheidbegründung, es seien keine Nachweise vorgelegt worden, in Verbindung mit den FAQ dahin zu verstehen, dass keine den Förderzeitraum betreffenden Nachweise vorgelegt wurden – eine dementsprechende Dokumentation ist auch am 11. Mai 2021 im Verwaltungsvorgang der BRD NRW unter „Kommentare/Historie“ erfolgt –, und ist mit diesem Verständnis rechtlich nicht zu beanstanden. 48Ebensowenig rechtlich zu beanstanden ist die Bescheidbegründung, es seien keine Nachweise vorgelegt worden, mit Blick darauf, dass die pD der Klägerin eine BWA für März 2021 vorgelegt hat und hierzu erläutert hat, diese liefere einen Überblick über die Kosten und für die Folgemonate sei eine Orientierung sowohl an den Umsatzerlösen März 2021 als auch an den laufenden Kosten erfolgt. Da die BRD NRW die pD der Klägerin explizit aufgefordert hatte, „Rechnungen bzw. Gebührenbescheide bezogen auf das Geltendmachen der Kosten für Versicherungen, Abonnements und andere feste Ausgaben“ vorzulegen verbunden mit dem Hinweis, dass „weder selbst erstellte Kontenblätter oder Dauermietrechnungen die oben genannten Unterlagen zu ersetzen vermögen und deswegen unsererseits nicht akzeptiert werden“, bestand keine Veranlassung für die BRD NRW, die vorgelegte BWA für März 2021 als Ausgabennachweis für im Rahmen der Kostenposition 10 entstandene Kosten zu akzeptieren. In der Folge ist es auch nicht zu beanstanden, dass die BRD NRW die für die Monate April, Mai und Juni 2021 sinngemäß als Schätzkosten geltend gemachten Kosten als nicht nachgewiesen angesehen hat, denn mangels jeglichen Nachweises konkret entstandener Kosten der Kostenposition 10 in den Monaten Januar, Februar und März 2021 – für die Monate Januar und Februar 2021 hatte die pD der Klägerin ohnehin nicht einen einzigen Nachweis vorgelegt – fehlte es an jeglicher Grundlage für eine Schätzung der Kosten für die Nachfolgemonate. 49Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dabei waren folgende Überlegungen für die Bildung der Kostenquote maßgeblich: Dass die Klage mit dem über einen reinen Neubescheidungsantrag hinausgehenden Antrag auf Bewilligung von Überbrückungshilfe insgesamt keinen Erfolg hatte, wertet das Gericht bereits als hälftiges Unterliegen der Klägerin mit der Folge der hälftigen Kostentragungslast (1/2 = 3/6). Innerhalb des Neubescheidungsbegehrens, welches mithin insgesamt die andere Hälfte der zu verteilenden Kostenlast ausmacht, hat der Erfolg der Klägerin einen Anteil von ca. 2/3, woraus sich ein vom beklagten Land zu tragender Kostenanteil von 2/3 x 1/2 = 2/6 = 1/3 ergibt, und der Misserfolg der Klägerin einen Anteil von ca. 1/3, was einen diesbezüglich von ihr zu tragenden Kostenanteil von 1/3 x 1/2 = 1/6 ergibt, zusammengerechnet mit dem weiteren Kostenanteil von 1/2 = 3/6 mithin insgesamt 1/6 + 3/6 = 4/6 = 2/3. 50Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO. 51Rechtsmittelbelehrung: 52Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. 53Auf die seit dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. 54Die Berufung ist nur zuzulassen, 551. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 562. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 573. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 584. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 595. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. 60Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich einzureichen. 61Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen. 62Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen. 63Die Antragsschrift und die Zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
das beklagte land wird verpflichtet, über den antrag der klägerin vom 23. märz 2021 auf gewährung von corona-überbrückungshilfe iii unter berücksichtigung der rechtsauffassung des gerichts neu zu entscheiden, soweit es im bescheid der c. e. vom 1. juli 2022 die von der klägerin in ihrem antrag unter den kostenpositionen 01 (mieten und pachten für gebäude, grundstücke und räumlichkeiten) und 21 (investitionen für digitalisierung) geltend gemachte kosten nicht als förderfähig berücksichtigt hat. im übrigen wird die klage abgewiesen. die kosten des verfahrens tragen die klägerin zu zwei dritteln (2/3) und das beklagte land zu einem drittel (1/3). das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der jeweilige vollstreckungsschuldner darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung oder hinterlegung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige vollstreckungsgläubiger vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des zu vollstreckenden betrages leistet. 1
2die klägerin, die in e. ein restaurant betreibt, begehrt mit der vorliegende klage vom beklagten land die gewährung einer erhöhten zuwendung im rahmen der phase 3 der überbrückungshilfe für kleine und mittelständische unternehmen, die ihren geschäftsbetrieb im zuge der corona-krise ganz oder zu wesentlichen teilen einstellen mussten (überbrückungshilfe iii). 3am 23. märz 2021 beantragte die klägerin über ihre steuerberaterin als sog. prüfende dritte (pd) bei der c. e. (brd nrw) die gewährung von überbrückungshilfe iii, wobei das automatisierte online-antragsverfahren eine gesamtfördersumme von 27.602,24 € auswies unter berechnung eines anteils förderbarer fixkosten von 60 %. der antrag enthielt u.a. folgende angaben zu förderbaren fixkosten: 4monat kostenposition 01 (mieten und pachten für gebäude, grundstücke und räumlichkeiten) kostenposition 10 (versicherungen, abonnements und andere feste ausgaben) kostenposition 21 (investitionen für digitalisierung) 01/2021 42,31 79,45 02/2021 9.300,00 473,02 03/2021 3.911,00 4.704,88 2.790,00 04/2021 3.911,00 150,00 05/2021 3.911,00 150,00 06/2021 3.911,00 150,00 summe 24.986,31 5.707,35 2.790,00 5nach antragseingang kam es durch die brd nrw gegenüber der pd zu nachfragen und aufforderungen zur vorlage von belegen sowie diesbezüglicher korrespondenz über das online-antragsportal betreffend die kostenpositionen 01, 10 und 21: am 22. april 2021 bat die brd nrw die pd um zusendung folgender unterlagen: (1.) gewerbemietvertrag, (2.) rechnungen bezogen auf das geltendmachen von digitalisierung, (3.) rechnungen bzw. gebührenbescheide bezogen auf das geltendmachen der kosten für versicherungen, abonnements und andere feste ausgaben und (4.) die arbeitnehmer-sozialversicherungs-meldebescheinigungen. daraufhin übermittelte die pd der brd nrw arbeitnehmermeldebescheinigungen, einen mietvertrag über eine gaststätte nebst wirtewohnung, eine im märz 2021 ausgestellte rechnung über eine tse-kasse und vier im november 2020 ausgestellte rechnungen über buchhaltungsarbeiten, ferner eine betriebswirtschaftliche auswertung (bwa) für märz 2021, und erläuterte dazu: sämtliche buchhaltungsrechnungen seien im märz 2021 bezahlt worden. die bwa liefere einen überblick über die kosten. in den folgemonaten sei eine orientierung sowohl an den umsatzerlösen märz 2021 als auch an den laufenden kosten erfolgt. in der folgezeit legte die pd auf anforderung der brd nrw zusätzlich noch eine vermieterbescheinigung betreffend den gaststättenmietvertrag vor. 6am 11. mai 2021 wurde seitens der brd nrw im verwaltungsvorgang vermerkt: 7„nach sichtung der von der steuerberaterin eingereichten unterlagen ergeben sich folgende änderungen bezogen auf die angaben im antrag: 8punkt 1 (gewerbemiete):- januar: nicht zu beanstanden-februar: 3.100,00,--märz: 3.100,00,--april: 3.100,00,--mai: 3.100,00,--juni: 3.100,00,-weitere gewerbemietverträge wurden nicht eingereicht. 9punkt 10 (versicherungen, abo´s, andere feste kosten):-januar: 0,00,--februar: 0,00,--märz: 0,00,--april: 0,00,--mai: 0,00,--juni: 0,00,-die abweichungen ergeben sich aus dem umstand das die steuerberaterin lediglich vier rechnungen (…) eingereicht hat die im november fällig geworden sind. der monat november ist jedoch nicht förderfähig. 10punkt 21 (digitalisierung):im gesamten förderzeitraum können keine kosten für digitalisierung geltend gemacht werden. dies liegt daran das der erwerb einer kasse nebst drucker nicht von punkt 21 erfasst werden. 11danach kann nur eine teilbewilligung erfolgen.“ 12durch bescheid vom 1. juli 2021 bewilligte die brd nrw der klägerin daraufhin überbrückungshilfe iii in höhe von 15.019,27 € und lehnte deren antrag im übrigen ab. begründet wurde die teilablehnung bezogen auf die kostenpositionen 01 und 10 im kern wie folgt: „die im antrag (…) geltend gemachten ausgaben unter fixkostenpunkt nr. 01 und 10 in den monaten von januar bis juni 2021 konnten in der angegebenen höhe weder durch nachweise noch durch eine erklärung ihrerseits hinreichend plausibilisiert werden. diese kosten können aus den nachfolgend dargelegten gründen nicht (vollumfänglich) berücksichtigt werden und wirken sich auf die förderhöhe aus. (…) die von ihnen für die monate von januar bis juni 2021 unter punkt 01 und 10 angesetzten wurden nicht vollständig berücksichtigt, da von ihnen hinsichtlich der höhe keine nachweise vorgelegt wurden und der erhebliche anstieg der fixkosten nicht hinreichend plausibilisiert werden konnte ein anspruch auf förderung dieser kosten entfällt. ihr antrag ist somit für diese fixkosten teilweise abzulehnen. der bewilligungsbetrag wurde deshalb um 12.582,97 euro reduziert. die geltend gemachten personalkosten wurden entsprechend der nicht anerkannten fixkosten prozentual gekürzt.“ bezogen auf die kostenposition 21 wurde die teilablehnung im kern wie folgt begründet: „ausweislich der vorliegenden unterlagen haben sie im antrag (…) die kosten für investitionen für digitalisierung (fixkosten nr. 21) im märz 2021 geltend gemacht. diese kosten können aus den nachfolgend dargelegten gründen nicht berücksichtigt werden und wirken sich auf die förderhöhe aus. (…) die von ihnen für märz 2021 unter punkt 21. angesetzten kosten für investitionen für digitalisierung wurden nicht berücksichtigt, weil von ihnen keine zwischen- oder schlussrechnung vorgelegt werden konnte. ein anspruch auf förderung dieser kosten entfällt. der bewilligungsbetrag wurde deshalb um 12.582,97 euro reduziert.“ 13am 26. juli 2021 hat die klägerin klage erhoben. 14diese begründet sie im kern wie folgt: die bescheidbegründung, es seien keine nachweise hinsichtlich der fixkosten beigebracht worden, und generell der vorwurf der nicht vollständigen vorlage von unterlagen im antragsverfahren seien unzutreffend; alle diesbezüglichen anfragen sei vollständig beantwortet worden, alle angeforderten rechnungen und nachweise seien fristgerecht vorgelegt worden. dabei würden die im märz 2021 bezahlten buchhaltungskosten den erheblichen anstieg unter punkt 10 erklären. für die monate april bis juni 2021 sei eine schätzung erfolgt. soweit die geltend gemachten mietkosten nicht vollständig anerkannt worden seien, sei dies auch in der sache unbegründet; die miete bestehe aus eigentlicher miete und nebenkosten, was zusammen 3.911,00 € monatlich ab dem 1. januar 2021 ergebe. die kosten der digitalisierung seien durch vorlage der rechnung für die angeschaffte tse-kasse nachgewiesen worden und die diesbezügliche ablehnung auch der sache nach nicht gerechtfertigt. angesichts des ablaufs der gesetzlichen frist für die anschaffung einer tse-kasse während der corona-pandemie seien die kosten coronabedingt gewesen und die anschaffung habe auch der existenzsicherung gedient, weil ohne eine solche ein weiterbetrieb des restaurants ohne verstoß gegen strafrechtliche vorschriften nicht möglich gewesen wäre. 15die in der mündlichen verhandlung nicht vertretene klägerin hat zuvor schriftsätzlich beantragt: 16„die beklagte wird verurteilt, der klägerin unter abänderung des bescheids vom 01.07.2021 die restliche beantragte, jedoch abgelehnte corona-überbrückungshilfe iii zu bezahlen.“ 17das beklagte land beantragt, 18die klage abzuweisen, 19und tritt der klage mit folgenden argumenten entgegen: die klage sei bereits unzulässig, weil die klägerin mangels stellung eines änderungsantrages auf den ergangenen bescheid hin, soweit mit diesem der antrag abgelehnt worden sei, ihre mitwirkungspflichten verletzt habe. die klage sei jedenfalls auch unbegründet, weil anhand der eingereichten nachweise keine höhere bewilligung möglich gewesen sei als erfolgt. die im antrag angegebene nettomiete sei zu kürzen gewesen; aus den vorgelegten unterlagen ergäben sich 2.650,00 € nettomiete für die gaststätte und 411,00 € nettomiete für die wirtewohnung, insgesamt also 3.061,00 €, die auf 3.100,00 € aufgerundet worden seien. kosten für versicherungen, abonnements und andere feste ausgaben seien nicht nachgewiesen; es seien nur im förderzeitraum fällige fixkosten förderfähig, was auf die geltend gemachten lohnbuchhaltungskosten nicht zutreffe; soweit lohnbuchhaltungsrechnungen aus november 2020 vorgelegt worden seien, seien diese im übrigen ggf. bereits durch die novemberhilfe, die der klägerin zusätzlich zu der streitgegenständlichen überbrückungshilfe iii bewilligt worden sei, abgegolten; im übrigen habe die klägerin trotz diesbezüglicher aufforderung und eigener mitwirkungspflicht keine weiteren nachweise für die unter punkt 10 des antrages angesetzten fixkosten erbracht, so dass solche kosten nicht berücksichtigungsfähig seien. die geltend gemachten kosten der digitalisierung seien schließlich ausweislich der maßgeblichen förderrichtlinien nicht förderfähig, weil die pflicht zur anschaffung einer tse-kasse nicht im zusammenhang mit der corona-pandemie stehe. 20in der mündlichen verhandlung hat der prozessbevollmächtigte des beklagten landes die begründung des bescheides der brd nrw vom 1. juli 2021 und die diesbezüglichen ermessenserwägungen wie folgt ergänzt: „bezüglich der mietkosten sind für die monate februar bis juni 2021 3.100,00 € monatlich angesetzt worden. diese beziehen sich auf die nettokaltmiete und die nettonebenkosten. im januar 2021 ist der betrag von 42,31 € entsprechend dem antrag angesetzt worden. hinsichtlich der unter punkt 21 erfassten kosten für die digitalisierung konnten die ansätze von märz 2021 nicht gefördert werden. es konnte keine zwischen- oder schlussabrechnung vorgelegt werden, die sich auf förderfähige anschaffungen beziehen.“ 21wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakte und des beigezogenen verwaltungsvorgangs der brd nrw verwiesen. 22
23das gericht konnte trotz ausbleibens der klägerin bzw. deren prozessbevollmächtigten in der mündlichen verhandlung verhandeln und entscheiden, weil der prozessbevollmächtigter in der ladung hierauf hingewiesen worden ist (§§ 102 abs. 1 und 2 vwgo). zwar wurde die ladung dem prozessbevollmächtigten ausweislich dessen empfangsbekenntnis erst am 6. september 2022 zugestellt mit der folge, dass die sich aus § 102 abs. 1 satz 1 vwgo ergebende ladungsfrist von mindestens zwei wochen nicht eingehalten wurde. jedoch hat der prozessbevollmächtigte mit schriftsatz vom 8. september 2022 ausdrücklich auf die einhaltung der ladungsfrist verzichtet und dem gericht dadurch zu erkennen gegeben, dass es auch ohne einhaltung der ladungsfrist verhandeln und entscheiden kann. 24die klage ist zulässig. 25statthaft ist sie in form einer auf erlass eines abgelehnten verwaltungsakts gerichteten verpflichtungsklage nach § 42 abs. 1 fallvariante 2 vwgo – als eine solche legt das gericht den formulierten klageantrag aus. 26die zulässigkeit der klage scheitert dabei entgegen der annahme des beklagten landes nicht an fehlendem rechtsschutzbedürfnis. vor anrufung der gerichte braucht sich ein rechtsschutzsuchender grundsätzlich nicht vergeblich an den rechtsschutzgegner gewandt zu haben, es sei denn, das prozessrecht sieht ausdrücklich eine antragstellung bei der verwaltung vor, 27vgl. ehlers in schoch/schneider, verwaltungsrecht, vor § 40 vwgo, rn. 82, 42. el februar 2022, m.w.n. 28da keine rechtsvorschrift existiert, aus der sich ergibt, dass die klägerin vor der ergreifung des rechtsbehelfs der klage, welcher in der rechtsbehelfsbelehrung des bescheides des brd nrw vom 1. juli 2021 ausdrücklich als solcher bezeichnet ist, einen änderungsantrag bei der brd nrw stellen müsste, steht eine solche option dem rechtsschutzbedürfnis der klägerin nicht entgegen. hinzu kommt, dass die stellung eines änderungsantrages und das abwarten auf dessen bescheidung mit dem risiko verbunden sein kann, die klagefrist zu versäumen. 29begründet ist die klage in dem sich aus dem tenor ergebenden umfang, im übrigen unbegründet: soweit die klägerin die verpflichtung des beklagten landes begehrt, ihr über die durch bescheid der brd nrw vom 1. juli 2021 bereits bewilligte überbrückungshilfe iii hinaus weitere überbrückungshilfe in sich aus ihrem antrag vom 23. märz 2021 ergebender höhe zu bewilligen, steht ihr lediglich ein anspruch auf neubescheidung durch das beklagte land bezogen auf die im tenor genannten kostenpositionen zu; im übrigen, d.h. sowohl betreffend die im tenor genannten kostenpositionen über eine reine neubescheidung hinausgehend als auch bezogen auf die weitere kostenposition 10 (versicherungen, abonnements und andere feste ausgaben) generell, steht ihr kein anspruch gegen das beklagte land zu. 30das beklagte land gewährt auf der grundlage von § 53 der landeshaushaltsordnung und den als runderlass des ministeriums für wirtschaft, innovation, digitalisierung und energie nordrhein-westfalen – v a 3 – 81.11.18.02 – vom 10. februar 2021 veröffentlichten richtlinien des landes zur fortgesetzten gewährung von überbrückungshilfe für kleine und mittelständische unternehmen 2021 („überbrückungshilfe iii nrw“ und „überbrückungshilfe iii plus nrw“) (nachfolgend: förderrichtlinien – frl) in verbindung mit den unter a.1.(2) b) und c) der frl benannten weiteren bestimmungen aufgrund pflichtgemäßen ermessens die überbrückungshilfe in form einer billigkeitsleistung als freiwillige zahlung im rahmen verfügbarer haushaltsmittel. 31die förderrichtlinien begründen damit vom ansatz her keinen gebundenen anspruch auf eine billigkeitsleistung in bestimmter höhe, sondern es besteht zusammen mit § 40 vwvfg nrw, wonach die behörde, wenn sie ermächtigt ist, nach ihrem ermessen zu handeln, ihr ermessen entsprechend dem zweck der ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen grenzen des ermessens einzuhalten hat, ein anspruch eines jeden antragstellers auf ermessensfehlerfreie entscheidung der behörde über dessen antrag. dabei ist gemäß § 114 satz 1 vwgo die gerichtliche kontrolle auf die prüfung beschränkt, ob der verwaltungsakt oder die ablehnung oder unterlassung des verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen grenzen des ermessens überschritten sind oder von dem ermessen in einer dem zweck der ermächtigung nicht entsprechenden weise gebrauch gemacht ist. 32im rahmen des behördlich auszuübenden ermessens kommt den förderrichtlinien, bei denen es sich nicht um eine rechtsnorm, d.h. nicht einen rechtssatz mit außenwirkung, sondern um eine (bloße) interne verwaltungsvorschrift handelt, die funktion zu, für die verteilung der fördermittel einheitliche maßstäbe zu setzen und dadurch das ermessen der bewilligungsbehörde intern zu binden und zu steuern. als ermessenslenkende verwaltungsvorschriften unterliegen derartige förderrichtlinien auch keiner eigenständigen richterlichen auslegung wie rechtsnormen. entscheidend ist vielmehr, wie die zuständigen behörden die verwaltungsvorschrift im maßgeblichen zeitpunkt in ständiger praxis gehandhabt haben und in welchem umfang sie infolgedessen durch den gleichheitssatz aus art. 3 abs. 1 gg gebunden sind. durch den gleichheitssatz aus art. 3 abs. 1 gg ist die bewilligungsbehörde nämlich in ihrem rechtlichen verhältnis zum förderempfänger – abgesehen von den sonstigen gesetzlichen grenzen des verwaltungshandelns – gebunden. wenn sich die behörde an ihre förderrichtlinien hält, ist sie daher durch das gleichbehandlungsgebot verpflichtet, dies auch weiterhin zu tun, sofern nicht sachliche gründe im einzelfall eine abweichung rechtfertigen oder gar gebieten. weicht sie hingegen generell von den förderrichtlinien ab, so verlieren diese insoweit ihre ermessensbindende wirkung; ob das verwaltungshandeln mit dem gleichbehandlungsgebot vereinbar ist, beurteilt sich dann nur nach der tatsächlichen verwaltungspraxis. 33vgl. bverwg, urteile vom 26. april 1979 - 3 c 111/79 -, bverwge 58, 45 ff. = juris, rn. 24, vom 25. april 2012 - 8 c 18/11 -, bverwge 143, 50 ff., rn. 31 f., vom 17. januar 1996 - 11 c 5/95 -, njw 1996, 1766 f. = juris, rn. 21, und vom 16. juni 2015 - 10 c 15/14 -, bverwge 152, 211 ff., rn. 24, jeweils m.w.n. 34zur feststellung der tatsächlich geübten verwaltungspraxis kann dabei neben den förderrichtlinien ergänzend auf öffentliche verlautbarungen der bewilligungsbehörde, der dieser übergeordneten landesbehörde oder der aufgrund verwaltungsvereinbarung in die förderung eingebundene zuständige bundesbehörde zurückgegriffen werden, wenn diese aufschluss über die tatsächlich geübte verwaltungspraxis geben. 35vgl. vg gelsenkirchen, urteil vom 3. dezember 2021 - 19 k 2760/20 - juris, rn. 38; vg halle (saale), urteil vom 25. april 2022 - 4 a 28/22 -, juris, rn. 20. 36relevant insoweit sind namentlich die gemeinsam vom bundesministerium für wirtschaft und klimaschutz und dem bundesministerium der finanzen veröffentlichten faqs zur „corona-überbrückungshilfe für kleine und mittelständische unternehmen“ – dritte phase von november 2020 bis juni 2021, 37https://www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de/ubh/navigation/de/dokumente/faq/ueberbrueckungshilfe-iii/ueberbrueckungshilfe-lll.html, 38(nachfolgend: faq). 39in anwendung dieser grundsätze ergibt sich der anspruch der klägerin auf neubescheidung bezogen auf die kostenpositionen 01 (mieten und pachten für gebäude, grundstücke und räumlichkeiten) und 21 (investitionen für digitalisierung) daraus, dass die insoweit im streitgegenständlichen bescheid erfolgte ablehnungsentscheidung sich als gemessen an § 114 satz 1 vwgo ermessensfehlerhaft erweist, da das beklagte land bzw. die brd nrw nicht sämtliche erwägungen in die entscheidung hat einfließen lassen, die anhand der tatsächlich geübten verwaltungspraxis für die entscheidung von relevanz waren. 40dies gilt zum einen für die kostenposition 21, in deren rahmen die klägerin in dem antrag des pd kosten in höhe von 2.790,00 € geltend gemacht hat und auf die diesbezüglichen nachfragen und aufforderungen der brd nrw zur vorlage von belegen hin eine rechnung der fa. j. gmbh vom 00. märz 2021 über eine „aaden kasse (restaurant)“ – bei welcher es sich gemäß weiterer beschreibung in der rechnung um eine t. -tse-kasse handelt – nebst „h. u. “ zum gesamtnettopreis von 2.790,00 € bzw. gesamtbruttopreis incl. 19 % umsatzsteuer von 3.320,10 € vorgelegt hat. angesichts dieser rechnungsvorlage lässt sich die antragsablehnung nicht auf die im streitgegenständlichen bescheid als begründung dargelegte erwägung stützen, zu den für märz 2021 unter punkt 21 angesetzten kosten für investitionen für digitalisierung sei keine zwischen- oder schlussrechnung vorgelegt worden. diese begründung geht offensichtlich von einem falschen sachverhalt aus und erweist sich damit, sollte sie für die getroffene ermessensentscheidung leitend gewesen sein, als ermessensdefizitär. sollte hingegen nicht diese im bescheid gegebene begründung, sondern die von dieser begründung abweichende, in der im verwaltungsvorgang der brd nrw unter „kommentare historie“ niedergelegte erwägung, der erwerb einer kasse nebst drucker werde „nicht von punkt 21 erfasst“, für die getroffene ermessensentscheidung leitend gewesen sein, erweist sich diese entscheidung auch gemessen hieran nicht als ermessensfehlerfrei. zwar hat das beklagte land diesen aspekt in seiner klageerwiderungsschrift vom 18. september 2021 wie folgt näher erläutert:„nach den faq zur corona-überbrückungshilfe", dort ziffer 2.4. punkt 14, können investitionen in digitalisierung erstattet werden. anhang 4 der faq enthält eine beispielliste mit ansetzbaren kosten. zudem wird im anhang 4 ausgeführt, dass die vorgenommene digitalisierungsmaßnahme „primär der existenzsicherung des unternehmens in der pandemie dienen" muss und „kein abbau eines investitionsstaus (das heißt maßnahmen, die bereits vor beginn der pandemie angestanden hätten und durch diese nicht bedingt sind) sein darf. es wird weiter ausgeführt: „ebenso sind maßnahmen nicht förderfähig, die zur einhaltung bereits vor der pandemie bestehenden gesetzlichen vorgaben dienen. förderfähig sind vornehmlich kosten, die infolge von vorschriften zur eindämmung der corona-pandemie (zum beispiel corona-arbeitsschutzverordnung, homeoffice-pflicht, maskenpflicht und so weiter) entstehen beziehungsweise entstanden sind. [...] eine begründung und einzelfallprüfung ist in jedem fall erforderlich.“ nach diesen grundsätzen waren die kosten für die anschaffung einer tse-kasse (technische sicherheitseinrichtung = tse) nicht förderfähig. die pflicht, eine tse-kasse einzusetzen, folgt aus dem kassengesetz und besteht bereits seit dem 01.01.2020. die anschaffungsfrist wurde in nordrhein-westfalen bis zum 31.03.2021 verlängert. die verpflichtung zur einsetzung einer tse-kasse folgt jedoch eindeutig nicht aus den vorschriften zur eindämmung der corona-pandemie. auch sonst steht die kassenpflicht in keinem zusammenhang mit der corona-pandemie. die klägerin hat auch nicht vorgetragen, inwiefern die anschaffung einer tse-kasse primär der existenzsicherung des unternehmens· in der pandemie dienen sollte.“ungeachtet dessen, dass bloßes schriftsätzliches vorbringen im gerichtlichen verfahren ohne ausdrückliche kennzeichnung als solche nicht als ergänzung von ermessenserwägungen im sinne des § 114 satz 2 vwgo anzusehen ist, 41vgl. bverwg, urteil vom 13. dezember 2011 – 1 c 14/10 –, bverwge 141, 253 ff., rn. 18, 42lässt selbst diese ausführliche erläuterung nicht hinreichend erkennen, dass die brd nrw im rahmen ihrer ermessensausübung sämtliche für die zu treffende entscheidung maßgeblichen aspekte hinreichend gewürdigt hat. dabei geht das gericht mangels anderer anhaltspunkte davon aus und die aus der klageerwiderungsschrift zitieren ausführungen implizieren dies auch, dass sich die tatsächlich geübte verwaltungspraxis des beklagten landes bzw. der brd nrw betreffend die erstattungsfähigkeit von sog. digitalisierungskosten vollständig an den frl in verbindung mit den faq orientieren. in seiner inbezugnahme der faq verschweigt das beklagte land aber, dass in diesen unter punkt 2.4., unterpunkt 14. ausdrücklich ausgeführt ist: „förderungsfähig sind auch anschaffungen und erweiterung von elektronischen aufzeichnungssystemen im sinne des § 146a abgabenordnung (ao).“ um ein solches system handelt es sich bei der tse-kasse. auch erwähnt das beklagte land die in anhang 4 der faq enthaltene beispielliste mit ansetzbaren kosten, lässt aber das konkret kassensysteme betreffende beispiel „wechsel des kassensystems, um neue digitale services zu ermöglichen zum beispiel "am tisch per handy ordern"“ unerwähnt. um einen verstoß gegen den gleichheitssatz aus art. 3 abs. 1 gg auszuschließen, hätte die brd nrw jedenfalls zusätzlich zu den in der klageerwiderungsschrift dargelegten erwägungen die möglichkeit prüfen müssen, ob es sich bei der von der klägerin angeschafften tse-kasse um einen wechsel des kassensystems, um neue digitale services zu ermöglichen, handelt, zumal die faq, wie vom beklagten land selbst zitiert, ausdrücklich vorgeben, dass eine begründung und einzelfallprüfung in jedem fall erforderlich ist. da auch die vom prozessbevollmächtigten des beklagten landes in der mündlichen verhandlung abgegebene erklärung, mit der ausdrücklich die für den streitgegenständlichen bescheid maßgeblichen ermessenserwägungen ergänzt wurden, eine dementsprechende erschöpfende einzelfallprüfung unter einbeziehung der frage eines wechsels des kassensystems, um neue digitale services zu ermöglichen, nicht enthält, wird das beklagte land im rahmen der ihr obliegenden neuentscheidung dieser frage nachzugehen und sodann unter würdigung sämtlicher einzelfallumstände unter zugrundelegung ihrer ständigen verwaltungspraxis eine abschließende entscheidung über die förderfähigkeit der von der klägerin angeschafften tse-kasse zu treffen haben. 43dies gilt desweiteren für die kostenposition 01, in deren rahmen die klägerin in dem von ihrer pd gestellten antrag mietkosten in höhe von insgesamt 24.986,31 € geltend gemacht hat. insoweit ergibt sich aus dem verwaltungsvorgang der brd nrw unter „kommentare historie“, dass für januar 2021 die geltend gemachten mietkosten von 42,31 € in voller höhe anerkannt wurden und für die monate februar bis einschließlich juni 2021 eine teilanerkennung der geltend gemachten kosten – für februar 2021 waren dies 9.300,00 € für die weiteren monate jeweils 3.911,00 € – in höhe von monatlich 3.100,00 € erfolgt ist. auch insoweit fehlt es jedoch an einer nachvollziehbaren, ermessensfehlerfreien darlegung, warum die über 3.100,00 € monatlich hinausgehenden kosten nicht anerkannt wurden. 44der insoweit auf die diesbezüglichen nachfragen und aufforderungen der brd nrw zur vorlage von belegen hin vorgelegte mietvertrag vom 5. august 2020 über eine gaststätte nebst im darüber gelegenen geschoss befindlicher wirtewohnung weist unter § 4 nr. 1 folgende mietkosten aus:- nettomiete für die gaststätte (wirtschafts- und nebenräume) 2.550,00 €- zzgl. ges. mehrwertsteuer, zurzeit 19 % 484,50 €- vorauszahlungen auf die nebenkosten für die gaststätte 550,00 €- zzgl. ges. mehrwertsteuer, zurzeit 19 % 104,50 €- nettomiete für die wirtewohnung 411,00 €- vorauszahlungen auf die nebenkosten für die wirtewohnung 100,00 € 4.200,00 €ferner enthält der mietvertrag unter § 4 nr. 4 einen passus, wonach sich die monatliche nettomiete der gaststätte (wirtschafts- und nebenräume) ab dem 1. januar 2021 um 100,00 € auf 2.650,00 € erhöht und in den folgejahren zum jeweils jahresersten um weitere 100,00 € monatlich bis zur letzten erhöhung ab dem 1. januar 2027 um 100,00 € auf 3.250,00 €. 45angesichts der vorlage dieses mietvertrages lässt sich die ablehnung der über die anerkannten kosten hinausgehenden kosten nicht auf die im streitgegenständlichen bescheid gegebene begründung stützen, die für die monate von januar bis juni 2021 unter punkt 01 und 10 angesetzten kosten seien nicht vollständig berücksichtigt worden, da hinsichtlich der höhe keine nachweise vorgelegt worden seien und der erhebliche anstieg der fixkosten nicht habe hinreichend plausibilisiert werden können. wiederum geht die begründung offensichtlich von einem falschen sachverhalt aus und erweist sich damit, sollte sie für die getroffene ermessensentscheidung leitend gewesen sein, als ermessensdefizitär, denn es wurde von der pd der klägerin in form des mietvertrages ein nachweis hinsichtlich der höhe der mietkosten vorgelegt, der erkennbar von der brd nrw geprüft wurde und diese veranlasste, nur einen teil der kosten anzuerkennen. aus der vom prozessbevollmächtigten des beklagten landes in der mündlichen verhandlung abgegebene erklärung, mit der ausdrücklich die für den streitgegenständlichen bescheid maßgeblichen ermessenserwägungen ergänzt wurden, lässt sich nunmehr auch erschließen, welche kostenbestandteile die für februar bis einschließlich juni 2021 anerkannten mietkosten in höhe von monatlich insgesamt 3.100,00 € enthalten: ordnet man die vom prozessbevollmächtigten benannte „nettokaltmiete“ als nettomiete für die gaststätte (wirtschafts- und nebenräume) gemäß mietvertrag in höhe von 2.550,00 € ein und erblickt man in den vom prozessbevollmächtigten benannten „nettonebenkosten“ die vorauszahlungen auf die nebenkosten für die gaststätte in höhe von 550,00 €, ergibt sich der gesamtbetrag von 3.100,00 €. da die klägerin jedoch durch den vorgelegten mietvertrag höhere monatliche mietkosten als nur 3.100,00 € monatlich nachgewiesen hat, nämlich darüber hinausgehend 100,00 € zusätzliche nettomiete für die gaststätte (wirtschafts- und nebenräume) aufgrund der mieterhöhung ab dem 1. januar 2021, 411,00 € nettomiete für die wirtewohnung, 100,00 € vorauszahlungen auf die nebenkosten für die wirtewohnung und im übrigen 19 % mehrwertsteuer auf nettomiete und nebenkostenvorauszahlungen für die gaststätte, hätte es einer befassung der brd nrw anhand der für ihre ermessensausübung maßgeblichen leitlinien bedurft, warum sie diese weiteren nachgewiesenen kosten nicht anerkennt, was jedoch – auch im rahmen der in der mündlichen verhandlung nachgeschobenen ermessenserwägungen – bislang nicht erfolgt ist. insbesondere ist nicht nachvollziehbar, warum die sich aus § 4 nr. 4 des mietvertrages ergebende nettomieterhöhung von 100,00 € monatlich zum 1. januar 2021 nicht förderfähig sein soll, obwohl das beklagte land diese in ihrer klageerwiderungsschrift vom 18. september 2021 selbst den förderfähigen fixkosten zugerechnet hat. auch geht das beklagte land in der klageerwiderungsschrift abweichend von der in der mündlichen verhandlung abgegebenen erklärung ihres prozessbevollmächtigten von der förderfähigkeit der nettomiete für die wirtewohnung aus, so dass es auch insoweit – und zusätzlich bezogen auf die diesbezüglichen nebenkostenvorauszahlungen – erwägungen anhand der tatsächlich geübten verwaltungspraxis bedarf, warum diese förderfähig oder nicht förderfähig ist. angesichts des bisherigen fehlens derartiger erwägungen wird das beklagte land im rahmen der anstehenden neuentscheidung der frage nachzugehen haben, welche der vorbenannten kosten zusätzlich anerkannt werden können und im falle der fehlenden anerkennungsfähigkeit die hierfür maßgeblichen erwägungen zu dokumentieren und darzulegen haben. 46als gemessen an § 114 satz 1 vwgo ermessensfehlerfrei und damit rechtmäßig erweist sich hingegen die erfolgte ablehnung bezogen auf die kostenposition 10 (versicherungen, abonnements und andere feste ausgaben) mit der folge, dass der klägerin insoweit kein anspruch auf neubescheidung zusteht. 47die oben wiedergegebene, sich nicht nur auf die kostenposition 01, sondern auch auf die kostenposition 10 beziehende begründung im streitgegenständlichen bescheid, die für die monate von januar bis juni 2021 unter punkt 01 und 10 angesetzten kosten seien nicht vollständig berücksichtigt worden, da hinsichtlich der höhe keine nachweise vorgelegt worden seien und der erhebliche anstieg der fixkosten nicht habe hinreichend plausibilisiert werden können, trifft bezogen auf die kostenposition 10 zu und vermag deshalb die im rahmen der ermessensausübung insoweit getroffene ablehnungsentscheidung zu tragen. zwar hatte die pd der klägerin auch bezogen auf die kostenposition 10 auf die diesbezüglichen nachfragen und aufforderungen zur vorlage von belegen der brd nrw hin unterlagen vorgelegt. allerdings bezog sich keine der vorgelegten rechnungen auf den förderzeitraum januar bis einschließlich juni 2021, sondern die vier vorgelegten rechnungen über buchhaltungsarbeiten datierten aus november 2020. angesichts der vorgabe in nr. 2.10 der faq, wonach die zeitliche zuordnung von rechnungen nach dem fälligkeitsprinzip zu erfolgen hat, namentlich bei einer rechnungsstellung ohne zahlungsziel die fixkosten mit dem erhalt der rechnung als fällig gelten und betriebliche fixkosten, die nicht im förderzeitraum fällig sind, nicht anteilig angesetzt werden dürfen, ist die bescheidbegründung, es seien keine nachweise vorgelegt worden, in verbindung mit den faq dahin zu verstehen, dass keine den förderzeitraum betreffenden nachweise vorgelegt wurden – eine dementsprechende dokumentation ist auch am 11. mai 2021 im verwaltungsvorgang der brd nrw unter „kommentare/historie“ erfolgt –, und ist mit diesem verständnis rechtlich nicht zu beanstanden. 48ebensowenig rechtlich zu beanstanden ist die bescheidbegründung, es seien keine nachweise vorgelegt worden, mit blick darauf, dass die pd der klägerin eine bwa für märz 2021 vorgelegt hat und hierzu erläutert hat, diese liefere einen überblick über die kosten und für die folgemonate sei eine orientierung sowohl an den umsatzerlösen märz 2021 als auch an den laufenden kosten erfolgt. da die brd nrw die pd der klägerin explizit aufgefordert hatte, „rechnungen bzw. gebührenbescheide bezogen auf das geltendmachen der kosten für versicherungen, abonnements und andere feste ausgaben“ vorzulegen verbunden mit dem hinweis, dass „weder selbst erstellte kontenblätter oder dauermietrechnungen die oben genannten unterlagen zu ersetzen vermögen und deswegen unsererseits nicht akzeptiert werden“, bestand keine veranlassung für die brd nrw, die vorgelegte bwa für märz 2021 als ausgabennachweis für im rahmen der kostenposition 10 entstandene kosten zu akzeptieren. in der folge ist es auch nicht zu beanstanden, dass die brd nrw die für die monate april, mai und juni 2021 sinngemäß als schätzkosten geltend gemachten kosten als nicht nachgewiesen angesehen hat, denn mangels jeglichen nachweises konkret entstandener kosten der kostenposition 10 in den monaten januar, februar und märz 2021 – für die monate januar und februar 2021 hatte die pd der klägerin ohnehin nicht einen einzigen nachweis vorgelegt – fehlte es an jeglicher grundlage für eine schätzung der kosten für die nachfolgemonate. 49die kostenentscheidung folgt aus § 155 abs. 1 satz 1 vwgo. dabei waren folgende überlegungen für die bildung der kostenquote maßgeblich: dass die klage mit dem über einen reinen neubescheidungsantrag hinausgehenden antrag auf bewilligung von überbrückungshilfe insgesamt keinen erfolg hatte, wertet das gericht bereits als hälftiges unterliegen der klägerin mit der folge der hälftigen kostentragungslast (1/2 = 3/6). innerhalb des neubescheidungsbegehrens, welches mithin insgesamt die andere hälfte der zu verteilenden kostenlast ausmacht, hat der erfolg der klägerin einen anteil von ca. 2/3, woraus sich ein vom beklagten land zu tragender kostenanteil von 2/3 x 1/2 = 2/6 = 1/3 ergibt, und der misserfolg der klägerin einen anteil von ca. 1/3, was einen diesbezüglich von ihr zu tragenden kostenanteil von 1/3 x 1/2 = 1/6 ergibt, zusammengerechnet mit dem weiteren kostenanteil von 1/2 = 3/6 mithin insgesamt 1/6 + 3/6 = 4/6 = 2/3. 50der ausspruch über die vorläufige vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 vwgo, 708 nr. 11, 711 zpo. 51rechtsmittelbelehrung: 52gegen dieses urteil kann innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) schriftlich die zulassung der berufung beantragt werden. der antrag muss das angefochtene urteil bezeichnen. 53auf die seit dem 1. januar 2022 unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils sind die gründe darzulegen, aus denen die berufung zuzulassen ist. 54die berufung ist nur zuzulassen, 551. wenn ernstliche zweifel an der richtigkeit des urteils bestehen, 562. wenn die rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche schwierigkeiten aufweist, 573. wenn die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat, 584. wenn das urteil von einer entscheidung des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen, des bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen senats der obersten gerichtshöfe des bundes oder des bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser abweichung beruht oder 595. wenn ein der beurteilung des berufungsgerichts unterliegender verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die entscheidung beruhen kann. 60die begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem antrag vorgelegt worden ist, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen (aegidiikirchplatz 5, 48143 münster oder postfach 6309, 48033 münster) schriftlich einzureichen. 61über den antrag entscheidet das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen. 62im berufungs- und berufungszulassungsverfahren müssen sich die beteiligten durch prozessbevollmächtigte vertreten lassen. dies gilt auch für prozesshandlungen, durch die das verfahren eingeleitet wird. die beteiligten können sich durch einen rechtsanwalt oder einen rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten hochschule eines mitgliedstaates der europäischen union, eines anderen vertragsstaates des abkommens über den europäischen wirtschaftsraum oder der schweiz, der die befähigung zum richteramt besitzt, als bevollmächtigten vertreten lassen. auf die zusätzlichen vertretungsmöglichkeiten für behörden und juristische personen des öffentlichen rechts einschließlich der von ihnen zur erfüllung ihrer öffentlichen aufgaben gebildeten zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 abs. 4 satz 4 vwgo und § 5 nr. 6 des einführungsgesetzes zum rechtsdienstleistungsgesetz – rdgeg –). darüber hinaus sind die in § 67 abs. 2 satz 2 nr. 3 bis 7 vwgo bezeichneten personen und organisationen unter den dort genannten voraussetzungen als bevollmächtigte zugelassen. 63die antragsschrift und die zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst zweifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften.
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15 A 2834/17
2022-09-14T00:00:00
Urteil
Tenor Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet. Die Revision wird nicht zugelassen. 1Tatbestand: 2Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Erhebung eines Erschließungsbeitrags für die erstmalige Herstellung einer Teilstrecke der N.----straße zwischen der T.-------straße und der L.-----straße in C. . 3Die Klägerin ist Eigentümerin einer aus 14 Flurstücken bestehenden, 13.885 qm großen Fläche, die im Süden an die N.----straße , im Westen an die T.-------straße und im Norden teils unmittelbar an die K.-----------straße und teils - von dieser zurückspringend - an ein mit Wohnblocks bebautes Grundstück grenzt. Diese in der Flur 51 der Gemarkung C. gelegenen Flurstücke werden seit dem 23. Juli 2007 im Grundbuch von C. , Blatt 12229, gemeinsam unter der laufenden Nummer 24 geführt. Auf dem mit mehreren Gebäuden bebauten Grundstück befindet sich ein Betrieb zur Arzneimittelherstellung. Es liegt im Geltungsbereich des im Jahr 1999 in Kraft getretenen Bebauungsplans Nr. II/2/54.00 (N.----straße -West), der für den nordwestlichen, 2.119 qm umfassenden Teil der Grundstücksfläche Mischgebiet, im Übrigen Gewerbegebiet festsetzt. Baugrenzen sind nicht vorgesehen. 4Die N.----straße verläuft von der T1.-------straße im Westen bis zur T2. Straße im Osten in etwa in West-Ost-Richtung. Der technische Straßenbau der hier abgerechneten Teilstrecke der N.----straße zwischen T.-------straße und L.-----straße wurde ausweislich des vorliegenden Protokolls am 5. September 1996 abgenommen und - nach Mängelbeseitigung - am 10. September 1996 endgültig abgeschlossen. Nach Fassung eines Kostenspaltungsbeschlusses zog die Beklagte die Anlieger im Jahr 1999 unter Zurückstellung des seinerzeit noch nicht abgeschlossenen Grunderwerbs zu Erschließungsbeiträgen heran. In den Folgejahren bemühte sich die Beklagte letztlich erfolgreich um den Erwerb der noch nicht in ihrem Eigentum stehenden Straßenflächen. Zuletzt wurde das Eigentum an dem Flurstück 289, das teilweise im Bereich der Straßenfläche liegt, am 2. Januar 2012 auf die Beklagte umgeschrieben. 5Mit Bescheid vom 7. Oktober 2013 zog die Beklagte die Klägerin hinsichtlich der Grunderwerbskosten zu einem Erschließungsbeitrag in Höhe von 69.776,92 Euro heran. Diesen Bescheid hob das Verwaltungsgericht Minden durch Urteil vom 23. Juni 2015 (5 K 3518/13) mit der Begründung auf, dass die sachliche Beitragspflicht mangels Abschluss des Grunderwerbs noch nicht entstanden sei. Es fehle an der Vermessung und Abschreibung der der Erschließung dienenden Teilflächen der für den Straßenbau erworbenen Grundstücke (insbesondere der Flurstücke 289 und 738). 6In der Folge ließ die Beklagte diejenigen Teilflächen der Flurstücke 289, 738, 1271 und 1277, die in der festgesetzten Verkehrsfläche liegen, vermessen und abschreiben. Während die aus dem Flurstück 289 neu gebildeten Flurstücke 1337 und 1338 am 4. Februar 2016 und die aus dem Flurstück 738 neu gebildeten Flurstücke 945 und 946 am 1. Februar 2016 in das Grundbuch eingetragen wurden, sah die Beklagte hinsichtlich der aus den Flurstücken 1271 und 1277 neu gebildeten Flurstücke 1335 und 1336 bzw. 1339 und 1340 (zunächst) von einer Eintragung in das Grundbuch ab. Für diese erteilte das Katasteramt der Beklagten Flurstücks- und Eigentumsnachweise, in denen auf die Befreiung von der Buchungspflicht nach § 3 Abs. 2 GBO Bezug genommen wird. 7Mit Bescheid vom 19. September 2016 zog die Beklagte die Klägerin hinsichtlich der Grunderwerbskosten zu einem Erschließungsbeitrag in Höhe von 68.749,30 Euro heran. Dabei wendete sie auf diejenigen Flächen, für die im Bebauungsplan Mischgebiet festgesetzt ist, einen Art- und Maßzuschlag von 115 v. H. sowie auf die im festgesetzten Gewerbegebiet liegenden Flächen einen Zuschlag von 280 v. H. an. 8Am 19. Oktober 2016 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt: Die Beitragspflicht sei nach wie vor nicht entstanden, weil der Grunderwerb immer noch nicht vollständig abgeschlossen sei. Soweit Teilflächen von zuvor im Grundbuch verzeichneten Grundstücken ausgebucht worden seien, hätten diese Ausbuchungen im Grundbuch in den Veränderungsnachweisen vermerkt werden müssen, um eine Übereinstimmung von Kataster und Grundbuch herzustellen. Dessen ungeachtet sei die Bemessung des Beitrags fehlerhaft. Die Beklagte habe zu Unrecht die einzelnen in ihrem Eigentum stehenden Flurstücke zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefasst. Der Bebauungsplan enthalte eine auffällige Trennlinie, die eine wirtschaftliche Einheit von bebauten und unbebauten Grundstücken ausschließe. Fehlerhaft sei auch der Zuschlag für sechsgeschossige Bebaubarkeit. Nach dem Bebauungsplan sei das Grundstück nur teilweise sechsgeschossig bebaubar. Für das Flurstück 1252 sei durch eine baurechtliche Befreiung aus dem Jahr 1987 lediglich eine fünfgeschossige Bebauung zugelassen worden. Weiterhin seien zahlreiche Flurstücke nicht durch die N.----straße erschlossen, da sie durch auf anderen Flurstücken errichtete Baukörper von dieser getrennt seien. Die nach dem Bebauungsplan im Mischgebiet gelegenen Flächen seien nicht als faktisches Gewerbegebiet im Sinne von § 4 Abs. 9 der Satzung über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen der Stadt C. vom 14. Juni 2010 (im Folgenden: Erschließungsbeitragssatzung - EBS -) anzusehen. Außerdem sei ihr zu Unrecht die sog. Eckgrundstücksvergünstigung vorenthalten worden. Die Beitragserhebung verstoße zudem gegen das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit, weil der wirtschaftliche Vorteil durch die Straßenbaumaßnahme bereits mit deren technischem Abschluss vor mehr als 20 Jahren eingetreten sei. Schließlich seien der Beklagten Rechenfehler unterlaufen. Nach deren eigenen Vorgaben sei der festgesetzte Erschließungsbeitrag für die im Gewerbegebiet liegenden Flächen um ca. 0,0115 Euro und für die im Mischgebiet liegenden Flächen um ca. 26,99 Euro überhöht. 9In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte den streitbefangenen Erschließungsbeitrag um 16,89 Euro auf 68.732,41 Euro reduziert. Insoweit haben die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. 10Die Klägerin hat beantragt, 11den streitbefangenen Erschließungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 19. September 2016 in der Gestalt der Reduzierung vom 19. September 2017 aufzuheben. 12Die Beklagte hat beantragt, 13die Klage abzuweisen. 14Zur Begründung hat sie vorgetragen, die sachliche Beitragspflicht sei mit dem Abschluss des Grunderwerbs entstanden. Die zur Verkehrsfläche gehörenden Flächen seien ausparzelliert und von ihrem übrigen Grundvermögen getrennt worden. Die neu entstandenen Flurstücke 1335 und 1339 seien dabei nicht in das Grundbuch eingetragen worden, weil diese Flächen nach § 3 Abs. 2 GBO von der Buchungspflicht befreit und auch zuvor nicht im Grundbuch geführt worden seien. Anders als Flurstücke, die von Privaten erworben würden und deshalb schon im Grundbuch verzeichnet seien, würden Wegeparzellen, die schon seit längerer Zeit im Eigentum der Stadt stünden und als öffentliche Verkehrsfläche gewidmet seien, häufig nicht im Grundbuch gebucht. 15Die vom Heranziehungsbescheid erfassten Flurstücke der Klägerin bildeten eine wirtschaftliche Einheit, da sie im Grundbuch unter einer laufenden Nummer verzeichnet seien. Darüber hinaus würden sie auch einheitlich für gewerbliche Zwecke genutzt. Der durch die N.----straße vermittelte Erschließungsvorteil erfasse die gesamte Grundstücksfläche. Auf die Erreichbarkeit sämtlicher Teile des Grundstücks von dort aus komme es nicht an, zumal eine dafür hinderliche Bebauung im Einflussbereich der Eigentümerin liege. Das einheitliche Grundstück sei nach § 4 Abs. 7 EBS mit einem Zuschlag für sechsgeschossige Bebaubarkeit in die Verteilung einzubeziehen, weil mit Befreiungsbescheid vom 10. September 1987 für eine Teilfläche eine Aufstockung auf fünf Obergeschosse genehmigt worden sei und sich mit dem Erdgeschoss insgesamt sechs Vollgeschosse ergäben. Der Artzuschlag nach § 4 Abs. 3 EBS sei auf die im Gewerbegebiet gelegenen Flächen des Grundstücks beschränkt worden, weil die Satzung einen derartigen Zuschlag für Mischgebiete nicht vorsehe. Eine Eckgrundstücksvergünstigung komme auch für die im Mischgebiet gelegene Teilfläche nicht in Betracht, weil diese so weit von der Erschließungsanlage entfernt liege, dass sie nach § 5 Abs. 2 EBS selbst dann keine Vergünstigung erhalten würde, wenn das gesamte Grundstück im Mischgebiet läge. Die Berechnung des Erschließungsbeitrags sei tatsächlich zu Lasten der Klägerin fehlerhaft, und zwar in Höhe von 16,89 Euro. 16Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 17. September 2017 abgewiesen. Rechtsgrundlage des streitgegenständlichen Bescheides seien §§ 127 ff. BauGB i. V. m. der Erschließungsbeitragssatzung (EBS) der Beklagten. Gemäß § 133 Abs. 2 BauGB entstehe die sachliche Beitragspflicht mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage. Gemäß § 7 Abs. 1 Buchst. a EBS setze die endgültige Herstellung von Straßen u. a. voraus, dass die Stadt Eigentümerin der Flächen für die Erschließungsanlagen sei. Dieses Herstellungsmerkmal sei aber nicht bereits dann erfüllt, wenn die Straßenfläche im zivilrechtlichen Eigentum der Gemeinde stehe, sondern erst dann, wenn die der Erschließung dienende Fläche vermessen, von den anderen Grundstücken abgeschrieben und die Gemeinde als Eigentümerin der so getrennten Flächen im Grundbuch eingetragen sei. In diesem Sinne sei der Grunderwerb nunmehr abgeschlossen, weil die Beklagte bei sämtlichen Grundstücken, deren Fläche nur teilweise zur Erschließungsanlage gehört hatte, die entsprechenden Teilflächen vermessen und abgeschrieben habe. Zwar habe sie nur die aus den vormaligen Flurstücken 289 und 738 herausgetrennten neuen Flurstücke 1338 (Blatt 44078) und 946 (Blatt 44079) unter ihrer Eigentümerstellung in das Grundbuch eintragen lassen, nicht aber die aus den vormaligen Flurstücken 1271 und 1277 herausgetrennten neuen Flurstücke 1335 und 1339. Dies stehe dem Abschluss des Grunderwerbs aber nicht entgegen. Das Herstellungsmerkmal „Eigentümerin der Flächen für die Erschließungsanlagen“ sei dahingehend auszulegen, dass sämtliche unter § 128 BauGB fallenden Kosten des Grunderwerbs und damit auch die Kosten der Grundbucheintragung erfasst werden sollten. Entstünden solche Eintragungskosten im Einzelfall aber nicht, weil die Gemeinde von ihrem Wahlrecht aus § 3 Abs. 2 GBO Gebrauch mache und von einer erstmaligen Eintragung der schon länger in ihrem Eigentum stehenden, nicht der Buchungspflicht nach § 3 Abs. 1 GBO unterliegenden Verkehrsflächen absehe, sei der Grunderwerb bezüglich solcher Flächen mit dieser Entscheidung abgeschlossen. Durch die vom Katasteramt ausgestellten Flurstücks- und Eigentumsnachweise bezüglich der Flurstücke 1335 und 1339 vom 5. Januar 2016 bzw. vom 19. Januar 2016 seien die Eigentumsverhältnisse auch insoweit hinreichend dokumentiert. 17Die Bemessung des dem Grunde nach entstandenen Beitrags sei jedenfalls nicht zu Lasten der Klägerin fehlerhaft. Die Beklagte habe zu Recht die gesamte Fläche der im Erschließungsbeitragsbescheid aufgeführten Flurstücke als ein einheitliches Grundstück im beitragsrechtlichen Sinne angesehen. Auch eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass das gesamte Buchgrundstück als von der Anlage erschlossen anzusehen sei, liege nicht vor. Den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. II/2/54.00 lasse sich eine zweifelsfreie Zuordnung einzelner Bereiche des Buchgrundstücks zu einer bestimmten Erschließungsanlage nicht entnehmen. Gemäß § 4 Abs. 3 EBS sei der Betrag der nach § 4 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 11 EBS maßgeblichen Grundstücksfläche um einen die Art und das Maß der baulichen Ausnutzbarkeit berücksichtigenden Zuschlag in Höhe von 280 v. H. der Grundstücksfläche zu erhöhen, weil das Grundstück im Sinne dieser Regelung „im Gewerbegebiet“ liege und mit bis zu sechs Vollgeschossen bebaut sei. Die Regelung finde auch dann Anwendung, wenn ein Grundstück - wie hier - nicht vollständig in einem Gewerbegebiet liege. Für eine rechnerische Aufteilung des Grundstücks in eine zuschlagspflichtige Gewerbegebiets- und eine zuschlagsfreie Mischgebietsteilfläche, wie sie die Beklagte vorgenommen habe, gebe die Regelung in § 4 Abs. 2 und 3 EBS nichts her. 18Zu Recht sei die Beklagte von einer sechsgeschossigen Bebaubarkeit des Grundstücks ausgegangen. Denn nach § 4 Abs. 7a) EBS sei bei Grundstücken in beplanten Gebieten, für die der Bebauungsplan weder die Anzahl der Vollgeschosse noch die Baumassenzahl festsetze, die Höchstzahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse maßgebend. Aufgrund des Befreiungsbescheides der Beklagten vom 10. Juli 1987 sei das Produktionsgebäude auf dem Buchgrundstück um das 5. Obergeschoss, auf mithin sechs Vollgeschosse, aufgestockt worden. 19Eine sog. Eckgrundstücksvergünstigung wegen der Erschließung des Grundstücks durch mehrere Erschließungsanlagen scheide nach § 5 Abs. 5 Buchst. a EBS für Grundstücke in Gewerbegebieten aus, zu denen - ungeachtet der Teilfläche im Mischgebiet - auch das streitbefangene Grundstück zähle. Ob der Beklagten bei der Beitragsberechnung im streitbefangenen Erschließungsbeitragsbescheid ein rechnerischer Fehler in Höhe von ca. 36 Euro unterlaufen sei, wie die Klägerin meine, könne offen bleiben, weil insoweit eine Rechtsverletzung zu ihren Lasten ausgeschlossen sei. Denn der von der Beklagten festgesetzte Erschließungsbeitrag sei durch die rechtsfehlerhafte Beschränkung des erhöhten Artzuschlags auf die von der Gewerbegebietsfestsetzung erfasste Teilfläche hinter der für das streitbefangene Grundstück entstandenen sachlichen Beitragspflicht zurückgeblieben, und zwar in einem Umfang, der den Betrag des angeblichen Rechenfehlers bei Weitem übertreffe. 20Die Beitragserhebung verstoße schließlich auch nicht gegen das im Rechtsstaatsprinzip verankerte Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit. Danach sei die Festsetzung von Erschließungsbeiträgen nach der in Nordrhein-Westfalen geltenden Rechtslage ausgeschlossen, wenn zwischen dem Entstehen einer abzugeltenden Vorteilslage und dem Bescheiderlass mehr als 30 Jahre vergangen seien. Dies sei hier nicht der Fall. 21Zur Begründung ihrer mit Beschluss vom 8. November 2019 vom Senat zugelassenen Berufung führt die Klägerin aus: Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung des § 3 Abs. 2 GBO greife zu kurz. Nach der Parzellierung der ehemaligen Flurstücke 1271 und 1277 müssten die aus den genannten Flurstücken gebildeten neuen Flurstücke, die zur Straßenfläche der N.----straße gehörten, zwar nicht in das Grundbuch eingebucht werden, allerdings müsse ihre Nicht-Buchung in den Veränderungsnachweisen des Grundbuchs vermerkt sein. Diesen Anforderungen sei im Hinblick auf die Flurstücke 1335 und 1339 nicht Genüge getan, weshalb die sachliche Beitragspflicht bislang nicht entstanden sei. Der Beitrag sei ferner der Höhe nach unrichtig, weil die Erschließungswirkung der N.----straße planerisch eindeutig auf eine Teilfläche des klägerischen Grundstücks begrenzt sei. Den Festsetzungen des Bebauungsplans lasse sich eine Zuordnung einzelner Bereiche des Buchgrundstücks zu bestimmten Erschließungsanlagen entnehmen. Durch sog. Perlschnüre seien einzelne Teilbereiche des Grundstücks verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten (Mischgebietsfläche im Nordwesten sowie mehrere Gewerbegebietsflächen) zugeordnet worden. Diese Teilflächen, für die jeweils ein unterschiedliches Maß und eine unterschiedliche Art der baulichen Nutzung festgesetzt seien, könnten angesichts ihrer Lage jeweils (nur) einer bestimmten Anbaustraße zugeordnet werden. 22Soweit das Verwaltungsgericht den Artzuschlag nach § 4 Abs. 3 EBS auch auf solche Grundstücke erstreckt habe, die nur teilweise im Gewerbegebiet lägen, lasse sich dies mit der genannten Satzungsnorm nicht in Einklang bringen. Weder der Wortlaut der Vorschrift noch der Gedanke der Vorteilsgerechtigkeit gäben etwas für ein solches Verständnis her. Der größere Vorteil, den die Festsetzung als Gewerbegebiet mit sich bringe, beschränke sich auf den entsprechenden Teilbereich des Grundstücks. Die gesamte Grundstücksfläche sei deshalb in zuschlagspflichtige Gewerbegebiets- und zuschlagsfreie Mischgebietsflächen aufzuteilen. Das Verwaltungsgericht gehe ferner zu Unrecht von einer sechsgeschossigen Bebaubarkeit der gesamten Grundstücksfläche aus. Der in § 4 Abs. 7 Buchst. a EBS verwendete Begriff des „Grundstücks“ müsse restriktiv dahingehend verstanden werden, dass lediglich das jeweilige Flurstück gemeint sei. Ausgehend davon müsse für jedes Flurstück die Höchstzahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse gesondert ermittelt werden. Es sei unzulässig, die gesamte Grundstücksfläche einheitlich nach der lediglich auf einem Flurstück vorhandenen Höchstzahl von sechs Vollgeschossen zu behandeln. 23Schließlich komme vorliegend der am 1. Juni 2022 in Kraft getretene § 3 BauGB-AG NRW zur Anwendung. Nach dessen Absatz 2 sei eine Beitragserhebung ausgeschlossen, weil der Eintritt der Vorteilslage spätestens mit der Widmung am 25. Oktober 1996 erfolgt sei und im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes bereits mehr als 20 Jahre zurückgelegen habe. Lege man die Norm so aus, dass lediglich der Beitragsbescheid vor Ablauf von 20 Jahren erlassen worden sein müsse, so verstoße dies gegen den Grundsatz der Belastungsklarheit und überdies - im Verhältnis zu den Absatz 1 unterfallenden Konstellationen - gegen Art. 3 Abs. 1 GG, so dass die Vorschrift dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen sei. Zudem sei jedenfalls für die Teilstrecke der N.----straße zwischen L.-----straße und Meller Straße die Beitragserhebung nach § 3 Abs. 4 BauGB-AG NRW ausgeschlossen, weil mit den entsprechenden Bauarbeiten bereits vor 1985 begonnen worden sei. 24Die Klägerin beantragt, 25das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 19. September 2017 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 19. September 2016 in der Fassung der in der mündlichen Verhandlung vom 19. September 2017 durch die Beklagte erklärten Beitragsreduzierung auf 68.732,41 Euro aufzuheben. 26Die Beklagte beantragt, 27die Berufung zurückzuweisen. 28Sie trägt zur Begründung vor: Der Grunderwerb sei abgeschlossen. Bei den von der Klägerin thematisierten Flurstücken 1335 und 1339 handele es sich um solche, die aus den bereits zuvor als Straßenflächen im Eigentum der Beklagten stehenden Flurstücken 1271 und 1277 herausparzelliert worden seien. Diese seien nicht im Grundbuch geführt worden und von der Buchungspflicht nach § 3 Abs. 2 GBO befreit gewesen. Gleiches gelte für die Teilungsvorgänge. 29Ein Abweichen vom im Erschließungsbeitragsrecht maßgeblichen Grundstücksbegriff des bürgerlichen Rechts - dem Buchgrundstück - bei der Veranlagung komme nicht in Betracht. Zwar treffe der maßgebliche Bebauungsplan für verschiedene Bereiche des Grundstücks unterschiedliche Festsetzungen. Weder die Unterteilung in Misch- und Gewerbegebiet noch die durch die sog. Perlschnüre erfolgte Trennung von Bereichen, in denen unterschiedliche Gebäudehöhen zulässig seien, rechtfertige jedoch eine daran anknüpfende Zuordnung der Erschließung zu den umliegenden Straßen. Das gesamte Grundstück erfahre vielmehr durch jede der angrenzenden Anlagen eine Gebrauchswerterhöhung. 30Für die Geschossanzahl sei die Höchstzahl der Vollgeschosse auf dem Grundstück maßgeblich und irrelevant, ob sich diese nur auf einen Teilbereich erstrecke. Der Gewerbezuschlag sei hingegen - wie von der Klägerin für richtig befunden - nur für die Teilfläche erhoben worden, die im Gewerbegebiet belegen sei. Die Berechnung für den als Mischgebiet ausgewiesenen Teil des Grundstücks habe ursprünglich einen Rechenfehler enthalten. Dieser sei korrigiert und der Beitrag um 16,89 Euro gesenkt worden. 31Die neu geschaffene Regelung des § 3 BauGB-AG NRW stehe einer Beitragserhebung nicht entgegen. Die Vorteilslage sei erst im Jahr 2012 mit dem Abschluss des Grunderwerbs eingetreten. Etwas anderes ergebe sich aber auch nicht, wenn man auf die Beendigung der technischen Herstellung im Jahr 1996 abstelle. Da der Erschließungsbeitrag im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes bereits mit noch nicht bestandskräftigem Bescheid festgesetzt gewesen sei, komme die 20-Jahres-Frist des § 3 Abs. 2 BauGB-AG NRW zur Anwendung. Diese führe auf einen Fristablauf mit dem 31. Dezember 2016. Maßgeblich sei allein, dass der streitgegenständliche Bescheid vor Fristablauf erlassen worden sei. Es komme allenfalls ein Ausschluss nach § 3 Abs. 4 BauGB-AG NRW in Betracht, weil mit den Bauarbeiten eines Teils der N.----straße (L.-----straße bis N1. Straße) bereits im Jahr 1985 begonnen worden sei. Insofern stehe aber wegen der in § 3 Abs. 4 Satz 2 BauGB-AG NRW vorgesehenen Begrenzung des Ausschlusses auf die entsprechende Teilstrecke allenfalls eine Neuberechnung im Raum. 32Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten. 33Entscheidungsgründe: 34Die Berufung hat keinen Erfolg. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet, weil der streitgegenständliche Bescheid vom 19. September 2016 in der Fassung vom 19. September 2017 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). 35Der Erschließungsbeitragsbescheid beruht auf §§ 127 ff. BauGB i. V. m. der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten. Ausgehend davon ist die sachliche Beitragspflicht entstanden (dazu I.) und die festgesetzte Beitragshöhe nicht zu beanstanden (dazu II.). Einer Beitragsfestsetzung steht auch nicht die am 1. Juni 2022 in Kraft getretene Regelung des § 3 BauGB-AG NRW entgegen (dazu III.). 36I. Die sachliche Beitragspflicht ist mit der Eintragung des Flurstücks 1338 in das Grundbuch am 4. Februar 2016 und dem damit zugleich erfolgten Abschluss des Grunderwerbs entstanden. 37Nach § 7 Abs. 1 Buchst. a EBS gehört zu den Merkmalen der endgültigen Herstellung von Straßen u. a., dass „die Stadt Eigentümerin der Flächen für die Erschließungsanlagen ist“. Eine Regelung dieses Inhalts ist im Allgemeinen so zu verstehen, dass die Gemeinde entweder die vermessenen Flächen von Dritten erworben oder die aus ihrem sonstigen Grundeigentum für die Erschließungsanlage bereitgestellten Flächen vermessen und von den anderen Grundstücken abgeschrieben haben sowie als Eigentümerin der so getrennten Flächen eingetragen sein muss. 38Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. November 1975- IV C 76.73 -, BeckRS 1975, 31291231; OVG NRW, Beschlüsse vom 8. Dezember 2008 - 15 A 528/08 -, juris Rn. 27, und vom 18. Juli 2008- 15 A 4139/06 -, juris Rn. 7, sowie Urteil vom 27. September 2002 - 3 A 2259/99 -, juris Rn. 26. 39Hintergrund dieser Auslegung ist die Überlegung, dass ein den Grunderwerb zum Herstellungsmerkmal bestimmender Ortsgesetzgeber aller Wahrscheinlichkeit nach mit seiner Satzung von den durch §§ 127 ff. BauGB eingeräumten Möglichkeiten in einem solchen Umfang Gebrauch machen will, dass alle Kosten, die unter § 128 BauGB fallen - mithin auch jene der Vermessung und Grundbucheintragung -, umgelegt werden können und auch dann nicht zu Lasten des allgemeinen Gemeindehaushalts gehen, wenn sie in der Kette der zur Herstellung der Erschließungsanlage aufzuwendenden Kosten - mehr oder weniger zufällig - als letzte entstanden sind. 40Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. November 1975- IV C 76.73 -, BeckRS 1975, 31291231; OVG NRW, Urteil vom 27. September 2002 - 3 A 2259/99 -, juris Rn. 28. 41Ausgehend von diesem Zweck bedarf die dargestellte Rechtsprechung der Konkretisierung für den Fall, dass ein Grundstück nach § 3 Abs. 2 GBO im Grundbuch nicht geführt wird. Nach dieser Vorschrift erhalten u. a. Grundstücke der Gemeinden sowie die öffentlichen Wege ein Grundbuchblatt nur auf Antrag des Eigentümers oder eines Berechtigten. War danach für die Fläche, aus der Teilstücke für die Erschließungsanlage herausparzelliert worden sind, zuvor kein Grundbuchblatt angelegt, und wird ein entsprechender Antrag - mit der Folge des Anlegens eines entsprechenden Grundbuchblattes nebst Eintragung der Gemeinde als Eigentümerin - auch nicht im Zuge der Parzellierung gestellt, bedarf es für die Entstehung der Beitragspflicht der Grundbucheintragung der Gemeinde abweichend vom oben dargestellten Grundsatz nicht. Denn das Erfordernis der Eintragung der Gemeinde für den Abschluss des Grunderwerbs soll lediglich sicherstellen, dass auch die damit verbundenen Kosten zum abrechenbaren Erschließungsaufwand gehören. Entstehen Kosten für eine Grundbucheintragung aber gar nicht, weil kein Antrag auf Anlegung eines Grundbuchblatts gestellt wird, besteht kein Grund für die Anknüpfung an den Eintrag als Voraussetzung für die Entstehung der Beitragspflicht. In diesem Fall bedarf es für die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht vielmehr (nur) der Eintragung der Änderungen im Liegenschaftskataster sowie des Eingangs des für die Vermessung und Flurstücksbildung erteilten Gebührenbescheides. 42Gemessen daran ist das Herstellungsmerkmal des Grunderwerbs vorliegend erfüllt, weil die Beklagte nicht nur Eigentümerin der gesamten Fläche der Erschließungsanlage ist, sondern darüber hinaus bei sämtlichen Grundstücken, deren Flächen nur teilweise zur Erschließungsanlage gehört hatten, diese Teilflächen vermessen und abgeschrieben hat. Soweit nach dem vorgehend Dargestellten erforderlich, ist die Beklagte auch als Eigentümerin der Flächen im Grundbuch eingetragen. Dies gilt namentlich für die Teilflächen der ehemaligen Flurstücke 289 und 738, an deren Vermessung und Abschreibung es im Jahr 2013 ausweislich der damaligen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung noch gefehlt hatte. 43Der Umstand, dass eine Grundbucheintragung der Beklagten im Hinblick auf die zur Fläche der Erschließungsanlage gehörenden Flurstücke 1335 und 1339 unterblieben ist, hindert die Entstehung der Beitragspflicht hingegen nicht. Diese Flurstücke sind durch Parzellierung der vormaligen Flurstücke 1271 und 1277 entstanden, die bereits vor ihrer Teilung im Eigentum der Beklagten standen und deshalb nach § 3 Abs. 2 GBO nicht im Grundbuch erfasst waren. Eine Eintragung ist auch im Zuge der Parzellierung nicht erfolgt und musste auch grundbuchrechtlich nicht erfolgen. Gleiches gilt - ohne dass dies für die Entstehung der Beitragspflicht relevant wäre - im Hinblick auf die durch die notwendige Abschreibung entstandenen Flurstücke 1336 und 1340, die außerhalb der Erschließungsanlage liegen. Die Teilung der Flurstücke ist im Liegenschaftskataster ausweislich der Mitteilungen des Amtes für Geoinformation und Kataster vom 6. Januar 2016 (Flurstück 1335) und vom 20. Januar 2016 (Flurstück 1339) übernommen worden, wobei die Fortführungsmitteilungen jeweils auf die Befreiung von der Buchungspflicht Bezug nehmen. Die Gebührenbescheide für Vermessung und Flurstücksbildung lagen am 11. Januar bzw. am 1. Februar 2016 bei der Beklagten vor. 44Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang ausführt, die Nicht-Buchung der parzellierten Flurstücke müsse in den Veränderungsnachweisen des Grundbuchs vermerkt sein, besteht ein solches Erfordernis schon deswegen nicht, weil bereits für die Flurstücke 1271 und 1277, aus denen die neuen Flurstücke 1335, 1336, 1339 und 1340 hervorgegangen sind, nach § 3 Abs. 2 GBO keine Grundbuchblätter angelegt waren. Insofern bedarf es auch keines Nachweises in den Grundakten, wie diese Flurstücke fortgeführt werden. Schließlich hätte ein derartiges Versäumnis nach dem oben Gesagten auch keinen Einfluss auf die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht, weil mit der Vorlage eines (hier bereits erstellten) Veränderungsnachweises beim Grundbuchamt keine Kosten einhergehen. 45II. Der Erschließungsbeitrag ist nicht zu Lasten der Klägerin zu hoch festgesetzt. Das Grundstück ist mit seiner gesamten Fläche bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwands zu berücksichtigen (dazu 1.). Der zur Anwendung kommende Artzuschlag beträgt 280 %; Vergünstigungen sind nicht zu gewähren (dazu 2.). 461. a) Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das gesamte unter Nr. 24 des Bestandsverzeichnisses im Grundbuch geführte Grundstück, d. h. alle 14 Flurstücke, der Veranlagung zu Grunde zu legen sind. Im Rahmen der erschließungsbeitragsrechtlichen Aufwandsverteilung ist im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit grundsätzlich vom bürgerlich-rechtlichen Grundstücksbegriff im Sinne des Grundbuchrechts auszugehen (formeller Grundstücksbegriff). Unter einem Grundstück in diesem Sinne ist ein solcher Teil der Erdoberfläche zu verstehen, der auf einem besonderen Grundbuchblatt unter einer besonderen Nummer im Verzeichnis der Grundstücke gebucht ist. Nur ausnahmsweise können Aspekte des Vorteilsausgleichs dazu führen, dass von diesem - hier alle Flurstücke erfassenden - Grundstücksbegriff abzuweichen ist. Die Verkleinerung eines Grundstücks im bürgerlich-rechtlichen Sinn kommt dabei nur dann in Betracht, wenn von einem beplanten Buchgrundstück nur ein Teil bebaubar oder erschließungsbeitragsrechtlich relevant nutzbar, der übrige abgrenzbare Teil aber schlechthin von einer Bebaubarkeit ausgeschlossen ist (vgl. § 133 Abs. 1 Satz 1 BauGB). 47Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1977 - IV C 35.74 -, juris Rn. 12 f. 48Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben; das gesamte klägerische Grundstück, das überwiegend im Gewerbegebiet und zu einem nur geringen Teil im Mischgebiet liegt, ist baulich nutzbar und auch tatsächlich weitgehend bebaut. 49b) Auch die Erschließungswirkung der Anlage erstreckt sich auf das gesamte Grundstück der Klägerin. Auszugehen ist davon, dass bei einem beplanten Grundstück, das an eine Anbaustraße angrenzt und durch diese erschlossen wird, grundsätzlich die gesamte vom Bebauungsplan erfasste Fläche als durch die Anlage erschlossen anzusehen ist, und zwar auch dann, wenn das Grundstück zusätzlich noch an eine andere Anbaustraße angrenzt. Von diesem Grundsatz kann eine Ausnahme zu machen sein, wenn sich die von einer Anbaustraße ausgehende Erschließungswirkung eindeutig auf eine Teilfläche des Grundstücks beschränkt. Das ist beispielsweise der Fall, wenn ein übergroßes Grundstück zwei ihrem Charakter nach völlig unterschiedlichen Baugebieten angehört und der Bebauungsplan die Teilflächen an verschiedene Anbaustraßen anbindet. Derartige planerische Festsetzungen begründen die Vermutung einer ihnen entsprechenden Begrenzung der Erschließungswirkung. Diese Vermutung kann jedoch durch die tatsächlichen Umstände widerlegt werden, und sie wird jedenfalls dann widerlegt, wenn bei einer solchen Sachlage die Voraussetzungen erfüllt sind, bei deren Vorliegen das Erschlossensein des rückwärtigen Grundstücksteils selbst dann zu bejahen wäre, wenn es sich um ein selbständiges Hinterlieger(buch)grundstück desselben Eigentümers handelte. Das liegt als Konsequenz auf der Hand. Denn die Anforderungen an das Erschlossensein des rückwärtigen Teils eines an eine Anbaustraße angrenzenden Buchgrundstücks können nicht höher sein als die Anforderungen an das Erschlossensein eines Hinterliegergrundstücks, wenn dieses und das trennende Anliegergrundstück im Eigentum derselben Person stehen. 50Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Februar 1989 - 8 C 78.88 -, juris Rn. 23 f. m. w. N. 51Hinterliegergrundstücke sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als erschlossen anzusehen und lösen eine Beitragspflicht aus, wenn das Hinterliegergrundstück durch eine dauerhafte, rechtlich gesicherte Zufahrt mit der Anlage verbunden ist. Doch auch ohne eine solche Zufahrt ist ein Erschlossensein des Hinterliegergrundstücks anzunehmen, wenn entweder das Hinterliegergrundstück zwar durch ein selbständig bebaubares Anliegergrundstück desselben Eigentümers von der Erschließungsanlage getrennt, jedoch tatsächlich durch eine Zufahrt über dieses Grundstück mit der Anlage verbunden ist, oder wenn bei Eigentümeridentität Hinter- und Anliegergrundstück zulässigerweise einheitlich genutzt werden. 52Vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Januar 1988 - 8 C 111.86 -, juris Rn. 17 ff., vom 23. Februar 1989- 8 C 78.88 -, juris Rn. 24, vom 12. November 2014 - 9 C 4.13 -, juris Rn. 13, und vom 7. März 2017 - 9 C 20.15 -, juris Rn. 39, sowie Beschluss vom 6. September 2018 - 9 C 8.18 -, juris Rn. 10, 16. 53Ausgehend davon kann hier dahinstehen, ob die planerischen Festsetzungen die Vermutung für eine begrenzte Erschließungswirkung der Anlage N.----straße für das klägerische Grundstück begründen. Dagegen spricht - wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat -, dass keine Baufenster festgelegt wurden, deren Erschließung einer bestimmten Anbaustraße zugeordnet worden sein könnte, sondern die Grundstückfläche - vorbehaltlich des insofern zulässigen Maßes der baulichen Nutzung - insgesamt überbaubar ist. Ferner handelt es sich bei den abgegrenzten Teilbereichen unterschiedlicher Nutzungsmöglichkeiten - eine Mischgebietsfläche im Nordwesten sowie Gewerbegebietsflächen - nicht um völlig unterschiedliche Baugebiete. Den damit verbundenen Fragen muss der Senat jedoch nicht weiter nachgehen. Denn die (unterstellte) Vermutung für eine begrenzte Erschließungswirkung wird jedenfalls durch die tatsächlichen Umstände widerlegt, weil die rückwärtigen Grundstücksteile - etwa die potentiell auf die T.-------straße ausgerichtete Mischgebietsfläche - auch dann als erschlossen anzusehen wären, wenn es sich um ein selbständiges Hinterlieger(buch)grundstück desselben Eigentümers handelte. Dies folgt hier daraus, dass das Grundstück in zulässiger Weise einheitlich gewerblich genutzt wird. 542. Auf die nach § 4 Abs. 11 EBS maßgebliche Grundstücksfläche von 13.885 qm ist der die Art und das Maß der baulichen Nutzung berücksichtigende Zuschlag in Höhe von 280 v. H. nach § 4 Abs. 3 EBS für eine sechsgeschossige Bebaubarkeit im Gewerbegebiet anzuwenden. 55a) Das klägerische Grundstück unterfällt dem Regime des § 4 Abs. 3 EBS, der die Höhe der Zuschläge für Grundstücke „in Kern-, Gewerbe- und Industriegebieten sowie in Gebieten [regelt], die entsprechende Festsetzungen aus der Zeit vor Inkrafttreten der Baunutzungsverordnung vom 26.06.1962 (BGBl. I S. 429) enthalten“. Es handelt sich bei dem Grundstück um ein solches in einem Gewerbegebiet im Sinne der Vorschrift, auch wenn nach dem Bebauungsplan für die Teilfläche im Nordwesten die Festsetzung „Mischgebiet“ erfolgt ist. Dies ergibt sich daraus, dass die im Mischgebiet liegende Fläche des (einheitlichen) Grundstücks weniger als 50 % der Gesamtfläche beträgt, und beruht in diesem Zusammenhang auf folgenden Überlegungen: 56Die Satzungsregelung in § 4 EBS zur Höhe des Zuschlags nach Art und Maß der baulichen Nutzung differenziert im Ausgangspunkt - lässt man die hier unerhebliche Sonderkonstellation der ausschließlichen Festlegung von Baumassezahlen (Absatz 4) außer Betracht - zwischen Grundstücken in Kern-, Gewerbe- und Industriegebieten bzw. Gebieten mit entsprechenden Festsetzungen (Absatz 3, sog. gebietsbezogener Artzuschlag) und sonstigen Grundstücken (Absatz 2). Mangels anderweitiger Anhaltspunkte in der Satzung ist dabei davon auszugehen, dass der Begriff des Grundstücks in § 4 Abs. 3 EBS nach den allgemeinen im Erschließungsbeitragsrecht geltenden Grundsätzen zu bestimmen ist, hier also der bürgerlich-rechtliche Grundstücksbegriff zur Anwendung kommt. 57Danach liegt das Grundstück mit 85 % seiner Gesamtfläche in einem festgesetzten Gewerbegebiet und im Übrigen in einem Mischgebiet. Die Erschließungsbeitragssatzung enthält indes weder eine Begrenzung des höheren Zuschlags nach § 4 Abs. 3 EBS auf die im Gewerbegebiet belegene Teilfläche („soweit“) noch eine sonstige ausdrückliche (Sonder-)Regelung für derartige Konstellationen. Aus diesem Grund kommt lediglich die Anwendung der Regelung in Absatz 3 oder - wenn deren Voraussetzungen nicht erfüllt sind - der „Auffangregelung“ des Absatz 2 jeweils in Bezug auf das gesamte Grundstück in Betracht. Für die Erhebung unterschiedlicher, zwischen den Teilflächen differenzierender Zuschläge, wie sie die Beklagte vorgenommen hat, bietet der Normtext hingegen keinen Anhalt. 58Dies zugrunde gelegt, ist § 4 Abs. 3 EBS auch auf solche Grundstücke anzuwenden, deren im Gewerbe-, Kern- oder Industriebetrieb liegender Flächenanteil mehr als 50 % beträgt. Zwar ließe der Wortlaut der Vorschrift auch Raum für eine noch weitergehende Auslegung, nach der jegliche in einem der genannten Gebiete liegende Teilfläche eines Grundstücks - unabhängig von ihrer Größe - den gebietsbezogenen Artzuschlag auslöst. Allerdings sprechen Sinn und Zweck der Regelung sowie systematische Aspekte für das dargestellte restriktivere Verständnis. Der im Vergleich zu den sonstigen Grundstücken erhöhte, die Art der baulichen Nutzung berücksichtigende Zuschlag für Grundstücke in Gewerbe- und Industriegebieten dient dem Grundsatz der Vorteilsgerechtigkeit. Die durch die Inanspruchnahmemöglichkeit einer hergestellten Straße ausgelösten Erschließungsvorteile für gewerblich und industriell genutzte Grundstücke fallen im Vergleich zu anderen Nutzungsarten erheblich größer aus. 59Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2015 - 9 C 28.14 -, juris Rn. 16; OVG NRW, Beschluss vom 28. Mai 2010 - 15 A 3231/07 -, juris Rn. 47. 60Der mit der Belegenheit im beplanten Gewerbe- und Industriegebiet bei typisierender Betrachtung verbundene erhöhte Erschließungsvorteil setzt aber voraus, dass das Grundstück zumindest mit einem relevanten Anteil einer entsprechenden Festsetzung unterliegt. Bei der Höhe dieses Anteils ist aus systematischen Erwägungen auf die Regelungen des § 4 Abs. 9 Satz 2 und 3 EBS zurückzugreifen. Für den dort normierten, sog. grundstücksbezogenen Artzuschlag, der für im unbeplanten Bereich liegende Grundstücke gilt, hat der Satzungsgeber zum Ausdruck gebracht, dass im Falle eines Zusammentreffens von qualifizierten und sonstigen Nutzungsarten der Zuschlag des Absatz 3 nur bei einem Überwiegen der qualifizierten Nutzung zur Anwendung gelangen soll. Der Gesichtspunkt der auch in dieser Konstellation zu berücksichtigenden Vorteilsgerechtigkeit sowie der aus § 4 Abs. 9 Satz 2 und 3 EBS abzuleitende mutmaßliche Wille des Satzungsgebers sprechen für eine Übertragung der 50 + x %-Grenze auf den gebietsbezogenen Artzuschlag. 61b) Die gesamte Grundstücksfläche ist nach § 4 Abs. 3 EBS bei der Berechnung des Beitrags mit einem Zuschlag in Höhe von 280 v. H. zu berücksichtigen, weil von einer sechsgeschossigen Bebaubarkeit auszugehen ist. Mangels Festsetzung einer höchstzulässigen Geschosszahl (vgl. § 4 Abs. 5 EBS) oder Baumassenzahl (§ 4 Abs. 4 EBS) im Bebauungsplan ist nach § 4 Abs. 7 Buchst. a EBS die Höchstzahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse maßgebend. Aufgrund des Befreiungsbescheides der Beklagten vom 10. Juli 1987 wurde das Produktionsgebäude auf dem Buchgrundstück um das 5. Obergeschoss, auf mithin sechs Vollgeschosse, aufgestockt. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist im Hinblick auf die Höchstzahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse nicht nach den verschiedenen Flurstücken des Buchgrundstücks zu differenzieren, sondern bezieht sich der Zuschlag einheitlich auf die gesamte Grundstücksfläche. Zunächst bietet der Wortlaut der Satzung, der an das jeweilige „Grundstück“ anknüpft, für ein solches Verständnis keinen Anhalt. Im Rahmen der erschließungsbeitragsrechtlichen Aufwandsverteilung ist vielmehr, wie bereits dargelegt, im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit grundsätzlich vom bürgerlich-rechtlichen Grundstücksbegriff im Sinne des Grundbuchrechts auszugehen. Ferner setzt die nach der Satzung maßgebliche „Höchstzahl“ der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse auch nicht voraus, dass diese für sämtliche Flurstücke des Buchgrundstücks identisch ist, sondern nimmt ersichtlich - auch für den Fall „gestaffelter“ tatsächlich vorhandener Geschosszahlen - auf die höchste Geschosszahl Bezug. Eine solche Satzungsregelung ist rechtlich nicht zu beanstanden und insbesondere mit dem Grundsatz der Vorteilsgerechtigkeit zu vereinbaren. 62Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1986- 8 C 9.86 -, juris Rn. 36 f.; OVG NRW, Beschluss vom 24. August 2017 - 15 A 705/15 -, juris Rn. 12 ff. m. w. N. (jeweils zu einer Regelung, die auf die „höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse“ abstellt); vgl. ferner OVG NRW, Beschluss vom 13. August 2018 - 15 A 1869/17 -, juris Rn. 10 ff. (zum Straßenausbaubeitragsrecht). 63c) Ob für das Grundstück der Klägerin eine Vergünstigung nach § 5 EBS zu gewähren war, weil es durch mehrere Erschließungsanlagen erschlossen wird, kann dahinstehen. Die dadurch eintretende Ermäßigung auf zwei Drittel (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 1 EBS) wäre nach § 5 Abs. 4 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 EBS jedenfalls auf eine 900 qm große Teilfläche beschränkt. Die sich daraus potentiell für die Klägerin ergebende Reduktion ist daher deutlich geringer als der Mehrbetrag, der sich aus der zutreffenden Anwendung des Zuschlags in Höhe von 280 v. H. auch für die Mischgebietsfläche ergibt (2.119 qm, die mit einem Zuschlag von nur 115 v. H. statt 280 v. H. berücksichtigt worden sind). Im Übrigen spricht aber auch Vieles für die vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegte Auffassung, dass auf das klägerische Grundstück die Eckgrundstücksvergünstigung nach § 5 Abs. 5 Buchst. a EBS keine Anwendung findet, weil es ganz überwiegend im Gewerbegebiet belegen ist und insofern die Ausführungen zu § 4 Abs. 3 EBS entsprechend gelten. Darüber hinaus dürfte die Begrenzung der Vergünstigung nach § 5 Abs. 2 Satz 2 EBS auf die an der Ecke belegene Teilfläche des jeweiligen Grundstücks bezogen sein, die hier gerade im Gewerbegebiet liegt. 64Auch etwaige, von der Klägerin angesprochene Rechenfehler in Höhe eines zweistelligen Betrags, die die Beklagte zudem bereits in gewissem Umfang eingeräumt und den Bescheid insoweit im erstinstanzlichen Verfahren aufgehoben hat, hätten jedenfalls einen geringeren Umfang als der durch den höheren Zuschlag entstehende Mehrbetrag. 65III. Einer Beitragsfestsetzung steht schließlich auch weder die am 1. Juni 2022 in Kraft getretene Regelung des § 3 BauGB-AG NRW noch das Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit entgegen. 661. Gemäß § 3 Abs. 1 BauGB-AG NRW ist die Festsetzung von Erschließungsbeiträgen nach § 127 BauGB durch die Gemeinden unabhängig vom Entstehen der Beitragspflicht mit Ablauf des zehnten Kalenderjahres, das auf den Eintritt der Vorteilslage folgt, ausgeschlossen. Für Erschließungsbeitragsbescheide, die - wie der streitgegenständliche - im Zeitpunkt des Inkrafttretens von Absatz 1 noch nicht bestandskräftig waren, beträgt die Frist nach der dem Absatz 1 vorgehenden Sonderregelung des § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB-AG NRW jedoch 20 Jahre. Diese Frist gilt nach Absatz 2 Satz 2 auch für die nach dem Inkrafttreten der Vorschrift erfolgende Erhebung von Erschließungsbeiträgen, wenn die Vorteilslage am 1. Juni 2022 bereits bestand. 67Die 20-jährige Frist ist vorliegend - ausgehend vom Eintritt der Vorteilslage im September 1996 - gewahrt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt es im Erschließungsbeitragsrecht für das Entstehen der Vorteilslage maßgeblich auf die tatsächliche - bautechnische - Durchführung der jeweiligen Erschließungsmaßnahme an, nicht jedoch darauf, ob darüber hinaus auch die weiteren, für den Betroffenen nicht erkennbaren rechtlichen Voraussetzungen für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht vorliegen. Entscheidend ist, ob die Anlage sowohl im räumlichen Umfang als auch in der bautechnischen Ausführung endgültig technisch fertiggestellt ist, d. h. dem gemeindlichen Bauprogramm für die flächenmäßigen und sonstigen Teileinrichtungen sowie dem technischen Ausbauprogramm vollständig entspricht. Unerheblich für den Eintritt der Vorteilslage ist hingegen das Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen für das Entstehen der sachlichen Beitragspflichten, wie die Widmung der Anlage, die planungsrechtliche Rechtmäßigkeit ihrer Herstellung, die Wirksamkeit der Beitragssatzung oder der vollständige Grunderwerb. 68Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 12. Dezember 2019 - 9 B 53.18 -, juris Rn. 7, und vom 6. September 2018 - 9 C 5.17 -, juris Rn. 55; anders zum - hier nicht vorliegenden - Sonderfall geringfügiger Abweichungen vom Bauprogramm OVG NRW, Urteil vom 20. April 2021 - 15 A 4037/19 -, juris Rn. 122 ff. 69Ausgehend davon ist die Vorteilslage vorliegend im September 1996 mit dem Abschluss der Bauarbeiten und der Abnahme des Werks erfolgt. 70Entgegen der Auffassung der Klägerin ist unerheblich, dass die Vorteilslage bei Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Juni 2022 bereits länger als 20 Jahre bestanden hat. Maßgeblich ist allein, dass der streitgegenständliche Bescheid vor Ablauf des 20. Jahres nach Eintritt der Vorteilslage erlassen worden ist. Denn die Vorschrift des § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB-AG NRW ist im Zusammenhang mit § 3 Abs. 1 BauGB-AG NRW zu lesen, der die „Festsetzung“ von Erschließungsbeiträgen nach Ablauf der Frist untersagt. Da die Beitragserhebung erst mit Ablauf des 20. Jahres, das auf den Eintritt der Vorteilslage folgt, ausgeschlossen ist, fällt das Fristende auf den 31. Dezember 2016. Der streitgegenständliche Beitragsbescheid ist aber bereits am 19. September 2016 und damit vor Fristablauf ergangen. 71Die Vorschrift des § 3 Abs. 2 BauGB-AG NRW verstößt - auch in der dargelegten Auslegung - nicht gegen Verfassungsrecht, weshalb das Verfahren entgegen dem Begehren der Klägerin nicht auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG vorzulegen war. 72Die wegen des Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit erforderliche, an den Eintritt der Vorteilslage anknüpfende Höchstfrist für die Beitragserhebung, die in Nordrhein-Westfalen bis zum Inkrafttreten des § 3 BauGB-AG NRW fehlte, 73vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 20. April 2021- 15 A 4037/19 -, juris Rn. 91 ff., 74ist nunmehr für Erschließungsbeiträge in der besagten Norm ausdrücklich geregelt. Die Vorschrift umfasst mit Absatz 2 auch „Altfälle“, d. h. insbesondere noch nicht bestandskräftige Beitragsbescheide, die - wie der streitgegenständliche - vor Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung erlassen worden waren. Die Einbeziehung dieser Fälle war angesichts einer entsprechenden Vorgabe an den Gesetzgeber in der das rheinland-pfälzische Erschließungsbeitragsrecht betreffenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geboten. 75Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. November 2021- 1 BvL 1/19 -, juris Rn. 92. 76Dieser Beschluss ist zwar nicht an den nordrhein-westfälischen Landesgesetzgeber adressiert und betrifft ihn daher nicht unmittelbar. Die rechtlichen Maßgaben lassen sich aber wegen der in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen vergleichbaren früheren Rechtslage übertragen. Danach stellt die adäquate Bemessung der zeitlichen Obergrenze für die Beitragserhebung eine primär dem Gesetzgeber überantwortete Frage dar. Er hat einen weiten Einschätzungsspielraum hinsichtlich des Ausgleichs zwischen allgemeinen Interessen und dem Interesse der in Anspruch zu nehmenden Bürgerinnen und Bürger. Je weiter aber der anspruchsbegründende Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Jedenfalls genügt eine 30-jährige Ausschlussfrist losgelöst von den Besonderheiten der Wiedervereinigung den Anforderungen des Gebots der Belastungsklarheit und-vorhersehbarkeit bei vorteilsausgleichenden Abgaben nicht, weil anders als im Falle des § 53 Abs. 2 Satz 1 VwVfG kein titulierter Anspruch vorliegt, sodass die Beitragspflichtigen nicht sicher wissen, ob, in welcher Höhe und wann sie zu einem Beitrag herangezogen werden. 77Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. November 2021- 1 BvL 1/19 -, juris Rn. 91 m. w. N. 78Diesen Maßgaben genügt die hier zur Anwendung kommende Frist des § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB-AG NRW, weil sie deutlich weniger als 30 Jahre beträgt. 79Die 20-Jahres-Frist des § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB-AG NRW verstößt schließlich auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsgleichheit. Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches seinem Wesen entsprechend ungleich zu behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen. Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt dem Gesetzgeber nicht alle Differenzierungen. Diese bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen. Aus dem Gleichheitssatz folgt für das Steuer- und Abgabenrecht der Grundsatz der Belastungsgleichheit. Bei der Auswahl des Abgabengegenstands sowie bei der Bestimmung von Beitragsmaßstäben und Abgabensatz hat der Gesetzgeber einen weitreichenden Gestaltungsspielraum. Werden Beiträge erhoben, verlangt Art. 3 Abs. 1 GG, dass die Differenzierung zwischen Beitragspflichtigen und nicht Beitragspflichtigen nach Maßgabe des Vorteils vorgenommen wird, dessen Nutzungsmöglichkeit mit dem Beitrag abgegolten werden soll. 80Vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014- 1 BvR 668/10, 1 BvR 2104/10 -, juris Rn. 47 ff. m. w. N. 81Daran gemessen wird die Regelung unterschiedlicher Höchstfristen für die Erhebung von Erschließungsvorteilen nach § 3 Abs. 1 und Abs. 2 BauGB-AG NRW dem Gebot der Belastungsgleichheit gerecht. Da die 20-Jahres-Frist nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB-AG NRW auch für die Abrechnung aller Erschließungsanlagen gilt, bei denen die Vorteilslage am 1. Juni 2022 bereits bestand, kommt die 10-Jahres-Frist letztlich nur dann zur Anwendung, wenn am 1. Juni 2022 noch keine Vorteilslage vorlag, eine Anlage also - vereinfacht gesagt - noch nicht technisch fertiggestellt war. 82Ausweislich der Gesetzesbegründung soll mit der im Vergleich zu Absatz 1 längeren Frist des Absatzes 2 für Bestands- und Altfälle die „Verkürzung“ der Erhebungsfrist abgefedert werden. 83Vgl. LT-Drs. 17/16916, S. 3. 84Der Vorschrift des § 3 Abs. 2 BauGB-AG NRW kommt damit die Funktion einer Übergangsregelung zu. Die unterschiedslose und sofortige Einführung der 10-Jahres-Frist aus § 3 Abs. 1 BauGB-AG NRW für alle Konstellationen, in denen noch kein bestandskräftiger Bescheid vorliegt, hätte zur Folge gehabt, dass die Kommunen in erheblichem Umfang bereits erhobene Erschließungsbeiträge zurückzahlen müssen und die Kosten für bereits hergestellte Erschließungsanlagen nicht mehr abrechnen können. Die dafür angefallenen Aufwendungen müssen in einem solchen Fall aus Haushaltsmitteln - und damit trotz Sondervorteil der grundsätzlich Beitragspflichtigen - von der Allgemeinheit getragen werden. Die Nichtheranziehung dieser „Altfälle“ trotz Erschließungsvorteils wegen Ablaufs der Höchstfrist ist ihrerseits jedenfalls dann unter Gerechtigkeitsaspekten problematisch, wenn die Kommunen sich - wie hier - auf die neue Rechtslage nicht ausreichend einstellen konnten und eine Heranziehung letztlich daran scheitert. 85Vgl. zur Verfassungskonformität anderer Übergangsregelungen bei Einführung einer an die Vorteilslage anknüpfenden Höchstfrist im Beitragsrecht LVerfG LSA, Urteil vom 24. Januar 2017 - LVG 1/16 -, KommJur 2017, 137, 140; BVerfG, Beschluss vom 16. September 2020- 1 BvR 1185/17 -, juris Rn. 3. 86Angesichts des letztgenannten Umstands sowie unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung des Senats, wonach auch ohne eine gesetzliche Regelung - sozusagen zumindest - eine Höchstgrenze von 30 Jahren einzuhalten war, 87vgl. OVG NRW, Urteil vom 20. April 2021 - 15 A 4037/19 -, juris Rn. 91 ff., 88ist die Flankierung der Einführung der 10-Jahres-Frist durch längere Übergangsfristen für Bestands- und Altfälle sachlich gerechtfertigt und verfassungsrechtlich unter Gleichheitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Die dabei vorgenommene Anknüpfung der Differenzierung an die Existenz eines Beitragsbescheides bzw. den Eintritt der Vorteilslage vor Inkrafttreten des § 3 BauGB-AG NRW ist rechtlich unbedenklich, weil in diesen Fällen bei Inkrafttreten des Gesetzes die Erhebungsfrist bereits lief und der Regelung insofern eine Rückwirkung zukommt. Der Einwand der Klägerin, dass die Differenzierung nach dem Vorliegen oder Nichtvorliegen eine Beitragsbescheides innerhalb der Frist zu einer Ungleichbehandlung führe, wenn einzelne Beitragspflichtige trotz gleicher Begünstigung einen Beitragsbescheid nicht rechtzeitig (innerhalb der Frist) erhielten, rechtfertigt keine andere Bewertung. Abgesehen davon, dass dies nach der Erhebungspraxis der Gemeinden der Ausnahmefall sein dürfte, wäre die Ungleichbehandlung sachgerecht, weil bei Vorliegen eines Bescheides ein Vertrauen des Adressaten, von der Beitragspflicht verschont zu werden, in der Folge ausscheidet. 892. Die 25-Jahres-Frist des § 3 Abs. 4 Satz 1 BauGB-AG NRW steht der Rechtmäßigkeit des Bescheides ebenfalls nicht entgegen. Danach ist unabhängig von dem Eintritt der Vorteilslage die Festsetzung der Beitragspflicht für solche Erschließungsanlagen ausgeschlossen, wenn seit dem Beginn der erstmaligen technischen Herstellung mindestens 25 Jahre vergangen sind. Diese Vorschrift ist vorliegend schon nicht anwendbar. Nach ständiger Rechtsprechung richtet sich der maßgebliche Zeitpunkt der Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts nicht nach dem Prozessrecht, sondern nach dem jeweiligen materiellen Recht. Danach ergibt sich für die Anfechtungsklage im Allgemeinen, dass die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblich ist, es sei denn, das materielle Recht regelt etwas Abweichendes. 90Vgl. nur BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2011 - 8 C 11.10 -, juris, Rn. 17. 91Letzteres lässt sich lediglich für § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB-AG NRW feststellen, der ausdrücklich bereits vorhandene, aber noch nicht bestandskräftige Bescheide betrifft. Im Hinblick auf § 3 Abs. 4 BauGB-AG NRW fehlen indes Hinweise darauf, dass es für die rechtliche Beurteilung von Erschließungsbeitragsbescheiden auf einen späteren Zeitpunkt als den der letzten Behördenentscheidung ankommt, dass also auch vor dem Inkrafttreten des Gesetzes erlassene Bescheide unter die Regelung fallen. Denn die Vorschrift knüpft - ebenso wie Absatz 1 - allein an die (erst noch vorzunehmenden) Erhebung bzw. Festsetzung eines Erschließungsbeitrags an und sieht keine Rückwirkung vor. Die Einbeziehung nicht bestandskräftiger Bescheide in den Anwendungsbereich der Norm war auch aus verfassungsrechtlicher Perspektive nicht erforderlich, weil die Regelung in § 3 Abs. 4 BauGB-AG NRW nicht aus der dem Grundsatz der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit folgenden Pflicht zur Schaffung einer an den Eintritt der Vorteilslage anknüpfenden Höchstfrist erwächst, sondern eine darüber hinausgehende lediglich einfach-rechtlich begründete zeitliche Obergrenze für die Beitragserhebung darstellt. Das oben erwähnte, vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene Gebot der Einbeziehung von Altfällen, 92vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. November 2021- 1 BvL 1/19 -, juris Rn. 92, 93erstreckt sich mithin nicht auf die Frist des § 3 Abs. 4 BauGB-AG NRW. 94Zudem enthalten auch die Gesetzesmaterialien keinen Hinweis darauf, dass die Vorschrift auf vor dem 1. Juni 2022 erlassene Erschließungsbeitragsbescheide Anwendung finden soll. 95Vgl. die Ausführungen zur Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB-AG NRW in LT-Drs. 17/16916, S. 4. 96Der dort enthaltene Hinweis auf Art. 5a Abs. 7 BayKAG, an dem sich die nordrhein-westfälische Norm orientiert, spricht vielmehr ebenfalls gegen eine Anwendung auf schon vor dem Inkrafttreten der Norm erlassene Bescheide. Die in Bezug genommene bayerische Regelung ist zwar durch das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 8. März 2016 (GVBl. 36) erlassen worden, trat aber erst am 1. April 2021 in Kraft (vgl. § 2 Abs. 2), sodass den Kommunen sogar noch einige Jahre verblieben, um Anlagen, die diesen Maßgaben nicht entsprachen, noch abzurechnen (vgl. auch Art. 13 Abs. 6 BayKAG). 97Vgl. Bay. LT-Drs. 17/8225, S. 6. 98Auch in Bayern findet die Ausschlussfrist dementsprechend grundsätzlich nur Anwendung auf Bescheide, die nach dem Stichtag ergangen sind. 99Vgl. VG Ansbach, Beschluss vom 26. Mai 2021- AN 3 S 21.00729 -, juris Rn. 81; vgl. ferner VG München, Urteil vom 1. September 2021 - M 28 K 21.1559 -, juris Rn. 32 f. (zur Sonderkonstellation der erst nachträglich entstandenen Beitragspflicht). 100Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. 101Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711 ZPO. 102Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Revisionsgründe vorliegt.
die berufung wird zurückgewiesen. die klägerin trägt die kosten des berufungsverfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. die klägerin darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrags abwenden, wenn nicht die beklagte zuvor sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrags leistet. die revision wird nicht zugelassen. 1
2die beteiligten streiten über die rechtmäßigkeit der erhebung eines erschließungsbeitrags für die erstmalige herstellung einer teilstrecke der n.----straße zwischen der t.-------straße und der l.-----straße in c. . 3die klägerin ist eigentümerin einer aus 14 flurstücken bestehenden, 13.885 qm großen fläche, die im süden an die n.----straße , im westen an die t.-------straße und im norden teils unmittelbar an die k.-----------straße und teils - von dieser zurückspringend - an ein mit wohnblocks bebautes grundstück grenzt. diese in der flur 51 der gemarkung c. gelegenen flurstücke werden seit dem 23. juli 2007 im grundbuch von c. , blatt 12229, gemeinsam unter der laufenden nummer 24 geführt. auf dem mit mehreren gebäuden bebauten grundstück befindet sich ein betrieb zur arzneimittelherstellung. es liegt im geltungsbereich des im jahr 1999 in kraft getretenen bebauungsplans nr. ii/2/54.00 (n.----straße -west), der für den nordwestlichen, 2.119 qm umfassenden teil der grundstücksfläche mischgebiet, im übrigen gewerbegebiet festsetzt. baugrenzen sind nicht vorgesehen. 4die n.----straße verläuft von der t1.-------straße im westen bis zur t2. straße im osten in etwa in west-ost-richtung. der technische straßenbau der hier abgerechneten teilstrecke der n.----straße zwischen t.-------straße und l.-----straße wurde ausweislich des vorliegenden protokolls am 5. september 1996 abgenommen und - nach mängelbeseitigung - am 10. september 1996 endgültig abgeschlossen. nach fassung eines kostenspaltungsbeschlusses zog die beklagte die anlieger im jahr 1999 unter zurückstellung des seinerzeit noch nicht abgeschlossenen grunderwerbs zu erschließungsbeiträgen heran. in den folgejahren bemühte sich die beklagte letztlich erfolgreich um den erwerb der noch nicht in ihrem eigentum stehenden straßenflächen. zuletzt wurde das eigentum an dem flurstück 289, das teilweise im bereich der straßenfläche liegt, am 2. januar 2012 auf die beklagte umgeschrieben. 5mit bescheid vom 7. oktober 2013 zog die beklagte die klägerin hinsichtlich der grunderwerbskosten zu einem erschließungsbeitrag in höhe von 69.776,92 euro heran. diesen bescheid hob das verwaltungsgericht minden durch urteil vom 23. juni 2015 (5 k 3518/13) mit der begründung auf, dass die sachliche beitragspflicht mangels abschluss des grunderwerbs noch nicht entstanden sei. es fehle an der vermessung und abschreibung der der erschließung dienenden teilflächen der für den straßenbau erworbenen grundstücke (insbesondere der flurstücke 289 und 738). 6in der folge ließ die beklagte diejenigen teilflächen der flurstücke 289, 738, 1271 und 1277, die in der festgesetzten verkehrsfläche liegen, vermessen und abschreiben. während die aus dem flurstück 289 neu gebildeten flurstücke 1337 und 1338 am 4. februar 2016 und die aus dem flurstück 738 neu gebildeten flurstücke 945 und 946 am 1. februar 2016 in das grundbuch eingetragen wurden, sah die beklagte hinsichtlich der aus den flurstücken 1271 und 1277 neu gebildeten flurstücke 1335 und 1336 bzw. 1339 und 1340 (zunächst) von einer eintragung in das grundbuch ab. für diese erteilte das katasteramt der beklagten flurstücks- und eigentumsnachweise, in denen auf die befreiung von der buchungspflicht nach § 3 abs. 2 gbo bezug genommen wird. 7mit bescheid vom 19. september 2016 zog die beklagte die klägerin hinsichtlich der grunderwerbskosten zu einem erschließungsbeitrag in höhe von 68.749,30 euro heran. dabei wendete sie auf diejenigen flächen, für die im bebauungsplan mischgebiet festgesetzt ist, einen art- und maßzuschlag von 115 v. h. sowie auf die im festgesetzten gewerbegebiet liegenden flächen einen zuschlag von 280 v. h. an. 8am 19. oktober 2016 hat die klägerin klage erhoben. zur begründung hat sie ausgeführt: die beitragspflicht sei nach wie vor nicht entstanden, weil der grunderwerb immer noch nicht vollständig abgeschlossen sei. soweit teilflächen von zuvor im grundbuch verzeichneten grundstücken ausgebucht worden seien, hätten diese ausbuchungen im grundbuch in den veränderungsnachweisen vermerkt werden müssen, um eine übereinstimmung von kataster und grundbuch herzustellen. dessen ungeachtet sei die bemessung des beitrags fehlerhaft. die beklagte habe zu unrecht die einzelnen in ihrem eigentum stehenden flurstücke zu einer wirtschaftlichen einheit zusammengefasst. der bebauungsplan enthalte eine auffällige trennlinie, die eine wirtschaftliche einheit von bebauten und unbebauten grundstücken ausschließe. fehlerhaft sei auch der zuschlag für sechsgeschossige bebaubarkeit. nach dem bebauungsplan sei das grundstück nur teilweise sechsgeschossig bebaubar. für das flurstück 1252 sei durch eine baurechtliche befreiung aus dem jahr 1987 lediglich eine fünfgeschossige bebauung zugelassen worden. weiterhin seien zahlreiche flurstücke nicht durch die n.----straße erschlossen, da sie durch auf anderen flurstücken errichtete baukörper von dieser getrennt seien. die nach dem bebauungsplan im mischgebiet gelegenen flächen seien nicht als faktisches gewerbegebiet im sinne von § 4 abs. 9 der satzung über die erhebung von erschließungsbeiträgen der stadt c. vom 14. juni 2010 (im folgenden: erschließungsbeitragssatzung - ebs -) anzusehen. außerdem sei ihr zu unrecht die sog. eckgrundstücksvergünstigung vorenthalten worden. die beitragserhebung verstoße zudem gegen das rechtsstaatsprinzip in seiner ausprägung als gebot der belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit, weil der wirtschaftliche vorteil durch die straßenbaumaßnahme bereits mit deren technischem abschluss vor mehr als 20 jahren eingetreten sei. schließlich seien der beklagten rechenfehler unterlaufen. nach deren eigenen vorgaben sei der festgesetzte erschließungsbeitrag für die im gewerbegebiet liegenden flächen um ca. 0,0115 euro und für die im mischgebiet liegenden flächen um ca. 26,99 euro überhöht. 9in der mündlichen verhandlung hat die beklagte den streitbefangenen erschließungsbeitrag um 16,89 euro auf 68.732,41 euro reduziert. insoweit haben die beteiligten das verfahren übereinstimmend in der hauptsache für erledigt erklärt. 10die klägerin hat beantragt, 11den streitbefangenen erschließungsbeitragsbescheid der beklagten vom 19. september 2016 in der gestalt der reduzierung vom 19. september 2017 aufzuheben. 12die beklagte hat beantragt, 13die klage abzuweisen. 14zur begründung hat sie vorgetragen, die sachliche beitragspflicht sei mit dem abschluss des grunderwerbs entstanden. die zur verkehrsfläche gehörenden flächen seien ausparzelliert und von ihrem übrigen grundvermögen getrennt worden. die neu entstandenen flurstücke 1335 und 1339 seien dabei nicht in das grundbuch eingetragen worden, weil diese flächen nach § 3 abs. 2 gbo von der buchungspflicht befreit und auch zuvor nicht im grundbuch geführt worden seien. anders als flurstücke, die von privaten erworben würden und deshalb schon im grundbuch verzeichnet seien, würden wegeparzellen, die schon seit längerer zeit im eigentum der stadt stünden und als öffentliche verkehrsfläche gewidmet seien, häufig nicht im grundbuch gebucht. 15die vom heranziehungsbescheid erfassten flurstücke der klägerin bildeten eine wirtschaftliche einheit, da sie im grundbuch unter einer laufenden nummer verzeichnet seien. darüber hinaus würden sie auch einheitlich für gewerbliche zwecke genutzt. der durch die n.----straße vermittelte erschließungsvorteil erfasse die gesamte grundstücksfläche. auf die erreichbarkeit sämtlicher teile des grundstücks von dort aus komme es nicht an, zumal eine dafür hinderliche bebauung im einflussbereich der eigentümerin liege. das einheitliche grundstück sei nach § 4 abs. 7 ebs mit einem zuschlag für sechsgeschossige bebaubarkeit in die verteilung einzubeziehen, weil mit befreiungsbescheid vom 10. september 1987 für eine teilfläche eine aufstockung auf fünf obergeschosse genehmigt worden sei und sich mit dem erdgeschoss insgesamt sechs vollgeschosse ergäben. der artzuschlag nach § 4 abs. 3 ebs sei auf die im gewerbegebiet gelegenen flächen des grundstücks beschränkt worden, weil die satzung einen derartigen zuschlag für mischgebiete nicht vorsehe. eine eckgrundstücksvergünstigung komme auch für die im mischgebiet gelegene teilfläche nicht in betracht, weil diese so weit von der erschließungsanlage entfernt liege, dass sie nach § 5 abs. 2 ebs selbst dann keine vergünstigung erhalten würde, wenn das gesamte grundstück im mischgebiet läge. die berechnung des erschließungsbeitrags sei tatsächlich zu lasten der klägerin fehlerhaft, und zwar in höhe von 16,89 euro. 16das verwaltungsgericht hat die klage mit urteil vom 17. september 2017 abgewiesen. rechtsgrundlage des streitgegenständlichen bescheides seien §§ 127 ff. baugb i. v. m. der erschließungsbeitragssatzung (ebs) der beklagten. gemäß § 133 abs. 2 baugb entstehe die sachliche beitragspflicht mit der endgültigen herstellung der erschließungsanlage. gemäß § 7 abs. 1 buchst. a ebs setze die endgültige herstellung von straßen u. a. voraus, dass die stadt eigentümerin der flächen für die erschließungsanlagen sei. dieses herstellungsmerkmal sei aber nicht bereits dann erfüllt, wenn die straßenfläche im zivilrechtlichen eigentum der gemeinde stehe, sondern erst dann, wenn die der erschließung dienende fläche vermessen, von den anderen grundstücken abgeschrieben und die gemeinde als eigentümerin der so getrennten flächen im grundbuch eingetragen sei. in diesem sinne sei der grunderwerb nunmehr abgeschlossen, weil die beklagte bei sämtlichen grundstücken, deren fläche nur teilweise zur erschließungsanlage gehört hatte, die entsprechenden teilflächen vermessen und abgeschrieben habe. zwar habe sie nur die aus den vormaligen flurstücken 289 und 738 herausgetrennten neuen flurstücke 1338 (blatt 44078) und 946 (blatt 44079) unter ihrer eigentümerstellung in das grundbuch eintragen lassen, nicht aber die aus den vormaligen flurstücken 1271 und 1277 herausgetrennten neuen flurstücke 1335 und 1339. dies stehe dem abschluss des grunderwerbs aber nicht entgegen. das herstellungsmerkmal „eigentümerin der flächen für die erschließungsanlagen“ sei dahingehend auszulegen, dass sämtliche unter § 128 baugb fallenden kosten des grunderwerbs und damit auch die kosten der grundbucheintragung erfasst werden sollten. entstünden solche eintragungskosten im einzelfall aber nicht, weil die gemeinde von ihrem wahlrecht aus § 3 abs. 2 gbo gebrauch mache und von einer erstmaligen eintragung der schon länger in ihrem eigentum stehenden, nicht der buchungspflicht nach § 3 abs. 1 gbo unterliegenden verkehrsflächen absehe, sei der grunderwerb bezüglich solcher flächen mit dieser entscheidung abgeschlossen. durch die vom katasteramt ausgestellten flurstücks- und eigentumsnachweise bezüglich der flurstücke 1335 und 1339 vom 5. januar 2016 bzw. vom 19. januar 2016 seien die eigentumsverhältnisse auch insoweit hinreichend dokumentiert. 17die bemessung des dem grunde nach entstandenen beitrags sei jedenfalls nicht zu lasten der klägerin fehlerhaft. die beklagte habe zu recht die gesamte fläche der im erschließungsbeitragsbescheid aufgeführten flurstücke als ein einheitliches grundstück im beitragsrechtlichen sinne angesehen. auch eine ausnahme von dem grundsatz, dass das gesamte buchgrundstück als von der anlage erschlossen anzusehen sei, liege nicht vor. den festsetzungen des bebauungsplans nr. ii/2/54.00 lasse sich eine zweifelsfreie zuordnung einzelner bereiche des buchgrundstücks zu einer bestimmten erschließungsanlage nicht entnehmen. gemäß § 4 abs. 3 ebs sei der betrag der nach § 4 abs. 2 satz 1 i. v. m. abs. 11 ebs maßgeblichen grundstücksfläche um einen die art und das maß der baulichen ausnutzbarkeit berücksichtigenden zuschlag in höhe von 280 v. h. der grundstücksfläche zu erhöhen, weil das grundstück im sinne dieser regelung „im gewerbegebiet“ liege und mit bis zu sechs vollgeschossen bebaut sei. die regelung finde auch dann anwendung, wenn ein grundstück - wie hier - nicht vollständig in einem gewerbegebiet liege. für eine rechnerische aufteilung des grundstücks in eine zuschlagspflichtige gewerbegebiets- und eine zuschlagsfreie mischgebietsteilfläche, wie sie die beklagte vorgenommen habe, gebe die regelung in § 4 abs. 2 und 3 ebs nichts her. 18zu recht sei die beklagte von einer sechsgeschossigen bebaubarkeit des grundstücks ausgegangen. denn nach § 4 abs. 7a) ebs sei bei grundstücken in beplanten gebieten, für die der bebauungsplan weder die anzahl der vollgeschosse noch die baumassenzahl festsetze, die höchstzahl der tatsächlich vorhandenen vollgeschosse maßgebend. aufgrund des befreiungsbescheides der beklagten vom 10. juli 1987 sei das produktionsgebäude auf dem buchgrundstück um das 5. obergeschoss, auf mithin sechs vollgeschosse, aufgestockt worden. 19eine sog. eckgrundstücksvergünstigung wegen der erschließung des grundstücks durch mehrere erschließungsanlagen scheide nach § 5 abs. 5 buchst. a ebs für grundstücke in gewerbegebieten aus, zu denen - ungeachtet der teilfläche im mischgebiet - auch das streitbefangene grundstück zähle. ob der beklagten bei der beitragsberechnung im streitbefangenen erschließungsbeitragsbescheid ein rechnerischer fehler in höhe von ca. 36 euro unterlaufen sei, wie die klägerin meine, könne offen bleiben, weil insoweit eine rechtsverletzung zu ihren lasten ausgeschlossen sei. denn der von der beklagten festgesetzte erschließungsbeitrag sei durch die rechtsfehlerhafte beschränkung des erhöhten artzuschlags auf die von der gewerbegebietsfestsetzung erfasste teilfläche hinter der für das streitbefangene grundstück entstandenen sachlichen beitragspflicht zurückgeblieben, und zwar in einem umfang, der den betrag des angeblichen rechenfehlers bei weitem übertreffe. 20die beitragserhebung verstoße schließlich auch nicht gegen das im rechtsstaatsprinzip verankerte gebot der belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit. danach sei die festsetzung von erschließungsbeiträgen nach der in nordrhein-westfalen geltenden rechtslage ausgeschlossen, wenn zwischen dem entstehen einer abzugeltenden vorteilslage und dem bescheiderlass mehr als 30 jahre vergangen seien. dies sei hier nicht der fall. 21zur begründung ihrer mit beschluss vom 8. november 2019 vom senat zugelassenen berufung führt die klägerin aus: die vom verwaltungsgericht vorgenommene auslegung des § 3 abs. 2 gbo greife zu kurz. nach der parzellierung der ehemaligen flurstücke 1271 und 1277 müssten die aus den genannten flurstücken gebildeten neuen flurstücke, die zur straßenfläche der n.----straße gehörten, zwar nicht in das grundbuch eingebucht werden, allerdings müsse ihre nicht-buchung in den veränderungsnachweisen des grundbuchs vermerkt sein. diesen anforderungen sei im hinblick auf die flurstücke 1335 und 1339 nicht genüge getan, weshalb die sachliche beitragspflicht bislang nicht entstanden sei. der beitrag sei ferner der höhe nach unrichtig, weil die erschließungswirkung der n.----straße planerisch eindeutig auf eine teilfläche des klägerischen grundstücks begrenzt sei. den festsetzungen des bebauungsplans lasse sich eine zuordnung einzelner bereiche des buchgrundstücks zu bestimmten erschließungsanlagen entnehmen. durch sog. perlschnüre seien einzelne teilbereiche des grundstücks verschiedenen nutzungsmöglichkeiten (mischgebietsfläche im nordwesten sowie mehrere gewerbegebietsflächen) zugeordnet worden. diese teilflächen, für die jeweils ein unterschiedliches maß und eine unterschiedliche art der baulichen nutzung festgesetzt seien, könnten angesichts ihrer lage jeweils (nur) einer bestimmten anbaustraße zugeordnet werden. 22soweit das verwaltungsgericht den artzuschlag nach § 4 abs. 3 ebs auch auf solche grundstücke erstreckt habe, die nur teilweise im gewerbegebiet lägen, lasse sich dies mit der genannten satzungsnorm nicht in einklang bringen. weder der wortlaut der vorschrift noch der gedanke der vorteilsgerechtigkeit gäben etwas für ein solches verständnis her. der größere vorteil, den die festsetzung als gewerbegebiet mit sich bringe, beschränke sich auf den entsprechenden teilbereich des grundstücks. die gesamte grundstücksfläche sei deshalb in zuschlagspflichtige gewerbegebiets- und zuschlagsfreie mischgebietsflächen aufzuteilen. das verwaltungsgericht gehe ferner zu unrecht von einer sechsgeschossigen bebaubarkeit der gesamten grundstücksfläche aus. der in § 4 abs. 7 buchst. a ebs verwendete begriff des „grundstücks“ müsse restriktiv dahingehend verstanden werden, dass lediglich das jeweilige flurstück gemeint sei. ausgehend davon müsse für jedes flurstück die höchstzahl der tatsächlich vorhandenen vollgeschosse gesondert ermittelt werden. es sei unzulässig, die gesamte grundstücksfläche einheitlich nach der lediglich auf einem flurstück vorhandenen höchstzahl von sechs vollgeschossen zu behandeln. 23schließlich komme vorliegend der am 1. juni 2022 in kraft getretene § 3 baugb-ag nrw zur anwendung. nach dessen absatz 2 sei eine beitragserhebung ausgeschlossen, weil der eintritt der vorteilslage spätestens mit der widmung am 25. oktober 1996 erfolgt sei und im zeitpunkt des inkrafttretens des gesetzes bereits mehr als 20 jahre zurückgelegen habe. lege man die norm so aus, dass lediglich der beitragsbescheid vor ablauf von 20 jahren erlassen worden sein müsse, so verstoße dies gegen den grundsatz der belastungsklarheit und überdies - im verhältnis zu den absatz 1 unterfallenden konstellationen - gegen art. 3 abs. 1 gg, so dass die vorschrift dem bundesverfassungsgericht vorzulegen sei. zudem sei jedenfalls für die teilstrecke der n.----straße zwischen l.-----straße und meller straße die beitragserhebung nach § 3 abs. 4 baugb-ag nrw ausgeschlossen, weil mit den entsprechenden bauarbeiten bereits vor 1985 begonnen worden sei. 24die klägerin beantragt, 25das urteil des verwaltungsgerichts minden vom 19. september 2017 abzuändern und den bescheid der beklagten vom 19. september 2016 in der fassung der in der mündlichen verhandlung vom 19. september 2017 durch die beklagte erklärten beitragsreduzierung auf 68.732,41 euro aufzuheben. 26die beklagte beantragt, 27die berufung zurückzuweisen. 28sie trägt zur begründung vor: der grunderwerb sei abgeschlossen. bei den von der klägerin thematisierten flurstücken 1335 und 1339 handele es sich um solche, die aus den bereits zuvor als straßenflächen im eigentum der beklagten stehenden flurstücken 1271 und 1277 herausparzelliert worden seien. diese seien nicht im grundbuch geführt worden und von der buchungspflicht nach § 3 abs. 2 gbo befreit gewesen. gleiches gelte für die teilungsvorgänge. 29ein abweichen vom im erschließungsbeitragsrecht maßgeblichen grundstücksbegriff des bürgerlichen rechts - dem buchgrundstück - bei der veranlagung komme nicht in betracht. zwar treffe der maßgebliche bebauungsplan für verschiedene bereiche des grundstücks unterschiedliche festsetzungen. weder die unterteilung in misch- und gewerbegebiet noch die durch die sog. perlschnüre erfolgte trennung von bereichen, in denen unterschiedliche gebäudehöhen zulässig seien, rechtfertige jedoch eine daran anknüpfende zuordnung der erschließung zu den umliegenden straßen. das gesamte grundstück erfahre vielmehr durch jede der angrenzenden anlagen eine gebrauchswerterhöhung. 30für die geschossanzahl sei die höchstzahl der vollgeschosse auf dem grundstück maßgeblich und irrelevant, ob sich diese nur auf einen teilbereich erstrecke. der gewerbezuschlag sei hingegen - wie von der klägerin für richtig befunden - nur für die teilfläche erhoben worden, die im gewerbegebiet belegen sei. die berechnung für den als mischgebiet ausgewiesenen teil des grundstücks habe ursprünglich einen rechenfehler enthalten. dieser sei korrigiert und der beitrag um 16,89 euro gesenkt worden. 31die neu geschaffene regelung des § 3 baugb-ag nrw stehe einer beitragserhebung nicht entgegen. die vorteilslage sei erst im jahr 2012 mit dem abschluss des grunderwerbs eingetreten. etwas anderes ergebe sich aber auch nicht, wenn man auf die beendigung der technischen herstellung im jahr 1996 abstelle. da der erschließungsbeitrag im zeitpunkt des inkrafttretens des gesetzes bereits mit noch nicht bestandskräftigem bescheid festgesetzt gewesen sei, komme die 20-jahres-frist des § 3 abs. 2 baugb-ag nrw zur anwendung. diese führe auf einen fristablauf mit dem 31. dezember 2016. maßgeblich sei allein, dass der streitgegenständliche bescheid vor fristablauf erlassen worden sei. es komme allenfalls ein ausschluss nach § 3 abs. 4 baugb-ag nrw in betracht, weil mit den bauarbeiten eines teils der n.----straße (l.-----straße bis n1. straße) bereits im jahr 1985 begonnen worden sei. insofern stehe aber wegen der in § 3 abs. 4 satz 2 baugb-ag nrw vorgesehenen begrenzung des ausschlusses auf die entsprechende teilstrecke allenfalls eine neuberechnung im raum. 32wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird bezug genommen auf den inhalt der gerichtsakte sowie der beigezogenen verwaltungsvorgänge der beklagten. 33
34die berufung hat keinen erfolg. die klage ist zulässig, aber unbegründet, weil der streitgegenständliche bescheid vom 19. september 2016 in der fassung vom 19. september 2017 rechtmäßig ist und die klägerin nicht in ihren rechten verletzt (§ 113 abs. 1 satz 1 vwgo). 35der erschließungsbeitragsbescheid beruht auf §§ 127 ff. baugb i. v. m. der erschließungsbeitragssatzung der beklagten. ausgehend davon ist die sachliche beitragspflicht entstanden (dazu i.) und die festgesetzte beitragshöhe nicht zu beanstanden (dazu ii.). einer beitragsfestsetzung steht auch nicht die am 1. juni 2022 in kraft getretene regelung des § 3 baugb-ag nrw entgegen (dazu iii.). 36i. die sachliche beitragspflicht ist mit der eintragung des flurstücks 1338 in das grundbuch am 4. februar 2016 und dem damit zugleich erfolgten abschluss des grunderwerbs entstanden. 37nach § 7 abs. 1 buchst. a ebs gehört zu den merkmalen der endgültigen herstellung von straßen u. a., dass „die stadt eigentümerin der flächen für die erschließungsanlagen ist“. eine regelung dieses inhalts ist im allgemeinen so zu verstehen, dass die gemeinde entweder die vermessenen flächen von dritten erworben oder die aus ihrem sonstigen grundeigentum für die erschließungsanlage bereitgestellten flächen vermessen und von den anderen grundstücken abgeschrieben haben sowie als eigentümerin der so getrennten flächen eingetragen sein muss. 38vgl. bverwg, urteil vom 14. november 1975- iv c 76.73 -, beckrs 1975, 31291231; ovg nrw, beschlüsse vom 8. dezember 2008 - 15 a 528/08 -, juris rn. 27, und vom 18. juli 2008- 15 a 4139/06 -, juris rn. 7, sowie urteil vom 27. september 2002 - 3 a 2259/99 -, juris rn. 26. 39hintergrund dieser auslegung ist die überlegung, dass ein den grunderwerb zum herstellungsmerkmal bestimmender ortsgesetzgeber aller wahrscheinlichkeit nach mit seiner satzung von den durch §§ 127 ff. baugb eingeräumten möglichkeiten in einem solchen umfang gebrauch machen will, dass alle kosten, die unter § 128 baugb fallen - mithin auch jene der vermessung und grundbucheintragung -, umgelegt werden können und auch dann nicht zu lasten des allgemeinen gemeindehaushalts gehen, wenn sie in der kette der zur herstellung der erschließungsanlage aufzuwendenden kosten - mehr oder weniger zufällig - als letzte entstanden sind. 40vgl. bverwg, urteil vom 14. november 1975- iv c 76.73 -, beckrs 1975, 31291231; ovg nrw, urteil vom 27. september 2002 - 3 a 2259/99 -, juris rn. 28. 41ausgehend von diesem zweck bedarf die dargestellte rechtsprechung der konkretisierung für den fall, dass ein grundstück nach § 3 abs. 2 gbo im grundbuch nicht geführt wird. nach dieser vorschrift erhalten u. a. grundstücke der gemeinden sowie die öffentlichen wege ein grundbuchblatt nur auf antrag des eigentümers oder eines berechtigten. war danach für die fläche, aus der teilstücke für die erschließungsanlage herausparzelliert worden sind, zuvor kein grundbuchblatt angelegt, und wird ein entsprechender antrag - mit der folge des anlegens eines entsprechenden grundbuchblattes nebst eintragung der gemeinde als eigentümerin - auch nicht im zuge der parzellierung gestellt, bedarf es für die entstehung der beitragspflicht der grundbucheintragung der gemeinde abweichend vom oben dargestellten grundsatz nicht. denn das erfordernis der eintragung der gemeinde für den abschluss des grunderwerbs soll lediglich sicherstellen, dass auch die damit verbundenen kosten zum abrechenbaren erschließungsaufwand gehören. entstehen kosten für eine grundbucheintragung aber gar nicht, weil kein antrag auf anlegung eines grundbuchblatts gestellt wird, besteht kein grund für die anknüpfung an den eintrag als voraussetzung für die entstehung der beitragspflicht. in diesem fall bedarf es für die entstehung der sachlichen beitragspflicht vielmehr (nur) der eintragung der änderungen im liegenschaftskataster sowie des eingangs des für die vermessung und flurstücksbildung erteilten gebührenbescheides. 42gemessen daran ist das herstellungsmerkmal des grunderwerbs vorliegend erfüllt, weil die beklagte nicht nur eigentümerin der gesamten fläche der erschließungsanlage ist, sondern darüber hinaus bei sämtlichen grundstücken, deren flächen nur teilweise zur erschließungsanlage gehört hatten, diese teilflächen vermessen und abgeschrieben hat. soweit nach dem vorgehend dargestellten erforderlich, ist die beklagte auch als eigentümerin der flächen im grundbuch eingetragen. dies gilt namentlich für die teilflächen der ehemaligen flurstücke 289 und 738, an deren vermessung und abschreibung es im jahr 2013 ausweislich der damaligen verwaltungsgerichtlichen entscheidung noch gefehlt hatte. 43der umstand, dass eine grundbucheintragung der beklagten im hinblick auf die zur fläche der erschließungsanlage gehörenden flurstücke 1335 und 1339 unterblieben ist, hindert die entstehung der beitragspflicht hingegen nicht. diese flurstücke sind durch parzellierung der vormaligen flurstücke 1271 und 1277 entstanden, die bereits vor ihrer teilung im eigentum der beklagten standen und deshalb nach § 3 abs. 2 gbo nicht im grundbuch erfasst waren. eine eintragung ist auch im zuge der parzellierung nicht erfolgt und musste auch grundbuchrechtlich nicht erfolgen. gleiches gilt - ohne dass dies für die entstehung der beitragspflicht relevant wäre - im hinblick auf die durch die notwendige abschreibung entstandenen flurstücke 1336 und 1340, die außerhalb der erschließungsanlage liegen. die teilung der flurstücke ist im liegenschaftskataster ausweislich der mitteilungen des amtes für geoinformation und kataster vom 6. januar 2016 (flurstück 1335) und vom 20. januar 2016 (flurstück 1339) übernommen worden, wobei die fortführungsmitteilungen jeweils auf die befreiung von der buchungspflicht bezug nehmen. die gebührenbescheide für vermessung und flurstücksbildung lagen am 11. januar bzw. am 1. februar 2016 bei der beklagten vor. 44soweit die klägerin in diesem zusammenhang ausführt, die nicht-buchung der parzellierten flurstücke müsse in den veränderungsnachweisen des grundbuchs vermerkt sein, besteht ein solches erfordernis schon deswegen nicht, weil bereits für die flurstücke 1271 und 1277, aus denen die neuen flurstücke 1335, 1336, 1339 und 1340 hervorgegangen sind, nach § 3 abs. 2 gbo keine grundbuchblätter angelegt waren. insofern bedarf es auch keines nachweises in den grundakten, wie diese flurstücke fortgeführt werden. schließlich hätte ein derartiges versäumnis nach dem oben gesagten auch keinen einfluss auf die entstehung der sachlichen beitragspflicht, weil mit der vorlage eines (hier bereits erstellten) veränderungsnachweises beim grundbuchamt keine kosten einhergehen. 45ii. der erschließungsbeitrag ist nicht zu lasten der klägerin zu hoch festgesetzt. das grundstück ist mit seiner gesamten fläche bei der verteilung des umlagefähigen aufwands zu berücksichtigen (dazu 1.). der zur anwendung kommende artzuschlag beträgt 280 %; vergünstigungen sind nicht zu gewähren (dazu 2.). 461. a) das verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das gesamte unter nr. 24 des bestandsverzeichnisses im grundbuch geführte grundstück, d. h. alle 14 flurstücke, der veranlagung zu grunde zu legen sind. im rahmen der erschließungsbeitragsrechtlichen aufwandsverteilung ist im interesse der rechtsklarheit und rechtssicherheit grundsätzlich vom bürgerlich-rechtlichen grundstücksbegriff im sinne des grundbuchrechts auszugehen (formeller grundstücksbegriff). unter einem grundstück in diesem sinne ist ein solcher teil der erdoberfläche zu verstehen, der auf einem besonderen grundbuchblatt unter einer besonderen nummer im verzeichnis der grundstücke gebucht ist. nur ausnahmsweise können aspekte des vorteilsausgleichs dazu führen, dass von diesem - hier alle flurstücke erfassenden - grundstücksbegriff abzuweichen ist. die verkleinerung eines grundstücks im bürgerlich-rechtlichen sinn kommt dabei nur dann in betracht, wenn von einem beplanten buchgrundstück nur ein teil bebaubar oder erschließungsbeitragsrechtlich relevant nutzbar, der übrige abgrenzbare teil aber schlechthin von einer bebaubarkeit ausgeschlossen ist (vgl. § 133 abs. 1 satz 1 baugb). 47vgl. bverwg, urteil vom 25. februar 1977 - iv c 35.74 -, juris rn. 12 f. 48ein solcher fall ist hier nicht gegeben; das gesamte klägerische grundstück, das überwiegend im gewerbegebiet und zu einem nur geringen teil im mischgebiet liegt, ist baulich nutzbar und auch tatsächlich weitgehend bebaut. 49b) auch die erschließungswirkung der anlage erstreckt sich auf das gesamte grundstück der klägerin. auszugehen ist davon, dass bei einem beplanten grundstück, das an eine anbaustraße angrenzt und durch diese erschlossen wird, grundsätzlich die gesamte vom bebauungsplan erfasste fläche als durch die anlage erschlossen anzusehen ist, und zwar auch dann, wenn das grundstück zusätzlich noch an eine andere anbaustraße angrenzt. von diesem grundsatz kann eine ausnahme zu machen sein, wenn sich die von einer anbaustraße ausgehende erschließungswirkung eindeutig auf eine teilfläche des grundstücks beschränkt. das ist beispielsweise der fall, wenn ein übergroßes grundstück zwei ihrem charakter nach völlig unterschiedlichen baugebieten angehört und der bebauungsplan die teilflächen an verschiedene anbaustraßen anbindet. derartige planerische festsetzungen begründen die vermutung einer ihnen entsprechenden begrenzung der erschließungswirkung. diese vermutung kann jedoch durch die tatsächlichen umstände widerlegt werden, und sie wird jedenfalls dann widerlegt, wenn bei einer solchen sachlage die voraussetzungen erfüllt sind, bei deren vorliegen das erschlossensein des rückwärtigen grundstücksteils selbst dann zu bejahen wäre, wenn es sich um ein selbständiges hinterlieger(buch)grundstück desselben eigentümers handelte. das liegt als konsequenz auf der hand. denn die anforderungen an das erschlossensein des rückwärtigen teils eines an eine anbaustraße angrenzenden buchgrundstücks können nicht höher sein als die anforderungen an das erschlossensein eines hinterliegergrundstücks, wenn dieses und das trennende anliegergrundstück im eigentum derselben person stehen. 50vgl. bverwg, urteil vom 23. februar 1989 - 8 c 78.88 -, juris rn. 23 f. m. w. n. 51hinterliegergrundstücke sind nach der rechtsprechung des bundesverwaltungsgerichts als erschlossen anzusehen und lösen eine beitragspflicht aus, wenn das hinterliegergrundstück durch eine dauerhafte, rechtlich gesicherte zufahrt mit der anlage verbunden ist. doch auch ohne eine solche zufahrt ist ein erschlossensein des hinterliegergrundstücks anzunehmen, wenn entweder das hinterliegergrundstück zwar durch ein selbständig bebaubares anliegergrundstück desselben eigentümers von der erschließungsanlage getrennt, jedoch tatsächlich durch eine zufahrt über dieses grundstück mit der anlage verbunden ist, oder wenn bei eigentümeridentität hinter- und anliegergrundstück zulässigerweise einheitlich genutzt werden. 52vgl. bverwg, urteile vom 15. januar 1988 - 8 c 111.86 -, juris rn. 17 ff., vom 23. februar 1989- 8 c 78.88 -, juris rn. 24, vom 12. november 2014 - 9 c 4.13 -, juris rn. 13, und vom 7. märz 2017 - 9 c 20.15 -, juris rn. 39, sowie beschluss vom 6. september 2018 - 9 c 8.18 -, juris rn. 10, 16. 53ausgehend davon kann hier dahinstehen, ob die planerischen festsetzungen die vermutung für eine begrenzte erschließungswirkung der anlage n.----straße für das klägerische grundstück begründen. dagegen spricht - wie das verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat -, dass keine baufenster festgelegt wurden, deren erschließung einer bestimmten anbaustraße zugeordnet worden sein könnte, sondern die grundstückfläche - vorbehaltlich des insofern zulässigen maßes der baulichen nutzung - insgesamt überbaubar ist. ferner handelt es sich bei den abgegrenzten teilbereichen unterschiedlicher nutzungsmöglichkeiten - eine mischgebietsfläche im nordwesten sowie gewerbegebietsflächen - nicht um völlig unterschiedliche baugebiete. den damit verbundenen fragen muss der senat jedoch nicht weiter nachgehen. denn die (unterstellte) vermutung für eine begrenzte erschließungswirkung wird jedenfalls durch die tatsächlichen umstände widerlegt, weil die rückwärtigen grundstücksteile - etwa die potentiell auf die t.-------straße ausgerichtete mischgebietsfläche - auch dann als erschlossen anzusehen wären, wenn es sich um ein selbständiges hinterlieger(buch)grundstück desselben eigentümers handelte. dies folgt hier daraus, dass das grundstück in zulässiger weise einheitlich gewerblich genutzt wird. 542. auf die nach § 4 abs. 11 ebs maßgebliche grundstücksfläche von 13.885 qm ist der die art und das maß der baulichen nutzung berücksichtigende zuschlag in höhe von 280 v. h. nach § 4 abs. 3 ebs für eine sechsgeschossige bebaubarkeit im gewerbegebiet anzuwenden. 55a) das klägerische grundstück unterfällt dem regime des § 4 abs. 3 ebs, der die höhe der zuschläge für grundstücke „in kern-, gewerbe- und industriegebieten sowie in gebieten [regelt], die entsprechende festsetzungen aus der zeit vor inkrafttreten der baunutzungsverordnung vom 26.06.1962 (bgbl. i s. 429) enthalten“. es handelt sich bei dem grundstück um ein solches in einem gewerbegebiet im sinne der vorschrift, auch wenn nach dem bebauungsplan für die teilfläche im nordwesten die festsetzung „mischgebiet“ erfolgt ist. dies ergibt sich daraus, dass die im mischgebiet liegende fläche des (einheitlichen) grundstücks weniger als 50 % der gesamtfläche beträgt, und beruht in diesem zusammenhang auf folgenden überlegungen: 56die satzungsregelung in § 4 ebs zur höhe des zuschlags nach art und maß der baulichen nutzung differenziert im ausgangspunkt - lässt man die hier unerhebliche sonderkonstellation der ausschließlichen festlegung von baumassezahlen (absatz 4) außer betracht - zwischen grundstücken in kern-, gewerbe- und industriegebieten bzw. gebieten mit entsprechenden festsetzungen (absatz 3, sog. gebietsbezogener artzuschlag) und sonstigen grundstücken (absatz 2). mangels anderweitiger anhaltspunkte in der satzung ist dabei davon auszugehen, dass der begriff des grundstücks in § 4 abs. 3 ebs nach den allgemeinen im erschließungsbeitragsrecht geltenden grundsätzen zu bestimmen ist, hier also der bürgerlich-rechtliche grundstücksbegriff zur anwendung kommt. 57danach liegt das grundstück mit 85 % seiner gesamtfläche in einem festgesetzten gewerbegebiet und im übrigen in einem mischgebiet. die erschließungsbeitragssatzung enthält indes weder eine begrenzung des höheren zuschlags nach § 4 abs. 3 ebs auf die im gewerbegebiet belegene teilfläche („soweit“) noch eine sonstige ausdrückliche (sonder-)regelung für derartige konstellationen. aus diesem grund kommt lediglich die anwendung der regelung in absatz 3 oder - wenn deren voraussetzungen nicht erfüllt sind - der „auffangregelung“ des absatz 2 jeweils in bezug auf das gesamte grundstück in betracht. für die erhebung unterschiedlicher, zwischen den teilflächen differenzierender zuschläge, wie sie die beklagte vorgenommen hat, bietet der normtext hingegen keinen anhalt. 58dies zugrunde gelegt, ist § 4 abs. 3 ebs auch auf solche grundstücke anzuwenden, deren im gewerbe-, kern- oder industriebetrieb liegender flächenanteil mehr als 50 % beträgt. zwar ließe der wortlaut der vorschrift auch raum für eine noch weitergehende auslegung, nach der jegliche in einem der genannten gebiete liegende teilfläche eines grundstücks - unabhängig von ihrer größe - den gebietsbezogenen artzuschlag auslöst. allerdings sprechen sinn und zweck der regelung sowie systematische aspekte für das dargestellte restriktivere verständnis. der im vergleich zu den sonstigen grundstücken erhöhte, die art der baulichen nutzung berücksichtigende zuschlag für grundstücke in gewerbe- und industriegebieten dient dem grundsatz der vorteilsgerechtigkeit. die durch die inanspruchnahmemöglichkeit einer hergestellten straße ausgelösten erschließungsvorteile für gewerblich und industriell genutzte grundstücke fallen im vergleich zu anderen nutzungsarten erheblich größer aus. 59vgl. bverwg, urteil vom 9. dezember 2015 - 9 c 28.14 -, juris rn. 16; ovg nrw, beschluss vom 28. mai 2010 - 15 a 3231/07 -, juris rn. 47. 60der mit der belegenheit im beplanten gewerbe- und industriegebiet bei typisierender betrachtung verbundene erhöhte erschließungsvorteil setzt aber voraus, dass das grundstück zumindest mit einem relevanten anteil einer entsprechenden festsetzung unterliegt. bei der höhe dieses anteils ist aus systematischen erwägungen auf die regelungen des § 4 abs. 9 satz 2 und 3 ebs zurückzugreifen. für den dort normierten, sog. grundstücksbezogenen artzuschlag, der für im unbeplanten bereich liegende grundstücke gilt, hat der satzungsgeber zum ausdruck gebracht, dass im falle eines zusammentreffens von qualifizierten und sonstigen nutzungsarten der zuschlag des absatz 3 nur bei einem überwiegen der qualifizierten nutzung zur anwendung gelangen soll. der gesichtspunkt der auch in dieser konstellation zu berücksichtigenden vorteilsgerechtigkeit sowie der aus § 4 abs. 9 satz 2 und 3 ebs abzuleitende mutmaßliche wille des satzungsgebers sprechen für eine übertragung der 50 + x %-grenze auf den gebietsbezogenen artzuschlag. 61b) die gesamte grundstücksfläche ist nach § 4 abs. 3 ebs bei der berechnung des beitrags mit einem zuschlag in höhe von 280 v. h. zu berücksichtigen, weil von einer sechsgeschossigen bebaubarkeit auszugehen ist. mangels festsetzung einer höchstzulässigen geschosszahl (vgl. § 4 abs. 5 ebs) oder baumassenzahl (§ 4 abs. 4 ebs) im bebauungsplan ist nach § 4 abs. 7 buchst. a ebs die höchstzahl der tatsächlich vorhandenen vollgeschosse maßgebend. aufgrund des befreiungsbescheides der beklagten vom 10. juli 1987 wurde das produktionsgebäude auf dem buchgrundstück um das 5. obergeschoss, auf mithin sechs vollgeschosse, aufgestockt. entgegen der ansicht der klägerin ist im hinblick auf die höchstzahl der tatsächlich vorhandenen vollgeschosse nicht nach den verschiedenen flurstücken des buchgrundstücks zu differenzieren, sondern bezieht sich der zuschlag einheitlich auf die gesamte grundstücksfläche. zunächst bietet der wortlaut der satzung, der an das jeweilige „grundstück“ anknüpft, für ein solches verständnis keinen anhalt. im rahmen der erschließungsbeitragsrechtlichen aufwandsverteilung ist vielmehr, wie bereits dargelegt, im interesse der rechtsklarheit und rechtssicherheit grundsätzlich vom bürgerlich-rechtlichen grundstücksbegriff im sinne des grundbuchrechts auszugehen. ferner setzt die nach der satzung maßgebliche „höchstzahl“ der tatsächlich vorhandenen vollgeschosse auch nicht voraus, dass diese für sämtliche flurstücke des buchgrundstücks identisch ist, sondern nimmt ersichtlich - auch für den fall „gestaffelter“ tatsächlich vorhandener geschosszahlen - auf die höchste geschosszahl bezug. eine solche satzungsregelung ist rechtlich nicht zu beanstanden und insbesondere mit dem grundsatz der vorteilsgerechtigkeit zu vereinbaren. 62vgl. bverwg, urteil vom 12. dezember 1986- 8 c 9.86 -, juris rn. 36 f.; ovg nrw, beschluss vom 24. august 2017 - 15 a 705/15 -, juris rn. 12 ff. m. w. n. (jeweils zu einer regelung, die auf die „höchstzulässige zahl der vollgeschosse“ abstellt); vgl. ferner ovg nrw, beschluss vom 13. august 2018 - 15 a 1869/17 -, juris rn. 10 ff. (zum straßenausbaubeitragsrecht). 63c) ob für das grundstück der klägerin eine vergünstigung nach § 5 ebs zu gewähren war, weil es durch mehrere erschließungsanlagen erschlossen wird, kann dahinstehen. die dadurch eintretende ermäßigung auf zwei drittel (vgl. § 5 abs. 2 satz 1 ebs) wäre nach § 5 abs. 4 i. v. m. abs. 2 satz 2 ebs jedenfalls auf eine 900 qm große teilfläche beschränkt. die sich daraus potentiell für die klägerin ergebende reduktion ist daher deutlich geringer als der mehrbetrag, der sich aus der zutreffenden anwendung des zuschlags in höhe von 280 v. h. auch für die mischgebietsfläche ergibt (2.119 qm, die mit einem zuschlag von nur 115 v. h. statt 280 v. h. berücksichtigt worden sind). im übrigen spricht aber auch vieles für die vom verwaltungsgericht zugrunde gelegte auffassung, dass auf das klägerische grundstück die eckgrundstücksvergünstigung nach § 5 abs. 5 buchst. a ebs keine anwendung findet, weil es ganz überwiegend im gewerbegebiet belegen ist und insofern die ausführungen zu § 4 abs. 3 ebs entsprechend gelten. darüber hinaus dürfte die begrenzung der vergünstigung nach § 5 abs. 2 satz 2 ebs auf die an der ecke belegene teilfläche des jeweiligen grundstücks bezogen sein, die hier gerade im gewerbegebiet liegt. 64auch etwaige, von der klägerin angesprochene rechenfehler in höhe eines zweistelligen betrags, die die beklagte zudem bereits in gewissem umfang eingeräumt und den bescheid insoweit im erstinstanzlichen verfahren aufgehoben hat, hätten jedenfalls einen geringeren umfang als der durch den höheren zuschlag entstehende mehrbetrag. 65iii. einer beitragsfestsetzung steht schließlich auch weder die am 1. juni 2022 in kraft getretene regelung des § 3 baugb-ag nrw noch das gebot der belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit entgegen. 661. gemäß § 3 abs. 1 baugb-ag nrw ist die festsetzung von erschließungsbeiträgen nach § 127 baugb durch die gemeinden unabhängig vom entstehen der beitragspflicht mit ablauf des zehnten kalenderjahres, das auf den eintritt der vorteilslage folgt, ausgeschlossen. für erschließungsbeitragsbescheide, die - wie der streitgegenständliche - im zeitpunkt des inkrafttretens von absatz 1 noch nicht bestandskräftig waren, beträgt die frist nach der dem absatz 1 vorgehenden sonderregelung des § 3 abs. 2 satz 1 baugb-ag nrw jedoch 20 jahre. diese frist gilt nach absatz 2 satz 2 auch für die nach dem inkrafttreten der vorschrift erfolgende erhebung von erschließungsbeiträgen, wenn die vorteilslage am 1. juni 2022 bereits bestand. 67die 20-jährige frist ist vorliegend - ausgehend vom eintritt der vorteilslage im september 1996 - gewahrt. nach der rechtsprechung des bundesverwaltungsgerichts kommt es im erschließungsbeitragsrecht für das entstehen der vorteilslage maßgeblich auf die tatsächliche - bautechnische - durchführung der jeweiligen erschließungsmaßnahme an, nicht jedoch darauf, ob darüber hinaus auch die weiteren, für den betroffenen nicht erkennbaren rechtlichen voraussetzungen für das entstehen der sachlichen beitragspflicht vorliegen. entscheidend ist, ob die anlage sowohl im räumlichen umfang als auch in der bautechnischen ausführung endgültig technisch fertiggestellt ist, d. h. dem gemeindlichen bauprogramm für die flächenmäßigen und sonstigen teileinrichtungen sowie dem technischen ausbauprogramm vollständig entspricht. unerheblich für den eintritt der vorteilslage ist hingegen das vorliegen der rechtlichen voraussetzungen für das entstehen der sachlichen beitragspflichten, wie die widmung der anlage, die planungsrechtliche rechtmäßigkeit ihrer herstellung, die wirksamkeit der beitragssatzung oder der vollständige grunderwerb. 68vgl. bverwg, beschlüsse vom 12. dezember 2019 - 9 b 53.18 -, juris rn. 7, und vom 6. september 2018 - 9 c 5.17 -, juris rn. 55; anders zum - hier nicht vorliegenden - sonderfall geringfügiger abweichungen vom bauprogramm ovg nrw, urteil vom 20. april 2021 - 15 a 4037/19 -, juris rn. 122 ff. 69ausgehend davon ist die vorteilslage vorliegend im september 1996 mit dem abschluss der bauarbeiten und der abnahme des werks erfolgt. 70entgegen der auffassung der klägerin ist unerheblich, dass die vorteilslage bei inkrafttreten des gesetzes am 1. juni 2022 bereits länger als 20 jahre bestanden hat. maßgeblich ist allein, dass der streitgegenständliche bescheid vor ablauf des 20. jahres nach eintritt der vorteilslage erlassen worden ist. denn die vorschrift des § 3 abs. 2 satz 1 baugb-ag nrw ist im zusammenhang mit § 3 abs. 1 baugb-ag nrw zu lesen, der die „festsetzung“ von erschließungsbeiträgen nach ablauf der frist untersagt. da die beitragserhebung erst mit ablauf des 20. jahres, das auf den eintritt der vorteilslage folgt, ausgeschlossen ist, fällt das fristende auf den 31. dezember 2016. der streitgegenständliche beitragsbescheid ist aber bereits am 19. september 2016 und damit vor fristablauf ergangen. 71die vorschrift des § 3 abs. 2 baugb-ag nrw verstößt - auch in der dargelegten auslegung - nicht gegen verfassungsrecht, weshalb das verfahren entgegen dem begehren der klägerin nicht auszusetzen und dem bundesverfassungsgericht nach art. 100 abs. 1 satz 1 gg vorzulegen war. 72die wegen des gebots der belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit erforderliche, an den eintritt der vorteilslage anknüpfende höchstfrist für die beitragserhebung, die in nordrhein-westfalen bis zum inkrafttreten des § 3 baugb-ag nrw fehlte, 73vgl. dazu ovg nrw, urteil vom 20. april 2021- 15 a 4037/19 -, juris rn. 91 ff., 74ist nunmehr für erschließungsbeiträge in der besagten norm ausdrücklich geregelt. die vorschrift umfasst mit absatz 2 auch „altfälle“, d. h. insbesondere noch nicht bestandskräftige beitragsbescheide, die - wie der streitgegenständliche - vor inkrafttreten der gesetzlichen neuregelung erlassen worden waren. die einbeziehung dieser fälle war angesichts einer entsprechenden vorgabe an den gesetzgeber in der das rheinland-pfälzische erschließungsbeitragsrecht betreffenden entscheidung des bundesverfassungsgerichts geboten. 75vgl. bverfg, beschluss vom 3. november 2021- 1 bvl 1/19 -, juris rn. 92. 76dieser beschluss ist zwar nicht an den nordrhein-westfälischen landesgesetzgeber adressiert und betrifft ihn daher nicht unmittelbar. die rechtlichen maßgaben lassen sich aber wegen der in rheinland-pfalz und nordrhein-westfalen vergleichbaren früheren rechtslage übertragen. danach stellt die adäquate bemessung der zeitlichen obergrenze für die beitragserhebung eine primär dem gesetzgeber überantwortete frage dar. er hat einen weiten einschätzungsspielraum hinsichtlich des ausgleichs zwischen allgemeinen interessen und dem interesse der in anspruch zu nehmenden bürgerinnen und bürger. je weiter aber der anspruchsbegründende zeitpunkt bei der beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die legitimation zur erhebung solcher beiträge. jedenfalls genügt eine 30-jährige ausschlussfrist losgelöst von den besonderheiten der wiedervereinigung den anforderungen des gebots der belastungsklarheit und-vorhersehbarkeit bei vorteilsausgleichenden abgaben nicht, weil anders als im falle des § 53 abs. 2 satz 1 vwvfg kein titulierter anspruch vorliegt, sodass die beitragspflichtigen nicht sicher wissen, ob, in welcher höhe und wann sie zu einem beitrag herangezogen werden. 77vgl. bverfg, beschluss vom 3. november 2021- 1 bvl 1/19 -, juris rn. 91 m. w. n. 78diesen maßgaben genügt die hier zur anwendung kommende frist des § 3 abs. 2 satz 1 baugb-ag nrw, weil sie deutlich weniger als 30 jahre beträgt. 79die 20-jahres-frist des § 3 abs. 2 satz 1 baugb-ag nrw verstößt schließlich auch nicht gegen den allgemeinen gleichheitssatz des art. 3 abs. 1 gg in seiner ausprägung als gebot der belastungsgleichheit. der allgemeine gleichheitssatz gebietet dem gesetzgeber, wesentlich gleiches gleich und wesentlich ungleiches seinem wesen entsprechend ungleich zu behandeln. er gilt für ungleiche belastungen wie auch für ungleiche begünstigungen. art. 3 abs. 1 gg verwehrt dem gesetzgeber nicht alle differenzierungen. diese bedürfen jedoch stets der rechtfertigung durch sachgründe, die dem differenzierungsziel und dem ausmaß der ungleichbehandlung angemessen sind. dabei gilt ein stufenloser am grundsatz der verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher prüfungsmaßstab, dessen inhalt und grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen sach- und regelungsbereichen bestimmen lassen. aus dem gleichheitssatz folgt für das steuer- und abgabenrecht der grundsatz der belastungsgleichheit. bei der auswahl des abgabengegenstands sowie bei der bestimmung von beitragsmaßstäben und abgabensatz hat der gesetzgeber einen weitreichenden gestaltungsspielraum. werden beiträge erhoben, verlangt art. 3 abs. 1 gg, dass die differenzierung zwischen beitragspflichtigen und nicht beitragspflichtigen nach maßgabe des vorteils vorgenommen wird, dessen nutzungsmöglichkeit mit dem beitrag abgegolten werden soll. 80vgl. bverfg, beschluss vom 25. juni 2014- 1 bvr 668/10, 1 bvr 2104/10 -, juris rn. 47 ff. m. w. n. 81daran gemessen wird die regelung unterschiedlicher höchstfristen für die erhebung von erschließungsvorteilen nach § 3 abs. 1 und abs. 2 baugb-ag nrw dem gebot der belastungsgleichheit gerecht. da die 20-jahres-frist nach § 3 abs. 2 satz 2 baugb-ag nrw auch für die abrechnung aller erschließungsanlagen gilt, bei denen die vorteilslage am 1. juni 2022 bereits bestand, kommt die 10-jahres-frist letztlich nur dann zur anwendung, wenn am 1. juni 2022 noch keine vorteilslage vorlag, eine anlage also - vereinfacht gesagt - noch nicht technisch fertiggestellt war. 82ausweislich der gesetzesbegründung soll mit der im vergleich zu absatz 1 längeren frist des absatzes 2 für bestands- und altfälle die „verkürzung“ der erhebungsfrist abgefedert werden. 83vgl. lt-drs. 17/16916, s. 3. 84der vorschrift des § 3 abs. 2 baugb-ag nrw kommt damit die funktion einer übergangsregelung zu. die unterschiedslose und sofortige einführung der 10-jahres-frist aus § 3 abs. 1 baugb-ag nrw für alle konstellationen, in denen noch kein bestandskräftiger bescheid vorliegt, hätte zur folge gehabt, dass die kommunen in erheblichem umfang bereits erhobene erschließungsbeiträge zurückzahlen müssen und die kosten für bereits hergestellte erschließungsanlagen nicht mehr abrechnen können. die dafür angefallenen aufwendungen müssen in einem solchen fall aus haushaltsmitteln - und damit trotz sondervorteil der grundsätzlich beitragspflichtigen - von der allgemeinheit getragen werden. die nichtheranziehung dieser „altfälle“ trotz erschließungsvorteils wegen ablaufs der höchstfrist ist ihrerseits jedenfalls dann unter gerechtigkeitsaspekten problematisch, wenn die kommunen sich - wie hier - auf die neue rechtslage nicht ausreichend einstellen konnten und eine heranziehung letztlich daran scheitert. 85vgl. zur verfassungskonformität anderer übergangsregelungen bei einführung einer an die vorteilslage anknüpfenden höchstfrist im beitragsrecht lverfg lsa, urteil vom 24. januar 2017 - lvg 1/16 -, kommjur 2017, 137, 140; bverfg, beschluss vom 16. september 2020- 1 bvr 1185/17 -, juris rn. 3. 86angesichts des letztgenannten umstands sowie unter berücksichtigung der bisherigen rechtsprechung des senats, wonach auch ohne eine gesetzliche regelung - sozusagen zumindest - eine höchstgrenze von 30 jahren einzuhalten war, 87vgl. ovg nrw, urteil vom 20. april 2021 - 15 a 4037/19 -, juris rn. 91 ff., 88ist die flankierung der einführung der 10-jahres-frist durch längere übergangsfristen für bestands- und altfälle sachlich gerechtfertigt und verfassungsrechtlich unter gleichheitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. die dabei vorgenommene anknüpfung der differenzierung an die existenz eines beitragsbescheides bzw. den eintritt der vorteilslage vor inkrafttreten des § 3 baugb-ag nrw ist rechtlich unbedenklich, weil in diesen fällen bei inkrafttreten des gesetzes die erhebungsfrist bereits lief und der regelung insofern eine rückwirkung zukommt. der einwand der klägerin, dass die differenzierung nach dem vorliegen oder nichtvorliegen eine beitragsbescheides innerhalb der frist zu einer ungleichbehandlung führe, wenn einzelne beitragspflichtige trotz gleicher begünstigung einen beitragsbescheid nicht rechtzeitig (innerhalb der frist) erhielten, rechtfertigt keine andere bewertung. abgesehen davon, dass dies nach der erhebungspraxis der gemeinden der ausnahmefall sein dürfte, wäre die ungleichbehandlung sachgerecht, weil bei vorliegen eines bescheides ein vertrauen des adressaten, von der beitragspflicht verschont zu werden, in der folge ausscheidet. 892. die 25-jahres-frist des § 3 abs. 4 satz 1 baugb-ag nrw steht der rechtmäßigkeit des bescheides ebenfalls nicht entgegen. danach ist unabhängig von dem eintritt der vorteilslage die festsetzung der beitragspflicht für solche erschließungsanlagen ausgeschlossen, wenn seit dem beginn der erstmaligen technischen herstellung mindestens 25 jahre vergangen sind. diese vorschrift ist vorliegend schon nicht anwendbar. nach ständiger rechtsprechung richtet sich der maßgebliche zeitpunkt der beurteilung der rechtmäßigkeit eines angefochtenen verwaltungsakts nicht nach dem prozessrecht, sondern nach dem jeweiligen materiellen recht. danach ergibt sich für die anfechtungsklage im allgemeinen, dass die sach- und rechtslage im zeitpunkt der letzten behördenentscheidung maßgeblich ist, es sei denn, das materielle recht regelt etwas abweichendes. 90vgl. nur bverwg, urteil vom 11. juli 2011 - 8 c 11.10 -, juris, rn. 17. 91letzteres lässt sich lediglich für § 3 abs. 2 satz 1 baugb-ag nrw feststellen, der ausdrücklich bereits vorhandene, aber noch nicht bestandskräftige bescheide betrifft. im hinblick auf § 3 abs. 4 baugb-ag nrw fehlen indes hinweise darauf, dass es für die rechtliche beurteilung von erschließungsbeitragsbescheiden auf einen späteren zeitpunkt als den der letzten behördenentscheidung ankommt, dass also auch vor dem inkrafttreten des gesetzes erlassene bescheide unter die regelung fallen. denn die vorschrift knüpft - ebenso wie absatz 1 - allein an die (erst noch vorzunehmenden) erhebung bzw. festsetzung eines erschließungsbeitrags an und sieht keine rückwirkung vor. die einbeziehung nicht bestandskräftiger bescheide in den anwendungsbereich der norm war auch aus verfassungsrechtlicher perspektive nicht erforderlich, weil die regelung in § 3 abs. 4 baugb-ag nrw nicht aus der dem grundsatz der belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit folgenden pflicht zur schaffung einer an den eintritt der vorteilslage anknüpfenden höchstfrist erwächst, sondern eine darüber hinausgehende lediglich einfach-rechtlich begründete zeitliche obergrenze für die beitragserhebung darstellt. das oben erwähnte, vom bundesverfassungsgericht vorgegebene gebot der einbeziehung von altfällen, 92vgl. bverfg, beschluss vom 3. november 2021- 1 bvl 1/19 -, juris rn. 92, 93erstreckt sich mithin nicht auf die frist des § 3 abs. 4 baugb-ag nrw. 94zudem enthalten auch die gesetzesmaterialien keinen hinweis darauf, dass die vorschrift auf vor dem 1. juni 2022 erlassene erschließungsbeitragsbescheide anwendung finden soll. 95vgl. die ausführungen zur regelung des § 3 abs. 2 satz 1 baugb-ag nrw in lt-drs. 17/16916, s. 4. 96der dort enthaltene hinweis auf art. 5a abs. 7 baykag, an dem sich die nordrhein-westfälische norm orientiert, spricht vielmehr ebenfalls gegen eine anwendung auf schon vor dem inkrafttreten der norm erlassene bescheide. die in bezug genommene bayerische regelung ist zwar durch das gesetz zur änderung des kommunalabgabengesetzes vom 8. märz 2016 (gvbl. 36) erlassen worden, trat aber erst am 1. april 2021 in kraft (vgl. § 2 abs. 2), sodass den kommunen sogar noch einige jahre verblieben, um anlagen, die diesen maßgaben nicht entsprachen, noch abzurechnen (vgl. auch art. 13 abs. 6 baykag). 97vgl. bay. lt-drs. 17/8225, s. 6. 98auch in bayern findet die ausschlussfrist dementsprechend grundsätzlich nur anwendung auf bescheide, die nach dem stichtag ergangen sind. 99vgl. vg ansbach, beschluss vom 26. mai 2021- an 3 s 21.00729 -, juris rn. 81; vgl. ferner vg münchen, urteil vom 1. september 2021 - m 28 k 21.1559 -, juris rn. 32 f. (zur sonderkonstellation der erst nachträglich entstandenen beitragspflicht). 100die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 2 vwgo. 101die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit beruht auf § 167 vwgo in verbindung mit § 708 nr. 11, § 711 zpo. 102die revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 abs. 2 vwgo genannten revisionsgründe vorliegt.
346,786
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1 K 951/18
2022-09-14T00:00:00
Urteil
Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Berufung wird zugelassen. 1Tatbestand: 2Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie als Lehrerin mit der Lehrbefähigung für die Sekundarstufe I während ihrer aktiven Dienstzeit in gleicher Weise wie Lehrkräfte mit der Lehrbefähigung für die Sekundarstufe II zu besolden gewesen wäre. 3Die Klägerin studierte in N. vom Wintersemester 1974/1975 bis einschließlich zum Wintersemester 1977/1978 Biologie und Mathematik für das Lehramt der Sekundarstufe I. Vom 27. April 1981 an wurde sie durchgängig in der Sekundarstufe I am F. -C. -Gymnasium in V. eingesetzt und hierbei der Besoldungsgruppe A 12 gemäß der LBesO NRW zugeordnet. Zum 1. Februar 2017 wurde sie in den Ruhestand versetzt. 4Unter dem 11. April 2017 erhob sie Widerspruch gegen die für den Monat Januar 2017 erhaltene Bezügemitteilung sowie die am 10. Februar 2017 auf Grundlage der Besoldungsgruppe A 12 gemäß der LBesO NRW vorgenommene Festsetzung des Ruhegehaltes und beantragte die Besoldung bzw. Festsetzung des Ruhegehaltes nach der Besoldungsgruppe A 13 gemäß der LBesO NRW zuzüglich der Studienratszulage in Höhe von 86,88 Euro. 5Mit Widerspruchsbescheid des Landesamtes für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen (nachfolgend: LBV NRW) vom 21. November 2017 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin habe lediglich einen Versorgungsanspruch auf Basis der Besoldungsgruppe A 12 gemäß LBesO NRW. Die Einstufung in diese Besoldungsgruppe für Lehrkräfte mit der Lehrbefähigung für die Sekundarstufe I sei amtsangemessen. Insbesondere sei es unter Berücksichtigung des weiten Gestaltungsspielraums des Versorgungsgesetzgebers gerechtfertigt, wenn Lehrkräfte mit der Lehrbefähigung für die Sekundarstufe II mit A 13 gemäß LBesO NRW eine um eine Stufe höhere Besoldung erhielten. 6Die Klägerin hat am 20. Dezember 2017 unter dem gerichtlichen Aktenzeichen 3 K 12574/17 Klage sowohl hinsichtlich ihrer Besoldung als auch ihrer Versorgung erhoben. Das Verfahren ist im Hinblick auf die Frage der amtsangemessenen Besoldung während der aktiven Dienstzeit der Klägerin abgetrennt und unter hiesigem Aktenzeichen fortgesetzt worden. Zur Begründung der vorliegenden Klage führt die Klägerin aus, die Besoldung für den letzten Monat ihrer aktiven Dienstzeit verstoße gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der amtsangemessenen Besoldung. Denn es sei – wie sich auch aus einem von Professor C1. im Januar 2015 erstellten Rechtsgutachten ergebe – nach dem verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nicht gerechtfertigt, dass Lehrkräfte mit der Lehrbefähigung für die Sekundarstufe I geringer besoldet würden als Studienräte, also Lehrkräfte mit der Lehrbefähigung für die Sekundarstufe II. Für eine solche Differenzierung fehle es an einem Sachgrund, da nicht erst seit der Lehrerausbildungsreform im Jahre 2009 hinsichtlich Ausbildung sowie Tätigkeit keine hinreichenden Unterschiede zwischen der Lehrtätigkeit in der Sekundarstufe I und in der Sekundarstufe II feststellbar seien. Im Rahmen ihrer Tätigkeit am F. -C. -Gymnasium habe sie dieselbe Verantwortung getragen und dieselben Aufgaben wahrgenommen wie ein mit der Besoldungsgruppe A 13 gemäß LBesO NRW besoldeter Studienrat. Für die gleiche Arbeit müsse bereits nach der Landesverfassung schließlich der gleiche Lohn gezahlt werden. 7Die Klägerin beantragt, 8festzustellen, dass die ihr für den Monat Januar 2017 gewährte Alimentation aus der Besoldungsgruppe A 12 gemäß LBesO NRW den verfassungsrechtlichen Anforderungen einer (amts-)angemessenen Besoldung nicht genügt hat und ihr eine Besoldung nach der Besoldungsgruppe A 13 gemäß LBesO NRW zuzüglich der sogenannten Studienratszulage zu gewähren gewesen wäre. 9Der Beklagte beantragt, 10die Klage abzuweisen. 11Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf seine im Verwaltungsverfahren vorgebrachten Argumente. Vertiefend führt er aus, für die Zeit vor 2017 sei die Klage bereits unzulässig, da die Klägerin für die Besoldung in dieser Zeit nicht haushaltsnah ihren Widerspruch erhoben habe. Soweit die Klägerin auf ein Rechtsgutachten verweise, ergebe sich aus diesem jedenfalls für Lehrkräfte, die vor der Reform im Jahr 2009 ausgebildet worden seien, keine Verpflichtung zur gleichen Besoldung von Lehrkräften mit der Lehramtsbefähigung für die Sekundarstufe I und solchen mit der Lehramtsbefähigung für die Sekundarstufe II. Vielmehr obliege dies auch nach dem Rechtsgutachten des Herrn Professor C1. der freien Entscheidung des Gesetzgebers. 12Für weitere Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte sowie die im Verfahren 3 K 12574/17 beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. 13Entscheidungsgründe: 14Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig (I.), aber unbegründet (II.). 15I. 16Die Klage ist als Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig. Danach kann das Gericht unter anderem das Bestehen eines – streitigen – Rechtsverhältnisses feststellen. Unter einem solchen versteht man die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften ergebenden Rechte und Pflichten unter anderem zwischen einem Hoheitsträger und einer natürlichen Person. Dazu gehört auch der Anspruch eines Beamten auf amtsangemessene Besoldung. 17Vgl. nur BVerwG, Urteil vom 21. September 2017 - 2 C 30.16 -, juris, Rn. 8. 18Die Zulässigkeit der Feststellungsklage scheitert auch nicht an dem an sich gemäß § 43 Abs. 2 VwGO bestehenden Vorrang von Leistungs- oder Gestaltungsklagen. Soweit die Klägerin im Hinblick auf ihre Besoldung von einer Untätigkeitsklage im Sinne der Verpflichtungsklage als Unterfall der Leistungsklage spricht, trifft dies nicht zu. Denn wegen des besoldungsrechtlichen Vorbehaltes des Gesetzes (vgl. § 2 Abs. 1 des Landesbesoldungsgesetzes Nordrhein-Westfalen – LBesG NRW) kann der Beamte über eine Leistungsklage keine Besoldung erhalten, die sich nicht aus dem Gesetz ergibt. Ist der Beamte daher – wie hier – der Ansicht, dass die gesetzlich normierte Besoldung rechts- bzw. verfassungswidrig ist, verbleibt allein die Feststellungsklage. 19Vgl. BVerwG, Urteile vom 21. September 2017 - 2 C 30.16 -, juris, Rn. 8, und vom 20. März 2008 - 2 C 49.07 -, juris, Rn. 29; VG Düsseldorf, Urteil vom 13. Mai 2022 - 26 K 9086/18 -, juris, Rn. 10. 20Schließlich steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen, dass das nach § 54 Abs. 2 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) in Verbindung mit § 103 Abs. 1 Satz 2 des Landesbeamtengesetzes Nordrhein-Westfalen (LBG NRW) für eine Klage erforderliche erfolglos durchgeführte Widerspruchsverfahren nicht vorliegt, weil der Beklagte den Widerspruch der Klägerin nur im Hinblick auf die Versorgung und nicht die hier in Rede stehende Besoldung beschieden hat. Denn nach stetiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der die Kammer folgt, ist von dem Erfordernis des vor Klageerhebung erfolglos durchgeführten Vorverfahrens abzusehen, wenn der Zweck des Vorverfahrens nicht mehr erreicht werden kann oder diesem bereits Rechnung getragen ist. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn sich der Beklagte auf die Klage einlässt und deren Abweisung beantragt, ohne das fehlende Vorverfahren zu rügen. Denn dann kann das Vorverfahren seinen Zweck, die Selbstkontrolle der Verwaltung sowie die Entlastung der Verwaltungsgerichte, nicht mehr erreichen, weil feststeht, dass der Widerspruch unabhängig von der Begründung keinen Erfolg haben würde. Das gilt jedenfalls dann, wenn Widerspruchs- und Ausgangsbehörde identisch sind und der Widerspruchsbehörde kein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum zukommt. 21Vgl. BVerwG, Urteile vom 30. Oktober 2013 - 2 C 23.12 -, juris, Rn. 36 f., und vom 15. September 2010 - 8 C 21.09 -, juris, Rn. 24 ff. mit weiteren Nachweisen. 22Demnach war das erfolglose Durchführen eines Widerspruches hier entbehrlich, da das LBV NRW sowohl als Ausgangs- wie als Widerspruchsbehörde fungiert, ihm im Bereich der Besoldung kein Entscheidungsspielraum zukommt und es sich in seiner Klageerwiderung vom 19. Juli 2018 ausdrücklich mit der Klage und der Besoldungsfrage beschäftigt hat, ohne das im Hinblick auf die Besoldung fehlende Vorverfahren zu rügen. Es hat damit ausdrücklich gezeigt, dass ein Widerspruch keinen Erfolg hätte, weswegen der Zweck desselben hier zu erreichen nicht mehr möglich ist. 23II. 24Die Klage hat aber in der Sache keinen Erfolg. Zwar kann der Beklagte sich nicht auf die Verwirkung eines etwaigen Anspruchs berufen (1.). Ein Anspruch auf die begehrte Feststellung der Rechtswidrigkeit der Besoldung scheidet aber aus, da gegen die Einstufung der Klägerin in die Besoldungsgruppe A 12 gemäß der Landesbesoldungsordnung Nordrhein-Westfalen (LBesO NRW a.F.) rechtlich nichts zu erinnern ist (2.). 251. 26Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung darauf verwiesen hat, die Klägerin sei jahrzehntelang nicht gegen ihre Besoldung vorgegangen, und sich insoweit auf eine Verwirkung berufen hat, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Das letztlich auf den Grundsatz von Treu und Glauben und hierbei das Prinzip der Verwirkung abzielende Argument verkennt, dass – unabhängig davon, ob das Institut der Verwirkung hier neben der Pflicht zur haushaltsnahen Geltendmachung überhaupt Anwendung finden kann – ein reines Untätigbleiben, wie es hier allein vorliegt, nicht ausreicht, sondern es stets auch eines hier aber nicht erkennbaren Umstandes bedarf, aus dem sich ohne Weiteres die Akzeptanz mit dem nunmehr angegriffenen Zustand ergibt. 27Vgl. allgemein zur materiell-rechtlichen Verwirkung BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2012 - 9 KSt 4.12 -, juris, Rn. 3; Kluckert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 58 Rn. 78. 282. 29Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung der Rechtswidrigkeit ihrer zuletzt gewährten Besoldung. Denn ihre Einstufung in die Besoldungsgruppe A 12 gemäß LBesO NRW a. F. entsprach der damaligen gesetzlichen Regelung (a.) und ist auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht als rechtswidrig einzustufen (b.). 30a) 31Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 des Landesbesoldungsgesetzes Nordrhein-Westfalen in der hier maßgeblichen, bis zum 21. September 2021 geltenden (alten) Fassung (LBesG NRW a.F.) bestimmt sich das Grundgehalt der Beamten nach der Besoldungsgruppe des ihnen verliehenen Amtes. Nach § 22 Abs. 1 und 2 LBesG NRW a. F. erfolgt die Zuordnung der Besoldungsgruppe zu den jeweiligen Ämtern über die im streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Landesbesoldungsordnungen (LBesO a. F.) A (aufsteigende Gehälter) bzw. B (feste Gehälter). Nach der hier einschlägigen, LBesO a. F. A werden Lehrkräfte wie die Klägerin mit der Befähigung für das Lehramt an Grund-, Haupt- und Realschulen und den entsprechenden Jahrgangsstufen der Gesamtschulen – die Sekundarstufe I – der Besoldungsgruppe A 12 zugeordnet, soweit keine Zuordnung zur Besoldungsgruppe A 13 erfolgt. Eine Zuordnung zur Besoldungsgruppe A 13 ist nach der LBesO a. F. A indes nur für Studienräte mit der Befähigung für das Lehramt an Berufskollegs bzw. an Gymnasien und Gesamtschulen oder nur ausnahmsweise und im Einzelfall für Lehrer mit der Lehrbefähigung für die Sekundarstufe I vorgesehen, zu denen die Klägerin nicht gehört. 32b) 33Diese Zuordnung unterliegt jedenfalls für den hier vorliegenden „Altfall“, in dem der Betroffene vor der Lehrerausbildungsreform im Jahr 2009 ausgebildet und verbeamtet worden ist, keinen (verfassungs-)rechtlichen Bedenken. 34aa) 35Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 LBesG NRW a.F. sind die Funktionen der Beamten sachgerecht zu bewerten und entsprechend bei der Ämterzuordnung zu berücksichtigen. Nach Satz 3 sind die Ämter nach ihrer Wertigkeit den Besoldungsgruppen zuzuordnen. Überformt wird diese Regelung durch das über Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes (GG) unmittelbar geltende Alimentationsprinzip. Nach der Vorschrift des Art. 33 Abs. 5 GG ist das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln. Ein zentrales Moment dieser hergebrachten Grundsätze ist das Alimentationsprinzip, das insoweit über Art. 33 Abs. 5 GG zu einem (grundrechtsgleichen) subjektiv-öffentlichen Recht mutiert. 36Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. November 2015 - 2 BvL 19/09 u.a., juris, Rn. 71 m.w.N. 37Das Alimentationsprinzip beinhaltet die Verpflichtung des Dienstherrn, dem Beamten und seiner Familie Unterhalt zu leisten, der dem innegehabten Amt angemessen ist. Dabei sind die Dienstbezüge für ihre Amtsangemessenheit so zu bemessen, dass sie je nach Dienstrang, Bedeutung und Verantwortung des Amtes angemessenen Lebensunterhalt gewähren. 38Vgl. BVerfG, Urteile vom 14. Februar 2012 - 2 BvL 4/10 -, juris, Rn. 145, vom 6. März 2007 - 2 BvR 556/04 -, juris, Rn. 68 f. 39Der Besoldungsgesetzgeber hat allerdings bei der Umsetzung der Pflicht zur amtsangemessenen Alimentation einen weiten Entscheidungsspielraum sowohl hinsichtlich Struktur als auch Höhe der Alimentation. Daher liegt es nicht beim Gericht zu überprüfen, ob die getroffene Entscheidung die gerechteste und zweckmäßigste bzw. vernünftigste Lösung ist. Vielmehr hat die Gerichtsbarkeit nur bei evidenter Sachwidrigkeit einzuschreiten. Im Ergebnis beschränkt sich die materielle Kontrolle folglich auf die Frage, ob die Bezüge der Beamten evident sachwidrig sind. 40Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 23. Mai 2017 - 2 BvR 883/14 u.a., juris, Rn. 75 ff., und vom 17. November 2015 - 2 BvL 19/09 u.a., juris, Rn. 73 ff. m.w.N. 41Eine solche evidente Sachwidrigkeit wäre anzunehmen, wenn der Besoldungsgesetzgeber bei der Zuordnung der Besoldungsgruppen den verfassungsrechtlich garantierten Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzte. Nach dieser Grundbestimmung muss unter anderem der Gesetzgeber wesentlich Gleiches gleich bzw. wesentlich Ungleiches ungleich behandeln. Verboten ist daher ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird. Differenzierungen sind damit nicht ausgeschlossen, bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. 42Vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 2015 - 2 BvL 1/12 -, juris, Rn. 93 m.w.N. 43Die Anforderungen an eine Rechtfertigung von (Un-)Gleichbehandlungen schwanken: Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz unterschiedliche Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund, die von auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. 44Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 15. Dezember 2015 - 2 BvL 1/12 -, juris, Rn. 93, und vom 15. Januar 2014 - 1 BvR 1656/09 -, juris, Rn. 54, jeweils m.w.N. 45Im Bereich des Besoldungsrechts bedeutet dies, dass Beamte mit gleichen oder gleichwertigen Ämtern zwar in der Regel gleich zu besolden sind. Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Die Zulässigkeit einer Differenzierung hängt davon ab, ob nach dem Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG ein sachlich gerechtfertigter Grund vorliegt. 46Vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2017 - 2 BvR 884/14 u.a., juris, Rn. 84. 47Dabei ist in der verfassungsrechtlichen Judikatur geklärt, dass die gerichtliche Überprüfung von (Un-)Gleichbehandlungen im Rahmen des Besoldungsrechts wegen des bereits genannten gesetzgeberischen Entscheidungsspielraumes grundsätzlich auf das Willkürverbot beschränkt ist. Denn jede Besoldungsordnung enthält unvermeidbare Härten und mag aus Sicht der Betroffenen fragwürdig sein. Solche Unebenheiten, Friktionen und Mängel müssen in Kauf genommen werden, solange sich für die Regelung ein plausibler und sachlich vertretbarer Grund anführen lässt. Der Gesetzgeber muss insbesondere die Freiheit haben, von der bisherigen Bewertung eines Amtes im Verhältnis zu einem anderen Amt abzuweichen. Anders lässt sich, wenn man eine Besoldungsordnung in ihrem Bestand nicht versteinern will, eine vom Gesetzgeber für notwendig gehaltene vernünftige Neuregelung und Verbesserung nicht bewerkstelligen. Von daher ist das Gericht darauf beschränkt, nur die Überschreitung äußerster Grenzen zu beanstanden, jenseits derer sich gesetzliche Vorschriften bei der Abgrenzung von Lebenssachverhalten als evident sachwidrig erweisen, die vorgenommene Differenzierung mithin auf keinem sachlichen Grund fußt. 48Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 23. Mai 2017 - 2 BvR 883/14 u.a., juris, Rn. 85 f., und vom 6. Mai 2004 - 2 BvL 16/02 -, juris, Rn. 42, und vom 4. April 2001 - 2 BvL 7/98 -, juris, Rn. 44. 49bb) 50Nach diesen Maßstäben ist zwar vorliegend eine Ungleichbehandlung auszumachen, weil die an einem Gymnasium mit der Lehrbefähigung für die Sekundarstufe I tätige Klägerin anders als ebenfalls an Gymnasien tätige Studienräte mit der Lehrbefähigung für die Sekundarstufe II einer niedrigeren Besoldungsgruppe zugeordnet war und insoweit wesentlich Gleiches (Lehrkräfte an Gymnasien) wegen eines bestimmten Differenzierungsmerkmals (Lehrbefähigung für die Sekundarstufe I bzw. II) ungleich (unterschiedliche Besoldungsgruppe) behandelt wird. 51Diese Ungleichbehandlung fußt aber aus Sicht des Gerichts auf einem sachlichen, d.h. plausiblen und dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung gerecht werdenden Grund. Denn der Gesetzgeber überschreitet nicht seinen besoldungsrechtlichen Gestaltungsspielraum, wenn er Beamte – wie hier – unterschiedlich behandelt, die im Rahmen ihrer Fachausbildung erheblichen unterschiedlichen Anforderungen unterliegen. Insoweit mag es als unschön wahrgenommen werden, ist aber keineswegs evident sachwidrig, die Wertigkeit eines Amtes mit der für dieses Amt erforderlichen Vorbildung zu bestimmen und insoweit die Besoldung je nach Vorbildung unterschiedlich auszugestalten. Denn die Zuordnung der Ämter zu Besoldungsgruppen beruht unter anderem auf der generellen Überlegung, dass es zulässig und geboten ist, eine höher qualifizierte Vorbildung zur Voraussetzung für eine bessere Besoldung zu machen, wenn die qualifizierte Vorbildung generell für die ordnungsgemäße Erfüllung der höher eingestuften Tätigkeit „von Bedeutung“ ist. 52Vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Juli 1983 - 2 BvR 460/80 -, juris, Rn. 42 f.; BVerwG, Urteil vom 21. Dezember 2000 2 C 41.99 -, juris, Rn. 14; OVG NRW, Beschluss vom - 6 A 3712/04 -, juris, Rn. 8; VG Düsseldorf, Urteil vom 13. Mai 2022 - 26 K 9086/18 -, juris, Rn. 51 f. 53So liegt die Sache hier. Für die Ausbildung der Klägerin galt das Lehrerausbildungsgesetz Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 29. Oktober 1974 (LABG NRW 1974). Zwar ist dieses Gesetz überwiegend erst zum 1. Mai 1975, mithin nach Beginn des Studiums der Klägerin im Oktober 1974, in Kraft getreten. Nach § 25 Abs. 3 LABG NRW 1974 konnten Studierende, die ihr Studium vor Inkrafttreten des Gesetzes aufgenommen haben, ihren Studienabschluss aber nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach der Vorgängerregelung erreichen. Die Klägerin hat ihr Studium indes im Jahr 1978, also nach Ablauf von zwei Jahren nach Inkrafttreten des LABG NRW 1974 und demnach unter den Bedingungen des LABG NRW 1974 abgeschlossen. 54Die Lehramtsausbildung basierte dabei nach dem LABG NRW 1974 gerade auf der Differenzierung zwischen dem Lehramt für die Sekundarstufe I und dem Lehramt für die Sekundarstufe II. Dabei wurden bereits an das Studium – unabhängig seiner individuellen Ausgestaltung und Dauer – unterschiedliche Anforderungen gestellt: Während beim Lehramt für die Sekundarstufe I eine Regelstudiendauer von sechs Semestern vorgesehen war (§ 6 Abs. 1 LABG NRW 1974), betrug die Regelstudiendauer beim Lehramt für die Sekundarstufe II acht Semester (§ 7 Abs. 1 LABG NRW 1974). Diese unterschiedliche Studiendauer war auf den Umfang des Studienstoffes zurückzuführen, der insoweit einen weiteren Differenzierungsgrund liefert. Während das Studium beim Lehramt für die Sekundarstufe I nach § 12 LABG NRW 1974 das erziehungswissenschaftliche Studium sowie das Studium zweier Unterrichtsfächer umfasste, wobei eine Gleichgewichtung aller Studienbestandteile vorgesehen war, wies das Studium beim Lehramt für die Sekundarstufe II nach § 13 Abs. 1 LABG NRW 1974 eine doppelte Gewichtung des Studiums eines der beiden Unterrichtsfächern auf und lässt für die Unterrichtsfächer auch das – umfangreichere – Studium einer beruflichen Fachrichtung zu. Da die Sekundarstufe II die Oberstufe an Gymnasien umfasste, liegt auch eine hinreichende Bedeutung der stärker auf die Unterrichtsfächer gerichteten Vorbildung vor, die eine vorbildungsorientierte Differenzierung nach besagtem Maßstab zulässt. 55Angesichts dieser nicht nur marginalen Unterschiede bereits in der Fachausbildung kann von einer evidenten Sachwidrigkeit der vom Gesetzgeber vorgenommenen Differenzierung keine Rede sein. Insoweit bedarf es auch keiner Entscheidung durch das Gericht, ob sich die Sekundarstufen I und II (auch) hinsichtlich Tätigkeitsinhalt und Verantwortungsgrad hinreichend unterscheiden, um die unterschiedliche Besoldung zu rechtfertigen, weil bereits die unterschiedliche Ausgestaltung in der Ausbildung die Differenzierung zu tragen imstande ist. 56Soweit die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 13. September 2022 zur Begründung einer evidenten Sachwidrigkeit auf die 2009 erfolgte Lehrerausbildungsreform, bei der nunmehr eine weitestgehende Vereinheitlichung der Lehrerausbildung vorgenommen worden ist, sowie später erfolgte weitere Modifikationen in der Gewinnung der Lehrbefähigung verweist, verkennt sie, dass es im hiesigen Fall darauf nicht ankommt, weil diese Reformen sie gar nicht betroffen haben. Insbesondere ist hierdurch die bisherige Ausbildungsdiversität nicht beseitigt worden. Der benannte hinreichende Differenzierungsgrund bleibt daher jedenfalls für die Klägerin weiterhin beachtlich. Der Gesetzgeber hätte zwar die Reform zum Anlass nehmen können, in den „Altfällen“ wie hier besoldungsrechtliche Angleichungen vorzunehmen. Angesichts der weiterhin bestehenden Ausbildungsunterschiede war er aber nach besagtem Maßstab nicht dazu verpflichtet. Vor diesem Hintergrund überzeugt auch der Hinweis der Klägerseite auf die vom Bundesverfassungsgericht angenommenen prozedualen Überprüfungspflichten nicht. Denn unabhängig davon, dass diese nach der bundesverfassungsgerichtlichen Judikatur zuvörderst die Frage der Höhe der Besoldung an sich und nicht die Frage der Gleichbehandlung und Eingruppierung betreffen, vermag ein etwaiger Verstoß des Gesetzgebers gegen seine Pflicht, die Besoldung regelmäßig zu überprüfen und ggf. anzupassen, freilich keinen subjektiven Anspruch der Klägerin auf eine höhere Besoldung auszulösen, da dies weiterhin von den materiellen Maßstäben des Besoldungsrechts abhängt. 57Auch soweit die Klägerin auf das Rechtsgutachten von Herrn Professor C1. verweist, sieht sich das Gericht nicht veranlasst, eine andere Rechtsauffassung zu vertreten. Dies bereits deshalb, weil nach den von der Klägerin selbst zitierten Aussagen des Gutachtens für sog. „Altfälle“ wie hier, in denen die Lehramtsbefähigung vor der Angleichung der Lehrerausbildung im Jahr 2009 erworben worden ist, nur eine Empfehlung ausgesprochen wird, keinesfalls aber – und insoweit zutreffend –von einer verfassungsrechtlichen Verpflichtung die Rede ist. Auch wenn die Klägerin Anderes meint, spricht Professor C1. gerade ob der unterschiedlichen Lehrerausbildung bis zur Reform 2009 lediglich davon, dass der Gesetzgeber „berechtigt“ ist, die Besoldung hierbei anzugleichen. Insoweit sprächen Aspekte dafür, die Besoldung entsprechend auszugestalten. In dem Gutachten wird – anders als für den Bereich der nach 2009 ausgebildeten Lehrkräfte – in keiner Weise von verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigter Ungleichbehandlung gesprochen. 58Eine evidente Sachwidrigkeit vermag sich auch nicht daraus ergeben, dass die Klägerin – wie ihr Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat – während ihrer Dienstzeit eine Strukturzulage in Höhe des Differenzbetrages zwischen den Besoldungsgruppen A 12 und A 13 erhalten haben und dadurch die Widersprüchlichkeit in der Lehrerbesoldung offenkundig sein soll. Denn unabhängig davon, dass Zulagen keinen Einfluss auf die hier allein maßgebliche Frage der Zuordnung der Besoldungsgruppen haben, sieht das Gesetz eine solche Zulage für Lehrkräfte nach A 12 ohnehin nicht vor (vgl. §§ 47, 55 LBesG NRW), weswegen man dem Gesetzgeber auch nicht unterstellen kann, er räume durch die faktische besoldungsrechtliche Gleichbehandlung von Lehrkräften wie der Klägerin mit Studienräten die Erforderlichkeit einer Gleichstellung auch bei der Einordnung in die Besoldungsgruppen ein. 59Etwas Anderes ist auch nicht deshalb anzunehmen, weil die LBesO a. F. A auch für Lehrkräfte mit der Befähigung zum Lehramt für die Sekundarstufe I den Aufstieg in die Besoldungsgruppe A 13 ermöglicht. Denn insoweit handelt es sich – offenbar aus Gründen der Attraktivitätssteigerung des Lehramtsberufs vor allem an Grund- und Hauptschulen – um eine stellenmäßig nur begrenzte Beförderungs-, nicht aber um eine Einstiegsmöglichkeit. Gegenstand des Verfahrens ist aber, da die Klägerin jeher nach A 12 besoldet wurde, gerade die allgemeine Ungleichbehandlung zwischen Lehrkräften wie der Klägerin ohne Studium auf Lehramt für die Sekundarstufe II und Lehrkräften mit einem solchen Studium. Dadurch dass eine Beförderung nach A 13 auch für Lehrkräfte wie die Klägerin möglich war, zeigt der Gesetzgeber auch nicht, dass er die Differenzierung zwischen den beiden Lehramtstypen aufzugeben beabsichtigt bzw. keinen Unterschied mehr zwischen beiden sieht. Vielmehr handelt es sich um eine für Lehrkräfte ohne die Befähigung für die Sekundarstufe II eröffnete Möglichkeit des Aufstieges trotz unterschiedlicher Vorbildung. Dadurch wird der allgemeinen Ungleichbehandlung zwischen beiden Lehramtstypen aber nicht per se die Verfassungswidrigkeit bescheinigt. 60Schließlich vermag die Kammer auch keine (mittelbare) Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts oder des Alters anzunehmen. Soweit die Klägerin auf den Anteil von Frauen an Grundschulen verweist, ist zu bedenken, dass sie selbst an einem Gymnasium tätig war und daher – eine mittelbare geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung unterstellt – hiervon nicht in ihren subjektiven Rechten verletzt wäre. Schließlich vermag das Gericht auch keine Altersdiskriminierung erkennen. Unabhängig davon, dass eine solche wohl auch unter Beachtung eines womöglich dann strengeren Rechtfertigungsmaßstabes angesichts der benannten Strukturunterschiede gerechtfertigt wäre, kann eine solche überhaupt erst angenommen werden, wenn die „Neufälle“, in denen Ausbildung und Ernennung auf Lebenszeit nach 2009 erfolgten, tatsächlich besoldungsrechtlich anders behandelt werden, was bislang aber nicht der Fall ist. Dies ergibt sich auch ausdrücklich aus dem von der Klägerin in Bezug genommenen Rechtsgutachten des Herrn Professor C1. , das die Frage nach der Altersdiskriminierung nur für den Fall eine Modifikation des Besoldungssystems, also auf die (potentielle) Zukunft gerichtet, stellt (S. 62 f.). 61Nichts Anderes gilt schließlich, falls man unter Verweis auf die nicht stets eindeutige Judikatur des Bundesverfassungsgerichts einen plausiblen Sachgrund nicht genügen lassen, sondern die Verhältnismäßigkeit als Rechtfertigungsmaßstab für die Ungleichbehandlung heranziehen wollte. Nach dieser ist eine Differenzierung nur dann gerechtfertigt, wenn für sie Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können. 62Vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 26. Januar 1993 - 1 BvL 38/92 u.a. -, juris, Rn. 36. 63Demnach erweist sich die unterschiedliche Besoldungsregulation nicht als gleichheitswidrig, weil sich bereits die Unterschiede in der Lehrerausbildung als so gewichtig erweisen, dass sie den Unterschied in Gestalt von einer Besoldungsstufe als angemessen erscheinen lassen. Das liegt vornehmlich darin begründet, dass die längere Studiendauer sowie die deutlich stärkere Gewichtung und Bedeutung der fachlichen Ausbildung dazu führen, dass für das Erlangen der Lehramtsbefähigung für die Sekundarstufe II ein spürbarer und nicht nur marginaler Mehraufwand in der Ausbildung geleistet werden musste, der nicht außer Verhältnis zu der an ihn anknüpfenden im Vergleich zu Lehrkräften mit der Lehramtsbefähigung für die Sekundarstufe I unterschiedlich ausfallenden besoldungsrechtlichen Folge steht. 64Angesichts des Vorstehenden kann sich die Klägerin auch nicht mit Erfolg auf Art. 24 Abs. 2 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalen berufen, weil sich hieraus kein anderer Maßstab als der bereits benannte ergibt. 65III. 66Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 der Zivilprozessordnung. 67IV. 68Die Berufung ist wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 124a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, weil sich die Frage der gleichheitswidrigen Besoldung für „Altfälle“ nicht nur in diesem Verfahren, sondern in einer Vielzahl weiterer Verfahren stellen kann. 69Rechtsmittelbelehrung: 70Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster zu. 71Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, einzulegen und muss das angefochtene Urteil bezeichnen. 72Die Berufung ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Die Begründung ist, wenn sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich einzureichen. 73Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 74Im Berufungsverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Berufung. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO.
die klage wird abgewiesen. die klägerin trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. die klägerin kann die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht der beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. die berufung wird zugelassen. 1
2die klägerin begehrt die feststellung, dass sie als lehrerin mit der lehrbefähigung für die sekundarstufe i während ihrer aktiven dienstzeit in gleicher weise wie lehrkräfte mit der lehrbefähigung für die sekundarstufe ii zu besolden gewesen wäre. 3die klägerin studierte in n. vom wintersemester 1974/1975 bis einschließlich zum wintersemester 1977/1978 biologie und mathematik für das lehramt der sekundarstufe i. vom 27. april 1981 an wurde sie durchgängig in der sekundarstufe i am f. -c. -gymnasium in v. eingesetzt und hierbei der besoldungsgruppe a 12 gemäß der lbeso nrw zugeordnet. zum 1. februar 2017 wurde sie in den ruhestand versetzt. 4unter dem 11. april 2017 erhob sie widerspruch gegen die für den monat januar 2017 erhaltene bezügemitteilung sowie die am 10. februar 2017 auf grundlage der besoldungsgruppe a 12 gemäß der lbeso nrw vorgenommene festsetzung des ruhegehaltes und beantragte die besoldung bzw. festsetzung des ruhegehaltes nach der besoldungsgruppe a 13 gemäß der lbeso nrw zuzüglich der studienratszulage in höhe von 86,88 euro. 5mit widerspruchsbescheid des landesamtes für besoldung und versorgung nordrhein-westfalen (nachfolgend: lbv nrw) vom 21. november 2017 wurde der widerspruch der klägerin zurückgewiesen. zur begründung wurde ausgeführt, die klägerin habe lediglich einen versorgungsanspruch auf basis der besoldungsgruppe a 12 gemäß lbeso nrw. die einstufung in diese besoldungsgruppe für lehrkräfte mit der lehrbefähigung für die sekundarstufe i sei amtsangemessen. insbesondere sei es unter berücksichtigung des weiten gestaltungsspielraums des versorgungsgesetzgebers gerechtfertigt, wenn lehrkräfte mit der lehrbefähigung für die sekundarstufe ii mit a 13 gemäß lbeso nrw eine um eine stufe höhere besoldung erhielten. 6die klägerin hat am 20. dezember 2017 unter dem gerichtlichen aktenzeichen 3 k 12574/17 klage sowohl hinsichtlich ihrer besoldung als auch ihrer versorgung erhoben. das verfahren ist im hinblick auf die frage der amtsangemessenen besoldung während der aktiven dienstzeit der klägerin abgetrennt und unter hiesigem aktenzeichen fortgesetzt worden. zur begründung der vorliegenden klage führt die klägerin aus, die besoldung für den letzten monat ihrer aktiven dienstzeit verstoße gegen den verfassungsrechtlichen grundsatz der amtsangemessenen besoldung. denn es sei – wie sich auch aus einem von professor c1. im januar 2015 erstellten rechtsgutachten ergebe – nach dem verfassungsrechtlichen gleichbehandlungsgrundsatz nicht gerechtfertigt, dass lehrkräfte mit der lehrbefähigung für die sekundarstufe i geringer besoldet würden als studienräte, also lehrkräfte mit der lehrbefähigung für die sekundarstufe ii. für eine solche differenzierung fehle es an einem sachgrund, da nicht erst seit der lehrerausbildungsreform im jahre 2009 hinsichtlich ausbildung sowie tätigkeit keine hinreichenden unterschiede zwischen der lehrtätigkeit in der sekundarstufe i und in der sekundarstufe ii feststellbar seien. im rahmen ihrer tätigkeit am f. -c. -gymnasium habe sie dieselbe verantwortung getragen und dieselben aufgaben wahrgenommen wie ein mit der besoldungsgruppe a 13 gemäß lbeso nrw besoldeter studienrat. für die gleiche arbeit müsse bereits nach der landesverfassung schließlich der gleiche lohn gezahlt werden. 7die klägerin beantragt, 8festzustellen, dass die ihr für den monat januar 2017 gewährte alimentation aus der besoldungsgruppe a 12 gemäß lbeso nrw den verfassungsrechtlichen anforderungen einer (amts-)angemessenen besoldung nicht genügt hat und ihr eine besoldung nach der besoldungsgruppe a 13 gemäß lbeso nrw zuzüglich der sogenannten studienratszulage zu gewähren gewesen wäre. 9der beklagte beantragt, 10die klage abzuweisen. 11zur begründung verweist er im wesentlichen auf seine im verwaltungsverfahren vorgebrachten argumente. vertiefend führt er aus, für die zeit vor 2017 sei die klage bereits unzulässig, da die klägerin für die besoldung in dieser zeit nicht haushaltsnah ihren widerspruch erhoben habe. soweit die klägerin auf ein rechtsgutachten verweise, ergebe sich aus diesem jedenfalls für lehrkräfte, die vor der reform im jahr 2009 ausgebildet worden seien, keine verpflichtung zur gleichen besoldung von lehrkräften mit der lehramtsbefähigung für die sekundarstufe i und solchen mit der lehramtsbefähigung für die sekundarstufe ii. vielmehr obliege dies auch nach dem rechtsgutachten des herrn professor c1. der freien entscheidung des gesetzgebers. 12für weitere einzelheiten zum sach- und streitstand wird auf die gerichtsakte sowie die im verfahren 3 k 12574/17 beigezogenen verwaltungsvorgänge bezug genommen. 13
14die klage hat keinen erfolg. sie ist zwar zulässig (i.), aber unbegründet (ii.). 15i. 16die klage ist als feststellungsklage gemäß § 43 abs. 1 der verwaltungsgerichtsordnung (vwgo) zulässig. danach kann das gericht unter anderem das bestehen eines – streitigen – rechtsverhältnisses feststellen. unter einem solchen versteht man die sich aus einem konkreten sachverhalt aufgrund öffentlich-rechtlicher vorschriften ergebenden rechte und pflichten unter anderem zwischen einem hoheitsträger und einer natürlichen person. dazu gehört auch der anspruch eines beamten auf amtsangemessene besoldung. 17vgl. nur bverwg, urteil vom 21. september 2017 - 2 c 30.16 -, juris, rn. 8. 18die zulässigkeit der feststellungsklage scheitert auch nicht an dem an sich gemäß § 43 abs. 2 vwgo bestehenden vorrang von leistungs- oder gestaltungsklagen. soweit die klägerin im hinblick auf ihre besoldung von einer untätigkeitsklage im sinne der verpflichtungsklage als unterfall der leistungsklage spricht, trifft dies nicht zu. denn wegen des besoldungsrechtlichen vorbehaltes des gesetzes (vgl. § 2 abs. 1 des landesbesoldungsgesetzes nordrhein-westfalen – lbesg nrw) kann der beamte über eine leistungsklage keine besoldung erhalten, die sich nicht aus dem gesetz ergibt. ist der beamte daher – wie hier – der ansicht, dass die gesetzlich normierte besoldung rechts- bzw. verfassungswidrig ist, verbleibt allein die feststellungsklage. 19vgl. bverwg, urteile vom 21. september 2017 - 2 c 30.16 -, juris, rn. 8, und vom 20. märz 2008 - 2 c 49.07 -, juris, rn. 29; vg düsseldorf, urteil vom 13. mai 2022 - 26 k 9086/18 -, juris, rn. 10. 20schließlich steht der zulässigkeit der klage nicht entgegen, dass das nach § 54 abs. 2 des beamtenstatusgesetzes (beamtstg) in verbindung mit § 103 abs. 1 satz 2 des landesbeamtengesetzes nordrhein-westfalen (lbg nrw) für eine klage erforderliche erfolglos durchgeführte widerspruchsverfahren nicht vorliegt, weil der beklagte den widerspruch der klägerin nur im hinblick auf die versorgung und nicht die hier in rede stehende besoldung beschieden hat. denn nach stetiger rechtsprechung des bundesverwaltungsgerichts, der die kammer folgt, ist von dem erfordernis des vor klageerhebung erfolglos durchgeführten vorverfahrens abzusehen, wenn der zweck des vorverfahrens nicht mehr erreicht werden kann oder diesem bereits rechnung getragen ist. dies ist vor allem dann der fall, wenn sich der beklagte auf die klage einlässt und deren abweisung beantragt, ohne das fehlende vorverfahren zu rügen. denn dann kann das vorverfahren seinen zweck, die selbstkontrolle der verwaltung sowie die entlastung der verwaltungsgerichte, nicht mehr erreichen, weil feststeht, dass der widerspruch unabhängig von der begründung keinen erfolg haben würde. das gilt jedenfalls dann, wenn widerspruchs- und ausgangsbehörde identisch sind und der widerspruchsbehörde kein ermessens- oder beurteilungsspielraum zukommt. 21vgl. bverwg, urteile vom 30. oktober 2013 - 2 c 23.12 -, juris, rn. 36 f., und vom 15. september 2010 - 8 c 21.09 -, juris, rn. 24 ff. mit weiteren nachweisen. 22demnach war das erfolglose durchführen eines widerspruches hier entbehrlich, da das lbv nrw sowohl als ausgangs- wie als widerspruchsbehörde fungiert, ihm im bereich der besoldung kein entscheidungsspielraum zukommt und es sich in seiner klageerwiderung vom 19. juli 2018 ausdrücklich mit der klage und der besoldungsfrage beschäftigt hat, ohne das im hinblick auf die besoldung fehlende vorverfahren zu rügen. es hat damit ausdrücklich gezeigt, dass ein widerspruch keinen erfolg hätte, weswegen der zweck desselben hier zu erreichen nicht mehr möglich ist. 23ii. 24die klage hat aber in der sache keinen erfolg. zwar kann der beklagte sich nicht auf die verwirkung eines etwaigen anspruchs berufen (1.). ein anspruch auf die begehrte feststellung der rechtswidrigkeit der besoldung scheidet aber aus, da gegen die einstufung der klägerin in die besoldungsgruppe a 12 gemäß der landesbesoldungsordnung nordrhein-westfalen (lbeso nrw a.f.) rechtlich nichts zu erinnern ist (2.). 251. 26soweit der beklagte in der mündlichen verhandlung darauf verwiesen hat, die klägerin sei jahrzehntelang nicht gegen ihre besoldung vorgegangen, und sich insoweit auf eine verwirkung berufen hat, vermag die kammer dem nicht zu folgen. das letztlich auf den grundsatz von treu und glauben und hierbei das prinzip der verwirkung abzielende argument verkennt, dass – unabhängig davon, ob das institut der verwirkung hier neben der pflicht zur haushaltsnahen geltendmachung überhaupt anwendung finden kann – ein reines untätigbleiben, wie es hier allein vorliegt, nicht ausreicht, sondern es stets auch eines hier aber nicht erkennbaren umstandes bedarf, aus dem sich ohne weiteres die akzeptanz mit dem nunmehr angegriffenen zustand ergibt. 27vgl. allgemein zur materiell-rechtlichen verwirkung bverwg, beschluss vom 16. juli 2012 - 9 kst 4.12 -, juris, rn. 3; kluckert, in: sodan/ziekow, vwgo, 5. auflage 2018, § 58 rn. 78. 282. 29die klägerin hat keinen anspruch auf feststellung der rechtswidrigkeit ihrer zuletzt gewährten besoldung. denn ihre einstufung in die besoldungsgruppe a 12 gemäß lbeso nrw a. f. entsprach der damaligen gesetzlichen regelung (a.) und ist auch aus verfassungsrechtlichen gründen nicht als rechtswidrig einzustufen (b.). 30a) 31nach § 20 abs. 1 satz 1 des landesbesoldungsgesetzes nordrhein-westfalen in der hier maßgeblichen, bis zum 21. september 2021 geltenden (alten) fassung (lbesg nrw a.f.) bestimmt sich das grundgehalt der beamten nach der besoldungsgruppe des ihnen verliehenen amtes. nach § 22 abs. 1 und 2 lbesg nrw a. f. erfolgt die zuordnung der besoldungsgruppe zu den jeweiligen ämtern über die im streitgegenständlichen zeitraum geltenden landesbesoldungsordnungen (lbeso a. f.) a (aufsteigende gehälter) bzw. b (feste gehälter). nach der hier einschlägigen, lbeso a. f. a werden lehrkräfte wie die klägerin mit der befähigung für das lehramt an grund-, haupt- und realschulen und den entsprechenden jahrgangsstufen der gesamtschulen – die sekundarstufe i – der besoldungsgruppe a 12 zugeordnet, soweit keine zuordnung zur besoldungsgruppe a 13 erfolgt. eine zuordnung zur besoldungsgruppe a 13 ist nach der lbeso a. f. a indes nur für studienräte mit der befähigung für das lehramt an berufskollegs bzw. an gymnasien und gesamtschulen oder nur ausnahmsweise und im einzelfall für lehrer mit der lehrbefähigung für die sekundarstufe i vorgesehen, zu denen die klägerin nicht gehört. 32b) 33diese zuordnung unterliegt jedenfalls für den hier vorliegenden „altfall“, in dem der betroffene vor der lehrerausbildungsreform im jahr 2009 ausgebildet und verbeamtet worden ist, keinen (verfassungs-)rechtlichen bedenken. 34aa) 35nach § 19 abs. 1 satz 1 lbesg nrw a.f. sind die funktionen der beamten sachgerecht zu bewerten und entsprechend bei der ämterzuordnung zu berücksichtigen. nach satz 3 sind die ämter nach ihrer wertigkeit den besoldungsgruppen zuzuordnen. überformt wird diese regelung durch das über art. 33 abs. 5 des grundgesetzes (gg) unmittelbar geltende alimentationsprinzip. nach der vorschrift des art. 33 abs. 5 gg ist das recht des öffentlichen dienstes unter berücksichtigung der hergebrachten grundsätze des berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln. ein zentrales moment dieser hergebrachten grundsätze ist das alimentationsprinzip, das insoweit über art. 33 abs. 5 gg zu einem (grundrechtsgleichen) subjektiv-öffentlichen recht mutiert. 36vgl. bverfg, beschluss vom 17. november 2015 - 2 bvl 19/09 u.a., juris, rn. 71 m.w.n. 37das alimentationsprinzip beinhaltet die verpflichtung des dienstherrn, dem beamten und seiner familie unterhalt zu leisten, der dem innegehabten amt angemessen ist. dabei sind die dienstbezüge für ihre amtsangemessenheit so zu bemessen, dass sie je nach dienstrang, bedeutung und verantwortung des amtes angemessenen lebensunterhalt gewähren. 38vgl. bverfg, urteile vom 14. februar 2012 - 2 bvl 4/10 -, juris, rn. 145, vom 6. märz 2007 - 2 bvr 556/04 -, juris, rn. 68 f. 39der besoldungsgesetzgeber hat allerdings bei der umsetzung der pflicht zur amtsangemessenen alimentation einen weiten entscheidungsspielraum sowohl hinsichtlich struktur als auch höhe der alimentation. daher liegt es nicht beim gericht zu überprüfen, ob die getroffene entscheidung die gerechteste und zweckmäßigste bzw. vernünftigste lösung ist. vielmehr hat die gerichtsbarkeit nur bei evidenter sachwidrigkeit einzuschreiten. im ergebnis beschränkt sich die materielle kontrolle folglich auf die frage, ob die bezüge der beamten evident sachwidrig sind. 40vgl. bverfg, beschlüsse vom 23. mai 2017 - 2 bvr 883/14 u.a., juris, rn. 75 ff., und vom 17. november 2015 - 2 bvl 19/09 u.a., juris, rn. 73 ff. m.w.n. 41eine solche evidente sachwidrigkeit wäre anzunehmen, wenn der besoldungsgesetzgeber bei der zuordnung der besoldungsgruppen den verfassungsrechtlich garantierten gleichheitssatz aus art. 3 abs. 1 gg verletzte. nach dieser grundbestimmung muss unter anderem der gesetzgeber wesentlich gleiches gleich bzw. wesentlich ungleiches ungleich behandeln. verboten ist daher ein gleichheitswidriger begünstigungsausschluss, bei dem eine begünstigung einem personenkreis gewährt, einem anderen personenkreis aber vorenthalten wird. differenzierungen sind damit nicht ausgeschlossen, bedürfen jedoch stets der rechtfertigung durch sachgründe, die dem differenzierungsziel und dem ausmaß der ungleichbehandlung angemessen sind. 42vgl. bverfg, beschluss vom 15. dezember 2015 - 2 bvl 1/12 -, juris, rn. 93 m.w.n. 43die anforderungen an eine rechtfertigung von (un-)gleichbehandlungen schwanken: je nach regelungsgegenstand und differenzierungsmerkmalen ergeben sich aus dem allgemeinen gleichheitssatz unterschiedliche anforderungen an den die ungleichbehandlung tragenden sachgrund, die von auf das willkürverbot beschränkten bindungen bis hin zu strengen verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. 44vgl. bverfg, beschlüsse vom 15. dezember 2015 - 2 bvl 1/12 -, juris, rn. 93, und vom 15. januar 2014 - 1 bvr 1656/09 -, juris, rn. 54, jeweils m.w.n. 45im bereich des besoldungsrechts bedeutet dies, dass beamte mit gleichen oder gleichwertigen ämtern zwar in der regel gleich zu besolden sind. dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt. die zulässigkeit einer differenzierung hängt davon ab, ob nach dem maßstab des art. 3 abs. 1 gg ein sachlich gerechtfertigter grund vorliegt. 46vgl. bverfg, beschluss vom 23. mai 2017 - 2 bvr 884/14 u.a., juris, rn. 84. 47dabei ist in der verfassungsrechtlichen judikatur geklärt, dass die gerichtliche überprüfung von (un-)gleichbehandlungen im rahmen des besoldungsrechts wegen des bereits genannten gesetzgeberischen entscheidungsspielraumes grundsätzlich auf das willkürverbot beschränkt ist. denn jede besoldungsordnung enthält unvermeidbare härten und mag aus sicht der betroffenen fragwürdig sein. solche unebenheiten, friktionen und mängel müssen in kauf genommen werden, solange sich für die regelung ein plausibler und sachlich vertretbarer grund anführen lässt. der gesetzgeber muss insbesondere die freiheit haben, von der bisherigen bewertung eines amtes im verhältnis zu einem anderen amt abzuweichen. anders lässt sich, wenn man eine besoldungsordnung in ihrem bestand nicht versteinern will, eine vom gesetzgeber für notwendig gehaltene vernünftige neuregelung und verbesserung nicht bewerkstelligen. von daher ist das gericht darauf beschränkt, nur die überschreitung äußerster grenzen zu beanstanden, jenseits derer sich gesetzliche vorschriften bei der abgrenzung von lebenssachverhalten als evident sachwidrig erweisen, die vorgenommene differenzierung mithin auf keinem sachlichen grund fußt. 48vgl. bverfg, beschlüsse vom 23. mai 2017 - 2 bvr 883/14 u.a., juris, rn. 85 f., und vom 6. mai 2004 - 2 bvl 16/02 -, juris, rn. 42, und vom 4. april 2001 - 2 bvl 7/98 -, juris, rn. 44. 49bb) 50nach diesen maßstäben ist zwar vorliegend eine ungleichbehandlung auszumachen, weil die an einem gymnasium mit der lehrbefähigung für die sekundarstufe i tätige klägerin anders als ebenfalls an gymnasien tätige studienräte mit der lehrbefähigung für die sekundarstufe ii einer niedrigeren besoldungsgruppe zugeordnet war und insoweit wesentlich gleiches (lehrkräfte an gymnasien) wegen eines bestimmten differenzierungsmerkmals (lehrbefähigung für die sekundarstufe i bzw. ii) ungleich (unterschiedliche besoldungsgruppe) behandelt wird. 51diese ungleichbehandlung fußt aber aus sicht des gerichts auf einem sachlichen, d.h. plausiblen und dem differenzierungsziel und dem ausmaß der ungleichbehandlung gerecht werdenden grund. denn der gesetzgeber überschreitet nicht seinen besoldungsrechtlichen gestaltungsspielraum, wenn er beamte – wie hier – unterschiedlich behandelt, die im rahmen ihrer fachausbildung erheblichen unterschiedlichen anforderungen unterliegen. insoweit mag es als unschön wahrgenommen werden, ist aber keineswegs evident sachwidrig, die wertigkeit eines amtes mit der für dieses amt erforderlichen vorbildung zu bestimmen und insoweit die besoldung je nach vorbildung unterschiedlich auszugestalten. denn die zuordnung der ämter zu besoldungsgruppen beruht unter anderem auf der generellen überlegung, dass es zulässig und geboten ist, eine höher qualifizierte vorbildung zur voraussetzung für eine bessere besoldung zu machen, wenn die qualifizierte vorbildung generell für die ordnungsgemäße erfüllung der höher eingestuften tätigkeit „von bedeutung“ ist. 52vgl. bverfg, beschluss vom 5. juli 1983 - 2 bvr 460/80 -, juris, rn. 42 f.; bverwg, urteil vom 21. dezember 2000 2 c 41.99 -, juris, rn. 14; ovg nrw, beschluss vom - 6 a 3712/04 -, juris, rn. 8; vg düsseldorf, urteil vom 13. mai 2022 - 26 k 9086/18 -, juris, rn. 51 f. 53so liegt die sache hier. für die ausbildung der klägerin galt das lehrerausbildungsgesetz nordrhein-westfalen in der fassung vom 29. oktober 1974 (labg nrw 1974). zwar ist dieses gesetz überwiegend erst zum 1. mai 1975, mithin nach beginn des studiums der klägerin im oktober 1974, in kraft getreten. nach § 25 abs. 3 labg nrw 1974 konnten studierende, die ihr studium vor inkrafttreten des gesetzes aufgenommen haben, ihren studienabschluss aber nur bis zum ablauf von zwei jahren nach der vorgängerregelung erreichen. die klägerin hat ihr studium indes im jahr 1978, also nach ablauf von zwei jahren nach inkrafttreten des labg nrw 1974 und demnach unter den bedingungen des labg nrw 1974 abgeschlossen. 54die lehramtsausbildung basierte dabei nach dem labg nrw 1974 gerade auf der differenzierung zwischen dem lehramt für die sekundarstufe i und dem lehramt für die sekundarstufe ii. dabei wurden bereits an das studium – unabhängig seiner individuellen ausgestaltung und dauer – unterschiedliche anforderungen gestellt: während beim lehramt für die sekundarstufe i eine regelstudiendauer von sechs semestern vorgesehen war (§ 6 abs. 1 labg nrw 1974), betrug die regelstudiendauer beim lehramt für die sekundarstufe ii acht semester (§ 7 abs. 1 labg nrw 1974). diese unterschiedliche studiendauer war auf den umfang des studienstoffes zurückzuführen, der insoweit einen weiteren differenzierungsgrund liefert. während das studium beim lehramt für die sekundarstufe i nach § 12 labg nrw 1974 das erziehungswissenschaftliche studium sowie das studium zweier unterrichtsfächer umfasste, wobei eine gleichgewichtung aller studienbestandteile vorgesehen war, wies das studium beim lehramt für die sekundarstufe ii nach § 13 abs. 1 labg nrw 1974 eine doppelte gewichtung des studiums eines der beiden unterrichtsfächern auf und lässt für die unterrichtsfächer auch das – umfangreichere – studium einer beruflichen fachrichtung zu. da die sekundarstufe ii die oberstufe an gymnasien umfasste, liegt auch eine hinreichende bedeutung der stärker auf die unterrichtsfächer gerichteten vorbildung vor, die eine vorbildungsorientierte differenzierung nach besagtem maßstab zulässt. 55angesichts dieser nicht nur marginalen unterschiede bereits in der fachausbildung kann von einer evidenten sachwidrigkeit der vom gesetzgeber vorgenommenen differenzierung keine rede sein. insoweit bedarf es auch keiner entscheidung durch das gericht, ob sich die sekundarstufen i und ii (auch) hinsichtlich tätigkeitsinhalt und verantwortungsgrad hinreichend unterscheiden, um die unterschiedliche besoldung zu rechtfertigen, weil bereits die unterschiedliche ausgestaltung in der ausbildung die differenzierung zu tragen imstande ist. 56soweit die klägerin in ihrem schriftsatz vom 13. september 2022 zur begründung einer evidenten sachwidrigkeit auf die 2009 erfolgte lehrerausbildungsreform, bei der nunmehr eine weitestgehende vereinheitlichung der lehrerausbildung vorgenommen worden ist, sowie später erfolgte weitere modifikationen in der gewinnung der lehrbefähigung verweist, verkennt sie, dass es im hiesigen fall darauf nicht ankommt, weil diese reformen sie gar nicht betroffen haben. insbesondere ist hierdurch die bisherige ausbildungsdiversität nicht beseitigt worden. der benannte hinreichende differenzierungsgrund bleibt daher jedenfalls für die klägerin weiterhin beachtlich. der gesetzgeber hätte zwar die reform zum anlass nehmen können, in den „altfällen“ wie hier besoldungsrechtliche angleichungen vorzunehmen. angesichts der weiterhin bestehenden ausbildungsunterschiede war er aber nach besagtem maßstab nicht dazu verpflichtet. vor diesem hintergrund überzeugt auch der hinweis der klägerseite auf die vom bundesverfassungsgericht angenommenen prozedualen überprüfungspflichten nicht. denn unabhängig davon, dass diese nach der bundesverfassungsgerichtlichen judikatur zuvörderst die frage der höhe der besoldung an sich und nicht die frage der gleichbehandlung und eingruppierung betreffen, vermag ein etwaiger verstoß des gesetzgebers gegen seine pflicht, die besoldung regelmäßig zu überprüfen und ggf. anzupassen, freilich keinen subjektiven anspruch der klägerin auf eine höhere besoldung auszulösen, da dies weiterhin von den materiellen maßstäben des besoldungsrechts abhängt. 57auch soweit die klägerin auf das rechtsgutachten von herrn professor c1. verweist, sieht sich das gericht nicht veranlasst, eine andere rechtsauffassung zu vertreten. dies bereits deshalb, weil nach den von der klägerin selbst zitierten aussagen des gutachtens für sog. „altfälle“ wie hier, in denen die lehramtsbefähigung vor der angleichung der lehrerausbildung im jahr 2009 erworben worden ist, nur eine empfehlung ausgesprochen wird, keinesfalls aber – und insoweit zutreffend –von einer verfassungsrechtlichen verpflichtung die rede ist. auch wenn die klägerin anderes meint, spricht professor c1. gerade ob der unterschiedlichen lehrerausbildung bis zur reform 2009 lediglich davon, dass der gesetzgeber „berechtigt“ ist, die besoldung hierbei anzugleichen. insoweit sprächen aspekte dafür, die besoldung entsprechend auszugestalten. in dem gutachten wird – anders als für den bereich der nach 2009 ausgebildeten lehrkräfte – in keiner weise von verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigter ungleichbehandlung gesprochen. 58eine evidente sachwidrigkeit vermag sich auch nicht daraus ergeben, dass die klägerin – wie ihr prozessbevollmächtigter in der mündlichen verhandlung vorgetragen hat – während ihrer dienstzeit eine strukturzulage in höhe des differenzbetrages zwischen den besoldungsgruppen a 12 und a 13 erhalten haben und dadurch die widersprüchlichkeit in der lehrerbesoldung offenkundig sein soll. denn unabhängig davon, dass zulagen keinen einfluss auf die hier allein maßgebliche frage der zuordnung der besoldungsgruppen haben, sieht das gesetz eine solche zulage für lehrkräfte nach a 12 ohnehin nicht vor (vgl. §§ 47, 55 lbesg nrw), weswegen man dem gesetzgeber auch nicht unterstellen kann, er räume durch die faktische besoldungsrechtliche gleichbehandlung von lehrkräften wie der klägerin mit studienräten die erforderlichkeit einer gleichstellung auch bei der einordnung in die besoldungsgruppen ein. 59etwas anderes ist auch nicht deshalb anzunehmen, weil die lbeso a. f. a auch für lehrkräfte mit der befähigung zum lehramt für die sekundarstufe i den aufstieg in die besoldungsgruppe a 13 ermöglicht. denn insoweit handelt es sich – offenbar aus gründen der attraktivitätssteigerung des lehramtsberufs vor allem an grund- und hauptschulen – um eine stellenmäßig nur begrenzte beförderungs-, nicht aber um eine einstiegsmöglichkeit. gegenstand des verfahrens ist aber, da die klägerin jeher nach a 12 besoldet wurde, gerade die allgemeine ungleichbehandlung zwischen lehrkräften wie der klägerin ohne studium auf lehramt für die sekundarstufe ii und lehrkräften mit einem solchen studium. dadurch dass eine beförderung nach a 13 auch für lehrkräfte wie die klägerin möglich war, zeigt der gesetzgeber auch nicht, dass er die differenzierung zwischen den beiden lehramtstypen aufzugeben beabsichtigt bzw. keinen unterschied mehr zwischen beiden sieht. vielmehr handelt es sich um eine für lehrkräfte ohne die befähigung für die sekundarstufe ii eröffnete möglichkeit des aufstieges trotz unterschiedlicher vorbildung. dadurch wird der allgemeinen ungleichbehandlung zwischen beiden lehramtstypen aber nicht per se die verfassungswidrigkeit bescheinigt. 60schließlich vermag die kammer auch keine (mittelbare) ungleichbehandlung wegen des geschlechts oder des alters anzunehmen. soweit die klägerin auf den anteil von frauen an grundschulen verweist, ist zu bedenken, dass sie selbst an einem gymnasium tätig war und daher – eine mittelbare geschlechtsbezogene ungleichbehandlung unterstellt – hiervon nicht in ihren subjektiven rechten verletzt wäre. schließlich vermag das gericht auch keine altersdiskriminierung erkennen. unabhängig davon, dass eine solche wohl auch unter beachtung eines womöglich dann strengeren rechtfertigungsmaßstabes angesichts der benannten strukturunterschiede gerechtfertigt wäre, kann eine solche überhaupt erst angenommen werden, wenn die „neufälle“, in denen ausbildung und ernennung auf lebenszeit nach 2009 erfolgten, tatsächlich besoldungsrechtlich anders behandelt werden, was bislang aber nicht der fall ist. dies ergibt sich auch ausdrücklich aus dem von der klägerin in bezug genommenen rechtsgutachten des herrn professor c1. , das die frage nach der altersdiskriminierung nur für den fall eine modifikation des besoldungssystems, also auf die (potentielle) zukunft gerichtet, stellt (s. 62 f.). 61nichts anderes gilt schließlich, falls man unter verweis auf die nicht stets eindeutige judikatur des bundesverfassungsgerichts einen plausiblen sachgrund nicht genügen lassen, sondern die verhältnismäßigkeit als rechtfertigungsmaßstab für die ungleichbehandlung heranziehen wollte. nach dieser ist eine differenzierung nur dann gerechtfertigt, wenn für sie gründe von solcher art und solchem gewicht bestehen, dass sie die ungleichen rechtsfolgen rechtfertigen können. 62vgl. etwa bverfg, beschluss vom 26. januar 1993 - 1 bvl 38/92 u.a. -, juris, rn. 36. 63demnach erweist sich die unterschiedliche besoldungsregulation nicht als gleichheitswidrig, weil sich bereits die unterschiede in der lehrerausbildung als so gewichtig erweisen, dass sie den unterschied in gestalt von einer besoldungsstufe als angemessen erscheinen lassen. das liegt vornehmlich darin begründet, dass die längere studiendauer sowie die deutlich stärkere gewichtung und bedeutung der fachlichen ausbildung dazu führen, dass für das erlangen der lehramtsbefähigung für die sekundarstufe ii ein spürbarer und nicht nur marginaler mehraufwand in der ausbildung geleistet werden musste, der nicht außer verhältnis zu der an ihn anknüpfenden im vergleich zu lehrkräften mit der lehramtsbefähigung für die sekundarstufe i unterschiedlich ausfallenden besoldungsrechtlichen folge steht. 64angesichts des vorstehenden kann sich die klägerin auch nicht mit erfolg auf art. 24 abs. 2 der landesverfassung nordrhein-westfalen berufen, weil sich hieraus kein anderer maßstab als der bereits benannte ergibt. 65iii. 66die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 1 vwgo, die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit auf § 167 vwgo in verbindung mit §§ 708 nr. 11, 709 satz 2, 711 der zivilprozessordnung. 67iv. 68die berufung ist wegen grundsätzlicher bedeutung nach § 124a abs. 1 satz 1 in verbindung mit § 124 abs. 2 nr. 3 vwgo zuzulassen, weil sich die frage der gleichheitswidrigen besoldung für „altfälle“ nicht nur in diesem verfahren, sondern in einer vielzahl weiterer verfahren stellen kann. 69rechtsmittelbelehrung: 70gegen dieses urteil steht den beteiligten die berufung an das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen in münster zu. 71die berufung ist innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils schriftlich bei dem verwaltungsgericht gelsenkirchen, bahnhofsvorplatz 3, 45879 gelsenkirchen, einzulegen und muss das angefochtene urteil bezeichnen. 72die berufung ist innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils zu begründen. die begründung muss einen bestimmten antrag enthalten sowie die im einzelnen anzuführenden gründe der anfechtung (berufungsgründe). die begründung ist, wenn sie nicht zugleich mit der einlegung der berufung erfolgt, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen, aegidiikirchplatz 5, 48143 münster, schriftlich einzureichen. 73auf die unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung von schriftstücken als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 74im berufungsverfahren muss sich jeder beteiligte durch einen prozessbevollmächtigten vertreten lassen. dies gilt auch für die einlegung der berufung. der kreis der als prozessbevollmächtigte zugelassenen personen und organisationen bestimmt sich nach § 67 abs. 4 vwgo.
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14 K 7125/21
2022-09-13T00:00:00
Urteil
Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Die Beteiligten streiten über die Kosten einer Ersatzvornahme. Der Kläger ist Halter eines PKW der Marke C. , Modell N. , mit dem amtlichen Kennzeichen X-XX 0000. Am Freitag, dem 2. Juli 2021 war das vorbezeichnete Fahrzeug an der O. Straße 00 in E. abgestellt. 3Eine unbekannte Person informierte an diesem Tag um 14:07 Uhr das Ordnungsamt der Beklagten darüber, dass das Fahrzeug seit etwa 2 Stunden mit laufendem Motor abgestellt sei. Die Außendienstmitarbeiter der Beklagten begaben sich daraufhin zum Einsatzort. Sie stellten fest, dass das vorbenannte Fahrzeug mit laufendem Motor am Straßenrand abgestellt und verschlossen war. Eine Halterfeststellung ergab den Kläger als Halter, der laut Auskunft in der C1. Straße 000, 00000 X. wohnhaft sei. Ausweislich der Tagesmeldung der Leitstelle und des Streifenberichts sei der Kläger telefonisch nicht zu erreichen. 4Die Außendienstmitarbeiter versuchten ausweislich des Streifenberichts über eine Nahbereichsfahndung und Befragung in der Umgebung einen Verantwortlichen zu ermitteln. Wörtlich heißt es in einem Telefonvermerk über ein Gespräch mit dem Außendienstmitarbeiter Herrn C2. : 5„Er gibt an, die Hausnummern 00, 00-00, 00, 00 und 00 kontrolliert zu haben. Dort sei kein Hinweis auf Herrn U. gewesen. Es wurden des Weiteren mehrere Personen befragt, die fußläufig dort unterwegs waren. Die Personen, die angaben dort zu wohnen, wurden zu dem betroffenen Fahrzeug befragt, niemand kannte dieses Fahrzeug. Es wurde weiter konkret eine Person befragt, die in die Garageneinfahrt der Nr. 00 gehen wollte und auf dieser Anschrift wohnt. Die Person gab ebenfalls an, das betroffene Fahrzeug noch nie gesehen zu haben. Herr C2. kann sich nicht mehr an den LST-Disponenten erinnern, mit dem er telefoniert hat. Der Wortlaut „telefonisch ist dieser nicht zu erreichen“ aus dem Streifenbericht wurde von dem Disponenten übernommen. Der genaue Ablauf der Recherche in der LST wurde zum Zeitpunkt des Einsatzes nicht weiter hinterfragt. Jedenfalls kamen zu keinem Zeitpunkt am 2. Juli 2021 Hinweise auf das Architekturbüro. Weder durch Werbung/Zettel im oder am betroffenen Fahrzeug, noch über die LST. …“ 6Gegen 14:30 Uhr forderten die Außendienstmitarbeiter einen Abschleppwagen der Firma E1. B. an. Das Fahrzeug wurde durch den Mitarbeiter des Abschleppunternehmens geöffnet und ausgeschaltet. Im Anschluss wurden alle Türen des Kfz wieder verschlossen. 7Unter dem 6. Juli 2021 stellte die Firma E1. B. S. GmbH dem Ordnungsamt der Beklagten einen Betrag für das Öffnen des Fahrzeugs in Höhe von 150,00 EUR in Rechnung. 8Mit Schreiben vom 20. Juli 2021 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie beabsichtige, ihm gegenüber die Kosten für die Öffnung des Fahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen X-XX 0000 am 2. Juli 2021 in Höhe von 150,00 Euro geltend zu machen und gab die Gelegenheit zur Stellungnahme binnen einer Woche. Zur Begründung führte sie aus, dass der Ordnungsdienst der Beklagten aufgrund einer Anwohner-Beschwerde tätig geworden sei, derzufolge der Motor des Fahrzeuges bereits seit mehreren Stunden laufe. Da eine Kontaktaufnahme zu dem Halter nicht möglich gewesen sei, habe ein Abschleppunternehmen angefordert werden müssen, das im Rahmen der Ersatzvornahme das Fahrzeug geöffnet und den Motor abgestellt habe, um die Störung zu beseitigen. Aufgrund der von dem Fahrzeug ausgehenden Immissionen (§ 11a LImSchG, §§ 55 Abs. 2 und 59 Abs. 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz NRW) sei das Fahrzeug im Rahmen der Ersatzvornahme durch ein Abschleppunternehmen geöffnet worden. Der Kläger habe als Halter des Fahrzeuges die Beträge, die bei der Ersatzvornahme an Beauftragte zu zahlen sind, zu erstatten. 9Der Kläger teilte daraufhin mit E-Mail vom 28. Juli 2021 mit, dass er den Sachverhalt nicht nachvollziehen könne, nicht verstehe, weshalb man ihn nicht kontaktiert habe und die Sache daher einer Kanzlei zur weiteren Bearbeitung übergeben habe. Mit Schreiben vom 2. August 2021 bestellten sich die Prozessbevollmächtigten für den Kläger und nahmen nach Akteneinsicht dahingehend Stellung, dass die Ehefrau des Klägers an dem Einsatztag beim Abstellen des Fahrzeuges versäumt habe, den Motor auszustellen. Sie habe erst kürzlich ihr Fahrzeug von einem W. H. auf den N. gewechselt, der mit einer Start-Stop-Funktion ausgestattet sei. Beim Verlassen und Abschließen des Fahrzeuges sei ihr nicht aufgefallen, dass der Motor noch an war. Die Ersatzvornahme sei nicht erforderlich gewesen, da der Kläger zum einen über sein Büro hätte ausfindig gemacht werden können. Der Kläger habe unter der Halteranschrift ein Architekturbüro, unter dem er zu dem fraglichen Zeitpunkt erreichbar gewesen wäre. Zudem habe sich während der Maßnahme die Ehefrau des Klägers an der Wohnanschrift O. Straße 00 befunden, die nur wenige Meter von dem abgestellten Fahrzeug entfernt sei. 10Mit Leistungsbescheid vom 14. September 2021 setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger die Kosten der Ersatzvornahme in Höhe von insgesamt 150,00 EUR fest und forderte ihn auf, diese innerhalb von vier Wochen ab Zugang des Bescheides zu zahlen. Zur Begründung wiederholte die Beklagte zum einen ihre Ausführungen aus der Anhörung und führte ergänzend aus, dass die Öffnung des Fahrzeuges im Zuge der Gefahrenabwehr wegen eines Verstoßes gegen § 30 StVO unumgänglich gewesen sei. Auch führe die durch den Prozessbevollmächtigten eingereichte Stellungnahme nicht dazu, von den geforderten Kosten abzusehen. Der Verstoß werde eingeräumt. Vor der Ersatzvornahme habe der Kläger als Halter nicht ermittelt werden können. Die Mitarbeiter der Leitstelle hätten mitgeteilt, dass telefonisch kein Kontakt möglich sei. Dabei sei ein Hinweis auf das Architekturbüro nicht vorhanden gewesen. Auch seien die Mitarbeiter des Außendienstes in der Nahbereichsfahndung und Befragung in der Umgebung des Fahrzeuges nicht erfolgreich gewesen. Die Wohnanschrift des Klägers habe erst im Nachgang bei der innendienstlichen Bearbeitung des Falles ausfindig gemacht werden können. Die Beklagte wies den Kläger überdies auf die Unmeldepflicht gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Fahrzeugzulassungsverordnung hin, da er bereits seit 2018 unter der Anschrift in Düsseldorf gemeldet sei. 11Der Kläger hat am 19. Oktober 2021 Klage erhoben. 12Zur Begründung wiederholt er sein Vorbringen aus dem Anhörungsverfahren und führt ergänzend aus, dass das Fahrzeug „X-XX 0000“ ein Geschäftsfahrzeug des Klägers sei. Der Kläger selbst habe zum Zeitpunkt der Ersatzvornahme bereits unter der angegebenen Anschrift in E. gewohnt. Das Architekturbüro sei zur Zeit der Ersatzvornahme durchgehend besetzt gewesen, so dass die Einsatzkräfte es versäumt hätten, den Kläger unter dieser Telefonnummer zu kontaktieren. Der Kläger sei zu dem Zeitpunkt im Büro erreichbar gewesen und hätte seine Ehefrau umgehend über den Vorfall informieren können. Es werde bestritten, dass eine Nahbereichsfahndung stattgefunden habe. 13Der Kläger beantragt, 14den Leistungsbescheid der Beklagten vom 14. September 2021 aufzuheben. 15Die Beklagte beantragt, 16die Klage abzuweisen. 17Sie bezieht sich zur Begründung auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides und führt ergänzend aus, dass ein Zusammenhang zwischen dem Architekturbüro und dem Kläger als Halter für die Einsatzkräfte nicht möglich gewesen sei. Weder am Fahrzeug habe ein Hinweis darauf vorgefunden werden können noch sei das Büro als Halter eingetragen gewesen. Der Hinweis auf die Meldeadresse sei ebenfalls irrelevant gewesen, da das Fahrzeug eine Adresse in X. aufgewiesen habe. Auch sei das Fahrzeug weiterhin auf den Kläger als Privatperson zugelassen. Zum jetzigen Zeitpunkt könne nicht mehr rekonstruiert werden, ob gänzlich keine Rufnummer zu ermitteln gewesen sei oder ob an einer ermittelten Rufnummer niemand erreichbar gewesen sei. Dass die Nahbereichsfahndung stattgefunden habe, könne durch eine Auskunft der eingesetzten Außendienstmitarbeiter belegt werden. 18Mit Beschluss der Kammer vom 2. Juni 2022 ist das Verfahren der Vorsitzenden zur Entscheidung als Einzelrichterin übertragen worden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung, sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten ergänzend Bezug genommen. 19Entscheidungsgründe: 20Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. 21Der Bescheid vom 14. September 2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. 22Die an den Kläger gerichtete Aufforderung, die entstandenen Kosten für die Ersatzvornahme in Höhe von 150,00 Euro zu zahlen, findet ihre Ermächtigungsgrundlage in § 55 Abs. 2, § 57 Abs. 1 Nr. 1, § 59 Abs. 1 Satz 5, 64 Satz 2 Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW) und § 20 Abs. 2 Nr. 7 der Verordnung zur Ausführung des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes (VO VwVG NRW). 23Die tatbestandlichen Voraussetzungen der vorgenannten Ermächtigungsgrundlagen auf der Grundlage des in § 55 Abs. 2 VwVG geregelten sogenannten Sofortvollzuges lagen vor. Danach kann Verwaltungszwang (auch) ohne vorausgehenden Verwaltungsakt angewendet werden, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig ist und die Vollzugsbehörde hierbei innerhalb ihrer Befugnisse handelt. Dabei hat der für eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit verantwortliche Störer die durch eine rechtmäßige Ersatzvornahme entstandenen Kosten zu tragen. 24Die in den vorgenannten Vorschriften vorausgesetzte gegenwärtige bzw. konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit bestand vorliegend. Eine derartige Gefahr liegt bei einem Verstoß gegen die objektive Rechtsordnung, mithin bei einer Zuwiderhandlung gegen formelle und materielle Gesetze vor. Hier lag ein Verstoß gegen § 30 Abs. 1 Satz 2 StVO vor, da der Motor des Fahrzeuges „X-XX 0000“ seit etwa 2 Stunden lief, während der PKW zum Parken verschlossen abgestellt war, so dass von einem „unnötigen“ Laufen des Motors auszugehen ist. 25Die Ersatzvornahme war sowohl ermessensfehlerfrei als auch verhältnismäßig. Die Höhe des von dem Kläger zu zahlenden Betrages steht nicht außer Verhältnis zum Nutzen der Maßnahme. Die Maßnahme der Türöffnung und des Abstellens des Motors war geeignet, den rechtswidrigen Zustand zu beseitigen. Die Maßnahme war auch erforderlich, da kein milderes und gleich effektives Mittel zur Beseitigung des Rechtsverstoßes in Betracht kam. Insbesondere waren die Mitarbeiter der Beklagten nicht gehalten, den Kläger, bzw. dessen Ehefrau vor der Beauftragung des Abschleppunternehmers zwecks Öffnung des PKW ausfindig zu machen. Sofern sich der Fahrer von dem Fahrzeug entfernt und deshalb nicht unmittelbar wie jemand zur Verfügung steht, der sich in Ruf- oder Sichtweite seines Fahrzeugs aufhält, sind grundsätzlich keine Ermittlungen nach dem Verbleib des Verantwortlichen veranlasst, weil deren Erfolg zweifelhaft ist und zu nicht abzusehenden Verzögerungen führt. 26Vgl; BVerwG, Beschluss vom 18. Februar 2002 – 3 B 149.01 –, Rn. 6 ff., juris; OVG Hamburg, Urteil vom 22. Mai 2005 – 3 Bf 25/02 –, Rn. 36, juris; VGH Bayern, Urteil vom 16. Januar 2001 – 24 B 99.1571 –, Rn. 36, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 26. November 2013 – 14 K 3550/13 – Rn. 35 – juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 14. Februar 2014 – 14 K 4595/13 –, Rn. 55, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 8. November 2016 – 14 K 8007/15 – Rn. 49 – juris. 27Entgegen der Auffassung des Klägers war vorliegend der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch nicht dadurch verletzt worden, dass der handelnde Außendienstmitarbeiter nicht länger gewartet hat, ob der Kläger selbst an seinem Fahrzeug erscheint. Insbesondere ist die Behörde grundsätzlich nicht verpflichtet, vor Beauftragung eines Abschleppunternehmers Ermittlungen über den Aufenthaltsort des Halters oder Fahrers des verbotswidrigen Fahrzeugs anzustellen, um diesen aufzufordern, den verbotswidrigen Zustand selbst zu beseitigen. Hat sich der Fahrer von dem Fahrzeug entfernt und steht er nicht unmittelbar wie jemand, der sich in Ruf- oder Sichtweite seines Fahrzeugs aufhält, zur Verfügung, sind grundsätzlich keine Ermittlungen nach dem Verbleib des Verantwortlichen veranlasst, weil deren Erfolg zweifelhaft ist und zu nicht abzusehenden weiteren Verzögerungen führt, 28vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2002 – 3 B 67/02 –, juris; OVG NRW, Beschluss vom 9. November 2009 – 5 A 813/09 –; gilt auch bei hinterlegter Mobilfunknummer: BVerwG, Beschluss vom 18. Februar 2002– 3 B 149/01 –, NJW 2002, 2122. VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 27. Juli 2009 – 14 K 1421/09 –; VG Köln, Urteil vom 11. Oktober 2007– 20 K 2162/06 –, Rn. 22, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 26. Februar 2013 – 14 K 5137/12 – juris. 29Dies gilt selbst dann, wenn der Behörde der Wohnort des Ordnungspflichtigen im Zeitpunkt der Einleitung der Maßnahme bekannt ist und die Wohnungsanschrift in unmittelbarer Nähe zu dem Fahrzeug liegt. 30Vgl. VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 27. Juli 2009 – 14 K 1421/09 –; VG Köln, Urteil vom 11. Oktober 2007 – 20 K 2162/06 –, Rn. 22, juris. 31Es gilt dabei ebenso die Leitlinie, dass bei einer zeitnah nach Entdeckung des Verkehrsverstoßes erfolgenden Ersatzvornahme nur dann eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in Betracht zu ziehen ist, wenn der Fahrzeugführer ohne Schwierigkeiten und ohne Verzögerung festgestellt und zur Beendigung des Verkehrsverstoßes selbst veranlasst werden kann, 32vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2002 – 3 B 67/02 –; OVG NRW, Beschluss vom 27. August 2009 – 5 A 1430/09 – juris. 33Nach der Halterabfrage bestand daher keine weitere Pflicht der Beklagten, den Aufenthaltsort des Klägers oder eines vor Ort Verantwortlichen ausfindig zu machen. Insbesondere war mangels seiner Anwohnereigenschaft nicht ersichtlich, wo sich der Kläger aufhalten könnte. Selbst wenn bei der Datenabfrage bei der Polizei eine Telefonnummer hinterlegt gewesen wäre, wäre es nicht erforderlich gewesen, diese vor Beauftragung des Abschleppunternehmers zu kontaktieren, da nicht ersichtlich war, ob ein Verantwortlicher auf diese Weise hätte ausfindig gemacht werden können, der zeitnah bereit und in der Lage gewesen wäre, den verbotswidrigen Zustand zu beseitigen. Eine Internetrecherche zu der ermittelten Halteradresse war angesichts dieser Umstände ebenfalls nicht erforderlich, da nicht ohne weiteres ersichtlich war, dass sich unter der angegebenen Anschrift eine Geschäftsadresse befinden könnte. 34Entscheidend ist, dass keine erkennbaren Umstände vorlagen, die darauf hindeuteten, dass sich der Kläger oder ein anderer Verantwortlicher in unmittelbarer Nähe des Fahrzeugs befand und innerhalb einer absehbaren Zeit erscheinen würde. Denn es war keinem Hinweis im Fahrzeug der konkrete Aufenthaltsort des Klägers oder seiner Ehefrau zum Zeitpunkt des festgestellten Verstoßes zu entnehmen. Ebenso wenig war aufgrund des auswärtigen Kennzeichens erkennbar, ob der Verantwortliche in der Nähe des abgestellten PKW wohnt oder sich möglicherweise besuchsweise in der näheren Umgebung aufhält. 35vgl. VG Köln, Urteil vom 11. Oktober 2007 – 20 K 2162/06 –, juris. 36Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. 37Rechtsmittelbelehrung: 38Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. 39Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 40Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. 41Die Berufung ist nur zuzulassen, 421. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 432. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 443. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 454. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 465. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. 47Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich einzureichen. 48Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen. 49Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen. 50Die Antragsschrift und die Zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst 3-fach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. 51Beschluss: 52Der Streitwert wird auf 150,00 Euro festgesetzt. 53Gründe: 54Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 3 GKG erfolgt. 55Rechtsmittelbelehrung: 56Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. 57Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 58Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 59Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,– Euro nicht übersteigt. 60Die Beschwerdeschrift soll möglichst 3-fach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. 61War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
die klage wird abgewiesen. die kosten des verfahrens trägt der kläger. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der kläger darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1
2die beteiligten streiten über die kosten einer ersatzvornahme. der kläger ist halter eines pkw der marke c. , modell n. , mit dem amtlichen kennzeichen x-xx 0000. am freitag, dem 2. juli 2021 war das vorbezeichnete fahrzeug an der o. straße 00 in e. abgestellt. 3eine unbekannte person informierte an diesem tag um 14:07 uhr das ordnungsamt der beklagten darüber, dass das fahrzeug seit etwa 2 stunden mit laufendem motor abgestellt sei. die außendienstmitarbeiter der beklagten begaben sich daraufhin zum einsatzort. sie stellten fest, dass das vorbenannte fahrzeug mit laufendem motor am straßenrand abgestellt und verschlossen war. eine halterfeststellung ergab den kläger als halter, der laut auskunft in der c1. straße 000, 00000 x. wohnhaft sei. ausweislich der tagesmeldung der leitstelle und des streifenberichts sei der kläger telefonisch nicht zu erreichen. 4die außendienstmitarbeiter versuchten ausweislich des streifenberichts über eine nahbereichsfahndung und befragung in der umgebung einen verantwortlichen zu ermitteln. wörtlich heißt es in einem telefonvermerk über ein gespräch mit dem außendienstmitarbeiter herrn c2. : 5„er gibt an, die hausnummern 00, 00-00, 00, 00 und 00 kontrolliert zu haben. dort sei kein hinweis auf herrn u. gewesen. es wurden des weiteren mehrere personen befragt, die fußläufig dort unterwegs waren. die personen, die angaben dort zu wohnen, wurden zu dem betroffenen fahrzeug befragt, niemand kannte dieses fahrzeug. es wurde weiter konkret eine person befragt, die in die garageneinfahrt der nr. 00 gehen wollte und auf dieser anschrift wohnt. die person gab ebenfalls an, das betroffene fahrzeug noch nie gesehen zu haben. herr c2. kann sich nicht mehr an den lst-disponenten erinnern, mit dem er telefoniert hat. der wortlaut „telefonisch ist dieser nicht zu erreichen“ aus dem streifenbericht wurde von dem disponenten übernommen. der genaue ablauf der recherche in der lst wurde zum zeitpunkt des einsatzes nicht weiter hinterfragt. jedenfalls kamen zu keinem zeitpunkt am 2. juli 2021 hinweise auf das architekturbüro. weder durch werbung/zettel im oder am betroffenen fahrzeug, noch über die lst. …“ 6gegen 14:30 uhr forderten die außendienstmitarbeiter einen abschleppwagen der firma e1. b. an. das fahrzeug wurde durch den mitarbeiter des abschleppunternehmens geöffnet und ausgeschaltet. im anschluss wurden alle türen des kfz wieder verschlossen. 7unter dem 6. juli 2021 stellte die firma e1. b. s. gmbh dem ordnungsamt der beklagten einen betrag für das öffnen des fahrzeugs in höhe von 150,00 eur in rechnung. 8mit schreiben vom 20. juli 2021 teilte die beklagte dem kläger mit, dass sie beabsichtige, ihm gegenüber die kosten für die öffnung des fahrzeuges mit dem amtlichen kennzeichen x-xx 0000 am 2. juli 2021 in höhe von 150,00 euro geltend zu machen und gab die gelegenheit zur stellungnahme binnen einer woche. zur begründung führte sie aus, dass der ordnungsdienst der beklagten aufgrund einer anwohner-beschwerde tätig geworden sei, derzufolge der motor des fahrzeuges bereits seit mehreren stunden laufe. da eine kontaktaufnahme zu dem halter nicht möglich gewesen sei, habe ein abschleppunternehmen angefordert werden müssen, das im rahmen der ersatzvornahme das fahrzeug geöffnet und den motor abgestellt habe, um die störung zu beseitigen. aufgrund der von dem fahrzeug ausgehenden immissionen (§ 11a limschg, §§ 55 abs. 2 und 59 abs. 1 verwaltungsvollstreckungsgesetz nrw) sei das fahrzeug im rahmen der ersatzvornahme durch ein abschleppunternehmen geöffnet worden. der kläger habe als halter des fahrzeuges die beträge, die bei der ersatzvornahme an beauftragte zu zahlen sind, zu erstatten. 9der kläger teilte daraufhin mit e-mail vom 28. juli 2021 mit, dass er den sachverhalt nicht nachvollziehen könne, nicht verstehe, weshalb man ihn nicht kontaktiert habe und die sache daher einer kanzlei zur weiteren bearbeitung übergeben habe. mit schreiben vom 2. august 2021 bestellten sich die prozessbevollmächtigten für den kläger und nahmen nach akteneinsicht dahingehend stellung, dass die ehefrau des klägers an dem einsatztag beim abstellen des fahrzeuges versäumt habe, den motor auszustellen. sie habe erst kürzlich ihr fahrzeug von einem w. h. auf den n. gewechselt, der mit einer start-stop-funktion ausgestattet sei. beim verlassen und abschließen des fahrzeuges sei ihr nicht aufgefallen, dass der motor noch an war. die ersatzvornahme sei nicht erforderlich gewesen, da der kläger zum einen über sein büro hätte ausfindig gemacht werden können. der kläger habe unter der halteranschrift ein architekturbüro, unter dem er zu dem fraglichen zeitpunkt erreichbar gewesen wäre. zudem habe sich während der maßnahme die ehefrau des klägers an der wohnanschrift o. straße 00 befunden, die nur wenige meter von dem abgestellten fahrzeug entfernt sei. 10mit leistungsbescheid vom 14. september 2021 setzte die beklagte gegenüber dem kläger die kosten der ersatzvornahme in höhe von insgesamt 150,00 eur fest und forderte ihn auf, diese innerhalb von vier wochen ab zugang des bescheides zu zahlen. zur begründung wiederholte die beklagte zum einen ihre ausführungen aus der anhörung und führte ergänzend aus, dass die öffnung des fahrzeuges im zuge der gefahrenabwehr wegen eines verstoßes gegen § 30 stvo unumgänglich gewesen sei. auch führe die durch den prozessbevollmächtigten eingereichte stellungnahme nicht dazu, von den geforderten kosten abzusehen. der verstoß werde eingeräumt. vor der ersatzvornahme habe der kläger als halter nicht ermittelt werden können. die mitarbeiter der leitstelle hätten mitgeteilt, dass telefonisch kein kontakt möglich sei. dabei sei ein hinweis auf das architekturbüro nicht vorhanden gewesen. auch seien die mitarbeiter des außendienstes in der nahbereichsfahndung und befragung in der umgebung des fahrzeuges nicht erfolgreich gewesen. die wohnanschrift des klägers habe erst im nachgang bei der innendienstlichen bearbeitung des falles ausfindig gemacht werden können. die beklagte wies den kläger überdies auf die unmeldepflicht gemäß § 13 abs. 1 nr. 1 fahrzeugzulassungsverordnung hin, da er bereits seit 2018 unter der anschrift in düsseldorf gemeldet sei. 11der kläger hat am 19. oktober 2021 klage erhoben. 12zur begründung wiederholt er sein vorbringen aus dem anhörungsverfahren und führt ergänzend aus, dass das fahrzeug „x-xx 0000“ ein geschäftsfahrzeug des klägers sei. der kläger selbst habe zum zeitpunkt der ersatzvornahme bereits unter der angegebenen anschrift in e. gewohnt. das architekturbüro sei zur zeit der ersatzvornahme durchgehend besetzt gewesen, so dass die einsatzkräfte es versäumt hätten, den kläger unter dieser telefonnummer zu kontaktieren. der kläger sei zu dem zeitpunkt im büro erreichbar gewesen und hätte seine ehefrau umgehend über den vorfall informieren können. es werde bestritten, dass eine nahbereichsfahndung stattgefunden habe. 13der kläger beantragt, 14den leistungsbescheid der beklagten vom 14. september 2021 aufzuheben. 15die beklagte beantragt, 16die klage abzuweisen. 17sie bezieht sich zur begründung auf den inhalt des angefochtenen bescheides und führt ergänzend aus, dass ein zusammenhang zwischen dem architekturbüro und dem kläger als halter für die einsatzkräfte nicht möglich gewesen sei. weder am fahrzeug habe ein hinweis darauf vorgefunden werden können noch sei das büro als halter eingetragen gewesen. der hinweis auf die meldeadresse sei ebenfalls irrelevant gewesen, da das fahrzeug eine adresse in x. aufgewiesen habe. auch sei das fahrzeug weiterhin auf den kläger als privatperson zugelassen. zum jetzigen zeitpunkt könne nicht mehr rekonstruiert werden, ob gänzlich keine rufnummer zu ermitteln gewesen sei oder ob an einer ermittelten rufnummer niemand erreichbar gewesen sei. dass die nahbereichsfahndung stattgefunden habe, könne durch eine auskunft der eingesetzten außendienstmitarbeiter belegt werden. 18mit beschluss der kammer vom 2. juni 2022 ist das verfahren der vorsitzenden zur entscheidung als einzelrichterin übertragen worden. wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakte, insbesondere auf das protokoll der mündlichen verhandlung, sowie den beigezogenen verwaltungsvorgang der beklagten ergänzend bezug genommen. 19
20die klage ist zulässig, aber unbegründet. 21der bescheid vom 14. september 2021 ist rechtmäßig und verletzt den kläger nicht in seinen rechten, § 113 abs. 1 satz 1 vwgo. 22die an den kläger gerichtete aufforderung, die entstandenen kosten für die ersatzvornahme in höhe von 150,00 euro zu zahlen, findet ihre ermächtigungsgrundlage in § 55 abs. 2, § 57 abs. 1 nr. 1, § 59 abs. 1 satz 5, 64 satz 2 verwaltungsvollstreckungsgesetz für das land nordrhein-westfalen (vwvg nrw) und § 20 abs. 2 nr. 7 der verordnung zur ausführung des verwaltungsvollstreckungsgesetzes (vo vwvg nrw). 23die tatbestandlichen voraussetzungen der vorgenannten ermächtigungsgrundlagen auf der grundlage des in § 55 abs. 2 vwvg geregelten sogenannten sofortvollzuges lagen vor. danach kann verwaltungszwang (auch) ohne vorausgehenden verwaltungsakt angewendet werden, wenn dies zur abwehr einer gegenwärtigen gefahr notwendig ist und die vollzugsbehörde hierbei innerhalb ihrer befugnisse handelt. dabei hat der für eine gefahr für die öffentliche sicherheit verantwortliche störer die durch eine rechtmäßige ersatzvornahme entstandenen kosten zu tragen. 24die in den vorgenannten vorschriften vorausgesetzte gegenwärtige bzw. konkrete gefahr für die öffentliche sicherheit bestand vorliegend. eine derartige gefahr liegt bei einem verstoß gegen die objektive rechtsordnung, mithin bei einer zuwiderhandlung gegen formelle und materielle gesetze vor. hier lag ein verstoß gegen § 30 abs. 1 satz 2 stvo vor, da der motor des fahrzeuges „x-xx 0000“ seit etwa 2 stunden lief, während der pkw zum parken verschlossen abgestellt war, so dass von einem „unnötigen“ laufen des motors auszugehen ist. 25die ersatzvornahme war sowohl ermessensfehlerfrei als auch verhältnismäßig. die höhe des von dem kläger zu zahlenden betrages steht nicht außer verhältnis zum nutzen der maßnahme. die maßnahme der türöffnung und des abstellens des motors war geeignet, den rechtswidrigen zustand zu beseitigen. die maßnahme war auch erforderlich, da kein milderes und gleich effektives mittel zur beseitigung des rechtsverstoßes in betracht kam. insbesondere waren die mitarbeiter der beklagten nicht gehalten, den kläger, bzw. dessen ehefrau vor der beauftragung des abschleppunternehmers zwecks öffnung des pkw ausfindig zu machen. sofern sich der fahrer von dem fahrzeug entfernt und deshalb nicht unmittelbar wie jemand zur verfügung steht, der sich in ruf- oder sichtweite seines fahrzeugs aufhält, sind grundsätzlich keine ermittlungen nach dem verbleib des verantwortlichen veranlasst, weil deren erfolg zweifelhaft ist und zu nicht abzusehenden verzögerungen führt. 26vgl; bverwg, beschluss vom 18. februar 2002 – 3 b 149.01 –, rn. 6 ff., juris; ovg hamburg, urteil vom 22. mai 2005 – 3 bf 25/02 –, rn. 36, juris; vgh bayern, urteil vom 16. januar 2001 – 24 b 99.1571 –, rn. 36, juris; vg düsseldorf, urteil vom 26. november 2013 – 14 k 3550/13 – rn. 35 – juris; vg düsseldorf, urteil vom 14. februar 2014 – 14 k 4595/13 –, rn. 55, juris; vg düsseldorf, urteil vom 8. november 2016 – 14 k 8007/15 – rn. 49 – juris. 27entgegen der auffassung des klägers war vorliegend der grundsatz der verhältnismäßigkeit auch nicht dadurch verletzt worden, dass der handelnde außendienstmitarbeiter nicht länger gewartet hat, ob der kläger selbst an seinem fahrzeug erscheint. insbesondere ist die behörde grundsätzlich nicht verpflichtet, vor beauftragung eines abschleppunternehmers ermittlungen über den aufenthaltsort des halters oder fahrers des verbotswidrigen fahrzeugs anzustellen, um diesen aufzufordern, den verbotswidrigen zustand selbst zu beseitigen. hat sich der fahrer von dem fahrzeug entfernt und steht er nicht unmittelbar wie jemand, der sich in ruf- oder sichtweite seines fahrzeugs aufhält, zur verfügung, sind grundsätzlich keine ermittlungen nach dem verbleib des verantwortlichen veranlasst, weil deren erfolg zweifelhaft ist und zu nicht abzusehenden weiteren verzögerungen führt, 28vgl. bverwg, beschluss vom 27. mai 2002 – 3 b 67/02 –, juris; ovg nrw, beschluss vom 9. november 2009 – 5 a 813/09 –; gilt auch bei hinterlegter mobilfunknummer: bverwg, beschluss vom 18. februar 2002– 3 b 149/01 –, njw 2002, 2122. vg düsseldorf, gerichtsbescheid vom 27. juli 2009 – 14 k 1421/09 –; vg köln, urteil vom 11. oktober 2007– 20 k 2162/06 –, rn. 22, juris; vg düsseldorf, urteil vom 26. februar 2013 – 14 k 5137/12 – juris. 29dies gilt selbst dann, wenn der behörde der wohnort des ordnungspflichtigen im zeitpunkt der einleitung der maßnahme bekannt ist und die wohnungsanschrift in unmittelbarer nähe zu dem fahrzeug liegt. 30vgl. vg düsseldorf, gerichtsbescheid vom 27. juli 2009 – 14 k 1421/09 –; vg köln, urteil vom 11. oktober 2007 – 20 k 2162/06 –, rn. 22, juris. 31es gilt dabei ebenso die leitlinie, dass bei einer zeitnah nach entdeckung des verkehrsverstoßes erfolgenden ersatzvornahme nur dann eine verletzung des grundsatzes der verhältnismäßigkeit in betracht zu ziehen ist, wenn der fahrzeugführer ohne schwierigkeiten und ohne verzögerung festgestellt und zur beendigung des verkehrsverstoßes selbst veranlasst werden kann, 32vgl. bverwg, beschluss vom 27. mai 2002 – 3 b 67/02 –; ovg nrw, beschluss vom 27. august 2009 – 5 a 1430/09 – juris. 33nach der halterabfrage bestand daher keine weitere pflicht der beklagten, den aufenthaltsort des klägers oder eines vor ort verantwortlichen ausfindig zu machen. insbesondere war mangels seiner anwohnereigenschaft nicht ersichtlich, wo sich der kläger aufhalten könnte. selbst wenn bei der datenabfrage bei der polizei eine telefonnummer hinterlegt gewesen wäre, wäre es nicht erforderlich gewesen, diese vor beauftragung des abschleppunternehmers zu kontaktieren, da nicht ersichtlich war, ob ein verantwortlicher auf diese weise hätte ausfindig gemacht werden können, der zeitnah bereit und in der lage gewesen wäre, den verbotswidrigen zustand zu beseitigen. eine internetrecherche zu der ermittelten halteradresse war angesichts dieser umstände ebenfalls nicht erforderlich, da nicht ohne weiteres ersichtlich war, dass sich unter der angegebenen anschrift eine geschäftsadresse befinden könnte. 34entscheidend ist, dass keine erkennbaren umstände vorlagen, die darauf hindeuteten, dass sich der kläger oder ein anderer verantwortlicher in unmittelbarer nähe des fahrzeugs befand und innerhalb einer absehbaren zeit erscheinen würde. denn es war keinem hinweis im fahrzeug der konkrete aufenthaltsort des klägers oder seiner ehefrau zum zeitpunkt des festgestellten verstoßes zu entnehmen. ebenso wenig war aufgrund des auswärtigen kennzeichens erkennbar, ob der verantwortliche in der nähe des abgestellten pkw wohnt oder sich möglicherweise besuchsweise in der näheren umgebung aufhält. 35vgl. vg köln, urteil vom 11. oktober 2007 – 20 k 2162/06 –, juris. 36die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 1 vwgo. die entscheidung zur vorläufigen vollstreckbarkeit beruht auf § 167 vwgo i.v.m. §§ 708 nr. 11, 711 zpo. 37rechtsmittelbelehrung: 38gegen dieses urteil kann innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) schriftlich die zulassung der berufung beantragt werden. der antrag muss das angefochtene urteil bezeichnen. 39auf die ab dem 1. januar 2022 unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 40innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils sind die gründe darzulegen, aus denen die berufung zuzulassen ist. 41die berufung ist nur zuzulassen, 421. wenn ernstliche zweifel an der richtigkeit des urteils bestehen, 432. wenn die rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche schwierigkeiten aufweist, 443. wenn die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat, 454. wenn das urteil von einer entscheidung des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen, des bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen senats der obersten gerichtshöfe des bundes oder des bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser abweichung beruht oder 465. wenn ein der beurteilung des berufungsgerichts unterliegender verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die entscheidung beruhen kann. 47die begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem antrag vorgelegt worden ist, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen (aegidiikirchplatz 5, 48143 münster oder postfach 6309, 48033 münster) schriftlich einzureichen. 48über den antrag entscheidet das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen. 49im berufungs- und berufungszulassungsverfahren müssen sich die beteiligten durch prozessbevollmächtigte vertreten lassen. dies gilt auch für prozesshandlungen, durch die das verfahren eingeleitet wird. die beteiligten können sich durch einen rechtsanwalt oder einen rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten hochschule eines mitgliedstaates der europäischen union, eines anderen vertragsstaates des abkommens über den europäischen wirtschaftsraum oder der schweiz, der die befähigung zum richteramt besitzt, als bevollmächtigten vertreten lassen. auf die zusätzlichen vertretungsmöglichkeiten für behörden und juristische personen des öffentlichen rechts einschließlich der von ihnen zur erfüllung ihrer öffentlichen aufgaben gebildeten zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 abs. 4 satz 4 vwgo und § 5 nr. 6 des einführungsgesetzes zum rechtsdienstleistungsgesetz – rdgeg –). darüber hinaus sind die in § 67 abs. 2 satz 2 nr. 3 bis 7 vwgo bezeichneten personen und organisationen unter den dort genannten voraussetzungen als bevollmächtigte zugelassen. 50die antragsschrift und die zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst 3-fach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. 51beschluss: 52der streitwert wird auf 150,00 euro festgesetzt. 53gründe: 54die festsetzung des streitwertes ist nach § 52 abs. 3 gkg erfolgt. 55rechtsmittelbelehrung: 56gegen den streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur niederschrift des urkundsbeamten der geschäftsstelle bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) beschwerde eingelegt werden, über die das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen in münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der zivilprozessordnung gilt entsprechend. 57auf die ab dem 1. januar 2022 unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 58die beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs monaten eingelegt wird, nachdem die entscheidung in der hauptsache rechtskraft erlangt oder das verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der streitwert später als einen monat vor ablauf dieser frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines monats nach zustellung oder formloser mitteilung des festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 59die beschwerde ist nicht gegeben, wenn der wert des beschwerdegegenstandes 200,– euro nicht übersteigt. 60die beschwerdeschrift soll möglichst 3-fach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. 61war der beschwerdeführer ohne sein verschulden verhindert, die frist einzuhalten, ist ihm auf antrag von dem gericht, das über die beschwerde zu entscheiden hat, wiedereinsetzung in den vorigen stand zu gewähren, wenn er die beschwerde binnen zwei wochen nach der beseitigung des hindernisses einlegt und die tatsachen, welche die wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. nach ablauf eines jahres, von dem ende der versäumten frist angerechnet, kann die wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
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11 A 369/22.A
2022-09-12T00:00:00
Urteil
Tenor Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet. Die Revision wird nicht zugelassen. 1Tatbestand: 2Die Klägerin ist nach ihren Angaben am 1. Oktober 1983 in I. , Syrien, geboren, islamischen Glaubens und syrische Staatsangehörige. Sie reiste am 3. Februar 2020 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 25. Mai 2020 einen Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt). Ausweislich einer vom Bundesamt eingeholten EURODAC-Anfrage hatte die Klägerin in Dänemark am 25. Dezember 2013 einen Asylantrag gestellt. 3Im Rahmen der Anhörungen beim Bundesamt am 24. Juni 2020 gab die Klägerin an, sie wolle bei ihrem Ehemann in Deutschland leben. Diesen habe sie im Jahr 2017 in Dänemark kennengelernt und nach zehn Tagen geheiratet. Er sei schwerbehindert und benötige ihre Unterstützung. 4Auf ein Wiederaufnahmeersuchen des Bundesamts vom 4. Mai 2020 teilten die dänischen Behörden mit Schreiben vom 8. Mai 2020 mit, der Klägerin sei in Dänemark am 19. März 2014 der „subsidiary protection status“ nach Section 7 (2) des dänischen Ausländergesetzes gewährt worden (gültig bis 20. März 2021). 5Mit Bescheid vom 20. August 2020 lehnte das Bundesamt den Asylantrag der Klägerin als unzulässig ab (Ziffer 1.), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Ziffer 2.) und forderte die Klägerin zur Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland innerhalb von einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung auf. Der Klägerin wurde für den Fall, dass sie der Ausreisefrist nicht nachkomme, die Abschiebung nach Dänemark oder in einen anderen aufnahmebereiten oder zur Aufnahme verpflichteten Staat angedroht (Ziffer 3. Sätze 1 bis 3). Die Klägerin dürfe nicht nach Syrien abgeschoben werden (Ziffer 3. Satz 4). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG werde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 4.). Die Vollziehung der Abschiebungsandrohung setzte das Bundesamt aus (Ziffer 5.). 6Am 8. September 2020 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen: Dänemark nehme am gemeinsamen europäischen Asylsystem nicht teil. Die Erwägungen aus dem Urteil des EuGH vom 20. Mai 2021 - C-8/20 - zu einem Zweitantrag seien auf Fälle der Gewährung internationalen Schutzes durch Dänemark zu übertragen. Dänemark beteilige sich nach den Art. 1 und 2 des dem EUV und dem AEUV beigefügten Protokolls Nr. 22 nicht an den Richtlinien 2013/33/EU, 2013/32/EU und 2011/95/EU. Die Definition des Begriffs „internationaler Schutz" sei aber gerade der Richtlinie 2011/95/EU zu entnehmen. Da sie - die Klägerin - in Dänemark keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, könne ihr dort auch kein internationaler Schutz gewährt worden sein. Ob Dänemark über ein eventuell vergleichbares Schutzniveau verfüge, sei nach der Entscheidung des EuGH unbeachtlich. Widersprüchlich sei es, die Wertungen für § 71a AsylG und § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unterschiedlich zu handhaben. Zudem werde bestritten, dass ihr Schutzstatus in Dänemark fortbestehe; insoweit werde auf die Widerrufspraxis Dänemarks verwiesen. 7Die Klägerin hat beantragt, 8den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 20. August 2020 aufzuheben, 9hilfsweise die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des vorgenannten Bescheids zu verpflichten, festzustellen, dass in ihrer Person Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz vorliegen. 10Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt, 11die Klage abzuweisen. 12Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 6. Januar 2022 den Bescheid vom 20. August 2020 aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Klägerin sei nicht in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union der internationale Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt worden. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG sei der „internationale Schutz" derjenige nach der Richtlinie 2011/95/EU. Der nach Maßgabe der Richtlinie 2004/83/EG gewährte internationale Schutz stehe dem internationalen Schutz nach der Richtlinie 2011/95/EU gleich. Der Klägerin sei gemäß Art. 7 Abs. 2 des dänischen Ausländergesetzes (Aliens Act) ein anderer Schutz zuerkannt worden, genannt „subsidiary protection". Dass dieser Schutzstatus dem subsidiären Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU oder der Richtlinie 2004/83/EG entspreche, könne nicht ohne nähere Prüfung festgestellt werden. Denn Dänemark sei an keine der beiden Richtlinien gebunden. Ob Art. 7 Abs. 2 des dänischen Ausländergesetzes ein Schutzniveau vorsehe, das demjenigen des subsidiären Schutzes im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU oder der Richtlinie 2004/83/EG entspreche und ein gleichwertiges Schutzniveau vorgesehen habe, bedürfe keiner Aufklärung. Denn nach der Rechtsprechung des EuGH im Urteil vom 20. Mai 2021 - C-8/20 - wäre die Rechtssicherheit beeinträchtigt, wenn geprüft würde, ob eine Gleichwertigkeit des Schutzniveaus der Richtlinien mit dem Schutzniveau anderer nationaler Regelungen bestehe. Diese Feststellung, die der EuGH in einem Verfahren getroffen habe, in dem er die Vergleichbarkeit verschiedener nationaler Regelungen im Rahmen der Prüfung eines Folgeantrags (vgl. Art. 33 Abs. 2 lit. d) Richtlinie 2013/32/EU) zu überprüfen gehabt habe, könne auf die vorliegende Konstellation übertragen werden. 13Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Berufung führt die Beklagte im Wesentlichen aus: Art. 33 der Richtlinie 2013/32/EU sei im vorliegenden Fall anwendbar. Voraussetzung sei allein, dass es sich um einen Mitgliedstaat der Europäischen Union handele. Anders als im Bereich der Dublin III-VO, die als Adressatenkreis auch diejenigen Staaten umfasse, die die Dublin III-VO aufgrund völkerrechtlicher Verträge anwendeten, beziehe sich die Vorschrift des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ihrem Wortlaut entsprechend allein auf die Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Das folge daraus, dass § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gerade keinen Bezug zu den sekundärrechtlichen Rechtsakten der Europäischen Union herstelle. Nur in deren Rahmen lasse sich diskutieren, ob auch die sonstigen Staaten, die an das entsprechende Sekundärrecht gebunden seien, von der Norm betroffen seien. Hinsichtlich des Flüchtlingsbegriffs werde in Dänemark unterschieden zwischen dem Status nach § 7 Abs. 1 und dem des § 7 Abs. 2 des Ausländergesetzes (de-facto-Flüchtling). Als de-facto-Flüchtling im Sinne des § 7 Abs. 2 würden diejenigen Flüchtlinge anerkannt, die nicht eindeutig in den Anwendungsbereich der Genfer Flüchtlingskonvention fielen, bei denen aber ähnliche Gründe vorlägen, die eine Schutzgewährung in Dänemark geböten oder denen aus anderen Gründen eine Rückkehr in ihre Heimat nicht zugemutet werden könne. In der Praxis erhielten einen de-facto-Flüchtlingsstatus Personen, die aus anderen als den in der Genfer Konvention genannten Gründen Verfolgung zu befürchten oder die nach dänischen Standards exzessive Bestrafung in ihren Heimatländern zu erwarten hätten. Als de-facto-Flüchtlinge würden ferner solche Personen angesehen, bei denen die Behörden Zweifel hätten, ob sie die Voraussetzungen der GFK in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht erfüllten. Typische Fälle seien z. B. die Bestrafung wegen Republikflucht, Kriegsdienstverweigerung, Homosexualität etc. Ferner würden von § 7 Abs. 2 des dänischen Ausländergesetzes auch Personen erfasst, deren Verfolgung nicht von staatlicher Seite, sondern von anderen Gruppen drohe. Die Verfolgung müsse sich individuell gerade gegen den Antragsteller richten. Allgemeine Bürgerkriegsgefahren und innere Unruhen würden nicht als hinreichend angesehen. Die Erlöschens- und Widerrufsgründe nach den §§ 17 und 17a des dänischen Ausländergesetzes entsprächen inhaltlich denen des Art. 16 der Richtlinie 2011/95/EU. Die vom EuGH mit Urteil vom 20. Mai 2021 - C-8/20 - entwickelten Rechtsgrundsätze seien auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Der EuGH habe primär darauf abgestellt, dass der betroffene Drittstaat - Norwegen - nicht Teil der EU sei und lediglich festgestellt, dass die unionsrechtlich eröffneten Möglichkeiten zur Asylantragsablehnung als unzulässig in der Richtlinie 2013/32/EU abschließend vorgegeben seien. Eine Ablehnung nach Art. 33 Abs. 2 Buchst. d) der Richtlinie 2013/32/EU könne allein bei einem in einem Mitgliedstaat zuvor erfolglos gebliebenen Asylantrag eingreifen, nicht aber in Bezug auf einen Nichtmitgliedstaat - beispielsweise die Schweiz oder Norwegen -, selbst wenn dieser Vertragsstaat des Dublin-Verfahrens sei. Es handele sich vorliegend nicht um eine vorangegangene Ablehnung internationalen Schutzes in einem Drittstaat, sondern um die Zuerkennung subsidiären Schutzes in einem Mitgliedstaat. 14Die Beklagte beantragt schriftsätzlich, 15das Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen vom 6. Januar 2022 zu ändern und die Klage abzuweisen. 16Die Klägerin beantragt schriftsätzlich, 17die Berufung zurückzuweisen. 18Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt. 19Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamts Bezug genommen. 20Entscheidungsgründe: 21A. Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO). 22B. Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. 23Der Bescheid des Bundesamts vom 20. August 2020 ist - soweit er streitbefangen ist - rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). 24Dabei ist gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats abzustellen. 25Vgl. auch EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 u. a. (Ibrahim) -, juris, Rn. 67 f. 26I. Als Rechtsgrundlage für die Unzulässigkeitsentscheidung in Ziffer 1. des angefochtenen Bescheids kommt § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG nicht in Betracht. 27Dessen Voraussetzungen liegen nicht vor. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 gewährt hat. Der internationale Schutz wird durch § 1 Abs. 1 Nr. 2 1. Halbsatz AsylG definiert als der internationale Schutz nach der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9). Der internationale Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU umfasst nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 2. Halbsatz AsylG den Schutz vor Verfolgung nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560) und den subsidiären Schutz im Sinne der Richtlinie. 28§ 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG setzt Art. 33 Abs. 2 lit. a) RL 2013/32/EU in nationales Recht um. Die Mitgliedstaaten können demnach einen Antrag auf internationalen Schutz nur dann als unzulässig betrachten, wenn ein anderer Mitgliedstaat internationalen Schutz gewährt hat. „Internationaler Schutz“ ist nach Art. 2 lit. i) der Richtlinie 2013/32/EU die Flüchtlingseigenschaft und der subsidiäre Schutzstatus im Sinne der Buchstaben j) und k). 29Die Flüchtlingseigenschaft ist in lit. j) definiert als die Anerkennung eines Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtling durch einen Mitgliedstaat. „Flüchtling“ meint nach Art. 2 lit. g) RL 2013/32/EU einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, der die Voraussetzungen des Art. 2 lit. d) der Richtlinie 2011/95/EU erfüllt, der wiederum Art. 1 A Nr. 2 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge wiedergibt. 30Als „subsidiärer Schutzstatus“ definiert Art. 2 lit. k) RL 2013/32/EU die Anerkennung durch einen Mitgliedstaat eines Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz, die wiederum nach Art. 2 lit. h) der Richtlinie 2013/32/EU ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser ist, der die Voraussetzungen des Artikels 2 Buchstabe f der Richtlinie 2011/95/EU erfüllt. 31Die Gewährung des „subsidiary protection status“ nach Section 7 (2) des dänischen Ausländergesetzes stellt keinen „internationalen Schutz“ im Sinne von § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG bzw. Art. 33 Abs. 2 lit. a) i. V. m. Art. 2 lit. i) der Richtlinie 2013/32/EU dar. 32Nach Art. 1 Unterabs. 1 Satz 1 des Protokolls Nr. 22 über die Position Dänemarks zum Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme von Maßnahmen durch den Rat, die nach dem Dritten Teil Titel V des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union - wozu auch das gemeinsame europäische Asylsystem gehört - vorgeschlagen werden. Art. 2 Satz 1 dieses Protokolls sieht vor, dass Vorschriften des Dritten Teils Titel V des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, nach jenem Titel beschlossene Maßnahmen, Vorschriften internationaler Übereinkünfte, die von der Union nach jenem Titel geschlossen werden, sowie Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union, in denen solche Vorschriften oder Maßnahmen oder nach jenem Titel geänderte oder änderbare Maßnahmen ausgelegt werden, für Dänemark nicht bindend oder anwendbar sind. Entsprechend hat sich Dänemark nicht an der Annahme der Richtlinien 2013/32/EU (s. Erwägungsgrund 59) sowie 2011/95/EU (s. Erwägungsgrund 51) beteiligt und ist weder durch diese Richtlinien gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet. 33Im Gegensatz zur Gewährung des Flüchtlingsschutzes, für den Section 7 (1) des dänischen Ausländergesetzes unmittelbar Bezug auf die GFK nimmt, 34vgl. zur Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 Asylgesetz nach Zuerkennung des dänischen „refugee status“ nach Section 7 (1) des dänischen Ausländergesetzes OVG NRW, Beschluss vom 3. Februar 2022- 11 A 219/22.A -, juris, 35besteht hinsichtlich des subsidiären Schutzes trotz der sprachlichen Anlehnung keine Anknüpfung des „subsidiary protection status“ an die Richtlinien 2013/32/EU und 2011/95/EU. 36Vgl. englischsprachige Übersetzung des dänischen Ausländergesetzes (Aliens Act), Stand 10. März 2019, abrufbar unter https:// nyidanmark.dk/de-DE/Legislation/Legislation. 37Ob der durch Dänemark nach Section 7 (2) des dänischen Ausländergesetzes gewährte „subsidiary protection status“ dasselbe Schutzniveau wie der subsidiären Schutz enthält - was bereits nach den Darlegungen der Beklagten insbesondere im Hinblick auf das Erfordernis einer individuellen Verfolgung zu verneinen sein dürfte -, bedarf aus den vom EuGH im Urteil vom 20. Mai 2021 - C-8/20 -, juris, hervorgehobenen Gründen der Rechtssicherheit 38- vgl. EuGH, Urteil vom 20. Mai 2021 - C-8/20 -, InfAuslR 2021, 292 = juris, Rn. 47 - 39keiner Überprüfung. 40Der EuGH hat entschieden, dass Art. 33 Abs. 2 Buchst. d) der Richtlinie 2013/32 in Verbindung mit deren Art. 2 Buchst. q) dahin auszulegen sei, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehe, nach der ein Antrag auf internationalen Schutz im Sinne von Art. 2 Buchst. b) dieser Richtlinie als unzulässig abgelehnt werden könne, wenn er im betreffenden Mitgliedstaat von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellt worden sei, der zuvor in einem Drittstaat, der die Dublin-III-Verordnung gemäß dem Übereinkommen zwischen der Union, Island und Norwegen umsetze, einen erfolglosen Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gestellt habe. Denn der Wortlaut von Art. 2 lit. q) i. V. m. lit. b) sehe die Prüfung des ersten Asylantrags „durch einen Mitgliedstaat“ vor, wodurch ein an einen Drittstaat gerichteter Antrag kein „Antrag auf internationalen Schutz“ sein könne. 41Vgl. EuGH, Urteil vom 20. Mai 2021 - C-8/20 -, InfAuslR 2021, 292 = juris, Rn. 36 f. 42Der Begriff der „bestandskräftigen Entscheidung“ bezeichne zudem gemäß der Definition in Art. 2 lit. e) RL 2013/32 eine Entscheidung darüber, ob einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gemäß der Richtlinie 2011/95 die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutzstatus zuzuerkennen sei, und gegen die kein Rechtsbehelf nach Kapitel V der Richtlinie 2013/32/EU mehr eingelegt werden könne. Eine von einem Drittstaat getroffene Entscheidung könne indessen nicht unter diese Definition fallen. Die Richtlinie 2011/95/EU, die an die Mitgliedstaaten gerichtet sei und keine Drittstaaten betreffe, beschränke sich nämlich nicht darauf, die Flüchtlingseigenschaft vorzusehen, wie sie im Völkerrecht, nämlich in der Genfer Flüchtlingskonvention, verankert sei, sondern sie regele auch den subsidiären Schutzstatus, der, wie sich aus dem sechsten Erwägungsgrund dieser Richtlinie ergebe, die Vorschriften über die Flüchtlingseigenschaft ergänze. 43Vgl. EuGH, Urteil vom 20. Mai 2021 - C-8/20 -, InfAuslR 2021, 292 = juris, Rn. 38 f. 44Selbst wenn man davon ausginge, dass das norwegische Asylsystem ein Schutzniveau für Asylbewerber vorsehe, das dem in der Richtlinie 2011/95/EU vorgesehenen Niveau gleichwertig sei, könne dies zu keinem anderen Ergebnis führen. Abgesehen davon, dass sich aus dem eindeutigen Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 2013/32 ergebe, dass es beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts nicht zulässig sei, einen Drittstaat für die Zwecke der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 Buchst. d) dieser Richtlinie einem Mitgliedstaat gleichzustellen, könne eine solche Gleichstellung, da andernfalls die Rechtssicherheit beeinträchtigt wäre, nicht von einer Bewertung des konkreten Schutzniveaus für Asylbewerber im betreffenden Drittstaat abhängen. 45Vgl. EuGH, Urteil vom 20. Mai 2021 - C-8/20 -, InfAuslR 2021, 292 = juris, Rn. 46 f. 46Diese Rechtsgrundsätze sind auch auf den Fall einer Unzulässigkeitsentscheidung nach vorangegangener Gewährung des dänischen „subsidiary protection status“ übertragbar. 47Zwar ist Dänemark im Gegensatz zu dem im Urteil des EuGH genannten Staat Norwegen ein Mitglied der Europäischen Union. Dänemark ist jedoch - wie der Drittstaat Norwegen - nicht an die Richtlinien 2013/32/EU und 2011/95/EU gebunden. Der EuGH hat insbesondere herausgestellt, dass die Behandlung als Folgeantrag die Prüfung nicht nur des Flüchtlingsschutzes nach der Genfer Flüchtlingskonvention, sondern auch des subsidiären Schutzes voraussetze, weil die Richtlinie 2011/95/EU sich nicht darauf beschränke, die Flüchtlingseigenschaft vorzusehen, wie sie im Völkerrecht, nämlich in der Genfer Flüchtlingskonvention, verankert sei, sondern sie regele auch den subsidiären Schutzstatus. Dieses Arguments hätte es nicht bedurft, wenn es für die Frage der Unzulässigkeitsentscheidung lediglich darauf ankäme, ob es sich bei dem ersuchten Staat um einen Mitgliedstaat der Europäischen Union handelt. Der EuGH betont vielmehr, dass aus Gründen der Rechtssicherheit von dem ersuchten Staat zu fordern ist, dass dieser zuvor eine Prüfung des Asylantrags im Hinblick auf den internationalen Schutz nach Maßgabe des entsprechenden Sekundärrechts durchgeführt hat. Dieser allgemeine Rechtsgedanke für die Ablehnung des Asylantrags kann gleichermaßen Geltung beanspruchen für die Zuerkennung eines- möglicherweise nicht dem Schutzniveau des durch das Sekundärrecht geregelten - Schutzstatus. 48Mit Blick auf die zitierte Rechtsprechung des EuGH sieht der Senat keine Veranlassung, das Verfahren auszusetzen und ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV an den Europäischen Gerichtshof zu richten. 49II. Die unter Ziffer 2. des Bescheids getroffene Feststellung des Fehlens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist verfrüht ergangen, weil das Bundesamt nach Aufhebung der Unzulässigkeitsentscheidung verpflichtet ist, den Asylantrag der Klägerin materiell zu prüfen und sodann über Abschiebungsverbote zu entscheiden. Die auf § 35 AsylG gestützte Abschiebungsandrohung in Ziffer 3. Sätze 1 bis 3 des angefochtenen Bescheids ist rechtswidrig, weil der Asylantrag der Klägerin mit Blick auf die unter B. I. getroffenen Feststellungen nicht gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG als unzulässig abgelehnt werden durfte. Infolgedessen entfällt auch die Grundlage für die Anordnung des auf § 11 Abs. 1 AufenthG gestützten Einreise- und Aufenthaltsverbots in Ziffer 4. des Bescheids. 50C. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83b AsylG. 51Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 Satz 1 ZPO. 52D. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen. Insbesondere hat die Sache keine grundsätzliche Bedeutung i. S. d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die hier entscheidungserheblichen Rechtsfragen - insbesondere zur Anwendbarkeit des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG - sind geklärt.
die berufung wird zurückgewiesen. die beklagte trägt die kosten des berufungsverfahrens. gerichtskosten werden nicht erhoben. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. die beklagte darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrags abwenden, wenn nicht die klägerin vor der vollstreckung in gleicher höhe sicherheit leistet. die revision wird nicht zugelassen. 1
2die klägerin ist nach ihren angaben am 1. oktober 1983 in i. , syrien, geboren, islamischen glaubens und syrische staatsangehörige. sie reiste am 3. februar 2020 in die bundesrepublik deutschland ein und stellte am 25. mai 2020 einen asylantrag beim bundesamt für migration und flüchtlinge (im folgenden: bundesamt). ausweislich einer vom bundesamt eingeholten eurodac-anfrage hatte die klägerin in dänemark am 25. dezember 2013 einen asylantrag gestellt. 3im rahmen der anhörungen beim bundesamt am 24. juni 2020 gab die klägerin an, sie wolle bei ihrem ehemann in deutschland leben. diesen habe sie im jahr 2017 in dänemark kennengelernt und nach zehn tagen geheiratet. er sei schwerbehindert und benötige ihre unterstützung. 4auf ein wiederaufnahmeersuchen des bundesamts vom 4. mai 2020 teilten die dänischen behörden mit schreiben vom 8. mai 2020 mit, der klägerin sei in dänemark am 19. märz 2014 der „subsidiary protection status“ nach section 7 (2) des dänischen ausländergesetzes gewährt worden (gültig bis 20. märz 2021). 5mit bescheid vom 20. august 2020 lehnte das bundesamt den asylantrag der klägerin als unzulässig ab (ziffer 1.), stellte fest, dass abschiebungsverbote nach § 60 abs. 5 und 7 satz 1 aufenthg nicht vorlägen (ziffer 2.) und forderte die klägerin zur ausreise aus der bundesrepublik deutschland innerhalb von einer woche nach bekanntgabe der entscheidung auf. der klägerin wurde für den fall, dass sie der ausreisefrist nicht nachkomme, die abschiebung nach dänemark oder in einen anderen aufnahmebereiten oder zur aufnahme verpflichteten staat angedroht (ziffer 3. sätze 1 bis 3). die klägerin dürfe nicht nach syrien abgeschoben werden (ziffer 3. satz 4). das gesetzliche einreise- und aufenthaltsverbot nach § 11 abs. 1 aufenthg werde auf 30 monate ab dem tag der abschiebung befristet (ziffer 4.). die vollziehung der abschiebungsandrohung setzte das bundesamt aus (ziffer 5.). 6am 8. september 2020 hat die klägerin klage erhoben. zur begründung hat sie vorgetragen: dänemark nehme am gemeinsamen europäischen asylsystem nicht teil. die erwägungen aus dem urteil des eugh vom 20. mai 2021 - c-8/20 - zu einem zweitantrag seien auf fälle der gewährung internationalen schutzes durch dänemark zu übertragen. dänemark beteilige sich nach den art. 1 und 2 des dem euv und dem aeuv beigefügten protokolls nr. 22 nicht an den richtlinien 2013/33/eu, 2013/32/eu und 2011/95/eu. die definition des begriffs „internationaler schutz" sei aber gerade der richtlinie 2011/95/eu zu entnehmen. da sie - die klägerin - in dänemark keinen antrag auf internationalen schutz gestellt habe, könne ihr dort auch kein internationaler schutz gewährt worden sein. ob dänemark über ein eventuell vergleichbares schutzniveau verfüge, sei nach der entscheidung des eugh unbeachtlich. widersprüchlich sei es, die wertungen für § 71a asylg und § 29 abs. 1 nr. 2 asylg unterschiedlich zu handhaben. zudem werde bestritten, dass ihr schutzstatus in dänemark fortbestehe; insoweit werde auf die widerrufspraxis dänemarks verwiesen. 7die klägerin hat beantragt, 8den bescheid des bundesamts für migration und flüchtlinge vom 20. august 2020 aufzuheben, 9hilfsweise die beklagte unter teilweiser aufhebung des vorgenannten bescheids zu verpflichten, festzustellen, dass in ihrer person abschiebungsverbote nach § 60 abs. 5 oder 7 satz 1 aufenthaltsgesetz vorliegen. 10die beklagte hat schriftsätzlich beantragt, 11die klage abzuweisen. 12das verwaltungsgericht hat durch urteil vom 6. januar 2022 den bescheid vom 20. august 2020 aufgehoben. zur begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: der klägerin sei nicht in einem anderen mitgliedstaat der europäischen union der internationale schutz im sinne des § 1 abs. 1 nr. 2 asylg gewährt worden. gemäß § 1 abs. 1 nr. 2 asylg sei der „internationale schutz" derjenige nach der richtlinie 2011/95/eu. der nach maßgabe der richtlinie 2004/83/eg gewährte internationale schutz stehe dem internationalen schutz nach der richtlinie 2011/95/eu gleich. der klägerin sei gemäß art. 7 abs. 2 des dänischen ausländergesetzes (aliens act) ein anderer schutz zuerkannt worden, genannt „subsidiary protection". dass dieser schutzstatus dem subsidiären schutz im sinne der richtlinie 2011/95/eu oder der richtlinie 2004/83/eg entspreche, könne nicht ohne nähere prüfung festgestellt werden. denn dänemark sei an keine der beiden richtlinien gebunden. ob art. 7 abs. 2 des dänischen ausländergesetzes ein schutzniveau vorsehe, das demjenigen des subsidiären schutzes im sinne der richtlinie 2011/95/eu oder der richtlinie 2004/83/eg entspreche und ein gleichwertiges schutzniveau vorgesehen habe, bedürfe keiner aufklärung. denn nach der rechtsprechung des eugh im urteil vom 20. mai 2021 - c-8/20 - wäre die rechtssicherheit beeinträchtigt, wenn geprüft würde, ob eine gleichwertigkeit des schutzniveaus der richtlinien mit dem schutzniveau anderer nationaler regelungen bestehe. diese feststellung, die der eugh in einem verfahren getroffen habe, in dem er die vergleichbarkeit verschiedener nationaler regelungen im rahmen der prüfung eines folgeantrags (vgl. art. 33 abs. 2 lit. d) richtlinie 2013/32/eu) zu überprüfen gehabt habe, könne auf die vorliegende konstellation übertragen werden. 13zur begründung ihrer vom senat zugelassenen berufung führt die beklagte im wesentlichen aus: art. 33 der richtlinie 2013/32/eu sei im vorliegenden fall anwendbar. voraussetzung sei allein, dass es sich um einen mitgliedstaat der europäischen union handele. anders als im bereich der dublin iii-vo, die als adressatenkreis auch diejenigen staaten umfasse, die die dublin iii-vo aufgrund völkerrechtlicher verträge anwendeten, beziehe sich die vorschrift des § 29 abs. 1 nr. 2 asylg ihrem wortlaut entsprechend allein auf die mitgliedstaaten der europäischen union. das folge daraus, dass § 29 abs. 1 nr. 2 asylg gerade keinen bezug zu den sekundärrechtlichen rechtsakten der europäischen union herstelle. nur in deren rahmen lasse sich diskutieren, ob auch die sonstigen staaten, die an das entsprechende sekundärrecht gebunden seien, von der norm betroffen seien. hinsichtlich des flüchtlingsbegriffs werde in dänemark unterschieden zwischen dem status nach § 7 abs. 1 und dem des § 7 abs. 2 des ausländergesetzes (de-facto-flüchtling). als de-facto-flüchtling im sinne des § 7 abs. 2 würden diejenigen flüchtlinge anerkannt, die nicht eindeutig in den anwendungsbereich der genfer flüchtlingskonvention fielen, bei denen aber ähnliche gründe vorlägen, die eine schutzgewährung in dänemark geböten oder denen aus anderen gründen eine rückkehr in ihre heimat nicht zugemutet werden könne. in der praxis erhielten einen de-facto-flüchtlingsstatus personen, die aus anderen als den in der genfer konvention genannten gründen verfolgung zu befürchten oder die nach dänischen standards exzessive bestrafung in ihren heimatländern zu erwarten hätten. als de-facto-flüchtlinge würden ferner solche personen angesehen, bei denen die behörden zweifel hätten, ob sie die voraussetzungen der gfk in tatsächlicher oder rechtlicher hinsicht erfüllten. typische fälle seien z. b. die bestrafung wegen republikflucht, kriegsdienstverweigerung, homosexualität etc. ferner würden von § 7 abs. 2 des dänischen ausländergesetzes auch personen erfasst, deren verfolgung nicht von staatlicher seite, sondern von anderen gruppen drohe. die verfolgung müsse sich individuell gerade gegen den antragsteller richten. allgemeine bürgerkriegsgefahren und innere unruhen würden nicht als hinreichend angesehen. die erlöschens- und widerrufsgründe nach den §§ 17 und 17a des dänischen ausländergesetzes entsprächen inhaltlich denen des art. 16 der richtlinie 2011/95/eu. die vom eugh mit urteil vom 20. mai 2021 - c-8/20 - entwickelten rechtsgrundsätze seien auf den vorliegenden fall nicht anwendbar. der eugh habe primär darauf abgestellt, dass der betroffene drittstaat - norwegen - nicht teil der eu sei und lediglich festgestellt, dass die unionsrechtlich eröffneten möglichkeiten zur asylantragsablehnung als unzulässig in der richtlinie 2013/32/eu abschließend vorgegeben seien. eine ablehnung nach art. 33 abs. 2 buchst. d) der richtlinie 2013/32/eu könne allein bei einem in einem mitgliedstaat zuvor erfolglos gebliebenen asylantrag eingreifen, nicht aber in bezug auf einen nichtmitgliedstaat - beispielsweise die schweiz oder norwegen -, selbst wenn dieser vertragsstaat des dublin-verfahrens sei. es handele sich vorliegend nicht um eine vorangegangene ablehnung internationalen schutzes in einem drittstaat, sondern um die zuerkennung subsidiären schutzes in einem mitgliedstaat. 14die beklagte beantragt schriftsätzlich, 15das urteil des verwaltungsgerichts aachen vom 6. januar 2022 zu ändern und die klage abzuweisen. 16die klägerin beantragt schriftsätzlich, 17die berufung zurückzuweisen. 18die beteiligten haben ihr einverständnis mit einer entscheidung ohne mündliche verhandlung erklärt. 19hinsichtlich der weiteren einzelheiten des sach- und streitstands wird auf den inhalt der gerichtsakte sowie auf die beigezogenen verwaltungsvorgänge des bundesamts bezug genommen. 20
21a. mit einverständnis der beteiligten entscheidet der senat ohne mündliche verhandlung (§ 101 abs. 2 vwgo). 22b. die berufung der beklagten hat keinen erfolg. 23der bescheid des bundesamts vom 20. august 2020 ist - soweit er streitbefangen ist - rechtswidrig und verletzt die klägerin in ihren rechten (§ 113 abs. 1 satz 1 vwgo). 24dabei ist gemäß § 77 abs. 1 satz 1 asylg auf die sach- und rechtslage im zeitpunkt der entscheidung des senats abzustellen. 25vgl. auch eugh, urteil vom 19. märz 2019 - c-297/17 u. a. (ibrahim) -, juris, rn. 67 f. 26i. als rechtsgrundlage für die unzulässigkeitsentscheidung in ziffer 1. des angefochtenen bescheids kommt § 29 abs. 1 nr. 2 asylg nicht in betracht. 27dessen voraussetzungen liegen nicht vor. nach § 29 abs. 1 nr. 2 asylg ist ein asylantrag unzulässig, wenn ein anderer mitgliedstaat der europäischen union dem ausländer bereits internationalen schutz im sinne des § 1 abs. 1 nr. 2 gewährt hat. der internationale schutz wird durch § 1 abs. 1 nr. 2 1. halbsatz asylg definiert als der internationale schutz nach der richtlinie 2011/95/eu des europäischen parlaments und des rates vom 13. dezember 2011 über normen für die anerkennung von drittstaatsangehörigen oder staatenlosen als personen mit anspruch auf internationalen schutz, für einen einheitlichen status für flüchtlinge oder für personen mit anrecht auf subsidiären schutz und für den inhalt des zu gewährenden schutzes (abl. l 337 vom 20.12.2011, s. 9). der internationale schutz im sinne der richtlinie 2011/95/eu umfasst nach § 1 abs. 1 nr. 2 2. halbsatz asylg den schutz vor verfolgung nach dem abkommen vom 28. juli 1951 über die rechtsstellung der flüchtlinge (bgbl. 1953 ii s. 559, 560) und den subsidiären schutz im sinne der richtlinie. 28§ 29 abs. 1 nr. 2 asylg setzt art. 33 abs. 2 lit. a) rl 2013/32/eu in nationales recht um. die mitgliedstaaten können demnach einen antrag auf internationalen schutz nur dann als unzulässig betrachten, wenn ein anderer mitgliedstaat internationalen schutz gewährt hat. „internationaler schutz“ ist nach art. 2 lit. i) der richtlinie 2013/32/eu die flüchtlingseigenschaft und der subsidiäre schutzstatus im sinne der buchstaben j) und k). 29die flüchtlingseigenschaft ist in lit. j) definiert als die anerkennung eines drittstaatsangehörigen oder staatenlosen als flüchtling durch einen mitgliedstaat. „flüchtling“ meint nach art. 2 lit. g) rl 2013/32/eu einen drittstaatsangehörigen oder staatenlosen, der die voraussetzungen des art. 2 lit. d) der richtlinie 2011/95/eu erfüllt, der wiederum art. 1 a nr. 2 des abkommens vom 28. juli 1951 über die rechtsstellung der flüchtlinge wiedergibt. 30als „subsidiärer schutzstatus“ definiert art. 2 lit. k) rl 2013/32/eu die anerkennung durch einen mitgliedstaat eines drittstaatsangehörigen oder staatenlosen als person mit anspruch auf subsidiären schutz, die wiederum nach art. 2 lit. h) der richtlinie 2013/32/eu ein drittstaatsangehöriger oder staatenloser ist, der die voraussetzungen des artikels 2 buchstabe f der richtlinie 2011/95/eu erfüllt. 31die gewährung des „subsidiary protection status“ nach section 7 (2) des dänischen ausländergesetzes stellt keinen „internationalen schutz“ im sinne von § 29 abs. 1 nr. 2 asylg i. v. m. § 1 abs. 1 nr. 2 asylg bzw. art. 33 abs. 2 lit. a) i. v. m. art. 2 lit. i) der richtlinie 2013/32/eu dar. 32nach art. 1 unterabs. 1 satz 1 des protokolls nr. 22 über die position dänemarks zum vertrag über die europäische union und dem vertrag über die arbeitsweise der europäischen union beteiligt sich dänemark nicht an der annahme von maßnahmen durch den rat, die nach dem dritten teil titel v des vertrags über die arbeitsweise der europäischen union - wozu auch das gemeinsame europäische asylsystem gehört - vorgeschlagen werden. art. 2 satz 1 dieses protokolls sieht vor, dass vorschriften des dritten teils titel v des vertrags über die arbeitsweise der europäischen union, nach jenem titel beschlossene maßnahmen, vorschriften internationaler übereinkünfte, die von der union nach jenem titel geschlossen werden, sowie entscheidungen des gerichtshofs der europäischen union, in denen solche vorschriften oder maßnahmen oder nach jenem titel geänderte oder änderbare maßnahmen ausgelegt werden, für dänemark nicht bindend oder anwendbar sind. entsprechend hat sich dänemark nicht an der annahme der richtlinien 2013/32/eu (s. erwägungsgrund 59) sowie 2011/95/eu (s. erwägungsgrund 51) beteiligt und ist weder durch diese richtlinien gebunden noch zu ihrer anwendung verpflichtet. 33im gegensatz zur gewährung des flüchtlingsschutzes, für den section 7 (1) des dänischen ausländergesetzes unmittelbar bezug auf die gfk nimmt, 34vgl. zur unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 abs. 1 nr. 2 asylgesetz nach zuerkennung des dänischen „refugee status“ nach section 7 (1) des dänischen ausländergesetzes ovg nrw, beschluss vom 3. februar 2022- 11 a 219/22.a -, juris, 35besteht hinsichtlich des subsidiären schutzes trotz der sprachlichen anlehnung keine anknüpfung des „subsidiary protection status“ an die richtlinien 2013/32/eu und 2011/95/eu. 36vgl. englischsprachige übersetzung des dänischen ausländergesetzes (aliens act), stand 10. märz 2019, abrufbar unter https:// nyidanmark.dk/de-de/legislation/legislation. 37ob der durch dänemark nach section 7 (2) des dänischen ausländergesetzes gewährte „subsidiary protection status“ dasselbe schutzniveau wie der subsidiären schutz enthält - was bereits nach den darlegungen der beklagten insbesondere im hinblick auf das erfordernis einer individuellen verfolgung zu verneinen sein dürfte -, bedarf aus den vom eugh im urteil vom 20. mai 2021 - c-8/20 -, juris, hervorgehobenen gründen der rechtssicherheit 38- vgl. eugh, urteil vom 20. mai 2021 - c-8/20 -, infauslr 2021, 292 = juris, rn. 47 - 39keiner überprüfung. 40der eugh hat entschieden, dass art. 33 abs. 2 buchst. d) der richtlinie 2013/32 in verbindung mit deren art. 2 buchst. q) dahin auszulegen sei, dass er einer regelung eines mitgliedstaats entgegenstehe, nach der ein antrag auf internationalen schutz im sinne von art. 2 buchst. b) dieser richtlinie als unzulässig abgelehnt werden könne, wenn er im betreffenden mitgliedstaat von einem drittstaatsangehörigen oder staatenlosen gestellt worden sei, der zuvor in einem drittstaat, der die dublin-iii-verordnung gemäß dem übereinkommen zwischen der union, island und norwegen umsetze, einen erfolglosen antrag auf zuerkennung der flüchtlingseigenschaft gestellt habe. denn der wortlaut von art. 2 lit. q) i. v. m. lit. b) sehe die prüfung des ersten asylantrags „durch einen mitgliedstaat“ vor, wodurch ein an einen drittstaat gerichteter antrag kein „antrag auf internationalen schutz“ sein könne. 41vgl. eugh, urteil vom 20. mai 2021 - c-8/20 -, infauslr 2021, 292 = juris, rn. 36 f. 42der begriff der „bestandskräftigen entscheidung“ bezeichne zudem gemäß der definition in art. 2 lit. e) rl 2013/32 eine entscheidung darüber, ob einem drittstaatsangehörigen oder staatenlosen gemäß der richtlinie 2011/95 die flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre schutzstatus zuzuerkennen sei, und gegen die kein rechtsbehelf nach kapitel v der richtlinie 2013/32/eu mehr eingelegt werden könne. eine von einem drittstaat getroffene entscheidung könne indessen nicht unter diese definition fallen. die richtlinie 2011/95/eu, die an die mitgliedstaaten gerichtet sei und keine drittstaaten betreffe, beschränke sich nämlich nicht darauf, die flüchtlingseigenschaft vorzusehen, wie sie im völkerrecht, nämlich in der genfer flüchtlingskonvention, verankert sei, sondern sie regele auch den subsidiären schutzstatus, der, wie sich aus dem sechsten erwägungsgrund dieser richtlinie ergebe, die vorschriften über die flüchtlingseigenschaft ergänze. 43vgl. eugh, urteil vom 20. mai 2021 - c-8/20 -, infauslr 2021, 292 = juris, rn. 38 f. 44selbst wenn man davon ausginge, dass das norwegische asylsystem ein schutzniveau für asylbewerber vorsehe, das dem in der richtlinie 2011/95/eu vorgesehenen niveau gleichwertig sei, könne dies zu keinem anderen ergebnis führen. abgesehen davon, dass sich aus dem eindeutigen wortlaut der einschlägigen bestimmungen der richtlinie 2013/32 ergebe, dass es beim gegenwärtigen stand des unionsrechts nicht zulässig sei, einen drittstaat für die zwecke der anwendung von art. 33 abs. 2 buchst. d) dieser richtlinie einem mitgliedstaat gleichzustellen, könne eine solche gleichstellung, da andernfalls die rechtssicherheit beeinträchtigt wäre, nicht von einer bewertung des konkreten schutzniveaus für asylbewerber im betreffenden drittstaat abhängen. 45vgl. eugh, urteil vom 20. mai 2021 - c-8/20 -, infauslr 2021, 292 = juris, rn. 46 f. 46diese rechtsgrundsätze sind auch auf den fall einer unzulässigkeitsentscheidung nach vorangegangener gewährung des dänischen „subsidiary protection status“ übertragbar. 47zwar ist dänemark im gegensatz zu dem im urteil des eugh genannten staat norwegen ein mitglied der europäischen union. dänemark ist jedoch - wie der drittstaat norwegen - nicht an die richtlinien 2013/32/eu und 2011/95/eu gebunden. der eugh hat insbesondere herausgestellt, dass die behandlung als folgeantrag die prüfung nicht nur des flüchtlingsschutzes nach der genfer flüchtlingskonvention, sondern auch des subsidiären schutzes voraussetze, weil die richtlinie 2011/95/eu sich nicht darauf beschränke, die flüchtlingseigenschaft vorzusehen, wie sie im völkerrecht, nämlich in der genfer flüchtlingskonvention, verankert sei, sondern sie regele auch den subsidiären schutzstatus. dieses arguments hätte es nicht bedurft, wenn es für die frage der unzulässigkeitsentscheidung lediglich darauf ankäme, ob es sich bei dem ersuchten staat um einen mitgliedstaat der europäischen union handelt. der eugh betont vielmehr, dass aus gründen der rechtssicherheit von dem ersuchten staat zu fordern ist, dass dieser zuvor eine prüfung des asylantrags im hinblick auf den internationalen schutz nach maßgabe des entsprechenden sekundärrechts durchgeführt hat. dieser allgemeine rechtsgedanke für die ablehnung des asylantrags kann gleichermaßen geltung beanspruchen für die zuerkennung eines- möglicherweise nicht dem schutzniveau des durch das sekundärrecht geregelten - schutzstatus. 48mit blick auf die zitierte rechtsprechung des eugh sieht der senat keine veranlassung, das verfahren auszusetzen und ein vorabentscheidungsersuchen nach art. 267 aeuv an den europäischen gerichtshof zu richten. 49ii. die unter ziffer 2. des bescheids getroffene feststellung des fehlens von abschiebungsverboten nach § 60 abs. 5 und abs. 7 satz 1 aufenthg ist verfrüht ergangen, weil das bundesamt nach aufhebung der unzulässigkeitsentscheidung verpflichtet ist, den asylantrag der klägerin materiell zu prüfen und sodann über abschiebungsverbote zu entscheiden. die auf § 35 asylg gestützte abschiebungsandrohung in ziffer 3. sätze 1 bis 3 des angefochtenen bescheids ist rechtswidrig, weil der asylantrag der klägerin mit blick auf die unter b. i. getroffenen feststellungen nicht gemäß § 29 abs. 1 nr. 2 asylg als unzulässig abgelehnt werden durfte. infolgedessen entfällt auch die grundlage für die anordnung des auf § 11 abs. 1 aufenthg gestützten einreise- und aufenthaltsverbots in ziffer 4. des bescheids. 50c. die kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 abs. 2 vwgo, 83b asylg. 51der ausspruch über die vorläufige vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 vwgo, 708 nr. 10, 709 satz 2, 711 satz 1 zpo. 52d. die revision ist nicht zuzulassen, weil die voraussetzungen des § 132 abs. 2 vwgo nicht vorliegen. insbesondere hat die sache keine grundsätzliche bedeutung i. s. d. § 132 abs. 2 nr. 1 vwgo. die hier entscheidungserheblichen rechtsfragen - insbesondere zur anwendbarkeit des § 29 abs. 1 nr. 2 asylg - sind geklärt.
346,696
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8 K 698/20
2022-09-12T00:00:00
Urteil
Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages leistet. 1Tatbestand: 2Der Kläger begehrt die Befriedung seiner Grundstücke. Er ist Eigentümer diverser Flurstücke in M. und N. . Diese liegen in den gemeinschaftlichen Jagdbezirken M. III, S. VI und S. VIII. 3Mit Schreiben vom 27.03.2018 beantragte der Kläger durch seinen damaligen Prozessbevollmächtigten die Befriedung seiner Grundstücke im Jagdgebiet M. III. 4Mit Bescheid vom 18.02.2020 lehnt der Beklagte die beantragte Befriedung ab. Der Kläger habe seine ethischen Motive nicht glaubhaft gemacht. Er habe zur Begründung seines Antrags pauschal auf § 6a BJagdG verwiesen. Zudem seien an den Kläger höhere Maßstäbe bei der Glaubhaftmachung zu stellen, da er selbst zur Jagd gegangen sei. Auch der Betrieb einer Hähnchenmast wecke Zweifel an den ethischen Gründen des Klägers. 5Der Kläger hat am 16.03.2020 die vorliegende Klage erhoben. Seitdem er nicht mehr im Besitz eines Jagdscheins ist, habe sich seine Einstellung zur Jagd grundlegend verändert. Er habe einen völlig neuen Blickwinkel zur Tierwelt, insbesondere zu Wildtieren bekommen. Heute erfreue er sich am Anblick der Rehe, Hasen und Fasane auf seinem Grundstück. Er führe Wildtierfütterungen durch, um die Tiere in freier Wildbahn beobachten zu können. Eine Wildtierfutterstelle befinde sich am E. in S. . Eine Winterfutterstelle für Vögel wie Tauben und Krähen habe er direkt auf seiner Hofstelle angelegt. Er habe auch zahlreiche Vogelkästen aufgehängt. Weiterhin verpachte er landwirtschaftliche Grundstücke mit der Auflage, dass keine Monokulturen, sondern eine Zwischenfrucht angepflanzt werden müsse. Hierbei handele es sich um Raps, Senf oder Ölrettich, der zur Wildfütterung von Wildtieren dient. Die Felder dürften erst im Frühjahr gemulcht werden und stünden dem Wild so im Winter zudem als Schutz zur Verfügung. Der Kläger beabsichtige die noch ausstehende Jagdpacht für das Jahr 2018 bis 2020 zur Anpflanzung von Hecken zum Schutz des Wildes zu nutzen. Eine neue Beantragung eines Jagdscheins schließe er kategorisch aus. Er habe auch sämtliche Jagdutensilien wie Gewehre, Nachtsichtgeräte, Schlafsäcke etc. veräußert und völlig aus seinem Wohnhaus entfernt. 6Der Kläger beantragt, 7die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.02.2020 zu verpflichten, die Grundstücke des Klägers jeweils zu jagdrechtlich befriedeten Bezirken zu erklären. 8Der Beklagte beantragt, 9die Klage abzuweisen. 10Zur Begründung macht er geltend, dass der Kläger seine behaupteten ethischen Gründe für die Befriedung nicht hinreichend objektiv dargelegt habe. Es liege der Verdacht nahe, dass der Kläger eine Befriedung anstrebt, weil er sich mit einem oder mehreren Jagdausübungsberechtigten zerstritten hat und nunmehr die Befriedung als Mittel zur Durchsetzung seiner Interessen zielgerichtet einsetzten möchte. 11Die Kammer hat das Verfahren mit Beschluss vom 09. Dezember 2020 der Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen. 12Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Beklagten. 13Entscheidungsgründe: 14Die zulässige Klage ist unbegründet. 15Der Bescheid des Beklagten vom 18.02.2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). 16Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Befriedung seiner Grundstücke in den gemeinschaftlichen Jagdbezirken M. III, S. VI und S. VIII. 17Gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 BJagdG sind Grundflächen, die zu einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk gehören und im Eigentum einer natürlichen Person stehen, auf Antrag des Grundstückseigentümers zu befriedeten Bezirken zu erklären, wenn der Grundstückseigentümer glaubhaft macht, dass er die Jagdausübung aus ethischen Gründen ablehnt. 18Die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 BJagdG liegen nicht vor. Der Kläger hat nicht glaubhaft gemacht, dass er die Jagdausübung aus ethischen Gründen ablehnt. 19Ethische Gründe i. S. v. § 6a Abs. 1 Satz 1 BJagdG liegen vor, wenn der Grundstückseigentümer die feste Überzeugung gewonnen hat, dass es aus grundsätzlichen Erwägungen nicht richtig ist, die Jagd auszuüben, also wildlebende Tiere, die dem Jagdrecht unterliegen, zu erlegen oder zu fangen und diese Überzeugung eine gewisse Wichtigkeit hat. 20BVerwG, Urteil vom 11.11.2021, 3 C 16/20 –, juris Rn. 31. 21Erforderlich, aber auch ausreichend ist der Nachweis objektiver Umstände, die das Vorliegen ethischer Gründe nachvollziehbar und im Ergebnis überwiegend wahrscheinlich machen. 22BVerwG, Urteil vom 11.11.2021, a.a.O., Rn. 35. 23Nach diesen Maßstäben hat der Kläger das Vorliegen ethischer Gründe nicht glaubhaft gemacht. Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger die Jagdausübung aus ethischen Gründen ablehnt und die Ablehnung der Jagdausübung ein gewisses Maß an Entschiedenheit, Kohärenz und Wichtigkeit aufweist. 24Gegen das Vorliegen ethischer Gründe für den Befriedungsantrag des Klägers spricht zunächst, dass der Kläger selbst viele Jahre zur Jagd gegangen ist und er den Sinneswandel zur Ablehnung der Jagd nicht plausibel darlegen konnte. Welche Erkenntnis diesen Sinneswandel in dem Kläger ausgelöst haben soll, hat der Kläger bis heute nicht dargetan. 25Der Kläger hat mit der Antragstellung im März 2018 noch keinerlei Gründe für die Befriedung seiner Grundstücke vorgetragen. Auch auf Aufforderung durch den Beklagten begrenzte sich der Kläger darauf vorzutragen, dass er die Jagd aus grundsätzlichen Erwägungen ablehne, da er die Wildtiere als Lebewesen geschützt sehen wolle. Objektive Umstände, die das Vorliegen ethischer Gründe nachvollziehbar erscheinen lassen, hat er damit nicht dargelegt. Der Kläger hat in seinem Antrag vom 27.03.2018 auch ausdrücklich lediglich die Befriedung seiner Grundstücke im gemeinschaftlichen Jagdgebiet M. III beantragt, was gegen eine grundsätzliche Ablehnung der Jagd und für Motive im Zusammenhang mit diesen Grundstücken spricht. Lediglich der Beklagte hat von Anfang an alle Grundstücke des Klägers in das Befriedungsverfahren einbezogen. 26In der mündlichen Verhandlung betont der Kläger immer wieder, dass ihn die Art der Jagdausübung bei der Jagd auf Niederwild störe („Fasane würden einfach auf den Anhänger geschmissen“). Eine hinreichende Auseinandersetzung mit der Thematik der Jagd an sich und eine Ablehnung der Jagd generell ist im Rahmen seiner persönlichen Anhörung nicht deutlich geworden. 27Im Wesentlichen hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung gebetsmühlenartig betont, dass es viel schöner sei das Wild „zu begucken“. Daraus vermag das Gericht eine Ablehnung der Jagd aus ethischen Gründen nicht zu erkennen. Auch Jäger werden sich der Ansicht anschließen, dass es schöner sei Wild zu beobachten, insbesondere da sie mit dem Jagdrecht auch die Pflicht zur Hege erworben haben. Schließlich ist es das Ziel eines jeden Jägers ein den landschaftlichen und landeskulturellen Verhältnissen angepassten artenreichen und gesunden Wildbestand zu erhalten. 28Gegen eine ethisch begründete Ablehnung der Jagd durch den Kläger spricht zudem, dass er den Verdacht, die Befriedung diene einem ganz anderen Zweck, auch in der mündlichen Verhandlung nicht hat ausräumen können. Dass es Auseinandersetzungen mit Jagdpächtern gegeben haben soll, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung schlicht abgestritten, obwohl es in dem Verwaltungsvorgang eindeutige Anhaltspunkte dafür gibt (insbesondere das Anwaltsschreiben an den Kläger, in dem der damalige Prozessbevollmächtige den Kläger darauf aufmerksam macht, dass ein „persönlicher Ärger“ mit den Jagdausübungsberechtigten nicht ausreichend ist, um eine Befriedung zu begründen). 29Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. 30Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10. 711 Satz 1 und 2, 709 Satz 2 ZPO.
die klage wird abgewiesen. der kläger trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der kläger darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages abwenden, wenn nicht der beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des vollstreckungsbetrages leistet. 1
2der kläger begehrt die befriedung seiner grundstücke. er ist eigentümer diverser flurstücke in m. und n. . diese liegen in den gemeinschaftlichen jagdbezirken m. iii, s. vi und s. viii. 3mit schreiben vom 27.03.2018 beantragte der kläger durch seinen damaligen prozessbevollmächtigten die befriedung seiner grundstücke im jagdgebiet m. iii. 4mit bescheid vom 18.02.2020 lehnt der beklagte die beantragte befriedung ab. der kläger habe seine ethischen motive nicht glaubhaft gemacht. er habe zur begründung seines antrags pauschal auf § 6a bjagdg verwiesen. zudem seien an den kläger höhere maßstäbe bei der glaubhaftmachung zu stellen, da er selbst zur jagd gegangen sei. auch der betrieb einer hähnchenmast wecke zweifel an den ethischen gründen des klägers. 5der kläger hat am 16.03.2020 die vorliegende klage erhoben. seitdem er nicht mehr im besitz eines jagdscheins ist, habe sich seine einstellung zur jagd grundlegend verändert. er habe einen völlig neuen blickwinkel zur tierwelt, insbesondere zu wildtieren bekommen. heute erfreue er sich am anblick der rehe, hasen und fasane auf seinem grundstück. er führe wildtierfütterungen durch, um die tiere in freier wildbahn beobachten zu können. eine wildtierfutterstelle befinde sich am e. in s. . eine winterfutterstelle für vögel wie tauben und krähen habe er direkt auf seiner hofstelle angelegt. er habe auch zahlreiche vogelkästen aufgehängt. weiterhin verpachte er landwirtschaftliche grundstücke mit der auflage, dass keine monokulturen, sondern eine zwischenfrucht angepflanzt werden müsse. hierbei handele es sich um raps, senf oder ölrettich, der zur wildfütterung von wildtieren dient. die felder dürften erst im frühjahr gemulcht werden und stünden dem wild so im winter zudem als schutz zur verfügung. der kläger beabsichtige die noch ausstehende jagdpacht für das jahr 2018 bis 2020 zur anpflanzung von hecken zum schutz des wildes zu nutzen. eine neue beantragung eines jagdscheins schließe er kategorisch aus. er habe auch sämtliche jagdutensilien wie gewehre, nachtsichtgeräte, schlafsäcke etc. veräußert und völlig aus seinem wohnhaus entfernt. 6der kläger beantragt, 7die beklagte unter aufhebung des bescheides vom 18.02.2020 zu verpflichten, die grundstücke des klägers jeweils zu jagdrechtlich befriedeten bezirken zu erklären. 8der beklagte beantragt, 9die klage abzuweisen. 10zur begründung macht er geltend, dass der kläger seine behaupteten ethischen gründe für die befriedung nicht hinreichend objektiv dargelegt habe. es liege der verdacht nahe, dass der kläger eine befriedung anstrebt, weil er sich mit einem oder mehreren jagdausübungsberechtigten zerstritten hat und nunmehr die befriedung als mittel zur durchsetzung seiner interessen zielgerichtet einsetzten möchte. 11die kammer hat das verfahren mit beschluss vom 09. dezember 2020 der berichterstatterin als einzelrichterin übertragen. 12wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird bezug genommen auf den inhalt der gerichtsakte und des verwaltungsvorgangs des beklagten. 13
14die zulässige klage ist unbegründet. 15der bescheid des beklagten vom 18.02.2020 ist rechtmäßig und verletzt den kläger nicht in seinen rechten (§ 113 abs. 5 satz 1 vwgo). 16der kläger hat keinen anspruch auf die befriedung seiner grundstücke in den gemeinschaftlichen jagdbezirken m. iii, s. vi und s. viii. 17gemäß § 6a abs. 1 satz 1 bjagdg sind grundflächen, die zu einem gemeinschaftlichen jagdbezirk gehören und im eigentum einer natürlichen person stehen, auf antrag des grundstückseigentümers zu befriedeten bezirken zu erklären, wenn der grundstückseigentümer glaubhaft macht, dass er die jagdausübung aus ethischen gründen ablehnt. 18die voraussetzungen des § 6a abs. 1 satz 1 bjagdg liegen nicht vor. der kläger hat nicht glaubhaft gemacht, dass er die jagdausübung aus ethischen gründen ablehnt. 19ethische gründe i. s. v. § 6a abs. 1 satz 1 bjagdg liegen vor, wenn der grundstückseigentümer die feste überzeugung gewonnen hat, dass es aus grundsätzlichen erwägungen nicht richtig ist, die jagd auszuüben, also wildlebende tiere, die dem jagdrecht unterliegen, zu erlegen oder zu fangen und diese überzeugung eine gewisse wichtigkeit hat. 20bverwg, urteil vom 11.11.2021, 3 c 16/20 –, juris rn. 31. 21erforderlich, aber auch ausreichend ist der nachweis objektiver umstände, die das vorliegen ethischer gründe nachvollziehbar und im ergebnis überwiegend wahrscheinlich machen. 22bverwg, urteil vom 11.11.2021, a.a.o., rn. 35. 23nach diesen maßstäben hat der kläger das vorliegen ethischer gründe nicht glaubhaft gemacht. es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der kläger die jagdausübung aus ethischen gründen ablehnt und die ablehnung der jagdausübung ein gewisses maß an entschiedenheit, kohärenz und wichtigkeit aufweist. 24gegen das vorliegen ethischer gründe für den befriedungsantrag des klägers spricht zunächst, dass der kläger selbst viele jahre zur jagd gegangen ist und er den sinneswandel zur ablehnung der jagd nicht plausibel darlegen konnte. welche erkenntnis diesen sinneswandel in dem kläger ausgelöst haben soll, hat der kläger bis heute nicht dargetan. 25der kläger hat mit der antragstellung im märz 2018 noch keinerlei gründe für die befriedung seiner grundstücke vorgetragen. auch auf aufforderung durch den beklagten begrenzte sich der kläger darauf vorzutragen, dass er die jagd aus grundsätzlichen erwägungen ablehne, da er die wildtiere als lebewesen geschützt sehen wolle. objektive umstände, die das vorliegen ethischer gründe nachvollziehbar erscheinen lassen, hat er damit nicht dargelegt. der kläger hat in seinem antrag vom 27.03.2018 auch ausdrücklich lediglich die befriedung seiner grundstücke im gemeinschaftlichen jagdgebiet m. iii beantragt, was gegen eine grundsätzliche ablehnung der jagd und für motive im zusammenhang mit diesen grundstücken spricht. lediglich der beklagte hat von anfang an alle grundstücke des klägers in das befriedungsverfahren einbezogen. 26in der mündlichen verhandlung betont der kläger immer wieder, dass ihn die art der jagdausübung bei der jagd auf niederwild störe („fasane würden einfach auf den anhänger geschmissen“). eine hinreichende auseinandersetzung mit der thematik der jagd an sich und eine ablehnung der jagd generell ist im rahmen seiner persönlichen anhörung nicht deutlich geworden. 27im wesentlichen hat der kläger in der mündlichen verhandlung gebetsmühlenartig betont, dass es viel schöner sei das wild „zu begucken“. daraus vermag das gericht eine ablehnung der jagd aus ethischen gründen nicht zu erkennen. auch jäger werden sich der ansicht anschließen, dass es schöner sei wild zu beobachten, insbesondere da sie mit dem jagdrecht auch die pflicht zur hege erworben haben. schließlich ist es das ziel eines jeden jägers ein den landschaftlichen und landeskulturellen verhältnissen angepassten artenreichen und gesunden wildbestand zu erhalten. 28gegen eine ethisch begründete ablehnung der jagd durch den kläger spricht zudem, dass er den verdacht, die befriedung diene einem ganz anderen zweck, auch in der mündlichen verhandlung nicht hat ausräumen können. dass es auseinandersetzungen mit jagdpächtern gegeben haben soll, hat der kläger in der mündlichen verhandlung schlicht abgestritten, obwohl es in dem verwaltungsvorgang eindeutige anhaltspunkte dafür gibt (insbesondere das anwaltsschreiben an den kläger, in dem der damalige prozessbevollmächtige den kläger darauf aufmerksam macht, dass ein „persönlicher ärger“ mit den jagdausübungsberechtigten nicht ausreichend ist, um eine befriedung zu begründen). 29die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 1 vwgo. 30die entscheidung zur vorläufigen vollstreckbarkeit folgt aus § 167 vwgo, §§ 708 nr. 10. 711 satz 1 und 2, 709 satz 2 zpo.
346,677
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11 A 1583/21
2022-09-12T00:00:00
Urteil
Tenor Das angefochtene Urteil wird geändert. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 393,41 Euro nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleitung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrags vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen. 1Tatbestand: 2Am 18. Februar 2019, einem Montag, hatte sich gegen 12:30 Uhr in T. auf der O. Straße, der Bundesstraße 229 (im Folgenden: B 229), in Höhe der Hausnummer 158 ein Verkehrsunfall ereignet. Ein Fahrzeug war von der Fahrbahn abgekommen und gegen eine Leitplanke geprallt. Dabei war das Fahrzeug so stark beschädigt worden, dass Betriebsstoffe ausgelaufen waren. Aufgrund eines Notrufs hatten sich Einsatzkräfte von Feuerwehr und Polizei zum Unfallort begeben. Die Feuerwehr hatte die ausgelaufenen Betriebsstoffe mit einem Bindemittel abgestreut. Nachdem die Feuerwehr den Einsatzort verlassen hatte, trafen zwei Mitarbeiter der Technischen Betriebe T. (im Folgenden: TBS) ein, um das von der Feuerwehr und das von ihnen selbst eingesetzte Bindemittel aufzunehmen und zu entsorgen. 3Die Klägerin forderte den Beklagten auf, ihr die durch den Einsatz der TBS entstandenen Kosten zu ersetzen. Diese Kosten bezifferte sie auf insgesamt 393,41 Euro (321,00 Euro Lohnkosten, 27,50 Euro Kosten für den Fahrzeugeinsatz und 44,91 Euro Materialkosten). Der Beklagte lehnte eine Kostenerstattung mit der Begründung ab, dass es an einer gesetzlichen Grundlage für den geltend gemachten Anspruch fehle. 4Am 14. Januar 2020 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen: Der Beklagte sei als Träger der Straßenbaulast nach den Grundsätzen der öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag verpflichtet, die durch den Einsatz der TBS entstandenen Kosten zu ersetzen. Die gesetzlichen Vorschriften zur Kostentragung für Feuerwehreinsätze stünden dem nicht entgegen, weil die von den TBS getroffenen Maßnahmen nicht mehr dem eigentlichen Feuerwehreinsatz zuzurechnen seien. In diesem Zusammenhang sei auch das in der Landesverfassung normierte Konnexitätsprinzip zu berücksichtigten, nach dem einer Kommune nur dann weitere Aufgaben übertragen werden dürften, wenn gleichzeitig Regelungen über die Deckung der Kosten getroffen würden. 5Die Klägerin hat beantragt, 6den Beklagten zu verurteilen, an sie 393,41 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen. 7Der Beklagte hat beantragt, 8die Klage abzuweisen. 9Zur Begründung hat der Beklagte geltend gemacht: Für eine Kostenerstattung sei kein Raum, weil die Klägerin als Trägerin der Feuerwehr innerhalb ihres eigenen gesetzlichen Geschäfts- und Pflichtenkreises tätig geworden sei. 10Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 6. Mai 2021 abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der Kosten, die durch den Einsatz der TBS im Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall am 18. Februar 2019 entstanden seien. Ein solcher Anspruch ergebe sich nicht aus § 52 Abs. 3 BHKG NRW. Denn er scheide unabhängig davon aus, ob die von den TBS getroffenen Maßnahmen im Rechtssinne Teil des Feuerwehreinsatzes gewesen seien. Verneine man dies, lägen schon keine nach § 52 Abs. 3 BHKG NRW erstattungsfähigen Einsatzkosten vor. Seien die Maßnahmen der TBS hingegen Teil des Feuerwehreinsatzes gewesen, stehe einem Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten aus § 52 Abs. 3 BHKG NRW entgegen, dass zugunsten der Klägerin ein Kostenersatzanspruch aus § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BHKG NRW gegen die Fahrzeughalterin bestehe. Entgegen der Ansicht der Klägerin habe diese auch keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Erstattung der durch die Tätigkeit der TBS entstandenen Kosten aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag. Denn es fehle an einer „planwidrigen Regelungslücke“, weil die §§ 50 ff. BHKG NRW eine abschließende Regelung über die Kostentragung für Aufgaben träfen, die der Gemeinde als Pflichtaufgaben nach dem BHKG NRW oblägen. Hier habe die Klägerin durch die Beseitigung der ausgelaufenen Betriebsstoffe Hilfe bei einem Unglücksfall geleistet und so eine ihr nach den §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 3 Abs. 1 Satz 1 BHKG NRW als Pflichtaufgabe obliegende Aufgabe wahrgenommen. Diese Pflichtaufgabe umfasse neben den Reinigungsmaßnahmen der Feuerwehr auch die durch die TBS ergriffenen Maßnahmen, da die Feuerwehr den Unglücksfall nicht beseitigt habe. Die Rutschgefahr habe fortgestanden, weil das Öl nicht vollständig abgestreut und das Bindemittel, das ebenfalls eine Rutschgefahr verursacht habe, nicht aufgenommen gewesen sei. Für die Qualifizierung als Pflichtaufgabe nach dem BHKG NRW sei unerheblich, dass die Klägerin zur Gefahrenbeseitigung nicht ausschließlich Kräfte der Feuerwehr eingesetzt habe, sondern wesentliche Arbeiten von Mitarbeitern der TBS habe ausführen lassen. Es sei fernliegend, dass der Gesetzgeber Raum dafür habe lassen wollen, dass die Gemeinde die im BHKG NRW angeordnete Kostentragungspflicht dadurch unterlaufe, dass sie als Trägerin der Feuerwehr Aufgaben durch eine andere Organisationseinheit habe wahrnehmen lassen. Von einer Regelungslücke, die durch die Grundsätze der öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag ausgefüllt werden könnte, sei auch nicht mit Blick auf Art. 78 Abs. 3 Satz 2 der Landesverfassung auszugehen, wonach zugunsten der Gemeinden ein finanzieller Ausgleich zu schaffen sei, wenn ihnen durch Gesetz neue Aufgaben übertragen würden. Diese Vorschrift sei erst zum 1. Juli 2004 in Kraft getreten. Die grundsätzliche Verpflichtung der Gemeinden, die Kosten zu tragen, die durch die Hilfeleistung der Feuerwehr bei Unglücksfällen entstanden, seien, habe schon vor dem 1. Juli 2004 bestanden. Seither seien die Vorschriften ausschließlich zugunsten der Gemeinden geändert worden, indem ihnen insbesondere unter bestimmten Umständen ein Kostenerstattungsanspruch gegen andere öffentlich-rechtliche Stellen eingeräumt worden sei (heute § 52 Abs. 3 BHKG NRW). Wenn die Beklagte in der Vergangenheit - entgegen der Rechtslage - in ähnlichen Fällen wie dem vorliegenden Kostenersatz geleistet haben sollte, stelle die Änderung der bisherigen Praxis keine neue Aufgabenübertragung durch Gesetz dar. Schließlich ergebe sich der geltend gemachte Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auch nicht aus dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, weil es an einer mit der Rechtslage nicht übereinstimmenden, durch Erstattung auszugleichenden Vermögenslage fehle. 11Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Berufung führt die Klägerin aus: Das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass sie Rückgriff nach § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BHKG NRW auf die Fahrzeughalterin habe nehmen können. Es stünden nicht die Kosten der Feuerwehr, sondern Kosten der TBS im Streit, die darauf beruhten, dass Mitarbeiter der TBS nach dem Feuerwehreinsatz hätten anrücken müssen. Insofern werde auf die Entscheidung des erkennenden Gerichts vom 16. Mai 2013 - 9 A 198/11 - hingewiesen. Unter Zugrundelegung des vom erkennenden Gericht darin umrissenen Maßstabs seien die Aufräumarbeiten der TBS dem eigentlichen Feuerwehreinsatz nicht mehr zurechenbar, da die Feuerwehr beim Einsatz der TBS bereits abgerückt gewesen sei und weder Kontrolle noch Aufsicht über diese ausgeübt habe. Mangels Feuerwehreinsatzes sei § 52 BHKG NRW nicht anwendbar, weshalb sie auch keinen Rückgriff nach § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BHKG NRW auf die Unfallverursacherin nehmen könne. Mit Blick darauf sei das Verwaltungsgericht auch zu Unrecht vom Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke ausgegangen. Auch eine Geltendmachung der Kosten gegenüber der Unfallverursacherin auf der Grundlage des § 17 StrWG NRW scheide aus, weil nicht sie - die Klägerin -, sondern der Beklagte Träger der Straßenbaulast sei. Der Verweis des Verwaltungsgerichts auf § 50 Abs. 1 BHKG NRW lasse im Übrigen § 9 Abs. 1 Satz 1 StrWG NRW unberücksichtigt, der festlege, dass die Straßenbaulast alle mit dem Bau und der Unterhaltung zusammenhängenden Aufgaben umfasse. 12Die Klägerin beantragt, 13das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie 393,41 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen. 14Der Beklagte beantragt, 15die Berufung zurückzuweisen. 16Zur Begründung führt der Beklagte aus: Nach § 9 StrWG NRW gehöre es zu der Unterhaltungsaufgabe des Straßenbaulastträgers, durch Straßenverkehrsunfälle verursachte Verunreinigungen (ausgelaufene Betriebsstoffe) auf öffentlichen Straßen zu beseitigen. Nach der Rechtsprechung handele es sich in einem solchen Fall wie dem streitigen um einen Unglücksfall, der die originäre Zuständigkeit der Feuerwehr begründe. Es sei eine Pflichtaufgabe der Feuerwehr. Das Verhältnis der beiden Aufgabenträger zueinander sei im Gesetzesentwurf der Landesregierung zur Neuregelung des BHKG NRW vom 27. März 2015 zu Absatz 3 der Kostenregelung in § 52 umrissen. Danach sei die Zuständigkeit des Straßenbaulastträgers aufgrund der Spezialregelung als vorrangig zu betrachten. Der Feuerwehrpflichteinsatz umfasse nach dem Urteil des erkennenden Gerichts vom 16. Juli 2007 - 9 A 4239/04 - das Abstreuen der Verunreinigung, das Aufnehmen des Bindemittels sowie dessen Entsorgung. Nur so sei eine dauerhafte Gefahrenbeseitigung gegeben und die öffentliche Sicherheit wieder hergestellt. Nach dem Klägervortrag hätten die Feuerwehrleute das ausgelaufene Öl grob und notdürftig abgestreut. Danach hätten sie sich vom Unfallort entfernt. Der Einsatz sei also nach den gesetzlichen Vorgaben noch nicht beendet gewesen. Abgesehen davon könne nur in außergewöhnlichen Dringlichkeitsfällen zwischen Hoheitsträgern überhaupt eine öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag in Betracht kommen, da insoweit die Zuständigkeiten gesetzlich normiert seien. Voraussetzung sei eine Notlage, in der die zuständige Behörde nicht oder nicht mit der sachlich gebotenen Dringlichkeit tätig werde. Diese Voraussetzungen hätten hier jedoch nicht vorgelegen, da die Meisterei T. im Dienst gewesen sei und bei entsprechender Kenntnis hätte tätig werden können. 17Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. 18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. 19Entscheidungsgründe: 20Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO). 21Die zulässige Berufung ist begründet. 22Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 391,41 Euro (dazu A.) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten seit Klageerhebung (dazu B.). 23A. Der Zahlungsanspruch der Klägerin ergibt sich aus dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch. 24Die Voraussetzungen des im öffentlichen Recht außerhalb der gesetzlichen Regelungen als eigenständiges Rechtsinstitut anerkannten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs sind erfüllt. Die Anspruchsvoraussetzungen entsprechen denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs nach den Vorschriften der §§ 812 ff. BGB. Auf der Grundlage des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs sind Leistungen ohne Rechtsgrund und sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen auch dann rückgängig zu machen, wenn sich das Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten nach öffentlichem Recht richtet. Der Rechtsgedanke einer Rückgewähr rechtsgrundloser Vermögensverschiebungen ergibt sich dabei unmittelbar aus der Forderung nach wiederherstellender Gerechtigkeit. Mit Blick darauf besteht eine Zahlungspflicht eines Hoheitsträgers, einem anderen Hoheitsträger die Kosten für die Beseitigung eines Schadens zu erstatten, wenn er nach materiellem Recht selbst zur Beseitigung des Schadens verpflichtet gewesen ist. Denn der Hoheitsträger ist in diesem Fall ohne Rechtsgrund „auf sonstige Weise“ um den Betrag bereichert, den er in Erfüllung seiner Pflicht hätte aufwenden müssen. 25Vgl. zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen der Beseitigung von Ölschäden durch einen Landkreis für die damalige Deutsche Bundesbahn: BVerwG, Beschluss vom 19. Januar 1989 - 4 B 239.88 -, Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 42 = juris, Rn. 3. f., unter Bezugnahme u. a. auf das Urteil vom 12. März 1985 ‑ 7 C 48.82 -, BVerwGE 71, 85 (87 f.) = juris, Rn. 12, m. w. N., s. auch Urteil vom 6. September 1988 - 4 C 5.86 -, BVerwGE 80, 170 (176 f.) = juris, Rn. 23 f. 26Ausgehend hiervon ist der Beklagte verpflichtet, der Klägerin die Kosten zu ersetzen, die im Zusammenhang mit der Beseitigung von Betriebsstoffen, die aus dem am 18. Februar 2019 auf der B 229 - ausweislich des Polizeiberichts „außerorts“ - verunfallten Fahrzeug ausgelaufen waren, für die Aufbringung von (weiteren) Bindemitteln und die Entfernung der von der Feuerwehr sowie den TBS aufgebrachten Bindemittel von der Straße (und deren Entsorgung) entstanden sind. 27Denn nach materiellem Recht wäre der Beklagte zur (vollständigen) Beseitigung der auf der Straße ausgelaufenen Betriebsstoffe und aufgebrachten Bindemittel (nebst fachgerechter Entsorgung) verpflichtet gewesen (dazu I.); es besteht weder ein Ausgleichsanspruch auf gesetzlicher Grundlage (dazu II.) noch kann die Klägerin die Kosten nach den auch im öffentlichen Recht Anwendung findenden Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag von dem Beklagten erstattet verlangen (dazu III.); der Beklagte ist deshalb ohne Rechtsgrund „auf sonstige Weise“ um den Betrag bereichert, den er in Erfüllung seiner Pflicht selbst hätte aufwenden müssen (dazu IV.). 28I. Die Verpflichtung des Beklagten zur vollständigen Beseitigung der ausgelaufenen Betriebsstoffe und der aufgebrachten Bindemittel (und deren Entsorgung) resultiert aus der ihm als für die B 229 zuständigen Träger der Straßenbaulast obliegenden Verkehrssicherungspflicht. 291. Der Bund ist Träger der Straßenbaulast für die Bundesfernstraßen, soweit nicht die Baulast anderen nach gesetzlichen Vorschriften oder öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen obliegt (§ 5 Abs. 1 Satz 1 FStrG). Der Beklagte verwaltet die Bundesfernstraßen im Wege der Auftragsverwaltung für den Bund (Art. 90 Abs. 3 GG), ihm obliegt danach auch die Straßenbaulast für die Bundesfernstraßen in Nordrhein-Westfalen, deren Aufgaben er durch den Landesbetrieb Straßenbau NRW (Landesbetrieb) wahrnehmen lässt (§ 1 Abs. 2 St-Ekr-ZVO). 302. Die Straßenbaulast umfasst für Bundesfernstraßen gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 FStrG alle mit dem Bau und der Unterhaltung zusammenhängenden Aufgaben. Die Träger der Straßenbaulast haben namentlich dafür einzustehen, dass ihre Bauten allen Anforderungen der Sicherheit und Ordnung genügen (§ 4 Satz 1 FStrG). Entsprechendes gilt für die Straßenbaulastträger der dem nordrhein-westfälischen Landesrecht unterliegenden öffentlichen Straßen (vgl. §§ 2 Abs. 1, 9 Abs. 1 Satz 1, 9a Abs. 1 Satz 1 StrWG NRW). Im Rahmen der ihn damit treffenden Verkehrssicherungspflicht ist der Beklagte auch für die Sicherung und rückstandslose Beseitigung von Öl- und sonstigen Betriebsmittelspuren im Bereich der Bundesfernstraßen zuständig. Er war dementsprechend auch verpflichtet, für die Beseitigung der im Anschluss an den Unfall am 18. Februar 2019 auf der B 229 aufgetretenen Ölspuren zu sorgen, um die von diesen ausgehenden Gefahren für die Verkehrssicherheit dauerhaft zu beseitigen bzw. die Verkehrssicherheit vollständig wiederherzustellen. 313. Dem kann der Beklagte nicht mit Erfolg entgegenhalten, aus dem BHKG NRW ergebe sich, dass nicht er, sondern die Feuerwehr der Klägerin zur (vollständigen) Beseitigung des anlässlich des Unfalls ausgelaufenen Öls verpflichtet gewesen sei. Diese Auffassung ist durch das geltende Recht nicht gedeckt. 32a. Welcher Aufgabenträger in Fällen der vorliegenden Art für Maßnahmen der Gefahrenabwehr zuständig ist, ergibt sich aus der in § 1 Abs. 3 BHKG NRW getroffenen Regelung. Danach gilt dieses Gesetz nicht, soweit vorbeugende und abwehrende Maßnahmen nach § 1 Abs. 1 BHKG NRW - also insbesondere bei Unglücksfällen (Abs. 1 Nr. 2) - auf Grund anderer Rechtsvorschriften gewährleistet sind (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BHKG NRW). Entsprechende vorrangige Regelungen können insbesondere bestehen in den Bereichen der Bauaufsicht, des Forsts, der Wasserbehörden, dem Umwelt- und Arbeitsschutz oder - wie hier - der Straßenbauverwaltung (vgl. die Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 3 BHKG NRW LT‑Drs. 16/8293 Seite 79). Eine „doppelte“ Zuständigkeit von Feuerwehr einerseits und anderen Aufgabenträgern andererseits, wie sie auf Grund der Bestimmungen in den §§ 1 Abs. 1 und 42 Abs. 1 des zuvor geltenden FSHG NRW für möglich erachtet wurde, 33vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 16. Februar 2007 - 9 A 4239/04 -, NWVBl. 2007, 437 (438) = juris, Rn. 58, 34kommt hiernach grundsätzlich nicht mehr in Betracht. 35Bis zum Eingreifen der nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BHKG NRW zuständigen Stelle trifft indessen die Feuerwehr, die bei einem Unglückfall regelmäßig - so auch hier - als Erste am Unglücksort eintrifft, der Bestimmung des § 1 Abs. 3 Satz 2 BHKG NRW zufolge im Wege des ersten Zugriffs die erforderlichen Maßnahmen, um eine bestehende oder unmittelbar bevorstehende konkrete Gefährdung von Leben, Tieren, Gesundheit, natürlichen Lebensgrundlagen oder Sachen abzuwehren. 36b. Was die Beseitigung von Öl- oder Betriebsmittelspuren auf öffentlichen Straßen betrifft, verbleibt es hiernach zunächst bei der alleinigen Zuständigkeit des verkehrssicherungspflichtigen Straßenbaulastträgers. Dieser hat im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht für deren umgehende Entfernung Sorge zu tragen. Geht von der entsprechenden Verunreinigung eine Gefährdung i. S. v. § 1 Abs. 3 Satz 2 BHKG NRW aus, so trifft die Feuerwehr - insoweit in ergänzender Zuständigkeit - bis zum Eingreifen des Trägers der Straßenbaulast die zum Schutz der dort genannten Rechtsgüter erforderlichen Maßnahmen. Dabei kann es nach sachgerechter Einschätzung der Gefahrenlage und mit Blick auf die Beschränkung der Feuerwehr auf den „ersten Zugriff“ sein Bewenden mit einem provisorischen Abstreuen der Verunreinigungen haben; es können darüber hinaus gegebenenfalls auch weitere Maßnahmen wie etwa das Einarbeiten des Streuguts und dessen Aufnahme erforderlich sein. In jedem Fall aber endet jegliche Zuständigkeit der Feuerwehr mit dem Eingreifen der zuständigen Straßenbaubehörde. 37c. Die Feuerwehr der Klägerin hatte die aus ihrer Sicht erforderlichen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr getroffen, indem sie die ausgelaufenen Betriebsstoffe abgestreut und damit deren weitere Verbreitung verhindert hatte. Damit endete ihr Einsatz ebenso wie ihre - ergänzende - Zuständigkeit für Abwehrmaßnahmen aus Anlass des betreffenden Unglücksfalls. Es ist nicht ersichtlich oder von dem Beklagten dargetan, dass darüber hinaus weitere Maßnahmen der Feuerwehr erforderlich gewesen wären, um bestehende oder unmittelbar bevorstehende konkrete Gefährdungen für die in § 1 Abs. 3 Satz 2 BHKG NRW genannten Rechtsgüter abzuwehren. Dies gilt umso mehr, als die auch nach dem Abrücken der Feuerwehr der Klägerin an der Unfallstelle verbliebene Polizei den Verkehr regelte und so dafür Sorge trug, dass bis zur vollständigen Beseitigung der aus dem verunfallten Fahrzeug ausgelaufenen Betriebsstoffe (durch die TBS) keine Gefahr für Verkehrsteilnehmerinnen oder Verkehrsteilnehmer von den auf der Straßen befindlichen Betriebsstoffen und darauf aufgebrachten Bindemitteln ausgehen konnte. Mit dem Abrücken der Feuerwehr lag die Zuständigkeit für die Beseitigung der infolge des Verkehrsunfalls auf der B 229 entstandenen Verunreinigungen wieder allein bei dem verkehrssicherungspflichtigen Beklagten. 38II. Ausgehend hiervon kommt ein gesetzlicher Erstattungsanspruch für die von den TBS verrichteten Arbeiten auf der Grundlage von § 52 Abs. 3 BHKG NRW ‑ wie ihn das Verwaltungsgericht erwogen, aber im Ergebnis verneint hat ‑ schon deshalb nicht in Betracht, weil die nach Beendigung des Feuerwehreinsatzes erforderlichen Maßnahmen auf Grund anderer Rechtsvorschriften - nämlich der Bestimmungen in den §§ 3 Abs. 1 Satz 1 und 4 Satz 1 FStrG - gewährleistet waren, so dass gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BHKG NRW dieses Gesetz - das BHKG NRW - insoweit nicht gilt und dementsprechend auch die Bestimmung in § 52 Abs. 3 BHKG keine Anwendung findet. 39III. Im Ergebnis zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass eine Kostenerstattung nach den Grundsätzen der auch im öffentlichen Recht anwendbaren Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß den §§ 677 ff. BGB nicht in Betracht kommt. Die Gesetzesbindung der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) schließt es grundsätzlich aus, dass ein unzuständiger Hoheitsträger in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Hoheitsträgers eingreift und die Kompetenz-ordnung durchbricht. Eine Geschäftsführung ohne Auftrag unter Hoheitsträgern ist daher nur im Ausnahmefall zulässig, etwa wenn ein Notfall vorliegt und ein Einschreiten des zuständigen Hoheitsträgers nicht in der gebotenen Eile möglich ist. 40Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 22. November 1985 - 4 A 1.83 -, NJW 1986, 2524 = juris, Rn. 18, m. w. N. für den Fall der Beseitigung einer Ölverschmutzung einer Bundeswasserstraße durch die Wasserschutzpolizei eines Bundeslandes; s. auch Gregor, in: Herberger/Martinek/Rüß-mann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Auflage, § 677 BGB (Stand: 1. Februar 2020), Rn. 59, m. w. N. 41Bei der von den TBS der Klägerin durchgeführten Arbeiten handelte es sich nicht um unaufschiebbare Maßnahmen in diesem Sinne. Es ist weder ersichtlich noch vom Beklagten dargetan, dass eine weitere Ausbreitung der beim Unfall ausgelaufenen Betriebsstoffe drohte, nachdem die Feuerwehr diese - wenn auch nur „notdürftig“ - abgestreut hatte; die Unfallstelle war polizeilich gesichert, so dass weitere Verkehrsunfälle auf Grund der Ölverschmutzung nicht zu gewärtigen waren; es spricht schließlich nichts dagegen, dass die zuständige Straßenmeisterei des Landesbetriebs - die Straßenmeisterei T. - nach Benachrichtigung zeitnah hätte vor Ort sein oder einen einsatzbereiten privaten Unternehmer hätte beauftragen können, um die aus dem verunfallten Fahrzeug ausgelaufenen Betriebsstoffe auf der B 229 endgültig zu entfernen. 42IV. Mit Blick darauf, dass der Beklagte selbst verpflichtet gewesen wäre, die ausgelaufenen Betriebsstoffe nebst aufgebrachten Bindemitteln von der Straße zu entfernen (und für deren Entsorgung zu sorgen), ist er - unabhängig von der Frage, ob die von den TBS durchgeführten Maßnahmen möglicherweise in der irrigen Annahme geleistet worden sind, die Klägerin sei verkehrssicherungspflichtige Straßenbaulastträgerin für den betreffenden Teil der B 229 - um den Betrag bereichert, den er selbst dafür hätte aufwenden müssen. Dies geschah auch ohne Rechtsgrund, denn diese Aufgabe fiel - wie oben ausgeführt - nicht (mehr) in den Aufgabenbereich der Klägerin. Es ist schließlich weder vom Beklagten vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass er für die Beseitigung der ausgelaufenen Betriebsstoffe einen geringeren Kostenaufwand gehabt hätte. 43B. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Prozesszinsen. Der Erstattungsanspruch ist ab Eintritt der Rechtshängigkeit mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Nach den auch im Verwaltungsprozess anwendbaren Vorschriften der § 291 Satz 1 i. V. m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB sind Prozesszinsen immer dann zu zahlen, wenn das einschlägige Fachrecht keine abweichende Regelung trifft und die Geldforderung - wie hier - eindeutig bestimmt ist. 44Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2014 - 5 C 1.13 D -, NVwZ 2014, 1523 (1528) = juris, Rn. 46, m. w. N. 45Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. 46Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 Satz 1 ZPO. 47Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
das angefochtene urteil wird geändert. der beklagte wird verurteilt, an die klägerin 393,41 euro nebst zinsen von fünf prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz seit rechtshängigkeit zu zahlen. der beklagte trägt die kosten des verfahrens beider rechtszüge. das urteil ist gegen sicherheitsleitung in höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden betrags vorläufig vollstreckbar. die revision wird nicht zugelassen. 1
2am 18. februar 2019, einem montag, hatte sich gegen 12:30 uhr in t. auf der o. straße, der bundesstraße 229 (im folgenden: b 229), in höhe der hausnummer 158 ein verkehrsunfall ereignet. ein fahrzeug war von der fahrbahn abgekommen und gegen eine leitplanke geprallt. dabei war das fahrzeug so stark beschädigt worden, dass betriebsstoffe ausgelaufen waren. aufgrund eines notrufs hatten sich einsatzkräfte von feuerwehr und polizei zum unfallort begeben. die feuerwehr hatte die ausgelaufenen betriebsstoffe mit einem bindemittel abgestreut. nachdem die feuerwehr den einsatzort verlassen hatte, trafen zwei mitarbeiter der technischen betriebe t. (im folgenden: tbs) ein, um das von der feuerwehr und das von ihnen selbst eingesetzte bindemittel aufzunehmen und zu entsorgen. 3die klägerin forderte den beklagten auf, ihr die durch den einsatz der tbs entstandenen kosten zu ersetzen. diese kosten bezifferte sie auf insgesamt 393,41 euro (321,00 euro lohnkosten, 27,50 euro kosten für den fahrzeugeinsatz und 44,91 euro materialkosten). der beklagte lehnte eine kostenerstattung mit der begründung ab, dass es an einer gesetzlichen grundlage für den geltend gemachten anspruch fehle. 4am 14. januar 2020 hat die klägerin klage erhoben. zur begründung hat sie vorgetragen: der beklagte sei als träger der straßenbaulast nach den grundsätzen der öffentlich-rechtlichen geschäftsführung ohne auftrag verpflichtet, die durch den einsatz der tbs entstandenen kosten zu ersetzen. die gesetzlichen vorschriften zur kostentragung für feuerwehreinsätze stünden dem nicht entgegen, weil die von den tbs getroffenen maßnahmen nicht mehr dem eigentlichen feuerwehreinsatz zuzurechnen seien. in diesem zusammenhang sei auch das in der landesverfassung normierte konnexitätsprinzip zu berücksichtigten, nach dem einer kommune nur dann weitere aufgaben übertragen werden dürften, wenn gleichzeitig regelungen über die deckung der kosten getroffen würden. 5die klägerin hat beantragt, 6den beklagten zu verurteilen, an sie 393,41 euro nebst zinsen in höhe von fünf prozentpunkten über dem basiszinssatz seit klageerhebung zu zahlen. 7der beklagte hat beantragt, 8die klage abzuweisen. 9zur begründung hat der beklagte geltend gemacht: für eine kostenerstattung sei kein raum, weil die klägerin als trägerin der feuerwehr innerhalb ihres eigenen gesetzlichen geschäfts- und pflichtenkreises tätig geworden sei. 10das verwaltungsgericht hat die klage durch urteil vom 6. mai 2021 abgewiesen und im wesentlichen ausgeführt: die klägerin habe keinen anspruch gegen die beklagte auf erstattung der kosten, die durch den einsatz der tbs im zusammenhang mit dem verkehrsunfall am 18. februar 2019 entstanden seien. ein solcher anspruch ergebe sich nicht aus § 52 abs. 3 bhkg nrw. denn er scheide unabhängig davon aus, ob die von den tbs getroffenen maßnahmen im rechtssinne teil des feuerwehreinsatzes gewesen seien. verneine man dies, lägen schon keine nach § 52 abs. 3 bhkg nrw erstattungsfähigen einsatzkosten vor. seien die maßnahmen der tbs hingegen teil des feuerwehreinsatzes gewesen, stehe einem anspruch der klägerin gegen den beklagten aus § 52 abs. 3 bhkg nrw entgegen, dass zugunsten der klägerin ein kostenersatzanspruch aus § 52 abs. 2 satz 1 nr. 4 bhkg nrw gegen die fahrzeughalterin bestehe. entgegen der ansicht der klägerin habe diese auch keinen anspruch gegen den beklagten auf erstattung der durch die tätigkeit der tbs entstandenen kosten aus öffentlich-rechtlicher geschäftsführung ohne auftrag. denn es fehle an einer „planwidrigen regelungslücke“, weil die §§ 50 ff. bhkg nrw eine abschließende regelung über die kostentragung für aufgaben träfen, die der gemeinde als pflichtaufgaben nach dem bhkg nrw oblägen. hier habe die klägerin durch die beseitigung der ausgelaufenen betriebsstoffe hilfe bei einem unglücksfall geleistet und so eine ihr nach den §§ 1 abs. 1 nr. 2, 3 abs. 1 satz 1 bhkg nrw als pflichtaufgabe obliegende aufgabe wahrgenommen. diese pflichtaufgabe umfasse neben den reinigungsmaßnahmen der feuerwehr auch die durch die tbs ergriffenen maßnahmen, da die feuerwehr den unglücksfall nicht beseitigt habe. die rutschgefahr habe fortgestanden, weil das öl nicht vollständig abgestreut und das bindemittel, das ebenfalls eine rutschgefahr verursacht habe, nicht aufgenommen gewesen sei. für die qualifizierung als pflichtaufgabe nach dem bhkg nrw sei unerheblich, dass die klägerin zur gefahrenbeseitigung nicht ausschließlich kräfte der feuerwehr eingesetzt habe, sondern wesentliche arbeiten von mitarbeitern der tbs habe ausführen lassen. es sei fernliegend, dass der gesetzgeber raum dafür habe lassen wollen, dass die gemeinde die im bhkg nrw angeordnete kostentragungspflicht dadurch unterlaufe, dass sie als trägerin der feuerwehr aufgaben durch eine andere organisationseinheit habe wahrnehmen lassen. von einer regelungslücke, die durch die grundsätze der öffentlich-rechtlichen geschäftsführung ohne auftrag ausgefüllt werden könnte, sei auch nicht mit blick auf art. 78 abs. 3 satz 2 der landesverfassung auszugehen, wonach zugunsten der gemeinden ein finanzieller ausgleich zu schaffen sei, wenn ihnen durch gesetz neue aufgaben übertragen würden. diese vorschrift sei erst zum 1. juli 2004 in kraft getreten. die grundsätzliche verpflichtung der gemeinden, die kosten zu tragen, die durch die hilfeleistung der feuerwehr bei unglücksfällen entstanden, seien, habe schon vor dem 1. juli 2004 bestanden. seither seien die vorschriften ausschließlich zugunsten der gemeinden geändert worden, indem ihnen insbesondere unter bestimmten umständen ein kostenerstattungsanspruch gegen andere öffentlich-rechtliche stellen eingeräumt worden sei (heute § 52 abs. 3 bhkg nrw). wenn die beklagte in der vergangenheit - entgegen der rechtslage - in ähnlichen fällen wie dem vorliegenden kostenersatz geleistet haben sollte, stelle die änderung der bisherigen praxis keine neue aufgabenübertragung durch gesetz dar. schließlich ergebe sich der geltend gemachte anspruch der klägerin gegen die beklagte auch nicht aus dem öffentlich-rechtlichen erstattungsanspruch, weil es an einer mit der rechtslage nicht übereinstimmenden, durch erstattung auszugleichenden vermögenslage fehle. 11zur begründung ihrer vom senat zugelassenen berufung führt die klägerin aus: das verwaltungsgericht gehe zu unrecht davon aus, dass sie rückgriff nach § 52 abs. 2 satz 1 nr. 4 bhkg nrw auf die fahrzeughalterin habe nehmen können. es stünden nicht die kosten der feuerwehr, sondern kosten der tbs im streit, die darauf beruhten, dass mitarbeiter der tbs nach dem feuerwehreinsatz hätten anrücken müssen. insofern werde auf die entscheidung des erkennenden gerichts vom 16. mai 2013 - 9 a 198/11 - hingewiesen. unter zugrundelegung des vom erkennenden gericht darin umrissenen maßstabs seien die aufräumarbeiten der tbs dem eigentlichen feuerwehreinsatz nicht mehr zurechenbar, da die feuerwehr beim einsatz der tbs bereits abgerückt gewesen sei und weder kontrolle noch aufsicht über diese ausgeübt habe. mangels feuerwehreinsatzes sei § 52 bhkg nrw nicht anwendbar, weshalb sie auch keinen rückgriff nach § 52 abs. 2 satz 1 nr. 4 bhkg nrw auf die unfallverursacherin nehmen könne. mit blick darauf sei das verwaltungsgericht auch zu unrecht vom fehlen einer planwidrigen regelungslücke ausgegangen. auch eine geltendmachung der kosten gegenüber der unfallverursacherin auf der grundlage des § 17 strwg nrw scheide aus, weil nicht sie - die klägerin -, sondern der beklagte träger der straßenbaulast sei. der verweis des verwaltungsgerichts auf § 50 abs. 1 bhkg nrw lasse im übrigen § 9 abs. 1 satz 1 strwg nrw unberücksichtigt, der festlege, dass die straßenbaulast alle mit dem bau und der unterhaltung zusammenhängenden aufgaben umfasse. 12die klägerin beantragt, 13das angefochtene urteil zu ändern und den beklagten zu verurteilen, an sie 393,41 euro nebst zinsen in höhe von fünf prozentpunkten über dem basiszinssatz seit klageerhebung zu zahlen. 14der beklagte beantragt, 15die berufung zurückzuweisen. 16zur begründung führt der beklagte aus: nach § 9 strwg nrw gehöre es zu der unterhaltungsaufgabe des straßenbaulastträgers, durch straßenverkehrsunfälle verursachte verunreinigungen (ausgelaufene betriebsstoffe) auf öffentlichen straßen zu beseitigen. nach der rechtsprechung handele es sich in einem solchen fall wie dem streitigen um einen unglücksfall, der die originäre zuständigkeit der feuerwehr begründe. es sei eine pflichtaufgabe der feuerwehr. das verhältnis der beiden aufgabenträger zueinander sei im gesetzesentwurf der landesregierung zur neuregelung des bhkg nrw vom 27. märz 2015 zu absatz 3 der kostenregelung in § 52 umrissen. danach sei die zuständigkeit des straßenbaulastträgers aufgrund der spezialregelung als vorrangig zu betrachten. der feuerwehrpflichteinsatz umfasse nach dem urteil des erkennenden gerichts vom 16. juli 2007 - 9 a 4239/04 - das abstreuen der verunreinigung, das aufnehmen des bindemittels sowie dessen entsorgung. nur so sei eine dauerhafte gefahrenbeseitigung gegeben und die öffentliche sicherheit wieder hergestellt. nach dem klägervortrag hätten die feuerwehrleute das ausgelaufene öl grob und notdürftig abgestreut. danach hätten sie sich vom unfallort entfernt. der einsatz sei also nach den gesetzlichen vorgaben noch nicht beendet gewesen. abgesehen davon könne nur in außergewöhnlichen dringlichkeitsfällen zwischen hoheitsträgern überhaupt eine öffentlich-rechtliche geschäftsführung ohne auftrag in betracht kommen, da insoweit die zuständigkeiten gesetzlich normiert seien. voraussetzung sei eine notlage, in der die zuständige behörde nicht oder nicht mit der sachlich gebotenen dringlichkeit tätig werde. diese voraussetzungen hätten hier jedoch nicht vorgelegen, da die meisterei t. im dienst gewesen sei und bei entsprechender kenntnis hätte tätig werden können. 17die beteiligten haben auf die durchführung einer mündlichen verhandlung verzichtet. 18wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstands wird auf die gerichtsakte und die beigezogenen verwaltungsvorgänge bezug genommen. 19
20mit einverständnis der beteiligten entscheidet der senat ohne mündliche verhandlung (§ 101 abs. 2 vwgo). 21die zulässige berufung ist begründet. 22die klägerin hat einen anspruch gegen die beklagte auf zahlung von 391,41 euro (dazu a.) nebst zinsen in höhe von fünf prozentpunkten seit klageerhebung (dazu b.). 23a. der zahlungsanspruch der klägerin ergibt sich aus dem öffentlich-rechtlichen erstattungsanspruch. 24die voraussetzungen des im öffentlichen recht außerhalb der gesetzlichen regelungen als eigenständiges rechtsinstitut anerkannten öffentlich-rechtlichen erstattungsanspruchs sind erfüllt. die anspruchsvoraussetzungen entsprechen denen des zivilrechtlichen bereicherungsanspruchs nach den vorschriften der §§ 812 ff. bgb. auf der grundlage des öffentlich-rechtlichen erstattungsanspruchs sind leistungen ohne rechtsgrund und sonstige rechtsgrundlose vermögensverschiebungen auch dann rückgängig zu machen, wenn sich das rechtsverhältnis zwischen den beteiligten nach öffentlichem recht richtet. der rechtsgedanke einer rückgewähr rechtsgrundloser vermögensverschiebungen ergibt sich dabei unmittelbar aus der forderung nach wiederherstellender gerechtigkeit. mit blick darauf besteht eine zahlungspflicht eines hoheitsträgers, einem anderen hoheitsträger die kosten für die beseitigung eines schadens zu erstatten, wenn er nach materiellem recht selbst zur beseitigung des schadens verpflichtet gewesen ist. denn der hoheitsträger ist in diesem fall ohne rechtsgrund „auf sonstige weise“ um den betrag bereichert, den er in erfüllung seiner pflicht hätte aufwenden müssen. 25vgl. zum öffentlich-rechtlichen erstattungsanspruch wegen der beseitigung von ölschäden durch einen landkreis für die damalige deutsche bundesbahn: bverwg, beschluss vom 19. januar 1989 - 4 b 239.88 -, buchholz 402.41 allgemeines polizeirecht nr. 42 = juris, rn. 3. f., unter bezugnahme u. a. auf das urteil vom 12. märz 1985 ‑ 7 c 48.82 -, bverwge 71, 85 (87 f.) = juris, rn. 12, m. w. n., s. auch urteil vom 6. september 1988 - 4 c 5.86 -, bverwge 80, 170 (176 f.) = juris, rn. 23 f. 26ausgehend hiervon ist der beklagte verpflichtet, der klägerin die kosten zu ersetzen, die im zusammenhang mit der beseitigung von betriebsstoffen, die aus dem am 18. februar 2019 auf der b 229 - ausweislich des polizeiberichts „außerorts“ - verunfallten fahrzeug ausgelaufen waren, für die aufbringung von (weiteren) bindemitteln und die entfernung der von der feuerwehr sowie den tbs aufgebrachten bindemittel von der straße (und deren entsorgung) entstanden sind. 27denn nach materiellem recht wäre der beklagte zur (vollständigen) beseitigung der auf der straße ausgelaufenen betriebsstoffe und aufgebrachten bindemittel (nebst fachgerechter entsorgung) verpflichtet gewesen (dazu i.); es besteht weder ein ausgleichsanspruch auf gesetzlicher grundlage (dazu ii.) noch kann die klägerin die kosten nach den auch im öffentlichen recht anwendung findenden grundsätzen der geschäftsführung ohne auftrag von dem beklagten erstattet verlangen (dazu iii.); der beklagte ist deshalb ohne rechtsgrund „auf sonstige weise“ um den betrag bereichert, den er in erfüllung seiner pflicht selbst hätte aufwenden müssen (dazu iv.). 28i. die verpflichtung des beklagten zur vollständigen beseitigung der ausgelaufenen betriebsstoffe und der aufgebrachten bindemittel (und deren entsorgung) resultiert aus der ihm als für die b 229 zuständigen träger der straßenbaulast obliegenden verkehrssicherungspflicht. 291. der bund ist träger der straßenbaulast für die bundesfernstraßen, soweit nicht die baulast anderen nach gesetzlichen vorschriften oder öffentlich-rechtlichen verpflichtungen obliegt (§ 5 abs. 1 satz 1 fstrg). der beklagte verwaltet die bundesfernstraßen im wege der auftragsverwaltung für den bund (art. 90 abs. 3 gg), ihm obliegt danach auch die straßenbaulast für die bundesfernstraßen in nordrhein-westfalen, deren aufgaben er durch den landesbetrieb straßenbau nrw (landesbetrieb) wahrnehmen lässt (§ 1 abs. 2 st-ekr-zvo). 302. die straßenbaulast umfasst für bundesfernstraßen gemäß § 3 abs. 1 satz 1 fstrg alle mit dem bau und der unterhaltung zusammenhängenden aufgaben. die träger der straßenbaulast haben namentlich dafür einzustehen, dass ihre bauten allen anforderungen der sicherheit und ordnung genügen (§ 4 satz 1 fstrg). entsprechendes gilt für die straßenbaulastträger der dem nordrhein-westfälischen landesrecht unterliegenden öffentlichen straßen (vgl. §§ 2 abs. 1, 9 abs. 1 satz 1, 9a abs. 1 satz 1 strwg nrw). im rahmen der ihn damit treffenden verkehrssicherungspflicht ist der beklagte auch für die sicherung und rückstandslose beseitigung von öl- und sonstigen betriebsmittelspuren im bereich der bundesfernstraßen zuständig. er war dementsprechend auch verpflichtet, für die beseitigung der im anschluss an den unfall am 18. februar 2019 auf der b 229 aufgetretenen ölspuren zu sorgen, um die von diesen ausgehenden gefahren für die verkehrssicherheit dauerhaft zu beseitigen bzw. die verkehrssicherheit vollständig wiederherzustellen. 313. dem kann der beklagte nicht mit erfolg entgegenhalten, aus dem bhkg nrw ergebe sich, dass nicht er, sondern die feuerwehr der klägerin zur (vollständigen) beseitigung des anlässlich des unfalls ausgelaufenen öls verpflichtet gewesen sei. diese auffassung ist durch das geltende recht nicht gedeckt. 32a. welcher aufgabenträger in fällen der vorliegenden art für maßnahmen der gefahrenabwehr zuständig ist, ergibt sich aus der in § 1 abs. 3 bhkg nrw getroffenen regelung. danach gilt dieses gesetz nicht, soweit vorbeugende und abwehrende maßnahmen nach § 1 abs. 1 bhkg nrw - also insbesondere bei unglücksfällen (abs. 1 nr. 2) - auf grund anderer rechtsvorschriften gewährleistet sind (§ 1 abs. 3 satz 1 bhkg nrw). entsprechende vorrangige regelungen können insbesondere bestehen in den bereichen der bauaufsicht, des forsts, der wasserbehörden, dem umwelt- und arbeitsschutz oder - wie hier - der straßenbauverwaltung (vgl. die gesetzesbegründung zu § 1 abs. 3 bhkg nrw lt‑drs. 16/8293 seite 79). eine „doppelte“ zuständigkeit von feuerwehr einerseits und anderen aufgabenträgern andererseits, wie sie auf grund der bestimmungen in den §§ 1 abs. 1 und 42 abs. 1 des zuvor geltenden fshg nrw für möglich erachtet wurde, 33vgl. hierzu ovg nrw, urteil vom 16. februar 2007 - 9 a 4239/04 -, nwvbl. 2007, 437 (438) = juris, rn. 58, 34kommt hiernach grundsätzlich nicht mehr in betracht. 35bis zum eingreifen der nach § 1 abs. 3 satz 1 bhkg nrw zuständigen stelle trifft indessen die feuerwehr, die bei einem unglückfall regelmäßig - so auch hier - als erste am unglücksort eintrifft, der bestimmung des § 1 abs. 3 satz 2 bhkg nrw zufolge im wege des ersten zugriffs die erforderlichen maßnahmen, um eine bestehende oder unmittelbar bevorstehende konkrete gefährdung von leben, tieren, gesundheit, natürlichen lebensgrundlagen oder sachen abzuwehren. 36b. was die beseitigung von öl- oder betriebsmittelspuren auf öffentlichen straßen betrifft, verbleibt es hiernach zunächst bei der alleinigen zuständigkeit des verkehrssicherungspflichtigen straßenbaulastträgers. dieser hat im rahmen seiner verkehrssicherungspflicht für deren umgehende entfernung sorge zu tragen. geht von der entsprechenden verunreinigung eine gefährdung i. s. v. § 1 abs. 3 satz 2 bhkg nrw aus, so trifft die feuerwehr - insoweit in ergänzender zuständigkeit - bis zum eingreifen des trägers der straßenbaulast die zum schutz der dort genannten rechtsgüter erforderlichen maßnahmen. dabei kann es nach sachgerechter einschätzung der gefahrenlage und mit blick auf die beschränkung der feuerwehr auf den „ersten zugriff“ sein bewenden mit einem provisorischen abstreuen der verunreinigungen haben; es können darüber hinaus gegebenenfalls auch weitere maßnahmen wie etwa das einarbeiten des streuguts und dessen aufnahme erforderlich sein. in jedem fall aber endet jegliche zuständigkeit der feuerwehr mit dem eingreifen der zuständigen straßenbaubehörde. 37c. die feuerwehr der klägerin hatte die aus ihrer sicht erforderlichen maßnahmen zur gefahrenabwehr getroffen, indem sie die ausgelaufenen betriebsstoffe abgestreut und damit deren weitere verbreitung verhindert hatte. damit endete ihr einsatz ebenso wie ihre - ergänzende - zuständigkeit für abwehrmaßnahmen aus anlass des betreffenden unglücksfalls. es ist nicht ersichtlich oder von dem beklagten dargetan, dass darüber hinaus weitere maßnahmen der feuerwehr erforderlich gewesen wären, um bestehende oder unmittelbar bevorstehende konkrete gefährdungen für die in § 1 abs. 3 satz 2 bhkg nrw genannten rechtsgüter abzuwehren. dies gilt umso mehr, als die auch nach dem abrücken der feuerwehr der klägerin an der unfallstelle verbliebene polizei den verkehr regelte und so dafür sorge trug, dass bis zur vollständigen beseitigung der aus dem verunfallten fahrzeug ausgelaufenen betriebsstoffe (durch die tbs) keine gefahr für verkehrsteilnehmerinnen oder verkehrsteilnehmer von den auf der straßen befindlichen betriebsstoffen und darauf aufgebrachten bindemitteln ausgehen konnte. mit dem abrücken der feuerwehr lag die zuständigkeit für die beseitigung der infolge des verkehrsunfalls auf der b 229 entstandenen verunreinigungen wieder allein bei dem verkehrssicherungspflichtigen beklagten. 38ii. ausgehend hiervon kommt ein gesetzlicher erstattungsanspruch für die von den tbs verrichteten arbeiten auf der grundlage von § 52 abs. 3 bhkg nrw ‑ wie ihn das verwaltungsgericht erwogen, aber im ergebnis verneint hat ‑ schon deshalb nicht in betracht, weil die nach beendigung des feuerwehreinsatzes erforderlichen maßnahmen auf grund anderer rechtsvorschriften - nämlich der bestimmungen in den §§ 3 abs. 1 satz 1 und 4 satz 1 fstrg - gewährleistet waren, so dass gemäß § 1 abs. 3 satz 1 bhkg nrw dieses gesetz - das bhkg nrw - insoweit nicht gilt und dementsprechend auch die bestimmung in § 52 abs. 3 bhkg keine anwendung findet. 39iii. im ergebnis zu recht ist das verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass eine kostenerstattung nach den grundsätzen der auch im öffentlichen recht anwendbaren geschäftsführung ohne auftrag gemäß den §§ 677 ff. bgb nicht in betracht kommt. die gesetzesbindung der verwaltung (art. 20 abs. 3 gg) schließt es grundsätzlich aus, dass ein unzuständiger hoheitsträger in den zuständigkeitsbereich eines anderen hoheitsträgers eingreift und die kompetenz-ordnung durchbricht. eine geschäftsführung ohne auftrag unter hoheitsträgern ist daher nur im ausnahmefall zulässig, etwa wenn ein notfall vorliegt und ein einschreiten des zuständigen hoheitsträgers nicht in der gebotenen eile möglich ist. 40vgl. hierzu bverwg, urteil vom 22. november 1985 - 4 a 1.83 -, njw 1986, 2524 = juris, rn. 18, m. w. n. für den fall der beseitigung einer ölverschmutzung einer bundeswasserstraße durch die wasserschutzpolizei eines bundeslandes; s. auch gregor, in: herberger/martinek/rüß-mann/weth/würdinger, jurispk-bgb, 9. auflage, § 677 bgb (stand: 1. februar 2020), rn. 59, m. w. n. 41bei der von den tbs der klägerin durchgeführten arbeiten handelte es sich nicht um unaufschiebbare maßnahmen in diesem sinne. es ist weder ersichtlich noch vom beklagten dargetan, dass eine weitere ausbreitung der beim unfall ausgelaufenen betriebsstoffe drohte, nachdem die feuerwehr diese - wenn auch nur „notdürftig“ - abgestreut hatte; die unfallstelle war polizeilich gesichert, so dass weitere verkehrsunfälle auf grund der ölverschmutzung nicht zu gewärtigen waren; es spricht schließlich nichts dagegen, dass die zuständige straßenmeisterei des landesbetriebs - die straßenmeisterei t. - nach benachrichtigung zeitnah hätte vor ort sein oder einen einsatzbereiten privaten unternehmer hätte beauftragen können, um die aus dem verunfallten fahrzeug ausgelaufenen betriebsstoffe auf der b 229 endgültig zu entfernen. 42iv. mit blick darauf, dass der beklagte selbst verpflichtet gewesen wäre, die ausgelaufenen betriebsstoffe nebst aufgebrachten bindemitteln von der straße zu entfernen (und für deren entsorgung zu sorgen), ist er - unabhängig von der frage, ob die von den tbs durchgeführten maßnahmen möglicherweise in der irrigen annahme geleistet worden sind, die klägerin sei verkehrssicherungspflichtige straßenbaulastträgerin für den betreffenden teil der b 229 - um den betrag bereichert, den er selbst dafür hätte aufwenden müssen. dies geschah auch ohne rechtsgrund, denn diese aufgabe fiel - wie oben ausgeführt - nicht (mehr) in den aufgabenbereich der klägerin. es ist schließlich weder vom beklagten vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass er für die beseitigung der ausgelaufenen betriebsstoffe einen geringeren kostenaufwand gehabt hätte. 43b. die klägerin hat einen anspruch auf prozesszinsen. der erstattungsanspruch ist ab eintritt der rechtshängigkeit mit fünf prozentpunkten über dem basiszinssatz zu verzinsen. nach den auch im verwaltungsprozess anwendbaren vorschriften der § 291 satz 1 i. v. m. § 288 abs. 1 satz 2 bgb sind prozesszinsen immer dann zu zahlen, wenn das einschlägige fachrecht keine abweichende regelung trifft und die geldforderung - wie hier - eindeutig bestimmt ist. 44vgl. bverwg, urteil vom 27. februar 2014 - 5 c 1.13 d -, nvwz 2014, 1523 (1528) = juris, rn. 46, m. w. n. 45die kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 abs. 1 vwgo. 46der ausspruch über die vorläufige vollstreckbarkeit der kostenentscheidung folgt aus den §§ 167 vwgo, 708 nr. 10, 709 satz 2, 711 satz 1 zpo. 47die revision ist nicht zuzulassen, weil die voraussetzungen des § 132 abs. 2 vwgo nicht vorliegen.
346,655
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1 O 73/21
2022-09-09T00:00:00
Urteil
Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Berufung gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen. 1Tatbestand: 2Der Kläger verlangt Erstattung der Kosten der Beseitigung eines angeblichen Mangels an dem angeblich seinerseits vom Beklagten gekauften Fahrzeug, ferner die Befreiung von Sachverständigen- und Anwaltskosten. 3Der Beklagte bot am 10. Dezember 2020 den streitigen Mercedes im Internet an (Seite 3 der Klageschrift, Bl. 8 d.A.). 4Mit Schreiben seiner Prozeßbevollmächtigten vom 11. Januar 2021 (in Abschrift als Anlage K5, Bl. 54 ff., bei der Akte) ließ der Kläger bei dem Beklagten mit der Behauptung, der Beklagte habe ihm das Fahrzeug am 11. Dezember 2020 veräußert, einen Mangel an dem Getriebe des Fahrzeugs rügen dahin, daß insbesondere bei Erreichen der Betriebstemperatur und bei häufigen Gangwechseln im innerstädtischen Bereich das automatische Getriebe massive Auffälligkeiten zeige, der Gangwechsel vollziehe sich nicht kraftschlüssig, vielmehr werde beim Schalten kurz der Kraftschluß unterbrochen, erkennbar daran, daß der Motor hochdrehe, erst dann erfolge ruckartig der Schaltvorgang, behaupten, der Beklagte habe hievon gewußt, und den Beklagten zur Mangelbeseitigung bis zum 21. Januar 2021 sowie Vorschußzahlung für die Wegekosten ebenfalls bis zum 21. Januar 2021 auffordern. 5Der Beklagte reagierte mit Schreiben seines Prozeßbevollmächtigten vom 19. Januar 2021 (in Abschrift als Anlage K6, Bl. 62 ff., bei der Akte) ablehnend, wobei er die Ablehnung auf verschiedene Gründe stützte. 6Der Kläger trägt vor: 7Er habe am Freitag, dem 11. Dezember 2020, als er sich auf dem Weg zur Arbeit befunden habe, mit dem Kläger über elektronische Post Kontakt aufgenommen (Seite 3 der Klageschrift Bl. 8 d.A.). 8Der Beklagte habe geantwortet und mitgeteilt, das Fahrzeug befinde sich einem sehr guten Zustand (Seite 3 der Klageschrift, Bl. 8 d.A.). 9Weil er sich auf seine Arbeitsstelle befunden habe und diese nicht vor dem späten Nachmittag habe verlassen können, habe er seinen Bruder mittels elektronischer Post kontaktiert. Er habe sodann den Beklagten telefonisch unterrichtet, daß er das Fahrzeug kaufen wolle und seinen Bruder und eine weitere Person entsenden werde, der Bruder sei bevollmächtigt, in seinem – des Klägers – Namen das Fahrzeug zu erwerben und auch mit entsprechendem Bargeld ausgestattet. Der Beklagte habe diese Verfahrensweise bestätigt (Seite 4 der Klageschrift, Bl. 9 d.A.). 10Anschließend habe er seinen Bruder unterrichtet und ihm die Telefonnummer gegeben mit dem Bemerken, daß er diese vorher anrufen solle, worauf sein Bruder geantwortet habe, er werde den anrufen und um die Adresse bitten, dann fahre er direkt los. Außerdem habe sein Bruder gefragt, ob der Beklagte wisse, daß er – – das Fahrzeug für ihn – den Kläger – kaufe, was er – der Kläger – ihm bestätigt habe (Seite 4 der Klageschrift, Bl. 9 d.A.). 11Der Kläger legt insoweit als Teil der Anlage K1 (Bl. 21 ff. d.A.) einen Ausdruck elektronischer Post vor. 12Seine Brüder und seien sodann zu dem Beklagten gefahren. Dort habe 13 sich dem Beklagten vorgestellt, auf die fernmündlichen Besprechungen Bezug genommen und nochmals erklärt, das Fahrzeug im Auftrag seines Bruders erwerben zu wollen (Seite 5 der Klageschrift, Bl. 10 d.A.). 14Der Beklagte habe dann zunächst eine optische Überprüfung des Fahrzeugs zugelassen. Als dann allerdings um eine Probefahrt gebeten habe, habe der Beklagte sofort abgeblockt und diese verweigert. Darauf habe erklärt, er müsse dann erst mit dem Bruder Rücksprache nehmen, ob dieser bereit sei, das Fahrzeug auch ohne Probefahrt zu erwerben. Das entsprechende Telefonat sei sodann im Beisein des Beklagten geführt worden, und er habe erklärt, er sei an dem Fahrzeug interessiert, er – – solle das Fahrzeug auch ohne Probefahrt erwerben. (Seite 5 der Klageschrift, Bl. 10 d.A., Seiten 2 f. der Replik, Bl. 148 f. d.A.). 15Daraufhin habe mit dem Beklagten über den Kaufpreis verhandelt, und man habe sich auf 7.800,- € geeinigt (Seite 5 der Klageschrift, Bl. 10 d.A., Seite 3 der Replik, Bl. 149 d.A.). 16Überraschenderweise habe dann der Beklagte einen auf einen Käufer namens lautenden und den 2. Dezember 2020 datierenden Kaufvertrag vorgelegt. Auf Nachfrage von habe der Beklagte sinngemäß erklärt, das Fahrzeug sei bereits verkauft gewesen, der Käufer habe es aber dann nicht abgenommen. Er habe den ursprünglichen Kaufvertrag noch einmal ausgedruckt, dieser könne handschriftlich abgeändert werden (Seite 5 der Klageschrift, Bl. 10 d.A.). 17Das Datum des Kaufvertrages sei dann auf den 11. Dezember 2020 abgeändert worden, und der exakt abgelesene Kilometerstand von 226.690 sei eingefügt worden (Seite 5 der Klageschrift, Bl. 10 d.A.). 18Hinter der bereits vorgefertigten Erklärung, daß mit dem Fahrzeug eine Probefahrt durchgeführt worden sei, sei vor Unterschriftsleistung handschriftlich vermerkt worden, daß keine Probefahrt durchgeführt worden sei, weil der Verkäufer eine Probefahrt verweigert habe. Hinter dem bereits eingefügten Zusatz, daß keine Mängel festgestellt worden seien, seien auf ausdrückliche Aufforderung des Beklagten handschriftlich die festgestellten Mängel, namentlich Sommerreifen verschlissen, Bremsen vorne verschlissen, sowie optische Mängel an der Tür hinten links und am Seitenschweller handschriftlich ergänzt worden (Seite 6 der Klageschrift, Bl. 11 d.A., Seite 3 der Replik, Bl. 149 d.A.). Insoweit heißt es nunmehr, ihm sei seitens der Zeugen und mitgeteilt worden, daß auf seinem – dem Kaufvertragsexemplar für den Käufer – vor der Unterschriftsleistung ausdrücklich notiert worden sei, daß eine Probefahrt nicht stattgefunden habe (Seite 1 des Schriftsatzes vom 18. Februar 2022, Bl. 315 d.A.). 19Außerdem sei der Kaufpreis handschriftlich auf 7.800,- € korrigiert worden (Seite 6 der Klageschrift, Bl. 11 d.A.). 20Schließlich habe, so der Kläger zunächst, der Beklagte auf der Käuferseite unterschrieben (Seite 6 der Klageschrift, Bl. 11 d.A.). Nunmehr heißt es, das ihm vorliegende Vertragsexemplar sei nicht durch den Beklagten unterschrieben. Vielmehr habe dieser den ursprünglich mit Herrn abgeschlossenen Vertrag an den Zeugen übergeben. Auf diesem Exemplar seien dann, so nunmehr der Kläger weiter, die abweichenden Daten und sonstigen Vereinbarungen handschriftlich, allerdings durch den Zeugen, nachgetragen worden. Bei der Unterschrift Käufer handele es sich vermutlich um die Unterschrift des ursprünglichen Käufers . Daß kein ordnungsgemäß unterschriebenes Exemplar vorgelegt worden sei, sei dem Zeugen gar nicht aufgefallen (Seite 1 des Schriftsatzes vom 27. Juli 2022, Bl. 377 d.A.). 21Das vom Zeugen unterschriebene Exemplar, das auch vom Verkäufer unterschrieben worden sei, befinde sich im Original beim Beklagten (Seite 2 des Schriftsatzes vom 27. Juli 2022, Bl. 377 d.A.). 22In dem seitens des Klägers als Teil der Anlage K1 (Bl. 24 d.A.) in Kopie vorgelegten Vertrag findet sich außerdem Klausel 23Umtausch ausgeschlossen 24und keine Gewährleistung. 25Der Beklagte habe – das ist unstreitig – den von ihm – dem Beklagten – selbst vorgelegten ursprünglich mit einem Herrn abgeschlossen und sodann modifizierten Kaufvertrag unterschrieben (Seite 2 der Replik, Bl. 148 d.A.). 26Daß auf diesem Kaufvertragsexemplar die handschriftlichen Ergänzungen fehlten, die im Beisein des Herrn vor Unterschriftsleistung jedenfalls auf seinem – des Klägers – Kaufvertragsexemplar aufgebracht worden seien, sei nicht auszuschließen. Der Kilometerstand sei abgelesen und datumsgenau übernommenen eingetragen worden, bevor die Unterschrift unter die Urkunde erfolgt sei (Seite 2 der Replik, Bl. 148 d.A.). 27Daß der Beklagte über die Stellvertretung unterrichtet worden sei, ergebe sich auch aus seinem eigenen Vortrag. Er lasse nämlich ausführen, es sei ihm gleichgültig gewesen, wer das Fahrzeug konkret kaufen werde, ihm seien die konkreten Umstände und Verflechtungen zwischen den Beteiligten auf Klägerseite gleichgültig gewesen. Eine solche Erklärung sei aber nur dann nachvollziehbar, wenn entsprechendes Vertreterhandeln bzw. Handeln im Auftrag einer anderen Person offen gelegt und kommuniziert worden seien. Andernfalls bestehe kein Anlaß für die Erklärung des Beklagten, ihm sei letztlich gleichgültig, wer Verkäufer sei (Seite 2 der Replik, Bl. 148 d.A.). 28Unabhängig von seiner Aktivlegitimation habe Herr ihm mögliche Ansprüche aus dem Kaufvertragsverhältnis abgetreten, und er habe die Abtretung angenommen (Seiten 1 f. der Replik vom 24. Juni 2021, Bl. 147 f. d.A.). Der Kläger legt insoweit mit Schriftsatz vom 6. Juli 2021 in Kopie (Bl. 179 d.A.) eine Abtretungserklärung vom 29. Juni 2021 vor. 29Sein Bruder habe dann das Fahrzeug zu ihm gebracht und an seiner Adresse abgestellt, während sein Bruder mit seinem eigenen Fahrzeug zurückgereist sei (Seite 6 der Klageschrift, Bl. 11 d.A.). 30Er habe sodann am nächsten Tag das Fahrzeug absprachegemäß abgemeldet. Gleichzeitig habe er einen Termin zur Wiederzulassung vereinbart. Zuvor habe das Fahrzeug an seiner – des Klägers – Adresse abgestellt gehabt. Er selbst habe das Fahrzeug bis zu diesem Zeitpunkt gar nicht bewegt gehabt. Am 21. Dezember 2020 sei sodann das Fahrzeug auf seine Ehefrau angemeldet worden. Als er sodann erstmals selbst das Fahrzeug bewegt habe, habe er Unregelmäßigkeiten im Schaltablauf des automatischen Getriebes bemerkt. Bei Gangwechseln, insbesondere vom niedrigen in den nächsthöheren Gang, habe der Motor zunächst kurz hoch gedreht, und sodann sei es schlagartig zum Gangwechsel gekommen. Dies sei insbesondere nach Erreichen der Betriebstemperatur des Fahrzeugs zu beobachten gewesen (Seite 6 der Klageschrift, Bl. 11 d.A.). 31Der Gangwechsel vollziehe sich nicht hinreichend kraftschlüssig. Vielmehr werde beim Schalten kurz der Kraftschluß unterbrochen, erkennbar daran, daß der Motor hochdrehe. Sodann erfolge ruckartig der Schaltvorgang (Seiten 6 f. der Klageschrift, Bl. 11 f. d.A., Seite 6 der Replik, Bl. 152 d.A.). 32Im Termin vom 2. September 2022 hat der Kläger persönlich das Schalten als unsauber bezeichnet. Er hat zunächst dieses Phänomen nicht näher beschreiben können oder wollen, das Fahrzeug schalte halt unsauber und komisch, und schließlich mit einer Geste mitgeteilt, man merke so einen Ruck. Im Stadtverkehr merke man den, wenn das Fahrzeug schalte, und zwar sowohl, wenn es rauf schalte, als auch, wenn es runter schalte. Diese Unregelmäßigkeiten träten ab und zu auf, in kaltem Zustand sehr stark, wenn es dann warm sei, nicht mehr so oft. Ein Kraftfahrzeugmechaniker habe ihm mal erklärt, das hänge damit zusammen, daß, wenn das Fahrzeug warm sei, das Öl besser verteilt sei. Wenn das Fahrzeug warm sei, sei es aber immer noch auf jeder Fahrt so, daß das Fahrzeug unregelmäßig schalte, wie er das beschrieben habe. So habe das Fahrzeug dies, als er Mittwoch bei seinem Bruder gewesen sei – das seien so 5 bis 6 km –, auf der Hinfahrt, glaube er, zweimal und auf der Rückfahrt einmal gemacht. Da sei das Fahrzeug kalt gewesen. Auf der Autobahn sei das auch mal passiert, da habe er so 80 bis 90 km/h drauf gehabt, und dann habe er gewollt, daß das Fahrzeug schalte, aber das habe nicht geschaltet, und da habe er erst vom Gas gehen müssen, und dann sei die Geschwindigkeit kleiner geworden, und dann habe das Fahrzeug geschaltet, und dann habe er wieder Gas geben können. Das sei auf einer Fahrt nach Holland am 21. August 2022 gewesen. Das sei eine Fahrt kurz hinter die holländische Grenze in gewesen, so etwa 20 km. Das sei aber kein einmaliger Vorfall gewesen, daß er das auf der Autobahn gemacht habe, daß habe der immer auch auf der Autobahn gemacht. Wenn er auf der Autobahn fahre, sei das, wenn der Richter frage, wie oft normalerweise, so, daß das einmal passiere mit so einer Unregelmäßigkeit. Das trete immer dann auf, wenn er Gas gebe, um auf die Autobahn aufzufahren (Sitzungsniederschrift vom 2. September 2022). 33Auf konkreten Vorhalt seines Prozeßbevollmächtigten hat der Kläger persönlich im Termin weiter beschrieben, es sei richtig, daß das Fahrzeug beim Schalten, und zwar im Stadtverkehr, bei den Unregelmäßigkeiten erst einmal die Drehzahl hochfahre, und dann gebe es diesen Ruck, und erst auf weiteren konkreten Vorhalt seines Prozeßbevollmächtigten hieß, es sei richtig, daß das Fahrzeug dann zeitversetzt schalte. Man habe so das Gefühl, das müßte jetzt schalten, das tue es dann aber nicht, und dann gebe es irgendwann später diesen Ruck (Sitzungsniederschrift vom 2. September 2022). 34Bei der Probefahrt mit dem Sachverständigen – erst so 1 bis 2 km zu Mercedes, und dann noch im Stadtverkehr und auch auf der Autobahn – sei er dabei gewesen, da sei es zu diesen Auffälligkeiten nicht gekommen (Sitzungsniederschrift vom 2. September 2022). 35Diesen Sachverhalt habe er seinem Bruder mitgeteilt, der geprüfter Kfz-Techniker sei und Inhaber des Sachverständigenbüros in . Dieser habe dann auch sofort die beschriebenen Probleme festgestellt (Seite 7 der Klageschrift, Bl. 12 d.A.). 36Der Sachmangel habe auch schon zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen und sei dem Beklagten bekannt gewesen (Seiten 8 und 9 der Klageschrift, Bl. 13 und 14 d.A., Seiten 6 f. der Replik, Bl. 152 f. d.A.). 37Der Beklagte habe den Mangel arglistig verschwiegen (Seite 9 der Klageschrift, Bl. 14 d.A.). 38Dem Beklagten, der das Fahrzeug selbst über viele Jahre genutzt habe, sei das übliche fehlerfreie Schaltverhalten des Fahrzeugs bekannt gewesen, und der Unterschied zwischen einem fehlerfreien Schaltverhalten des Getriebes und den beschriebenen Fehlern bei dem Schaltvorgang sei für eine Person, die mit dem Fahrzeug vertraut sei, sofort erkennbar. Der Fehler sei auch nicht plötzlich, sondern sukzessive aufgetreten. Es handele sich um eine schleichende Perpetuierung der fehlerhaften Schaltvorgänge (Seiten 9 der Klageschrift, Bl. 14 d.A.). Es handele sich um einen sukzessive auftretenden Mangel, der nicht unerwartet entstehe, sondern sich ausweite. Wenn ein solcher Mangel einmal eingetreten sei, weite er sich relativ schnell und sukzessive aus und führe zu erheblichen Problemen beim Gangwechsel des automatischen Getriebes (Seite 4 der Replik, Bl. 150 d.A.). 39In diesen Kontext füge sich die ausdrückliche Weigerung ein, das Fahrzeug vor seinem Erwerb sachgerecht probefahren zu dürfen (Seite 9 der Klageschrift, Bl. 14 d.A., Seite 8 der Replik, Bl. 154 d.A.). Bei einer Probefahrt durch Herrn wäre, wie der Beklagte zu Recht befürchtet habe, der Fehler aufgefallen (Seite 9 der Klageschrift, Bl. 14 d.A., Seite 8 der Replik, Bl. 154 d.A.). Aufgrund dieser seiner – zutreffenden – Befürchtung habe der Beklagte die Probefahrt verweigert (Seite 3 des Schriftsatzes vom 6. Juli 2021, Bl. 178 d.A.). 40Offensichtlich aufgrund des zweifelsfrei vorliegenden Getriebeproblems habe der Beklagte die Probefahrt verweigert. Die Verweigerung der Probefahrt habe offenbar ihren Grund darin, daß andernfalls dem sachkundigen Herrn der Mangel des Getriebes aufgefallen wäre (Seite 7 der Klageschrift, Bl. 12 d.A., Seite 4 der Replik, Bl. 150 d.A.). Herr habe am 23. Dezember 2020 um 13.15 Uhr den Fehlerspeicher ausgelesen. Neben einem vorliegend nicht interessierenden Fehler im Saugrohr sei der Fehler 41- Fehlercode DTC 2783 / (Original-Fehlercode 2783) 42 Wandlerkupplung 43- Funktion fehlerhaft 44hinterlegt gewesen. Dieser Fehlerausweis habe sich mit der Einschätzung des Herrn 45 gedeckt, das mutmaßlich entweder die Bremsbänder der Planetenradsätze defekt seien oder es im Rahmen der Kraftübertragung durch die Wandlerkupplung zu Fehlern in der Kraftübertragung komme (Seite 7 der Klageschrift, Bl. 12 d.A.). 46Der Kläger legt insoweit als Anlage K2 (Bl. 29 ff. d.A.) ein Dokument über das Ergebnis der seinerseits vorgetragenen Auslesung vor. 47Er hat hierzu persönlich im Termin mitgeteilt, er selbst habe zunächst erst einmal bei der Firma , bei der er arbeite, den Fehlerspeicher mit einem Gerät von Gutmann ausgelesen, und die Anlage K2 (Bl. 29 ff.) sei der Ausdruck von dieser Fehlerspeicherauslesung. Auch sein Bruder habe außerdem den Fehlerspeicher des Fahrzeugs ausgelesen (Sitzungsniederschrift vom 2. September 2022). 48Eine weitere Fehlerauslesung sei am 28. Juni 2021 erfolgt, und die Fehlercodierungen hätten nach wie vor Bestand (Seite 1 des Schriftsatzes vom 6. Juli 2021, Bl. 176 d.A.). 49Der Kläger legt als Bl. 180 ff. d.A. ein Dokument über das Ergebnis der seinerseits vorgetragenen Fehlerspeicherauslesung vor. 50Er, so der Kläger persönlich weiter im Termin vom 2. September 2022, habe den Fehlerspeicher am 23. Dezember 2020 und auch später nach der weiteren Auslesung im Jahr 2021 ein weiteres Mal gelöscht (Sitzungsniederschrift vom 2. September 2022). 51Der seitens des Beklagten vorgelegte Bericht über die Hauptuntersuchung sei unbehelflich, weil bei einer Hauptuntersuchung gar kein Gangwechsel stattfinde und im übrigen das Schaltverhalten des Getriebes auch nicht Prüfungsgegenstand bei einer Hauptuntersuchung sei (Seite 5 der Klageerwiderung, Bl. 151 d.A.). Allerdings gehe auch er davon aus, daß am 18. März 2020 der Getriebeschaden noch nicht vorgelegen habe, weil naheliegenderweise der Beklagte das Fahrzeug sonst kurz nach der Hauptuntersuchung veräußert hätte (Seite 6 der Replik, Bl. 152 d.A.). 52Das Wandlerkupplungssystem (Beschreibung im einzelnen Seiten 7 f. der Klageschrift, Bl. 12 f. d.A.) sei grundsätzlich wartungs- und verschleißfrei. Drehmomentwandler hielten normalerweise das ganze Autoleben lang, wobei Dieselfahrzeuge von Mercedes auf Gesamtlaufleistungen von mindestens 300.000 km ausgelegt und konstruiert seien. Demnach liege in den hier aufgetretenen Problemen ein Sachmangel (Seite 8 der Klageschrift, Bl. 13 d.A.). 53Es möge zwar sein, daß bei einer Laufleistung von 200.000 km mit einem Schaden an Automatikgetrieben zu rechnen sei. Wenn dieser Mangel vorliege, müsse man ihn allerdings auch offenlegen (Seite 8 der Replik, Bl. 154 d.A.). 54Zur Instandsetzung des Fahrzeugs seien Gesamtkosten von 3.884,04 € netto erforderlich, deren Erstattung er mit dem Klageantrag zu 1. begehre (im einzelnen Seiten 9 f. der Klageschrift, Bl. 14 f. d.A., Seiten 7 f. der Replik, Bl. 153 f. d.A.). 55Außerdem könne er, wie es mit dem Klageantrag zu 2. geschehe, die Feststellung verlangen, daß etwaige weitere Kosten seitens des Beklagten zu tragen seien, insbesondere etwa im Zuge der Instandsetzung anfallende Umsatzsteuern. Auch komme es in Betracht, daß gegenüber den angesetzten von einer problemlosen Durchführung der Reparatur ausgehenden Arbeitszeiten aufgrund von Problemen bei der Reparatur, etwa Schwergängigkeit von Verschraubungen, aber auch etwa von erforderlichen Reinigungs- und Fettungsarbeiten, größere Arbeitszeiten anfielen (Seiten 10 f. der Klageschrift, Bl. 15 f. d.A.). 56Ferner könne er die Freistellung von den Sachverständigenkosten gegenüber dem Sachverständigenbüro in Höhe von 614,57 € verlangen. Diese Kosten seien üblich und angemessen (Seite 11 der Klageschrift, Bl. 16 d.A., Seite 8 der Replik, Bl. 154 d.A.). 57Der Sachverständige sei fachlich qualifiziert (im einzelnen Seite 2 des Schriftsatzes vom 6. Juli 2021, Bl. 177 d.A.). 58Außerdem könne er die Erstattung der Kosten für die im Dezember 2020 erfolgte Einschaltung seiner Prozeßbevollmächtigten zur außergerichtlichen Verfolgung seiner Ansprüche in Höhe von 627,23 € verlangen (im einzelnen Seiten 11 f. der Klageschrift, Bl. 16 f. d.A.). 59Der Kläger hat zunächst die Anträge angekündigt (Seite 2 der Klageschrift, Bl. 7 d.A.), 601. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 3.884,04 € nebst Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, 612. festzustellen daß der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche weiteren Aufwendungen zu ersetzen, welche diesem im Rahmen der Instandsetzung des automatischen Getriebes am Pkw Mercedes C-Klasse, T-Modell, Baumuster 204, Fahrgestell-Nr. WDD2042021F665979, auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens des Sachverständigen vom 24. Dezember 2020 entstehen werden, 623. den Beklagten weiters zu verurteilen, den Kläger von Sachverständigenkosten gegenüber dem Sachverständigen , Inhaber , gemäß dem Gutachten vom 24. Dezember 2020 und der Rechnung vom 25. Dezember 2020 in Höhe von 614,57 € freizustellen, 634. den Beklagten zu verurteilen, den Kläger von außergerichtlich angefallenen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 614,57 € gegenüber der Rechtsanwaltskanzlei , , freizustellen. 64Der Kläger beantragt nunmehr (Seite 2 der Klageschrift, Bl. 7 d.A., Seiten 1 f. des Schriftsatzes vom 20. Mai 2021, Bl. 95 f. d.A.), 651. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 3.884,04 € nebst Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, 662. festzustellen daß der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche weiteren Aufwendungen zu ersetzen, welche diesem im Rahmen der Instandsetzung des automatischen Getriebes am Pkw Mercedes C-Klasse, T-Modell, Baumuster 204, Fahrgestell-Nr. WDD2042021F665979, auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens des Sachverständigen vom 24. Dezember 2020 entstehen werden, 673. den Beklagten weiters zu verurteilen, den Kläger von Sachverständigenkosten gegenüber dem Sachverständigen , Inhaber , gemäß dem Gutachten vom 24. Dezember 2020 und der Rechnung vom 25. Dezember 2020 in Höhe von 614,57 € freizustellen, 684. den Beklagten zu verurteilen, den Kläger von außergerichtlich angefallenen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 627,23 € gegenüber den Rechtsanwälten 69 , , freizustellen. 70Der Beklagte beantragt (Seite 1 des Schriftsatzes vom 11. Juni 2021, Bl. 105 d.A.), 71 die Klage abzuweisen. 72Der Beklagte trägt vor: 73Der Kläger sei nicht aktivlegitimiert. Er sei nämlich nicht Käufer oder Eigentümer des Fahrzeugs. Käufer sei vielmehr ausweislich des als Anlage B1 (Bl. 118) in Kopie überreichten Kaufvertrages Herr (Seite 1 der Klageerwiderung, Bl. 105 d.A.). 74Im übrigen sei die Klage aber auch aus verschiedenen anderen Gründen unbegründet. 75Der Kläger lege einen Kaufvertrag vor, der seinerseits – seitens des Beklagten – nicht unterzeichnet worden sei. Dies überrasche auch nicht, weil es sich nicht um denjenigen Kaufvertrag handele, der im Rahmen der Verhandlungen des Herrn mit ihm – dem Beklagten – unterzeichnet worden sei (Seite 2 der Klageerwiderung, Bl. 106 d.A., Seiten 1 f. der Duplik, Bl. 186 f. d.A.). Das Vorbringen des Klägers, daß er – der Beklagte – den Kaufvertrag auf der linken Seite unterzeichnet haben solle, sei falsch. Diese Unterschrift stamme nicht von ihm. Wer sie geleistet habe, wisse er nicht (Seite 2 der Klageerwiderung, Bl. 106 d.A., Seiten 1 f. der Duplik, Bl. 186 f. d.A.). 76Herr sei es jedenfalls entgegen dem abwegigen Vorbringen des Klägers nicht gewesen. Der Kläger lasse selber vortragen, er – der Beklagte – habe den ursprünglichen Kaufvertrag nochmals ausgedruckt. Es bleibe der Fantasie des Klägers überlassen, wie auf einen neuen Ausdruck die Unterschrift des früheren Kaufinteressenten kommen solle. Herr 77 habe auch tatsächlich nie den Kaufvertrag unterschrieben. Zwischen ihm und Herrn sei ein entsprechender Vertrag nie zustandegekommen (Seite 2 des Schriftsatzes vom 5. August 2020, Bl. 493 d.A.). Der Kläger habe hingegen ungeachtet des Hinweises der Kammer in dem Beweisbeschluß vom 3. November 2021, in dem um Mitteilung gebeten worden sei, falls der Kläger nicht behaupten wolle, daß der Beklagte das seitens des Klägers vorgelegten Exemplar des Kaufvertrags unterschrieben habe, an seinem Vorbringen, er – der Beklagte – habe dieses Kaufvertragsexemplar unterschrieben, offensichtlich festgehalten. Denn er habe auf diesen Hinweis nicht reagiert (Seite 2 des Schriftsatzes vom 5. August 2022, Bl. 493 d.A.). 78Das Original des Kaufvertrages über das Fahrzeug, welches für den Vertragsschluß einzig maßgeblich sei, liege ihm vor (Seite 1 der Duplik, Bl. 186 d.A.). 79Die einzigen vertragsgegenständlichen Änderungen, welche vorliegend beide Verträge beträfen und im Beisein des Käufers und seiner Person vorgenommen worden seien, seien das Datum des Kaufvertrages und der endgültige Kaufpreis (Seite 3 der Duplik, Bl. 188 d.A.). 80Die [scil.: übrigen] im Nachgang vorgenommenen handschriftlichen Ergänzungen [scil.: auf dem Kaufvertrag, den der Kläger vorlege] seien nicht durch ihn vorgenommen bzw. bestätigt worden (Seite 1 der Duplik, Bl. 186 d.A.). Sie seien nicht vertragsgegenständlich geworden. Sie seien im Nachgang – von wem auch immer – auf der seitens des Klägers vorgelegten Version des Vertrages ergänzt worden. Dies gelte sowohl für die handschriftlich ergänzte Laufleistung in dem vorgelegten Vertrag als auch die offensichtlich aus anderer Handschrift stammenden Ergänzungen (Seiten 3 f. der Klageerwiderung, Bl. 107 f. d.A., Seite 2 der Duplik, Bl. 187 d.A.). Einzig an dem Vertrag des Klägers seien nachträglich Abänderungen vorgenommen worden, die unter anderem auch die angebliche Unterschrift seiner – des Beklagten – Person beinhalteten (Seite 3 in der Duplik, Bl. 188 d.A.). 81Richtig sei allerdings, daß über die entsprechenden Mängel gesprochen worden sei. Sie seien jedoch auf dem ihm – dem Beklagten – vorliegenden Exemplar nicht eingetragen. Der Käufer habe sie auf seinem Exemplar ohne sein – des Beklagten – Beisein ergänzt (Seite 2 der Duplik, Bl. 187 d.A.). 82Daß in den geschlossenen Kaufvertrag ursprünglich Herr als Käufer eingesetzt sei, habe seinen Grund darin, daß Herr sich für das Fahrzeug interessiert habe. Er – der Beklagte – habe deshalb einen entsprechenden Kaufvertrag entworfen. Zu dem Abschluß dieses Kaufvertrages sei es aber nicht gekommen, weil Herr nicht in der Lage gewesen sei, das Fahrzeug zu bezahlen, und ihm dies auch vor Abschluß des Kaufvertrages mitgeteilt habe (Seite 2 der Klageerwiderung, Bl. 106 d.A.). 83Da zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses sein Drucker defekt gewesen sei, sei der vorherige Entwurf genutzt und entsprechend angepaßt worden. In diesem Zusammenhang habe er Herrn gebeten, die Daten des Käufers in den Kaufvertrag nebst entsprechender Anschrift einzutragen, was dieser auch getan habe (Seite 2 der Klageerwiderung, Bl. 106 d.A.). Herr habe seine persönlichen Daten in den Kaufvertrag eingetragen und auch seine Visitenkarte (in Kopie als Anlage B2, Bl. 119, bei der Akte) vorgelegt (Seite 3 der Klageerwiderung, Bl. 107 d.A.). 84Der Sachvortrag des Klägers sei auch insoweit nicht richtig, als dieser vortrage, ihm – dem Beklagten – sei gleichgültig gewesen, wer das Fahrzeug kaufen werde. Ihm seien die konkreten Umstände und Verflechtungen zwischen den Beteiligten tatsächlich gleich gewesen, solange zwischen dem Abholer, der ihm gegenüber als Käufer aufgetreten sei, und ihm ein Kaufvertrag geschlossen werden würde. Dies habe er auch in dem Gespräch mit dem Kläger zum Ausdruck gebracht. Die Verflechtungen seien ihm auch deshalb unbekannt gewesen, weil er bei den Telefonaten und bei der Abholung stets mit einem Herrn gesprochen habe, ohne daß eine Differenzierung in Bezug auf die Vornamen erfolgt sei (Seite 3 der Klageerwiderung, Bl. 107 d.A., Seite 1 der Duplik, Bl. 186 d.A.). 85Der Kaufvertrag sei demnach mit Herrn zustande gekommen, nicht mit dem Kläger (Seiten 1 und 3 der Klageerwiderung, Bl. 105 und 107 d.A.). 86Er gehe übrigens davon aus, daß der seitens des Klägers als Zeuge benannte Herr nicht bei dem Abschluß des Kaufvertrages zugegen gewesen sei. Es sei zwar eine zweite Person bei der Übergabe an Ort und Stelle gewesen. Diese Person habe jedoch keinerlei Ähnlichkeit zu dem Käufer des Fahrzeugs aufgewiesen (Seite 3 der Klageerwiderung, Bl. 107 d.A.). 87Es treffe auch nicht zu, daß eine Probefahrt verwehrt worden sei. Herrn sei ausreichend Gelegenheit gegeben worden, das Fahrzeug zu erproben und eine Probefahrt durchzuführen. Der Käufer habe aber auf die Durchführung einer Probefahrt unter Hinweis darauf, daß er als „Fachmann etwaige Fehler sofort erkennen würde“ verzichtet, nachdem er das Fahrzeug eingehend untersucht gehabt habe. Zu diesem Zweck habe er sich in das Fahrzeug gesetzt, den Motor gestartet und das Getriebe geprüft, ob dieses greifen würde. Zu diesem Zweck habe er die Fahrtstufe D des Automatikgetriebes und auch den Rückwärtsgang eingelegt und einige Tests bei laufendem Motor durchgeführt, ferner das Fahrzeug mit einem Lackschichtenmeßgerät überprüft. Er sei zu dem Ergebnis gekommen, das alles in Ordnung sei, und habe deshalb auch ohne Vorbehalte auf dem Kaufvertrag bestätigt, daß er eine Probefahrt durchgeführt habe (Seite 4 der Klageerwiderung, Bl. 108 d.A., Seiten 2 und 3 der Duplik, Bl. 187 und 188 d.A.). 88Hierzu hat der Beklagte persönlich im Termin mitgeteilt, er – der Beklagte – habe eigentlich auf eine Probefahrt bestanden, aber die Probefahrt sei dann von dem, der ad gewesen sei, von Herrn , abgelehnt worden (Sitzungsniederschrift vom 2. September 2022). 89Herr habe den Motor gestartet und sei ein Stück gefahren und habe dann stark Gas gegeben und gleichzeitig gebremst. Das sei seinem – des Beklagten – Eindruck nach ein Test gewesen, ob das Getriebe ordentlich arbeite. Das gleiche habe Herr dann auch nochmal im Rückwärtsgang gemacht, und außerdem habe Herr auch noch den Gang N eingelegt und den Motor laufen lassen und die Motorhaube aufgemacht und da reingeguckt. Das sei es dann angewesen (Sitzungsniederschrift vom 2. September 2022). 90Der angebliche Mangel liege auch nicht vor (Seiten 5 und 6 der Klageerwiderung, Bl. 109 und 110 d.A., Seite 3 der Duplik, Bl. 188 d.A.). 91Jedenfalls seien ihm, der technischer Laie sei, etwaige Mängel nicht bekannt gewesen (Seiten 5 und 11 der Klageerwiderung, Bl. 109 und 115 d.A.). Wären tatsächlich Fehler vorhanden und offenkundig gewesen, wären sie auch Herrn aufgefallen. Daß dies nicht der Fall sei, belege, daß er – der Beklagte – nicht habe wissen können, daß das Fahrzeug möglicherweise Fehler aufweise (Seite 12 der Klageerwiderung, Bl. 116 d.A.). 92Das Fahrzeug habe sich zum Zeitpunkt der Übergabe in einem altersgemäßen guten Zustand befunden (Seite 5 der Klageerwiderung, Bl. 109 d.A.). Das Getriebe sei ein dem Verschleiß unterliegendes Bauteil. Bei einer Laufleistung von 226.000 km sei ein Verschleiß nicht unüblich. Schon bei einer Laufleistung von 200.000 km sei auch bei einem Mercedes mit einem Schaden am Automatikgetriebe zu rechnen (Seite 12 der Klageerwiderung, Bl. 116 d.A.). 93Die nunmehr seitens des Klägers vorgetragenen Mängel seien ihm nicht bekannt gewesen (Seiten 5 und 11 der Klageerwiderung, Bl. 109 und 115 d.A.). Entsprechende Schäden könnten durchaus plötzlich erst in Erscheinung treten, insbesondere auch, ohne daß zuvor Auffälligkeiten erkennbar gewesen seien. Daß es sich um einen sukzessive auftretenden Fehler handele, sei unzutreffend (Seite 13 der Klageerwiderung, Bl. 117 d.A., vgl. auch Seite 4 der Duplik, Bl. 189 d.A.). 94Er habe das Fahrzeug bis wenige Tage vor dem Verkauf genutzt, da er erst zu diesem Zeitpunkt seinen Neuwagen erhalten habe. Etwaige Auffälligkeiten habe er nicht feststellen können (Seite 6 der Klageerwiderung, Bl. 110 d.A.). Auch seiner Ehefrau und seiner Tochter, die mit dem Fahrzeug (mit)gefahren seien, seien etwaige Mängel nicht aufgefallen, ebenso wenig seinem Bruder, der ebenfalls einen Mercedes C-Klasse fahre und ihn auf längeren Fahrten in die Niederlande (etwa 250 km einfache Strecke) und zuletzt noch auf einer Fahrt am 19. November 2020 begleitet habe (Seiten 5 und 6 der Klageerwiderung, Bl. 109 und 110 d.A., Seite 4 der Duplik, Bl. 189 d.A.). 95Ihm liege auch ein Bericht der DEKRA vom 18. März 2020 (in Kopie als Anlage B3, Bl. 120 ff., bei der Akte) vor, in dem der angebliche Mangel nicht ausgewiesen sei, was aber bei einem Getriebemangel je nach Art des Defekts der Fall gewesen wäre (Seite 5 der Klageerwiderung, Bl. 109 d.A.). 96Selbst wenn ein Fehler bei der behaupteten Auslesung des Steuergerätes durch die Firma 97 , die übrigens die Kilometerlaufleistung im Rahmen der Auslesung des Fehlerspeichers nicht ordnungsgemäß, sondern mit 0 angegeben habe, angezeigt worden sein sollte, beweise dies seine tatsächliche Existenz nicht. Es komme durchaus vor, daß softwarebedingt nicht existente Fehler im Auslesegerät angezeigt würden. Es sei nicht einmal ersichtlich, bei welcher Laufleistung die Fehlerspeicherauslesung durchgeführt worden sei (Seiten 10 f. der Klageerwiderung, Bl. 114 f. d.A., Seite 6 der Duplik, Bl. 191 d.A.). 98Es sei ferner darauf hinzuweisen, daß auch das Vorbringen des Klägers in Bezug auf den Zeitablauf unglaubhaft sei. Nach der seitens des Klägers vorgelegten Rechnung des Gutachters solle der Gutachtenauftrag angeblich bereits am 12. Dezember 2020 erteilt worden sein, während der Kläger vortrage, das Fahrzeug erst am 21. Dezember 2020 auf seine Ehefrau zugelassen und erst danach erstmalig selbst bewegt zu haben, wobei ihm angeblich erst dann die entsprechenden Mängel aufgefallen sein sollten (Seite 8 der Klageerwiderung, Bl. 112 d.A.). 99Nach der Fahrzeugübergabe sei ihm auch zu keinem Zeitpunkt kommuniziert worden, daß etwaige Mängel an dem Fahrzeug vorlägen, welche den entsprechenden Gebrauch tatsächlich einschränkten und nicht alters- und laufleistungstypisch seien. Sollten etwaige Mängel an dem Fahrzeug tatsächlich vorliegen, sei davon auszugehen, daß sie erst nach Übergabe des Fahrzeugs entstanden und vom vereinbarten Gewährleistungsausschluß umfaßt seien. Die Schäden könnten durch die Überführungsfahrt durch den Fahrer des Fahrzeugs verursacht worden sein, welcher vermutlich nicht sachgemäß mit dem streitigen Fahrzeug umgegangen sei (Seite 8 der Klageerwiderung, Bl. 112 d.A.). 100Auch die Differenz zwischen der in dem durch Herrn unterschriebenen Kaufvertrag ausgewiesenen Laufleistung einerseits und derjenigen in dem angeblichen Gutachten andererseits bestätigten, daß das Fahrzeug zwischendurch 823 km bewegt worden sei, womit sich die Annahme bestätige, daß der Kläger das Fahrzeug nach dem Kaufvertragsschluß nicht unerheblich genutzt habe (Seite 10 der Klageerwiderung, Bl. 114 d.A.). 101Noch am 15. Dezember 2020 habe er den Käufer angerufen, um zu fragen, ob das Fahrzeug entsprechend der vertraglichen Vereinbarung inzwischen abgemeldet worden sei, und sich dabei auch erkundigt, ob alles in Ordnung sei oder irgendwelche Probleme vorliegen würden. Der Käufer habe daraufhin bestätigt, daß das Fahrzeug abgemeldet worden sei, und mitgeteilt, es sei alles in Ordnung (Seite 8 der Klageerwiderung, Bl. 112 d.A., Seiten 3 f. der Duplik, Bl. 188 f. d.A.). 102Am 29. Dezember 2020 habe sich sodann der Kläger bei ihm gemeldet, was ihn gewundert habe, weil er nach dem Kaufvertrag das Fahrzeug nicht an diesen verkauft habe. Ungeachtet dessen sei er bereit gewesen, mit dem Kläger die Angelegenheit zu besprechen. In diesem Gespräch habe er sich bereit erklärt, das Fahrzeug gegen Erstattung des Kaufpreises zurückzunehmen. Dies sei jedoch für den Kläger zu seiner Verwunderung nicht in Betracht gekommen. Der Kläger habe vielmehr die hälftige Erstattung der durch seinen Bruder ermittelten Reparaturkosten verlangt, was er – der Beklagte – jedoch abgelehnt habe. Er – der Beklagte – habe sodann die Vermutung gehegt, daß durch dieses Vorhaben und den unbedingten Wunsch, den Vertrag nicht rückabzuwickeln, der Versuch unternommen werde, unrechtmäßig den Kaufpreis nachträglich zu reduzieren (Seite 9 der Klageerwiderung, Bl. 113 d.A.). 103Als sich die Stimmung sodann beruhigt gehabt habe, seien die Parteien auf private Dinge zu sprechen gekommen, und der Kläger habe ihm mitgeteilt, er sei dem Grunde nach mit dem Fahrzeug überaus zufrieden und habe auch bereits kürzere Reisen mit der Familie in die Eifel unternommen (Seite 9 der Klageerwiderung, Bl. 113 d.A.). 104Unterstellt, die angeblichen Fehler lägen im Fehlerspeicher noch vor, handele es sich vorliegend einzig um eine Suche nach Gründen, den Kaufpreis im Nachhinein zu mindern. Andernfalls hätte der Kläger sein – des Beklagten – Angebot angenommen und das Fahrzeug zurückgegeben (Seite 5 der Duplik, Bl. 190 d.A.). 105Die seitens des angeblichen Sachverständigen , der jedenfalls nicht „DAT Expert Partner“ sei und dessen Gutachtereigenschaft bestritten werde, ermittelten Reparaturkosten hielten auch einer Überprüfung nicht stand (Seiten 5 und 6 f. der Klageerwiderung, Bl. 109 und 110 f. d.A.). 106Insoweit sei darauf hinzuweisen, daß der angebliche Gutachter sich wahrheitswidrig in der vorgerichtlichen Korrespondenz als „DAT Expert Partner“ vorgestellt habe. Insoweit werde als Anlage B5 (Bl. 125) das Schreiben des Herrn vom 25. Dezember 2020 zur Akte gereicht (Seite 7 der Klageerwiderung, Bl. 111 d.A.). 107Im Rahmen der vorgerichtlichen Korrespondenz habe der Kläger ein Schreiben des angeblichen Sachverständigen vom 25. Dezember 2020 übermittelt, aus welchen hervorgehe, daß der Sachverständige selbst nicht in der Lage sei, ohne professionelles Auslesegerät die Mängel festzustellen. Wie er dann aber zu dem Ergebnis komme, im Rahmen seiner Begutachtung einen Schaden von angeblich 3.884,04 € brutto zu ermitteln, sei nicht nachvollziehbar, zumal er gleichzeitig angebe, den Schaden mangels technischer Möglichkeiten nicht ermitteln zu können (Seiten 8 f. der Klageerwiderung, Bl. 112 f. d.A.). 108Die seitens des angeblichen Gutachters ermittelten Kosten seien völlig überzogen (Seiten 10 und 11 der Klageerwiderung, Bl. 114 und 115 d.A.). Abgesehen davon werde dem Kläger kein Anspruch auf Erstattung eines Neuteils ohne Abzug zustehen. Der Kläger müsse sich vielmehr gegebenenfalls einen Abzug unter dem Gesichtspunkt neu für alt gefallen lassen (Seite 11 der Klageerwiderung, Bl. 115 d.A.). 109Eine Erstattung der Gutachterkosten könne der Kläger auch nicht verlangen (Seite 7 der Klageerwiderung, Bl. 111 d.A.). Die angeblichen Kosten des Sachverständigen seien nicht angefallen (Seite 13 der Klageerwiderung, Bl. 117 d.A.). Die insoweit vorgelegte Rechnung weise nicht einmal eine Rechnungsnummer auf, so daß davon auszugehen sei, daß zu keinem Zeitpunkt geplant gewesen sei, eine kostenpflichtige Beurteilung des Fahrzeugzustands vorzunehmen (Seite 7 der Klageerwiderung, Bl. 111 d.A.). 110Es sei nicht erkennbar, daß der angebliche Gutachter das Fahrzeug ordnungsgemäß begutachtet habe. Schon die Begutachtung werde bestritten. Der angebliche Gutachter verweise in seinem angeblichen Gutachten neben der Feststellung, daß er mangels Auslesegerätes nicht in der Lage sei, den Fehler zu erkennen, lediglich auf die Fehlercodes der Firma . Worin seine Leistung zu sehen sei, die angeblich ein Honorar von 614,57 € rechtfertige, sei nicht ersichtlich (Seiten 10 und 13 der Klageerwiderung, Bl. 114 und 117 d.A.). Welche Untersuchungen der angebliche Sachverständige durchgeführt haben wolle, ergebe sich aus dem Gutachten nicht (Seite 5 der Duplik, Bl. 190 d.A.). 111Weil die Rechnung mangels Rechnungsnummer nicht ordnungsgemäß sei, sei der entsprechende Betrag nicht fällig, und dem Kläger stehe auch kein Freistellungsanspruch zu (Seiten 7 und 13 der Klageerwiderung, Bl. 111 und 117 d.A.). 112Ein Anspruch des Klägers auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten komme nicht in Betracht, selbst wenn sich der Prozeßbevollmächtigte des Klägers vorgerichtlich für diesen bestellt habe. Denn der Kläger sei nicht Käufer des Fahrzeugs und auch nicht gegenwärtig dessen Eigentümer (Seite 13 der Klageerwiderung, Bl. 117 d.A.). 113Mit Schriftsatz vom 5. August 2022 (Bl. 492 ff. d.A.) nimmt der Beklagte im übrigen noch zum Ergebnis der schriftlichen Begutachtung Stellung. Hierauf wird verwiesen. 114Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der dazu überreichten Anlagen verwiesen. 115Die Kammer hat aufgrund des Beweisbeschlusses vom 3. November 2021 (Bl. 208 ff. d.A.) Beweis erhoben durch Anhörung der Zeugen , , und sowie des Sachverständigen Dipl.-Ing. (TH) , ferner Einholung schriftlicher Gutachten der Sachverständigen Dipl.-Ing. (TH) und Dipl. Verw. Dipl. Graph. 116 vor dem Termin. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des als Bl. 398 ff. bei der Akte befindlichen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. (TH) vom 12. Juli 2022, den Inhalt des als Bl. 436 ff. bei der Akte befindlichen Gutachtens des Sachverständigen Dipl. Verw. Dipl. Graph. vom ebenfalls 12. Juli 2022 und die Niederschrift der Sitzung vom 2. September 2022 verwiesen. 117Den Zeugen , der zum Termin nicht erschienen war, hat die Kammer nicht angehört, weil es auf die in sein Wissen gestellten Behauptungen für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht mehr ankommt. 118Entscheidungsgründe: 119Die Klage ist nicht begründet. 1201. 121Dem Kläger stehen der mit den Klageanträgen zu 1. und 2. geltendgemachte Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Reparaturkosten und dementsprechend auch der hierauf geltendgemachte Zinsanspruch nicht zu. 122Der Beklagte ist gegenüber dem Kläger nicht aufgrund eines Mangels des Fahrzeugs gewährleistungspflichtig. 123Wie unter den Parteien unstreitig ist, ist die Gewährleistung ausgeschlossen. Dies bedeutet, der Beklagte ist von jeglicher Gewährleistung für etwa an dem Fahrzeug vorhandene Mängel frei, es sei denn, er hätte – was von vornherein nicht in Rede steht – für das Nichtvorhandensein eines bestehenden Mangels eine Garantie übernommen oder er hätte das Vorhandensein eines bestehenden Mangels arglistig verschwiegen, § 444 BGB. 124a) 125Daß die seitens des Klägers geschilderten Phänomene bei den Schaltvorgängen an dem streitigen Fahrzeug vorhanden sind, ist nicht bewiesen. 126Der nach dem Ergebnis der durch den Sachverständigen Dipl.-Ing. (TH) durchgeführten Fehlerspeicherauslesung am 7. Juli 2022 im Fehlerspeicher niedergelegte Fehler führt nach den Ausführungen des genannten Sachverständigen nicht zu den seitens des Klägers beschriebenen Phänomenen beim Schalten und ist übrigens nach den Ausführungen des genannten Sachverständigen ausweislich der Anzeige des Häufigkeitszählers auch nur einmal seit der letzten der Auslesung vom 7. Juli 2022 vorangegangenen Fehlerspeicherlöschung aufgetreten. Der insoweit niedergelegte Fehler könnte also mit den seitens des Klägers beschriebenen Phänomenen, wenn sie vorlägen, nichts zu tun haben. 127Nach den Ausführungen des Sachverständigen hätten jedoch die seitens des Klägers beschriebenen Phänomene, wenn sie denn vorhanden wären, dazu geführt, daß ein entsprechender Fehler im Fehlerspeicher niedergelegt wäre. Da die behaupteten Phänomene nach wie vor vorhanden sein sollen, der Fehlerspeicher jedoch in letzter Zeit, wie sich aus den Mitteilungen des Klägers ergibt, nicht mehr gelöscht worden ist, hätte dementsprechend ein weiterer Fehler, der als Erklärung für die infragestehende Phänomene in Betracht käme, am 7. Juli 2022 im Fehlerspeicher niedergelegt sein müssen, etwa mit der Fehlerbezeichnung 128Druckaufbau Kupplung K1 zu niedrig 129oder auch 130Druckaufbau Bremsband zu langsam, 131wobei es verschiedene Bremsbänder gibt, die in einer Fehlerbeschreibung der letzteren Art bezeichnet werden könnten. Dies ist jedoch nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht der Fall. 132Hinzu kommt, daß bei der Probefahrt mit dem Sachverständigen, obwohl sie nach den Mitteilungen des Klägers im Termin bei jeder Fahrt aufzutreten pflegen, wie der Kläger einräumt, die seinerseits geschilderten Phänomene nicht aufgetreten sind. 133Wenn außerdem der Kläger zu den Vorgängen am 11. Dezember 2020 vorträgt, 134sein Bruder habe dann das Fahrzeug zu ihm gebracht und an seiner Adresse abgestellt, während sein Bruder mit seinem eigenen Fahrzeug zurückgereist sei (Seite 6 der Klageschrift, Bl. 11 d.A.), 135fällt auch in diesem Zusammenhang ein Umstand auf, der dagegen spricht, daß die seitens des Klägers geschilderten Phänomene bei dem Fahrzeug wirklich aufgetreten sind. Denn wenn diese Phänomene bei jeder Fahrt auftreten würden, hätte auch Herr sie bei der seinerseits durchgeführten nicht ganz kurzen Überführungsfahrt bemerkt, und dies wäre dann seitens des Klägers mit Sicherheit auch vorgetragen worden, und der Kläger hätte mit gleicher Sicherheit hierfür Herrn auch als Zeugen benannt. Dies ist jedoch nicht geschehen. Dieses Detail paßt gut zu der zumindest sehr ernstlich in Betracht kommenden Möglichkeit, daß in Wahrheit eben die Phänomene, die der Kläger schildert, nicht auftreten, sondern nunmehr aufgrund des Ergebnisses der Fehlerspeicherauslesung erfunden werden, um den Kaufpreis auf der Grundlage des Ergebnisses der Fehlerspeicherauslesung nachträglich zu drücken, was angesichts des Gewährleistungsausschlusses nur möglich ist, wenn man Phänomene schildert, die dem Beklagten nicht verborgen geblieben sein können und deshalb von ihm arglistig verschwiegen worden sein müssen. 136Auffällig ist auch, daß der Kläger im Termin vom 2. September 2022 die Phänomene, die er angeblich bei zumindest nahezu jeder Fahrt mit dem Fahrzeug erlebt, spontan nicht wirklich konkret schildern konnte. Erst auf konkreten Vorhalt seines Prozeßbevollmächtigten, und das heißt nichts anderes als nach konkretem Vorsagen, hat der Kläger persönlich im Termin beschrieben, es sei richtig, daß das Fahrzeug beim Schalten, und zwar im Stadtverkehr, bei den Unregelmäßigkeiten erst einmal die Drehzahl hochfahre (Sitzungsniederschrift vom 2. September 2022). Wer die beschriebenen Dinge nicht nur einmal, sondern auf zumindest nahezu jeder Fahrt erlebt, kann sie auch ohne derartiges Vorsagen konkret beschreiben. Dies ist alles andere als schwer, und der Kläger kann gut Deutsch und war auch zu jeder Zeit in der mündlichen Verhandlung mühelos in der Lage, sich ohne weiteres und uneingeschränkt verständlich zu machen. Außerdem ist er bei der Firma tätig, so daß er jedenfalls bis zu einem gewissen Grade Ahnung von Fahrzeugen hat, was ihm die Beschreibung wirklich erlebter Phänomene beim Schalten zusätzlich erleichtern mußte. 137Überdies schildert der Kläger die Symptomatik nicht widerspruchsfrei. So schildert er in der Klageschrift, 138bei Gangwechseln, insbesondere vom niedrigen in den nächsthöheren Gang, drehe der Motor zunächst kurz hoch, und sodann komme es schlagartig zum Gangwechsel, dies sei insbesondere nach Erreichen der Betriebstemperatur des Fahrzeugs zu beobachten (Seite 6 der Klageschrift, Bl. 11 d.A.) [Hervorhebung durch die Kammer]. 139So hat er es auch bereits in dem außergerichtlichen Schreiben vom 11. Januar 2021 (in Abschrift als Anlage K5, Bl. 54 ff., bei der Akte), dort Seite 2 Mitte, geschildert. 140Hingegen hieß es seinerseits persönlich im Termin vom 2. September 2022, 141diese Unregelmäßigkeiten träten ab und zu auf, in kaltem Zustand sehr stark, wenn es dann warm sei, nicht mehr so oft, ein Kraftfahrzeugmechaniker habe ihm mal erklärt, das hänge damit zusammen, daß, wenn das Fahrzeug warm sei, das Öl besser verteilt sei [Hervorhebung durch die Kammer]. 142Dinge, die man wirklich bei zumindest nahezu jeder Fahrt erlebt, sollte man eigentlich nicht so widersprüchlich schildern. Die Kammer kann sich auch angesichts dessen, wie gut der Prozeßbevollmächtigte des Klägers im Termin vorbereitet und im Bilde war – es war eine Freude, „ihm bei der Arbeit zuzusehen“ –, und dessen, daß der Kläger im Termin von Anfang an ganz geradlinig und durchgehend beschrieben hat, daß verstärkt im kalten Zustand des Fahrzeugs die Phänomene aufträten, ohne sich dabei irgendwie zu verheddern oder zu verhaspeln und / oder seine Äußerungen einmal oder gar mehrfach modifizieren oder richtig stellen zu müssen und ohne selbst auf den Vorhalt des bereits erwähnten Schreibens vom 11. Januar 2021 unsicher oder gar unklar zu werden, beim besten Willen nicht vorstellen, daß der Prozeßbevollmächtigte des Klägers bei den sein Schreiben vom 11. Januar 2021 (in Abschrift als Anlage K5, Bl. 54 ff., bei der Akte) und seine Klageschrift vorbereitenden Gesprächen einem Mißverständnis von den Angaben des Klägers aufgesessen ist und deshalb die Dinge gewissermaßen „falsch rum“ geschildert hat. 143Auch ist zu konstatieren, daß der Zeuge ein weiteres Phänomen geschildert hat, von dem der Kläger mit keinem Wort berichtet, nämlich dasjenige, daß das Fahrzeug, insbesondere, wenn man den Schaltmodus Eco wähle, teilweise dergestalt falsch schalte, daß es in die falschen Gänge schalte. Ein derartiger durchaus störender Fehler wäre aber seitens des Klägers, wenn er vorläge, sicherlich vorgetragen worden. Der vorstehende Befund spricht dafür, daß vorliegend in Wahrheit nicht vorhandene Phänomene im Schaltverhalten des Fahrzeugs erfunden werden, das hier in Rede stehende wohl in der Annahme, der im Fehlerspeicher niedergelegte Fehler führe auch zu derartigen Erscheinungen. 144Schließlich haben auch die seitens des Beklagten benannten Zeugen bei ihren Vernehmungen bekundet, die seitens des Klägers behaupteten Phänomene nicht wahrgenommen zu haben. 145Daß die Rechnung des seitens des Klägers als Privatgutachter bezeichneten Herrn , die der Kläger angeblich zu bezahlen haben soll, entgegen § 14 Abs. 4 Nr. 4 UStG keine Rechnungsnummer aufweist ist auch kein Umstand, der geeignet ist, das Vertrauen in die Wahrheit des Vorbringens des Klägers – zunächst betreffend seine Verpflichtung, an seinen als Privatgutachter auftretenden Bruder den Rechnungsbetrag zu zahlen, davon ausgehend aber auch allgemein für den vorliegenden Fall – zu stärken. Hierauf kommt es aber nicht mehr an. 146Was das Vorbringen der Parteien über die Probefahrt angeht, ist es zwar wenig glaubhaft, wenn der Beklagte persönlich im Termin mitgeteilt hat, er habe auf eine solche eigentlich bestanden, diese sei aber abgelehnt worden – der Beklagte sprach nach Erinnerung des Richters sogar wörtlich von verweigert, auch wenn das nicht so protokolliert worden ist –, weil eine Probefahrt dem Kaufinteressenten, ohne daß ihn das etwas kostet, gegebenenfalls weitere Erkenntnisse darüber vermittelt, ob mit dem Fahrzeug alles in Ordnung ist und wie er mit dem Fahrzeug zurechtkommt. 147Andererseits kann dieser Umstand aber nicht dazu führen, daß die von dem Kläger gerügten Phänomene als bewiesen anzusehen sind. Denn dem stehen die technischen Ausführungen des Sachverständigen und die vorstehend ausgeführten Überlegungen entgegen. Überdies hat der Zeuge auch eine Begründung des Beklagten für die Ablehnung der Probefahrt bekundet, die nicht ohne weiteres den Schluß darauf zuläßt, daß der Beklagte etwas zu verbergen hatte, nämlich diejenige, daß der Beklagte keine Lust auf „Probefahrttouristen“ hatte. Dies hat aber gegebenenfalls nichts damit zu tun, daß der Beklagte über den Zustand des Fahrzeugs etwas zu verbergen hatte. 148b) 149Daß der Beklagte den am 7. Juli 2022 im Fehlerspeicher betreffend das Getriebe niedergelegten Fehler bemerkt hätte, ist nicht ersichtlich. 150Nach den Ausführungen des Sachverständigen wird ein Fehler der am 7. Juli 2022 im Fehlerspeicher niedergelegten Art durch den normalen Autofahrer üblicherweise wegen der Geringfügigkeit seiner Symptomatik nicht bemerkt, und dies hat um so mehr zu geltend, wenn er nur selten auftritt – nach den Ausführungen des Sachverständigen war er nach den Aufzeichnungen im Fehlerspeicher nach dessen letzter vorangegangener Löschung per 7. Juli 2022 nur einmal bei 235.412 km aufgetreten, und wenn bereits im Jahr 2021 der Fehlerspeicher gelöscht wurde (vgl. etwa Seite 6 des Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. (TH) , Bl. 403 d.A.), heißt das, er ist in einer Zeit von über einem halben Jahr nur einmal aufgetreten. Wie gesagt hat er mit den seitens des Klägers geschilderten – nicht festzustellenden – Phänomenen nichts zu tun. 151Daß der am 7. Juli 2022 im Fehlerspeicher niedergelegte Fehler sich während der Besitzzeit des Beklagten durch das Aufleuchten einer Kontrollampe bemerkbar gemacht hätte, ist nicht ersichtlich. Zum Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs an Herrn war dies jedenfalls nicht der Fall, andernfalls das Aufleuchten dieser Kontrollampe Herrn 152 aufgefallen wäre, was jedoch niemand auch nur vorträgt. 1532. 154Da eine Gewährleistungspflicht des Beklagten nicht ersichtlich ist, sind auch die seitens des Klägers mit den Klageanträgen zu 3. und 4. verfolgten Schadensersatzansprüche nicht ersichtlich. 155Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. 156Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO. 157Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung beruht auf § 511 ZPO. 158Da § 511 Abs. 4 ZPO in bestimmten Fällen die Zulassung der Berufung vorschreibt und 159§ 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hierzu vorsieht, daß die Zulassung der Berufung ggf. im Urteil zu erfolgen hat, ist mit dem Erlaß des vorliegenden Urteils auch eine Entscheidung darüber zu treffen, ob die Berufung zugelassen wird. Die Berufung ist jedoch vorliegend nicht zuzulassen. 160Da die Beschwer des Klägers mehr als 600,- € beträgt, kommt die Zulassung einer 161Es ist klarzustellen, daß die Berufung trotz Nichtzulassung kraft Gesetzes zulässig ist, wenn der Beschwerdegegenstand der Berufung einen Wert von 600,- € übersteigt. Die Entscheidungsformel spricht lediglich aus, daß eine Berufung nicht zugelassen wird, was bedeutet, daß eine Berufung, die nur im Falle ihrer Zulassung zulässig wäre, mangels Zulassung unzulässig ist. Sie verbietet aber nicht eine auch ohne ihre Zulassung kraft Gesetzes statthafte Berufung. Dies könnte sie auch nicht.
die klage wird abgewiesen. die kosten des rechtsstreits trägt der kläger. das urteil ist gegen sicherheitsleistung in höhe von 120% des jeweils beizutreibenden betrages vorläufig vollstreckbar. die berufung gegen dieses urteil wird nicht zugelassen. 1
2der kläger verlangt erstattung der kosten der beseitigung eines angeblichen mangels an dem angeblich seinerseits vom beklagten gekauften fahrzeug, ferner die befreiung von sachverständigen- und anwaltskosten. 3der beklagte bot am 10. dezember 2020 den streitigen mercedes im internet an (seite 3 der klageschrift, bl. 8 d.a.). 4mit schreiben seiner prozeßbevollmächtigten vom 11. januar 2021 (in abschrift als anlage k5, bl. 54 ff., bei der akte) ließ der kläger bei dem beklagten mit der behauptung, der beklagte habe ihm das fahrzeug am 11. dezember 2020 veräußert, einen mangel an dem getriebe des fahrzeugs rügen dahin, daß insbesondere bei erreichen der betriebstemperatur und bei häufigen gangwechseln im innerstädtischen bereich das automatische getriebe massive auffälligkeiten zeige, der gangwechsel vollziehe sich nicht kraftschlüssig, vielmehr werde beim schalten kurz der kraftschluß unterbrochen, erkennbar daran, daß der motor hochdrehe, erst dann erfolge ruckartig der schaltvorgang, behaupten, der beklagte habe hievon gewußt, und den beklagten zur mangelbeseitigung bis zum 21. januar 2021 sowie vorschußzahlung für die wegekosten ebenfalls bis zum 21. januar 2021 auffordern. 5der beklagte reagierte mit schreiben seines prozeßbevollmächtigten vom 19. januar 2021 (in abschrift als anlage k6, bl. 62 ff., bei der akte) ablehnend, wobei er die ablehnung auf verschiedene gründe stützte. 6der kläger trägt vor: 7er habe am freitag, dem 11. dezember 2020, als er sich auf dem weg zur arbeit befunden habe, mit dem kläger über elektronische post kontakt aufgenommen (seite 3 der klageschrift bl. 8 d.a.). 8der beklagte habe geantwortet und mitgeteilt, das fahrzeug befinde sich einem sehr guten zustand (seite 3 der klageschrift, bl. 8 d.a.). 9weil er sich auf seine arbeitsstelle befunden habe und diese nicht vor dem späten nachmittag habe verlassen können, habe er seinen bruder mittels elektronischer post kontaktiert. er habe sodann den beklagten telefonisch unterrichtet, daß er das fahrzeug kaufen wolle und seinen bruder und eine weitere person entsenden werde, der bruder sei bevollmächtigt, in seinem – des klägers – namen das fahrzeug zu erwerben und auch mit entsprechendem bargeld ausgestattet. der beklagte habe diese verfahrensweise bestätigt (seite 4 der klageschrift, bl. 9 d.a.). 10anschließend habe er seinen bruder unterrichtet und ihm die telefonnummer gegeben mit dem bemerken, daß er diese vorher anrufen solle, worauf sein bruder geantwortet habe, er werde den anrufen und um die adresse bitten, dann fahre er direkt los. außerdem habe sein bruder gefragt, ob der beklagte wisse, daß er – – das fahrzeug für ihn – den kläger – kaufe, was er – der kläger – ihm bestätigt habe (seite 4 der klageschrift, bl. 9 d.a.). 11der kläger legt insoweit als teil der anlage k1 (bl. 21 ff. d.a.) einen ausdruck elektronischer post vor. 12seine brüder und seien sodann zu dem beklagten gefahren. dort habe 13 sich dem beklagten vorgestellt, auf die fernmündlichen besprechungen bezug genommen und nochmals erklärt, das fahrzeug im auftrag seines bruders erwerben zu wollen (seite 5 der klageschrift, bl. 10 d.a.). 14der beklagte habe dann zunächst eine optische überprüfung des fahrzeugs zugelassen. als dann allerdings um eine probefahrt gebeten habe, habe der beklagte sofort abgeblockt und diese verweigert. darauf habe erklärt, er müsse dann erst mit dem bruder rücksprache nehmen, ob dieser bereit sei, das fahrzeug auch ohne probefahrt zu erwerben. das entsprechende telefonat sei sodann im beisein des beklagten geführt worden, und er habe erklärt, er sei an dem fahrzeug interessiert, er – – solle das fahrzeug auch ohne probefahrt erwerben. (seite 5 der klageschrift, bl. 10 d.a., seiten 2 f. der replik, bl. 148 f. d.a.). 15daraufhin habe mit dem beklagten über den kaufpreis verhandelt, und man habe sich auf 7.800,- € geeinigt (seite 5 der klageschrift, bl. 10 d.a., seite 3 der replik, bl. 149 d.a.). 16überraschenderweise habe dann der beklagte einen auf einen käufer namens lautenden und den 2. dezember 2020 datierenden kaufvertrag vorgelegt. auf nachfrage von habe der beklagte sinngemäß erklärt, das fahrzeug sei bereits verkauft gewesen, der käufer habe es aber dann nicht abgenommen. er habe den ursprünglichen kaufvertrag noch einmal ausgedruckt, dieser könne handschriftlich abgeändert werden (seite 5 der klageschrift, bl. 10 d.a.). 17das datum des kaufvertrages sei dann auf den 11. dezember 2020 abgeändert worden, und der exakt abgelesene kilometerstand von 226.690 sei eingefügt worden (seite 5 der klageschrift, bl. 10 d.a.). 18hinter der bereits vorgefertigten erklärung, daß mit dem fahrzeug eine probefahrt durchgeführt worden sei, sei vor unterschriftsleistung handschriftlich vermerkt worden, daß keine probefahrt durchgeführt worden sei, weil der verkäufer eine probefahrt verweigert habe. hinter dem bereits eingefügten zusatz, daß keine mängel festgestellt worden seien, seien auf ausdrückliche aufforderung des beklagten handschriftlich die festgestellten mängel, namentlich sommerreifen verschlissen, bremsen vorne verschlissen, sowie optische mängel an der tür hinten links und am seitenschweller handschriftlich ergänzt worden (seite 6 der klageschrift, bl. 11 d.a., seite 3 der replik, bl. 149 d.a.). insoweit heißt es nunmehr, ihm sei seitens der zeugen und mitgeteilt worden, daß auf seinem – dem kaufvertragsexemplar für den käufer – vor der unterschriftsleistung ausdrücklich notiert worden sei, daß eine probefahrt nicht stattgefunden habe (seite 1 des schriftsatzes vom 18. februar 2022, bl. 315 d.a.). 19außerdem sei der kaufpreis handschriftlich auf 7.800,- € korrigiert worden (seite 6 der klageschrift, bl. 11 d.a.). 20schließlich habe, so der kläger zunächst, der beklagte auf der käuferseite unterschrieben (seite 6 der klageschrift, bl. 11 d.a.). nunmehr heißt es, das ihm vorliegende vertragsexemplar sei nicht durch den beklagten unterschrieben. vielmehr habe dieser den ursprünglich mit herrn abgeschlossenen vertrag an den zeugen übergeben. auf diesem exemplar seien dann, so nunmehr der kläger weiter, die abweichenden daten und sonstigen vereinbarungen handschriftlich, allerdings durch den zeugen, nachgetragen worden. bei der unterschrift käufer handele es sich vermutlich um die unterschrift des ursprünglichen käufers . daß kein ordnungsgemäß unterschriebenes exemplar vorgelegt worden sei, sei dem zeugen gar nicht aufgefallen (seite 1 des schriftsatzes vom 27. juli 2022, bl. 377 d.a.). 21das vom zeugen unterschriebene exemplar, das auch vom verkäufer unterschrieben worden sei, befinde sich im original beim beklagten (seite 2 des schriftsatzes vom 27. juli 2022, bl. 377 d.a.). 22in dem seitens des klägers als teil der anlage k1 (bl. 24 d.a.) in kopie vorgelegten vertrag findet sich außerdem klausel 23umtausch ausgeschlossen 24und keine gewährleistung. 25der beklagte habe – das ist unstreitig – den von ihm – dem beklagten – selbst vorgelegten ursprünglich mit einem herrn abgeschlossen und sodann modifizierten kaufvertrag unterschrieben (seite 2 der replik, bl. 148 d.a.). 26daß auf diesem kaufvertragsexemplar die handschriftlichen ergänzungen fehlten, die im beisein des herrn vor unterschriftsleistung jedenfalls auf seinem – des klägers – kaufvertragsexemplar aufgebracht worden seien, sei nicht auszuschließen. der kilometerstand sei abgelesen und datumsgenau übernommenen eingetragen worden, bevor die unterschrift unter die urkunde erfolgt sei (seite 2 der replik, bl. 148 d.a.). 27daß der beklagte über die stellvertretung unterrichtet worden sei, ergebe sich auch aus seinem eigenen vortrag. er lasse nämlich ausführen, es sei ihm gleichgültig gewesen, wer das fahrzeug konkret kaufen werde, ihm seien die konkreten umstände und verflechtungen zwischen den beteiligten auf klägerseite gleichgültig gewesen. eine solche erklärung sei aber nur dann nachvollziehbar, wenn entsprechendes vertreterhandeln bzw. handeln im auftrag einer anderen person offen gelegt und kommuniziert worden seien. andernfalls bestehe kein anlaß für die erklärung des beklagten, ihm sei letztlich gleichgültig, wer verkäufer sei (seite 2 der replik, bl. 148 d.a.). 28unabhängig von seiner aktivlegitimation habe herr ihm mögliche ansprüche aus dem kaufvertragsverhältnis abgetreten, und er habe die abtretung angenommen (seiten 1 f. der replik vom 24. juni 2021, bl. 147 f. d.a.). der kläger legt insoweit mit schriftsatz vom 6. juli 2021 in kopie (bl. 179 d.a.) eine abtretungserklärung vom 29. juni 2021 vor. 29sein bruder habe dann das fahrzeug zu ihm gebracht und an seiner adresse abgestellt, während sein bruder mit seinem eigenen fahrzeug zurückgereist sei (seite 6 der klageschrift, bl. 11 d.a.). 30er habe sodann am nächsten tag das fahrzeug absprachegemäß abgemeldet. gleichzeitig habe er einen termin zur wiederzulassung vereinbart. zuvor habe das fahrzeug an seiner – des klägers – adresse abgestellt gehabt. er selbst habe das fahrzeug bis zu diesem zeitpunkt gar nicht bewegt gehabt. am 21. dezember 2020 sei sodann das fahrzeug auf seine ehefrau angemeldet worden. als er sodann erstmals selbst das fahrzeug bewegt habe, habe er unregelmäßigkeiten im schaltablauf des automatischen getriebes bemerkt. bei gangwechseln, insbesondere vom niedrigen in den nächsthöheren gang, habe der motor zunächst kurz hoch gedreht, und sodann sei es schlagartig zum gangwechsel gekommen. dies sei insbesondere nach erreichen der betriebstemperatur des fahrzeugs zu beobachten gewesen (seite 6 der klageschrift, bl. 11 d.a.). 31der gangwechsel vollziehe sich nicht hinreichend kraftschlüssig. vielmehr werde beim schalten kurz der kraftschluß unterbrochen, erkennbar daran, daß der motor hochdrehe. sodann erfolge ruckartig der schaltvorgang (seiten 6 f. der klageschrift, bl. 11 f. d.a., seite 6 der replik, bl. 152 d.a.). 32im termin vom 2. september 2022 hat der kläger persönlich das schalten als unsauber bezeichnet. er hat zunächst dieses phänomen nicht näher beschreiben können oder wollen, das fahrzeug schalte halt unsauber und komisch, und schließlich mit einer geste mitgeteilt, man merke so einen ruck. im stadtverkehr merke man den, wenn das fahrzeug schalte, und zwar sowohl, wenn es rauf schalte, als auch, wenn es runter schalte. diese unregelmäßigkeiten träten ab und zu auf, in kaltem zustand sehr stark, wenn es dann warm sei, nicht mehr so oft. ein kraftfahrzeugmechaniker habe ihm mal erklärt, das hänge damit zusammen, daß, wenn das fahrzeug warm sei, das öl besser verteilt sei. wenn das fahrzeug warm sei, sei es aber immer noch auf jeder fahrt so, daß das fahrzeug unregelmäßig schalte, wie er das beschrieben habe. so habe das fahrzeug dies, als er mittwoch bei seinem bruder gewesen sei – das seien so 5 bis 6 km –, auf der hinfahrt, glaube er, zweimal und auf der rückfahrt einmal gemacht. da sei das fahrzeug kalt gewesen. auf der autobahn sei das auch mal passiert, da habe er so 80 bis 90 km/h drauf gehabt, und dann habe er gewollt, daß das fahrzeug schalte, aber das habe nicht geschaltet, und da habe er erst vom gas gehen müssen, und dann sei die geschwindigkeit kleiner geworden, und dann habe das fahrzeug geschaltet, und dann habe er wieder gas geben können. das sei auf einer fahrt nach holland am 21. august 2022 gewesen. das sei eine fahrt kurz hinter die holländische grenze in gewesen, so etwa 20 km. das sei aber kein einmaliger vorfall gewesen, daß er das auf der autobahn gemacht habe, daß habe der immer auch auf der autobahn gemacht. wenn er auf der autobahn fahre, sei das, wenn der richter frage, wie oft normalerweise, so, daß das einmal passiere mit so einer unregelmäßigkeit. das trete immer dann auf, wenn er gas gebe, um auf die autobahn aufzufahren (sitzungsniederschrift vom 2. september 2022). 33auf konkreten vorhalt seines prozeßbevollmächtigten hat der kläger persönlich im termin weiter beschrieben, es sei richtig, daß das fahrzeug beim schalten, und zwar im stadtverkehr, bei den unregelmäßigkeiten erst einmal die drehzahl hochfahre, und dann gebe es diesen ruck, und erst auf weiteren konkreten vorhalt seines prozeßbevollmächtigten hieß, es sei richtig, daß das fahrzeug dann zeitversetzt schalte. man habe so das gefühl, das müßte jetzt schalten, das tue es dann aber nicht, und dann gebe es irgendwann später diesen ruck (sitzungsniederschrift vom 2. september 2022). 34bei der probefahrt mit dem sachverständigen – erst so 1 bis 2 km zu mercedes, und dann noch im stadtverkehr und auch auf der autobahn – sei er dabei gewesen, da sei es zu diesen auffälligkeiten nicht gekommen (sitzungsniederschrift vom 2. september 2022). 35diesen sachverhalt habe er seinem bruder mitgeteilt, der geprüfter kfz-techniker sei und inhaber des sachverständigenbüros in . dieser habe dann auch sofort die beschriebenen probleme festgestellt (seite 7 der klageschrift, bl. 12 d.a.). 36der sachmangel habe auch schon zum zeitpunkt des gefahrübergangs vorgelegen und sei dem beklagten bekannt gewesen (seiten 8 und 9 der klageschrift, bl. 13 und 14 d.a., seiten 6 f. der replik, bl. 152 f. d.a.). 37der beklagte habe den mangel arglistig verschwiegen (seite 9 der klageschrift, bl. 14 d.a.). 38dem beklagten, der das fahrzeug selbst über viele jahre genutzt habe, sei das übliche fehlerfreie schaltverhalten des fahrzeugs bekannt gewesen, und der unterschied zwischen einem fehlerfreien schaltverhalten des getriebes und den beschriebenen fehlern bei dem schaltvorgang sei für eine person, die mit dem fahrzeug vertraut sei, sofort erkennbar. der fehler sei auch nicht plötzlich, sondern sukzessive aufgetreten. es handele sich um eine schleichende perpetuierung der fehlerhaften schaltvorgänge (seiten 9 der klageschrift, bl. 14 d.a.). es handele sich um einen sukzessive auftretenden mangel, der nicht unerwartet entstehe, sondern sich ausweite. wenn ein solcher mangel einmal eingetreten sei, weite er sich relativ schnell und sukzessive aus und führe zu erheblichen problemen beim gangwechsel des automatischen getriebes (seite 4 der replik, bl. 150 d.a.). 39in diesen kontext füge sich die ausdrückliche weigerung ein, das fahrzeug vor seinem erwerb sachgerecht probefahren zu dürfen (seite 9 der klageschrift, bl. 14 d.a., seite 8 der replik, bl. 154 d.a.). bei einer probefahrt durch herrn wäre, wie der beklagte zu recht befürchtet habe, der fehler aufgefallen (seite 9 der klageschrift, bl. 14 d.a., seite 8 der replik, bl. 154 d.a.). aufgrund dieser seiner – zutreffenden – befürchtung habe der beklagte die probefahrt verweigert (seite 3 des schriftsatzes vom 6. juli 2021, bl. 178 d.a.). 40offensichtlich aufgrund des zweifelsfrei vorliegenden getriebeproblems habe der beklagte die probefahrt verweigert. die verweigerung der probefahrt habe offenbar ihren grund darin, daß andernfalls dem sachkundigen herrn der mangel des getriebes aufgefallen wäre (seite 7 der klageschrift, bl. 12 d.a., seite 4 der replik, bl. 150 d.a.). herr habe am 23. dezember 2020 um 13.15 uhr den fehlerspeicher ausgelesen. neben einem vorliegend nicht interessierenden fehler im saugrohr sei der fehler 41- fehlercode dtc 2783 / (original-fehlercode 2783) 42 wandlerkupplung 43- funktion fehlerhaft 44hinterlegt gewesen. dieser fehlerausweis habe sich mit der einschätzung des herrn 45 gedeckt, das mutmaßlich entweder die bremsbänder der planetenradsätze defekt seien oder es im rahmen der kraftübertragung durch die wandlerkupplung zu fehlern in der kraftübertragung komme (seite 7 der klageschrift, bl. 12 d.a.). 46der kläger legt insoweit als anlage k2 (bl. 29 ff. d.a.) ein dokument über das ergebnis der seinerseits vorgetragenen auslesung vor. 47er hat hierzu persönlich im termin mitgeteilt, er selbst habe zunächst erst einmal bei der firma , bei der er arbeite, den fehlerspeicher mit einem gerät von gutmann ausgelesen, und die anlage k2 (bl. 29 ff.) sei der ausdruck von dieser fehlerspeicherauslesung. auch sein bruder habe außerdem den fehlerspeicher des fahrzeugs ausgelesen (sitzungsniederschrift vom 2. september 2022). 48eine weitere fehlerauslesung sei am 28. juni 2021 erfolgt, und die fehlercodierungen hätten nach wie vor bestand (seite 1 des schriftsatzes vom 6. juli 2021, bl. 176 d.a.). 49der kläger legt als bl. 180 ff. d.a. ein dokument über das ergebnis der seinerseits vorgetragenen fehlerspeicherauslesung vor. 50er, so der kläger persönlich weiter im termin vom 2. september 2022, habe den fehlerspeicher am 23. dezember 2020 und auch später nach der weiteren auslesung im jahr 2021 ein weiteres mal gelöscht (sitzungsniederschrift vom 2. september 2022). 51der seitens des beklagten vorgelegte bericht über die hauptuntersuchung sei unbehelflich, weil bei einer hauptuntersuchung gar kein gangwechsel stattfinde und im übrigen das schaltverhalten des getriebes auch nicht prüfungsgegenstand bei einer hauptuntersuchung sei (seite 5 der klageerwiderung, bl. 151 d.a.). allerdings gehe auch er davon aus, daß am 18. märz 2020 der getriebeschaden noch nicht vorgelegen habe, weil naheliegenderweise der beklagte das fahrzeug sonst kurz nach der hauptuntersuchung veräußert hätte (seite 6 der replik, bl. 152 d.a.). 52das wandlerkupplungssystem (beschreibung im einzelnen seiten 7 f. der klageschrift, bl. 12 f. d.a.) sei grundsätzlich wartungs- und verschleißfrei. drehmomentwandler hielten normalerweise das ganze autoleben lang, wobei dieselfahrzeuge von mercedes auf gesamtlaufleistungen von mindestens 300.000 km ausgelegt und konstruiert seien. demnach liege in den hier aufgetretenen problemen ein sachmangel (seite 8 der klageschrift, bl. 13 d.a.). 53es möge zwar sein, daß bei einer laufleistung von 200.000 km mit einem schaden an automatikgetrieben zu rechnen sei. wenn dieser mangel vorliege, müsse man ihn allerdings auch offenlegen (seite 8 der replik, bl. 154 d.a.). 54zur instandsetzung des fahrzeugs seien gesamtkosten von 3.884,04 € netto erforderlich, deren erstattung er mit dem klageantrag zu 1. begehre (im einzelnen seiten 9 f. der klageschrift, bl. 14 f. d.a., seiten 7 f. der replik, bl. 153 f. d.a.). 55außerdem könne er, wie es mit dem klageantrag zu 2. geschehe, die feststellung verlangen, daß etwaige weitere kosten seitens des beklagten zu tragen seien, insbesondere etwa im zuge der instandsetzung anfallende umsatzsteuern. auch komme es in betracht, daß gegenüber den angesetzten von einer problemlosen durchführung der reparatur ausgehenden arbeitszeiten aufgrund von problemen bei der reparatur, etwa schwergängigkeit von verschraubungen, aber auch etwa von erforderlichen reinigungs- und fettungsarbeiten, größere arbeitszeiten anfielen (seiten 10 f. der klageschrift, bl. 15 f. d.a.). 56ferner könne er die freistellung von den sachverständigenkosten gegenüber dem sachverständigenbüro in höhe von 614,57 € verlangen. diese kosten seien üblich und angemessen (seite 11 der klageschrift, bl. 16 d.a., seite 8 der replik, bl. 154 d.a.). 57der sachverständige sei fachlich qualifiziert (im einzelnen seite 2 des schriftsatzes vom 6. juli 2021, bl. 177 d.a.). 58außerdem könne er die erstattung der kosten für die im dezember 2020 erfolgte einschaltung seiner prozeßbevollmächtigten zur außergerichtlichen verfolgung seiner ansprüche in höhe von 627,23 € verlangen (im einzelnen seiten 11 f. der klageschrift, bl. 16 f. d.a.). 59der kläger hat zunächst die anträge angekündigt (seite 2 der klageschrift, bl. 7 d.a.), 601. den beklagten zu verurteilen, an den kläger 3.884,04 € nebst höhe von 5 prozentpunkten über dem basiszinssatz seit rechtshängigkeit zu zahlen, 612. festzustellen daß der beklagte verpflichtet ist, dem kläger sämtliche weiteren aufwendungen zu ersetzen, welche diesem im rahmen der instandsetzung des automatischen getriebes am pkw mercedes c-klasse, t-modell, baumuster 204, fahrgestell-nr. wdd2042021f665979, auf der grundlage des sachverständigengutachtens des sachverständigen vom 24. dezember 2020 entstehen werden, 623. den beklagten weiters zu verurteilen, den kläger von sachverständigenkosten gegenüber dem sachverständigen , inhaber , gemäß dem gutachten vom 24. dezember 2020 und der rechnung vom 25. dezember 2020 in höhe von 614,57 € freizustellen, 634. den beklagten zu verurteilen, den kläger von außergerichtlich angefallenen rechtsverfolgungskosten in höhe von 614,57 € gegenüber der rechtsanwaltskanzlei , , freizustellen. 64der kläger beantragt nunmehr (seite 2 der klageschrift, bl. 7 d.a., seiten 1 f. des schriftsatzes vom 20. mai 2021, bl. 95 f. d.a.), 651. den beklagten zu verurteilen, an den kläger 3.884,04 € nebst höhe von 5 prozentpunkten über dem basiszinssatz seit rechtshängigkeit zu zahlen, 662. festzustellen daß der beklagte verpflichtet ist, dem kläger sämtliche weiteren aufwendungen zu ersetzen, welche diesem im rahmen der instandsetzung des automatischen getriebes am pkw mercedes c-klasse, t-modell, baumuster 204, fahrgestell-nr. wdd2042021f665979, auf der grundlage des sachverständigengutachtens des sachverständigen vom 24. dezember 2020 entstehen werden, 673. den beklagten weiters zu verurteilen, den kläger von sachverständigenkosten gegenüber dem sachverständigen , inhaber , gemäß dem gutachten vom 24. dezember 2020 und der rechnung vom 25. dezember 2020 in höhe von 614,57 € freizustellen, 684. den beklagten zu verurteilen, den kläger von außergerichtlich angefallenen rechtsverfolgungskosten in höhe von 627,23 € gegenüber den rechtsanwälten 69 , , freizustellen. 70der beklagte beantragt (seite 1 des schriftsatzes vom 11. juni 2021, bl. 105 d.a.), 71 die klage abzuweisen. 72der beklagte trägt vor: 73der kläger sei nicht aktivlegitimiert. er sei nämlich nicht käufer oder eigentümer des fahrzeugs. käufer sei vielmehr ausweislich des als anlage b1 (bl. 118) in kopie überreichten kaufvertrages herr (seite 1 der klageerwiderung, bl. 105 d.a.). 74im übrigen sei die klage aber auch aus verschiedenen anderen gründen unbegründet. 75der kläger lege einen kaufvertrag vor, der seinerseits – seitens des beklagten – nicht unterzeichnet worden sei. dies überrasche auch nicht, weil es sich nicht um denjenigen kaufvertrag handele, der im rahmen der verhandlungen des herrn mit ihm – dem beklagten – unterzeichnet worden sei (seite 2 der klageerwiderung, bl. 106 d.a., seiten 1 f. der duplik, bl. 186 f. d.a.). das vorbringen des klägers, daß er – der beklagte – den kaufvertrag auf der linken seite unterzeichnet haben solle, sei falsch. diese unterschrift stamme nicht von ihm. wer sie geleistet habe, wisse er nicht (seite 2 der klageerwiderung, bl. 106 d.a., seiten 1 f. der duplik, bl. 186 f. d.a.). 76herr sei es jedenfalls entgegen dem abwegigen vorbringen des klägers nicht gewesen. der kläger lasse selber vortragen, er – der beklagte – habe den ursprünglichen kaufvertrag nochmals ausgedruckt. es bleibe der fantasie des klägers überlassen, wie auf einen neuen ausdruck die unterschrift des früheren kaufinteressenten kommen solle. herr 77 habe auch tatsächlich nie den kaufvertrag unterschrieben. zwischen ihm und herrn sei ein entsprechender vertrag nie zustandegekommen (seite 2 des schriftsatzes vom 5. august 2020, bl. 493 d.a.). der kläger habe hingegen ungeachtet des hinweises der kammer in dem beweisbeschluß vom 3. november 2021, in dem um mitteilung gebeten worden sei, falls der kläger nicht behaupten wolle, daß der beklagte das seitens des klägers vorgelegten exemplar des kaufvertrags unterschrieben habe, an seinem vorbringen, er – der beklagte – habe dieses kaufvertragsexemplar unterschrieben, offensichtlich festgehalten. denn er habe auf diesen hinweis nicht reagiert (seite 2 des schriftsatzes vom 5. august 2022, bl. 493 d.a.). 78das original des kaufvertrages über das fahrzeug, welches für den vertragsschluß einzig maßgeblich sei, liege ihm vor (seite 1 der duplik, bl. 186 d.a.). 79die einzigen vertragsgegenständlichen änderungen, welche vorliegend beide verträge beträfen und im beisein des käufers und seiner person vorgenommen worden seien, seien das datum des kaufvertrages und der endgültige kaufpreis (seite 3 der duplik, bl. 188 d.a.). 80die [scil.: übrigen] im nachgang vorgenommenen handschriftlichen ergänzungen [scil.: auf dem kaufvertrag, den der kläger vorlege] seien nicht durch ihn vorgenommen bzw. bestätigt worden (seite 1 der duplik, bl. 186 d.a.). sie seien nicht vertragsgegenständlich geworden. sie seien im nachgang – von wem auch immer – auf der seitens des klägers vorgelegten version des vertrages ergänzt worden. dies gelte sowohl für die handschriftlich ergänzte laufleistung in dem vorgelegten vertrag als auch die offensichtlich aus anderer handschrift stammenden ergänzungen (seiten 3 f. der klageerwiderung, bl. 107 f. d.a., seite 2 der duplik, bl. 187 d.a.). einzig an dem vertrag des klägers seien nachträglich abänderungen vorgenommen worden, die unter anderem auch die angebliche unterschrift seiner – des beklagten – person beinhalteten (seite 3 in der duplik, bl. 188 d.a.). 81richtig sei allerdings, daß über die entsprechenden mängel gesprochen worden sei. sie seien jedoch auf dem ihm – dem beklagten – vorliegenden exemplar nicht eingetragen. der käufer habe sie auf seinem exemplar ohne sein – des beklagten – beisein ergänzt (seite 2 der duplik, bl. 187 d.a.). 82daß in den geschlossenen kaufvertrag ursprünglich herr als käufer eingesetzt sei, habe seinen grund darin, daß herr sich für das fahrzeug interessiert habe. er – der beklagte – habe deshalb einen entsprechenden kaufvertrag entworfen. zu dem abschluß dieses kaufvertrages sei es aber nicht gekommen, weil herr nicht in der lage gewesen sei, das fahrzeug zu bezahlen, und ihm dies auch vor abschluß des kaufvertrages mitgeteilt habe (seite 2 der klageerwiderung, bl. 106 d.a.). 83da zum zeitpunkt des kaufvertragsschlusses sein drucker defekt gewesen sei, sei der vorherige entwurf genutzt und entsprechend angepaßt worden. in diesem zusammenhang habe er herrn gebeten, die daten des käufers in den kaufvertrag nebst entsprechender anschrift einzutragen, was dieser auch getan habe (seite 2 der klageerwiderung, bl. 106 d.a.). herr habe seine persönlichen daten in den kaufvertrag eingetragen und auch seine visitenkarte (in kopie als anlage b2, bl. 119, bei der akte) vorgelegt (seite 3 der klageerwiderung, bl. 107 d.a.). 84der sachvortrag des klägers sei auch insoweit nicht richtig, als dieser vortrage, ihm – dem beklagten – sei gleichgültig gewesen, wer das fahrzeug kaufen werde. ihm seien die konkreten umstände und verflechtungen zwischen den beteiligten tatsächlich gleich gewesen, solange zwischen dem abholer, der ihm gegenüber als käufer aufgetreten sei, und ihm ein kaufvertrag geschlossen werden würde. dies habe er auch in dem gespräch mit dem kläger zum ausdruck gebracht. die verflechtungen seien ihm auch deshalb unbekannt gewesen, weil er bei den telefonaten und bei der abholung stets mit einem herrn gesprochen habe, ohne daß eine differenzierung in bezug auf die vornamen erfolgt sei (seite 3 der klageerwiderung, bl. 107 d.a., seite 1 der duplik, bl. 186 d.a.). 85der kaufvertrag sei demnach mit herrn zustande gekommen, nicht mit dem kläger (seiten 1 und 3 der klageerwiderung, bl. 105 und 107 d.a.). 86er gehe übrigens davon aus, daß der seitens des klägers als zeuge benannte herr nicht bei dem abschluß des kaufvertrages zugegen gewesen sei. es sei zwar eine zweite person bei der übergabe an ort und stelle gewesen. diese person habe jedoch keinerlei ähnlichkeit zu dem käufer des fahrzeugs aufgewiesen (seite 3 der klageerwiderung, bl. 107 d.a.). 87es treffe auch nicht zu, daß eine probefahrt verwehrt worden sei. herrn sei ausreichend gelegenheit gegeben worden, das fahrzeug zu erproben und eine probefahrt durchzuführen. der käufer habe aber auf die durchführung einer probefahrt unter hinweis darauf, daß er als „fachmann etwaige fehler sofort erkennen würde“ verzichtet, nachdem er das fahrzeug eingehend untersucht gehabt habe. zu diesem zweck habe er sich in das fahrzeug gesetzt, den motor gestartet und das getriebe geprüft, ob dieses greifen würde. zu diesem zweck habe er die fahrtstufe d des automatikgetriebes und auch den rückwärtsgang eingelegt und einige tests bei laufendem motor durchgeführt, ferner das fahrzeug mit einem lackschichtenmeßgerät überprüft. er sei zu dem ergebnis gekommen, das alles in ordnung sei, und habe deshalb auch ohne vorbehalte auf dem kaufvertrag bestätigt, daß er eine probefahrt durchgeführt habe (seite 4 der klageerwiderung, bl. 108 d.a., seiten 2 und 3 der duplik, bl. 187 und 188 d.a.). 88hierzu hat der beklagte persönlich im termin mitgeteilt, er – der beklagte – habe eigentlich auf eine probefahrt bestanden, aber die probefahrt sei dann von dem, der ad gewesen sei, von herrn , abgelehnt worden (sitzungsniederschrift vom 2. september 2022). 89herr habe den motor gestartet und sei ein stück gefahren und habe dann stark gas gegeben und gleichzeitig gebremst. das sei seinem – des beklagten – eindruck nach ein test gewesen, ob das getriebe ordentlich arbeite. das gleiche habe herr dann auch nochmal im rückwärtsgang gemacht, und außerdem habe herr auch noch den gang n eingelegt und den motor laufen lassen und die motorhaube aufgemacht und da reingeguckt. das sei es dann angewesen (sitzungsniederschrift vom 2. september 2022). 90der angebliche mangel liege auch nicht vor (seiten 5 und 6 der klageerwiderung, bl. 109 und 110 d.a., seite 3 der duplik, bl. 188 d.a.). 91jedenfalls seien ihm, der technischer laie sei, etwaige mängel nicht bekannt gewesen (seiten 5 und 11 der klageerwiderung, bl. 109 und 115 d.a.). wären tatsächlich fehler vorhanden und offenkundig gewesen, wären sie auch herrn aufgefallen. daß dies nicht der fall sei, belege, daß er – der beklagte – nicht habe wissen können, daß das fahrzeug möglicherweise fehler aufweise (seite 12 der klageerwiderung, bl. 116 d.a.). 92das fahrzeug habe sich zum zeitpunkt der übergabe in einem altersgemäßen guten zustand befunden (seite 5 der klageerwiderung, bl. 109 d.a.). das getriebe sei ein dem verschleiß unterliegendes bauteil. bei einer laufleistung von 226.000 km sei ein verschleiß nicht unüblich. schon bei einer laufleistung von 200.000 km sei auch bei einem mercedes mit einem schaden am automatikgetriebe zu rechnen (seite 12 der klageerwiderung, bl. 116 d.a.). 93die nunmehr seitens des klägers vorgetragenen mängel seien ihm nicht bekannt gewesen (seiten 5 und 11 der klageerwiderung, bl. 109 und 115 d.a.). entsprechende schäden könnten durchaus plötzlich erst in erscheinung treten, insbesondere auch, ohne daß zuvor auffälligkeiten erkennbar gewesen seien. daß es sich um einen sukzessive auftretenden fehler handele, sei unzutreffend (seite 13 der klageerwiderung, bl. 117 d.a., vgl. auch seite 4 der duplik, bl. 189 d.a.). 94er habe das fahrzeug bis wenige tage vor dem verkauf genutzt, da er erst zu diesem zeitpunkt seinen neuwagen erhalten habe. etwaige auffälligkeiten habe er nicht feststellen können (seite 6 der klageerwiderung, bl. 110 d.a.). auch seiner ehefrau und seiner tochter, die mit dem fahrzeug (mit)gefahren seien, seien etwaige mängel nicht aufgefallen, ebenso wenig seinem bruder, der ebenfalls einen mercedes c-klasse fahre und ihn auf längeren fahrten in die niederlande (etwa 250 km einfache strecke) und zuletzt noch auf einer fahrt am 19. november 2020 begleitet habe (seiten 5 und 6 der klageerwiderung, bl. 109 und 110 d.a., seite 4 der duplik, bl. 189 d.a.). 95ihm liege auch ein bericht der dekra vom 18. märz 2020 (in kopie als anlage b3, bl. 120 ff., bei der akte) vor, in dem der angebliche mangel nicht ausgewiesen sei, was aber bei einem getriebemangel je nach art des defekts der fall gewesen wäre (seite 5 der klageerwiderung, bl. 109 d.a.). 96selbst wenn ein fehler bei der behaupteten auslesung des steuergerätes durch die firma 97 , die übrigens die kilometerlaufleistung im rahmen der auslesung des fehlerspeichers nicht ordnungsgemäß, sondern mit 0 angegeben habe, angezeigt worden sein sollte, beweise dies seine tatsächliche existenz nicht. es komme durchaus vor, daß softwarebedingt nicht existente fehler im auslesegerät angezeigt würden. es sei nicht einmal ersichtlich, bei welcher laufleistung die fehlerspeicherauslesung durchgeführt worden sei (seiten 10 f. der klageerwiderung, bl. 114 f. d.a., seite 6 der duplik, bl. 191 d.a.). 98es sei ferner darauf hinzuweisen, daß auch das vorbringen des klägers in bezug auf den zeitablauf unglaubhaft sei. nach der seitens des klägers vorgelegten rechnung des gutachters solle der gutachtenauftrag angeblich bereits am 12. dezember 2020 erteilt worden sein, während der kläger vortrage, das fahrzeug erst am 21. dezember 2020 auf seine ehefrau zugelassen und erst danach erstmalig selbst bewegt zu haben, wobei ihm angeblich erst dann die entsprechenden mängel aufgefallen sein sollten (seite 8 der klageerwiderung, bl. 112 d.a.). 99nach der fahrzeugübergabe sei ihm auch zu keinem zeitpunkt kommuniziert worden, daß etwaige mängel an dem fahrzeug vorlägen, welche den entsprechenden gebrauch tatsächlich einschränkten und nicht alters- und laufleistungstypisch seien. sollten etwaige mängel an dem fahrzeug tatsächlich vorliegen, sei davon auszugehen, daß sie erst nach übergabe des fahrzeugs entstanden und vom vereinbarten gewährleistungsausschluß umfaßt seien. die schäden könnten durch die überführungsfahrt durch den fahrer des fahrzeugs verursacht worden sein, welcher vermutlich nicht sachgemäß mit dem streitigen fahrzeug umgegangen sei (seite 8 der klageerwiderung, bl. 112 d.a.). 100auch die differenz zwischen der in dem durch herrn unterschriebenen kaufvertrag ausgewiesenen laufleistung einerseits und derjenigen in dem angeblichen gutachten andererseits bestätigten, daß das fahrzeug zwischendurch 823 km bewegt worden sei, womit sich die annahme bestätige, daß der kläger das fahrzeug nach dem kaufvertragsschluß nicht unerheblich genutzt habe (seite 10 der klageerwiderung, bl. 114 d.a.). 101noch am 15. dezember 2020 habe er den käufer angerufen, um zu fragen, ob das fahrzeug entsprechend der vertraglichen vereinbarung inzwischen abgemeldet worden sei, und sich dabei auch erkundigt, ob alles in ordnung sei oder irgendwelche probleme vorliegen würden. der käufer habe daraufhin bestätigt, daß das fahrzeug abgemeldet worden sei, und mitgeteilt, es sei alles in ordnung (seite 8 der klageerwiderung, bl. 112 d.a., seiten 3 f. der duplik, bl. 188 f. d.a.). 102am 29. dezember 2020 habe sich sodann der kläger bei ihm gemeldet, was ihn gewundert habe, weil er nach dem kaufvertrag das fahrzeug nicht an diesen verkauft habe. ungeachtet dessen sei er bereit gewesen, mit dem kläger die angelegenheit zu besprechen. in diesem gespräch habe er sich bereit erklärt, das fahrzeug gegen erstattung des kaufpreises zurückzunehmen. dies sei jedoch für den kläger zu seiner verwunderung nicht in betracht gekommen. der kläger habe vielmehr die hälftige erstattung der durch seinen bruder ermittelten reparaturkosten verlangt, was er – der beklagte – jedoch abgelehnt habe. er – der beklagte – habe sodann die vermutung gehegt, daß durch dieses vorhaben und den unbedingten wunsch, den vertrag nicht rückabzuwickeln, der versuch unternommen werde, unrechtmäßig den kaufpreis nachträglich zu reduzieren (seite 9 der klageerwiderung, bl. 113 d.a.). 103als sich die stimmung sodann beruhigt gehabt habe, seien die parteien auf private dinge zu sprechen gekommen, und der kläger habe ihm mitgeteilt, er sei dem grunde nach mit dem fahrzeug überaus zufrieden und habe auch bereits kürzere reisen mit der familie in die eifel unternommen (seite 9 der klageerwiderung, bl. 113 d.a.). 104unterstellt, die angeblichen fehler lägen im fehlerspeicher noch vor, handele es sich vorliegend einzig um eine suche nach gründen, den kaufpreis im nachhinein zu mindern. andernfalls hätte der kläger sein – des beklagten – angebot angenommen und das fahrzeug zurückgegeben (seite 5 der duplik, bl. 190 d.a.). 105die seitens des angeblichen sachverständigen , der jedenfalls nicht „dat expert partner“ sei und dessen gutachtereigenschaft bestritten werde, ermittelten reparaturkosten hielten auch einer überprüfung nicht stand (seiten 5 und 6 f. der klageerwiderung, bl. 109 und 110 f. d.a.). 106insoweit sei darauf hinzuweisen, daß der angebliche gutachter sich wahrheitswidrig in der vorgerichtlichen korrespondenz als „dat expert partner“ vorgestellt habe. insoweit werde als anlage b5 (bl. 125) das schreiben des herrn vom 25. dezember 2020 zur akte gereicht (seite 7 der klageerwiderung, bl. 111 d.a.). 107im rahmen der vorgerichtlichen korrespondenz habe der kläger ein schreiben des angeblichen sachverständigen vom 25. dezember 2020 übermittelt, aus welchen hervorgehe, daß der sachverständige selbst nicht in der lage sei, ohne professionelles auslesegerät die mängel festzustellen. wie er dann aber zu dem ergebnis komme, im rahmen seiner begutachtung einen schaden von angeblich 3.884,04 € brutto zu ermitteln, sei nicht nachvollziehbar, zumal er gleichzeitig angebe, den schaden mangels technischer möglichkeiten nicht ermitteln zu können (seiten 8 f. der klageerwiderung, bl. 112 f. d.a.). 108die seitens des angeblichen gutachters ermittelten kosten seien völlig überzogen (seiten 10 und 11 der klageerwiderung, bl. 114 und 115 d.a.). abgesehen davon werde dem kläger kein anspruch auf erstattung eines neuteils ohne abzug zustehen. der kläger müsse sich vielmehr gegebenenfalls einen abzug unter dem gesichtspunkt neu für alt gefallen lassen (seite 11 der klageerwiderung, bl. 115 d.a.). 109eine erstattung der gutachterkosten könne der kläger auch nicht verlangen (seite 7 der klageerwiderung, bl. 111 d.a.). die angeblichen kosten des sachverständigen seien nicht angefallen (seite 13 der klageerwiderung, bl. 117 d.a.). die insoweit vorgelegte rechnung weise nicht einmal eine rechnungsnummer auf, so daß davon auszugehen sei, daß zu keinem zeitpunkt geplant gewesen sei, eine kostenpflichtige beurteilung des fahrzeugzustands vorzunehmen (seite 7 der klageerwiderung, bl. 111 d.a.). 110es sei nicht erkennbar, daß der angebliche gutachter das fahrzeug ordnungsgemäß begutachtet habe. schon die begutachtung werde bestritten. der angebliche gutachter verweise in seinem angeblichen gutachten neben der feststellung, daß er mangels auslesegerätes nicht in der lage sei, den fehler zu erkennen, lediglich auf die fehlercodes der firma . worin seine leistung zu sehen sei, die angeblich ein honorar von 614,57 € rechtfertige, sei nicht ersichtlich (seiten 10 und 13 der klageerwiderung, bl. 114 und 117 d.a.). welche untersuchungen der angebliche sachverständige durchgeführt haben wolle, ergebe sich aus dem gutachten nicht (seite 5 der duplik, bl. 190 d.a.). 111weil die rechnung mangels rechnungsnummer nicht ordnungsgemäß sei, sei der entsprechende betrag nicht fällig, und dem kläger stehe auch kein freistellungsanspruch zu (seiten 7 und 13 der klageerwiderung, bl. 111 und 117 d.a.). 112ein anspruch des klägers auf erstattung von rechtsanwaltskosten komme nicht in betracht, selbst wenn sich der prozeßbevollmächtigte des klägers vorgerichtlich für diesen bestellt habe. denn der kläger sei nicht käufer des fahrzeugs und auch nicht gegenwärtig dessen eigentümer (seite 13 der klageerwiderung, bl. 117 d.a.). 113mit schriftsatz vom 5. august 2022 (bl. 492 ff. d.a.) nimmt der beklagte im übrigen noch zum ergebnis der schriftlichen begutachtung stellung. hierauf wird verwiesen. 114wegen des weiteren parteivorbringens wird auf den vorgetragenen inhalt der gewechselten schriftsätze und der dazu überreichten anlagen verwiesen. 115die kammer hat aufgrund des beweisbeschlusses vom 3. november 2021 (bl. 208 ff. d.a.) beweis erhoben durch anhörung der zeugen , , und sowie des sachverständigen dipl.-ing. (th) , ferner einholung schriftlicher gutachten der sachverständigen dipl.-ing. (th) und dipl. verw. dipl. graph. 116 vor dem termin. wegen des ergebnisses der beweisaufnahme wird auf den inhalt des als bl. 398 ff. bei der akte befindlichen gutachtens des sachverständigen dipl.-ing. (th) vom 12. juli 2022, den inhalt des als bl. 436 ff. bei der akte befindlichen gutachtens des sachverständigen dipl. verw. dipl. graph. vom ebenfalls 12. juli 2022 und die niederschrift der sitzung vom 2. september 2022 verwiesen. 117den zeugen , der zum termin nicht erschienen war, hat die kammer nicht angehört, weil es auf die in sein wissen gestellten behauptungen für die entscheidung des rechtsstreits nicht mehr ankommt. 118
119die klage ist nicht begründet. 1201. 121dem kläger stehen der mit den klageanträgen zu 1. und 2. geltendgemachte schadensersatzanspruch auf erstattung der reparaturkosten und dementsprechend auch der hierauf geltendgemachte zinsanspruch nicht zu. 122der beklagte ist gegenüber dem kläger nicht aufgrund eines mangels des fahrzeugs gewährleistungspflichtig. 123wie unter den parteien unstreitig ist, ist die gewährleistung ausgeschlossen. dies bedeutet, der beklagte ist von jeglicher gewährleistung für etwa an dem fahrzeug vorhandene mängel frei, es sei denn, er hätte – was von vornherein nicht in rede steht – für das nichtvorhandensein eines bestehenden mangels eine garantie übernommen oder er hätte das vorhandensein eines bestehenden mangels arglistig verschwiegen, § 444 bgb. 124a) 125daß die seitens des klägers geschilderten phänomene bei den schaltvorgängen an dem streitigen fahrzeug vorhanden sind, ist nicht bewiesen. 126der nach dem ergebnis der durch den sachverständigen dipl.-ing. (th) durchgeführten fehlerspeicherauslesung am 7. juli 2022 im fehlerspeicher niedergelegte fehler führt nach den ausführungen des genannten sachverständigen nicht zu den seitens des klägers beschriebenen phänomenen beim schalten und ist übrigens nach den ausführungen des genannten sachverständigen ausweislich der anzeige des häufigkeitszählers auch nur einmal seit der letzten der auslesung vom 7. juli 2022 vorangegangenen fehlerspeicherlöschung aufgetreten. der insoweit niedergelegte fehler könnte also mit den seitens des klägers beschriebenen phänomenen, wenn sie vorlägen, nichts zu tun haben. 127nach den ausführungen des sachverständigen hätten jedoch die seitens des klägers beschriebenen phänomene, wenn sie denn vorhanden wären, dazu geführt, daß ein entsprechender fehler im fehlerspeicher niedergelegt wäre. da die behaupteten phänomene nach wie vor vorhanden sein sollen, der fehlerspeicher jedoch in letzter zeit, wie sich aus den mitteilungen des klägers ergibt, nicht mehr gelöscht worden ist, hätte dementsprechend ein weiterer fehler, der als erklärung für die infragestehende phänomene in betracht käme, am 7. juli 2022 im fehlerspeicher niedergelegt sein müssen, etwa mit der fehlerbezeichnung 128druckaufbau kupplung k1 zu niedrig 129oder auch 130druckaufbau bremsband zu langsam, 131wobei es verschiedene bremsbänder gibt, die in einer fehlerbeschreibung der letzteren art bezeichnet werden könnten. dies ist jedoch nach den ausführungen des sachverständigen nicht der fall. 132hinzu kommt, daß bei der probefahrt mit dem sachverständigen, obwohl sie nach den mitteilungen des klägers im termin bei jeder fahrt aufzutreten pflegen, wie der kläger einräumt, die seinerseits geschilderten phänomene nicht aufgetreten sind. 133wenn außerdem der kläger zu den vorgängen am 11. dezember 2020 vorträgt, 134sein bruder habe dann das fahrzeug zu ihm gebracht und an seiner adresse abgestellt, während sein bruder mit seinem eigenen fahrzeug zurückgereist sei (seite 6 der klageschrift, bl. 11 d.a.), 135fällt auch in diesem zusammenhang ein umstand auf, der dagegen spricht, daß die seitens des klägers geschilderten phänomene bei dem fahrzeug wirklich aufgetreten sind. denn wenn diese phänomene bei jeder fahrt auftreten würden, hätte auch herr sie bei der seinerseits durchgeführten nicht ganz kurzen überführungsfahrt bemerkt, und dies wäre dann seitens des klägers mit sicherheit auch vorgetragen worden, und der kläger hätte mit gleicher sicherheit hierfür herrn auch als zeugen benannt. dies ist jedoch nicht geschehen. dieses detail paßt gut zu der zumindest sehr ernstlich in betracht kommenden möglichkeit, daß in wahrheit eben die phänomene, die der kläger schildert, nicht auftreten, sondern nunmehr aufgrund des ergebnisses der fehlerspeicherauslesung erfunden werden, um den kaufpreis auf der grundlage des ergebnisses der fehlerspeicherauslesung nachträglich zu drücken, was angesichts des gewährleistungsausschlusses nur möglich ist, wenn man phänomene schildert, die dem beklagten nicht verborgen geblieben sein können und deshalb von ihm arglistig verschwiegen worden sein müssen. 136auffällig ist auch, daß der kläger im termin vom 2. september 2022 die phänomene, die er angeblich bei zumindest nahezu jeder fahrt mit dem fahrzeug erlebt, spontan nicht wirklich konkret schildern konnte. erst auf konkreten vorhalt seines prozeßbevollmächtigten, und das heißt nichts anderes als nach konkretem vorsagen, hat der kläger persönlich im termin beschrieben, es sei richtig, daß das fahrzeug beim schalten, und zwar im stadtverkehr, bei den unregelmäßigkeiten erst einmal die drehzahl hochfahre (sitzungsniederschrift vom 2. september 2022). wer die beschriebenen dinge nicht nur einmal, sondern auf zumindest nahezu jeder fahrt erlebt, kann sie auch ohne derartiges vorsagen konkret beschreiben. dies ist alles andere als schwer, und der kläger kann gut deutsch und war auch zu jeder zeit in der mündlichen verhandlung mühelos in der lage, sich ohne weiteres und uneingeschränkt verständlich zu machen. außerdem ist er bei der firma tätig, so daß er jedenfalls bis zu einem gewissen grade ahnung von fahrzeugen hat, was ihm die beschreibung wirklich erlebter phänomene beim schalten zusätzlich erleichtern mußte. 137überdies schildert der kläger die symptomatik nicht widerspruchsfrei. so schildert er in der klageschrift, 138bei gangwechseln, insbesondere vom niedrigen in den nächsthöheren gang, drehe der motor zunächst kurz hoch, und sodann komme es schlagartig zum gangwechsel, dies sei insbesondere nach erreichen der betriebstemperatur des fahrzeugs zu beobachten (seite 6 der klageschrift, bl. 11 d.a.) [hervorhebung durch die kammer]. 139so hat er es auch bereits in dem außergerichtlichen schreiben vom 11. januar 2021 (in abschrift als anlage k5, bl. 54 ff., bei der akte), dort seite 2 mitte, geschildert. 140hingegen hieß es seinerseits persönlich im termin vom 2. september 2022, 141diese unregelmäßigkeiten träten ab und zu auf, in kaltem zustand sehr stark, wenn es dann warm sei, nicht mehr so oft, ein kraftfahrzeugmechaniker habe ihm mal erklärt, das hänge damit zusammen, daß, wenn das fahrzeug warm sei, das öl besser verteilt sei [hervorhebung durch die kammer]. 142dinge, die man wirklich bei zumindest nahezu jeder fahrt erlebt, sollte man eigentlich nicht so widersprüchlich schildern. die kammer kann sich auch angesichts dessen, wie gut der prozeßbevollmächtigte des klägers im termin vorbereitet und im bilde war – es war eine freude, „ihm bei der arbeit zuzusehen“ –, und dessen, daß der kläger im termin von anfang an ganz geradlinig und durchgehend beschrieben hat, daß verstärkt im kalten zustand des fahrzeugs die phänomene aufträten, ohne sich dabei irgendwie zu verheddern oder zu verhaspeln und / oder seine äußerungen einmal oder gar mehrfach modifizieren oder richtig stellen zu müssen und ohne selbst auf den vorhalt des bereits erwähnten schreibens vom 11. januar 2021 unsicher oder gar unklar zu werden, beim besten willen nicht vorstellen, daß der prozeßbevollmächtigte des klägers bei den sein schreiben vom 11. januar 2021 (in abschrift als anlage k5, bl. 54 ff., bei der akte) und seine klageschrift vorbereitenden gesprächen einem mißverständnis von den angaben des klägers aufgesessen ist und deshalb die dinge gewissermaßen „falsch rum“ geschildert hat. 143auch ist zu konstatieren, daß der zeuge ein weiteres phänomen geschildert hat, von dem der kläger mit keinem wort berichtet, nämlich dasjenige, daß das fahrzeug, insbesondere, wenn man den schaltmodus eco wähle, teilweise dergestalt falsch schalte, daß es in die falschen gänge schalte. ein derartiger durchaus störender fehler wäre aber seitens des klägers, wenn er vorläge, sicherlich vorgetragen worden. der vorstehende befund spricht dafür, daß vorliegend in wahrheit nicht vorhandene phänomene im schaltverhalten des fahrzeugs erfunden werden, das hier in rede stehende wohl in der annahme, der im fehlerspeicher niedergelegte fehler führe auch zu derartigen erscheinungen. 144schließlich haben auch die seitens des beklagten benannten zeugen bei ihren vernehmungen bekundet, die seitens des klägers behaupteten phänomene nicht wahrgenommen zu haben. 145daß die rechnung des seitens des klägers als privatgutachter bezeichneten herrn , die der kläger angeblich zu bezahlen haben soll, entgegen § 14 abs. 4 nr. 4 ustg keine rechnungsnummer aufweist ist auch kein umstand, der geeignet ist, das vertrauen in die wahrheit des vorbringens des klägers – zunächst betreffend seine verpflichtung, an seinen als privatgutachter auftretenden bruder den rechnungsbetrag zu zahlen, davon ausgehend aber auch allgemein für den vorliegenden fall – zu stärken. hierauf kommt es aber nicht mehr an. 146was das vorbringen der parteien über die probefahrt angeht, ist es zwar wenig glaubhaft, wenn der beklagte persönlich im termin mitgeteilt hat, er habe auf eine solche eigentlich bestanden, diese sei aber abgelehnt worden – der beklagte sprach nach erinnerung des richters sogar wörtlich von verweigert, auch wenn das nicht so protokolliert worden ist –, weil eine probefahrt dem kaufinteressenten, ohne daß ihn das etwas kostet, gegebenenfalls weitere erkenntnisse darüber vermittelt, ob mit dem fahrzeug alles in ordnung ist und wie er mit dem fahrzeug zurechtkommt. 147andererseits kann dieser umstand aber nicht dazu führen, daß die von dem kläger gerügten phänomene als bewiesen anzusehen sind. denn dem stehen die technischen ausführungen des sachverständigen und die vorstehend ausgeführten überlegungen entgegen. überdies hat der zeuge auch eine begründung des beklagten für die ablehnung der probefahrt bekundet, die nicht ohne weiteres den schluß darauf zuläßt, daß der beklagte etwas zu verbergen hatte, nämlich diejenige, daß der beklagte keine lust auf „probefahrttouristen“ hatte. dies hat aber gegebenenfalls nichts damit zu tun, daß der beklagte über den zustand des fahrzeugs etwas zu verbergen hatte. 148b) 149daß der beklagte den am 7. juli 2022 im fehlerspeicher betreffend das getriebe niedergelegten fehler bemerkt hätte, ist nicht ersichtlich. 150nach den ausführungen des sachverständigen wird ein fehler der am 7. juli 2022 im fehlerspeicher niedergelegten art durch den normalen autofahrer üblicherweise wegen der geringfügigkeit seiner symptomatik nicht bemerkt, und dies hat um so mehr zu geltend, wenn er nur selten auftritt – nach den ausführungen des sachverständigen war er nach den aufzeichnungen im fehlerspeicher nach dessen letzter vorangegangener löschung per 7. juli 2022 nur einmal bei 235.412 km aufgetreten, und wenn bereits im jahr 2021 der fehlerspeicher gelöscht wurde (vgl. etwa seite 6 des gutachtens des sachverständigen dipl.-ing. (th) , bl. 403 d.a.), heißt das, er ist in einer zeit von über einem halben jahr nur einmal aufgetreten. wie gesagt hat er mit den seitens des klägers geschilderten – nicht festzustellenden – phänomenen nichts zu tun. 151daß der am 7. juli 2022 im fehlerspeicher niedergelegte fehler sich während der besitzzeit des beklagten durch das aufleuchten einer kontrollampe bemerkbar gemacht hätte, ist nicht ersichtlich. zum zeitpunkt der übergabe des fahrzeugs an herrn war dies jedenfalls nicht der fall, andernfalls das aufleuchten dieser kontrollampe herrn 152 aufgefallen wäre, was jedoch niemand auch nur vorträgt. 1532. 154da eine gewährleistungspflicht des beklagten nicht ersichtlich ist, sind auch die seitens des klägers mit den klageanträgen zu 3. und 4. verfolgten schadensersatzansprüche nicht ersichtlich. 155die kostenentscheidung beruht auf § 91 zpo. 156die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit beruht auf § 709 zpo. 157die entscheidung über die zulassung der berufung beruht auf § 511 zpo. 158da § 511 abs. 4 zpo in bestimmten fällen die zulassung der berufung vorschreibt und 159§ 511 abs. 2 nr. 2 zpo hierzu vorsieht, daß die zulassung der berufung ggf. im urteil zu erfolgen hat, ist mit dem erlaß des vorliegenden urteils auch eine entscheidung darüber zu treffen, ob die berufung zugelassen wird. die berufung ist jedoch vorliegend nicht zuzulassen. 160da die beschwer des klägers mehr als 600,- € beträgt, kommt die zulassung einer 161es ist klarzustellen, daß die berufung trotz nichtzulassung kraft gesetzes zulässig ist, wenn der beschwerdegegenstand der berufung einen wert von 600,- € übersteigt. die entscheidungsformel spricht lediglich aus, daß eine berufung nicht zugelassen wird, was bedeutet, daß eine berufung, die nur im falle ihrer zulassung zulässig wäre, mangels zulassung unzulässig ist. sie verbietet aber nicht eine auch ohne ihre zulassung kraft gesetzes statthafte berufung. dies könnte sie auch nicht.
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4 A 1362/21
2022-09-08T00:00:00
Urteil
Tenor Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 21.4.2021 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Revision wird zugelassen. 1Tatbestand: 2Die Klägerin ist Herstellerin eines Geräts zur Gewichtsbestimmung, das für den Einsatz im Einzelhandel in Kassensysteme anderer Hersteller integriert wird und so das Wiegen beim Kassiervorgang ermöglicht. Die Wiegeergebnisse werden durch eine auf der zentralen Rechen- und Steuereinheit (CPU) des Geräts installierte Waagen-Software erfasst. Diese leitet die Daten über eine zum Gerät gehörende rückwirkungsfreie Datenschnittstelle insbesondere mittels des Datenkommunikationssystems Dialog 06 als Ausgangssignal an den Kassen-PC weiter. In Folge dieser Ansteuerung werden die für Verwender und Kunden sichtbaren Wägewerte über das von der Klägerin lizensierte PC-basierte Software-Modul vom Typ CS300-SD auf dem Monitor des Kassensystems dargestellt. Das Kassensystem wiederum verfügt über eine sog. Applikationssoftware, die das Identifizieren des Wiegeguts oder das Aufsummieren von Messergebnissen ermöglicht. 3Für die streitgegenständliche Geräteart „nichtselbsttätige preisrechnende Waage für offene Verkaufsstellen“, Typbezeichnung „CS300…“ hatte die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) zunächst im März 2016 eine bis März 2019 gültige EG-Bauartzulassungsbescheinigung ausgestellt. Bezogen hierauf hatte die Klägerin eine EU-Konformitätserklärung abgegeben. Nach Ablauf der Gültigkeit der Bauartzulassungsbescheinigung erteilte die PTB der Klägerin zuletzt die bis zum 12.11.2028 gültige EU-Baumusterprüfbescheinigung Nr. DE-18-NAWID-PTB014, Revision 1. Darin heißt es unter anderem: 41 Bauartbeschreibung 5 Nichtselbsttätige elektromechanische Waage, Typ CS300, ausgeführt als: 6- kompakte Waage einschließlich Lastaufnehmer, Wägezelle und Auswerteelektronik (analog und / oder digital) 7- für offene Verkaufsstellen 8[…] 91.1 Aufbau 10Die Waage ist modular aufgebaut nach EN 45501, T.2.2, und besteht aus den folgenden identifizierbaren Komponenten: 111.1.1 Ausführung 1 12 Model 1 13Modul Typbezeichnung […] Terminal PC-basiertes Software-Modul „CS300-SD“  Terminala) WS-Anzeige  P-Anzeige einseitig P-Anzeige doppelseitig Wägemodul CS300 […]  14 Immer vorhanden 15 Optional vorhanden. 16a) Als zusätzliche Anzeigeeinrichtung 17[…] 181.3 Messwertverarbeitung 19Folgende Funktionen nach EN 45501, T.2.2 und 3.10.2 werden von den Komponenten der Waagen nach Abschnitt 1.1 ausgeführt: 201.3.1 Ausführung 1 21 Model 1 22Modul Funktionalität Terminal Bedienung, Hauptanzeige Wägemodul Mechanische und elektrische Verbindungselemente, Wägezelle, A/D-Wandlung, Skalierung, Ermittlung des Wägewertes in Masseeinheiten, weitere Datenverarbeitung 231.4 Messwertanzeige 24 Die Hauptanzeige ist wie folgt ausgeführt: 25 […] 26 CS300-SD PC-Anzeige 27[…] 283.2 Kompatibilitätsbedingungen 29 Bedingungen zum Anschluss von richtlinienrelevanten Einrichtungen 30Anschließbare Einrichtungen mit Prüfschein oder Baueinheiten-Zertifikata)  Anschließbare Einrichtungen ohne Prüfschein oder Baueinheiten-Zertifikatb)  31 Optional vorhanden 32a) Der Prüfschein oder das Baueinheit-Zertifikat muss von einer benannten Stelle im Sinne der Richtlinie ausgestellt sein. 33b) Wenn die Voraussetzungen gemäß WELMEC-Leitfaden 2.5 (2000), Abschnitt 3.3 erfüllt sind. 343.2.1 Kompatibilitätsbedingungen der Ausführung 1 35 Keine 36[…] 374.2 Anforderungen an die Inbetriebnahme 38[…] 394.2.1 Prüfung der Identifizierbarkeit der Waage nach Abschnitt 5.3 404.2.2 Prüfungen nach Abschnitt 5.4 414.2.3 Prüfung der Kennzeichnung gemäß Abschnitt 7 424.2.4 Prüfung der Funktion von anschließbaren Einrichtungen nach Abschnitt 3.2 (siehe WELMEC-Leitfaden 2.5, Nr. 3.3) 434.2.5 Prüfung, ob die Anforderungen an die Produktion gemäß Abschnitt 4.1 erfüllt werden. 44[…] 455.3.1 Software-Identifikation 46Die richtlinienrelevante Software besteht aus unabhängigen Softwarekomponenten für die Waagen-, ADW-, Anzeigen- und Schnittstellen-Software mit eigenständigen Software-Versionsnummern und Software-IDs. 47Richtlinienrelevante Software Waagensoftware  ADW-Software  Anzeigensoftware  Schnittstellensoftware  48 Immer vorhanden 49 Optional vorhanden. 50[Es folgen genaue Angaben der jeweils zulässigen, richtlinienrelevanten Software-Versionen] 51[…] 525.4 Kalibrier-, Justier- und Prüfverfahren 53Besondere Kalibrierungen und Justierungen sind bei der Inbetriebnahme nicht erforderlich. 54Einrichtungen nach Abschnitt 3.2 sind auf ihre einwandfreie Funktion zu prüfen (WELMEC-Leitfaden 2.5, Abschnitt 3.3).“ 55Weiter zertifizierte das Regierungspräsidium Tübingen als anerkannte Konformitätsbewertungsstelle im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 MessEG das von der Klägerin vorgelegte Qualitätssicherungssystem nach der Richtlinie 2014/31/EU. Mit der darin erfolgten Anerkennung des Qualitätssicherungssystems ist die Klägerin danach berechtigt, an den von ihr gefertigten nichtselbsttätigen Waagen die metrologische Kennzeichnung gemäß dem Verfahren nach Anhang II – Nr. 2, Modul D (Qualitätssicherung des Produktionsprozesses) nach der Richtlinie 2014/31/EU anzubringen. Unter Bezugnahme auf die von der PTB ausgestellte EU-Baumusterprüfbescheinigung und das von dem Regierungspräsidium Tübingen zertifizierte Qualitätssicherungssystem stellte die Klägerin unter dem 20.3.2020 für das Gerätemodell CS 300 eine EU-Konformitätserklärung aus. 56Die Klägerin versieht ihre Geräte nach Abschluss des Herstellungsprozesses und nach Funktionsüberprüfung in ihrem Werk mit einem Schild, auf dem unter anderem ihr Name und ihre Adresse, die Produktbezeichnung des Geräts sowie das CE-Kennzeichen und das zusätzliche Metrologie-Kennzeichen abgedruckt sind. 57Ihre Geräte verkauft die Klägerin einschließlich der Waagen-Software und einer Lizenz für die Verwendung der Anzeige-Software vom Typ CS300-SD unter anderem an eine Herstellerin von Kassensystemen und POS-Terminals. Ihre vertraglichen Verpflichtungen beinhalten nach der im Verwaltungsverfahren vorgelegten Ablaufbeschreibung unter anderem den Anschluss des Geräts am Kassenrechner am Verwendungsort des Kassensystems, die Überprüfung der Typenschilddaten mit der Konformitätserklärung, die Belastung der Waage mit 1 kg Gewicht und die Prüfung, ob die Gewichtsanzeige der Kasse das Gewicht korrekt wiedergibt, die Einstellung der LED zur Anzeige der Nullstelle am Scanner sowie die Anbringung des Etikettes „Konformitätsbewertung POS-System Monat/Jahr“ an dem Gerät, um den Zeitpunkt der Freigabe zur Verwendung zu dokumentieren. 58Im Rahmen einer alle zwei Jahre anstehenden Nacheichung fiel im Februar 2019 einem Mitarbeiter des Landesbetriebs Mess- und Eichwesen Nordrhein-Westfalen (im Folgenden: Landesbetrieb) bei der Kontrolle eines solchen Kassensystems auf, dass die Metrologie-Kennzeichnung der Klägerin das Jahr 2016 auswies. Er ging daher zunächst davon aus, dass eine Nacheichungspflicht bereits 2018 bestanden habe, ließ sich aber von dem Einzelhändler versichern, dass das geprüfte Kassensystem erst 2017 in Betrieb genommen worden sei. Der Einzelhändler legte zudem ein von der Klägerin im Juli 2016 ausgestelltes Dokument vor, welches mit „EU-Konformitätserklärung. Kombination Kassenwaage und Kassenterminal gemäß POS Guide“ überschrieben war und die Erklärung zum Inhalt hatte, das kombinierte Gerät bestehend aus Waage und Kassensystem entspreche den geltenden Anforderungen und EU-Rechtsvorschriften. Ferner enthielt es den Hinweis auf das mitgeltende Dokument: „Erklärung für die durch den Hersteller bereits gesicherte Waage.“ 59Der Landesbetrieb wandte sich daraufhin zunächst an den Einzelhändler und bat um Stellungnahme, weil er annahm, die Metrologie-Kennzeichnung sei nicht korrekt erfolgt. Vom Einzelhändler hierüber informiert, erwiderte die Klägerin, sie gehe davon aus, dass ihr Vorgehen den Vorgaben der Europäischen Union, dem deutschen Eichrecht und den Vorgaben der zum damaligen Zeitpunkt noch gültigen Bauartzulassung entspreche. Dies sei auch mit der Konformitätsbewertungsstelle, dem Regierungspräsidium Tübingen, abgestimmt. Die Kombination aus Waage und Kassen-PC/Software stelle aus ihrer Sicht ein neues Messgerät dar. Deshalb seien für das Inverkehrbringen des POS-Systems eine Konformitätsprüfung sowie eine spezifische, POS-bezogene Konformitätserklärung erforderlich. Hierauf antwortete der Landesbetrieb, die vorgenommene Kennzeichnungspraxis suggeriere, das Kassensystem als Messgerät entspreche bereits seit 2016 allen EU-Vorgaben. Das aber sei unzutreffend, weil das Wägemodul erst 2017 an das Kassensystem angeschlossen und erst damit ein Messgerät in den Verkehr gebracht worden sei. Die Kennzeichnung dürfe grundsätzlich erst nach Abschluss des Konformitätsbewertungsverfahrens erfolgen. Die Klägerin teilte dem Landesbetrieb sodann mit, sie halte an ihrer Rechtsauffassung fest und die Konformitätsbewertungsstelle stimme ihr darin zu. In der Waagenkennzeichnung werde das Jahr angegeben, in welchem die Kennzeichnung angebracht worden sei. Dies sei nicht zwingend gleichzusetzen mit dem Jahr des Inverkehrbringens, welches anhand des Prüfprotokolls nachvollzogen werden könne, das sie nach Anschluss des Wägemoduls an das Kassensystem beim Einzelhändler ausfülle. 60Auf Anfrage des Landesbetriebs führte das Regierungspräsidium Tübingen als anerkannte Konformitätsbewertungsstelle aus, die Konformitätsbewertung der Waage erfolge während des gesamten Produktionsprozesses. Die Konformitätsprüfung erfolge nach Modul D im Sinne von Anhang II Nr. 2 der Richtlinie 2014/31/EU. Die Kennzeichnung werde während des Produktionsprozesses am Lastaufnehmer angebracht. Ein Inverkehrbringen erfolge nach Endabnahme im jeweiligen Einzelhandelsmarkt. Hierauf erwiderte der Landesbetrieb, es handele sich bei dem Produkt der Klägerin noch nicht um eine Waage, weil hierfür eine Anzeige zwingend erforderlich sei. Auch halte er die Anbringung der CE-Kennzeichnung, der zusätzlichen Metrologie-Kennzeichnung und der Nummer der Konformitätsbewertungsstelle während der Produktionsphase nicht für richtlinienkonform. Mit abschließender Stellungnahme im Juli 2019 führte die Konformitätsbewertungsstelle aus, ein exakter Zeitpunkt des Anbringens der Metrologie-Kennzeichnung an einer nichtselbsttätigen Waagen sei nicht vorgeschrieben, wenn ein Hersteller die Konformitätsbewertung nach den Modulen B und D wähle. Die Kennzeichnung müsse lediglich vor dem Inverkehrbringen erfolgen. Mit der gewählten Art der Konformitätsbewertung sei ein Konformitätsbewertungsverfahren zu jedem Zeitpunkt der Produktion bereits abgeschlossen, weil für das Produkt sowohl eine Baumusterprüfbescheinigung als auch ein zugelassenes Qualitätssicherungssystem vorliege. Letzteres gewährleiste die Übereinstimmung der Geräte mit der in der EU-Baumusterprüfbescheinigung beschriebenen Bauart und mit den für sie geltenden Anforderungen der Richtlinie. 61Nach Anhörung untersagte der Landesbetrieb der Klägerin mit Ordnungsverfügung vom 31.1.2020, ab dem 1.4.2020 Lastaufnehmer, an denen bereits vor Abschluss einer Konformitätsbewertung die CE-Kennzeichnung oder die zusätzliche Metrologie-Kennzeichnung oder die CE-Kennzeichnung zusammen mit der Metrologie-Kennzeichnung angebracht wurde, in Nordrhein-Westfalen zur Herstellung von Messgeräten zu verwenden (Nr. 1) und drohte für jeden Fall einer Zuwiderhandlung die Festsetzung eines Zwangsgelds in Höhe von 1.000,00 Euro an (Nr. 2). Zur Begründung führte er aus, bei den fertigen Kassensystemen handele es sich um Messgeräte im Sinne von § 3 Nr. 13 MessEG bzw. Produkte im Sinne von § 2 Nr. 10 MessEG. Als Herstellerin sei die Klägerin dafür verantwortlich, dass ihre auf dem Markt bereitgestellten Messgeräte die wesentlichen gerätespezifischen Anforderungen erfüllten. Dazu gehörten die erfolgreich durchgeführte Konformitätsbewertung sowie die entsprechende Kennzeichnung. Gestützt auf § 30 Nr. 4 MessEG sei in § 14 Abs. 6 MessEV geregelt, dass die Kennzeichnung nur auf Messgeräte angebracht werden dürfe, die die wesentlichen Anforderungen nach § 6 MessEG erfüllten. Ob ein Gerät die Anforderungen erfülle, werde erst durch ein bestandenes Konformitätsbewertungsverfahren belegt. Die Klägerin habe die CE-Kennzeichnung und die zusätzliche Metrologie-Kennzeichnung „M 16“ an bestimmten Kassenwaagen entsprechend ihrer diesbezüglichen Verfahrensanweisung hingegen bereits im Jahr 2016 angebracht, obwohl das Konformitätsbewertungsverfahren erst im Jahr 2017 abgeschlossen worden sei. Es bestehe die hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Klägerin ihre Vorgehensweise auch zukünftig nicht ändern und es zu weiteren Rechtsverstößen kommen werde. Im Rahmen des Auswahlermessens habe er sich im Hinblick auf den Schutz der europäischen und nationalen Rechtsordnung, sowie der Sicherstellung des Verbraucherschutzes und des fairen Wettbewerbs dazu entschlossen, die Ordnungsverfügung zu erlassen. Das wirtschaftliche Interesse an einer Beibehaltung der Verfahrensweise stehe hinter dem Interesse der Verbraucher an einer eindeutigen und nicht irreführenden Kennzeichnung sowie der Gewährleistung eines fairen europaweit geregelten Wettbewerbs zurück. 62Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Landesbetrieb sei bereits nicht zuständig, weil sie in Nordrhein-Westfalen nichts herstelle. Jedenfalls aber sei dessen Vorgehen nicht von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt. Der Landesbetrieb sei Marktaufsichtsbehörde, greife aber in ihren Herstellungsprozess ein. Er mache keinen Mangel des Produkts geltend, sondern halte allein den Zeitpunkt für fehlerhaft, in dem die Kennzeichnung angebracht werde. Für das von ihr fertiggestellte Gerät sei eine CE-Kennzeichnung nach Abschluss des hierauf bezogenen Produktionsprozesses geboten gewesen, gleiches gelte für die metrologische Kennzeichnung. Denn das Produkt bestehend aus Wäge- und Softwaremodul stelle eine nichtselbsttätige Waage dar, welche hinsichtlich der technischen Spezifikationen nach Maßgabe der EU-Baumusterprüfbescheinigung und hinsichtlich des Fertigungsprozesses unter Beachtung aller Qualitätssicherungsmaßnahmen hergestellt werde. Konsequenterweise sei sie nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, nach Abschluss der Produktion in ihrem Werk die CE-Kennzeichnung und die zusätzliche Metrologie-Kennzeichnung anzubringen. Einer eigenen Anzeigeeinrichtung bedürfe es für die Qualifikation als nichtselbsttätige Waage im Sinne der Richtlinie 2014/31/EU nicht, weil ihr Produkt ohnehin zum Anschluss an ein Kassensystem bestimmt sei, welches die Anzeigefunktion übernehme. Dies komme in der EU-Baumusterprüfbescheinigung darin zum Ausdruck, dass danach nur zwei Komponenten stets vorhanden sein müssten, nämlich das Wägemodul und das PC-basierte Softwaremodul, eine geräteeigene Anzeige hingegen nur optionaler Bestandteil sei. Auch den einschlägigen rechtlichen Vorgaben lasse sich ein zwingendes Erfordernis einer eigenen Anzeigeeinrichtung nicht entnehmen. Über eine rückwirkungsfreie Schnittstelle sowie die PC-basierte Anzeigesoftware CS300-SD könne das Wiegeergebnis korrekt und reproduzierbar angezeigt werden. Das Anzeigegerät selbst sei ein externes Zusatzgerät. Entsprechend sei auch das POS-Kassensystem ein eigenständiges, zum Anschluss an die Waage zugelassenes Produkt, welches nicht den Anforderungen der Richtlinie 2014/31/EU unterliege. Mit diesem zusammengeschlossen erfülle die Waage die Anforderungen an die Anzeige der Wägeergebnisse aus Anhang I der Richtlinie 2014/31/EU. Für die Freigabe der Waage zur Verwendung im eichpflichtigen Verkehr führe sie – die Klägerin – beim Endkunden eine abschließende Konformitätsbewertung als Herstellerin der in das Kassensystem integrierten Waage durch und orientiere sich hierbei in Abstimmung mit der Konformitätsbewertungsstelle an den einschlägigen Vorgaben des WELMEC-Leitfadens 2.2, in welchem das Verfahren zur Prüfung von Kassensystemen im Einzelnen beschrieben werde. Ungeachtet dessen ergebe sich aus den einschlägigen Regelungen lediglich, dass die CE-Kennzeichnung und die zusätzliche Metrologie-Kennzeichnung spätestens vor dem Inverkehrbringen erfolgen müssten. Aus der gesetzlichen Systematik folge zwar, dass die Kennzeichnungen eine Konformitätsbewertung voraussetzten. Bei dem hier angewandten Konformitätsbewertungsverfahren nach den Modulen B und D müsse eine EU-Konformitätserklärung aber nicht etwa für jedes einzelne Gerät, sondern vielmehr nur für jedes Gerätemodell ausgestellt werden. Grundlage für die auf das Gerätemodell bezogene Konformitätserklärung sei die EU-Baumusterprüfbescheinigung. Für die in Serie hergestellten Einzelgeräte werde die Übereinstimmung mit den Maßgaben der EU-Baumusterprüfbescheinigung dann durch das mit der Konformitätsbewertungsstelle abzustimmende Qualitätssicherungsverfahren sichergestellt. Jedes einzelne Gerät, das unter Beachtung der danach einzuhaltenden Bedingungen gefertigt werde, dürfe unter Verantwortung des Herstellers als „richtlinienkonform“ bewertet und entsprechend gekennzeichnet werden. Hieraus folge zugleich, dass die Kennzeichnung des Geräts bereits während des Fertigungsprozesses erfolgen dürfe, weil durch das mit der Konformitätsbewertungsstelle abgestimmte Qualitätssicherungsverfahren sichergestellt werde, dass alle Geräte, die diesen Fertigungsprozess durchliefen, am Ende die Anforderungen erfüllten. Dagegen sei Anhang II Nr. 7.2.4 der Richtlinie 2014/31/EU, wonach die CE-Kennzeichnung und die zusätzliche Metrologie-Kennzeichnung nach Beendigung der zweiten Stufe zusammen mit der Kennnummer der notifizierten Stelle, die bei der zweiten Stufe beteiligt sei, an dem Gerät anzubringen sei, hier bereits nicht anwendbar, weil die Klägerin kein zweistufiges Konformitätsbewertungsverfahren im Sinne dieser Regelung praktiziere. 63Die Klägerin hat beantragt, 64die Ordnungsverfügung vom 31.1.2020 aufzuheben. 65Der Beklagte hat beantragt, 66die Klage abzuweisen. 67Zur Begründung trägt er vor: Die Zuständigkeit des Landesbetriebs folge aus § 48 Abs. 1 MessEG i. V. m. § 1 EichZustVO. Als Marktüberwachungsbehörde sei er zur Kontrolle aufgerufen, weil die Klägerin ihre Produkte auch in Nordrhein-Westfalen installiere und damit in Verkehr bringe. Bei dem Bauteil, das die Klägerin in ihrem Werk in Baden-Württemberg produziere, handele es sich um ein Wägemodul, aber nicht um eine nichtselbsttätige Waage im Sinne der Richtlinie 2014/31/EU und auch nicht um ein Messgerät im Sinne von § 3 Nr. 13 MessEG. Die Richtlinie gehe – was unter anderem aus den Vorgaben zur Genauigkeit von Anzeigen und Anzeigefehlern, zur Wiederholbarkeit und Reproduzierbarkeit des Wägeergebnisses sowie aus der Möglichkeit von Zusatzanzeigen deutlich werde – klar von der Notwendigkeit einer Anzeigeeinrichtung aus. Gleiches folge aus den Definitionen der nichtselbsttätigen Waage und des Wägemoduls in der harmonisierten Norm DIN EN 45501:2015. Eine nichtselbsttätige Waage sei danach eine Waage, die das Eingreifen eines Benutzers während des Wägevorgangs erfordere, um zu entscheiden, ob das Wägeergebnis akzeptabel sei. Ohne Anzeige könne der Benutzer diese Entscheidung aber nicht treffen. Das Wägemodul, also der Teil der Waage, der alle mechanischen und elektronischen Einrichtungen enthalte, aber ohne die Möglichkeit zur Anzeige des Wägeergebnisses, sei nach der DIN EN 45501:2015 ebenso wie die Anzeigeeinrichtung ein notwendiger Bestandteil der nichtselbsttätigen Waage. Etwas anderes folge nicht aus der EU-Baumusterprüfbescheinigung. Diese beziehe sich nicht allein auf das von der Klägerin produzierte Wägemodul, sondern auf die am Ende hergestellte modular aufgebaute Waage. Diese setze auch nach der EU-Baumusterprüfbescheinigung zwingend eine Anzeigeeinrichtung voraus, wobei verschiedene Anzeigemöglichkeiten zur Option stünden. Das fertige Produkt „nichtselbsttätige Waage“ stelle danach das Kassensystem dar, nachdem das Wägemodul der Klägerin mit dem POS-System des Kassensystemherstellers verbunden und auf ordnungsgemäßes Funktionieren überprüft worden sei. Erst danach dürften die CE-Kennzeichnung und die zusätzliche Metrologie-Kennzeichnung angebracht werden. Die CE-Kennzeichnung sei eine Eigenerklärung des Herstellers und stehe, was sich sowohl aus Anhang II Modul D Nr. 5.1 des Beschlusses 768/2008/EG als auch aus dem Blue Guide der EU-Kommission ergebe, ganz am Ende des Inverkehrbringungsprozesses. Auch Anhang II Nr. 7.2.4 der Richtlinie 2014/31/EU stehe der Vorgehensweise der Klägerin entgegen, weil dort ausdrücklich festgeschrieben sei, dass die CE-Kennzeichnung und die zusätzliche Metrologie-Kennzeichnung bei einem zweistufigen Verfahren, um das es sich hier handele, erst nach Beendigung der zweiten Stufe zusammen mit der Kennnummer der notifizierten Stelle an dem Gerät anzubringen sei. 68Das Verwaltungsgericht hat die Ordnungsverfügung des Landesbetriebs vom 31.1.2020 aufgehoben. Der angefochtene Bescheid sei zwar formell rechtmäßig. Insbesondere sei der Landesbetrieb gemäß § 48 Abs. 1 MessEG i. V. m. § 1 EichZustVO für Maßnahmen nach § 50 MessEG sachlich und örtlich zuständig. Hierunter falle auch die in Nr. 1 der Ordnungsverfügung getroffene Regelung, die das Ziel verfolge, die Herstellung von Messgeräten in Nordrhein-Westfalen mit diesen nach Auffassung des Landesbetriebs unzulässig gekennzeichneten Produkten zu verhindern. Der Bescheid sei jedoch materiell rechtswidrig, weil die Voraussetzungen für ein marktaufsichtsrechtliches Einschreiten nicht vorgelegen hätten. Die von der Klägerin hergestellten Kombinationen aus Wäge- und Softwaremodul stellten Messgeräte im Sinne von § 3 Nr. 13 MessEG dar, obwohl sie ohne den Anschluss an das Kassensystem eines Dritten über keine technische Möglichkeit verfügten, die ermittelte Masse anzuzeigen. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Produkte der Klägerin nicht den in Abschnitt 2 des MessEG geregelten Anforderungen entsprächen. Weder liege ein materieller Verstoß gegen die maßgeblichen Anforderungen an nichtselbsttätige Waagen vor noch habe die Klägerin in erheblicher Weise gegen Vorschriften des Konformitätsbewertungsverfahrens verstoßen. Ein Verstoß ergebe sich insbesondere nicht daraus, dass die verfahrensgegenständliche Kombination aus Wäge- und Softwaremodul nicht selbst über eine Anzeige verfüge. Dabei bedürfe es keiner abschließenden Entscheidung, ob das Produkt der Klägerin für sich allein bereits begrifflich eine Waage im Sinne der Richtlinie 2014/31/EU darstelle oder ob hierfür – wofür einiges spreche – zwingend der Anschluss einer Anzeige erforderlich sei. Jedenfalls in dem Zeitpunkt, in dem das Produkt auf dem Markt zur Bestimmung der Masse für Zwecke des geschäftlichen Verkehrs eingesetzt werde, verfüge es durch den Zusammenschluss mit dem Kassensystem über eine Anzeige. Die Klägerin begehe durch die Kennzeichnung ihrer Geräte noch vor der Verbindung mit den Komponenten des Kassensystems keinen wesentlichen Fehler im Konformitätsbewertungsverfahren. Sie könne ihr Produkt bereits im Werk auf die Übereinstimmung mit den wesentlichen gerätespezifischen Anforderungen überprüfen, obwohl die Testanzeige im Werk nicht mit der später im Einzelhandelsmarkt verwendeten Anzeigeeinrichtung übereinstimme, weil ihr Konformitätsbewertungsverfahren die Übereinstimmung des Endprodukts mit hinreichender Sicherheit gewährleiste. Sinn und Zweck der CE- sowie der Metrologie-Kennzeichnung seien es, als Erklärung des Herstellers die Konformität eines Produkts gegenüber dem Rechtsverkehr zu bestätigen. Dafür sei es nicht erforderlich, die Kennzeichnungen erst im Einzelhandelsmarkt anzubringen. Ein Risiko der Irreführung der Marktüberwachungsbehörden hinsichtlich der Feststellung der Eichfristen nach § 34 MessEV bestehe nicht. Das Jahr des Inverkehrbringens könne hinsichtlich der Produkte der Klägerin aus dem während der Endprüfung im Einzelhandelsmarkt anzubringenden Etikett entnommen werden. Auch der Verbraucherschutz gebiete keine andere Handhabung hinsichtlich des Zeitpunkts der CE-Kennzeichnung und der Metrologie-Kennzeichnung. Es sei nicht ersichtlich, dass die Praxis der Klägerin zu einer Irreführung des Geschäftsverkehrs über die Konformität ihres – materiell unstrittig mängelfreien – Produkts führen könne. Hinzu komme, dass die Systematik der Verfahrensvorschriften zum Konformitätsbewertungsverfahren nahelege, zumindest in einem Konformitätsbewertungsverfahren nach Modul D der Richtlinie 2014/31/EU müssten diese Kennzeichen gerade nicht immer unmittelbar als letzter Schritt vor dem Inverkehrbringen der Waage angebracht werden. Liege ein den Anforderungen nach Anhang II Nr. 2 der Richtlinie 2014/31/EU (Modul D) genügendes Qualitätssicherungssystem vor und sei nicht ersichtlich, dass der Hersteller gegen die Anforderungen des eigenen Qualitätssicherungssystems verstoße, bestehe kein Grund, warum eine Kennzeichnung des einzelnen Produkts zwingend unmittelbar vor dem Inverkehrbringen erfolgen müsse. 69Zur Begründung der von dem Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung wiederholt der Beklagte sein erstinstanzliches Vorbringen und führt ergänzend aus: Der Zweck, den eine jede Waage erfüllen solle, lasse sich mit dem Lieferumfang der Klägerin objektiv nicht erreichen. Eine Waage im Rechtssinne entstehe erst, wenn das Wägemodul der Klägerin mit dem Kassensystem verbunden werde. Dabei komme es waagenrechtlich hier nur auf die Beisteuerung der Anzeigeeinrichtung als einem Bestandteil des Kassensystems an. Auch der im März 2016 ausgestellten EG-Bauartzulassungsbescheinigung, die hier maßgeblich sei, sei zu entnehmen, dass die bescheinigte Waage zwingend eine Anzeigeeinrichtung voraussetze. Die von der Klägerin zusammen mit dem Wägemodul ausgelieferte PC-basierte Anzeigesoftware sei nicht mit einer Anzeigeeinrichtung gleichzusetzen. Die Erfassung des Wiegeergebnisses in der Software allein sei für den Verwender des Produkts ohne jede Bedeutung. Ohne angeschlossene Anzeigeeinrichtung bleibe das Ergebnis im Verborgenen. Auch sei eine Prüfung der Konformität durch die Konformitätsbewertungsstelle ohne geräteeigene Anzeige nicht möglich. Aus den Vorgaben der Konformitätsprüfung nach Modul D gemäß Anhang II Nr. 2 der Richtlinie 2014/31/EU folge zwingend, dass der Hersteller für jedes einzelne Gerät am Ende des Herstellungsprozesses prüfen müsse, ob dieses die entsprechenden Anforderungen der Richtlinie 2014/31/EU erfülle. Darüber hinaus sei nicht zu erkennen, ob die Klägerin das Modul D, welches eine Überwachung vor Ort durch die benannte Konformitätsbewertungsstelle und regelmäßige Audits voraussetze, ordnungsgemäß durchgeführt habe. Eine Anbringung der CE-Kennzeichnung und der zusätzlichen Metrologie-Kennzeichnung während der Herstellung des Geräts – wie dies Art. 22 Abs. 4 der Richtlinie 2014/32/EU in bestimmten Fällen erlaube – sei hier auch nicht ausnahmsweise produktionsbedingt gerechtfertigt, zumal die Richtlinie 2014/31/EU anders als die Richtlinie 2014/32/EU Ausnahmen nicht vorsehe. Im Übrigen sei die Konformitätserklärung der Klägerin vom 15.7.2016 fehlerhaft. 70Der Beklagte beantragt, 71das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 21.4.2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen. 72Die Klägerin beantragt, 73die Berufung zurückzuweisen. 74Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr erstinstanzliches Vorbringen. 75Das von ihr produzierte Wägemodul werde zusammen mit der Anzeigensoftware CS 300-SD ausgeliefert. Ausweislich der hier maßgeblichen EU-Baumusterprüfbescheinigung bilde die Gesamtheit von Wägemodul und zugehöriger Anzeigensoftware eine vollwertige Waage. Mittels der Software würden die Wiegeergebnisse, die sich mit dem Wägemodul ermitteln ließen, digital erfasst und zwar so, dass sie an grundsätzlich jedes beliebige (fremde) Anzeigegerät (Terminal) weitergegeben und mit dessen Hilfe sichtbar gemacht werden könnten. Die Software übernehme damit die Visualisierung der Hauptanzeige der Waage auf einem PC-basierten System und sei daher einer Hardware-Anzeige ausweislich der EU-Baumusterprüfbescheinigung ausdrücklich gleichgestellt. Eine eigene Anzeigeeinrichtung sei bei einer nichtselbsttätigen Waage immer dann verzichtbar, wenn das Messgerät von vornherein dazu bestimmt sei, zusammen mit einer externen Anzeigeeinrichtung verwendet zu werden. Dies komme in Anlage 2 Nr. 9.1 MessEV unmissverständlich zum Ausdruck. Dem stehe nicht entgegen, dass Anlage 2 zur MessEV nicht für nichtselbsttätige Waagen gelte. Der Anwendungsausschluss nach § 7 Abs. 2 MessEV sei normsystematisch allein dadurch zu erklären, dass für die nichtselbsttätigen Waagen gegenüber den anderen Messgeräten eine speziellere Richtlinie einschlägig sei. Auch dort sei indes nicht die Unverzichtbarkeit einer eigenen Anzeigeeinrichtung geregelt, weshalb der allgemeine Gedanke für Messegeräte aus Anlage 2 Nr. 9.1 Satz 2 MessEV hier genauso passe. Das von ihr – der Klägerin – vertretene Begriffsverständnis werde zudem bestätigt in T.2.4 der DIN EN 45501:2015, wonach eine Anzeigeeinrichtung eine Einrichtung sei, die eine visuelle Anzeige des Wägeergebnisses biete. Ebenso lasse die Nr. 5.5.2.1 der DIN EN 45501:2015 eine externe Anzeige ausdrücklich zu. Nach alledem handele es sich bei der Prüfung, die sie ‒ die Klägerin ‒ beim Endkunden im Auftrag der Herstellerin des Kassensystems durchführe, nicht um eine eigene Produktionstätigkeit. Die Prüfung betreffe allein den korrekten Einbau, die Aufstellung der Waage und den korrekten Zusammenschluss mit dem Kassensystem. Diese Prüfung sei nicht Teil des Konformitätsverfahrens der von ihr in ihrem Werk in Baden-Württemberg hergestellten und von dort ausgelieferten nichtselbsttätigen Waage. Entsprechend der dafür einschlägigen Regelungen des WELMEC-Leitfadens 2.2 werde nach Maßgabe des Prüfscheins für das Kassensystem geprüft, ob die Waage und das Kassensystem zur gemeinsamen Verwendung zugelassen seien und ordnungsgemäß funktionierten. Auf die Richtigkeit der Konformitätserklärung vom 15.7.2016 komme es hier nicht an, weil diese schon nicht Streitgegenstand sei. 76Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte (je eine elektronische Gerichtsakte für jede Instanz) und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten (ein Ordner) Bezug genommen. 77Entscheidungsgründe: 78Dem Antrag des Beklagten vom 26.9.2022 auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist nicht zu entsprechen. Die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO ist ausgeschlossen, wenn – wie hier am 9.9.2022 – bereits ein Endurteil verkündet worden ist (§ 116 Abs. 1 Satz 1 VwGO). 79Vgl. BVerwG, Urteil vom 14.11.2016 – 5 C 10.15 D –, BVerwGE 156, 229 = juris, Rn. 7, m. w. N., und Beschluss vom 25.1.2016 – 2 B 34.14 –, juris, Rn. 29. 80Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist begründet. 81Die angefochtene Ordnungsverfügung des Landesbetriebs Mess- und Eichwesen Nordrhein-Westfalen (im Folgenden: Landesbetrieb) ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung bestehen zwar keine durchgreifenden Bedenken (hierzu unter I.), die materiellen Voraussetzungen für den Erlass einer marktaufsichtsrechtlichen Maßnahme liegen aber nicht vor (hierzu unter II.). 82I. Die angefochtene Ordnungsverfügung ist formell rechtmäßig, insbesondere hat der Landesbetrieb als sachlich und örtlich zuständige Behörde gehandelt. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 MessEG i. V. m. § 1 EichZustVO ist der Landesbetrieb zuständig für die Überwachung der in Verkehr gebrachten Produkte, d. h. für Messgeräte, sonstige Messgeräte, Fertigpackungen oder andere Verkaufseinheiten im Sinne von § 2 Nr. 10 MessEG. Die Marktüberwachung erfolgt danach auf der Vermarktungsstufe des Produkts. Überwachungsmaßnahmen finden formell nicht während der Entwurfs- und Produktionsphasen statt. 83Siehe hierzu auch Art. 11 Abs. 1 Buchst. a) der Verordnung (EU) 2019/1020; Europäische Kommission, Leitfaden für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU 2016 („Blue Guide“), ABl. C 272 vom 26.7.2016, S. 1, Nr. 7.2. 84Die sachliche Zuständigkeit ist hier gegeben, weil der Landesbetrieb mit der angefochtenen Ordnungsverfügung – wenngleich dort von Herstellung eines Messgeräts die Rede ist – im Bereich der Marktüberwachung tätig werden will. Aus ihrer Begründung (siehe hierzu insbesondere Seite 4, Absätze 5 und 6, Seite 5, Absätze 1 und 2 des angefochtenen Bescheids) wird deutlich, dass die Maßnahme auf das ordnungsgemäße Inverkehrbringen von Messgeräten ohne eine – aus Sicht des Landesbetriebs – irreführend verfrüht angebrachte Kennzeichnung gerichtet ist, die Marktüberwachungsmaßnahme also nach dem Inverkehrbringen und damit auf der Vermarktungsstufe greifen soll. Der Landesbetrieb ist auch örtlich zuständig, weil sich der in Nr. 1 der Ordnungsverfügung beschriebene Sachverhalt – die Verwendung von Lastaufnehmern, an denen bereits vor Abschluss einer Konformitätsbewertung die CE-Kennzeichnung und/oder die zusätzliche Metrologie-Kennzeichnung angebracht wurde, zur Herstellung von Messgeräten in Nordrhein-Westfalen – räumlich auf den Zuständigkeitsbereich des Landesbetriebs beschränkt. 85II. Die angefochtene Ordnungsverfügung ist materiell rechtswidrig. 86Als Ermächtigungsgrundlage für die Untersagungsverfügung in Nr. 1 des Bescheids kommt allein § 50 Abs. 2 Satz 1 MessEG in Betracht. Danach treffen die Marktüberwachungsbehörden die erforderlichen Maßnahmen, wenn sie den begründeten Verdacht haben, dass Messgeräte unter anderem die Anforderungen nach Abschnitt 2 MessEG, der das Inverkehrbringen von Messgeräten und ihre Bereitstellung auf dem Markt betrifft, nicht erfüllen. Diese Voraussetzungen liegen hier schon nicht vor (hierzu unter 1.). Folglich erweist sich auch die Zwangsgeldandrohung in Nr. 2 des angefochtenen Bescheids als rechtswidrig (hierzu unter 2.). 871. Die Befugnis der Marktüberwachungsbehörde nach § 50 Abs. 2 Satz 1 MessEG zum Erlass ordnungsbehördlicher Maßnahmen erstreckt sich auf Messgeräte, soweit sie von der nach den §§ 1 Nr. 1, 4 Abs. 1 und 2 MessEG erlassenen Mess- und Eichverordnung erfasst sind. Messgeräte sind alle Geräte oder Systeme von Geräten mit einer Messfunktion einschließlich Maßverkörperungen, die jeweils zur Verwendung im geschäftlichen oder amtlichen Verkehr oder zur Durchführung von Messungen im öffentlichen Interesse bestimmt sind (§ 3 Nr. 13 MessEG). Hierzu zählen unter anderem nichtselbsttätige Waagen im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 11, Abs. 2 MessEV i. V. m. Anlage 3 Tabelle 1 Spalte 2 und Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2014/31/EU. Diese müssen nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MessEG i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 11 MessEV und Anlage 3 Tabelle 1 Spalte 3 zur MessEV den gerätespezifischen Anforderungen nach Anhang I der Richtlinie 2014/31/EU genügen [hierzu unter a)]. Zum Nachweis, dass ein Messgerät die wesentlichen gerätespezifischen Anforderungen im Sinne des § 6 Abs. 2 MessEG erfüllt, muss vor Inverkehrbringen eine in einer Rechtsverordnung nach § 30 Nr. 3 MessEG festgelegte Konformitätsbewertung erfolgreich durchgeführt worden sein und eine Konformitätserklärung vorliegen (§ 6 Abs. 3 Satz 1 MessEG). Die Konformität eines Messgeräts muss zudem nach § 6 Abs. 4 MessEG durch die in einer Rechtsverordnung nach § 30 Nr. 4 MessEG bestimmten Kennzeichen bestätigt sein [hierzu unter b)]. Ist der Nachweis nach § 6 Abs. 3 Satz 1 MessEG erbracht, so ist eine marktaufsichtsrechtliche Maßnahme nach § 50 Abs. 2 Satz 1 MessEG nur bei einem begründeten Verdacht zulässig, dass ungeachtet des Ergebnisses des Konformitätsbewertungsverfahrens die wesentlichen gerätespezifischen Anforderungen nicht erfüllt sind oder gegen Kennzeichnungspflichten verstoßen worden ist [hierzu unter c)]. Hier besteht weder ein begründeter Verdacht, dass die von der Klägerin produzierten Geräte des Typs „CS-300“ den wesentlichen gerätespezifischen Anforderungen nicht genügen, noch liegt ein Verstoß gegen die Kennzeichnungspflichten nach § 6 Abs. 4 MessEG i. V. m. § 14 Abs. 1 MessEV vor [hierzu unter d)]. 88a) Eine nichtselbsttätige Waage im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 11, Abs. 2 MessEV i. V. m. Anlage 3 Tabelle 1 Spalte 2 und Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2014/31/EU kann den gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 11 MessEV i. V. m. Anlage 3 Tabelle 1 Spalte 3 maßgeblichen gerätespezifischen Anforderungen nach Anhang I der Richtlinie 2014/31/EU auch dann genügen, wenn beim Inverkehrbringen der Waage sichergestellt ist, dass Anforderungen, die erst bei der Verwendung im geschäftlichen Verkehr für die gesamte Nutzungsdauer relevant sind, ab der Inbetriebnahme erfüllt werden. 89Eine nichtselbsttätige Waage ist nach der gemäß § 8 Abs. 2 MessEG i. V. m. Anlage 3 Tabelle 1 Spalte 2 maßgeblichen Begriffsbestimmung in Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2014/31/EU eine Waage, die beim Wägen das Eingreifen einer Bedienungsperson erfordert. Den Begriff der Waage definiert Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2014/31/EU ebenso wie § 6 Nr. 18 MessEV als ein Messgerät zur Bestimmung der Masse eines Körpers auf der Grundlage der auf diesen Körper wirkenden Schwerkraft. Ein Messgerät wiederum ist nach § 3 Nr. 13 MessEG, § 8 Abs. 1 und 2 MessEV i. V. m. Anlage 3 Tabelle 1 Spalten 2 und 3, Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2014/31/EU und der gemäß dem Einleitungssatz des Anhangs I zur Richtlinie 2014/31/EU darin verwendeten Terminologie der Internationalen Organisation für das gesetzliche Messwesen (OIML) ein Gerät, das allein oder in Verbindung mit zusätzlichen Einrichtungen dazu bestimmt ist, unter anderem zur Verwendung im geschäftlichen Verkehr für die Durchführung von Messungen verwendet zu werden. Ein Messgerät kann danach ein anzeigendes Messgerät oder eine Maßverkörperung sein. 90Vgl. Nr. 3.1 des von der OIML veröffentlichten Internationalen Wörterbuchs der Metrologie, International Vocabulary of Metrology – Basic and General Concepts and Associated Terms (VIM), 3rd Edition (Bilingual E/F), 2012, abrufbar unter https://www.oiml.org/en/publications/vocabularies/publication_view?p_type=4&p_status=1; die deutsche Übersetzung ist abgedruckt in: Brinkmann, Internationales Wörterbuch der Metrologie. Grundlegende und allgemeine Begriffe und zugeordnete Benennungen (VIM), Deutsch-englische Fassung, ISO/IEC-Leitfaden 99:2007, 4. Aufl. 2012. 91Ein hier allein in Betracht kommendes anzeigendes Messgerät setzt nach Nr. 3.3 VIM voraus, dass es ein Ausgangssignal (output signal, signal de sortie) als Träger der Information über den Wert der Größe, die gemessen wird, liefert. Nur bei einem visuell anzeigenden Messgerät im Sinne von Nr. 3.4 VIM wird das Ausgangssignal visuell dargestellt. Es kann auch an ein oder mehrere andere Geräte übertragen werden (vgl. Anmerkung 2 zu Nr. 3.3 VIM). Für den hier betroffenen Bereich des gesetzlichen Messwesens wird diese Terminologie weiter präzisiert in dem von der OIML hierzu herausgegebenen Internationalen Vokabular für das gesetzliche Messwesen (VIML). 92OIML, International vocabulary of terms in legal metrology (VIML), OIML V 1, Edition 2013 (Bilingual E/F), abrufbar unter https://www.oiml.org/en/publications/vocabularies/publication_view?p_type=4&p_status=1. 93Danach ist eine Anzeige („indication“) der Mengenwert, der von einem Messgerät oder einem Messsystem geliefert wird (Nr. 0.03 VIML). Eine Anzeige kann optisch oder akustisch erfolgen oder auf ein anderes Gerät übertragen werden (vgl. Note 1 zu Nr. 0.03 VIML). Die Hauptanzeige (primary indication) einer Waage wird in Nr. 5.05 VIML beschrieben als „indication (displayed, printed or memorized) subject to legal metrological control“ im Sinne von Anzeige (elektronisch, gedruckt oder gespeichert), die rechtlicher metrologischer Kontrolle unterliegt. 94Da eine nichtselbsttätige Waage, die diesem Begriffsverständnis unterfällt, also allein oder in Verbindung mit zusätzlichen Einrichtungen dazu bestimmt ist, im geschäftlichen Verkehr für die Durchführung von Messungen verwendet zu werden (vgl. § 3 Nr. 13 MessEG), beim Wägen – etwa zur Bestimmung des Preises entsprechend der Masse für den Verkauf in öffentlichen Verkaufsstellen [vgl. Art. 1 Abs. 2 Buchst. a) und f) der Richtlinie 2014/31/EU] – das Eingreifen einer Bedienungsperson erfordert (vgl. Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2014/31/EU), verlangt Anhang I Nr. 8.1 der Richtlinie 2014/31/EU, dass ihr Entwurf und ihre Herstellung die Beibehaltung ihrer messtechnischen Eigenschaften bei ordnungsgemäßer Verwendung und Aufstellung und bei Verwendung in der vorgesehenen Umgebung gewährleisten müssen und der Wert der Masse angezeigt werden muss. Dem Erfordernis, wonach der Entwurf und die Herstellung dies gewährleisten müssen, kann bereits dann entsprochen werden, wenn durch den Hersteller in der Entwurfs- und Herstellungsphase sichergestellt wird, dass die messtechnischen Eigenschaften später, nämlich „beim Wägen“ im geschäftlichen Verkehr, also nach Inbetriebnahme des Geräts zu diesem Zweck, beibehalten werden und ab diesem Zeitpunkt der Wert der Masse angezeigt wird. Erst ab diesem Zeitpunkt wird die bei nichtselbsttätigen Waagen erforderliche Bedienungsperson tätig. Etwas anderes lässt sich nicht den übrigen Anforderungen an die Anzeige des Wägeergebnisses nach Anhang I der Richtlinie 2014/31/EU entnehmen. So verlangt etwa Anhang I Nr. 8.3, dass die in den Nr. 8.1 und 8.2 festgelegten Anforderungen für eine „im Hinblick auf die beabsichtigte Verwendung des Geräts normale Zeit“ dauerhaft erfüllt sein müssen. In diesem Kontext, also im Hinblick auf die beabsichtigte Verwendung des Geräts, ist auch das Erfordernis im folgenden Absatz zu verstehen, wonach bei digitalen elektronischen Einrichtungen der einwandfreie Ablauf des Messvorgangs, die Anzeigeeinrichtung und sämtliche Datenspeicherungs- und Datenübertragungsvorgänge stets angemessen kontrolliert werden müssen. Denn die Frage, ob der Messvorgang einwandfrei abläuft und angezeigt wird, stellt sich ebenso wie die Frage, ob bedeutende Störungen im Sinne der Nr. 8.2 selbsttägig erkannt und gemeldet werden, erst in der Verwendungsphase nach Freigabe zur Inbetriebnahme zu den in Art. 1 Abs. 2 Buchst. a) bis f) der Richtlinie 2014/31/EU genannten Zwecken. Beim Anschluss externer Geräte über eine geeignete Schnittstelle ist nach Anhang I Nr. 8.4 der Richtlinie 2014/31/EU entscheidend, dass die Messeigenschaften eines elektronischen Geräts hierdurch nicht unzulässig beeinflusst werden. Auch die Anforderungen nach Anhang I Nr. 9 und 14 der Richtlinie 2014/31/EU an die Anzeige der Wägeergebnisse und der wesentlichen Angaben über den Wägevorgang betreffen nur die Zeit ab einer möglichen Inbetriebnahme. Der Richtliniengeber stellt dementsprechend in Art. 4 der Richtlinie 2014/31/EU auch generell darauf ab, dass den im Anhang I festgelegten wesentlichen Anforderungen nur Waagen entsprechen müssen, die zu den in Art. 1 Abs. 2 Buchst. a) bis f) der Richtlinie genannten Zwecken verwendet werden oder verwendet werden sollen. Wenn und solange eine solche Verwendung nicht erfolgt und auch (noch) nicht erfolgen soll, müssen nach dieser Regelungstechnik die bei Verwendung zu erfüllenden Anforderungen noch nicht eingehalten werden. Allerdings müssen die Hersteller nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2014/31/EU gewährleisten, wenn sie ihre Geräte in Verkehr bringen, die zu den in Art. 1 Abs. 2 Buchst. a) bis f) der Richtlinie 2014/31/EU genannten Zwecken verwendet werden sollen, dass diese gemäß den in Anhang I festgelegten wesentlichen Anforderungen entworfen und hergestellt worden sind. Bei der Frage, wann welche Anforderungen tatsächlich erfüllt sein müssen, differenziert die Richtlinie also zeitlich zwischen den Herstellerpflichten bei Inverkehrbringen, d. h. der erstmaligen Bereitstellung eines Geräts in Gestalt seiner ersten Abgabe zum Vertrieb oder zur Verwendung auf dem Unionsmarkt im Rahmen einer Geschäftstätigkeit (vgl. Art. 2 Nr. 3 und 4 der Richtlinie 2014/31/EU), und den ab einer möglichen Inbetriebnahme von Waagen zu erfüllenden wesentlichen Anforderungen (vgl. Art. 3 Abs. 1 und 2, Art. 5 der Richtlinie 2014/31/EU). Die Mitgliedstaaten dürfen nach Art. 5 der Richtlinie weder die Bereitstellung von Geräten, die den Vorschriften dieser Richtlinie genügen, auf dem Markt behindern, noch die Inbetriebnahme solcher Geräte. Die in der Richtlinie damit angelegte zeitliche Differenzierung ermöglicht den Herstellern das Inverkehrbringen von und damit den Handel mit Waagen, welche allein zwar nicht verwendet werden können, bei denen aber aufgrund ihrer technischen Eigenschaften, des von dem Hersteller bestimmten Verwendungszwecks und prozeduraler Absicherungen durch das Konformitätsbewertungsverfahren schon bei Inverkehrbringen gewährleistet ist, dass bei bestimmungsgemäßer Verwendung die in Anhang I der Richtlinie festgelegten wesentlichen gerätespezifischen Anforderungen – auch mit Blick auf die visuelle Anzeige des Wägeergebnisses – erfüllt sein werden. 95Dieses Normverständnis steht im Einklang mit den internationalen Standards. Bei der Auslegung der Richtlinie kann nicht außer Betracht bleiben, dass die Europäische Union schon bei ihrem Erlass völkerrechtlich hinsichtlich des in ihre Zuständigkeit fallenden Teils an das Übereinkommen der Welthandelsorganisation (WTO) über technische Handelshemmnisse (Agreement on Technical Barriers to Trade, im Folgenden: TBT-Übereinkommen) gebunden war (vgl. Anhang 1, 1A zum Beschluss des Rates 94/800/EG vom 22.12.1994, ABl. L 336 vom 23.12.1994, S. 86). Danach verwendet die Union als Vertragsmitglied grundsätzlich einschlägige internationale Normen als Grundlage für ihre technischen Vorschriften (vgl. Art. 2.4 TBT-Übereinkommen). Das Abkommen verfolgt damit das auch der Richtlinie 2014/31/EU zugrunde liegende Ziel, Handelshemmnisse unter anderem im Wege vereinheitlichter gerätespezifischer Anforderungen abzuschaffen. Zu den internationalen Normungsorganisationen im Sinne des TBT-Übereinkommens der WTO zählt unter anderem die Internationale Organisation für das gesetzliche Messwesen (OIML), deren Terminologie nach Anhang I der Richtlinie 2014/31/EU auch für die Beurteilung maßgeblich ist, ob ein Gerät die dort harmonisierten wesentlichen Anforderungen erfüllt, und welche Empfehlungen zu den technischen Anforderungen von nichtselbsttätigen Waagen herausgibt. 96Vgl. OIML, International Recommendation R 76-1, Edition 2006 (E); siehe auch https://www.oiml.org/en/about/about-oiml. 97Die Umsetzung dieser zuletzt genannten Empfehlung der OIML in das Unionsrecht ist erfolgt durch die Veröffentlichung der hierauf beruhenden europäischen Norm EN 45501:2015 über metrologische Aspekte der nichtselbsttätigen Waagen im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie 2014/31/EU am 15.1.2016 (ABl. C 14 vom 15.1.2016, S. 100). 98Vgl. das nationale Vorwort zur deutschen Fassung DIN EN 45501:2015; zur Bedeutung der Zusammenarbeit mit internationalen Normungsorganisationen zur Stärkung der weltweiten Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie siehe Erwägungsgrund 3 der Verordnung (EU) 1025/2012. 99Ab dem ersten Tag nach Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2014/31/EU am 20.4.2016 (vgl. Art. 44 Abs. 1 der Richtlinie 2014/31/EU) sollte die europäische Norm EN 45501:2015 maßgeblich sein anstelle der bis zum 19.4.2016 bezogen auf die Vorgängerrichtlinie 2009/23/EG noch maßgeblichen EN 45501:1992 (vgl. ABl. C 300 vom 11.9.2015, S. 3). Bei Geräten, die mit der EN 45501:2015 übereinstimmen, wird nach Art. 12 der Richtlinie 2014/31/EU die Konformität mit wesentlichen Sicherheitsanforderungen gemäß Anhang I vermutet, die von der harmonisierten technischen Norm oder Teilen davon abgedeckt sind. 100Das bereits dargestellte, der internationalen Terminologie zugrunde liegende Verständnis einer Hauptanzeige („primary indication“, vgl. Nr. 5.05 VIML) haben die OIML-Empfehlung R 76-1, Ed. 2006, und die DIN EN 45501:2015 jeweils in Nr. T.1.3.1 aufgegriffen. Danach sind Hauptanzeigen einer Waage „Anzeigen, Signale und Symbole“, die den Anforderungen der OIML-Empfehlung bzw. der Europäischen Norm unterliegen (vgl. hierzu insbesondere Nr. 4.2, 4.3 und 4.4 DIN EN 45501:2015). Dieser weite Begriff der Hauptanzeige nach T.1.3.1, der im Sinne der angeführten internationalen Terminologie gespeicherte Ausgangssignale einschließt, ist von einer digitalen Hauptanzeigeeinrichtung bzw. einem digital primary display im Sinne von T.2.2.6 zu unterscheiden, was unter der zuletzt genannten Nummer ausdrücklich klargestellt wird. Nur als typische Module einer nichtselbsttätigen Waage werden in dem Schaubild unter T.2.2 DIN EN 45501:2015, Bild 1, bzw. OIML, R 76-1, Ed. 2006, Figure 1, zum Aufbau einer nichtselbsttätigen Waage das Wägemodul im Sinne der Begriffsdefinition in T.2.2.7 und die Hauptanzeigeeinrichtung („primary display“) im Sinne von T.2.2.6 abgebildet. Unklarheiten, die sich daraus ergeben, dass in der europäischen Norm in der Tabelle unter dem Schaubild als Modul die „Hauptanzeige“ angeführt wird anstelle der im Schaubild genannten „Hauptanzeigeeinrichtung“, werden durch den Verweis auf die Terminologie der „Hauptanzeigeeinrichtung“ unter T.2.2.6 Buchst. a) sowie durch einen Vergleich mit der OIML-Empfehlung R 76-1, Ed. 2006, aufgelöst. In dieser wird an jeweils derselben Stelle als Modul einheitlich nur das „Primary display“ nach T.2.2.6 erwähnt. Die digitale Hauptanzeigeeinrichtung nach T.2.2.6 Buchst. a) DIN EN 45501:2015 bzw. OIML, R 76-1, Ed. 2006, ist entweder in das Gehäuse des Auswertegeräts oder des Terminals integriert oder in einem getrennten Gehäuse (d. h. in einem Terminal ohne Tasten) realisiert, z. B. für die Anwendung in Kombination mit einem Wägemodul. Das Wägemodul ist nach T.2.2.7 DIN EN 45501:2015 bzw. OIML, R 76-1, Ed. 2006, der Teil der Waage, der alle mechanischen und elektronischen Einrichtungen enthält (d. h. Lastaufnehmer, Kraftübertragungseinrichtung, Wägezelle und Auswerteeinheit oder digitale Auswerteeinheit), aber ohne die Möglichkeit zur Anzeige des Wägeergebnisses, wobei hier mit Anzeige die Visualisierung des Wägeergebnisses gemeint ist. Auch dies ergibt sich aus der vergleichenden Berücksichtigung der Empfehlung R 76-1. Dort heißt es in diesem Zusammenhang: „but not having the means to display the weighing result“. 101Die Ausführungen in der europäischen Norm ebenso wie in der OIML-Empfehlung machen deutlich, dass es schon aufgrund der Funktionsweise einer nichtselbsttätigen Waage beim Wägen durch Bedienungspersonal der visuellen Anzeige des Wägeergebnisses bedarf. Dennoch kann die Hauptanzeige einer solchen Waage im Sinne der internationalen Terminologie in einem nur gespeicherten Ausgangssignal bestehen und die visuelle Anzeige beim Wägen im geschäftlichen Verkehr über eine zusätzliche Anzeigeeinrichtung im Sinne von Nr. 3.1 und 3.3 VIM erfolgen. Davon gehen auch T.2.2.6, Buchst. a) DIN EN 45501:2015 bzw. OIML, R 76-1, Ed. 2006, aus, die die Realisierung selbst der digitalen Hauptanzeigeeinrichtung in einem von dem Auswertegerät und dem Terminal getrennten Gehäuse für zulässig halten. Eine getrennte Anzeigeeinrichtung ist hier nur beispielhaft als in Kombination mit einem Wägemodul möglich erwähnt, bei dem es sich um einen Teil einer Waage handelt, der nur die digitale Hauptanzeigeeinrichtung fehlt. Auch in dem Schaubild unter T.2.2 ist das Wägemodul in gleicher Weise nur beispielhaft und als lediglich typische Realisierung einer modular aufgebauten Waage erwähnt. Dies lässt noch nicht den Schluss zu, dass eine digitale Hauptanzeigeeinrichtung zwingend als Bauteil einer Waage angesehen werden muss, auch wenn dies typischerweise der Fall sein mag. Nach Nr. 3.1 der allgemeinen internationalen Terminologie (VIM) darf eine digitale Hauptanzeigeeinrichtung vielmehr ausdrücklich eine von dem Messgerät getrennte zusätzliche Einrichtung sein, die in Verbindung mit dem Messgerät für die Durchführung von Messungen verwendet wird. Ausgehend hiervon kann dem Erfordernis des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2014/31/EU, wonach der Entwurf und die Herstellung einer Waage die in Anhang I der Richtlinie festgelegten wesentlichen Anforderungen gewährleisten müssen, bereits dann entsprochen werden, wenn durch den Hersteller in der Entwurfs- und Herstellungsphase sichergestellt wird, dass das Wägeergebnis nach Inbetriebnahme des Geräts mit Hilfe einer internen oder externen Hauptanzeigeeinrichtung tatsächlich entsprechend den Anforderungen des Anhangs I der Richtlinie angezeigt wird. 102Die spürbare Spannung zwischen dem weiten Verständnis der „Hauptanzeige“ in T.1.3.1, das ausdrücklich lediglich gespeicherte Ausgangssignale im Sinne der internationalen metrologischen Terminologie einschließt, und der unter T.2.2 erfolgten Einteilung einer nichtselbsttätigen Waage unter anderem in die Module Wägemodul und digitale Hauptanzeigeeinrichtung lässt sich auflösen, indem Sinn und Zweck dieser Begriffsverwendung näher in den Blick genommen werden. Wie ausgeführt wird unter T.2.2 ausweislich der Bildbezeichnung sowie der Anmerkung unter T.2.2 ausdrücklich lediglich eine von verschiedenen möglichen Kombinationen typischer Module einer nichtselbsttätigen Waage mit eigener Anzeigeeinrichtung dargestellt. Die Einteilung in mögliche Module ist deshalb relevant, weil nach der europäischen Norm ebenso wie nach der Empfehlung der OIML für einzelne Module der Waage Bewertungs- und Baueinheitenzertifikate erstellt werden können [vgl. T.2.2 und Anhang C bis F der DIN EN 45501:2015; OIML, R 76-1, Ed. 2006, T.2.2 und Annex C bis F]. Das ist besonders in Fällen von Bedeutung, in denen die Prüfung einer Waage als Ganzes schwierig oder unmöglich ist, wenn das Modul als getrennte Einheit hergestellt und/oder auf dem Markt angeboten wird, um es in eine komplette Waage einzubauen oder wenn der Antragsteller eine Vielzahl verschiedener Module in der zugelassenen Bauart verwenden möchte (vgl. Nr. 3.10.2 der DIN EN 45501:2015 bzw. OIML, R 76-1, Ed. 2006). Möchte ein Hersteller für ein Gerät, das alle Anforderungen an eine Waage erfüllt, aber über keine eigene digitale Hauptanzeigeeinrichtung verfügt, nicht die Letztverantwortung als Hersteller im Sinne der Richtlinie 2014/31/EU übernehmen, also insbesondere keine Vorkehrungen dafür treffen, dass bei Inbetriebnahme des Geräts das Messergebnis den Anforderungen nach Anhang I der Richtlinie entsprechend angezeigt wird, kann er sein Produkt danach als Teil einer nichtselbsttätigen Waage, nämlich als Wägemodul im Sinne der Nr. 2.2.7 DIN EN 45501:2015 bzw. OIML, R 76-1, Ed. 2006, betrachten. Hierüber kann er sich ein Baueinheitenzertifikat ausstellen lassen und es als solches an einen Hersteller vertreiben, der die durch eine ergänzte digitale Hauptanzeigeeinrichtung entstandene Waage in eigener Verantwortung in Verkehr bringt. In einem solchen Fall muss der Hersteller des Endprodukts die Kompatibilität auch des Wägemoduls im Rahmen des Konformitätsbewertungsverfahrens bezogen auf das Endprodukt festlegen und angeben (vgl. Nr. 3.10.2.3 DIN EN 45501:2015, OIML, R 76-1, Ed. 2006). Die EU-Konformitätserklärung im Sinne von Art. 14 der Richtlinie 2014/31/EU bezieht sich sodann allein auf dieses Endprodukt, auf dem auch die CE-Kennzeichnung und die zusätzliche Metrologie-Kennzeichnung im Sinne von Art. 15 der Richtlinie 2014/31/EU anzubringen sind. Alternativ hierzu in Betracht kommt aber wegen des deutlich weiterreichenden Begriffs der Waage als eines Messgeräts, welches Wägeergebnisse nicht notwendig über ein Display liefern muss, sondern bei dem als „Hauptanzeige“ ein elektronisch gespeichertes Ausgangssignal ausreicht, dass der Hersteller dasselbe Bauteil in eigener Verantwortung als vollständige Waage vertreibt. Dann aber muss er gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2014/31/EU „bei Entwurf und Herstellung“ gewährleisten, dass sein Gerät nur mit einem geeigneten externen Display, also einer digitalen Hauptanzeigeeinrichtung im Sinne der Nr. T.2.2.6, in Betrieb genommen werden kann und so die Vereinbarkeit mit den wesentlichen gerätespezifischen Anforderungen an die Anzeige des Wägeergebnisses ab Inbetriebnahme und damit bei Verwendung des Geräts für Messungen im geschäftlichen Verkehr sichergestellt ist. 103Dieses Normverständnis entspricht schließlich dem in den Erwägungsgründen 17 und 47 der Richtlinie 2014/31/EU zum Ausdruck gebrachten Bestreben des Richtliniengebers, sich auf die wesentlichen messtechnischen und technischen Anforderungen zu beschränken, welche nichtselbsttätige Waagen betreffen, die zu bestimmten Verwendungszwecken benutzt werden. 104Vgl. hierzu auch Europäische Kommission, Leitfaden für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU 2016 („Blue Guide“), ABl. C 272 vom 26.7.2016, S. 1, Nr. 1.1.3, 8.1 unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 20.2.1979 – C-120/78 –, Slg. 1979, 649 = juris, Rn. 8. 105Diese wesentlichen technischen Anforderungen, auf deren Harmonisierung sich die Richtlinie zum Schutz der Allgemeinheit vor unrichtigen Wägeergebnissen (Erwägungsgrund 5), zur Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs auf dem Unionsmarkt (Erwägungsgrund 7) durch eine Konformitätsbewertung auf einem unionsweit einheitlichen Qualitätsniveau (Erwägungsgründe 26 und 27) ohne unnötigen Aufwand für die Wirtschaftsakteure (Erwägungsgrund 17) beschränken wollte (Erwägungsgrund 33), sind in Anhang I enthalten. Der Richtliniengeber hat in Erwägungsgrund 7 der Richtlinie 2014/31/EU den Grundsatz betont, dass die Wirtschaftsakteure – zu denen auch der Hersteller zählt (vgl. Art. 2 Nr. 9 der Richtlinie 2014/31/EU) – dafür verantwortlich sein sollen, dass die nichtselbsttätigen Waagen die Richtlinie einhalten. Die Art und Weise der technischen Umsetzung ist ihnen dabei im Rahmen der harmonisierten gerätespezifischen Anforderungen (vgl. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2014/31/EU, § 23 Abs. 1 Satz 1 MessEG) freigestellt. Die technologieoffene Regelung gerätespezifischer Anforderungen entspricht der im Sinne der Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 ff. AEUV, vgl. auch Art. 5 der Richtlinie 2014/31/EU) und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in Erwägungsgrund 47 vom Richtliniengeber beabsichtigten Beschränkung der unionsrechtlichen Harmonisierung auf die Anforderungen, welche zur Erreichung des mit der Richtlinie angestrebten Ziels geeignet sind und nicht über das dazu Erforderliche hinausgehen. 106Vgl. EuGH, Urteil vom 12.12.2006 – C-380/03 –, Slg. 2006, I-11573 = juris, Rn. 144, m. w. N. 107b) Zum Nachweis, dass eine nichtselbsttätige Waage die wesentlichen gerätespezifischen Anforderungen nach § 6 Abs. 2 MessEG i. V. m. § 8 Abs. 1 MessEV i. V. m. Anlage 3 Tabelle 1 Spalte 3 und Anhang I der Richtlinie 2014/31/EU erfüllt, muss gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 MessEG i. V. m. § 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2 MessEV i. V. m. Anlage 3 Tabelle 1 Spalte 4 und Anlage 4 zur MessEV ein Konformitätsbewertungsverfahren nach den Modulen B und F oder B und D oder G unter Beachtung der besonderen Vorgaben für nichtselbsttätige Waagen gemäß Anlage 4 Teil A Nr. 4 MessEV erfolgreich durchgeführt worden sein und eine Konformitätserklärung vorliegen [hierzu unter (aa)]. Ferner muss die Konformität einer nichtselbsttätigen Waage, ehe diese in Verkehr gebracht wird, gemäß § 6 Abs. 1, 4 MessEG mit den in § 14 Abs. 1 MessEV bestimmten Kennzeichen bestätigt sein [hierzu unter (bb)]. 108(aa) Das System der Konformitätsbewertung im Sinne von § 6 Abs. 3 MessEG, das dem Grundsatz der Herstellerverantwortung Rechnung trägt, hat das frühere Recht zum Inverkehrbringen, bestehend aus der EG-Bauartzulassung und der EG-Ersteichung für Messgeräte weitgehend – zu den Ausnahmen siehe § 18 MessEV – abgelöst. 109Vgl. hierzu auch BT-Drs. 17/12727, zu § 27, S. 45. 110Während die Einhaltung der technischen Vorschriften früher von den Mitgliedstaaten vor dem Vertrieb oder der erstmaligen Verwendung überwacht worden war, und zwar insbesondere durch die Verfahren der Bauartzulassung und der (Erst-)Eichung, 111vgl. hierzu auch Erwägungsgrund 7 sowie Art. 2 Abs. 2 und Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2009/34/EG, 112dient das neue Konformitätsbewertungsverfahren dem Hersteller als von ihm in eigener Verantwortung zu erbringender Nachweis, dass in Verkehr gebrachte Produkte den bundes- und unionsrechtlichen Anforderungen entsprechen. 113Vgl. Europäische Kommission, Leitfaden für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU 2016 („Blue Guide“), ABl. C 272 vom 26.7.2016, S. 1, Nr. 5.1.1. 114Insofern erkennt der Gesetzgeber das System der Konformitätsbewertung im Sinne des § 6 Abs. 3 MessEG als ein gegenüber der bisherigen Ersteichung gleichwertiges Nachweisinstrument an. 115Vgl. BT-Drs. 17/12727, zu § 37 Abs. 1, S. 47. 116Wird – wie hier – gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 MessEV i. V. m. Anlage 3 Tabelle 1 Spalte 4 das Konformitätsbewertungsverfahren nach den Modulen B und D im Sinne von Anlage 4 Teil B MessEV angewendet, folgt auf die Prüfung der Konformität des repräsentativen Musters (Baumuster) mit den relevanten rechtlichen Anforderungen (Modul B – Baumusterprüfung) die auf den Produktionsprozess bezogene Bestätigung der Konformität der Produkte mit dem zugelassenen Baumuster durch ein von einer Konformitätsbewertungsstelle anerkanntes Qualitätssicherungssystem für die Herstellung, Endabnahme und Prüfung der betreffenden Messgeräte (Modul D Nr. 2) unter Berücksichtigung der besonderen Vorschriften für nichtselbsttätige Waagen nach Anlage 4 Teil A Nr. 4 MessEV. Bei dieser Art der Konformitätsbewertung muss der Hersteller das Qualitätssicherungssystem einrichten und so anwenden, dass es die volle Konformität der Produkte mit den relevanten rechtlichen Anforderungen gewährleistet. Insofern unterscheidet sich die Konformitätsbewertung etwa von einer Prüfung der Konformität mit der Bauart auf der Grundlage einer Produktprüfung, wie sie unter anderem in Modul F vorgesehen ist. Bei letzterer werden alle Geräte einzeln auf ihre Konformität mit der in der Baumusterprüfbescheinigung beschriebenen anerkannten Bauart und den entsprechenden Anforderungen des Mess- und Eichgesetztes und der Mess- und Eichverordnung untersucht und geprüft. Erst auf der Grundlage dieser Untersuchungen und Prüfungen werden für jedes Gerät Konformitätsbescheinigungen von der Konformitätsbewertungsstelle ausgestellt (vgl. Anlage 4 Teil B Modul F Nr. 1., 3., 4. MessEV). 117Vgl. hierzu auch Europäische Kommission, Leitfaden für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU 2016 („Blue Guide“), ABl. C 272 vom 26.7.2016, S. 1, Nr. 5.1.5 f., 5.1.9. 118Etwas anderes folgt nicht aus Anlage 4 Teil B Modul D Nr. 5.1 MessEV, wonach der Hersteller an jedem einzelnen Messgerät, das mit der in der Baumusterprüfbescheinigung beschriebenen Bauart übereinstimmt und die geltenden Anforderungen des Mess- und Eichgesetzes und der Mess- und Eichverordnung erfüllt, die Konformitätskennzeichen nach § 14 MessEV anzubringen hat. Durch das nach Modul D von dem Hersteller einzuhaltende Qualitätssicherungssystem ist die Übereinstimmung der Messgeräte mit der in der Baumusterprüfbescheinigung beschriebenen Bauart und mit den für sie geltenden Anforderungen des Mess- und Eichgesetzes und der Mess- und Eichverordnung gewährleistet (vgl. Anlage 4 Teil B Modul D Nr. 3.2 MessEV). Die Überwachung unter der Verantwortung der Konformitätsbewertungsstelle wiederum stellt sicher, dass der Hersteller die Verpflichtungen aus dem von der Konformitätsbewertungsstelle anerkannten Qualitätssicherungssystem vorschriftsmäßig erfüllt (Anlage 4 Teil B Modul D Nr. 4.1 MessEV). 119Vgl. in diesem Sinne letztlich auch Europäische Kommission, Leitfaden für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU 2016 („Blue Guide“), ABl. C 272 vom 26.7.2016, S. 1, Nr. 4.5.1.4 und 5.1.6. 120Eine darüber hinausgehende, das Konformitätsbewertungsverfahren abschließende Überprüfung der einzelnen Geräte auf ihre Konformität mit den wesentlichen gerätespezifischen Anforderungen ist in dem Konformitätsbewertungsverfahren nach Modul B und Modul D nicht vorgesehen. Allerdings wird eine abschließende Überprüfung der Übereinstimmung mit dem Baumuster regelmäßig Teil des zertifizierten Qualitätssicherungssystems des Herstellers sein. Dem entspricht schließlich, dass nach Anlage 4 Teil B Modul D Nr. 5.2 MessEV der Hersteller für jedes Messgerätemodell – und gerade nicht für jedes einzelne Messgerät – eine Konformitätserklärung im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 MessEV i. V. m. Anhang IV der Richtlinie 2014/31/EU auszustellen hat. 121(bb) Gemäß § 6 Abs. 4 MessEG i. V. m. § 14 Abs. 1 MessEV muss die Konformität einer nichtselbsttätigen Waage bestätigt sein mit der CE-Kennzeichnung, der Metrologie-Kennzeichnung bestehend aus dem Großbuchstaben „M“ und den beiden letzten Ziffern der Jahreszahl des Jahres, in dem die Kennzeichnung angebracht wurde, beides zusammen eingerahmt durch ein Rechteck, dessen Höhe der Höhe der CE-Kennzeichnung entspricht, und nachfolgend mit der Kennnummer der Konformitätsbewertungsstelle, die an der Durchführung des Konformitätsbewertungsverfahrens in der Fertigungsphase beteiligt war. Die Kennzeichnungen sind gemäß § 6 Abs. 1 MessEG (siehe hierzu auch Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 2014/31/EU) anzubringen, bevor das Gerät in Verkehr gebracht wird. Das Inverkehrbringen ist nach § 2 Nr. 7 Halbsatz 1 MessEG die erstmalige Bereitstellung eines Produkts auf dem Markt der Europäischen Union im Sinne des § 2 Nr. 1 MessEG, also jede entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe eines Produkts zum Vertrieb, Verbrauch oder zur Verwendung auf dem Markt der Europäischen Union im Rahmen einer Geschäftstätigkeit. Sie ist von der Inbetriebnahme eines Geräts zu unterscheiden, welche § 3 Nr. 7 MessEG als erstmalige Nutzung eines für den Endnutzer bestimmten Messgeräts für den beabsichtigten Zweck definiert. Die Kennzeichnungen dürfen schließlich nach § 14 Abs. 6 MessEV nur auf Messgeräten angebracht werden, welche die Anforderungen des Mess- und Eichgesetzes und der Mess- und Eichverordnung erfüllen. Mit der CE-Kennzeichnung und der zusätzlichen Metrologie-Kennzeichnung soll die Konformität der nichtselbsttätigen Waage mit der Richtlinie auf dem Gerät für den Verwender sowie für andere Wirtschaftsakteure erkennbar gemacht werden (§ 6 Abs. 4 MessEG, Art. 15 Richtlinie 2014/31/EU). Sie sind nach Erwägungsgrund 23 der Richtlinie 2014/31/EU das sichtbare Ergebnis eines ganzen Prozesses, der die Konformitätsbewertung im weiteren Sinne umfasst. 122Vgl. hierzu auch den Beschluss Nr. 768/2008/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9.7.2008, Erwägungsgrund 29; Europäische Kommission, Leitfaden für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU 2016 („Blue Guide“), ABl. C 272 vom 26.7.2016, S. 1, Nr. 4.5.1.1. 123c) Ist zum Nachweis, dass ein Messgerät die wesentlichen Anforderungen im Sinne von § 6 Abs. 2 MessEG erfüllt, eine Konformitätsbewertung erfolgreich durchgeführt worden und liegt eine Konformitätserklärung vor, ist eine weitergehende marktaufsichtsrechtliche Überprüfung nur auf begründeten Verdacht gerechtfertigt, dass ungeachtet des Ergebnisses des Konformitätsbewertungsverfahrens die wesentlichen gerätespezifischen Anforderungen nicht erfüllt sind. Dies hat der nationale Gesetzgeber in § 50 Abs. 1 und 2 MessEG zum Ausdruck gebracht, indem er Kontrollen über die Einhaltung der wesentlichen gerätespezifischen Anforderungen anhand angemessener Stichproben auf geeignete Weise und in angemessenem Umfang vorsieht und für weitergehende marktaufsichtsrechtliche Maßnahmen ausdrücklich einen begründeten Verdacht verlangt, die genannten Anforderungen seien nicht erfüllt. Die Marktaufsichtsbehörden sind bei der Überprüfung, ob in Verkehr gebrachte Messgeräte den Anforderungen nach Abschnitt 2 des Mess- und Eichgesetzes erfüllen, allerdings nicht an das Ergebnis des von den Herstellern durchgeführten Konformitätsbewertungsverfahrens gebunden. Insofern ergänzen sich die Verfahren der Konformitätsbewertung durch den Hersteller und die Marktüberwachung. Beide sind gleichermaßen notwendig, um den Schutz der betroffenen öffentlichen Interessen und das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten. 124Vgl. Bekanntmachung der Europäischen Kommission, Leitfaden für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU 2016 („Blue Guide“), ABl. C 272 vom 26.7.2016, S. 1, Nr. 5.1.1. 125Den von den Konformitätsbewertungsstellen ausgestellten Bescheinigungen und Zertifikaten kommt in diesem Sinne zwar keine die Marktaufsichtsbehörden bindende Wirkung zu. Schon weil das Konformitätsbewertungsverfahren – wie dargestellt – das Verfahren der Bauartzulassung und (Erst-)Eichung als gleichwertiges Nachweisinstrument ablösen sollte, sind jedoch gemäß Art. 11 Abs. 5 der auch für Produkte im Sinne der Richtlinie 2014/31/EU geltenden Verordnung (EU) 2019/1020 EU-Prüfberichte oder Bescheinigungen über die Konformität der Produkte mit den Harmonisierungsvorschriften der Union, die von einer gemäß der Verordnung (EG) 765/2008 akkreditierten Konformitätsbewertungsstelle ausgestellt wurden, von den Marktüberwachungsbehörden gebührend zu berücksichtigen. Dies gilt schon deshalb, weil die Konformitätsbewertungsstellen entsprechend den Erwägungsgründen 26, 27 und 33 der Richtlinie 2014/31/EU ihrerseits Vorsorge für ein unionsweit einheitliches Qualitätsniveau bei der Konformitätsbewertung tragen. Nach den Erwägungsgründen 32 bis 34 der Verordnung (EU) 2019/1020 sollte die Marktüberwachung gründlich und wirksam sein, um sicherzustellen, dass die Harmonisierungsvorschriften der Union für Produkte ordnungsgemäß angewandt werden. Angesichts der Tatsache, dass Überprüfungen eine Belastung für die Wirtschaftsakteure darstellen können, sollten sich Überwachungsmaßnahmen aber auf das notwendige Maß beschränken. Zugleich ist durch Austausch von Informationen zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten auf eine möglichst gleichmäßige Durchsetzung der Harmonisierungsvorschriften im Unionsgebiet zu achten. Um diesen Ansprüchen gleichermaßen gerecht zu werden, sieht Art. 11 Abs. 3 der Verordnung (EU) 2019/1020 vor, dass die Marktüberwachungsbehörden im Rahmen ihrer Tätigkeit in angemessenem Umfang geeignete Überprüfungen der Merkmale von Produkten vornehmen, indem sie in erster Linie die Unterlagen überprüfen und (nur) gegebenenfalls anhand angemessener Stichproben physische Überprüfungen und Laborprüfungen durchführen. Bei der Entscheidung darüber, welche Arten von Produkten in welchem Umfang welchen Überprüfungen unterworfen werden sollen, gehen sie nach einem risikobasierten Ansatz vor. Dementsprechend stellt der Erwägungsgrund 22 der Richtlinie 2014/31/EU klar, dass die EU-Konformitätserklärung einen wirksamen Zugang zu Informationen für die Zwecke der Marktaufsicht bietet. In diesem Sinne stellen die Hersteller gemäß Art. 6 Abs. 9 Satz 1 der Richtlinie 2014/31/EU auf begründetes Verlangen der zuständigen nationalen Behörden alle Informationen und Unterlagen zur Verfügung, die für den Nachweis der Konformität des Geräts mit der Richtlinie erforderlich sind. 126d) Hier besteht kein begründeter Verdacht, dass die von der Klägerin produzierten Geräte des Typs „CS-300“ den wesentlichen gerätespezifischen Anforderungen nicht genügen. Bei den Geräten handelt es sich um Waagen im Sinne von Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2014/31/EU. Sie erfordern im Sinne von Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2014/31/EU beim Wägen das Eingreifen einer Bedienungsperson und müssen deshalb die wesentlichen Anforderungen an nichtselbsttätige Waagen erfüllen. Als Herstellerin gewährleistet die Klägerin, wenn sie ihre Geräte in Verkehr bringt, dass diese dementsprechend gemäß den in Anhang I der Richtlinie 2014/31/EU festgelegten wesentlichen Anforderungen entworfen und hergestellt worden sind und führt den Nachweis hierüber durch eine erfolgreich durchgeführte Konformitätsbewertung sowie die Ausstellung einer Konformitätserklärung. Dies gilt auch mit Blick auf diejenigen Anforderungen, die erst bei der Verwendung im geschäftlichen Verkehr für die gesamte Nutzungsdauer relevant sind und ab Inbetriebnahme erfüllt werden müssen [hierzu unter (aa)]. Nach alledem liegt auch kein Verstoß gegen die Kennzeichnungspflichten nach § 6 Abs. 4 MessEG i. V. m. § 14 Abs. 1 MessEV vor [hierzu unter (bb)]. 127(aa) Die von der Klägerin produzierten Geräte des Typs „CS300“ sind Waagen im Sinne von Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2014/31/EU, weil sie die Bestimmung der Masse eines Körpers auf der Grundlage der auf diesen Körper wirkenden Schwerkraft ermöglichen, indem sie die Wägeergebnisse durch eine Waagen-Software erfassen und ein digitales Ausgangssignal an eine rückwirkungsfreie Datenschnittstelle liefern. Die Waagen sind in ihrer Funktionsweise ab Inbetriebnahme als nichtselbsttätige Waagen im Sinne von Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2014/31/EU entworfen und hergestellt, weil sie beim Wägen im geschäftlichen Verkehr das Eingreifen einer Bedienungsperson erfordern. Die dafür erforderliche visuelle Anzeige der digital gespeicherten Messwerte auf einen an die Schnittstelle anzuschließenden externen Kassen-PC wird vor der bestimmungsgemäßen Inbetriebnahme auf der Grundlage der EU-Baumusterprüfbescheinigung im Rahmen des Qualitätssicherungssystems sichergestellt. 128Die Klägerin bringt die streitgegenständlichen Geräte nicht lediglich als Wägemodule zur weiteren Herstellung einer nichtselbsttätigen Waage in Verkehr, sondern als eigenständige Waagen, die zur Bestimmung des Preises entsprechend der Masse für den Verkauf in öffentlichen Verkaufsstellen im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a) und f) der Richtlinie 2014/31/EU verwendet werden sollen. Im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 1 MessEG, Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2014/31/EU gewährleistet sie als Herstellerin, wenn sie ihre Geräte in Verkehr bringt, dass diese gemäß den in Anhang I der Richtlinie festgelegten wesentlichen Anforderungen entworfen und hergestellt worden sind. Den Nachweis, dass die Waagen die wesentlichen gerätespezifischen Anforderungen im Sinne von § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MessEG i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 11 MessEV und Anlage 3 Tabelle 1 Spalte 3 MessEV sowie Anhang I zur Richtlinie 2014/31/EU erfüllen, hat sie den Anforderungen des § 6 Abs. 3 Satz 1 MessEG entsprechend erbracht. 129Ausweislich der von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt unter dem 18.2.2019 ausgestellten und damit zum Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung im Januar 2020 maßgeblichen Baumusterprüfbescheinigung (Nr. DE-18-NAWID-PTB014, Revision 1) und des von dem Regierungspräsidium Tübingen als Konformitätsbewertungsstelle im Sinne von § 3 Nr. 9 MessEG zertifizierten Qualitätssicherungssystems hat die Klägerin vor Inverkehrbringen der streitgegenständlichen Geräte ein Konformitätsbewertungsverfahren nach Anlage 4 Teil B Module B und D MessEV unter Berücksichtigung der besonderen Vorschriften für nichtselbsttätige Waagen nach Anlage 4 Teil A Nr. 4 MessEV erfolgreich durchgeführt und für das streitgegenständliche Messgerätemodell entsprechend Anlage 4 Teil B Modul D Nr. 5.2 MessEV eine Konformitätserklärung vorgelegt, die den Anforderungen nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 MessEV i. V. m. Anhang IV der Richtlinie 2014/31/EU entspricht. Schon mit Vorliegen einer einschlägigen EU-Baumusterprüfbescheinigung, eines hierauf bezogenen zertifizierten Qualitätssicherungssystems sowie einer auf das Gerätemodell bezogenen EU-Konformitätserklärung sind die Voraussetzungen zum Nachweis der Konformität nach § 6 Abs. 3 Satz 1 MessEG erfüllt, die zur Anbringung der Konformitätskennzeichen an jedem einzelnen Gerät berechtigen (Anlage 4 Teil B Modul D Nr. 5.1 MessEV). 130Ein begründeter Verdacht, dass die streitgegenständlichen Geräte dennoch nicht gemäß den in Anhang I festgelegten wesentlichen Anforderungen entworfen und hergestellt worden sind, insbesondere weil die erst ab Inbetriebnahme zu stellenden Anforderungen an die visuelle Anzeige der Wägeergebnisse nicht schon bei Inverkehrbringen erfüllt sind, liegt nicht vor. Laut EU-Baumusterprüfbescheinigung sind die Geräte vorgesehen zur Verwendung als nichtselbsttätige preisrechnende Waagen für offene Verkaufsstellen. Sie sind von vornherein auf einen Einsatz in Verbindung mit einem Kassen-PC als einer externen digitalen Hauptanzeigeeinrichtung bestimmt, die beim Wägen im geschäftlichen Verkehr die zutreffende Anzeige der Wägeergebnisse gewährleistet. Eine zweckwidrige Verwendung ohne oder mit einer ungeeigneten Anzeigeeinrichtung wiederum ist dem Verwender schon nach § 31 Abs. 1 Satz 2 MessEG untersagt. Sie wird auch von der Konformitätserklärung der Klägerin nicht umfasst. Darin heißt es, bei einer nicht mit ihr abgestimmten oder nicht von ihr durchgeführten Änderung des Gerätetyps verliere die Konformitätserklärung ihre Gültigkeit. Entwurf und Herstellung gewährleisten, dass der Anschluss des Kassensystems die Messeigenschaften der Waage nicht unzulässig beeinflusst (vgl. Anhang I Nr. 8.4 der Richtliie 2014/31/EU) und die Wägeergebnisse mit Hilfe eines externen Anzeigeräts entsprechend Anhang I Nr. 9 der Richtlinie 2014/31/EU richtig und eindeutig angezeigt werden, nicht irreführend sind und den besonderen Vorgaben für Geräte für offene Verkaufsstellen nach Anhang I Nr. 14 der Richtlinie 2014/31/EU entsprechen. Dies ist aufgrund der in der EU-Baumusterprüfbescheinigung aufgestellten besonderen Anforderungen an den Anschluss kompatibler externer Geräte, die zwingend zu nutzende Waagen- und Anzeigensoftware der Klägerin sowie die vor Inbetriebnahme durchzuführenden Prüfungen sichergestellt. Im Einzelnen muss nach Nr. 3.2 der EU-Baumusterprüfbescheinigung zum Anschluss von richtlinienrelevanten Einrichtungen – wozu die digitale Hauptanzeigeeinrichtung zählt – entweder ein Prüfschein oder Baueinheiten-Zertifikat vorliegen, ausgestellt von einer benannten Stelle im Sinne der Richtlinie 2014/31/EU, oder die Voraussetzungen gemäß WELMEC-Leitfaden 2.5 (2000), Abschnitt 3.3, müssen erfüllt sein. Danach dürfen einfache, nur Daten empfangende Zusatzeinrichtungen an eine nichtselbsttätige Waage mit rückwirkungsfreier Schnittstelle – über welche auch die streitgegenständlichen Geräte verfügen – gemäß Nr. 5.3.6.3 DIN EN 45501 angeschlossen werden, ohne dass ein Prüfschein ausgestellt oder ein Hinweis in einer EG-Bauartzulassung enthalten ist, wenn sie das CE-Kennzeichen für Konformität mit der EMV-Richtlinie 89/336/EWG (heute: Richtlinie 2014/30/EU) tragen, nicht in der Lage sind, irgendwelche Daten oder Befehle in die nichtselbsttätige Waage zu übertragen außer zur Auslösung eines Druckbefehls oder zur Prüfung auf ordnungsgemäße Datenübertragung, die Wägeergebnisse und andere Daten ohne jede Änderung oder Weiterverarbeitung genauso anzeigen oder drucken, wie sie sie von der nichtselbsttätigen Waage erhalten haben, und die entsprechenden Anforderungen nach der DIN EN 45501, insbesondere zur digitalen Anzeige der Wägeergebnisse nach Nr. 4.2 und 4.4 erfüllen. Weiter ist nach Nr. 5.3.1 der EU-Baumusterprüfbescheinigung als notwendige Waagensoftware die Software CS300 zugelassen, für die Anzeigensoftware ausschließlich die CS300-SD, wobei die jeweilige Software-Version über die genau angegebene Software-ID im Logbuch der Waage identifiziert wird. In Nr. 4.2 der EU-Baumusterprüfbescheinigung werden verschiedene Prüfungen, insbesondere der Funktion von anschließbaren Einrichtungen nach Nr. 3.2 sowie der Identifizierbarkeit der Waage nach Nr. 5.3, zur Voraussetzung der Inbetriebnahme gemacht. Ausweislich des von dem Regierungspräsidium Tübingen als Konformitätsbewertungsstelle zuletzt unter dem 27.7.2022 ausgestellten Zertifikats über die Anerkennung eines Qualitätssicherungssystems nach der Richtlinie 2014/31/EU ist die Klägerin berechtigt, an den von ihr gefertigten nichtselbsttätigen Waagen die metrologische Kennzeichnung gemäß dem Verfahren nach Anhang II – Nr. 2, Modul D (Qualitätssicherung des Produktionsprozesses) nach der Richtlinie 2014/31/EU anzubringen. Hierdurch wird der Sache nach zugleich bestätigt, dass die Klägerin die Vorgaben zur Herstellung und Inbetriebnahme der Geräte entsprechend den Vorgaben aus der EU-Baumusterprüfbescheinigung unter Berücksichtigung der besonderen Vorschriften für nichtselbsttätige Waagen nach Anlage 4 Teil A Nr. 4 MessEV umsetzt. Insbesondere kommt die Klägerin danach auch ihrer Pflicht aus Nr. 4.2.4 der EU-Baumusterprüfbescheinigung nach, die Funktion von anschließbaren Einrichtungen vor Inbetriebnahme der nichtselbsttätigen Waage zu prüfen. Dies schließt die Feststellung der Kompatibilität von Waage und Kassensystem nach den erwähnten Vorgaben der Baumusterprüfbescheinigung ein. 131Eine belastbare Tatsachengrundlage für die von dem Beklagten pauschal erhobenen Zweifel an der ordnungsgemäßen Durchführung der Konformitätsbewertung nach Modul D besteht nicht. Ausweislich der Anlage zu dem vom Regierungspräsidium Tübingen ausgestellten Zertifikat über die Anerkennung des Qualitätssicherungssystems der Klägerin basiert die Bewertung auf einer Begutachtung der von der Klägerin eingereichten Dokumente und einem Audit im Unternehmen. Das Qualitätssicherungssystem unterliegt danach ferner der ständigen Überwachung nach der Richtlinie 2014/31/EU. Auch ist nicht ersichtlich, dass wegen der fehlenden eigenen digitalen Hauptanzeigeeinrichtung eine Konformitätsbewertung bezogen auf die Anforderungen an die Anzeige der Wägeergebnisse nicht möglich gewesen wäre. Nach Anhang I Nr. 8.6 der Richtlinie 2014/31/EU müssen die Geräte so konstruiert sein, dass die in der Richtlinie vorgeschriebenen Prüfungen ohne Schwierigkeiten durchgeführt werden können. Dies ist hier der Fall. Für die ordnungsgemäße Anzeige der Wägeergebnisse entsprechend der Anforderungen nach Anhang I Nr. 9 und 14 der Richtlinie 2014/31/EU verantwortlich ist bei den hier streitgegenständlichen Geräten vor allem die Anzeigensoftware CS300-SD, welche ausweislich der EU-Baumusterprüfbescheinigung auf ihre Richtlinienkonformität geprüft worden ist. Das Qualitätssicherungssystem der Klägerin wiederum stellt die ordnungsgemäße Verwendung der Anzeigensoftware mittels einer externen Anzeigeeinrichtung, durch die die Messergebnisse unverfälscht angegeben werden, vor Inbetriebnahme eines jeden einzelnen Geräts sicher. Die dabei gegebenenfalls zu prüfenden Anforderungen nach dem WELMEC-Leitfaden 2.5 (2000), Abschnitt 3.3, sind durch die Neufassungen des WELMEC-Leitfadens 2:2015 und 2:2020 nicht geändert worden und damit auch in technischer Hinsicht weiterhin aktuell. Darüber hinausgehende, gerätespezifische Anforderungen an die digitale Hauptanzeigeeinrichtung selbst, die einer technischen Konformitätsprüfung nach der Richtlinie 2014/31/EU bedürften, gibt die Richtlinie nicht vor. 132Da mithin keine begründeten Zweifel daran bestehen, dass die Klägerin die in Nr. 4.2 der EU-Baumusterprüfbescheinigung vor Inbetriebnahme vorgesehenen Prüfungen insbesondere bezogen auf anschließbare Einrichtungen ordnungsgemäß durchführt, kann letztlich auf sich beruhen, ob die Dokumentation dieser im Rahmen des Qualitätssicherungssystems von ihr vorzunehmenden Prüfungen in der Vergangenheit zutreffend unter der Überschrift „EU-Konformitätserklärung“ bezogen auf die Kombination Kassenwaage und Kassenterminal gemäß POS Guide erfolgt ist oder ob sich Missverständnisse insoweit hätten vermeiden lassen, indem stattdessen etwa ein Protokoll über die Prüfungen nach Nr. 4.2 der EU-Baumusterprüfbescheinigung erstellt worden wäre. 133bb) Die Klägerin versieht die streitgegenständlichen Waagen entsprechend den Vorgaben des § 6 Abs. 4 MessEG i. V. m. § 14 Abs. 1 MessEV vor dem Inverkehrbringen mit den Konformitätskennzeichen [hierzu unter (1)]. Eine spätere Kennzeichnung erst vor Inbetriebnahme bzw. Freigabe der Geräte zum bestimmungsgemäßen Verwendungszweck ist hier auch nicht ausnahmsweise rechtlich geboten [hierzu unter (2)]. 134(1) Die Klägerin bringt die streitgegenständlichen Waagen im Sinne des § 2 Nr. 7 MessEG in Verkehr, indem sie die Geräte an den Hersteller des Kassensystems zum weiteren Vertrieb abgibt und sie damit erstmalig auf dem Markt der Europäischen Union bereitstellt. Unerheblich ist dabei, ob die Klägerin die Geräte zunächst an die Produktionsstätte des Kassensystemherstellers oder – auf dessen Geheiß – unmittelbar an den Verwender des Kassensystems liefert. Der Zeitpunkt des Inverkehrbringens ist danach zu unterscheiden von dem Zeitpunkt, in dem die Klägerin eine Waage nach der erst später erfolgenden Überprüfung ihres ordnungsgemäßen Einbaus in das Kassensystem für die Inbetriebnahme und bestimmungsgemäße Verwendung in öffentlichen Verkaufsstellen freigibt. 135Die Klägerin versieht die streitgegenständlichen Geräte nach Abschluss des Herstellungsprozesses und Funktionsüberprüfung in ihrem Werk und damit vor Inverkehrbringen entsprechend der für nichtselbsttätige Waagen maßgeblichen Vorgaben des § 14 Abs. 1 MessEV mit der CE-Kennzeichnung, der zusätzlichen Metrologie-Kennzeichnung sowie der Kennnummer des Regierungspräsidiums Tübingen als Konformitätsbewertungsstelle, welche an der Durchführung des Konformitätsbewertungsverfahrens in der Fertigungsphase beteiligt war. Auf die Frage, ob eine CE-Kennzeichnung bereits während des Produktionsvorgangs – auch mit Blick auf die sich hieraus ergebenden Folgen für die Berechnung der Eichfrist im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 MessEV – erfolgen darf, kommt es hier nicht an. Der Herstellungsprozess einschließlich der Funktionsüberprüfung der Waage, die später in Verbindung mit einer externen digitalen Hauptanzeigeeinrichtung als nicht selbsttätige Waage im geschäftlichen Verkehr verwendet werden soll, ist bei Inverkehrbringen der Waage durch Abgabe zum Vertrieb jeweils bereits abgeschlossen. 136(2) Die Anbringung der CE-Kennzeichnung und der zusätzlichen Metrologie-Kennzeichnung ist hier auch nicht ausnahmsweise erst unmittelbar vor Freigabe des Geräts zu dem bestimmungsgemäßen Verwendungszweck am Verwendungsort geboten. Ein solches Erfordernis kann sich allein aus den besonderen Vorschriften für nichtselbsttätige Waagen nach Anlage 4 Teil A Nr. 4 MessEV ergeben. Danach darf die Konformitätsbewertung für nichtselbsttätige Waagen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 MessEV i. V. m. Anlage 3 Tabelle 1 Spalte 4 und Anlage 4 Nr. 4 nach den Modulen D, D1, F, F1 oder G – einschließlich der Anbringung der Konformitätskennzeichnung (vgl. etwa Anlage 4 Teil B Modul D Nr. 5.1 MessEV) – nur dann im Betrieb des Herstellers oder an einem beliebigen anderen Ort durchgeführt werden, wenn die Beförderung der nichtselbsttätigen Waage zum Verwendungsort, ihre Zerlegung und die Inbetriebnahme am Verwendungsort keinen erneuten Zusammenbau oder sonstige technische Arbeiten erfordern, durch die die Anzeigegenauigkeit der nichtselbsttätigen Waage beeinträchtigt werden könnte, und die nichtselbsttätige Waage im Rahmen der Fertigung so ausgelegt und justiert ist, dass die am Ort der Inbetriebnahme vorliegende Fallbeschleunigung bereits berücksichtigt ist oder die Anzeigegenauigkeit der nichtselbsttätigen Waage nicht durch Änderungen der Fallbeschleunigung beeinflusst wird. In allen anderen Fällen hat die Konformitätsbewertung am Verwendungsort der nichtselbsttätigen Waage zu erfolgen (Anlage 4 Teil A Nr. 4.1 bis 4.1.2 MessEV). Wird die Messgenauigkeit der nichtselbsttätigen Waage durch Änderungen der Fallbeschleunigung beeinflusst, darf die Konformitätsbewertung nach Anlage 4 Teil A Nr. 4.2 MessEV in zwei Stufen durchgeführt werden, wobei die zweite Stufe am Verwendungsort der nichtselbsttätigen Waage durchzuführen ist und alle Untersuchungen und Prüfungen umfassen muss, bei denen das Ergebnis von der Fallbeschleunigung abhängt. Nach Anlage 4 Teil A Nr. 4.2.6 MessEV sind – entsprechend Anhang II Nr. 7.2.4 der der Richtlinie 2014/31/EU – in diesen Fällen die CE-Kennzeichnung und die zusätzliche Metrologie-Kennzeichnung nach Beendigung der zweiten Stufe zusammen mit der Kennnummer der Konformitätsbewertungsstelle, die bei der zweiten Stufe beteiligt war, an der nichtselbsttätigen Waage anzubringen. 137Ob und in welcher Weise die besonderen Voraussetzungen für nichtselbsttätige Waagen nach Anlage 4 Teil A Nr. 4 MessEV umzusetzen sind, ist Teil des Qualitätssicherungssystems des Herstellers und unterliegt der Zertifizierung durch die Konformitätsbewertungsstelle nach Modul D. Danach steht hier der Anbringung der CE-Kennzeichnung im Betrieb der Klägerin nichts entgegen. Nach Auskunft der Konformitätsbewertungsstelle gegenüber dem Landesbetrieb (vgl. E-Mail vom 15.5.2019, Verwaltungsvorgang, Blatt 125), liegt insbesondere kein zweistufiges Verfahren vor. Ein begründeter Verdacht für eine fehlerhafte Beurteilung der Voraussetzungen nach Anlage 4 Teil A Nr. 4 MessEV durch die Konformitätsbewertungsstelle besteht nicht. Insbesondere ist nicht allein aufgrund der Tatsache, dass die Klägerin die Funktion des angeschlossenen Kassensystems vor Inbetriebnahme der nichtselbsttätigen Waage am Verwendungsort prüft, ein zweistufiges Verfahren gegeben. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass entgegen der Auskunft der an der Konformitätsbewertung durch die Klägerin beteiligten Konformitätsbewertungsstelle die Voraussetzungen für ein zweistufiges Verfahren im Sinne von Anlage 4 Teil A Nr. 4.2 MessEV erfüllt sein könnten. Das Prüfverfahren, das Gegenstand des zertifizierten Qualitätssicherungssystems der Klägerin ist, betrifft ausweislich der im Verwaltungsvorgang vorgelegten Ablaufbeschreibung (Verwaltungsvorgang, Bl. 215 ff.) allein den ordnungsgemäßen Anschluss und Einbau der nichtselbsttätigen Waage in das Kassensystem. Untersuchungen und Prüfungen, bei denen das Ergebnis von der Fallbeschleunigung abhängt, sind nicht vorgesehen. Nach Nr. 5.4 der EU-Baumusterprüfbescheinigung sind besondere Kalibrierungen und Justierungen bei der Inbetriebnahme nicht erforderlich. Die Endabnahme und Prüfung der Waage selbst (vgl. Anlage 4 Teil B Modul D Nr. 2 MessEV) findet am Verwendungsort nicht statt, sondern ist zuvor in der Produktionsstätte der Klägerin erfolgt. Die am Verwendungsort von der Klägerin durchgeführte Funktionsprüfung ist Teil ihrer vorgesehenen Verwendungsbedingungen (vgl. EU-Konformitätserklärung der Klägerin vom 20.3.2020). Nur in deren Rahmen darf die Waage von dem Verwender eingesetzt werden (vgl. § 31 Abs. 1 Satz 2 MessEG). 138Schließlich bedarf es mit Blick auf die von der Beklagten herangezogene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 13.3.2014 – C-132/13 – keiner Anbringung der CE-Kennzeichnung erst unmittelbar vor Inbetriebnahme. Der Europäische Gerichtshof hat zu der Frage der Anbringung der CE-Kennzeichnung an ein elektrisches Betriebsmittel im Sinne der Richtlinie 2006/95/EG entschieden, eine CE-Kennzeichnung dürfe nicht auf einem Bauteil angebracht werden, das ein elektrisches Betriebsmittel darstelle, dessen Sicherheit wesentlich davon abhänge, wie es in ein elektrisches Endprodukt eingebaut werde. Unter solchen Umständen könne nämlich zum einen die Anbringung der CE-Kennzeichnung auf dem Bauteil den Verwender des entsprechenden Geräts irreführen, weil die Qualität des Bauteils nicht auf die Sicherheit des elektrischen Geräts, in das es eingebaut worden sei, schließen lasse. Zum anderen könne durch diesen Einbau die zuvor festgestellte Konformität des Bauteils mit den Sicherheitsanforderungen und die Konformität des elektrischen Geräts, in das das fragliche Bauteil eingebaut worden sei, beeinträchtigt werden. 139Vgl. EuGH, Urteil vom 13.3.2014 – C-132/13 –, Celex-Nr. 62013CJ0132 = juris, Rn. 34. 140Der der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zugrunde liegende Sachverhalt ist mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Hier gewährleisten – wie aufgezeigt – schon die Vorgaben aus der EU-Baumusterprüfbescheinigung an die anschließbaren Einrichtungen und an die Inbetriebnahme der Waage (Nr. 3.2 und 4.2.4 der Bescheinigung) sowie das deren Einhaltung auch tatsächlich absichernde Qualitätssicherungssystem, dass die gerätespezifischen Anforderungen an eine nichtselbsttätige Waage durch den von Anfang an vorgesehenen späteren Einbau in ein externes Kassensystem ab Inbetriebnahme erfüllt werden. Die Gefahr einer Beeinträchtigung insbesondere der messtechnischen Eigenschaften durch einen derart ausgestalteten und durch zertifizierte Vorgaben des Herstellers abgesicherten Einbau in das Kassensystem besteht nicht. 1412. Erweist sich nach alledem die Untersagungsverfügung in Nr. 1 des angefochtenen Bescheids als rechtwidrig, ist die Androhung unmittelbaren Zwangs für den Fall der Nichtbefolgung der Untersagungsverfügung in Nr. 2 der angegriffenen Ordnungsverfügung des Landesbetriebs ebenfalls rechtswidrig. 142Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. 143Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, 711 ZPO. 144Die Revision ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die mit dem Verfahren verbundenen Rechtsfragen sind nicht nur für die Beteiligten des konkreten Verfahrens, sondern auch für andere Marktüberwachungsbehörden und Hersteller ähnlicher Geräte relevant.
die berufung des beklagten gegen das urteil des verwaltungsgerichts köln vom 21.4.2021 wird zurückgewiesen. der beklagte trägt die kosten des berufungsverfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der beklagte darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht die klägerin vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. die revision wird zugelassen. 1
2die klägerin ist herstellerin eines geräts zur gewichtsbestimmung, das für den einsatz im einzelhandel in kassensysteme anderer hersteller integriert wird und so das wiegen beim kassiervorgang ermöglicht. die wiegeergebnisse werden durch eine auf der zentralen rechen- und steuereinheit (cpu) des geräts installierte waagen-software erfasst. diese leitet die daten über eine zum gerät gehörende rückwirkungsfreie datenschnittstelle insbesondere mittels des datenkommunikationssystems dialog 06 als ausgangssignal an den kassen-pc weiter. in folge dieser ansteuerung werden die für verwender und kunden sichtbaren wägewerte über das von der klägerin lizensierte pc-basierte software-modul vom typ cs300-sd auf dem monitor des kassensystems dargestellt. das kassensystem wiederum verfügt über eine sog. applikationssoftware, die das identifizieren des wiegeguts oder das aufsummieren von messergebnissen ermöglicht. 3für die streitgegenständliche geräteart „nichtselbsttätige preisrechnende waage für offene verkaufsstellen“, typbezeichnung „cs300…“ hatte die physikalisch-technische bundesanstalt (ptb) zunächst im märz 2016 eine bis märz 2019 gültige eg-bauartzulassungsbescheinigung ausgestellt. bezogen hierauf hatte die klägerin eine eu-konformitätserklärung abgegeben. nach ablauf der gültigkeit der bauartzulassungsbescheinigung erteilte die ptb der klägerin zuletzt die bis zum 12.11.2028 gültige eu-baumusterprüfbescheinigung nr. de-18-nawid-ptb014, revision 1. darin heißt es unter anderem: 41 bauartbeschreibung 5 nichtselbsttätige elektromechanische waage, typ cs300, ausgeführt als: 6- kompakte waage einschließlich lastaufnehmer, wägezelle und auswerteelektronik (analog und / oder digital) 7- für offene verkaufsstellen 8[…] 91.1 aufbau 10die waage ist modular aufgebaut nach en 45501, t.2.2, und besteht aus den folgenden identifizierbaren komponenten: 111.1.1 ausführung 1 12 model 1 13modul typbezeichnung […] terminal pc-basiertes software-modul „cs300-sd“  terminala) ws-anzeige  p-anzeige einseitig p-anzeige doppelseitig wägemodul cs300 […]  14 immer vorhanden 15 optional vorhanden. 16a) als zusätzliche anzeigeeinrichtung 17[…] 181.3 messwertverarbeitung 19folgende funktionen nach en 45501, t.2.2 und 3.10.2 werden von den komponenten der waagen nach abschnitt 1.1 ausgeführt: 201.3.1 ausführung 1 21 model 1 22modul funktionalität terminal bedienung, hauptanzeige wägemodul mechanische und elektrische verbindungselemente, wägezelle, a/d-wandlung, skalierung, ermittlung des wägewertes in masseeinheiten, weitere datenverarbeitung 231.4 messwertanzeige 24 die hauptanzeige ist wie folgt ausgeführt: 25 […] 26 cs300-sd pc-anzeige 27[…] 283.2 kompatibilitätsbedingungen 29 bedingungen zum anschluss von richtlinienrelevanten einrichtungen 30anschließbare einrichtungen mit prüfschein oder baueinheiten-zertifikata)  anschließbare einrichtungen ohne prüfschein oder baueinheiten-zertifikatb)  31 optional vorhanden 32a) der prüfschein oder das baueinheit-zertifikat muss von einer benannten stelle im sinne der richtlinie ausgestellt sein. 33b) wenn die voraussetzungen gemäß welmec-leitfaden 2.5 (2000), abschnitt 3.3 erfüllt sind. 343.2.1 kompatibilitätsbedingungen der ausführung 1 35 keine 36[…] 374.2 anforderungen an die inbetriebnahme 38[…] 394.2.1 prüfung der identifizierbarkeit der waage nach abschnitt 5.3 404.2.2 prüfungen nach abschnitt 5.4 414.2.3 prüfung der kennzeichnung gemäß abschnitt 7 424.2.4 prüfung der funktion von anschließbaren einrichtungen nach abschnitt 3.2 (siehe welmec-leitfaden 2.5, nr. 3.3) 434.2.5 prüfung, ob die anforderungen an die produktion gemäß abschnitt 4.1 erfüllt werden. 44[…] 455.3.1 software-identifikation 46die richtlinienrelevante software besteht aus unabhängigen softwarekomponenten für die waagen-, adw-, anzeigen- und schnittstellen-software mit eigenständigen software-versionsnummern und software-ids. 47richtlinienrelevante software waagensoftware  adw-software  anzeigensoftware  schnittstellensoftware  48 immer vorhanden 49 optional vorhanden. 50[es folgen genaue angaben der jeweils zulässigen, richtlinienrelevanten software-versionen] 51[…] 525.4 kalibrier-, justier- und prüfverfahren 53besondere kalibrierungen und justierungen sind bei der inbetriebnahme nicht erforderlich. 54einrichtungen nach abschnitt 3.2 sind auf ihre einwandfreie funktion zu prüfen (welmec-leitfaden 2.5, abschnitt 3.3).“ 55weiter zertifizierte das regierungspräsidium tübingen als anerkannte konformitätsbewertungsstelle im sinne von § 13 abs. 1 satz 1 messeg das von der klägerin vorgelegte qualitätssicherungssystem nach der richtlinie 2014/31/eu. mit der darin erfolgten anerkennung des qualitätssicherungssystems ist die klägerin danach berechtigt, an den von ihr gefertigten nichtselbsttätigen waagen die metrologische kennzeichnung gemäß dem verfahren nach anhang ii – nr. 2, modul d (qualitätssicherung des produktionsprozesses) nach der richtlinie 2014/31/eu anzubringen. unter bezugnahme auf die von der ptb ausgestellte eu-baumusterprüfbescheinigung und das von dem regierungspräsidium tübingen zertifizierte qualitätssicherungssystem stellte die klägerin unter dem 20.3.2020 für das gerätemodell cs 300 eine eu-konformitätserklärung aus. 56die klägerin versieht ihre geräte nach abschluss des herstellungsprozesses und nach funktionsüberprüfung in ihrem werk mit einem schild, auf dem unter anderem ihr name und ihre adresse, die produktbezeichnung des geräts sowie das ce-kennzeichen und das zusätzliche metrologie-kennzeichen abgedruckt sind. 57ihre geräte verkauft die klägerin einschließlich der waagen-software und einer lizenz für die verwendung der anzeige-software vom typ cs300-sd unter anderem an eine herstellerin von kassensystemen und pos-terminals. ihre vertraglichen verpflichtungen beinhalten nach der im verwaltungsverfahren vorgelegten ablaufbeschreibung unter anderem den anschluss des geräts am kassenrechner am verwendungsort des kassensystems, die überprüfung der typenschilddaten mit der konformitätserklärung, die belastung der waage mit 1 kg gewicht und die prüfung, ob die gewichtsanzeige der kasse das gewicht korrekt wiedergibt, die einstellung der led zur anzeige der nullstelle am scanner sowie die anbringung des etikettes „konformitätsbewertung pos-system monat/jahr“ an dem gerät, um den zeitpunkt der freigabe zur verwendung zu dokumentieren. 58im rahmen einer alle zwei jahre anstehenden nacheichung fiel im februar 2019 einem mitarbeiter des landesbetriebs mess- und eichwesen nordrhein-westfalen (im folgenden: landesbetrieb) bei der kontrolle eines solchen kassensystems auf, dass die metrologie-kennzeichnung der klägerin das jahr 2016 auswies. er ging daher zunächst davon aus, dass eine nacheichungspflicht bereits 2018 bestanden habe, ließ sich aber von dem einzelhändler versichern, dass das geprüfte kassensystem erst 2017 in betrieb genommen worden sei. der einzelhändler legte zudem ein von der klägerin im juli 2016 ausgestelltes dokument vor, welches mit „eu-konformitätserklärung. kombination kassenwaage und kassenterminal gemäß pos guide“ überschrieben war und die erklärung zum inhalt hatte, das kombinierte gerät bestehend aus waage und kassensystem entspreche den geltenden anforderungen und eu-rechtsvorschriften. ferner enthielt es den hinweis auf das mitgeltende dokument: „erklärung für die durch den hersteller bereits gesicherte waage.“ 59der landesbetrieb wandte sich daraufhin zunächst an den einzelhändler und bat um stellungnahme, weil er annahm, die metrologie-kennzeichnung sei nicht korrekt erfolgt. vom einzelhändler hierüber informiert, erwiderte die klägerin, sie gehe davon aus, dass ihr vorgehen den vorgaben der europäischen union, dem deutschen eichrecht und den vorgaben der zum damaligen zeitpunkt noch gültigen bauartzulassung entspreche. dies sei auch mit der konformitätsbewertungsstelle, dem regierungspräsidium tübingen, abgestimmt. die kombination aus waage und kassen-pc/software stelle aus ihrer sicht ein neues messgerät dar. deshalb seien für das inverkehrbringen des pos-systems eine konformitätsprüfung sowie eine spezifische, pos-bezogene konformitätserklärung erforderlich. hierauf antwortete der landesbetrieb, die vorgenommene kennzeichnungspraxis suggeriere, das kassensystem als messgerät entspreche bereits seit 2016 allen eu-vorgaben. das aber sei unzutreffend, weil das wägemodul erst 2017 an das kassensystem angeschlossen und erst damit ein messgerät in den verkehr gebracht worden sei. die kennzeichnung dürfe grundsätzlich erst nach abschluss des konformitätsbewertungsverfahrens erfolgen. die klägerin teilte dem landesbetrieb sodann mit, sie halte an ihrer rechtsauffassung fest und die konformitätsbewertungsstelle stimme ihr darin zu. in der waagenkennzeichnung werde das jahr angegeben, in welchem die kennzeichnung angebracht worden sei. dies sei nicht zwingend gleichzusetzen mit dem jahr des inverkehrbringens, welches anhand des prüfprotokolls nachvollzogen werden könne, das sie nach anschluss des wägemoduls an das kassensystem beim einzelhändler ausfülle. 60auf anfrage des landesbetriebs führte das regierungspräsidium tübingen als anerkannte konformitätsbewertungsstelle aus, die konformitätsbewertung der waage erfolge während des gesamten produktionsprozesses. die konformitätsprüfung erfolge nach modul d im sinne von anhang ii nr. 2 der richtlinie 2014/31/eu. die kennzeichnung werde während des produktionsprozesses am lastaufnehmer angebracht. ein inverkehrbringen erfolge nach endabnahme im jeweiligen einzelhandelsmarkt. hierauf erwiderte der landesbetrieb, es handele sich bei dem produkt der klägerin noch nicht um eine waage, weil hierfür eine anzeige zwingend erforderlich sei. auch halte er die anbringung der ce-kennzeichnung, der zusätzlichen metrologie-kennzeichnung und der nummer der konformitätsbewertungsstelle während der produktionsphase nicht für richtlinienkonform. mit abschließender stellungnahme im juli 2019 führte die konformitätsbewertungsstelle aus, ein exakter zeitpunkt des anbringens der metrologie-kennzeichnung an einer nichtselbsttätigen waagen sei nicht vorgeschrieben, wenn ein hersteller die konformitätsbewertung nach den modulen b und d wähle. die kennzeichnung müsse lediglich vor dem inverkehrbringen erfolgen. mit der gewählten art der konformitätsbewertung sei ein konformitätsbewertungsverfahren zu jedem zeitpunkt der produktion bereits abgeschlossen, weil für das produkt sowohl eine baumusterprüfbescheinigung als auch ein zugelassenes qualitätssicherungssystem vorliege. letzteres gewährleiste die übereinstimmung der geräte mit der in der eu-baumusterprüfbescheinigung beschriebenen bauart und mit den für sie geltenden anforderungen der richtlinie. 61nach anhörung untersagte der landesbetrieb der klägerin mit ordnungsverfügung vom 31.1.2020, ab dem 1.4.2020 lastaufnehmer, an denen bereits vor abschluss einer konformitätsbewertung die ce-kennzeichnung oder die zusätzliche metrologie-kennzeichnung oder die ce-kennzeichnung zusammen mit der metrologie-kennzeichnung angebracht wurde, in nordrhein-westfalen zur herstellung von messgeräten zu verwenden (nr. 1) und drohte für jeden fall einer zuwiderhandlung die festsetzung eines zwangsgelds in höhe von 1.000,00 euro an (nr. 2). zur begründung führte er aus, bei den fertigen kassensystemen handele es sich um messgeräte im sinne von § 3 nr. 13 messeg bzw. produkte im sinne von § 2 nr. 10 messeg. als herstellerin sei die klägerin dafür verantwortlich, dass ihre auf dem markt bereitgestellten messgeräte die wesentlichen gerätespezifischen anforderungen erfüllten. dazu gehörten die erfolgreich durchgeführte konformitätsbewertung sowie die entsprechende kennzeichnung. gestützt auf § 30 nr. 4 messeg sei in § 14 abs. 6 messev geregelt, dass die kennzeichnung nur auf messgeräte angebracht werden dürfe, die die wesentlichen anforderungen nach § 6 messeg erfüllten. ob ein gerät die anforderungen erfülle, werde erst durch ein bestandenes konformitätsbewertungsverfahren belegt. die klägerin habe die ce-kennzeichnung und die zusätzliche metrologie-kennzeichnung „m 16“ an bestimmten kassenwaagen entsprechend ihrer diesbezüglichen verfahrensanweisung hingegen bereits im jahr 2016 angebracht, obwohl das konformitätsbewertungsverfahren erst im jahr 2017 abgeschlossen worden sei. es bestehe die hohe wahrscheinlichkeit, dass die klägerin ihre vorgehensweise auch zukünftig nicht ändern und es zu weiteren rechtsverstößen kommen werde. im rahmen des auswahlermessens habe er sich im hinblick auf den schutz der europäischen und nationalen rechtsordnung, sowie der sicherstellung des verbraucherschutzes und des fairen wettbewerbs dazu entschlossen, die ordnungsverfügung zu erlassen. das wirtschaftliche interesse an einer beibehaltung der verfahrensweise stehe hinter dem interesse der verbraucher an einer eindeutigen und nicht irreführenden kennzeichnung sowie der gewährleistung eines fairen europaweit geregelten wettbewerbs zurück. 62hiergegen hat die klägerin klage erhoben. zur begründung hat sie ausgeführt, der landesbetrieb sei bereits nicht zuständig, weil sie in nordrhein-westfalen nichts herstelle. jedenfalls aber sei dessen vorgehen nicht von der ermächtigungsgrundlage gedeckt. der landesbetrieb sei marktaufsichtsbehörde, greife aber in ihren herstellungsprozess ein. er mache keinen mangel des produkts geltend, sondern halte allein den zeitpunkt für fehlerhaft, in dem die kennzeichnung angebracht werde. für das von ihr fertiggestellte gerät sei eine ce-kennzeichnung nach abschluss des hierauf bezogenen produktionsprozesses geboten gewesen, gleiches gelte für die metrologische kennzeichnung. denn das produkt bestehend aus wäge- und softwaremodul stelle eine nichtselbsttätige waage dar, welche hinsichtlich der technischen spezifikationen nach maßgabe der eu-baumusterprüfbescheinigung und hinsichtlich des fertigungsprozesses unter beachtung aller qualitätssicherungsmaßnahmen hergestellt werde. konsequenterweise sei sie nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, nach abschluss der produktion in ihrem werk die ce-kennzeichnung und die zusätzliche metrologie-kennzeichnung anzubringen. einer eigenen anzeigeeinrichtung bedürfe es für die qualifikation als nichtselbsttätige waage im sinne der richtlinie 2014/31/eu nicht, weil ihr produkt ohnehin zum anschluss an ein kassensystem bestimmt sei, welches die anzeigefunktion übernehme. dies komme in der eu-baumusterprüfbescheinigung darin zum ausdruck, dass danach nur zwei komponenten stets vorhanden sein müssten, nämlich das wägemodul und das pc-basierte softwaremodul, eine geräteeigene anzeige hingegen nur optionaler bestandteil sei. auch den einschlägigen rechtlichen vorgaben lasse sich ein zwingendes erfordernis einer eigenen anzeigeeinrichtung nicht entnehmen. über eine rückwirkungsfreie schnittstelle sowie die pc-basierte anzeigesoftware cs300-sd könne das wiegeergebnis korrekt und reproduzierbar angezeigt werden. das anzeigegerät selbst sei ein externes zusatzgerät. entsprechend sei auch das pos-kassensystem ein eigenständiges, zum anschluss an die waage zugelassenes produkt, welches nicht den anforderungen der richtlinie 2014/31/eu unterliege. mit diesem zusammengeschlossen erfülle die waage die anforderungen an die anzeige der wägeergebnisse aus anhang i der richtlinie 2014/31/eu. für die freigabe der waage zur verwendung im eichpflichtigen verkehr führe sie – die klägerin – beim endkunden eine abschließende konformitätsbewertung als herstellerin der in das kassensystem integrierten waage durch und orientiere sich hierbei in abstimmung mit der konformitätsbewertungsstelle an den einschlägigen vorgaben des welmec-leitfadens 2.2, in welchem das verfahren zur prüfung von kassensystemen im einzelnen beschrieben werde. ungeachtet dessen ergebe sich aus den einschlägigen regelungen lediglich, dass die ce-kennzeichnung und die zusätzliche metrologie-kennzeichnung spätestens vor dem inverkehrbringen erfolgen müssten. aus der gesetzlichen systematik folge zwar, dass die kennzeichnungen eine konformitätsbewertung voraussetzten. bei dem hier angewandten konformitätsbewertungsverfahren nach den modulen b und d müsse eine eu-konformitätserklärung aber nicht etwa für jedes einzelne gerät, sondern vielmehr nur für jedes gerätemodell ausgestellt werden. grundlage für die auf das gerätemodell bezogene konformitätserklärung sei die eu-baumusterprüfbescheinigung. für die in serie hergestellten einzelgeräte werde die übereinstimmung mit den maßgaben der eu-baumusterprüfbescheinigung dann durch das mit der konformitätsbewertungsstelle abzustimmende qualitätssicherungsverfahren sichergestellt. jedes einzelne gerät, das unter beachtung der danach einzuhaltenden bedingungen gefertigt werde, dürfe unter verantwortung des herstellers als „richtlinienkonform“ bewertet und entsprechend gekennzeichnet werden. hieraus folge zugleich, dass die kennzeichnung des geräts bereits während des fertigungsprozesses erfolgen dürfe, weil durch das mit der konformitätsbewertungsstelle abgestimmte qualitätssicherungsverfahren sichergestellt werde, dass alle geräte, die diesen fertigungsprozess durchliefen, am ende die anforderungen erfüllten. dagegen sei anhang ii nr. 7.2.4 der richtlinie 2014/31/eu, wonach die ce-kennzeichnung und die zusätzliche metrologie-kennzeichnung nach beendigung der zweiten stufe zusammen mit der kennnummer der notifizierten stelle, die bei der zweiten stufe beteiligt sei, an dem gerät anzubringen sei, hier bereits nicht anwendbar, weil die klägerin kein zweistufiges konformitätsbewertungsverfahren im sinne dieser regelung praktiziere. 63die klägerin hat beantragt, 64die ordnungsverfügung vom 31.1.2020 aufzuheben. 65der beklagte hat beantragt, 66die klage abzuweisen. 67zur begründung trägt er vor: die zuständigkeit des landesbetriebs folge aus § 48 abs. 1 messeg i. v. m. § 1 eichzustvo. als marktüberwachungsbehörde sei er zur kontrolle aufgerufen, weil die klägerin ihre produkte auch in nordrhein-westfalen installiere und damit in verkehr bringe. bei dem bauteil, das die klägerin in ihrem werk in baden-württemberg produziere, handele es sich um ein wägemodul, aber nicht um eine nichtselbsttätige waage im sinne der richtlinie 2014/31/eu und auch nicht um ein messgerät im sinne von § 3 nr. 13 messeg. die richtlinie gehe – was unter anderem aus den vorgaben zur genauigkeit von anzeigen und anzeigefehlern, zur wiederholbarkeit und reproduzierbarkeit des wägeergebnisses sowie aus der möglichkeit von zusatzanzeigen deutlich werde – klar von der notwendigkeit einer anzeigeeinrichtung aus. gleiches folge aus den definitionen der nichtselbsttätigen waage und des wägemoduls in der harmonisierten norm din en 45501:2015. eine nichtselbsttätige waage sei danach eine waage, die das eingreifen eines benutzers während des wägevorgangs erfordere, um zu entscheiden, ob das wägeergebnis akzeptabel sei. ohne anzeige könne der benutzer diese entscheidung aber nicht treffen. das wägemodul, also der teil der waage, der alle mechanischen und elektronischen einrichtungen enthalte, aber ohne die möglichkeit zur anzeige des wägeergebnisses, sei nach der din en 45501:2015 ebenso wie die anzeigeeinrichtung ein notwendiger bestandteil der nichtselbsttätigen waage. etwas anderes folge nicht aus der eu-baumusterprüfbescheinigung. diese beziehe sich nicht allein auf das von der klägerin produzierte wägemodul, sondern auf die am ende hergestellte modular aufgebaute waage. diese setze auch nach der eu-baumusterprüfbescheinigung zwingend eine anzeigeeinrichtung voraus, wobei verschiedene anzeigemöglichkeiten zur option stünden. das fertige produkt „nichtselbsttätige waage“ stelle danach das kassensystem dar, nachdem das wägemodul der klägerin mit dem pos-system des kassensystemherstellers verbunden und auf ordnungsgemäßes funktionieren überprüft worden sei. erst danach dürften die ce-kennzeichnung und die zusätzliche metrologie-kennzeichnung angebracht werden. die ce-kennzeichnung sei eine eigenerklärung des herstellers und stehe, was sich sowohl aus anhang ii modul d nr. 5.1 des beschlusses 768/2008/eg als auch aus dem blue guide der eu-kommission ergebe, ganz am ende des inverkehrbringungsprozesses. auch anhang ii nr. 7.2.4 der richtlinie 2014/31/eu stehe der vorgehensweise der klägerin entgegen, weil dort ausdrücklich festgeschrieben sei, dass die ce-kennzeichnung und die zusätzliche metrologie-kennzeichnung bei einem zweistufigen verfahren, um das es sich hier handele, erst nach beendigung der zweiten stufe zusammen mit der kennnummer der notifizierten stelle an dem gerät anzubringen sei. 68das verwaltungsgericht hat die ordnungsverfügung des landesbetriebs vom 31.1.2020 aufgehoben. der angefochtene bescheid sei zwar formell rechtmäßig. insbesondere sei der landesbetrieb gemäß § 48 abs. 1 messeg i. v. m. § 1 eichzustvo für maßnahmen nach § 50 messeg sachlich und örtlich zuständig. hierunter falle auch die in nr. 1 der ordnungsverfügung getroffene regelung, die das ziel verfolge, die herstellung von messgeräten in nordrhein-westfalen mit diesen nach auffassung des landesbetriebs unzulässig gekennzeichneten produkten zu verhindern. der bescheid sei jedoch materiell rechtswidrig, weil die voraussetzungen für ein marktaufsichtsrechtliches einschreiten nicht vorgelegen hätten. die von der klägerin hergestellten kombinationen aus wäge- und softwaremodul stellten messgeräte im sinne von § 3 nr. 13 messeg dar, obwohl sie ohne den anschluss an das kassensystem eines dritten über keine technische möglichkeit verfügten, die ermittelte masse anzuzeigen. es sei auch nicht ersichtlich, dass die produkte der klägerin nicht den in abschnitt 2 des messeg geregelten anforderungen entsprächen. weder liege ein materieller verstoß gegen die maßgeblichen anforderungen an nichtselbsttätige waagen vor noch habe die klägerin in erheblicher weise gegen vorschriften des konformitätsbewertungsverfahrens verstoßen. ein verstoß ergebe sich insbesondere nicht daraus, dass die verfahrensgegenständliche kombination aus wäge- und softwaremodul nicht selbst über eine anzeige verfüge. dabei bedürfe es keiner abschließenden entscheidung, ob das produkt der klägerin für sich allein bereits begrifflich eine waage im sinne der richtlinie 2014/31/eu darstelle oder ob hierfür – wofür einiges spreche – zwingend der anschluss einer anzeige erforderlich sei. jedenfalls in dem zeitpunkt, in dem das produkt auf dem markt zur bestimmung der masse für zwecke des geschäftlichen verkehrs eingesetzt werde, verfüge es durch den zusammenschluss mit dem kassensystem über eine anzeige. die klägerin begehe durch die kennzeichnung ihrer geräte noch vor der verbindung mit den komponenten des kassensystems keinen wesentlichen fehler im konformitätsbewertungsverfahren. sie könne ihr produkt bereits im werk auf die übereinstimmung mit den wesentlichen gerätespezifischen anforderungen überprüfen, obwohl die testanzeige im werk nicht mit der später im einzelhandelsmarkt verwendeten anzeigeeinrichtung übereinstimme, weil ihr konformitätsbewertungsverfahren die übereinstimmung des endprodukts mit hinreichender sicherheit gewährleiste. sinn und zweck der ce- sowie der metrologie-kennzeichnung seien es, als erklärung des herstellers die konformität eines produkts gegenüber dem rechtsverkehr zu bestätigen. dafür sei es nicht erforderlich, die kennzeichnungen erst im einzelhandelsmarkt anzubringen. ein risiko der irreführung der marktüberwachungsbehörden hinsichtlich der feststellung der eichfristen nach § 34 messev bestehe nicht. das jahr des inverkehrbringens könne hinsichtlich der produkte der klägerin aus dem während der endprüfung im einzelhandelsmarkt anzubringenden etikett entnommen werden. auch der verbraucherschutz gebiete keine andere handhabung hinsichtlich des zeitpunkts der ce-kennzeichnung und der metrologie-kennzeichnung. es sei nicht ersichtlich, dass die praxis der klägerin zu einer irreführung des geschäftsverkehrs über die konformität ihres – materiell unstrittig mängelfreien – produkts führen könne. hinzu komme, dass die systematik der verfahrensvorschriften zum konformitätsbewertungsverfahren nahelege, zumindest in einem konformitätsbewertungsverfahren nach modul d der richtlinie 2014/31/eu müssten diese kennzeichen gerade nicht immer unmittelbar als letzter schritt vor dem inverkehrbringen der waage angebracht werden. liege ein den anforderungen nach anhang ii nr. 2 der richtlinie 2014/31/eu (modul d) genügendes qualitätssicherungssystem vor und sei nicht ersichtlich, dass der hersteller gegen die anforderungen des eigenen qualitätssicherungssystems verstoße, bestehe kein grund, warum eine kennzeichnung des einzelnen produkts zwingend unmittelbar vor dem inverkehrbringen erfolgen müsse. 69zur begründung der von dem verwaltungsgericht zugelassenen berufung wiederholt der beklagte sein erstinstanzliches vorbringen und führt ergänzend aus: der zweck, den eine jede waage erfüllen solle, lasse sich mit dem lieferumfang der klägerin objektiv nicht erreichen. eine waage im rechtssinne entstehe erst, wenn das wägemodul der klägerin mit dem kassensystem verbunden werde. dabei komme es waagenrechtlich hier nur auf die beisteuerung der anzeigeeinrichtung als einem bestandteil des kassensystems an. auch der im märz 2016 ausgestellten eg-bauartzulassungsbescheinigung, die hier maßgeblich sei, sei zu entnehmen, dass die bescheinigte waage zwingend eine anzeigeeinrichtung voraussetze. die von der klägerin zusammen mit dem wägemodul ausgelieferte pc-basierte anzeigesoftware sei nicht mit einer anzeigeeinrichtung gleichzusetzen. die erfassung des wiegeergebnisses in der software allein sei für den verwender des produkts ohne jede bedeutung. ohne angeschlossene anzeigeeinrichtung bleibe das ergebnis im verborgenen. auch sei eine prüfung der konformität durch die konformitätsbewertungsstelle ohne geräteeigene anzeige nicht möglich. aus den vorgaben der konformitätsprüfung nach modul d gemäß anhang ii nr. 2 der richtlinie 2014/31/eu folge zwingend, dass der hersteller für jedes einzelne gerät am ende des herstellungsprozesses prüfen müsse, ob dieses die entsprechenden anforderungen der richtlinie 2014/31/eu erfülle. darüber hinaus sei nicht zu erkennen, ob die klägerin das modul d, welches eine überwachung vor ort durch die benannte konformitätsbewertungsstelle und regelmäßige audits voraussetze, ordnungsgemäß durchgeführt habe. eine anbringung der ce-kennzeichnung und der zusätzlichen metrologie-kennzeichnung während der herstellung des geräts – wie dies art. 22 abs. 4 der richtlinie 2014/32/eu in bestimmten fällen erlaube – sei hier auch nicht ausnahmsweise produktionsbedingt gerechtfertigt, zumal die richtlinie 2014/31/eu anders als die richtlinie 2014/32/eu ausnahmen nicht vorsehe. im übrigen sei die konformitätserklärung der klägerin vom 15.7.2016 fehlerhaft. 70der beklagte beantragt, 71das urteil des verwaltungsgerichts köln vom 21.4.2021 aufzuheben und die klage abzuweisen. 72die klägerin beantragt, 73die berufung zurückzuweisen. 74zur begründung wiederholt und vertieft sie ihr erstinstanzliches vorbringen. 75das von ihr produzierte wägemodul werde zusammen mit der anzeigensoftware cs 300-sd ausgeliefert. ausweislich der hier maßgeblichen eu-baumusterprüfbescheinigung bilde die gesamtheit von wägemodul und zugehöriger anzeigensoftware eine vollwertige waage. mittels der software würden die wiegeergebnisse, die sich mit dem wägemodul ermitteln ließen, digital erfasst und zwar so, dass sie an grundsätzlich jedes beliebige (fremde) anzeigegerät (terminal) weitergegeben und mit dessen hilfe sichtbar gemacht werden könnten. die software übernehme damit die visualisierung der hauptanzeige der waage auf einem pc-basierten system und sei daher einer hardware-anzeige ausweislich der eu-baumusterprüfbescheinigung ausdrücklich gleichgestellt. eine eigene anzeigeeinrichtung sei bei einer nichtselbsttätigen waage immer dann verzichtbar, wenn das messgerät von vornherein dazu bestimmt sei, zusammen mit einer externen anzeigeeinrichtung verwendet zu werden. dies komme in anlage 2 nr. 9.1 messev unmissverständlich zum ausdruck. dem stehe nicht entgegen, dass anlage 2 zur messev nicht für nichtselbsttätige waagen gelte. der anwendungsausschluss nach § 7 abs. 2 messev sei normsystematisch allein dadurch zu erklären, dass für die nichtselbsttätigen waagen gegenüber den anderen messgeräten eine speziellere richtlinie einschlägig sei. auch dort sei indes nicht die unverzichtbarkeit einer eigenen anzeigeeinrichtung geregelt, weshalb der allgemeine gedanke für messegeräte aus anlage 2 nr. 9.1 satz 2 messev hier genauso passe. das von ihr – der klägerin – vertretene begriffsverständnis werde zudem bestätigt in t.2.4 der din en 45501:2015, wonach eine anzeigeeinrichtung eine einrichtung sei, die eine visuelle anzeige des wägeergebnisses biete. ebenso lasse die nr. 5.5.2.1 der din en 45501:2015 eine externe anzeige ausdrücklich zu. nach alledem handele es sich bei der prüfung, die sie ‒ die klägerin ‒ beim endkunden im auftrag der herstellerin des kassensystems durchführe, nicht um eine eigene produktionstätigkeit. die prüfung betreffe allein den korrekten einbau, die aufstellung der waage und den korrekten zusammenschluss mit dem kassensystem. diese prüfung sei nicht teil des konformitätsverfahrens der von ihr in ihrem werk in baden-württemberg hergestellten und von dort ausgelieferten nichtselbsttätigen waage. entsprechend der dafür einschlägigen regelungen des welmec-leitfadens 2.2 werde nach maßgabe des prüfscheins für das kassensystem geprüft, ob die waage und das kassensystem zur gemeinsamen verwendung zugelassen seien und ordnungsgemäß funktionierten. auf die richtigkeit der konformitätserklärung vom 15.7.2016 komme es hier nicht an, weil diese schon nicht streitgegenstand sei. 76wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstands wird auf den inhalt der gerichtsakte (je eine elektronische gerichtsakte für jede instanz) und des beigezogenen verwaltungsvorgangs des beklagten (ein ordner) bezug genommen. 77
78dem antrag des beklagten vom 26.9.2022 auf wiedereröffnung der mündlichen verhandlung ist nicht zu entsprechen. die wiedereröffnung der mündlichen verhandlung nach § 104 abs. 3 satz 2 vwgo ist ausgeschlossen, wenn – wie hier am 9.9.2022 – bereits ein endurteil verkündet worden ist (§ 116 abs. 1 satz 1 vwgo). 79vgl. bverwg, urteil vom 14.11.2016 – 5 c 10.15 d –, bverwge 156, 229 = juris, rn. 7, m. w. n., und beschluss vom 25.1.2016 – 2 b 34.14 –, juris, rn. 29. 80die berufung des beklagten hat keinen erfolg. die zulässige klage ist begründet. 81die angefochtene ordnungsverfügung des landesbetriebs mess- und eichwesen nordrhein-westfalen (im folgenden: landesbetrieb) ist rechtswidrig und verletzt die klägerin in ihren rechten, § 113 abs. 1 satz 1 vwgo. gegen die formelle rechtmäßigkeit der ordnungsverfügung bestehen zwar keine durchgreifenden bedenken (hierzu unter i.), die materiellen voraussetzungen für den erlass einer marktaufsichtsrechtlichen maßnahme liegen aber nicht vor (hierzu unter ii.). 82i. die angefochtene ordnungsverfügung ist formell rechtmäßig, insbesondere hat der landesbetrieb als sachlich und örtlich zuständige behörde gehandelt. gemäß § 48 abs. 1 satz 1 messeg i. v. m. § 1 eichzustvo ist der landesbetrieb zuständig für die überwachung der in verkehr gebrachten produkte, d. h. für messgeräte, sonstige messgeräte, fertigpackungen oder andere verkaufseinheiten im sinne von § 2 nr. 10 messeg. die marktüberwachung erfolgt danach auf der vermarktungsstufe des produkts. überwachungsmaßnahmen finden formell nicht während der entwurfs- und produktionsphasen statt. 83siehe hierzu auch art. 11 abs. 1 buchst. a) der verordnung (eu) 2019/1020; europäische kommission, leitfaden für die umsetzung der produktvorschriften der eu 2016 („blue guide“), abl. c 272 vom 26.7.2016, s. 1, nr. 7.2. 84die sachliche zuständigkeit ist hier gegeben, weil der landesbetrieb mit der angefochtenen ordnungsverfügung – wenngleich dort von herstellung eines messgeräts die rede ist – im bereich der marktüberwachung tätig werden will. aus ihrer begründung (siehe hierzu insbesondere seite 4, absätze 5 und 6, seite 5, absätze 1 und 2 des angefochtenen bescheids) wird deutlich, dass die maßnahme auf das ordnungsgemäße inverkehrbringen von messgeräten ohne eine – aus sicht des landesbetriebs – irreführend verfrüht angebrachte kennzeichnung gerichtet ist, die marktüberwachungsmaßnahme also nach dem inverkehrbringen und damit auf der vermarktungsstufe greifen soll. der landesbetrieb ist auch örtlich zuständig, weil sich der in nr. 1 der ordnungsverfügung beschriebene sachverhalt – die verwendung von lastaufnehmern, an denen bereits vor abschluss einer konformitätsbewertung die ce-kennzeichnung und/oder die zusätzliche metrologie-kennzeichnung angebracht wurde, zur herstellung von messgeräten in nordrhein-westfalen – räumlich auf den zuständigkeitsbereich des landesbetriebs beschränkt. 85ii. die angefochtene ordnungsverfügung ist materiell rechtswidrig. 86als ermächtigungsgrundlage für die untersagungsverfügung in nr. 1 des bescheids kommt allein § 50 abs. 2 satz 1 messeg in betracht. danach treffen die marktüberwachungsbehörden die erforderlichen maßnahmen, wenn sie den begründeten verdacht haben, dass messgeräte unter anderem die anforderungen nach abschnitt 2 messeg, der das inverkehrbringen von messgeräten und ihre bereitstellung auf dem markt betrifft, nicht erfüllen. diese voraussetzungen liegen hier schon nicht vor (hierzu unter 1.). folglich erweist sich auch die zwangsgeldandrohung in nr. 2 des angefochtenen bescheids als rechtswidrig (hierzu unter 2.). 871. die befugnis der marktüberwachungsbehörde nach § 50 abs. 2 satz 1 messeg zum erlass ordnungsbehördlicher maßnahmen erstreckt sich auf messgeräte, soweit sie von der nach den §§ 1 nr. 1, 4 abs. 1 und 2 messeg erlassenen mess- und eichverordnung erfasst sind. messgeräte sind alle geräte oder systeme von geräten mit einer messfunktion einschließlich maßverkörperungen, die jeweils zur verwendung im geschäftlichen oder amtlichen verkehr oder zur durchführung von messungen im öffentlichen interesse bestimmt sind (§ 3 nr. 13 messeg). hierzu zählen unter anderem nichtselbsttätige waagen im sinne von § 8 abs. 1 nr. 11, abs. 2 messev i. v. m. anlage 3 tabelle 1 spalte 2 und art. 2 nr. 2 der richtlinie 2014/31/eu. diese müssen nach § 6 abs. 2 satz 2 nr. 1 messeg i. v. m. § 8 abs. 1 nr. 11 messev und anlage 3 tabelle 1 spalte 3 zur messev den gerätespezifischen anforderungen nach anhang i der richtlinie 2014/31/eu genügen [hierzu unter a)]. zum nachweis, dass ein messgerät die wesentlichen gerätespezifischen anforderungen im sinne des § 6 abs. 2 messeg erfüllt, muss vor inverkehrbringen eine in einer rechtsverordnung nach § 30 nr. 3 messeg festgelegte konformitätsbewertung erfolgreich durchgeführt worden sein und eine konformitätserklärung vorliegen (§ 6 abs. 3 satz 1 messeg). die konformität eines messgeräts muss zudem nach § 6 abs. 4 messeg durch die in einer rechtsverordnung nach § 30 nr. 4 messeg bestimmten kennzeichen bestätigt sein [hierzu unter b)]. ist der nachweis nach § 6 abs. 3 satz 1 messeg erbracht, so ist eine marktaufsichtsrechtliche maßnahme nach § 50 abs. 2 satz 1 messeg nur bei einem begründeten verdacht zulässig, dass ungeachtet des ergebnisses des konformitätsbewertungsverfahrens die wesentlichen gerätespezifischen anforderungen nicht erfüllt sind oder gegen kennzeichnungspflichten verstoßen worden ist [hierzu unter c)]. hier besteht weder ein begründeter verdacht, dass die von der klägerin produzierten geräte des typs „cs-300“ den wesentlichen gerätespezifischen anforderungen nicht genügen, noch liegt ein verstoß gegen die kennzeichnungspflichten nach § 6 abs. 4 messeg i. v. m. § 14 abs. 1 messev vor [hierzu unter d)]. 88a) eine nichtselbsttätige waage im sinne von § 8 abs. 1 nr. 11, abs. 2 messev i. v. m. anlage 3 tabelle 1 spalte 2 und art. 2 nr. 2 der richtlinie 2014/31/eu kann den gemäß § 8 abs. 1 nr. 11 messev i. v. m. anlage 3 tabelle 1 spalte 3 maßgeblichen gerätespezifischen anforderungen nach anhang i der richtlinie 2014/31/eu auch dann genügen, wenn beim inverkehrbringen der waage sichergestellt ist, dass anforderungen, die erst bei der verwendung im geschäftlichen verkehr für die gesamte nutzungsdauer relevant sind, ab der inbetriebnahme erfüllt werden. 89eine nichtselbsttätige waage ist nach der gemäß § 8 abs. 2 messeg i. v. m. anlage 3 tabelle 1 spalte 2 maßgeblichen begriffsbestimmung in art. 2 nr. 2 der richtlinie 2014/31/eu eine waage, die beim wägen das eingreifen einer bedienungsperson erfordert. den begriff der waage definiert art. 2 nr. 1 der richtlinie 2014/31/eu ebenso wie § 6 nr. 18 messev als ein messgerät zur bestimmung der masse eines körpers auf der grundlage der auf diesen körper wirkenden schwerkraft. ein messgerät wiederum ist nach § 3 nr. 13 messeg, § 8 abs. 1 und 2 messev i. v. m. anlage 3 tabelle 1 spalten 2 und 3, art. 2 nr. 1 der richtlinie 2014/31/eu und der gemäß dem einleitungssatz des anhangs i zur richtlinie 2014/31/eu darin verwendeten terminologie der internationalen organisation für das gesetzliche messwesen (oiml) ein gerät, das allein oder in verbindung mit zusätzlichen einrichtungen dazu bestimmt ist, unter anderem zur verwendung im geschäftlichen verkehr für die durchführung von messungen verwendet zu werden. ein messgerät kann danach ein anzeigendes messgerät oder eine maßverkörperung sein. 90vgl. nr. 3.1 des von der oiml veröffentlichten internationalen wörterbuchs der metrologie, international vocabulary of metrology – basic and general concepts and associated terms (vim), 3rd edition (bilingual e/f), 2012, abrufbar unter https://www.oiml.org/en/publications/vocabularies/publication_view?p_type=4&p_status=1; die deutsche übersetzung ist abgedruckt in: brinkmann, internationales wörterbuch der metrologie. grundlegende und allgemeine begriffe und zugeordnete benennungen (vim), deutsch-englische fassung, iso/iec-leitfaden 99:2007, 4. aufl. 2012. 91ein hier allein in betracht kommendes anzeigendes messgerät setzt nach nr. 3.3 vim voraus, dass es ein ausgangssignal (output signal, signal de sortie) als träger der information über den wert der größe, die gemessen wird, liefert. nur bei einem visuell anzeigenden messgerät im sinne von nr. 3.4 vim wird das ausgangssignal visuell dargestellt. es kann auch an ein oder mehrere andere geräte übertragen werden (vgl. anmerkung 2 zu nr. 3.3 vim). für den hier betroffenen bereich des gesetzlichen messwesens wird diese terminologie weiter präzisiert in dem von der oiml hierzu herausgegebenen internationalen vokabular für das gesetzliche messwesen (viml). 92oiml, international vocabulary of terms in legal metrology (viml), oiml v 1, edition 2013 (bilingual e/f), abrufbar unter https://www.oiml.org/en/publications/vocabularies/publication_view?p_type=4&p_status=1. 93danach ist eine anzeige („indication“) der mengenwert, der von einem messgerät oder einem messsystem geliefert wird (nr. 0.03 viml). eine anzeige kann optisch oder akustisch erfolgen oder auf ein anderes gerät übertragen werden (vgl. note 1 zu nr. 0.03 viml). die hauptanzeige (primary indication) einer waage wird in nr. 5.05 viml beschrieben als „indication (displayed, printed or memorized) subject to legal metrological control“ im sinne von anzeige (elektronisch, gedruckt oder gespeichert), die rechtlicher metrologischer kontrolle unterliegt. 94da eine nichtselbsttätige waage, die diesem begriffsverständnis unterfällt, also allein oder in verbindung mit zusätzlichen einrichtungen dazu bestimmt ist, im geschäftlichen verkehr für die durchführung von messungen verwendet zu werden (vgl. § 3 nr. 13 messeg), beim wägen – etwa zur bestimmung des preises entsprechend der masse für den verkauf in öffentlichen verkaufsstellen [vgl. art. 1 abs. 2 buchst. a) und f) der richtlinie 2014/31/eu] – das eingreifen einer bedienungsperson erfordert (vgl. art. 2 nr. 2 der richtlinie 2014/31/eu), verlangt anhang i nr. 8.1 der richtlinie 2014/31/eu, dass ihr entwurf und ihre herstellung die beibehaltung ihrer messtechnischen eigenschaften bei ordnungsgemäßer verwendung und aufstellung und bei verwendung in der vorgesehenen umgebung gewährleisten müssen und der wert der masse angezeigt werden muss. dem erfordernis, wonach der entwurf und die herstellung dies gewährleisten müssen, kann bereits dann entsprochen werden, wenn durch den hersteller in der entwurfs- und herstellungsphase sichergestellt wird, dass die messtechnischen eigenschaften später, nämlich „beim wägen“ im geschäftlichen verkehr, also nach inbetriebnahme des geräts zu diesem zweck, beibehalten werden und ab diesem zeitpunkt der wert der masse angezeigt wird. erst ab diesem zeitpunkt wird die bei nichtselbsttätigen waagen erforderliche bedienungsperson tätig. etwas anderes lässt sich nicht den übrigen anforderungen an die anzeige des wägeergebnisses nach anhang i der richtlinie 2014/31/eu entnehmen. so verlangt etwa anhang i nr. 8.3, dass die in den nr. 8.1 und 8.2 festgelegten anforderungen für eine „im hinblick auf die beabsichtigte verwendung des geräts normale zeit“ dauerhaft erfüllt sein müssen. in diesem kontext, also im hinblick auf die beabsichtigte verwendung des geräts, ist auch das erfordernis im folgenden absatz zu verstehen, wonach bei digitalen elektronischen einrichtungen der einwandfreie ablauf des messvorgangs, die anzeigeeinrichtung und sämtliche datenspeicherungs- und datenübertragungsvorgänge stets angemessen kontrolliert werden müssen. denn die frage, ob der messvorgang einwandfrei abläuft und angezeigt wird, stellt sich ebenso wie die frage, ob bedeutende störungen im sinne der nr. 8.2 selbsttägig erkannt und gemeldet werden, erst in der verwendungsphase nach freigabe zur inbetriebnahme zu den in art. 1 abs. 2 buchst. a) bis f) der richtlinie 2014/31/eu genannten zwecken. beim anschluss externer geräte über eine geeignete schnittstelle ist nach anhang i nr. 8.4 der richtlinie 2014/31/eu entscheidend, dass die messeigenschaften eines elektronischen geräts hierdurch nicht unzulässig beeinflusst werden. auch die anforderungen nach anhang i nr. 9 und 14 der richtlinie 2014/31/eu an die anzeige der wägeergebnisse und der wesentlichen angaben über den wägevorgang betreffen nur die zeit ab einer möglichen inbetriebnahme. der richtliniengeber stellt dementsprechend in art. 4 der richtlinie 2014/31/eu auch generell darauf ab, dass den im anhang i festgelegten wesentlichen anforderungen nur waagen entsprechen müssen, die zu den in art. 1 abs. 2 buchst. a) bis f) der richtlinie genannten zwecken verwendet werden oder verwendet werden sollen. wenn und solange eine solche verwendung nicht erfolgt und auch (noch) nicht erfolgen soll, müssen nach dieser regelungstechnik die bei verwendung zu erfüllenden anforderungen noch nicht eingehalten werden. allerdings müssen die hersteller nach art. 6 abs. 1 der richtlinie 2014/31/eu gewährleisten, wenn sie ihre geräte in verkehr bringen, die zu den in art. 1 abs. 2 buchst. a) bis f) der richtlinie 2014/31/eu genannten zwecken verwendet werden sollen, dass diese gemäß den in anhang i festgelegten wesentlichen anforderungen entworfen und hergestellt worden sind. bei der frage, wann welche anforderungen tatsächlich erfüllt sein müssen, differenziert die richtlinie also zeitlich zwischen den herstellerpflichten bei inverkehrbringen, d. h. der erstmaligen bereitstellung eines geräts in gestalt seiner ersten abgabe zum vertrieb oder zur verwendung auf dem unionsmarkt im rahmen einer geschäftstätigkeit (vgl. art. 2 nr. 3 und 4 der richtlinie 2014/31/eu), und den ab einer möglichen inbetriebnahme von waagen zu erfüllenden wesentlichen anforderungen (vgl. art. 3 abs. 1 und 2, art. 5 der richtlinie 2014/31/eu). die mitgliedstaaten dürfen nach art. 5 der richtlinie weder die bereitstellung von geräten, die den vorschriften dieser richtlinie genügen, auf dem markt behindern, noch die inbetriebnahme solcher geräte. die in der richtlinie damit angelegte zeitliche differenzierung ermöglicht den herstellern das inverkehrbringen von und damit den handel mit waagen, welche allein zwar nicht verwendet werden können, bei denen aber aufgrund ihrer technischen eigenschaften, des von dem hersteller bestimmten verwendungszwecks und prozeduraler absicherungen durch das konformitätsbewertungsverfahren schon bei inverkehrbringen gewährleistet ist, dass bei bestimmungsgemäßer verwendung die in anhang i der richtlinie festgelegten wesentlichen gerätespezifischen anforderungen – auch mit blick auf die visuelle anzeige des wägeergebnisses – erfüllt sein werden. 95dieses normverständnis steht im einklang mit den internationalen standards. bei der auslegung der richtlinie kann nicht außer betracht bleiben, dass die europäische union schon bei ihrem erlass völkerrechtlich hinsichtlich des in ihre zuständigkeit fallenden teils an das übereinkommen der welthandelsorganisation (wto) über technische handelshemmnisse (agreement on technical barriers to trade, im folgenden: tbt-übereinkommen) gebunden war (vgl. anhang 1, 1a zum beschluss des rates 94/800/eg vom 22.12.1994, abl. l 336 vom 23.12.1994, s. 86). danach verwendet die union als vertragsmitglied grundsätzlich einschlägige internationale normen als grundlage für ihre technischen vorschriften (vgl. art. 2.4 tbt-übereinkommen). das abkommen verfolgt damit das auch der richtlinie 2014/31/eu zugrunde liegende ziel, handelshemmnisse unter anderem im wege vereinheitlichter gerätespezifischer anforderungen abzuschaffen. zu den internationalen normungsorganisationen im sinne des tbt-übereinkommens der wto zählt unter anderem die internationale organisation für das gesetzliche messwesen (oiml), deren terminologie nach anhang i der richtlinie 2014/31/eu auch für die beurteilung maßgeblich ist, ob ein gerät die dort harmonisierten wesentlichen anforderungen erfüllt, und welche empfehlungen zu den technischen anforderungen von nichtselbsttätigen waagen herausgibt. 96vgl. oiml, international recommendation r 76-1, edition 2006 (e); siehe auch https://www.oiml.org/en/about/about-oiml. 97die umsetzung dieser zuletzt genannten empfehlung der oiml in das unionsrecht ist erfolgt durch die veröffentlichung der hierauf beruhenden europäischen norm en 45501:2015 über metrologische aspekte der nichtselbsttätigen waagen im rahmen der umsetzung der richtlinie 2014/31/eu am 15.1.2016 (abl. c 14 vom 15.1.2016, s. 100). 98vgl. das nationale vorwort zur deutschen fassung din en 45501:2015; zur bedeutung der zusammenarbeit mit internationalen normungsorganisationen zur stärkung der weltweiten wettbewerbsfähigkeit der europäischen industrie siehe erwägungsgrund 3 der verordnung (eu) 1025/2012. 99ab dem ersten tag nach ablauf der umsetzungsfrist der richtlinie 2014/31/eu am 20.4.2016 (vgl. art. 44 abs. 1 der richtlinie 2014/31/eu) sollte die europäische norm en 45501:2015 maßgeblich sein anstelle der bis zum 19.4.2016 bezogen auf die vorgängerrichtlinie 2009/23/eg noch maßgeblichen en 45501:1992 (vgl. abl. c 300 vom 11.9.2015, s. 3). bei geräten, die mit der en 45501:2015 übereinstimmen, wird nach art. 12 der richtlinie 2014/31/eu die konformität mit wesentlichen sicherheitsanforderungen gemäß anhang i vermutet, die von der harmonisierten technischen norm oder teilen davon abgedeckt sind. 100das bereits dargestellte, der internationalen terminologie zugrunde liegende verständnis einer hauptanzeige („primary indication“, vgl. nr. 5.05 viml) haben die oiml-empfehlung r 76-1, ed. 2006, und die din en 45501:2015 jeweils in nr. t.1.3.1 aufgegriffen. danach sind hauptanzeigen einer waage „anzeigen, signale und symbole“, die den anforderungen der oiml-empfehlung bzw. der europäischen norm unterliegen (vgl. hierzu insbesondere nr. 4.2, 4.3 und 4.4 din en 45501:2015). dieser weite begriff der hauptanzeige nach t.1.3.1, der im sinne der angeführten internationalen terminologie gespeicherte ausgangssignale einschließt, ist von einer digitalen hauptanzeigeeinrichtung bzw. einem digital primary display im sinne von t.2.2.6 zu unterscheiden, was unter der zuletzt genannten nummer ausdrücklich klargestellt wird. nur als typische module einer nichtselbsttätigen waage werden in dem schaubild unter t.2.2 din en 45501:2015, bild 1, bzw. oiml, r 76-1, ed. 2006, figure 1, zum aufbau einer nichtselbsttätigen waage das wägemodul im sinne der begriffsdefinition in t.2.2.7 und die hauptanzeigeeinrichtung („primary display“) im sinne von t.2.2.6 abgebildet. unklarheiten, die sich daraus ergeben, dass in der europäischen norm in der tabelle unter dem schaubild als modul die „hauptanzeige“ angeführt wird anstelle der im schaubild genannten „hauptanzeigeeinrichtung“, werden durch den verweis auf die terminologie der „hauptanzeigeeinrichtung“ unter t.2.2.6 buchst. a) sowie durch einen vergleich mit der oiml-empfehlung r 76-1, ed. 2006, aufgelöst. in dieser wird an jeweils derselben stelle als modul einheitlich nur das „primary display“ nach t.2.2.6 erwähnt. die digitale hauptanzeigeeinrichtung nach t.2.2.6 buchst. a) din en 45501:2015 bzw. oiml, r 76-1, ed. 2006, ist entweder in das gehäuse des auswertegeräts oder des terminals integriert oder in einem getrennten gehäuse (d. h. in einem terminal ohne tasten) realisiert, z. b. für die anwendung in kombination mit einem wägemodul. das wägemodul ist nach t.2.2.7 din en 45501:2015 bzw. oiml, r 76-1, ed. 2006, der teil der waage, der alle mechanischen und elektronischen einrichtungen enthält (d. h. lastaufnehmer, kraftübertragungseinrichtung, wägezelle und auswerteeinheit oder digitale auswerteeinheit), aber ohne die möglichkeit zur anzeige des wägeergebnisses, wobei hier mit anzeige die visualisierung des wägeergebnisses gemeint ist. auch dies ergibt sich aus der vergleichenden berücksichtigung der empfehlung r 76-1. dort heißt es in diesem zusammenhang: „but not having the means to display the weighing result“. 101die ausführungen in der europäischen norm ebenso wie in der oiml-empfehlung machen deutlich, dass es schon aufgrund der funktionsweise einer nichtselbsttätigen waage beim wägen durch bedienungspersonal der visuellen anzeige des wägeergebnisses bedarf. dennoch kann die hauptanzeige einer solchen waage im sinne der internationalen terminologie in einem nur gespeicherten ausgangssignal bestehen und die visuelle anzeige beim wägen im geschäftlichen verkehr über eine zusätzliche anzeigeeinrichtung im sinne von nr. 3.1 und 3.3 vim erfolgen. davon gehen auch t.2.2.6, buchst. a) din en 45501:2015 bzw. oiml, r 76-1, ed. 2006, aus, die die realisierung selbst der digitalen hauptanzeigeeinrichtung in einem von dem auswertegerät und dem terminal getrennten gehäuse für zulässig halten. eine getrennte anzeigeeinrichtung ist hier nur beispielhaft als in kombination mit einem wägemodul möglich erwähnt, bei dem es sich um einen teil einer waage handelt, der nur die digitale hauptanzeigeeinrichtung fehlt. auch in dem schaubild unter t.2.2 ist das wägemodul in gleicher weise nur beispielhaft und als lediglich typische realisierung einer modular aufgebauten waage erwähnt. dies lässt noch nicht den schluss zu, dass eine digitale hauptanzeigeeinrichtung zwingend als bauteil einer waage angesehen werden muss, auch wenn dies typischerweise der fall sein mag. nach nr. 3.1 der allgemeinen internationalen terminologie (vim) darf eine digitale hauptanzeigeeinrichtung vielmehr ausdrücklich eine von dem messgerät getrennte zusätzliche einrichtung sein, die in verbindung mit dem messgerät für die durchführung von messungen verwendet wird. ausgehend hiervon kann dem erfordernis des art. 6 abs. 1 der richtlinie 2014/31/eu, wonach der entwurf und die herstellung einer waage die in anhang i der richtlinie festgelegten wesentlichen anforderungen gewährleisten müssen, bereits dann entsprochen werden, wenn durch den hersteller in der entwurfs- und herstellungsphase sichergestellt wird, dass das wägeergebnis nach inbetriebnahme des geräts mit hilfe einer internen oder externen hauptanzeigeeinrichtung tatsächlich entsprechend den anforderungen des anhangs i der richtlinie angezeigt wird. 102die spürbare spannung zwischen dem weiten verständnis der „hauptanzeige“ in t.1.3.1, das ausdrücklich lediglich gespeicherte ausgangssignale im sinne der internationalen metrologischen terminologie einschließt, und der unter t.2.2 erfolgten einteilung einer nichtselbsttätigen waage unter anderem in die module wägemodul und digitale hauptanzeigeeinrichtung lässt sich auflösen, indem sinn und zweck dieser begriffsverwendung näher in den blick genommen werden. wie ausgeführt wird unter t.2.2 ausweislich der bildbezeichnung sowie der anmerkung unter t.2.2 ausdrücklich lediglich eine von verschiedenen möglichen kombinationen typischer module einer nichtselbsttätigen waage mit eigener anzeigeeinrichtung dargestellt. die einteilung in mögliche module ist deshalb relevant, weil nach der europäischen norm ebenso wie nach der empfehlung der oiml für einzelne module der waage bewertungs- und baueinheitenzertifikate erstellt werden können [vgl. t.2.2 und anhang c bis f der din en 45501:2015; oiml, r 76-1, ed. 2006, t.2.2 und annex c bis f]. das ist besonders in fällen von bedeutung, in denen die prüfung einer waage als ganzes schwierig oder unmöglich ist, wenn das modul als getrennte einheit hergestellt und/oder auf dem markt angeboten wird, um es in eine komplette waage einzubauen oder wenn der antragsteller eine vielzahl verschiedener module in der zugelassenen bauart verwenden möchte (vgl. nr. 3.10.2 der din en 45501:2015 bzw. oiml, r 76-1, ed. 2006). möchte ein hersteller für ein gerät, das alle anforderungen an eine waage erfüllt, aber über keine eigene digitale hauptanzeigeeinrichtung verfügt, nicht die letztverantwortung als hersteller im sinne der richtlinie 2014/31/eu übernehmen, also insbesondere keine vorkehrungen dafür treffen, dass bei inbetriebnahme des geräts das messergebnis den anforderungen nach anhang i der richtlinie entsprechend angezeigt wird, kann er sein produkt danach als teil einer nichtselbsttätigen waage, nämlich als wägemodul im sinne der nr. 2.2.7 din en 45501:2015 bzw. oiml, r 76-1, ed. 2006, betrachten. hierüber kann er sich ein baueinheitenzertifikat ausstellen lassen und es als solches an einen hersteller vertreiben, der die durch eine ergänzte digitale hauptanzeigeeinrichtung entstandene waage in eigener verantwortung in verkehr bringt. in einem solchen fall muss der hersteller des endprodukts die kompatibilität auch des wägemoduls im rahmen des konformitätsbewertungsverfahrens bezogen auf das endprodukt festlegen und angeben (vgl. nr. 3.10.2.3 din en 45501:2015, oiml, r 76-1, ed. 2006). die eu-konformitätserklärung im sinne von art. 14 der richtlinie 2014/31/eu bezieht sich sodann allein auf dieses endprodukt, auf dem auch die ce-kennzeichnung und die zusätzliche metrologie-kennzeichnung im sinne von art. 15 der richtlinie 2014/31/eu anzubringen sind. alternativ hierzu in betracht kommt aber wegen des deutlich weiterreichenden begriffs der waage als eines messgeräts, welches wägeergebnisse nicht notwendig über ein display liefern muss, sondern bei dem als „hauptanzeige“ ein elektronisch gespeichertes ausgangssignal ausreicht, dass der hersteller dasselbe bauteil in eigener verantwortung als vollständige waage vertreibt. dann aber muss er gemäß art. 6 abs. 1 der richtlinie 2014/31/eu „bei entwurf und herstellung“ gewährleisten, dass sein gerät nur mit einem geeigneten externen display, also einer digitalen hauptanzeigeeinrichtung im sinne der nr. t.2.2.6, in betrieb genommen werden kann und so die vereinbarkeit mit den wesentlichen gerätespezifischen anforderungen an die anzeige des wägeergebnisses ab inbetriebnahme und damit bei verwendung des geräts für messungen im geschäftlichen verkehr sichergestellt ist. 103dieses normverständnis entspricht schließlich dem in den erwägungsgründen 17 und 47 der richtlinie 2014/31/eu zum ausdruck gebrachten bestreben des richtliniengebers, sich auf die wesentlichen messtechnischen und technischen anforderungen zu beschränken, welche nichtselbsttätige waagen betreffen, die zu bestimmten verwendungszwecken benutzt werden. 104vgl. hierzu auch europäische kommission, leitfaden für die umsetzung der produktvorschriften der eu 2016 („blue guide“), abl. c 272 vom 26.7.2016, s. 1, nr. 1.1.3, 8.1 unter bezugnahme auf eugh, urteil vom 20.2.1979 – c-120/78 –, slg. 1979, 649 = juris, rn. 8. 105diese wesentlichen technischen anforderungen, auf deren harmonisierung sich die richtlinie zum schutz der allgemeinheit vor unrichtigen wägeergebnissen (erwägungsgrund 5), zur sicherstellung eines fairen wettbewerbs auf dem unionsmarkt (erwägungsgrund 7) durch eine konformitätsbewertung auf einem unionsweit einheitlichen qualitätsniveau (erwägungsgründe 26 und 27) ohne unnötigen aufwand für die wirtschaftsakteure (erwägungsgrund 17) beschränken wollte (erwägungsgrund 33), sind in anhang i enthalten. der richtliniengeber hat in erwägungsgrund 7 der richtlinie 2014/31/eu den grundsatz betont, dass die wirtschaftsakteure – zu denen auch der hersteller zählt (vgl. art. 2 nr. 9 der richtlinie 2014/31/eu) – dafür verantwortlich sein sollen, dass die nichtselbsttätigen waagen die richtlinie einhalten. die art und weise der technischen umsetzung ist ihnen dabei im rahmen der harmonisierten gerätespezifischen anforderungen (vgl. art. 6 abs. 1 der richtlinie 2014/31/eu, § 23 abs. 1 satz 1 messeg) freigestellt. die technologieoffene regelung gerätespezifischer anforderungen entspricht der im sinne der warenverkehrsfreiheit (art. 34 ff. aeuv, vgl. auch art. 5 der richtlinie 2014/31/eu) und des verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in erwägungsgrund 47 vom richtliniengeber beabsichtigten beschränkung der unionsrechtlichen harmonisierung auf die anforderungen, welche zur erreichung des mit der richtlinie angestrebten ziels geeignet sind und nicht über das dazu erforderliche hinausgehen. 106vgl. eugh, urteil vom 12.12.2006 – c-380/03 –, slg. 2006, i-11573 = juris, rn. 144, m. w. n. 107b) zum nachweis, dass eine nichtselbsttätige waage die wesentlichen gerätespezifischen anforderungen nach § 6 abs. 2 messeg i. v. m. § 8 abs. 1 messev i. v. m. anlage 3 tabelle 1 spalte 3 und anhang i der richtlinie 2014/31/eu erfüllt, muss gemäß § 6 abs. 3 satz 1 messeg i. v. m. § 9 abs. 1 sätze 1 und 2 messev i. v. m. anlage 3 tabelle 1 spalte 4 und anlage 4 zur messev ein konformitätsbewertungsverfahren nach den modulen b und f oder b und d oder g unter beachtung der besonderen vorgaben für nichtselbsttätige waagen gemäß anlage 4 teil a nr. 4 messev erfolgreich durchgeführt worden sein und eine konformitätserklärung vorliegen [hierzu unter (aa)]. ferner muss die konformität einer nichtselbsttätigen waage, ehe diese in verkehr gebracht wird, gemäß § 6 abs. 1, 4 messeg mit den in § 14 abs. 1 messev bestimmten kennzeichen bestätigt sein [hierzu unter (bb)]. 108(aa) das system der konformitätsbewertung im sinne von § 6 abs. 3 messeg, das dem grundsatz der herstellerverantwortung rechnung trägt, hat das frühere recht zum inverkehrbringen, bestehend aus der eg-bauartzulassung und der eg-ersteichung für messgeräte weitgehend – zu den ausnahmen siehe § 18 messev – abgelöst. 109vgl. hierzu auch bt-drs. 17/12727, zu § 27, s. 45. 110während die einhaltung der technischen vorschriften früher von den mitgliedstaaten vor dem vertrieb oder der erstmaligen verwendung überwacht worden war, und zwar insbesondere durch die verfahren der bauartzulassung und der (erst-)eichung, 111vgl. hierzu auch erwägungsgrund 7 sowie art. 2 abs. 2 und art. 8 abs. 1 der richtlinie 2009/34/eg, 112dient das neue konformitätsbewertungsverfahren dem hersteller als von ihm in eigener verantwortung zu erbringender nachweis, dass in verkehr gebrachte produkte den bundes- und unionsrechtlichen anforderungen entsprechen. 113vgl. europäische kommission, leitfaden für die umsetzung der produktvorschriften der eu 2016 („blue guide“), abl. c 272 vom 26.7.2016, s. 1, nr. 5.1.1. 114insofern erkennt der gesetzgeber das system der konformitätsbewertung im sinne des § 6 abs. 3 messeg als ein gegenüber der bisherigen ersteichung gleichwertiges nachweisinstrument an. 115vgl. bt-drs. 17/12727, zu § 37 abs. 1, s. 47. 116wird – wie hier – gemäß § 9 abs. 1 satz 2 messev i. v. m. anlage 3 tabelle 1 spalte 4 das konformitätsbewertungsverfahren nach den modulen b und d im sinne von anlage 4 teil b messev angewendet, folgt auf die prüfung der konformität des repräsentativen musters (baumuster) mit den relevanten rechtlichen anforderungen (modul b – baumusterprüfung) die auf den produktionsprozess bezogene bestätigung der konformität der produkte mit dem zugelassenen baumuster durch ein von einer konformitätsbewertungsstelle anerkanntes qualitätssicherungssystem für die herstellung, endabnahme und prüfung der betreffenden messgeräte (modul d nr. 2) unter berücksichtigung der besonderen vorschriften für nichtselbsttätige waagen nach anlage 4 teil a nr. 4 messev. bei dieser art der konformitätsbewertung muss der hersteller das qualitätssicherungssystem einrichten und so anwenden, dass es die volle konformität der produkte mit den relevanten rechtlichen anforderungen gewährleistet. insofern unterscheidet sich die konformitätsbewertung etwa von einer prüfung der konformität mit der bauart auf der grundlage einer produktprüfung, wie sie unter anderem in modul f vorgesehen ist. bei letzterer werden alle geräte einzeln auf ihre konformität mit der in der baumusterprüfbescheinigung beschriebenen anerkannten bauart und den entsprechenden anforderungen des mess- und eichgesetztes und der mess- und eichverordnung untersucht und geprüft. erst auf der grundlage dieser untersuchungen und prüfungen werden für jedes gerät konformitätsbescheinigungen von der konformitätsbewertungsstelle ausgestellt (vgl. anlage 4 teil b modul f nr. 1., 3., 4. messev). 117vgl. hierzu auch europäische kommission, leitfaden für die umsetzung der produktvorschriften der eu 2016 („blue guide“), abl. c 272 vom 26.7.2016, s. 1, nr. 5.1.5 f., 5.1.9. 118etwas anderes folgt nicht aus anlage 4 teil b modul d nr. 5.1 messev, wonach der hersteller an jedem einzelnen messgerät, das mit der in der baumusterprüfbescheinigung beschriebenen bauart übereinstimmt und die geltenden anforderungen des mess- und eichgesetzes und der mess- und eichverordnung erfüllt, die konformitätskennzeichen nach § 14 messev anzubringen hat. durch das nach modul d von dem hersteller einzuhaltende qualitätssicherungssystem ist die übereinstimmung der messgeräte mit der in der baumusterprüfbescheinigung beschriebenen bauart und mit den für sie geltenden anforderungen des mess- und eichgesetzes und der mess- und eichverordnung gewährleistet (vgl. anlage 4 teil b modul d nr. 3.2 messev). die überwachung unter der verantwortung der konformitätsbewertungsstelle wiederum stellt sicher, dass der hersteller die verpflichtungen aus dem von der konformitätsbewertungsstelle anerkannten qualitätssicherungssystem vorschriftsmäßig erfüllt (anlage 4 teil b modul d nr. 4.1 messev). 119vgl. in diesem sinne letztlich auch europäische kommission, leitfaden für die umsetzung der produktvorschriften der eu 2016 („blue guide“), abl. c 272 vom 26.7.2016, s. 1, nr. 4.5.1.4 und 5.1.6. 120eine darüber hinausgehende, das konformitätsbewertungsverfahren abschließende überprüfung der einzelnen geräte auf ihre konformität mit den wesentlichen gerätespezifischen anforderungen ist in dem konformitätsbewertungsverfahren nach modul b und modul d nicht vorgesehen. allerdings wird eine abschließende überprüfung der übereinstimmung mit dem baumuster regelmäßig teil des zertifizierten qualitätssicherungssystems des herstellers sein. dem entspricht schließlich, dass nach anlage 4 teil b modul d nr. 5.2 messev der hersteller für jedes messgerätemodell – und gerade nicht für jedes einzelne messgerät – eine konformitätserklärung im sinne des § 11 abs. 1 nr. 1 messev i. v. m. anhang iv der richtlinie 2014/31/eu auszustellen hat. 121(bb) gemäß § 6 abs. 4 messeg i. v. m. § 14 abs. 1 messev muss die konformität einer nichtselbsttätigen waage bestätigt sein mit der ce-kennzeichnung, der metrologie-kennzeichnung bestehend aus dem großbuchstaben „m“ und den beiden letzten ziffern der jahreszahl des jahres, in dem die kennzeichnung angebracht wurde, beides zusammen eingerahmt durch ein rechteck, dessen höhe der höhe der ce-kennzeichnung entspricht, und nachfolgend mit der kennnummer der konformitätsbewertungsstelle, die an der durchführung des konformitätsbewertungsverfahrens in der fertigungsphase beteiligt war. die kennzeichnungen sind gemäß § 6 abs. 1 messeg (siehe hierzu auch art. 17 abs. 2 der richtlinie 2014/31/eu) anzubringen, bevor das gerät in verkehr gebracht wird. das inverkehrbringen ist nach § 2 nr. 7 halbsatz 1 messeg die erstmalige bereitstellung eines produkts auf dem markt der europäischen union im sinne des § 2 nr. 1 messeg, also jede entgeltliche oder unentgeltliche abgabe eines produkts zum vertrieb, verbrauch oder zur verwendung auf dem markt der europäischen union im rahmen einer geschäftstätigkeit. sie ist von der inbetriebnahme eines geräts zu unterscheiden, welche § 3 nr. 7 messeg als erstmalige nutzung eines für den endnutzer bestimmten messgeräts für den beabsichtigten zweck definiert. die kennzeichnungen dürfen schließlich nach § 14 abs. 6 messev nur auf messgeräten angebracht werden, welche die anforderungen des mess- und eichgesetzes und der mess- und eichverordnung erfüllen. mit der ce-kennzeichnung und der zusätzlichen metrologie-kennzeichnung soll die konformität der nichtselbsttätigen waage mit der richtlinie auf dem gerät für den verwender sowie für andere wirtschaftsakteure erkennbar gemacht werden (§ 6 abs. 4 messeg, art. 15 richtlinie 2014/31/eu). sie sind nach erwägungsgrund 23 der richtlinie 2014/31/eu das sichtbare ergebnis eines ganzen prozesses, der die konformitätsbewertung im weiteren sinne umfasst. 122vgl. hierzu auch den beschluss nr. 768/2008/eg des europäischen parlaments und des rates vom 9.7.2008, erwägungsgrund 29; europäische kommission, leitfaden für die umsetzung der produktvorschriften der eu 2016 („blue guide“), abl. c 272 vom 26.7.2016, s. 1, nr. 4.5.1.1. 123c) ist zum nachweis, dass ein messgerät die wesentlichen anforderungen im sinne von § 6 abs. 2 messeg erfüllt, eine konformitätsbewertung erfolgreich durchgeführt worden und liegt eine konformitätserklärung vor, ist eine weitergehende marktaufsichtsrechtliche überprüfung nur auf begründeten verdacht gerechtfertigt, dass ungeachtet des ergebnisses des konformitätsbewertungsverfahrens die wesentlichen gerätespezifischen anforderungen nicht erfüllt sind. dies hat der nationale gesetzgeber in § 50 abs. 1 und 2 messeg zum ausdruck gebracht, indem er kontrollen über die einhaltung der wesentlichen gerätespezifischen anforderungen anhand angemessener stichproben auf geeignete weise und in angemessenem umfang vorsieht und für weitergehende marktaufsichtsrechtliche maßnahmen ausdrücklich einen begründeten verdacht verlangt, die genannten anforderungen seien nicht erfüllt. die marktaufsichtsbehörden sind bei der überprüfung, ob in verkehr gebrachte messgeräte den anforderungen nach abschnitt 2 des mess- und eichgesetzes erfüllen, allerdings nicht an das ergebnis des von den herstellern durchgeführten konformitätsbewertungsverfahrens gebunden. insofern ergänzen sich die verfahren der konformitätsbewertung durch den hersteller und die marktüberwachung. beide sind gleichermaßen notwendig, um den schutz der betroffenen öffentlichen interessen und das reibungslose funktionieren des binnenmarkts zu gewährleisten. 124vgl. bekanntmachung der europäischen kommission, leitfaden für die umsetzung der produktvorschriften der eu 2016 („blue guide“), abl. c 272 vom 26.7.2016, s. 1, nr. 5.1.1. 125den von den konformitätsbewertungsstellen ausgestellten bescheinigungen und zertifikaten kommt in diesem sinne zwar keine die marktaufsichtsbehörden bindende wirkung zu. schon weil das konformitätsbewertungsverfahren – wie dargestellt – das verfahren der bauartzulassung und (erst-)eichung als gleichwertiges nachweisinstrument ablösen sollte, sind jedoch gemäß art. 11 abs. 5 der auch für produkte im sinne der richtlinie 2014/31/eu geltenden verordnung (eu) 2019/1020 eu-prüfberichte oder bescheinigungen über die konformität der produkte mit den harmonisierungsvorschriften der union, die von einer gemäß der verordnung (eg) 765/2008 akkreditierten konformitätsbewertungsstelle ausgestellt wurden, von den marktüberwachungsbehörden gebührend zu berücksichtigen. dies gilt schon deshalb, weil die konformitätsbewertungsstellen entsprechend den erwägungsgründen 26, 27 und 33 der richtlinie 2014/31/eu ihrerseits vorsorge für ein unionsweit einheitliches qualitätsniveau bei der konformitätsbewertung tragen. nach den erwägungsgründen 32 bis 34 der verordnung (eu) 2019/1020 sollte die marktüberwachung gründlich und wirksam sein, um sicherzustellen, dass die harmonisierungsvorschriften der union für produkte ordnungsgemäß angewandt werden. angesichts der tatsache, dass überprüfungen eine belastung für die wirtschaftsakteure darstellen können, sollten sich überwachungsmaßnahmen aber auf das notwendige maß beschränken. zugleich ist durch austausch von informationen zwischen den behörden der mitgliedstaaten auf eine möglichst gleichmäßige durchsetzung der harmonisierungsvorschriften im unionsgebiet zu achten. um diesen ansprüchen gleichermaßen gerecht zu werden, sieht art. 11 abs. 3 der verordnung (eu) 2019/1020 vor, dass die marktüberwachungsbehörden im rahmen ihrer tätigkeit in angemessenem umfang geeignete überprüfungen der merkmale von produkten vornehmen, indem sie in erster linie die unterlagen überprüfen und (nur) gegebenenfalls anhand angemessener stichproben physische überprüfungen und laborprüfungen durchführen. bei der entscheidung darüber, welche arten von produkten in welchem umfang welchen überprüfungen unterworfen werden sollen, gehen sie nach einem risikobasierten ansatz vor. dementsprechend stellt der erwägungsgrund 22 der richtlinie 2014/31/eu klar, dass die eu-konformitätserklärung einen wirksamen zugang zu informationen für die zwecke der marktaufsicht bietet. in diesem sinne stellen die hersteller gemäß art. 6 abs. 9 satz 1 der richtlinie 2014/31/eu auf begründetes verlangen der zuständigen nationalen behörden alle informationen und unterlagen zur verfügung, die für den nachweis der konformität des geräts mit der richtlinie erforderlich sind. 126d) hier besteht kein begründeter verdacht, dass die von der klägerin produzierten geräte des typs „cs-300“ den wesentlichen gerätespezifischen anforderungen nicht genügen. bei den geräten handelt es sich um waagen im sinne von art. 2 nr. 1 der richtlinie 2014/31/eu. sie erfordern im sinne von art. 2 nr. 2 der richtlinie 2014/31/eu beim wägen das eingreifen einer bedienungsperson und müssen deshalb die wesentlichen anforderungen an nichtselbsttätige waagen erfüllen. als herstellerin gewährleistet die klägerin, wenn sie ihre geräte in verkehr bringt, dass diese dementsprechend gemäß den in anhang i der richtlinie 2014/31/eu festgelegten wesentlichen anforderungen entworfen und hergestellt worden sind und führt den nachweis hierüber durch eine erfolgreich durchgeführte konformitätsbewertung sowie die ausstellung einer konformitätserklärung. dies gilt auch mit blick auf diejenigen anforderungen, die erst bei der verwendung im geschäftlichen verkehr für die gesamte nutzungsdauer relevant sind und ab inbetriebnahme erfüllt werden müssen [hierzu unter (aa)]. nach alledem liegt auch kein verstoß gegen die kennzeichnungspflichten nach § 6 abs. 4 messeg i. v. m. § 14 abs. 1 messev vor [hierzu unter (bb)]. 127(aa) die von der klägerin produzierten geräte des typs „cs300“ sind waagen im sinne von art. 2 nr. 1 der richtlinie 2014/31/eu, weil sie die bestimmung der masse eines körpers auf der grundlage der auf diesen körper wirkenden schwerkraft ermöglichen, indem sie die wägeergebnisse durch eine waagen-software erfassen und ein digitales ausgangssignal an eine rückwirkungsfreie datenschnittstelle liefern. die waagen sind in ihrer funktionsweise ab inbetriebnahme als nichtselbsttätige waagen im sinne von art. 2 nr. 2 der richtlinie 2014/31/eu entworfen und hergestellt, weil sie beim wägen im geschäftlichen verkehr das eingreifen einer bedienungsperson erfordern. die dafür erforderliche visuelle anzeige der digital gespeicherten messwerte auf einen an die schnittstelle anzuschließenden externen kassen-pc wird vor der bestimmungsgemäßen inbetriebnahme auf der grundlage der eu-baumusterprüfbescheinigung im rahmen des qualitätssicherungssystems sichergestellt. 128die klägerin bringt die streitgegenständlichen geräte nicht lediglich als wägemodule zur weiteren herstellung einer nichtselbsttätigen waage in verkehr, sondern als eigenständige waagen, die zur bestimmung des preises entsprechend der masse für den verkauf in öffentlichen verkaufsstellen im sinne von art. 1 abs. 2 buchst. a) und f) der richtlinie 2014/31/eu verwendet werden sollen. im sinne von § 23 abs. 1 satz 1 messeg, art. 6 abs. 1 der richtlinie 2014/31/eu gewährleistet sie als herstellerin, wenn sie ihre geräte in verkehr bringt, dass diese gemäß den in anhang i der richtlinie festgelegten wesentlichen anforderungen entworfen und hergestellt worden sind. den nachweis, dass die waagen die wesentlichen gerätespezifischen anforderungen im sinne von § 6 abs. 2 satz 2 nr. 1 messeg i. v. m. § 8 abs. 1 nr. 11 messev und anlage 3 tabelle 1 spalte 3 messev sowie anhang i zur richtlinie 2014/31/eu erfüllen, hat sie den anforderungen des § 6 abs. 3 satz 1 messeg entsprechend erbracht. 129ausweislich der von der physikalisch-technischen bundesanstalt unter dem 18.2.2019 ausgestellten und damit zum zeitpunkt des erlasses der ordnungsverfügung im januar 2020 maßgeblichen baumusterprüfbescheinigung (nr. de-18-nawid-ptb014, revision 1) und des von dem regierungspräsidium tübingen als konformitätsbewertungsstelle im sinne von § 3 nr. 9 messeg zertifizierten qualitätssicherungssystems hat die klägerin vor inverkehrbringen der streitgegenständlichen geräte ein konformitätsbewertungsverfahren nach anlage 4 teil b module b und d messev unter berücksichtigung der besonderen vorschriften für nichtselbsttätige waagen nach anlage 4 teil a nr. 4 messev erfolgreich durchgeführt und für das streitgegenständliche messgerätemodell entsprechend anlage 4 teil b modul d nr. 5.2 messev eine konformitätserklärung vorgelegt, die den anforderungen nach § 11 abs. 1 nr. 1 messev i. v. m. anhang iv der richtlinie 2014/31/eu entspricht. schon mit vorliegen einer einschlägigen eu-baumusterprüfbescheinigung, eines hierauf bezogenen zertifizierten qualitätssicherungssystems sowie einer auf das gerätemodell bezogenen eu-konformitätserklärung sind die voraussetzungen zum nachweis der konformität nach § 6 abs. 3 satz 1 messeg erfüllt, die zur anbringung der konformitätskennzeichen an jedem einzelnen gerät berechtigen (anlage 4 teil b modul d nr. 5.1 messev). 130ein begründeter verdacht, dass die streitgegenständlichen geräte dennoch nicht gemäß den in anhang i festgelegten wesentlichen anforderungen entworfen und hergestellt worden sind, insbesondere weil die erst ab inbetriebnahme zu stellenden anforderungen an die visuelle anzeige der wägeergebnisse nicht schon bei inverkehrbringen erfüllt sind, liegt nicht vor. laut eu-baumusterprüfbescheinigung sind die geräte vorgesehen zur verwendung als nichtselbsttätige preisrechnende waagen für offene verkaufsstellen. sie sind von vornherein auf einen einsatz in verbindung mit einem kassen-pc als einer externen digitalen hauptanzeigeeinrichtung bestimmt, die beim wägen im geschäftlichen verkehr die zutreffende anzeige der wägeergebnisse gewährleistet. eine zweckwidrige verwendung ohne oder mit einer ungeeigneten anzeigeeinrichtung wiederum ist dem verwender schon nach § 31 abs. 1 satz 2 messeg untersagt. sie wird auch von der konformitätserklärung der klägerin nicht umfasst. darin heißt es, bei einer nicht mit ihr abgestimmten oder nicht von ihr durchgeführten änderung des gerätetyps verliere die konformitätserklärung ihre gültigkeit. entwurf und herstellung gewährleisten, dass der anschluss des kassensystems die messeigenschaften der waage nicht unzulässig beeinflusst (vgl. anhang i nr. 8.4 der richtliie 2014/31/eu) und die wägeergebnisse mit hilfe eines externen anzeigeräts entsprechend anhang i nr. 9 der richtlinie 2014/31/eu richtig und eindeutig angezeigt werden, nicht irreführend sind und den besonderen vorgaben für geräte für offene verkaufsstellen nach anhang i nr. 14 der richtlinie 2014/31/eu entsprechen. dies ist aufgrund der in der eu-baumusterprüfbescheinigung aufgestellten besonderen anforderungen an den anschluss kompatibler externer geräte, die zwingend zu nutzende waagen- und anzeigensoftware der klägerin sowie die vor inbetriebnahme durchzuführenden prüfungen sichergestellt. im einzelnen muss nach nr. 3.2 der eu-baumusterprüfbescheinigung zum anschluss von richtlinienrelevanten einrichtungen – wozu die digitale hauptanzeigeeinrichtung zählt – entweder ein prüfschein oder baueinheiten-zertifikat vorliegen, ausgestellt von einer benannten stelle im sinne der richtlinie 2014/31/eu, oder die voraussetzungen gemäß welmec-leitfaden 2.5 (2000), abschnitt 3.3, müssen erfüllt sein. danach dürfen einfache, nur daten empfangende zusatzeinrichtungen an eine nichtselbsttätige waage mit rückwirkungsfreier schnittstelle – über welche auch die streitgegenständlichen geräte verfügen – gemäß nr. 5.3.6.3 din en 45501 angeschlossen werden, ohne dass ein prüfschein ausgestellt oder ein hinweis in einer eg-bauartzulassung enthalten ist, wenn sie das ce-kennzeichen für konformität mit der emv-richtlinie 89/336/ewg (heute: richtlinie 2014/30/eu) tragen, nicht in der lage sind, irgendwelche daten oder befehle in die nichtselbsttätige waage zu übertragen außer zur auslösung eines druckbefehls oder zur prüfung auf ordnungsgemäße datenübertragung, die wägeergebnisse und andere daten ohne jede änderung oder weiterverarbeitung genauso anzeigen oder drucken, wie sie sie von der nichtselbsttätigen waage erhalten haben, und die entsprechenden anforderungen nach der din en 45501, insbesondere zur digitalen anzeige der wägeergebnisse nach nr. 4.2 und 4.4 erfüllen. weiter ist nach nr. 5.3.1 der eu-baumusterprüfbescheinigung als notwendige waagensoftware die software cs300 zugelassen, für die anzeigensoftware ausschließlich die cs300-sd, wobei die jeweilige software-version über die genau angegebene software-id im logbuch der waage identifiziert wird. in nr. 4.2 der eu-baumusterprüfbescheinigung werden verschiedene prüfungen, insbesondere der funktion von anschließbaren einrichtungen nach nr. 3.2 sowie der identifizierbarkeit der waage nach nr. 5.3, zur voraussetzung der inbetriebnahme gemacht. ausweislich des von dem regierungspräsidium tübingen als konformitätsbewertungsstelle zuletzt unter dem 27.7.2022 ausgestellten zertifikats über die anerkennung eines qualitätssicherungssystems nach der richtlinie 2014/31/eu ist die klägerin berechtigt, an den von ihr gefertigten nichtselbsttätigen waagen die metrologische kennzeichnung gemäß dem verfahren nach anhang ii – nr. 2, modul d (qualitätssicherung des produktionsprozesses) nach der richtlinie 2014/31/eu anzubringen. hierdurch wird der sache nach zugleich bestätigt, dass die klägerin die vorgaben zur herstellung und inbetriebnahme der geräte entsprechend den vorgaben aus der eu-baumusterprüfbescheinigung unter berücksichtigung der besonderen vorschriften für nichtselbsttätige waagen nach anlage 4 teil a nr. 4 messev umsetzt. insbesondere kommt die klägerin danach auch ihrer pflicht aus nr. 4.2.4 der eu-baumusterprüfbescheinigung nach, die funktion von anschließbaren einrichtungen vor inbetriebnahme der nichtselbsttätigen waage zu prüfen. dies schließt die feststellung der kompatibilität von waage und kassensystem nach den erwähnten vorgaben der baumusterprüfbescheinigung ein. 131eine belastbare tatsachengrundlage für die von dem beklagten pauschal erhobenen zweifel an der ordnungsgemäßen durchführung der konformitätsbewertung nach modul d besteht nicht. ausweislich der anlage zu dem vom regierungspräsidium tübingen ausgestellten zertifikat über die anerkennung des qualitätssicherungssystems der klägerin basiert die bewertung auf einer begutachtung der von der klägerin eingereichten dokumente und einem audit im unternehmen. das qualitätssicherungssystem unterliegt danach ferner der ständigen überwachung nach der richtlinie 2014/31/eu. auch ist nicht ersichtlich, dass wegen der fehlenden eigenen digitalen hauptanzeigeeinrichtung eine konformitätsbewertung bezogen auf die anforderungen an die anzeige der wägeergebnisse nicht möglich gewesen wäre. nach anhang i nr. 8.6 der richtlinie 2014/31/eu müssen die geräte so konstruiert sein, dass die in der richtlinie vorgeschriebenen prüfungen ohne schwierigkeiten durchgeführt werden können. dies ist hier der fall. für die ordnungsgemäße anzeige der wägeergebnisse entsprechend der anforderungen nach anhang i nr. 9 und 14 der richtlinie 2014/31/eu verantwortlich ist bei den hier streitgegenständlichen geräten vor allem die anzeigensoftware cs300-sd, welche ausweislich der eu-baumusterprüfbescheinigung auf ihre richtlinienkonformität geprüft worden ist. das qualitätssicherungssystem der klägerin wiederum stellt die ordnungsgemäße verwendung der anzeigensoftware mittels einer externen anzeigeeinrichtung, durch die die messergebnisse unverfälscht angegeben werden, vor inbetriebnahme eines jeden einzelnen geräts sicher. die dabei gegebenenfalls zu prüfenden anforderungen nach dem welmec-leitfaden 2.5 (2000), abschnitt 3.3, sind durch die neufassungen des welmec-leitfadens 2:2015 und 2:2020 nicht geändert worden und damit auch in technischer hinsicht weiterhin aktuell. darüber hinausgehende, gerätespezifische anforderungen an die digitale hauptanzeigeeinrichtung selbst, die einer technischen konformitätsprüfung nach der richtlinie 2014/31/eu bedürften, gibt die richtlinie nicht vor. 132da mithin keine begründeten zweifel daran bestehen, dass die klägerin die in nr. 4.2 der eu-baumusterprüfbescheinigung vor inbetriebnahme vorgesehenen prüfungen insbesondere bezogen auf anschließbare einrichtungen ordnungsgemäß durchführt, kann letztlich auf sich beruhen, ob die dokumentation dieser im rahmen des qualitätssicherungssystems von ihr vorzunehmenden prüfungen in der vergangenheit zutreffend unter der überschrift „eu-konformitätserklärung“ bezogen auf die kombination kassenwaage und kassenterminal gemäß pos guide erfolgt ist oder ob sich missverständnisse insoweit hätten vermeiden lassen, indem stattdessen etwa ein protokoll über die prüfungen nach nr. 4.2 der eu-baumusterprüfbescheinigung erstellt worden wäre. 133bb) die klägerin versieht die streitgegenständlichen waagen entsprechend den vorgaben des § 6 abs. 4 messeg i. v. m. § 14 abs. 1 messev vor dem inverkehrbringen mit den konformitätskennzeichen [hierzu unter (1)]. eine spätere kennzeichnung erst vor inbetriebnahme bzw. freigabe der geräte zum bestimmungsgemäßen verwendungszweck ist hier auch nicht ausnahmsweise rechtlich geboten [hierzu unter (2)]. 134(1) die klägerin bringt die streitgegenständlichen waagen im sinne des § 2 nr. 7 messeg in verkehr, indem sie die geräte an den hersteller des kassensystems zum weiteren vertrieb abgibt und sie damit erstmalig auf dem markt der europäischen union bereitstellt. unerheblich ist dabei, ob die klägerin die geräte zunächst an die produktionsstätte des kassensystemherstellers oder – auf dessen geheiß – unmittelbar an den verwender des kassensystems liefert. der zeitpunkt des inverkehrbringens ist danach zu unterscheiden von dem zeitpunkt, in dem die klägerin eine waage nach der erst später erfolgenden überprüfung ihres ordnungsgemäßen einbaus in das kassensystem für die inbetriebnahme und bestimmungsgemäße verwendung in öffentlichen verkaufsstellen freigibt. 135die klägerin versieht die streitgegenständlichen geräte nach abschluss des herstellungsprozesses und funktionsüberprüfung in ihrem werk und damit vor inverkehrbringen entsprechend der für nichtselbsttätige waagen maßgeblichen vorgaben des § 14 abs. 1 messev mit der ce-kennzeichnung, der zusätzlichen metrologie-kennzeichnung sowie der kennnummer des regierungspräsidiums tübingen als konformitätsbewertungsstelle, welche an der durchführung des konformitätsbewertungsverfahrens in der fertigungsphase beteiligt war. auf die frage, ob eine ce-kennzeichnung bereits während des produktionsvorgangs – auch mit blick auf die sich hieraus ergebenden folgen für die berechnung der eichfrist im sinne von § 34 abs. 1 satz 1 messev – erfolgen darf, kommt es hier nicht an. der herstellungsprozess einschließlich der funktionsüberprüfung der waage, die später in verbindung mit einer externen digitalen hauptanzeigeeinrichtung als nicht selbsttätige waage im geschäftlichen verkehr verwendet werden soll, ist bei inverkehrbringen der waage durch abgabe zum vertrieb jeweils bereits abgeschlossen. 136(2) die anbringung der ce-kennzeichnung und der zusätzlichen metrologie-kennzeichnung ist hier auch nicht ausnahmsweise erst unmittelbar vor freigabe des geräts zu dem bestimmungsgemäßen verwendungszweck am verwendungsort geboten. ein solches erfordernis kann sich allein aus den besonderen vorschriften für nichtselbsttätige waagen nach anlage 4 teil a nr. 4 messev ergeben. danach darf die konformitätsbewertung für nichtselbsttätige waagen gemäß § 9 abs. 1 satz 2 messev i. v. m. anlage 3 tabelle 1 spalte 4 und anlage 4 nr. 4 nach den modulen d, d1, f, f1 oder g – einschließlich der anbringung der konformitätskennzeichnung (vgl. etwa anlage 4 teil b modul d nr. 5.1 messev) – nur dann im betrieb des herstellers oder an einem beliebigen anderen ort durchgeführt werden, wenn die beförderung der nichtselbsttätigen waage zum verwendungsort, ihre zerlegung und die inbetriebnahme am verwendungsort keinen erneuten zusammenbau oder sonstige technische arbeiten erfordern, durch die die anzeigegenauigkeit der nichtselbsttätigen waage beeinträchtigt werden könnte, und die nichtselbsttätige waage im rahmen der fertigung so ausgelegt und justiert ist, dass die am ort der inbetriebnahme vorliegende fallbeschleunigung bereits berücksichtigt ist oder die anzeigegenauigkeit der nichtselbsttätigen waage nicht durch änderungen der fallbeschleunigung beeinflusst wird. in allen anderen fällen hat die konformitätsbewertung am verwendungsort der nichtselbsttätigen waage zu erfolgen (anlage 4 teil a nr. 4.1 bis 4.1.2 messev). wird die messgenauigkeit der nichtselbsttätigen waage durch änderungen der fallbeschleunigung beeinflusst, darf die konformitätsbewertung nach anlage 4 teil a nr. 4.2 messev in zwei stufen durchgeführt werden, wobei die zweite stufe am verwendungsort der nichtselbsttätigen waage durchzuführen ist und alle untersuchungen und prüfungen umfassen muss, bei denen das ergebnis von der fallbeschleunigung abhängt. nach anlage 4 teil a nr. 4.2.6 messev sind – entsprechend anhang ii nr. 7.2.4 der der richtlinie 2014/31/eu – in diesen fällen die ce-kennzeichnung und die zusätzliche metrologie-kennzeichnung nach beendigung der zweiten stufe zusammen mit der kennnummer der konformitätsbewertungsstelle, die bei der zweiten stufe beteiligt war, an der nichtselbsttätigen waage anzubringen. 137ob und in welcher weise die besonderen voraussetzungen für nichtselbsttätige waagen nach anlage 4 teil a nr. 4 messev umzusetzen sind, ist teil des qualitätssicherungssystems des herstellers und unterliegt der zertifizierung durch die konformitätsbewertungsstelle nach modul d. danach steht hier der anbringung der ce-kennzeichnung im betrieb der klägerin nichts entgegen. nach auskunft der konformitätsbewertungsstelle gegenüber dem landesbetrieb (vgl. e-mail vom 15.5.2019, verwaltungsvorgang, blatt 125), liegt insbesondere kein zweistufiges verfahren vor. ein begründeter verdacht für eine fehlerhafte beurteilung der voraussetzungen nach anlage 4 teil a nr. 4 messev durch die konformitätsbewertungsstelle besteht nicht. insbesondere ist nicht allein aufgrund der tatsache, dass die klägerin die funktion des angeschlossenen kassensystems vor inbetriebnahme der nichtselbsttätigen waage am verwendungsort prüft, ein zweistufiges verfahren gegeben. es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass entgegen der auskunft der an der konformitätsbewertung durch die klägerin beteiligten konformitätsbewertungsstelle die voraussetzungen für ein zweistufiges verfahren im sinne von anlage 4 teil a nr. 4.2 messev erfüllt sein könnten. das prüfverfahren, das gegenstand des zertifizierten qualitätssicherungssystems der klägerin ist, betrifft ausweislich der im verwaltungsvorgang vorgelegten ablaufbeschreibung (verwaltungsvorgang, bl. 215 ff.) allein den ordnungsgemäßen anschluss und einbau der nichtselbsttätigen waage in das kassensystem. untersuchungen und prüfungen, bei denen das ergebnis von der fallbeschleunigung abhängt, sind nicht vorgesehen. nach nr. 5.4 der eu-baumusterprüfbescheinigung sind besondere kalibrierungen und justierungen bei der inbetriebnahme nicht erforderlich. die endabnahme und prüfung der waage selbst (vgl. anlage 4 teil b modul d nr. 2 messev) findet am verwendungsort nicht statt, sondern ist zuvor in der produktionsstätte der klägerin erfolgt. die am verwendungsort von der klägerin durchgeführte funktionsprüfung ist teil ihrer vorgesehenen verwendungsbedingungen (vgl. eu-konformitätserklärung der klägerin vom 20.3.2020). nur in deren rahmen darf die waage von dem verwender eingesetzt werden (vgl. § 31 abs. 1 satz 2 messeg). 138schließlich bedarf es mit blick auf die von der beklagten herangezogene entscheidung des europäischen gerichtshofs vom 13.3.2014 – c-132/13 – keiner anbringung der ce-kennzeichnung erst unmittelbar vor inbetriebnahme. der europäische gerichtshof hat zu der frage der anbringung der ce-kennzeichnung an ein elektrisches betriebsmittel im sinne der richtlinie 2006/95/eg entschieden, eine ce-kennzeichnung dürfe nicht auf einem bauteil angebracht werden, das ein elektrisches betriebsmittel darstelle, dessen sicherheit wesentlich davon abhänge, wie es in ein elektrisches endprodukt eingebaut werde. unter solchen umständen könne nämlich zum einen die anbringung der ce-kennzeichnung auf dem bauteil den verwender des entsprechenden geräts irreführen, weil die qualität des bauteils nicht auf die sicherheit des elektrischen geräts, in das es eingebaut worden sei, schließen lasse. zum anderen könne durch diesen einbau die zuvor festgestellte konformität des bauteils mit den sicherheitsanforderungen und die konformität des elektrischen geräts, in das das fragliche bauteil eingebaut worden sei, beeinträchtigt werden. 139vgl. eugh, urteil vom 13.3.2014 – c-132/13 –, celex-nr. 62013cj0132 = juris, rn. 34. 140der der entscheidung des europäischen gerichtshofs zugrunde liegende sachverhalt ist mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. hier gewährleisten – wie aufgezeigt – schon die vorgaben aus der eu-baumusterprüfbescheinigung an die anschließbaren einrichtungen und an die inbetriebnahme der waage (nr. 3.2 und 4.2.4 der bescheinigung) sowie das deren einhaltung auch tatsächlich absichernde qualitätssicherungssystem, dass die gerätespezifischen anforderungen an eine nichtselbsttätige waage durch den von anfang an vorgesehenen späteren einbau in ein externes kassensystem ab inbetriebnahme erfüllt werden. die gefahr einer beeinträchtigung insbesondere der messtechnischen eigenschaften durch einen derart ausgestalteten und durch zertifizierte vorgaben des herstellers abgesicherten einbau in das kassensystem besteht nicht. 1412. erweist sich nach alledem die untersagungsverfügung in nr. 1 des angefochtenen bescheids als rechtwidrig, ist die androhung unmittelbaren zwangs für den fall der nichtbefolgung der untersagungsverfügung in nr. 2 der angegriffenen ordnungsverfügung des landesbetriebs ebenfalls rechtswidrig. 142die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 2 vwgo. 143die entscheidung zur vorläufigen vollstreckbarkeit beruht auf § 167 vwgo i. v. m. § 708 nr. 10, 711 zpo. 144die revision ist wegen der grundsätzlichen bedeutung der rechtssache zuzulassen, § 132 abs. 2 nr. 1 vwgo. die mit dem verfahren verbundenen rechtsfragen sind nicht nur für die beteiligten des konkreten verfahrens, sondern auch für andere marktüberwachungsbehörden und hersteller ähnlicher geräte relevant.
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4 A 1278/21
2022-09-08T00:00:00
Urteil
Tenor Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 21.4.2021 geändert. Die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 29.4.2020 wird aufgehoben. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Revision wird zugelassen. 1Tatbestand: 2Die Klägerin ist Herstellerin von Waagen, welche beim Wägen das Eingreifen einer Bedienungsperson erfordern (sog. nichtselbsttätige Waagen) und zur Verwendung im geschäftlichen Verkehr bestimmt sind. Die Angaben von Höchstlast (Max), Mindestlast (Min) und Eichwert (e) werden bei den hier streitgegenständlichen Modellen ausschließlich digital über die Anzeigeeinrichtung der Waage dargestellt, wo sie bei deren Betrieb stets zusammen mit dem gemessenen Wägeergebnis zu sehen sind. Ausweislich der von der NMi Certin B. V. unter dem 7.7.2020 für das Gerätemodell ausgestellten EU-Baumusterprüfbescheinigung ist der Zugang zu der für die Anzeige verantwortlichen Software durch Eichsiegel gesichert. Im Inneren des Gehäuses der Wiegeplattform befindet sich eine Justiersperre. Welche Software zur Anzeige der primären Indikationen auf den Geräten zugelassen ist, ist in Nr. 2.1.1 der EU-Baumusterprüfbescheinigung vorgegeben. Jede Änderung und jedes Herunterladen von relevanter Software wird im Ereignislogger protokolliert. 3Im Anschluss an eine amtliche Kontrolle teilte der Landesbetrieb Mess- und Eichwesen Nordrhein-Westfalen (im Folgenden: Landesbetrieb) der Klägerin im Februar 2020 mit, die Angabe der Konfigurationskennwerte (Max, Min, e) in ausschließlich digitaler Form entspreche nicht den Vorgaben aus der Richtlinie 2014/31/EU, weil damit die zwingend geforderte Dauerhaftigkeit nicht gegeben sei. Denn bei ausgeschalteter Waage erlösche auch die Anzeige dieser messtechnischen Werte im Display. 4Die Klägerin widersprach der Ansicht des Landesbetriebs. Nach Sinn und Zweck der Vorgaben aus Anhang III Nr. 1.1 der Richtlinie 2014/31/EU gehe es um die Manipulationssicherheit der Angaben. Diese sollten während der gesamten Lebensdauer der Waage vorhanden sein und dem Verwender zuverlässig Auskunft darüber geben, für welchen Anwendungsbereich (d. h. Minimal- und Maximallast) sowie für welche Genauigkeit der Anzeige (Teilungswert e) die Waage vorgesehen und im eichpflichtigen Verkehr zugelassen sei. Dies sei bei der Anzeige dieser messtechnischen Werte im Display gewährleistet. 5Mit Ordnungsverfügung vom 29.4.2020 untersagte der Landesbetrieb der Klägerin, ab dem 1.6.2020 in Nordrhein-Westfalen das Inverkehrbringen nichtselbsttätiger Waagen, die die Aufschriften von Max, Min und e nur digital in der Anzeigeeinrichtung der Waage darstellten und (bei denen) diese Aufschriften an keiner anderen Stelle (z. B. Kennzeichnungsschild) dauerhaft aufgebracht seien (Nr. 1). Für jeden Fall einer Zuwiderhandlung drohte er die Festsetzung eines Zwangsgelds in Höhe von 1.000,00 Euro an (Nr. 2). Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus: Die Untersagungsverfügung beruhe auf § 50 Abs. 2 Nr. 5 MessEG. Es bestehe mehr als ein begründeter Verdacht, dass die von der Klägerin in Verkehr gebrachten Waagen nicht die Anforderungen gemäß § 6 MessEG erfüllten. Nach dessen Absatz 5 müsse ein Messgerät mit den in einer Rechtsverordnung nach § 30 Nr. 4 MessEG bezeichneten Aufschriften zur näheren Bestimmung des Geräts und des Herstellers oder Einführers versehen sein. Mit welchen Aufschriften eine nichtselbsttätige Waage zusätzlich zu versehen sei, regele § 15 Abs. 3 MessEV. Die Angabe von Max, Min und e in ausschließlich digitaler Form genüge diesen Anforderungen nicht und sei auch mit Anhang III Nr. 1.1 der Richtlinie 2014/31/EU nicht vereinbar. Gemäß Art. 6 Abs. 5 Unterabsatz 2 i. V. m. Anhang III Nr. 1.2 der Richtlinie 2014/31/EU seien die Aufschriften mit Hilfe einer geeigneten Einrichtung an der Waage anzubringen. Der Wortlaut mache deutlich, dass es sich um einen gedruckten Text handeln müsse. Als eine Möglichkeit nenne die Richtlinie in Anhang III Nr. 1.3 der Richtlinie 2014/31/EU das Kennzeichnungsschild. Eine nur digitale Angabe der Höchst- und Mindestlast sowie des Eichwerts genüge auch nicht dem Erfordernis der „jederzeitigen Identifizierbarkeit“ einer Waage durch die Marktaufsichtsbehörden der EU sowie dem Schutz der Verwender als Erwerber der Produkte. Aus der harmonisierten Norm DIN EN 45501, wonach als annehmbare Lösung die dauerhafte und gleichzeitige Anzeige der Werte von Max, Min und e auf der Anzeigeeinrichtung für das Wägeergebnis bei eingeschalteter Waage gelte, folge nichts anderes. Den dortigen Aussagen zur technischen Umsetzung der Kennzeichnung komme schon keine rechtliche Bedeutung zu, weil die insofern geltende Konformitätsvermutung nach Art. 12 der Richtlinie 2014/31/EU nur die wesentlichen Sicherheitsanforderungen gemäß Anhang I der Richtlinie betreffe, nicht hingegen die Kennzeichnungspflichten nach Anhang III. Es sei mit hoher Wahrscheinlichkeit von weiteren Rechtsverstößen durch die Klägerin auszugehen, weil diese sich im Anhörungsverfahren nicht einsichtig gezeigt habe. Der Schutz der europäischen und nationalen Rechtsordnung, die Sicherstellung des Schutzes potentieller Käufer vor dem Erwerb nicht richtlinienkonformer Messgeräte und der Schutz einer ordentlich durchzuführenden Marktaufsicht sowie des fairen Wettbewerbs hätten im Rahmen des Auswahlermessens den Ausschlag für den Erlass der Ordnungsverfügung gegeben. Als Herstellerin im Sinne von § 2 Nr. 6 MessEG, die nach § 23 Abs. 2 MessEG sicherzustellen habe, dass die von ihr in Verkehr gebrachten Messgeräte mit den erforderlichen Aufschriften versehen würden, sei die Klägerin auch die richtige Adressatin der Ordnungsverfügung. Schließlich sei die ausschließlich in die Zukunft gerichtete Ordnungsverfügung verhältnismäßig, insbesondere könne mit einem äußerst geringen finanziellen Aufwand die formale Konformität der Messgeräte hergestellt werden. 6Gegen diese Ordnungsverfügung hat die Klägerin Klage erhoben. Die hier gewählte Form der Darstellung der streitgegenständlichen messtechnischen Werte stehe im Einklang mit den maßgeblichen Vorschriften. Weder der Wortlaut der Richtlinie noch der des nationalen Rechts schlössen die Darstellung der Angaben zu Max, Min und e durch elektronische Anzeige im Display aus. Auch Sinn und Zweck der Regelung stünden einer ausschließlich digitalen Anzeige der Pflichtangaben nicht entgegen. Der Verwender der Waage solle zusammen mit dem Wiegeergebnis unschwer erkennen können, ob sich letzteres im vorgesehenen „Zulassungsbereich“ der Waage halte, d. h. für deren Benutzung (und zuverlässige Funktion) weder zu leicht noch zu schwer sei und mit welcher Genauigkeit (bzgl. des Teilungswerts e) das Ergebnis angezeigt werde. Gerade deshalb sehe die Richtlinie vor, dass sich diese Angaben im Sichtbereich der Ergebnisanzeige einer jeden Waage befinden müssten, was durch die vorliegend gewählte Lösung einer Anzeige direkt im Display (zusammen mit dem Wägeergebnis) in geradezu idealer Weise geleistet werde. Die Dauerhaftigkeit der Angaben sei bei der digitalen Anzeige gewährleistet, weil diese im Nachhinein nicht beliebig verändert werden könnten. Nicht zu besorgen sei, dass durch eine mögliche Fehlprogrammierung der elektronischen Anzeige bei einer digitalen Lösung unzutreffende Angaben angezeigt würden. Eine Manipulation der gerade nicht zu messenden, sondern feststehenden Werte zu Max, Min und e ergebe zudem von vornherein keinen Sinn. Dass bei Abschaltung der Waage, Stromausfall, elektronischem Defekt oder Ähnlichem die Angaben zu Min, Max und e nicht mehr sichtbar seien, stehe dem Merkmal der Dauerhaftigkeit schließlich nicht entgegen, weil in diesen Fällen kein Bedarf für die Sichtbarkeit dieser Angaben bestehe. Insofern ignoriere der Landesbetrieb nicht nur Sinn und Zweck der Regelung, sondern auch deren Wortlaut, wonach die Aufschriften „bei normaler Gebrauchslage des Geräts sichtbar“ sein müssten (Anhang III Nr. 1.2 der Richtlinie 2014/31/EU). Eine andere Auslegung folge auch nicht daraus, dass den Marktaufsichtsbehörden jederzeit eine Kontrolle der Waagen möglich sein müsse. Denn allein gestützt hierauf könnten keine weitergehenden Anforderungen gestellt werden, als sie für den eigentlichen Zweck der Regelung erforderlich seien. Dass eine zu kontrollierende Waage kurz eingeschaltet werden müsse, um sich von ihrer ordnungsgemäßen Beschaffenheit und Funktion zu überzeugen, sei im Übrigen nicht unüblich. Gleiches gelte etwa für die Kontrolle der Einhaltung der Anforderungen an Genauigkeit und Eichfehlergrenzen. Für ihre Auslegung spreche ferner, dass die digitale Anzeige im Display unter Nr. 7.1.2 der harmonisierten Norm DIN EN 45501 ausdrücklich als „annehmbare Lösung“ aufgeführt werde. Zwar komme der harmonisierten Norm hierauf bezogen keine Bindungswirkung zu, sie diene aber der einheitlichen Richtlinienauslegung und dürfe daher nicht unberücksichtigt bleiben. Außer Acht gelassen habe der Landesbetrieb weiter, dass sie – die Klägerin – seit vielen Jahren unbeanstandet Waagen mit ausschließlich digitaler Anzeige der Angaben zu Min, Max und e vertreibe und zwar nicht nur in ganz Deutschland, sondern auch in verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Für das streitgegenständliche Waagenmodell habe die NMi Certin B. V. als förmlich akkreditierte Prüfstelle im Juli 2020 eine EU-Baumusterprüfbescheinigung ausgestellt und sich auch zur digitalen Anzeige von Max, Min und e verhalten. Danach werde der Forderung nach Dauerhaftigkeit dadurch genügt, dass ein Eingriff in die Anzeige bzw. die dafür maßgebliche Software nicht möglich sei, weil der Zugang zur Software durch Eichsiegel gesichert sei (Nr. 1.3 der Bescheinigung). Die Baumusterprüfbescheinigung bestätige in Bezug auf einen Prototyp dessen Konformität mit allen einschlägigen Anforderungen für dieses Produkt. Sie bilde die Grundlage für die vom Hersteller vor Inverkehrbringen abzugebende Konformitätserklärung. Daher spreche jedenfalls eine Vermutung für die Erfüllung der einschlägigen Anforderungen aus der Richtlinie 2014/31/EU. Auch andere nach der Verordnung (EG) 765/2008 förmlich akkreditierte benannte Stellen wie die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) oder METAS aus der Schweiz hätten keine Bedenken hinsichtlich der digitalen Anzeige der Angaben geäußert. Auf deren Bewertung müsse sich ein Hersteller grundsätzlich verlassen können, zumal das EU-Recht die Mitwirkung akkreditierter Konformitätsbewertungsstellen zwingend vorsehe, um die Prüfung der Richtlinienkonformität von vornherein nicht allein den Herstellern zu überlassen. Unberücksichtigt gelassen habe der Landesbetrieb schließlich, dass hier nicht ein „immer gleiches Standardschild“ im Streit stehe. Vielmehr würden die Angaben zum Wägebereich in Abhängigkeit von speziellen Kundenanforderungen erst beim konkreten Inverkehrbringen dieser Waagen bzw. der diesem Inverkehrbringen unmittelbar vorausgehenden Endkonfiguration an der jeweiligen Waage eingestellt. Eine anderweitige Anbringung vor Ort wäre praktisch jedenfalls mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. 7Die Klägerin hat beantragt, 8die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 29.4.2020 aufzuheben. 9Der Beklagte hat beantragt, 10die Klage abzuweisen. 11Zur Begründung wiederholt er seine Ausführungen aus dem Verwaltungsverfahren und führt ergänzend aus: Die maßgeblichen Regelungen verlangten, dass die Angaben von Max, Min und e gut sichtbar, lesbar und dauerhaft auf dem Messgerät angebracht sein müssten. Schon der Begriff „angebracht“ – der etwas anderes bedeute als „angezeigt“ – bringe deutlich zum Ausdruck, dass eine lediglich elektronische Anzeige nicht genüge. Angebracht sei etwas nur dann, wenn es mit dem Messgerät physisch und analog verbunden sei und nicht bereits dann, wenn es nur im eingeschalteten Zustand aufgerufen werden könne. Aus Anhang III Nr. 1.2 der Richtlinie 2014/31/EU folge nichts anderes. Mit dem Terminus „normale Gebrauchslage“ sei nicht die eingeschaltete elektronische Waage gemeint, sondern ihre korrekte Positionierung. Der Aufkleber mit den Pflichtangaben müsse danach so angebracht sein, dass er bei der normalen Gebrauchslage des Geräts sichtbar sei, also ohne besonderen Aufwand gelesen werden könne. Hätte die Regelung das Ziel verfolgt, auch die lediglich elektronische Angabe der geforderten Daten im Display zuzulassen, hätte der Richtliniengeber das zum Ausdruck bringen und auch ein Pendant zu der in Anhang III Nr. 1.2 Satz 1 der Richtlinie 2014/31/EU geregelten Nichtentfernbarkeit ohne Beschädigung schaffen müssen. Der Richtliniengeber habe keine entsprechende digitale Variante der Absicherung vorgegeben, woraus folge, dass er an dieser Stelle nur eine analoge Kennzeichnung der Waage habe zulassen wollen. Die Vorgaben zu den Aufschriften in Anhang III der Richtlinie 2014/31/EU dienten ferner nicht allein dazu, dem Verwender zu ermöglichen, den Wägebereich zu erkennen, sondern es solle auch den Marktaufsichtsbehörden ermöglicht werden zu kontrollieren, ob der Hersteller seine Waagen den gerätespezifischen Anforderungen entsprechend gefertigt und in den Verkehr gebracht habe. Wäre die Waage stromlos oder besäße sie einen Defekt, könne eine Überprüfung der Richtlinienkonformität nicht erfolgen. Zu bedenken seien auch Situationen, in denen die Marktaufsichtsbehörden nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen in der Lage seien, die zu überprüfenden Waagen an den Stromkreislauf anzuschließen, etwa bei der Überprüfung von importierten Waagen in Häfen und an Zollstationen. In der Sache gebe es zudem beachtliche Gründe dafür, die bloß elektronische Anzeige im Display nicht ausreichen zu lassen. Im Hintergrund könnten unbemerkt Programmierungen stattfinden, die genau diese Angaben verfälschten. Eine elektronische Fehlsteuerung der Anzeige könne zu einem massenhaften Betrug von Verbrauchern genutzt werden. Bestätigt werde das Auslegungsergebnis in der DIN EN 45501, deren Vermutungswirkung sich gemäß Art. 12 der Richtlinie 2014/31/EU allerdings nur auf die wesentlichen Anforderungen des Anhangs I der Richtlinie, nicht aber auf die Kennzeichnungspflichten des Herstellers beziehe. In der DIN EN 45501 werde unter Nr. 7 präzise dargestellt, dass die Angaben zu Min, Max und e zwingend analog anzubringen seien und lediglich darüber hinaus gleichzeitig auch digital angezeigt werden dürften. Soweit die Klägerin auf die EU-Baumusterprüfbescheinigung verweise, komme dieser keine Vermutungswirkung im Hinblick auf die Einhaltung von Produktanforderungen zu und binde ihn als Marktüberwachungsbehörde nicht. Die von der Klägerin dargestellten Schwierigkeiten bei der analogen Anbringung der Aufschriften seien teilweise nicht nachvollziehbar, jedenfalls aber rechtlich unerheblich. 12Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Waagen der Klägerin erfüllten nicht die Anforderungen nach Abschnitt 2 des Mess- und Eichgesetzes, wonach Messgeräte gut sichtbar, lesbar und dauerhaft mit den nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 MessEV bezeichneten Aufschriften zu versehen seien. Diese Anforderungen seien nicht gewahrt, wenn die Pflichtangaben wie hier lediglich in der digitalen Anzeigeeinrichtung der Waage und nicht zumindest auch in Form einer physisch-analogen Aufschrift dargestellt würden. Bereits die Auslegung der nationalen Vorschriften hinsichtlich Wortlaut und Systematik zeige, dass der Gesetzgeber von einer physisch-analogen Aufschrift ausgegangen sei. Bei der Anzeige im Display könne nicht mehr davon gesprochen werden, dass es sich um eine „Aufschrift“ handele. Auch der Begriff „anbringen“ in § 13 Abs. 1 Satz 1 MessEV lege eine physische Verbindung der Aufschrift mit dem Messgerät nahe. Weiter sei mit Blick auf die in § 13 Abs. 1 Satz 1 MessEV formulierten Anforderungen an die Aufschriften, insbesondere die Dauerhaftigkeit und Lesbarkeit, davon auszugehen, dass eine ununterbrochene Lesbarkeit der Aufschrift gefordert werde. Dies könne eine digitale Anzeige nicht gewährleisten, weil sie im ausgeschalteten Zustand erlösche. Bereits nach dem herkömmlichen Sprachgebrauch sei nicht davon auszugehen, dass eine Aufschrift dauerhaft sei, wenn deren Darstellung vom Funktionieren einer digitalen Anzeige abhänge. Eine Auslegung der Richtlinie 2014/31/EU hinsichtlich Wortlaut und Systematik – auch unter Berücksichtigung anderer Sprachfassungen – bestätigte die Auslegung des nationalen Eichrechts. Insbesondere ergebe sich nichts anderes aus Anhang III Nr. 1.2 Satz 2 der Richtline 2014/31/EU, wonach die Aufschriften bei „normaler Gebrauchslage des Geräts“ sichtbar sein müssten. Hierunter sei nicht die normale Verwendung im Sinne eines eingeschalteten Geräts zu verstehen. Vielmehr meine „Gebrauchslage“ die Aufstellung der Waage im Raum, also die Positionierung des Messgeräts. Die Aufschriften sollten unabhängig vom Betriebszustand in der üblichen Aufstellungsweise des Geräts sichtbar sein. Dieses Ergebnis werde systematisch dadurch bestätigt, dass Anhang III Nr. 1.2 der Richtlinie 2014/31/EU vorschreibe, an den bezeichneten Messgeräten seien geeignete Einrichtungen zum Anbringen der Konformitätskennzeichnung und der Aufschriften vorzusehen. Diese müssten so beschaffen sein, dass sich die Konformitätskennzeichnung und die Aufschriften nicht entfernen ließen, ohne beschädigt zu werden. Ein „Entfernen ohne Beschädigung“ von Aufschriften lege wiederum nahe, dass es sich um eine tatsächlich-physische Aufschrift handele, denn bei einer Anzeige auf einem Display könne es mangels physischer Wiedergabe nicht zu einer Beschädigung kommen. Ferner müsse nach Anhang III Nr. 1.3 der Richtlinie 2014/31/EU ein besonderer Fälschungsschutz bei der Verwendung von Kennzeichnungsschildern gewährleistet werden. Hätte der europäische Gesetzgeber hier als Alternative eine digitale Anzeige zulassen wollen, hätte es nahegelegen, beispielsweise eine Sicherung des Zugangs zur Software sowie möglicherweise auch eine Zertifizierung der Software selbst vorzusehen. Etwas anderes folge nicht aus Anhang III Nr. 1.4 der Richtlinie 2014/31/EU, wonach die Angaben Max, Min, e und d auch in der Nähe der Gewichtsanzeige angebracht sein müssten, soweit sie sich nicht ohnehin dort befänden. Die Regelung erfasse den Fall, dass eine physisch-analoge Aufschrift zwar vorhanden sei, sich jedoch nicht in der Nähe der Gewichtsanzeige befinde. Für diesen Fall müssten diese Angaben in der Nähe der Gewichtsanzeige wiederholt werden, was durch das Wort „auch“ klargestellt werde. Der Sinn und Zweck der vorgeschriebenen Aufschriften zwinge zu keiner abweichenden Beurteilung. Die Vorschriften über das Mess- und Eichwesen bezweckten, den am Wirtschaftsverkehr Beteiligten die Sicherheit zu geben, dass Handelsgüter nach ihrem Umfang, Volumen, Maß und/oder ihrer Masse sicher bestimmt werden könnten. Die vorgeschriebenen Aufschriften dienten einerseits dazu, dem Verwender Informationen insbesondere zum Wägebereich (Minimal- und Maximallast) und zum Eichwert der Waage zur Verfügung zu stellen, andererseits den Marktüberwachungsbehörden dazu, sich mithilfe dieser Aufschriften vom ordnungsgemäßen Inverkehrbringen eines Messgeräts überzeugen zu können. Zwar sei es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass diesen Zwecken auch durch eine digitale Anzeige bei entsprechender Gestaltung in ausreichendem Maße Genüge getan werden könne. Ob der europäische Gesetzgeber eine digitale Anzeige hätte zulassen können, sei letztlich aber eine rechtspolitische Frage. Ausgehend von dem eindeutigen Wortlaut sowie der Regelungssystematik sei davon auszugehen, dass er nur eine physisch-analoge Aufschrift habe zulassen wollen. Jedenfalls sei nicht ersichtlich, dass eine bloße digitale Anzeige der Pflichtangaben geeignet wäre, die Schutzzwecke der Aufschriften besser zu erreichen als eine physisch-analoge Aufschrift, sodass kein Grund bestehe, eine digitale Anzeige entgegen dem Wortlaut aus teleologischen Gründen zuzulassen. Der Verstoß der Klägerin gegen die Kennzeichnungspflichten werde nicht durch die ihr erteilte EU-Baumusterprüfbescheinigung legalisiert. Dieser komme weder eine die Marktüberwachungsbehörden bindende Wirkung hinsichtlich der Konformität des bescheinigten Gerätemodells zu, noch begründe sie ein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin auf das Ausbleiben von Marktüberwachungsmaßnahmen. Da sich die Vermutungswirkung des § 7 Abs. 1 MessEG nicht auf Kennzeichnungen und Aufschriften erstrecke, führe es auch nicht zu einer Legalisierung oder einem schutzwürdigen Vertrauen der Klägerin, wenn die bloße digitale Anzeige in einer harmonisierten Norm zugelassen sein sollte. 13Zur Begründung ihrer von dem Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung trägt die Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens vor, nichts spreche dafür, dass die digitale Darstellung der Pflichtangaben nach dem Willen des EU-Gesetzgebers bewusst ausgeschlossen worden sei. Insbesondere sprenge ihr Normverständnis nicht die Wortlautgrenze. Vielmehr seien in der Richtlinie 2014/31/EU die Anforderungen grundsätzlich technologieoffen gestaltet. Eine Beschränkung allein auf „physisch-analoge Aufschriften“ habe im Text der Richtlinie gerade keinen Ausdruck gefunden, sofern nicht schon allein der Begriff „Aufschrift“ in der Weise verabsolutiert werde, dass damit „digitale Anzeigen“ ausgeschlossen seien. Zwar könnten die Begriffe „Aufschrift“ und „Anzeige“ nicht ohne weiteres gleichgesetzt werden. Hieraus könne aber nicht gefolgert werden, dass eine digitale Anzeige nicht unter die allgemeine Anforderung nach Darstellung bestimmter Inhalte als „Aufschrift“ subsumiert werden könne. Insbesondere werde auch das Merkmal der Dauerhaftigkeit erfüllt. Das Merkmal der „unauslöschlichen“ Darstellung meine nicht bereits das vorübergehende „Erlöschen der Anzeige“ bei einer ausgeschalteten Waage, sondern allein das unwiederbringliche „Erlöschen“, welches mit einer Entfernung der „Aufschrift“ verbunden wäre. Es sei sicherzustellen, dass die Angaben während der gesamten Lebensdauer des Messgeräts erhalten blieben. Regelungen zur Manipulationssicherheit für die Darstellung per digitaler Anzeige fänden sich bereits in Anhang I Nr. 8.3 und 8.5 der Richtlinie 2014/31/EU. Bei einem dauerhaften Ausfall der Displayanzeige sei das Messgerät insgesamt funktionsuntauglich, sodass dann keine Notwendigkeit für die Darstellung der streitgegenständlichen Pflichtangaben mehr bestehe. Bestätigt werde ihr Normverständnis sowohl in der DIN EN 45501 als auch in Nr. 3.1.15 des auch heute noch gültigen WELMEC Leitfadens 2 (2015). Beides sei zumindest als sonstige Erkenntnisquelle im Rahmen der Auslegung der primären Reglungen im Richtlinientext zu berücksichtigen. Dies gelte vor allem mit Blick auf die technischen Spezifikationen in der DIN EN 45501, weil die Einhaltung der dortigen Regelungen gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 MessEG grundsätzlich eine Vermutungswirkung betreffend die Konformität mit der Richtlinie auslöse. Die hier in Streit stehenden Aufschriften gehörten zu den wesentlichen Anforderungen im Sinne der Norm, weil sie auf nationaler Ebene in § 15 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 und § 13 Abs. 1 Satz 1 MessEV normiert seien. Anders als Art. 12 der Richtlinie 2014/31/EU beschränke § 7 Abs. 1 Nr. 1 MessEG die Vermutungswirkung jedenfalls dem Wortlaut nach nicht auf Anforderungen aus Anhang I der Richtlinie. In diesem Zusammenhang sei auch die EU-Baumusterprüfbescheinigung nicht bedeutungslos. Zwar sei zuzugestehen, dass eine solche kein hoheitlich erlassener Verwaltungsakt sei und damit formal nicht dieselbe Verbindlichkeit beanspruchen könne. Dies gebiete aber nicht den Umkehrschluss ihrer völligen Unverbindlichkeit. Es erschiene geradezu paradox, müsste sich der Hersteller einerseits der Mitwirkung der akkreditierten Prüfstellen bedienen, dürfte sich aber umgekehrt nicht auf die von dort abgegebene Bewertung verlassen. Jedenfalls sei die durch die EU-Baumusterprüfbescheinigung dokumentierte Bewertung gemäß Art. 11 Abs. 5 VO (EU) 2019/1020 gebührend zu berücksichtigen. Dies gelte erst recht, wenn sich die darin enthaltene Bewertung mit den Bewertungen anderer Prüfstellen decke und durch entsprechende Regelungen in harmonisierten Normen oder anderen technischen Spezifikationen bestätigt werde. 14Die Klägerin beantragt, 15das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 21.4.2021 zu ändern und die Untersagungsverfügung des Beklagten vom 29.4.2020 aufzuheben. 16Der Beklagte beantragt, 17die Berufung zurückzuweisen. 18Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, der eindeutige Wortlaut der Richtlinie 2014/31/EU stehe – sowohl in der deutschen als auch in anderen Sprachfassungen – der von der Klägerin vertretenen Rechtsauffassung entgegen. Alle Sprachfassungen der Richtlinie verlangten eine Aufschrift auf dem Gerät selbst, die vor allem dauerhaft zu erkennen sein müsse, also nicht nur im eingeschalteten Zustand. Anders wäre etwa eine Kontrolle bei der Einfuhr von Waagen praktisch unmöglich oder jedenfalls erheblich erschwert, weil die Waagen nicht an den Stromkreis angeschlossen werden könnten. Es müsse für den Zoll auf einen Blick erkennbar sein, um welche Waagen es sich handele und ob diese mit den Frachtpapieren übereinstimmten. Hinzu komme, dass eine elektronische Beeinflussung des angezeigten Wiegeergebnisses einprogrammiert werden könne, die außerhalb der von der Klägerin dargelegten Sicherheitsmechanismen des Waagenherstellers stattfände. Die von der Klägerin herangezogenen untergesetzlichen Regelungen könnten wegen des Anwendungsvorrangs der Richtlinie 2014/31/EU zu keinem abweichenden Ergebnis führen, zumal dem von der Klägerin zur Auslegung herangezogenen WELMEC-Leitfaden als bloße Meinungsäußerung eines in Deutschland registrierten und eingetragenen Vereins von vornherein keine normative Kraft zukomme. Dass es eine gegenteilige langjährige Praxis der Marktaufsichtsbehörden in anderen EU-Mitgliedsländern gebe, werde bestritten. Die der Klägerin erteilte Baumusterprüfbescheinigung habe der Landesbetrieb gebührend berücksichtigt. Dies bedeute vor allem, einen Abgleich mit den zugrunde liegenden EU-Vorschriften vorzunehmen, um zu erkennen, ob die Baumusterprüfbescheinigung plausibel und mit dem Recht übereinstimmend erscheine. 19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (zwei elektronische Gerichtsakten) und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten (ein Band) Bezug genommen. 20Entscheidungsgründe: 21Dem Antrag des Beklagten vom 26.9.2022 auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist nicht zu entsprechen. Die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO ist ausgeschlossen, wenn – wie hier am 9.9.2022 – bereits ein Endurteil verkündet worden ist (§ 116 Abs. 1 Satz 1 VwGO). 22Vgl. BVerwG, Urteil vom 14.11.2016 – 5 C 10.15 D –, BVerwGE 156, 229 = juris, Rn. 7, m. w. N., und Beschluss vom 25.1.2016 – 2 B 34.14 –, juris, Rn. 29. 23Die Berufung der Klägerin hat Erfolg. 24Die zulässige Klage ist begründet. 25Die angefochtene Ordnungsverfügung des Beklagten ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. 26Als Ermächtigungsgrundlage für die Untersagungsverfügung in Nr. 1 des Bescheids kommt allein § 50 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 5, Abs. 1 MessEG in Betracht. Danach treffen die Marktüberwachungsbehörden unter anderem die erforderlichen Maßnahmen, wenn sie den begründeten Verdacht haben, dass Messgeräte die Anforderungen nach Abschnitt 2 MessEG nicht erfüllen. Insbesondere sind sie befugt zu verbieten, ein Produkt auf dem Markt bereitzustellen. Diese Voraussetzungen liegen hier schon nicht vor (hierzu unter I.). Folglich erweist sich auch die Zwangsgeldandrohung in Nr. 2 des angefochtenen Bescheids als rechtswidrig (hierzu unter II.). 27I. Die Befugnis der Marktüberwachungsbehörde nach § 50 Abs. 2 Satz 1 MessEG zum Erlass ordnungsbehördlicher Maßnahmen erstreckt sich auf Messgeräte, soweit sie von der nach den §§ 1 Nr. 1, 4 Abs. 1 und 2 MessEG erlassenen Mess- und Eichverordnung erfasst sind. Messgeräte sind alle Geräte oder Systeme von Geräten mit einer Messfunktion einschließlich Maßverkörperungen, die jeweils zur Verwendung im geschäftlichen oder amtlichen Verkehr oder zur Durchführung von Messungen im öffentlichen Interesse bestimmt sind (§ 3 Nr. 13 MessEG). Hierzu zählen unter anderem nichtselbsttätige Waagen im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 11, Abs. 2 MessEV i. V. m. Anlage 3 Tabelle 1 Spalte 2 und Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2014/31/EU. Diese dürfen nach § 6 Abs. 1 und 5 MessEG nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie mit den in einer Rechtsverordnung nach § 30 Nr. 4 MessEG bezeichneten Aufschriften zur näheren Bestimmung des Geräts und des Herstellers oder Einführers versehen sind. Unter anderem sind nichtselbsttätige Waagen nach §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 15 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 bis 4 der aufgrund § 30 Nr. 4 MessEG erlassenen Mess- und Eichverordnung mit gut sichtbar, lesbar und dauerhaft auf dem Messgerät angebrachten Aufschriften zur Höchstlast, Mindestlast und zum Eichwert zu versehen (hierzu unter 1.). Die hier in Streit stehenden Geräte genügen diesen Anforderungen (hierzu unter 2.). 281. Gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 bis 4 MessEV sind nichtselbsttätige Waagen unter anderem mit Aufschriften zur Höchstlast („Max“), Mindestlast („Min“) und zum Wert in Masseeinheit zur Einstufung und zur Eichung einer Waage (Eichwert – „e“) zu versehen. Diese Aufschriften müssen gemäß § 15 Abs. 3 Satz 2 MessEV in der Nähe der Gewichtsanzeige und nach § 13 Abs. 1 Satz 1 MessEV gut sichtbar, lesbar und dauerhaft auf dem Messgerät angebracht sein; sie müssen klar, unauslöschlich und nicht übertragbar sein. 29Diesen Anforderungen kann auch die ausschließlich digitale Anzeige zur Höchstlast, Mindestlast und zum Eichwert genügen. Die Regelung des § 13 Abs. 1 MessEV schränkt nach dem erklärten Regelungswillen die Art der technischen Realisierung von Aufschriften nicht grundsätzlich auf bestimmte Technologien ein. Wesentlich ist allerdings, dass die in Absatz 1 genannten Anforderungen dabei jeweils beachtet sind. 30Vgl. BR-Drs. 493/14, S. 143. 31Auch eine Auslegung der §§ 13, 15 MessEV im Lichte der hiermit in nationales Recht umgesetzten unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2014/31/EU über die Pflichten zur Anbringung von Kennzeichen und Aufschriften auf nichtselbsttätigen Waagen bestätigt dies [hierzu unter a)]. 32Vgl. Nr. 12 der Einleitung zur MessEV, BR-Drs. 493/14, S. 146. 33Der nationale Verordnungsgeber hat die auf die Kennzeichnungs- und Beschriftungspflichten bezogenen Vorgaben der Richtlinie 2014/31/EU umgesetzt, ohne darüber hinausgehende Anforderungen zu normieren [hierzu unter b)]. 34a) Nach Art. 6 Abs. 5 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2014/31/EU bringen die Hersteller von Waagen, die zu den in Art. 1 Abs. 2 Buchst. a) bis f) der Richtlinie genannten Zwecken verwendet werden sollen, die in Anhang III Nr. 1 der Richtlinie 2014/31/EU vorgeschriebenen Aufschriften an. Nach Anhang III Nr. 1.1 iv) bis vi) der Richtlinie 2014/31/EU tragen die Geräte die Aufschriften zur Höchstlast, Mindestlast und zum Eichwert gut sichtbar, leserlich und dauerhaft. Sie müssen nach Anhang III Nr. 1.4 der Richtlinie 2014/31/EU auch in der Nähe der Gewichtsanzeige angebracht sein, soweit sie sich nicht ohnehin dort befinden. Im Übrigen beschränkt sich Anhang III Nr. 1.2 der Richtlinie 2014/31/EU auf die Vorgabe, an den Geräten „geeignete Einrichtungen“ zum Anbringen der Konformitätskennzeichnung und der Aufschriften vorzusehen, die so beschaffen sein müssen, dass sich die Konformitätskennzeichnung und die Aufschriften nicht entfernen lassen, ohne beschädigt zu werden, und dass die Konformitätskennzeichnung und die Aufschriften bei normaler Gebrauchslage des Geräts sichtbar sind. Auch die Richtlinie schränkt die Art der technischen Realisierung von Kennzeichnungen und Aufschriften danach nicht ausdrücklich auf bestimmte Technologien ein. Die vorzusehenden „geeigneten Einrichtungen“ werden nicht weiter eingegrenzt. Ihre Eignung richtet sich danach, ob den sonstigen Anforderungen an Aufschriften entsprochen wird. In Anhang III Nr. 1.3 der Richtlinie 2014/31/EU sind nähere Vorgaben enthalten, wenn als „geeignete Einrichtung“ ein Kennzeichnungsschild verwendet wird. Nach der hier gebotenen Auslegung der Richtlinie nach dem wirklichen Willen ihres Urhebers und dem von diesem verfolgten Zweck im Licht ihrer Fassung in allen Sprachen, 35vgl. EuGH, Urteil vom 3.4.2014 – C-515/12 –, Celex-Nr. 62012CJ0515 = juris, Rn. 19, m. w. N., 36kann auch die ausschließlich digitale Anzeige zur Höchstlast, Mindestlast und zum Eichwert im Display für die Gewichtsanzeige die Anforderungen der guten Sichtbarkeit, Leserlichkeit und Dauerhaftigkeit nach Anhang III Nr. 1.1 und 1.2 der Richtlinie 2014/31/EU erfüllen, weshalb ein Display eine geeignete Einrichtung in dem erwähnten Sinne darstellen kann. Der Wortlaut der Richtlinie lässt einen entgegenstehenden Willen des Richtliniengebers nicht erkennen [hierzu unter aa)]. Auch die Normhistorie spricht nicht für eine Beschränkung auf ausschließlich physisch-analog anzubringende Aufschriften [hierzu unter bb)]. Schließlich ist eine solche Beschränkung zur Erreichung der mit der Regelung verfolgten unionsrechtlichen Ziele nicht erforderlich und auch nach der Regelungssystematik nicht erfolgt [hierzu unter cc)]. 37aa) Die Richtlinie 2014/31/EU lässt die Wiedergabe der erforderlichen Angaben zur Höchstlast, Mindestlast und zum Eichwert in einem elektronischen Display weder ausdrücklich zu noch verbietet sie diese. Insoweit waren sich die Beteiligten im Schriftverkehr vor der mündlichen Verhandlung und auch in der mündlichen Verhandlung noch ausdrücklich einig. Dem Wortlaut der an „Aufschriften“ zu stellenden Anforderungen lässt sich zudem nicht verlässlich und zweifelsfrei entnehmen, dass eine ausschließlich digitale Anzeige der hier streitgegenständlichen messtechnischen Werte den Erfordernissen der Richtlinie nicht genügen soll. Insbesondere kann ein solcher Schluss nicht schon daraus gezogen werden, dass nach Art. 6 Abs. 5 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2014/31/EU die „Aufschriften“ bei Waagen von dem Hersteller anzubringen sind und die Geräte nach Anhang III Nr. 1.1 der Richtlinie 2014/31/EU die Aufschriften gut sichtbar, leserlich und dauerhaft tragen müssen. Der Begriff der „Aufschrift“ bezieht sich schon nach dem deutschen Begriffsverständnis typischerweise nicht allein auf einen kurzen Text, der auf etwas zur Bezeichnung, als Hinweis oder Ähnliches geschrieben ist, 38so verkürzend Duden, Onlinewörterbuch, Bedeutung, „Aufschrift“, abrufbar unter https://www.duden.de/rechtschreibung/Aufschrift#bedeutung; Wahrig, Wörterbuch der deutschen Sprache, 5. Aufl. 2012, erläutert „Aufschrift“ mit „etwas Daraufgeschriebenes, Beschriftung“, 39sondern auch auf das über etwas Geschriebene. 40vgl. J. Grimm/W. Grimm, Deutsches Wörterbuch, Neubearbeitung (A-F), Bd. 3, Sp. 720, digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/21, „Aufschrift“, abrufbar unter: https://www.woerterbuchnetz.de/DWB2?lemid=A13761. 41Dem entspricht es, dass im Deutschen etwa die Begriffe „Angabe“, „Beschriftung“ oder „Bezeichnung“ synonym zu Aufschrift verwendet werden. 42Vgl. J. Grimm/W. Grimm, Deutsches Wörterbuch, Neubearbeitung (A-F), Bd. 3, Sp. 720, digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/21, „Aufschrift“, abrufbar unter: https://www.woerterbuchnetz.de/DWB2?lemid=A13761; Duden, Onlinewörterbuch, Synonyme, „Aufschrift“, abrufbar unter https://www.duden.de/synonyme/Aufschrift. 43Zudem und vor allem lassen die englische und französische Sprachfassung der Richtlinie diesen Begriff jedenfalls mit Blick auf die hier streitgegenständlichen messtechnischen Werte nicht eindeutig auf einen „auf etwas“ geschriebenen Text eingrenzen. In der englischen Fassung wird der Begriff „inscriptions“, in der französischen Fassung der Begriff „inscriptions“ verwendet. Diese Begriffe lassen sich jeweils nicht nur mit dem deutschen Begriff der „Aufschrift“ im oben genannten engeren Sinne übersetzen, sondern in gleicher Weise mit „Beschriftung“ oder „Inschrift“. 44Vgl. Online-Wörterbücher Langenscheidt Englisch-Deutsch, „inscription“, abrufbar unter https://de.langenscheidt.com/englisch-deutsch/inscription, und Französisch-Deutsch, „inscription“, https://de.langenscheidt.com/franzoesisch-deutsch/inscription. 45Durch diese der beabsichtigten Technologieoffenheit besser Rechnung tragenden weiter gefassten Begriffe wird die Betonung mehr auf das „Beschriebensein“ und weniger darauf gelegt, eine Schrift sei „auf“ ein Gerät aufgebracht. Zudem werden diese in ihrer Bedeutung offeneren Begriffe in Art. 6 Abs. 5 Unterabsatz 2 sowie in Anhang III Nr. 1.1 der Richtlinie 2014/31/EU anders als in der deutschen Fassung schon nicht allein in der Kombination mit den Verben „anbringen“ oder „tragen“ („affix“ bzw. „apposer“ oder „bear“ bzw. „porter“), sondern in Nr. 1.4 des Anhangs – gerade konkret bezogen auf die allein streitgegenständlichen Angaben zur Höchstlast, Mindestlast und zum Eichwert – auch mit dem Verb „show“ bzw. „apparaître“, also dem deutschen „zeigen“ bzw. „erscheinen“, benutzt. Im Englischen heißt es dort: 46„The inscriptions Max, Min, e, and d, shall also be shown near the display of the result if they are not already located there.“ 47Im Französischen: 48„Les inscriptions Max, Min, e et d apparaissent également à proximité de l‘affichage du résultat, si elles ne figurent pas déjà à cet endroit.“ 49Hiernach steht sinngemäß im Fokus, wo die Aufschriften bzw. Beschriftungen zu sehen sind, nicht hingegen die Art der Anbringung oder das „Auf-etwas-Geschrieben-sein“. Ins Deutsche übersetzt sollen die Aufschriften Max, Min, e und d danach auch in der Nähe der Anzeige des Ergebnisses gezeigt werden bzw. erscheinen, falls sie sich dort nicht bereits befinden. Die Wortlaute der englischen und der französischen Sprachfassungen schließen danach begrifflich deutlicher als die deutsche Fassung die Möglichkeit ein, die sichtbaren messtechnischen Werte zu Höchstlast, Mindestlast, zum Eichwert und zum Teilungswert räumlich ausschließlich in der Nähe oder an der Gewichtsanzeige an einer geeigneten Einrichtung zu „lokalisieren“. Dies kann auch durch einen digitalen Schriftzug auf einer Anzeige erfolgen. 50Bereits aus einem Vergleich der deutschen mit der englischen und der französischen Sprachfassung der Richtlinie folgt weiter, dass das Erfordernis der dauerhaften Aufschrift bzw. Beschriftung hier nicht im Sinne einer permanenten Sichtbarkeit zu verstehen ist, sondern vielmehr als Synonym für den Begriff „unauslöschlich“ gebraucht wird. Dies legen die englische und französische Sprachfassung mit jeweils dieser Wortbedeutung nahe, indem sie die Begriffe „indelibly“ bzw. „indélébile“ verwenden. Der Begriff „unauslöschlich“ wiederum kann nicht allein in dem Sinne verstanden werden, dass eine Aufschrift ununterbrochen sichtbar sein muss. Er legt auch unter Berücksichtigung des in der deutschen Fassung synonym gemeinten Begriffs „dauerhaft“, der im Deutschen in seiner Hauptbedeutung „einen langen Zeitraum überdauernd, beständig“ bzw. „bestehend, seinen Zustand bewahrend, fortbestehend, mit und (seltener) ohne zeitliche Bestimmungen“ meint, 51vgl. Duden, Onlinewörterbuch, Bedeutung, „dauerhaft“, abrufbar unter https://www.duden.de/rechtschreibung/dauerhaft#bedeutung; Wahrig, Wörterbuch der deutschen Sprache, 5. Aufl. 2012, „dauerhaft“; ausführlich J. Grimm/W. Grimm, Deutsches Wörterbuch, Neubearbeitung (A-F), Bd. 6, digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/21, „dauerhaft“, abrufbar unter https://www.woerterbuchnetz.de/DWB2?lemid=D03426, i. V. m. „1dauern A“, abrufbar unter https://www.woerterbuchnetz.de/DWB2?lemid=D03434, 52die Betonung vielmehr darauf, dass die Aufschrift bzw. Beschriftung über einen langen Zeitraum nicht ausgelöscht werden können darf und Bestand haben muss. Bei einem solchen Begriffsverständnis – für welches auch spricht, dass der Wortlaut der Richtlinie nach keiner Sprachfassung eine „dauerhaft sichtbare“ Kennzeichnung verlangt, sondern „sichtbar“ und „dauerhaft“ jeweils als eigenständige Voraussetzungen benannt werden – kann eine digitale Darstellung bei der Gewichtsanzeige die erforderliche Unauslöschlichkeit bzw. Dauerhaftigkeit gewährleisten. Technologieoffen verstanden handelt es sich bei einer solchen Anzeige nämlich um eine im Sinne von Anhang III Nr. 1.1, 1.2 und 1.4 der Richtlinie 2014/31/EU vorgesehene „geeignete Einrichtung“, an der sich die Aufschrift bzw. Beschriftung sichtbar und leserlich räumlich „ohnehin“ befindet („located there“, „figurent […] à cet endroit“). Die wesentlichen gerätespezifischen Anforderungen an eine derartige digitale Anzeige ergeben sich, weil es sich um eine bauartbedingte technische Lösung handelt, aus Anhang I der Richtlinie 2014/31/EU. 53Damit eine solche digitale Anzeige dauerhaft bzw. unauslöschlich und damit für die Aufschrift bzw. Beschriftung „geeignet“ ist, hat der Hersteller bei Entwurf und Herstellung des Geräts zu gewährleisten, dass die für die Anzeige der messtechnischen Werte verantwortliche Software entsprechend den Anforderungen nach Anhang I der Richtlinie 2014/31/EU vor unbeabsichtigtem Missbrauch geschützt und eine Veränderung der angezeigten messtechnischen Werte verhindert wird. Näherer Ausführungen bedurfte es diesbezüglich im Normtext nicht. Der Hersteller muss nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2014/31/EU gewährleisten, wenn er Geräte in Verkehr bringt, die zu den in Art. 1 Abs. 2 Buchst. a) bis f) genannten Zwecken verwendet werde sollen, dass diese gemäß den in Anhang I festgelegten wesentlichen Anforderungen entworfen und hergestellt worden sind. Die wesentlichen Anforderungen in Anhang I der Richtlinie betreffen die wesentlichen messtechnischen und technischen Anforderungen an nichtselbsttätige Waagen (vgl. Erwägungsgrund 17 der Richtlinie 2014/31/EU). Entscheidet sich der Hersteller dazu, die Angaben von Min, Max und e mit Hilfe der geräteeigenen Software digital anzeigen zu lassen, sind die wesentlichen technischen Anforderungen nach Anhang I der Richtlinie bauartbedingt auch hierauf bezogen zu erfüllen. Die Gewährleistung eines ausreichenden Missbrauchsschutzes gegen ein unbefugtes Löschen wiederum setzt die Richtlinie 2014/31/EU in Anhang I, welcher gemäß § 8 Nr. 11 MessEV i. V. m. Anlage 3 Tabelle 1 Spalte 3 auch nach nationalem Recht unmittelbar anwendbar ist, als allgemeine Anforderung nach Nr. 8 des Anhangs I der Richtlinie 2014/31/EU voraus. Nach Anhang I Nr. 8.5 der Richtline 2014/31/EU dürfen die Geräte keine Eigenschaften aufweisen, durch die eine betrügerische Verwendung gefördert wird. Die Möglichkeiten unbeabsichtigten Missbrauchs müssen so klein wie möglich gehalten werden. Teile, die vom Benutzer nicht ausgebaut oder justiert werden dürfen, müssen dagegen gesichert sein. Erfolgt die Anzeige von Min, Max und e über eine Software, erstreckt sich diese Pflicht bauartbedingt entsprechend hierauf. 54Weiter erforderlich ist, dass die Aufschriften nach Anhang III Nr. 1.1 der Richtlinie 2014/31/EU gut sichtbar sind. Hieraus lässt sich allerdings nicht das Erfordernis ableiten, die Aufschriften müssten unabhängig von dem Betriebszustand der Waage gut sichtbar sein. Auch Anhang III Nr. 1.2 Satz 2 der Richtlinie 2014/31/EU lässt sich dies nicht entnehmen. Danach muss die Einrichtung zum Anbringen der Aufschriften so beschaffen sein, dass die Aufschriften bei normaler Gebrauchslage des Geräts (im Englischen „regular operating position“, im Französischen „position de fonctionnement normal“) sichtbar sind. Hieraus wird die Intention des Richtliniengebers erkennbar, dass bei ordnungsgemäßer Positionierung der Waage zur Verwendung gewährleistet sein muss, dass die Aufschriften gut sichtbar sind. Zu der Frage der Sichtbarkeit der Aufschriften unabhängig vom Betriebszustand der Waage verhält sich die Regelung hingegen nicht. 55Einer ausschließlich digitalen Anzeige der hier streitgegenständlichen messtechnischen Werte steht ferner nicht entgegen, dass sich die Aufschriften nach Anhang III Nr. 1.2 Satz 2 der Richtlinie 2014/31/EU nicht entfernen lassen dürfen, ohne beschädigt zu werden. Diese Voraussetzung wird für einen gegen Veränderung gesicherten Schriftzug in einem Display schon dadurch erfüllt, dass seine Entfernung ohne Zerstörung des Displays oder der Sicherung nicht möglich ist. Die zusätzlichen Vorgaben nach Anhang III Nr. 1.3 der Richtlinie 2014/31/EU gelten ausdrücklich nur dann, wenn ein Kennzeichnungsschild verwendet wird. Bei Wahl einer anderen „geeigneten Einrichtung“ im Sinne von Nr. 1.2 sind sie nicht zusätzlich zu beachten. Nur wenn ein Kennzeichnungsschild verwendet wird, muss es gesichert werden können, es sei denn, dass es sich nicht entfernen lässt, ohne zerstört zu werden. Kann das Kennzeichnungsschild gesichert werden, muss ein Sicherungsstempel angebracht werden können. Diese Regelungen zielen nur darauf, einen möglichen Missbrauch durch Übertrag der Aufschriften auf Kennzeichnungsschildern zu verhindern. Unabhängig davon, dass die Nr. 1.3 nur Vorgaben bei optionaler Verwendung von Kennzeichnungsschildern enthält und die Gefahr des Übertrags von Aufschriften bei ausschließlich digitaler Darstellung aus tatsächlichen Gründen von vorherein nicht besteht, kann auch der Zugang zur Software auf der Hardware durch eine Justiersperre und einen Sicherungsstempel gesichert und so entsprechend den Anforderungen nach Anhang I der Richtlinie 2014/31/EU verhindert werden, dass auf die Software unbemerkt zugegriffen wird. 56Schließlich ergibt sich die Notwendigkeit einer physisch-analogen Aufschrift von Max, Min und e nicht aus Anhang III Nr. 1.5 der Richtlinie 2014/31/EU. Danach muss jede Auswägeeinrichtung, die an einen oder mehrere Lastträger angeschlossen oder anschließbar ist, auch die entsprechenden Aufschriften für diese Lastträger aufweisen. Dies ist bei einer digitalen Anzeige der streitgegenständlichen messtechnischen Werte des konkret verwendeten Lastträgers im Display der Auswägeeinrichtung ohne Weiteres möglich. 57bb) Dieses weite, technologieoffene Begriffsverständnis wird deutlich bestätigt durch die Entstehungsgeschichte der Norm. Insofern kann bei der Auslegung der Richtlinie nicht außer Betracht bleiben, dass die Europäische Union schon bei ihrem Erlass völkerrechtlich hinsichtlich des in ihre Zuständigkeit fallenden Teils an das Übereinkommen der Welthandelsorganisation (WTO) über technische Handelshemmnisse (Agreement on Technical Barriers to Trade, im Folgenden: TBT-Übereinkommen) gebunden war (vgl. Anhang 1, 1A zum Beschluss des Rates 94/800/EG vom 22.12.1994, ABl. L 336 vom 23.12.1994, S. 86). Danach verwendet die Union als Vertragsmitglied grundsätzlich einschlägige internationale Normen als Grundlage für ihre technischen Vorschriften (vgl. Art. 2.4 TBT-Übereinkommen). Das Abkommen verfolgt damit das auch der Richtlinie 2014/31/EU zugrunde liegende Ziel, Handelshemmnisse unter anderem im Wege vereinheitlichter gerätespezifischer Anforderungen abzuschaffen. Zu den internationalen Normungsorganisationen im Sinne des TBT-Übereinkommens der WTO zählt unter anderem die Internationale Organisation für das gesetzliche Messwesen (OIML), welche Empfehlungen zu den technischen Anforderungen auch von nichtselbsttätigen Waagen herausgibt. 58Vgl. OIML, International Recommendation R 76-1, Edition 2006 (E); siehe auch https://www.oiml.org/en/about/about-oiml. 59Die ausschließlich digitale Anzeige der messtechnischen Werte zu Min, Max und e war als technisch annehmbare Lösung von der OIML schon lange vor Erlass der Richtlinie 2014/31/EU anerkannt [hierzu unter (1)]. Angesichts dessen bedürfte es auch im Hinblick auf die beabsichtigte Beschränkung auf die zum Schutz der Allgemeinheit erforderlichen Anforderungen an nichtselbsttätige Waagen in der Richtlinie eindeutiger Anhaltspunkte dafür, dass der Richtliniengeber die Darstellung der hier streitgegenständlichen messtechnischen Werte abweichend von den in den internationalen technischen Regelwerken vertretenen Empfehlungen, die auch für die Union grundsätzlich verbindlich sind, regeln wollte. Hieran aber fehlt es [hierzu unter (2)]. 60(1) Die OIML gibt unter anderem Empfehlungen zu den metrologischen und technischen Anforderungen nichtselbsttätiger Waagen heraus (R 76-1) und verhält sich darin ausdrücklich zu den Anforderungen an das Gerät beschreibende Aufschriften („descriptive markings“), wozu auch die hier streitgegenständlichen messtechnischen Werte zu Min, Max und e zählen. In der Fassung von 1988 hieß es zu der Darstellung dieser Aufschriften unter Nr. 7.1.4 zunächst noch lediglich wie folgt: 61„The discriptive markings shall be indelible and of a size, shape and clarity allowing easy reading. They shall be grouped together in a clearly visible place either on a descriptive plate fixed to an instrument, or on a part of the instrument itself. The markings: Max … , Min … , e …, and d […] shall also be shown near the display of the result if they are not already located there.“ 62Die Frage, ob auch eine ausschließlich digitale Anzeige dieser messtechnischen Werte eine akzeptable Lösung darstellt, hat die OIML bereits in ihrer bis heute maßgeblichen Empfehlung R 76-1, Edition 2006 aufgegriffen. Dort heißt es nunmehr: 63„7.1 Descriptive markings 64[…] 65An instrument shall carry the following markings 667.1.1 Compulsory in all cases 6768Manufacturer’s mark, or name written in full (A) 69Metrological markings (B): 7071[…] 72Maximum capacity in the form: Max … 73Minimum capacity in the form: Min … 74Verification scale interval in the form: e = …. 757.1.2 Compulsory if applicable 7677Name or mark of manufacturer‘s agent for an imported instrument (C); 78Serial number (D); 79Identification mark on each unit of an instrument consisting of separate but associated units (E); 80Type approval mark (F); 81Supplementary metrological characteristics (G): […] 82Special Limits (H) […] 83[…] 847.1.4 Presentation of descriptive markings 85The descriptive markings shall be indelible and of a size, shape and clarity allowing easy reading. 86They shall be grouped in one or two clearly visible places either on a plate or sticker fixed permanently to the instrument, or on a non removable part of the instrument itself. In case of a plate or sticker which is not destroyed when removed, a means of securing shall be provided, e.g. a control mark that can be applied. 87As an alternative all applicable [metrological markings Nr. 7.1.1 (B) and supplementary metrological characteristics 7.1.2 (G)] may be simultaneously displayed by a software solution either permanently or on manual command. In this case the markings are considered as device-specific parameters (see T.2.8.4, 4.1.2.4 and 5.5). 88The markings: Max …, Min …, e = …, and d = … if d ≠ e shall be shown at least in one place and permanently either on the display or near to the display in a clearly visible position. All additional information […] may be shown alternatively on a plate or simultaneously displayed by a software solution either permanently or accessed by a simple manual command. In this case the markings are considered as device-specific parameters (see T.2.8.4, 4.1.2.4 and 5.5). 89It shall be possible to seal the plate bearing the descriptive markings unless its removal will result in its destruction. If the data plate is sealed, it shall be possible to apply a control mark to it. 90Acceptable solutions: 91a) Marking of Max, Min, e ... and d if d . e: 92These values are permanently and simultaneously shown on the display of the weighing result as long as the instrument is switched on. 93They may be automatically scrolled (displayed alternating one after each other) in one display. Automatically scrolling (but not on manual command) is considered as “permanently”. […]“ 94Die OIML differenziert danach bereits seit 2006 zunächst klar zwischen Aufschriften, die der Rückverfolgbarkeit [Angaben zum Hersteller, Nr. 7.1.1. (A)] und Identifizierung der Geräte [Seriennummer, etc., Nr. 7.1.2 (C) bis (F)] dienen, sowie Aufschriften zu den messtechnischen Merkmalen [Nr. 7.1.1 (B), Nr. 7.1.2 (G)]. Erstere sind zwingend auf einem Kennzeichnungsschild oder unmittelbar dauerhaft an dem Gerät anzubringen. Die Angaben zu den messtechnischen Merkmalen der Waage hingegen können alternativ zu der Möglichkeit, diese auf einem Kennzeichnungsschild oder Aufkleber abzudrucken, gleichzeitig mit Hilfe einer Software-Lösung dauerhaft oder auf manuellen Befehl angezeigt werden. In diesem Fall sind die Aufschriften als gerätespezifische Parameter [vgl. T.2.8.4 OMIL R 76-1, Edition 2006)] zu behandeln und es wird verlangt, dass entsprechend Nr. 4.1.2.4 und 5.5 der Empfehlung Maßnahmen zur Sicherung der Software vorgesehen sind. Die Angaben zur Höchstlast, Mindestlast und zum Eichwert im Besonderen sollen zumindest einmal gemeinsam und dauerhaft entweder in der Anzeige oder in der Nähe der Anzeige sichtbar positioniert sein. Als annehmbare Lösung für diese einmalige – und nicht zusätzliche – Anzeige wird akzeptiert, wenn diese Werte dauerhaft und gleichzeitig in der Anzeigeeinrichtung für das Wägeergebnis angezeigt werden, solange die Waage eingeschaltet ist. Die Werte dürfen auf einer Anzeigeeinrichtung auch automatisch gescrollt (abwechselnd nacheinander angezeigt) werden. Automatisches Scrollen (d. h. nicht auf manuellen Befehl) wird als „dauerhaft“ angesehen. 95(2) Mit der Empfehlung der OIML ist ein internationaler Standard zu den metrologischen und technischen Anforderungen an nichtselbsttätige Waagen erarbeitet worden, welcher von dem Richtliniengeber schon mit Blick auf seine völkerrechtlichen Verpflichtungen zum Abbau von Handelshindernissen bei der Rechtsetzung in seinen wesentlichen Teilen zu Grunde zu legen war. 96Vgl. bezogen auf internationale metrologische Standards: European Commission, Measuring instruments – Guidance documents, abrufbar unter https://single-market-economy.ec.europa.eu/single-market/goods/building-blocks/legal-metrology/measuring-instruments_en. 97Es ist nicht ansatzweise erkennbar, dass der Richtliniengeber von den Empfehlungen der OIML in Bezug auf die dort schon lange als akzeptabel anerkannten Umsetzungsmöglichkeiten zur Darstellung der hier streitgegenständlichen messtechnischen Werte mit der Richtlinie 2014/31/EU einschränkend abweichen wollte. Zwar haben die Vorgängerrichtlinie 2009/23/EG (dort Anhang IV Nr. 1.4) und die Richtlinie 2014/31/EU (dort Anhang III Nr. 1.4) in Bezug auf die Darstellung der messtechnischen Werte zu Min, Max und e offenkundig noch den Wortlaut der OIML Empfehlung R 76-1 aus dem Jahr 1988 statt der aktuellen Fassung übernommen. Schon wegen der – wie oben im Einzelnen ausgeführt – sehr weiten, für neue Technologien offenen Formulierungen der Richtlinie kann hieraus aber nicht der Schluss gezogen werden, dass der Richtliniengeber bei Erlass der Richtlinie 2014/31/EU auf internationaler Ebene zwischenzeitlich auch ausdrücklich anerkannte technische Umsetzungsformen nicht gelten lassen wollte, wodurch entgegen der erklärten Absicht internationale Handelshindernisse für den europäischen Binnenmarkt geschaffen worden wären. 98Ebenso lässt sich nichts Abweichendes daraus ableiten, dass bei Erlass der Richtlinie im Februar 2014 die aktuelle Empfehlung der OIML in der damals gültigen Fassung der harmonisierten Norm DIN EN 45501 noch nicht eingearbeitet war. Der Richtliniengeber betont ausdrücklich die Beachtung internationaler Standards in den Regelungen zu harmonisierten Normen nach der Verordnung (EU) 1025/2012, welchen auch nach der Richtlinie 2014/31/EU besondere Bedeutung zukommt. Die harmonisierten Normen geben bezogen auf die gerätespezifischen Anforderungen allgemein als akzeptabel anerkannte technische Umsetzungsformen wieder. Unabhängig von der in Art. 12 der Richtlinie 2014/31/EU allein bezogen auf die wesentlichen Anforderungen nach Anhang I der Richtlinie geregelten Konformitätsvermutung bei Übereinstimmung mit der harmonisierten Norm dient die europäische Normung in ihrer Gesamtheit einer vereinheitlichten Umsetzung unionsrechtlich harmonisierter gerätespezifischer Vorgaben unter Einbeziehung aller interessierten Kreise (vgl. Erwägungsgrund 2 der Verordnung (EU) 1025/2012). Damit kommt ihr nicht nur für den Binnenmarkt eine wesentliche Bedeutung zu (vgl. Erwägungsgründe 3, 5 der Verordnung (EU) 1025/2012), sie soll zugleich die weltweite Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie stärken und zwar insbesondere, indem eine Koordination mit den internationalen Normungsorganisationen erfolgt (vgl. Erwägungsgründe 3, 6 der Verordnung (EU) 1025/2012). Insofern können internationale Standards selbst als harmonisierte Norm im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c) VO (EU) 1025/2012 angenommen werden. Jedenfalls aber sind sie bei der Formulierung von europäischen Normen in den Blick zu nehmen. Dies ist hier geschehen. Die OIML-Empfehlung R 76-1, Edition 2006, ist für den europäischen Binnenmarkt in die harmonisierte Norm DIN EN 45501:2015 eingearbeitet worden. Durch die Annahme dieser Norm in Umsetzung der Richtlinie 2014/31/EU hat der Regelungsgeber die Regelungsabsicht, die Richtlinie im Lichte internationaler Empfehlungen verstanden wissen zu wollen, noch vor Ablauf der Umsetzungsfrist europarechtlich klargestellt. Im Einzelnen erfolgte noch unter Geltung der nach Art. 45 der Richtlinie 2014/31/EU erst mit Wirkung vom 20.4.2016 aufgehobenen Vorgängerrichtlinie 2009/23/EG bereits die Überarbeitung der hierzu ursprünglich erlassenen technischen Norm DIN EN 45501:1992 mit Blick auf die OIML-Empfehlung R 76-1, Edition 2006. Die so überarbeitete Norm EN 45501:2015 wurde noch im Rahmen der Umsetzung der Vorgängerrichtlinie schon vor Ablauf der nach Art. 44 der Richtlinie 2014/31/EU gleichfalls am 20.4.2016 ablaufenden Umsetzungsfrist für die Richtlinie 2014/31/EU am 11.9.2015 (ABl. C 300 vom 11.9.2015, S. 3) mit der Bemerkung veröffentlicht, die neue (oder geänderte) Norm habe den gleichen Anwendungsbereich wie die ersetzte Norm. Zum 19.4.2016 gelte für die ersetzte Norm nicht mehr die Vermutung der Konformität mit den grundlegenden oder weiteren Anforderungen der einschlägigen Rechtsvorschriften der Union. Die erste Veröffentlichung der europäischen Norm EN 45501:2015 über metrologische Aspekte der nichtselbsttätigen Waagen erfolgte im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie 2014/31/EU sodann am 15.1.2016 (ABl. C 14 vom 15.1.2016, S. 100). Hierdurch wurde nach der bereits in Umsetzung der Vorgängerrichtlinie erfolgten Veröffentlichung zum Ausdruck gebracht, dass ab dem ersten Tag nach Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2014/31/EU die europäische Norm EN 45501:2015 maßgeblich sein sollte anstelle der bis zum 19.4.2016 bezogen auf die Richtlinie 2009/23/EG noch maßgeblichen EN 45501:1992. Bei Geräten, die mit der DIN EN 45501:2015 übereinstimmen, wird deshalb nach Art. 12 der Richtlinie 2014/31/EU (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MessEV) die Konformität mit wesentlichen Sicherheitsanforderungen gemäß Anhang I vermutet, die von der harmonisierten technischen Norm oder Teilen davon abgedeckt sind. 99Entsprechend der OIML-Empfehlung R 76-1, Edition 2006, dürfen nach Nr. 7.1.1, Tabelle 15, Spalte 5, DIN EN 45501:2015 die messtechnischen Werte zur Höchstlast, Mindestlast und zum Eichwert „gleichzeitig mithilfe von Software angezeigt werden, siehe 7.1.2“. Nach Nr. 7.1.2 müssen Aufschriften dauerhaft und von einer leicht lesbaren Größe, Form und Deutlichkeit sein. Sie müssen an gut sichtbaren Stellen dauerhaft an der Waage befestigt sein oder auf einem nicht abnehmbaren Teil der Waage angebracht werden. Alternativ dazu sowie zur Aufbringung auf einem Kennzeichnungsschild dürfen alle zutreffenden Kennzeichnungen von Spalte 5 in Tabelle 15 gleichzeitig mit Hilfe der Software dauerhaft oder auf manuellen Befehl angezeigt werden. In diesem Fall werden die Kennzeichnungen als gerätespezifische Parameter angesehen (siehe T.2.8.4, 4.1.2.4 und 5.5). Die Aufschriften „Max …, Min …, e = … und d = … für d ≠ e“ müssen dauerhaft an mindestens einer gut sichtbaren Stelle entweder an oder in der Nähe der Anzeigeeinrichtung angebracht werden und brauchen an keiner anderen Stelle wiederholt zu werden. Eine diesen Vorgaben entsprechende annehmbare Lösung liegt darin, dass diese Werte dauerhaft und gleichzeitig auf der Anzeigeeinrichtung für das Wägeergebnis angezeigt werden, solange die Waage eingeschaltet ist. Dabei dürfen die Werte auf einer Anzeigeeinrichtung automatisch gescrollt (abwechselnd nacheinander angezeigt) werden. Automatisches Scrollen (d. h. nicht auf manuellen Befehl) wird als „dauerhaft“ angesehen. 100Bereits im Vorgriff auf diese europäische Normung internationaler technischer Standards nach der Verordnung 1025/2012/EU hatte zudem die European Cooperation in Legal Metrology (WELMEC), ein in Deutschland eingetragener Verein mit Sitz in Braunschweig, die lange vor Vereinsgründung bereits 1990, zeitgleich mit der ersten Non-automatic Weighing Instruments Directive (NAWID), von zunächst 18 Staaten ins Leben gerufen wurde mit dem Ziel, den staatenübergreifenden Informationsaustausch, die einheitliche Anwendung europäischer oder internationaler Vorschriften und den Abbau von Handelshemmnissen bei Messgeräten zu fördern, und deren Tätigkeit insbesondere bei der Erarbeitung von Empfehlungen zur Umsetzung der das Messwesen betreffenden Richtlinie von der Europäischen Kommission ausdrücklich befürwortet wird, 101vgl. Commission statement, 20th WELMEC Committee Meeting, Casta Papernicka – Slovakia, 13.-14.5.2004, abrufbar unter: https://ec.europa.eu/docsroom/documents/6535/. 102in ihrem Vorwort zum Leitfaden 2 zur Richtlinie 2009/23/EG (2015) auf die bei seiner Abfassung noch nicht abschließend erfolgte Übernahme der OIML-Empfehlung R 76-1, Edition 2006, in die Europäische Norm EN 45501 hingewiesen und war dort unter Nr. 3.1.15 bereits unmittelbar den Empfehlungen der OIML zu den Darstellungsmöglichkeiten von Max, Min und e gefolgt. 103Der WELMEC-Leitfaden 2 (2015) wird in dieser Form unter Geltung der Richtlinie 2014/31/EU von der WELMEC weiterhin für maßgeblich gehalten, vgl. WELMEC, Directives 2014/31/EU and 2014/32/EU: Common Application, Leitfaden 2 (2021), S. 5. 104cc) Ein weites Begriffsverständnis unter Berücksichtigung der in der OIML-Empfehlung R 76-1, Edition 2006, formulierten internationalen Standards entspricht schließlich dem in den Erwägungsgründen 17 und 47 der Richtlinie 2014/31/EU zum Ausdruck gebrachten Bestreben des Richtliniengebers, sich auf die wesentlichen messtechnischen und technischen Anforderungen zu beschränken, welche nichtselbsttätige Waagen betreffen, die zu bestimmten Verwendungszwecken benutzt werden. 105Vgl. hierzu auch Europäische Kommission, Leitfaden für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU 2016 („Blue Guide“), ABl. C 272 vom 26.7.2016, S. 1, Nr. 1.1.3 unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 20.2.1979 – C-120/78 –, Slg. 1979, 649= juris, Rn. 8. 106Diese wesentlichen technischen Anforderungen, auf deren Harmonisierung sich die Richtlinie zum Schutz der Allgemeinheit vor unrichtigen Wägeergebnissen (Erwägungsgrund 5), zur Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs auf dem Unionsmarkt (Erwägungsgrund 7) durch eine Konformitätsbewertung auf einem unionsweit einheitlichen Qualitätsniveau (Erwägungsgründe 26 und 27) ohne unnötigen Aufwand für die Wirtschaftsakteure (Erwägungsgrund 17) beschränken wollte (Erwägungsgrund 33), sind in Anhang I enthalten. Dies entspricht der im Sinne der Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 ff. AEUV, vgl. auch Art. 5 der Richtlinie 2014/31/EU) und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in Erwägungsgrund 47 vom Richtliniengeber beabsichtigten Beschränkung der unionsrechtlichen Harmonisierung auf die Anforderungen, welche zur Erreichung des mit der Richtlinie angestrebten Ziels geeignet sind und nicht über das dazu Erforderliche hinausgehen. 107Vgl. EuGH, Urteil vom 12.12.2006 – C-380/03 –, Slg. 2006, I-11573 = juris, Rn. 144, m. w. N. 108Der Absicht, die Harmonisierung grundsätzlich auf die wesentlichen technischen Anforderungen in Anhang I der Richtlinie 2014/31/EU zu beschränken, widerspricht es nicht, dass regelungstechnisch in einen gesonderten Anhang III Bestimmungen über Aufschriften unter anderem zum Höchstwert, Mindestwert und zum Eichwert aufgenommen worden sind. Bei diesen Anforderungen an nichtselbsttätige Waagen handelt es sich nämlich um durch internationale Standards vorgegebene technologieoffene Erfordernisse. Eine nichttechnische Umsetzungsmöglichkeit bietet etwa die Verwendung eines Kennzeichnungsschildes. Bei einer technischen Lösung sind bauartbedingt die gerätespezifischen Anforderungen aus Anhang I der Richtlinie 2014/31/EU einzuhalten. 109Die hier streitgegenständlichen Regelungen zu den Aufschriften betreffend die Höchstlast, Mindestlast und den Eichwert dienen zwar auch dem mit der Richtlinie nach Erwägungsgrund 5 der Richtlinie 2014/31/EU verfolgten Schutz der Allgemeinheit vor unrichtigen Wägeergebnissen. Eine Regelungsabsicht, mit diesem Schutz über international anerkannte Standards hinauszugehen oder zur besseren behördlichen Überwachung unionsrechtlich weitergehende Anforderungen zu stellen, ist jedoch nicht erkennbar. Die schlichte Übernahme aus internationalen technischen Normen belegt vielmehr, dass es sich hierbei gerade nicht um besondere Qualitätsstandards für den europäischen Binnenmarkt handeln sollte. Zum Schutz der Allgemeinheit vor unrichtigen Wägeergebnissen erschienen die allgemeinen internationalen Vorgaben neben den wesentlichen technischen Anforderungen nach Anhang I zur Erreichung der Ziele der Richtlinie als ausreichend, erforderlich und verhältnismäßig, weil hierdurch zur Beseitigung technischer Handelshemmnisse und zur Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs auf dem Unionsmarkt internationale technische Standards umgesetzt werden sollten, ohne zugleich die Bereitstellung von Geräten auf dem Markt unverhältnismäßig zu behindern (vgl. Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2014/31/EU). 110Vgl. Erwägungsgründe 47 und 7 der Richtlinie 2014/31/EU. 111Diese Ziele werden bezogen auf die vorzusehenden Aufschriften unionsweit gleichermaßen bereits bei einem Regelungsverständnis erreicht, nach dem über die internationalen technischen Standards hinaus insoweit keine weitergehenden Anforderungen aus bestimmten, für sich genommen mehrdeutigen, Formulierungen einzelner Sprachfassungen der Richtlinie abgeleitet werden. 112Letztlich sollen die messtechnischen Werte auf dem Unionsmarkt ebenso wie international Auskunft geben über die obere und untere Grenze des Wägebereichs sowie die Eichtoleranz einer Waage. Ihnen kommt damit vor allem Bedeutung für den Verwender zu, was auch in Anhang III Nr. 1.4 der Richtlinie 2014/31/EU zum Ausdruck kommt, wonach die Angaben Max, Min, e und d auch in der Nähe der Gewichtsanzeige angebracht sein müssen, soweit sie sich nicht ohnehin dort befinden. Damit wird sichergestellt, dass die Angaben beim Wägevorgang für den Verwender in jedem Fall sichtbar sind und das Messgerät im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c) MessEV innerhalb des zulässigen Messbereichs eingesetzt wird. Für diesen Zweck ist es ausreichend, dass die Angaben digital in der Anzeigeeinrichtung erscheinen. Gründe, die eine dauerhafte Sichtbarkeit der Angaben auch im ausgeschalteten Zustand der Waage zwingend erfordern, lassen sich weder dem Richtlinientext noch der darin zum Ausdruck gekommenen Regelungsabsicht entnehmen. Insbesondere dienen die Angaben nicht der Identifikation der Waage. Hierfür verpflichtet die Richtlinie in Art. 6 Abs. 5 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2014/31/EU den Hersteller sicherzustellen, dass von ihm in Verkehr gebrachte Waagen gemäß Anhang III der Richtlinie eine Typen-, Chargen- oder Seriennummer oder ein anderes Identifikationskennzeichen tragen. 113Vgl. zu den Anforderungen der Identifikation auch Bekanntmachung der Europäischen Kommission, Leitfaden für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU 2016 („Blue Guide“), ABl. C 272 vom 26.7.2016, S. 1, Nr. 4.2. 114Die streitgegenständlichen messtechnischen Werte dienen – anders als die Aufschriften zum Namen des Herstellers und dessen Anschrift, vgl. Art. 6 Abs. 6 sowie Erwägungsgründe 6 und 16 der Richtlinie 2014/31/EU – auch nicht der Rückverfolgbarkeit eines Geräts. 115Vgl. ergänzend dazu Bekanntmachung der Kommission, Leitlinien für Wirtschaftsakteure und Marktüberwachungsbehörden zur praktischen Umsetzung von Artikel 4 der Verordnung (EU) 2019/1020 über Marktüberwachung und die Konformität von Produkten – ABl. C 100 vom 23.3.2012, S. 1, Nr. 2.3. 116Insofern ist die von dem Beklagten zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 9.7.2015 – I ZR 224/13 – für den vorliegenden Fall schon deshalb unergiebig, weil sich diese mit der Frage auseinandersetzt, ob die Kennzeichnung des Herstellers von Kopfhörern entsprechend der Vorgaben aus § 9 ElektroG (vormals § 7 ElektroG) dauerhaft angebracht worden sei, wobei die Regelung dem Zweck diene, Altgeräte mit Blick auf die Rücknahmepflicht des Herstellers identifizieren zu können und dadurch die Inanspruchnahme der Kollektivgemeinschaft zu verhindern. 117Vgl. BGH, Urteil vom 9.7.2015 – I ZR 224/13 –, juris, Rn. 15. 118Eine digitale Anzeige der streitgegenständlichen messtechnischen Werte begegnet weiter mit Blick auf eine effektive Kontrolle durch die Marktaufsichtsbehörde keinen Bedenken. Weder in der Richtlinie noch in der auch für Produkte im Sinne der Richtlinie 2014/31/EU geltenden Verordnung (EU) 2019/1020 über Marktüberwachung und die Konformität von Produkten finden sich irgendwelche Hinweise darauf, diese Aufschriften sollten deshalb in besonderer Weise ausgestaltet sein, um die Ausübung der Marktaufsicht zu erleichtern. Aus Art. 4 der Verordnung (EU) 2019/1020 ergeben sich in erster Linie Aufgaben der Wirtschaftsakteure im Zusammenhang mit der Angabe von Kontaktdaten, der Verfügbarkeit von Konformitätserklärungen, der zu erstellenden technischen Unterlagen und der Zusammenarbeit mit der Marktaufsichtsbehörde. 119Vgl. Bekanntmachung der Kommission, Leitlinien für Wirtschaftsakteure und Marktüberwachungsbehörden zur praktischen Umsetzung von Artikel 4 der Verordnung (EU) 2019/1020 über Marktüberwachung und die Konformität von Produkten, ABl. C 100 vom 23.3.2021, S. 1, Nr. 3. 120Nach den Erwägungsgründen 32 bis 34 der Verordnung (EU) 2019/1020 sollte die Marktüberwachung gründlich und wirksam sein, um sicherzustellen, dass die Harmonisierungsvorschriften der Union für Produkte ordnungsgemäß angewandt werden. Angesichts der Tatsache, dass Überprüfungen eine Belastung für die Wirtschaftsakteure darstellen können, sollten sich Überwachungsmaßnahmen aber auf das notwendige Maß beschränken. Zugleich ist durch Austausch von Informationen zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten auf eine möglichst gleichmäßige Durchsetzung der Harmonisierungsvorschriften im Unionsgebiet zu achten. Um diesen Ansprüchen gleichermaßen gerecht zu werden, sieht Art. 11 Abs. 3 der Verordnung (EU) 2019/1020 vor, dass die Marktüberwachungsbehörden im Rahmen ihrer Tätigkeit in angemessenem Umfang geeignete Überprüfungen der Merkmale von Produkten vornehmen, indem sie in erster Linie die Unterlagen überprüfen und (nur) gegebenenfalls anhand angemessener Stichproben physische Überprüfungen und Laborprüfungen durchführen. Bei der Entscheidung darüber, welche Arten von Produkten in welchem Umfang welchen Überprüfungen unterworfen werden sollen, gehen sie nach einem risikobasierten Ansatz vor. Dabei haben sie Prüfberichte und Konformitätsbescheinigungen nach Art. 11 Abs. 5 der Verordnung (EU) 2019/1020 auch bezogen auf nichtselbsttätige Waagen im Sinne der Richtlinie 2014/31/EU gebührend zu berücksichtigen. Dies gilt schon deshalb, weil die Konformitätsbewertungsstellen entsprechend den Erwägungsgründen 26, 27 und 33 der Richtlinie 2014/31/EU ihrerseits Vorsorge für ein unionsweit einheitliches Qualitätsniveau bei der Konformitätsbewertung tragen. Den Zollbehörden wird bei Produkten, die in die EU eingeführt werden sollen, insoweit von der Europäischen Kommission (nur) empfohlen zu überprüfen, ob der Name und die Kontaktdaten des Wirtschaftsakteurs gemäß Art. 4 der Verordnung (EU) 2019/1020 auf dem Produkt, seiner Verpackung, dem Paket oder einem Begleitdokument angegeben sind. 121Vgl. Bekanntmachung der Kommission, Leitlinien für Wirtschaftsakteure und Marktüberwachungsbehörden zur praktischen Umsetzung von Artikel 4 der Verordnung (EU) 2019/1020 über Marktüberwachung und die Konformität von Produkten, ABl. C 100 vom 23.3.2021, S. 1, Nr. 5.2. 122Anhaltspunkte für ein unionsrechtlich beabsichtigtes Regelungsbedürfnis über die jederzeitige Lesbarkeit der streitgegenständlichen messtechnischen Werte unabhängig von verfügbarer Stromversorgung etwa in Hafencontainern, lassen sich den allgemeinen Vorgaben zur Marktüberwachung nicht entnehmen. 123Auch aus der Richtlinie 2014/31/EU kann nicht abgeleitet werden, dass für Zwecke der Marktaufsicht eine gegenüber internationalen technischen Standards erleichterte Wahrnehmbarkeit der streitgegenständlichen messtechnischen Werte unionsrechtlich festgeschrieben werden sollte. Den Nachweis darüber, dass ein Gerät, das zu den in Art. 1 Abs. 2 Buchst. a) bis f) der Richtlinie 2014/31/EU genannten Zwecken verwendet werden soll, den Anforderungen des Anhangs I der Richtlinie entspricht, führt der Hersteller grundsätzlich mit dem Konformitätsbewertungsverfahren, über welches eine EU-Konformitätserklärung ausgestellt wird (vgl. Art. 6 Abs. 2 Unterabsatz 2 i. V. m. Abs. 1 der Richtlinie 2014/31/EU). Mit der Anbringung der CE-Kennzeichnung sowie der zusätzlichen Metrologie-Kennzeichnung am jeweiligen Gerät soll nach den Erwägungsgründen 23, 26, 27 und 33 der Richtlinie 2014/31/EU die Konformität einer nichtselbsttätigen Waage zum Ausdruck gebracht werden, wodurch unnötiger Aufwand für die Wirtschaftsakteure vermieden werden soll. Dementsprechend stellt der Erwägungsgrund 22 der Richtlinie 2014/31/EU klar, dass die EU-Konformitätserklärung einen wirksamen Zugang zu Informationen für die Zwecke der Marktaufsicht bietet. In diesem Sinne stellen die Hersteller gemäß Art. 6 Abs. 9 Satz 1 der Richtlinie 2014/31/EU auf begründetes Verlangen der zuständigen nationalen Behörden alle Informationen und Unterlagen zur Verfügung, die für den Nachweis der Konformität des Geräts mit der Richtlinie erforderlich sind. 124Werden die messtechnischen Werte zu Max, Min und e ausschließlich bei Betrieb im Display der Waage angezeigt, erstreckt sich der Nachweis des Konformitätsbewertungsverfahrens nach § 6 Abs. 3 Satz 1 MessEG i. V. m. § 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2 MessEV i. V. m. Anlage 3 Tabelle 1 Spalte 4 und Anlage 4 MessEV bauartbedingt ebenso darauf, ob die gerätespezifischen wesentlichen Anforderungen nach Anhang I der Richtlinie 2014/31/EU hierauf bezogen erfüllt sind. Die technischen Anforderungen an die – im Hinblick auf die beabsichtigte Verwendung des Geräts normale Zeit im Sinne von Anhang I Nr. 8.3 der Richtlinie 2014/31/EU erforderliche – Dauerhaftigkeit richten sich entsprechend der normativ insoweit maßgeblichen Klarstellung in Nr. 7.1.2 DIN EN 45501:2015 nach den Vorgaben über gerätespezifische Parameter, die gesichert sein sollten (unveränderbare Kennwerte) im Sinne von Nr. T.2.8.4. Für diese gerätespezifischen Parameter gelten zugleich die wesentlichen Anforderungen nach Anhang I der Richtlinie 2014/31/EU, auf die sich die Konformitätsvermutung nach Art. 12 der Richtlinie 2014/31/EU (§ 7 Abs. 1 MessEG) bei Übereinstimmung mit den Vorgaben der DIN EN 45501:2015 bezieht. Aus der EU-Baumusterprüfbescheinigung muss sich die Übereinstimmung mit den insoweit für die digitale Anzeige messtechnischer Werte geltenden Anforderungen nach Anhang I der Richtlinie ergeben. Fehlt also eine analoge Aufschrift an einem zu prüfenden Gerät, lässt sich ohne Einschalten des Geräts seine Konformität mit der Richtlinie zutreffend bereits der EU-Baumusterprüfbescheinigung entnehmen. Nur bei einer analogen Aufschrift genügt diese allein zur wirksamen Prüfung durch die Marktaufsichtsbehörde. Abgesehen davon kann bei – allenfalls ausnahmsweise bestehendem – konkretem Verdacht, dass eine Ausführung nicht der EU-Baumusterprüfbescheinigung entspricht, ein Gerät für die Überprüfung auch kurzfristig in Betrieb genommen werden. Es spricht nichts dafür, dass für eine nach dem gebotenen risikobasierten Ansatz (nur) in Ausnahmefällen veranlasste Überprüfung, ob die Waage mit den erforderlichen Aufschriften zu Min, Max und e versehen ist, strengere Maßstäbe gelten sollen. 125Gleiches gilt mit Blick auf die Einfuhr von Waagen in den zollrechtlich freien Verkehr, die hier allerdings gar nicht in Rede steht. Gemäß Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2014/31/EU dürfen Einführer nur richtlinienkonforme Geräte in Verkehr bringen. Die Richtlinie sieht aber nicht die Überprüfung jedes einzelnen Geräts auf seine Richtlinienkonformität durch die für die Einfuhrkontrolle zuständige nationale Behörde vor. Auch hier gilt, dass der Nachweis der Konformität durch ein erfolgreich durchgeführtes Konformitätsbewertungsverfahren geführt wird. Entsprechend hat der Einführer gemäß Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2014/31/EU vor Inverkehrbringen eines solchen Geräts sicherzustellen, dass das Konformitätsbewertungsverfahren nach Art. 13 der Richtlinie 2014/31/EU vom Hersteller durchgeführt worden ist, der Hersteller die technischen Unterlagen erstellt hat, dass das Gerät mit der CE-Kennzeichnung und der zusätzlichen Metrologie-Kennzeichnung versehen ist, dass ihm die erforderlichen Unterlagen beigefügt sind und dass der Hersteller die Anforderungen von Art. 6 Abs. 5 und 6 der Richtlinie 2014/31/EU – also die Kennzeichnungspflichten – erfüllt hat (Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2014/31/EU). Der Einführer hat über einen Zeitraum von zehn Jahren nach Inverkehrbringen des Geräts eine Abschrift der EU-Konformitätserklärung für die Marktüberwachungsbehörden bereit zu halten und Sorge dafür zu tragen, dass diesen die technischen Unterlagen auf Verlangen vorgelegt werden können (Art. 8 Abs. 8 der Richtlinie 2014/31/EU). 126b) Der nationale Verordnungsgeber hat die Vorgaben aus der Richtlinie 2014/31/EU in § 13 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 MessEV übernommen. Soweit es – anders als in Anhang III Nr. 1.1 der Richtlinie 2014/31/EU – in § 13 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 MessEV heißt, die Kennzeichnungen und Aufschriften müssen klar, unauslöschlich, eindeutig und nicht übertragbar sein, geht dies allein auf die Formulierung in Anhang I Nr. 9.8 der Richtlinie 2014/32/EU zurück, deren Umsetzung die Regelung ebenfalls dient und wonach alle Markierungen und Aufschriften klar, unauslöschlich, eindeutig und nicht übertragbar sein dürfen. 127Vgl. Nr. 13 Einleitung MessEV; BR-Drs. 493/14, S. 146. 128Der Verordnungsgeber hat hier offensichtlich die Formulierungen aus den Richtlinien 2014/31/EU und 2014/32/EU schlicht nacheinander aufgeführt, ohne hieraus mit Blick auf die Anforderungen an Kennzeichnungen und Aufschriften bei nichtselbsttätigen Waagen über die Regelungen der Richtlinie 2014/31/EU hinausgehende Vorgaben treffen zu wollen. 1292. Nach alledem sind die Anforderungen des §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 15 Abs. 3 Satz 2 MessEV hier erfüllt. Ausweislich der von der NMi Certin B. V. unter dem 7.7.2020 ausgestellten EU-Baumusterprüfbescheinigung werden die Angaben zu Max, Min und e ausschließlich im Display der Waage angezeigt (Nr. 1.3 der Bescheinigung). Dort sind sie bei Betrieb der Waage stets zusammen mit dem gemessenen Wägeergebnis zu sehen, befinden sich also entsprechend § 15 Abs. 3 Satz 2 MessEV in der Nähe der Gewichtsanzeige und sind bei normaler Gebrauchslage der Waage gut sichtbar und lesbar im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 MessEV. Anhaltspunkte dafür, dass die Angaben unklar sind, liegen nicht vor. Weiter hat die Klägerin die erforderliche Dauerhaftigkeit in Gestalt eines rechtlich hinreichenden Missbrauchsschutzes sichergestellt. Die Angaben sind im dargestellten Sinne dauerhaft, unauslöschlich und unübertragbar. Laut EU-Baumusterprüfbescheinigung ist der Zugang zur Software durch Eichsiegel gesichert. Im Inneren des Gehäuses der Wiegeplattform befindet sich eine Justiersperre. Damit hat die Klägerin entsprechend Anhang I Nr. 8.5 der Richtlinie 2014/31/EU, welcher gemäß § 6 Abs. 2 MessEG i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 11 i. V. m. Anlage 3 Tabelle 1 Spalte 3 MessEV anwendbar ist, die erforderlichen Maßnahmen ergriffen, um die Möglichkeiten unbeabsichtigten Missbrauchs so klein wie möglich zu halten. Die technische Realisierung der digitalen Angabe der hier streitgegenständlichen messtechnischen Werte entspricht den Vorgaben der harmonisierten Norm DIN EN 4551:2015, sodass insofern die Konformitätsvermutung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MessEG greift. 130II. Erweist sich danach die Untersagungsverfügung in Nr. 1 des angefochtenen Bescheids als rechtwidrig, ist die Androhung unmittelbaren Zwangs für den Fall der Nichtbefolgung der Untersagungsverfügung in Nr. 2 der angegriffenen Ordnungsverfügung des Landesbetriebs ebenfalls rechtswidrig. 131Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. 132Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, 711 ZPO. 133Die Revision ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die mit dem Verfahren verbundenen Rechtsfragen sind nicht nur für die Beteiligten des konkreten Verfahrens, sondern auch für andere Marktüberwachungsbehörden und Hersteller ähnlicher Geräte relevant.
auf die berufung der klägerin wird das urteil des verwaltungsgerichts köln vom 21.4.2021 geändert. die ordnungsverfügung des beklagten vom 29.4.2020 wird aufgehoben. der beklagte trägt die kosten des verfahrens beider instanzen. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der beklagte darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrags abwenden, wenn nicht die klägerin vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. die revision wird zugelassen. 1
2die klägerin ist herstellerin von waagen, welche beim wägen das eingreifen einer bedienungsperson erfordern (sog. nichtselbsttätige waagen) und zur verwendung im geschäftlichen verkehr bestimmt sind. die angaben von höchstlast (max), mindestlast (min) und eichwert (e) werden bei den hier streitgegenständlichen modellen ausschließlich digital über die anzeigeeinrichtung der waage dargestellt, wo sie bei deren betrieb stets zusammen mit dem gemessenen wägeergebnis zu sehen sind. ausweislich der von der nmi certin b. v. unter dem 7.7.2020 für das gerätemodell ausgestellten eu-baumusterprüfbescheinigung ist der zugang zu der für die anzeige verantwortlichen software durch eichsiegel gesichert. im inneren des gehäuses der wiegeplattform befindet sich eine justiersperre. welche software zur anzeige der primären indikationen auf den geräten zugelassen ist, ist in nr. 2.1.1 der eu-baumusterprüfbescheinigung vorgegeben. jede änderung und jedes herunterladen von relevanter software wird im ereignislogger protokolliert. 3im anschluss an eine amtliche kontrolle teilte der landesbetrieb mess- und eichwesen nordrhein-westfalen (im folgenden: landesbetrieb) der klägerin im februar 2020 mit, die angabe der konfigurationskennwerte (max, min, e) in ausschließlich digitaler form entspreche nicht den vorgaben aus der richtlinie 2014/31/eu, weil damit die zwingend geforderte dauerhaftigkeit nicht gegeben sei. denn bei ausgeschalteter waage erlösche auch die anzeige dieser messtechnischen werte im display. 4die klägerin widersprach der ansicht des landesbetriebs. nach sinn und zweck der vorgaben aus anhang iii nr. 1.1 der richtlinie 2014/31/eu gehe es um die manipulationssicherheit der angaben. diese sollten während der gesamten lebensdauer der waage vorhanden sein und dem verwender zuverlässig auskunft darüber geben, für welchen anwendungsbereich (d. h. minimal- und maximallast) sowie für welche genauigkeit der anzeige (teilungswert e) die waage vorgesehen und im eichpflichtigen verkehr zugelassen sei. dies sei bei der anzeige dieser messtechnischen werte im display gewährleistet. 5mit ordnungsverfügung vom 29.4.2020 untersagte der landesbetrieb der klägerin, ab dem 1.6.2020 in nordrhein-westfalen das inverkehrbringen nichtselbsttätiger waagen, die die aufschriften von max, min und e nur digital in der anzeigeeinrichtung der waage darstellten und (bei denen) diese aufschriften an keiner anderen stelle (z. b. kennzeichnungsschild) dauerhaft aufgebracht seien (nr. 1). für jeden fall einer zuwiderhandlung drohte er die festsetzung eines zwangsgelds in höhe von 1.000,00 euro an (nr. 2). zur begründung führte er im wesentlichen aus: die untersagungsverfügung beruhe auf § 50 abs. 2 nr. 5 messeg. es bestehe mehr als ein begründeter verdacht, dass die von der klägerin in verkehr gebrachten waagen nicht die anforderungen gemäß § 6 messeg erfüllten. nach dessen absatz 5 müsse ein messgerät mit den in einer rechtsverordnung nach § 30 nr. 4 messeg bezeichneten aufschriften zur näheren bestimmung des geräts und des herstellers oder einführers versehen sein. mit welchen aufschriften eine nichtselbsttätige waage zusätzlich zu versehen sei, regele § 15 abs. 3 messev. die angabe von max, min und e in ausschließlich digitaler form genüge diesen anforderungen nicht und sei auch mit anhang iii nr. 1.1 der richtlinie 2014/31/eu nicht vereinbar. gemäß art. 6 abs. 5 unterabsatz 2 i. v. m. anhang iii nr. 1.2 der richtlinie 2014/31/eu seien die aufschriften mit hilfe einer geeigneten einrichtung an der waage anzubringen. der wortlaut mache deutlich, dass es sich um einen gedruckten text handeln müsse. als eine möglichkeit nenne die richtlinie in anhang iii nr. 1.3 der richtlinie 2014/31/eu das kennzeichnungsschild. eine nur digitale angabe der höchst- und mindestlast sowie des eichwerts genüge auch nicht dem erfordernis der „jederzeitigen identifizierbarkeit“ einer waage durch die marktaufsichtsbehörden der eu sowie dem schutz der verwender als erwerber der produkte. aus der harmonisierten norm din en 45501, wonach als annehmbare lösung die dauerhafte und gleichzeitige anzeige der werte von max, min und e auf der anzeigeeinrichtung für das wägeergebnis bei eingeschalteter waage gelte, folge nichts anderes. den dortigen aussagen zur technischen umsetzung der kennzeichnung komme schon keine rechtliche bedeutung zu, weil die insofern geltende konformitätsvermutung nach art. 12 der richtlinie 2014/31/eu nur die wesentlichen sicherheitsanforderungen gemäß anhang i der richtlinie betreffe, nicht hingegen die kennzeichnungspflichten nach anhang iii. es sei mit hoher wahrscheinlichkeit von weiteren rechtsverstößen durch die klägerin auszugehen, weil diese sich im anhörungsverfahren nicht einsichtig gezeigt habe. der schutz der europäischen und nationalen rechtsordnung, die sicherstellung des schutzes potentieller käufer vor dem erwerb nicht richtlinienkonformer messgeräte und der schutz einer ordentlich durchzuführenden marktaufsicht sowie des fairen wettbewerbs hätten im rahmen des auswahlermessens den ausschlag für den erlass der ordnungsverfügung gegeben. als herstellerin im sinne von § 2 nr. 6 messeg, die nach § 23 abs. 2 messeg sicherzustellen habe, dass die von ihr in verkehr gebrachten messgeräte mit den erforderlichen aufschriften versehen würden, sei die klägerin auch die richtige adressatin der ordnungsverfügung. schließlich sei die ausschließlich in die zukunft gerichtete ordnungsverfügung verhältnismäßig, insbesondere könne mit einem äußerst geringen finanziellen aufwand die formale konformität der messgeräte hergestellt werden. 6gegen diese ordnungsverfügung hat die klägerin klage erhoben. die hier gewählte form der darstellung der streitgegenständlichen messtechnischen werte stehe im einklang mit den maßgeblichen vorschriften. weder der wortlaut der richtlinie noch der des nationalen rechts schlössen die darstellung der angaben zu max, min und e durch elektronische anzeige im display aus. auch sinn und zweck der regelung stünden einer ausschließlich digitalen anzeige der pflichtangaben nicht entgegen. der verwender der waage solle zusammen mit dem wiegeergebnis unschwer erkennen können, ob sich letzteres im vorgesehenen „zulassungsbereich“ der waage halte, d. h. für deren benutzung (und zuverlässige funktion) weder zu leicht noch zu schwer sei und mit welcher genauigkeit (bzgl. des teilungswerts e) das ergebnis angezeigt werde. gerade deshalb sehe die richtlinie vor, dass sich diese angaben im sichtbereich der ergebnisanzeige einer jeden waage befinden müssten, was durch die vorliegend gewählte lösung einer anzeige direkt im display (zusammen mit dem wägeergebnis) in geradezu idealer weise geleistet werde. die dauerhaftigkeit der angaben sei bei der digitalen anzeige gewährleistet, weil diese im nachhinein nicht beliebig verändert werden könnten. nicht zu besorgen sei, dass durch eine mögliche fehlprogrammierung der elektronischen anzeige bei einer digitalen lösung unzutreffende angaben angezeigt würden. eine manipulation der gerade nicht zu messenden, sondern feststehenden werte zu max, min und e ergebe zudem von vornherein keinen sinn. dass bei abschaltung der waage, stromausfall, elektronischem defekt oder ähnlichem die angaben zu min, max und e nicht mehr sichtbar seien, stehe dem merkmal der dauerhaftigkeit schließlich nicht entgegen, weil in diesen fällen kein bedarf für die sichtbarkeit dieser angaben bestehe. insofern ignoriere der landesbetrieb nicht nur sinn und zweck der regelung, sondern auch deren wortlaut, wonach die aufschriften „bei normaler gebrauchslage des geräts sichtbar“ sein müssten (anhang iii nr. 1.2 der richtlinie 2014/31/eu). eine andere auslegung folge auch nicht daraus, dass den marktaufsichtsbehörden jederzeit eine kontrolle der waagen möglich sein müsse. denn allein gestützt hierauf könnten keine weitergehenden anforderungen gestellt werden, als sie für den eigentlichen zweck der regelung erforderlich seien. dass eine zu kontrollierende waage kurz eingeschaltet werden müsse, um sich von ihrer ordnungsgemäßen beschaffenheit und funktion zu überzeugen, sei im übrigen nicht unüblich. gleiches gelte etwa für die kontrolle der einhaltung der anforderungen an genauigkeit und eichfehlergrenzen. für ihre auslegung spreche ferner, dass die digitale anzeige im display unter nr. 7.1.2 der harmonisierten norm din en 45501 ausdrücklich als „annehmbare lösung“ aufgeführt werde. zwar komme der harmonisierten norm hierauf bezogen keine bindungswirkung zu, sie diene aber der einheitlichen richtlinienauslegung und dürfe daher nicht unberücksichtigt bleiben. außer acht gelassen habe der landesbetrieb weiter, dass sie – die klägerin – seit vielen jahren unbeanstandet waagen mit ausschließlich digitaler anzeige der angaben zu min, max und e vertreibe und zwar nicht nur in ganz deutschland, sondern auch in verschiedenen mitgliedstaaten der europäischen union. für das streitgegenständliche waagenmodell habe die nmi certin b. v. als förmlich akkreditierte prüfstelle im juli 2020 eine eu-baumusterprüfbescheinigung ausgestellt und sich auch zur digitalen anzeige von max, min und e verhalten. danach werde der forderung nach dauerhaftigkeit dadurch genügt, dass ein eingriff in die anzeige bzw. die dafür maßgebliche software nicht möglich sei, weil der zugang zur software durch eichsiegel gesichert sei (nr. 1.3 der bescheinigung). die baumusterprüfbescheinigung bestätige in bezug auf einen prototyp dessen konformität mit allen einschlägigen anforderungen für dieses produkt. sie bilde die grundlage für die vom hersteller vor inverkehrbringen abzugebende konformitätserklärung. daher spreche jedenfalls eine vermutung für die erfüllung der einschlägigen anforderungen aus der richtlinie 2014/31/eu. auch andere nach der verordnung (eg) 765/2008 förmlich akkreditierte benannte stellen wie die physikalisch-technische bundesanstalt (ptb) oder metas aus der schweiz hätten keine bedenken hinsichtlich der digitalen anzeige der angaben geäußert. auf deren bewertung müsse sich ein hersteller grundsätzlich verlassen können, zumal das eu-recht die mitwirkung akkreditierter konformitätsbewertungsstellen zwingend vorsehe, um die prüfung der richtlinienkonformität von vornherein nicht allein den herstellern zu überlassen. unberücksichtigt gelassen habe der landesbetrieb schließlich, dass hier nicht ein „immer gleiches standardschild“ im streit stehe. vielmehr würden die angaben zum wägebereich in abhängigkeit von speziellen kundenanforderungen erst beim konkreten inverkehrbringen dieser waagen bzw. der diesem inverkehrbringen unmittelbar vorausgehenden endkonfiguration an der jeweiligen waage eingestellt. eine anderweitige anbringung vor ort wäre praktisch jedenfalls mit erheblichen schwierigkeiten verbunden. 7die klägerin hat beantragt, 8die ordnungsverfügung des beklagten vom 29.4.2020 aufzuheben. 9der beklagte hat beantragt, 10die klage abzuweisen. 11zur begründung wiederholt er seine ausführungen aus dem verwaltungsverfahren und führt ergänzend aus: die maßgeblichen regelungen verlangten, dass die angaben von max, min und e gut sichtbar, lesbar und dauerhaft auf dem messgerät angebracht sein müssten. schon der begriff „angebracht“ – der etwas anderes bedeute als „angezeigt“ – bringe deutlich zum ausdruck, dass eine lediglich elektronische anzeige nicht genüge. angebracht sei etwas nur dann, wenn es mit dem messgerät physisch und analog verbunden sei und nicht bereits dann, wenn es nur im eingeschalteten zustand aufgerufen werden könne. aus anhang iii nr. 1.2 der richtlinie 2014/31/eu folge nichts anderes. mit dem terminus „normale gebrauchslage“ sei nicht die eingeschaltete elektronische waage gemeint, sondern ihre korrekte positionierung. der aufkleber mit den pflichtangaben müsse danach so angebracht sein, dass er bei der normalen gebrauchslage des geräts sichtbar sei, also ohne besonderen aufwand gelesen werden könne. hätte die regelung das ziel verfolgt, auch die lediglich elektronische angabe der geforderten daten im display zuzulassen, hätte der richtliniengeber das zum ausdruck bringen und auch ein pendant zu der in anhang iii nr. 1.2 satz 1 der richtlinie 2014/31/eu geregelten nichtentfernbarkeit ohne beschädigung schaffen müssen. der richtliniengeber habe keine entsprechende digitale variante der absicherung vorgegeben, woraus folge, dass er an dieser stelle nur eine analoge kennzeichnung der waage habe zulassen wollen. die vorgaben zu den aufschriften in anhang iii der richtlinie 2014/31/eu dienten ferner nicht allein dazu, dem verwender zu ermöglichen, den wägebereich zu erkennen, sondern es solle auch den marktaufsichtsbehörden ermöglicht werden zu kontrollieren, ob der hersteller seine waagen den gerätespezifischen anforderungen entsprechend gefertigt und in den verkehr gebracht habe. wäre die waage stromlos oder besäße sie einen defekt, könne eine überprüfung der richtlinienkonformität nicht erfolgen. zu bedenken seien auch situationen, in denen die marktaufsichtsbehörden nicht oder nur unter erschwerten bedingungen in der lage seien, die zu überprüfenden waagen an den stromkreislauf anzuschließen, etwa bei der überprüfung von importierten waagen in häfen und an zollstationen. in der sache gebe es zudem beachtliche gründe dafür, die bloß elektronische anzeige im display nicht ausreichen zu lassen. im hintergrund könnten unbemerkt programmierungen stattfinden, die genau diese angaben verfälschten. eine elektronische fehlsteuerung der anzeige könne zu einem massenhaften betrug von verbrauchern genutzt werden. bestätigt werde das auslegungsergebnis in der din en 45501, deren vermutungswirkung sich gemäß art. 12 der richtlinie 2014/31/eu allerdings nur auf die wesentlichen anforderungen des anhangs i der richtlinie, nicht aber auf die kennzeichnungspflichten des herstellers beziehe. in der din en 45501 werde unter nr. 7 präzise dargestellt, dass die angaben zu min, max und e zwingend analog anzubringen seien und lediglich darüber hinaus gleichzeitig auch digital angezeigt werden dürften. soweit die klägerin auf die eu-baumusterprüfbescheinigung verweise, komme dieser keine vermutungswirkung im hinblick auf die einhaltung von produktanforderungen zu und binde ihn als marktüberwachungsbehörde nicht. die von der klägerin dargestellten schwierigkeiten bei der analogen anbringung der aufschriften seien teilweise nicht nachvollziehbar, jedenfalls aber rechtlich unerheblich. 12das verwaltungsgericht hat die klage abgewiesen. die waagen der klägerin erfüllten nicht die anforderungen nach abschnitt 2 des mess- und eichgesetzes, wonach messgeräte gut sichtbar, lesbar und dauerhaft mit den nach § 15 abs. 3 nr. 2 bis 4 messev bezeichneten aufschriften zu versehen seien. diese anforderungen seien nicht gewahrt, wenn die pflichtangaben wie hier lediglich in der digitalen anzeigeeinrichtung der waage und nicht zumindest auch in form einer physisch-analogen aufschrift dargestellt würden. bereits die auslegung der nationalen vorschriften hinsichtlich wortlaut und systematik zeige, dass der gesetzgeber von einer physisch-analogen aufschrift ausgegangen sei. bei der anzeige im display könne nicht mehr davon gesprochen werden, dass es sich um eine „aufschrift“ handele. auch der begriff „anbringen“ in § 13 abs. 1 satz 1 messev lege eine physische verbindung der aufschrift mit dem messgerät nahe. weiter sei mit blick auf die in § 13 abs. 1 satz 1 messev formulierten anforderungen an die aufschriften, insbesondere die dauerhaftigkeit und lesbarkeit, davon auszugehen, dass eine ununterbrochene lesbarkeit der aufschrift gefordert werde. dies könne eine digitale anzeige nicht gewährleisten, weil sie im ausgeschalteten zustand erlösche. bereits nach dem herkömmlichen sprachgebrauch sei nicht davon auszugehen, dass eine aufschrift dauerhaft sei, wenn deren darstellung vom funktionieren einer digitalen anzeige abhänge. eine auslegung der richtlinie 2014/31/eu hinsichtlich wortlaut und systematik – auch unter berücksichtigung anderer sprachfassungen – bestätigte die auslegung des nationalen eichrechts. insbesondere ergebe sich nichts anderes aus anhang iii nr. 1.2 satz 2 der richtline 2014/31/eu, wonach die aufschriften bei „normaler gebrauchslage des geräts“ sichtbar sein müssten. hierunter sei nicht die normale verwendung im sinne eines eingeschalteten geräts zu verstehen. vielmehr meine „gebrauchslage“ die aufstellung der waage im raum, also die positionierung des messgeräts. die aufschriften sollten unabhängig vom betriebszustand in der üblichen aufstellungsweise des geräts sichtbar sein. dieses ergebnis werde systematisch dadurch bestätigt, dass anhang iii nr. 1.2 der richtlinie 2014/31/eu vorschreibe, an den bezeichneten messgeräten seien geeignete einrichtungen zum anbringen der konformitätskennzeichnung und der aufschriften vorzusehen. diese müssten so beschaffen sein, dass sich die konformitätskennzeichnung und die aufschriften nicht entfernen ließen, ohne beschädigt zu werden. ein „entfernen ohne beschädigung“ von aufschriften lege wiederum nahe, dass es sich um eine tatsächlich-physische aufschrift handele, denn bei einer anzeige auf einem display könne es mangels physischer wiedergabe nicht zu einer beschädigung kommen. ferner müsse nach anhang iii nr. 1.3 der richtlinie 2014/31/eu ein besonderer fälschungsschutz bei der verwendung von kennzeichnungsschildern gewährleistet werden. hätte der europäische gesetzgeber hier als alternative eine digitale anzeige zulassen wollen, hätte es nahegelegen, beispielsweise eine sicherung des zugangs zur software sowie möglicherweise auch eine zertifizierung der software selbst vorzusehen. etwas anderes folge nicht aus anhang iii nr. 1.4 der richtlinie 2014/31/eu, wonach die angaben max, min, e und d auch in der nähe der gewichtsanzeige angebracht sein müssten, soweit sie sich nicht ohnehin dort befänden. die regelung erfasse den fall, dass eine physisch-analoge aufschrift zwar vorhanden sei, sich jedoch nicht in der nähe der gewichtsanzeige befinde. für diesen fall müssten diese angaben in der nähe der gewichtsanzeige wiederholt werden, was durch das wort „auch“ klargestellt werde. der sinn und zweck der vorgeschriebenen aufschriften zwinge zu keiner abweichenden beurteilung. die vorschriften über das mess- und eichwesen bezweckten, den am wirtschaftsverkehr beteiligten die sicherheit zu geben, dass handelsgüter nach ihrem umfang, volumen, maß und/oder ihrer masse sicher bestimmt werden könnten. die vorgeschriebenen aufschriften dienten einerseits dazu, dem verwender informationen insbesondere zum wägebereich (minimal- und maximallast) und zum eichwert der waage zur verfügung zu stellen, andererseits den marktüberwachungsbehörden dazu, sich mithilfe dieser aufschriften vom ordnungsgemäßen inverkehrbringen eines messgeräts überzeugen zu können. zwar sei es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass diesen zwecken auch durch eine digitale anzeige bei entsprechender gestaltung in ausreichendem maße genüge getan werden könne. ob der europäische gesetzgeber eine digitale anzeige hätte zulassen können, sei letztlich aber eine rechtspolitische frage. ausgehend von dem eindeutigen wortlaut sowie der regelungssystematik sei davon auszugehen, dass er nur eine physisch-analoge aufschrift habe zulassen wollen. jedenfalls sei nicht ersichtlich, dass eine bloße digitale anzeige der pflichtangaben geeignet wäre, die schutzzwecke der aufschriften besser zu erreichen als eine physisch-analoge aufschrift, sodass kein grund bestehe, eine digitale anzeige entgegen dem wortlaut aus teleologischen gründen zuzulassen. der verstoß der klägerin gegen die kennzeichnungspflichten werde nicht durch die ihr erteilte eu-baumusterprüfbescheinigung legalisiert. dieser komme weder eine die marktüberwachungsbehörden bindende wirkung hinsichtlich der konformität des bescheinigten gerätemodells zu, noch begründe sie ein schutzwürdiges vertrauen der klägerin auf das ausbleiben von marktüberwachungsmaßnahmen. da sich die vermutungswirkung des § 7 abs. 1 messeg nicht auf kennzeichnungen und aufschriften erstrecke, führe es auch nicht zu einer legalisierung oder einem schutzwürdigen vertrauen der klägerin, wenn die bloße digitale anzeige in einer harmonisierten norm zugelassen sein sollte. 13zur begründung ihrer von dem verwaltungsgericht zugelassenen berufung trägt die klägerin unter wiederholung und vertiefung ihres erstinstanzlichen vorbringens vor, nichts spreche dafür, dass die digitale darstellung der pflichtangaben nach dem willen des eu-gesetzgebers bewusst ausgeschlossen worden sei. insbesondere sprenge ihr normverständnis nicht die wortlautgrenze. vielmehr seien in der richtlinie 2014/31/eu die anforderungen grundsätzlich technologieoffen gestaltet. eine beschränkung allein auf „physisch-analoge aufschriften“ habe im text der richtlinie gerade keinen ausdruck gefunden, sofern nicht schon allein der begriff „aufschrift“ in der weise verabsolutiert werde, dass damit „digitale anzeigen“ ausgeschlossen seien. zwar könnten die begriffe „aufschrift“ und „anzeige“ nicht ohne weiteres gleichgesetzt werden. hieraus könne aber nicht gefolgert werden, dass eine digitale anzeige nicht unter die allgemeine anforderung nach darstellung bestimmter inhalte als „aufschrift“ subsumiert werden könne. insbesondere werde auch das merkmal der dauerhaftigkeit erfüllt. das merkmal der „unauslöschlichen“ darstellung meine nicht bereits das vorübergehende „erlöschen der anzeige“ bei einer ausgeschalteten waage, sondern allein das unwiederbringliche „erlöschen“, welches mit einer entfernung der „aufschrift“ verbunden wäre. es sei sicherzustellen, dass die angaben während der gesamten lebensdauer des messgeräts erhalten blieben. regelungen zur manipulationssicherheit für die darstellung per digitaler anzeige fänden sich bereits in anhang i nr. 8.3 und 8.5 der richtlinie 2014/31/eu. bei einem dauerhaften ausfall der displayanzeige sei das messgerät insgesamt funktionsuntauglich, sodass dann keine notwendigkeit für die darstellung der streitgegenständlichen pflichtangaben mehr bestehe. bestätigt werde ihr normverständnis sowohl in der din en 45501 als auch in nr. 3.1.15 des auch heute noch gültigen welmec leitfadens 2 (2015). beides sei zumindest als sonstige erkenntnisquelle im rahmen der auslegung der primären reglungen im richtlinientext zu berücksichtigen. dies gelte vor allem mit blick auf die technischen spezifikationen in der din en 45501, weil die einhaltung der dortigen regelungen gemäß § 7 abs. 1 nr. 1 messeg grundsätzlich eine vermutungswirkung betreffend die konformität mit der richtlinie auslöse. die hier in streit stehenden aufschriften gehörten zu den wesentlichen anforderungen im sinne der norm, weil sie auf nationaler ebene in § 15 abs. 3 nr. 2 bis 4 und § 13 abs. 1 satz 1 messev normiert seien. anders als art. 12 der richtlinie 2014/31/eu beschränke § 7 abs. 1 nr. 1 messeg die vermutungswirkung jedenfalls dem wortlaut nach nicht auf anforderungen aus anhang i der richtlinie. in diesem zusammenhang sei auch die eu-baumusterprüfbescheinigung nicht bedeutungslos. zwar sei zuzugestehen, dass eine solche kein hoheitlich erlassener verwaltungsakt sei und damit formal nicht dieselbe verbindlichkeit beanspruchen könne. dies gebiete aber nicht den umkehrschluss ihrer völligen unverbindlichkeit. es erschiene geradezu paradox, müsste sich der hersteller einerseits der mitwirkung der akkreditierten prüfstellen bedienen, dürfte sich aber umgekehrt nicht auf die von dort abgegebene bewertung verlassen. jedenfalls sei die durch die eu-baumusterprüfbescheinigung dokumentierte bewertung gemäß art. 11 abs. 5 vo (eu) 2019/1020 gebührend zu berücksichtigen. dies gelte erst recht, wenn sich die darin enthaltene bewertung mit den bewertungen anderer prüfstellen decke und durch entsprechende regelungen in harmonisierten normen oder anderen technischen spezifikationen bestätigt werde. 14die klägerin beantragt, 15das urteil des verwaltungsgerichts köln vom 21.4.2021 zu ändern und die untersagungsverfügung des beklagten vom 29.4.2020 aufzuheben. 16der beklagte beantragt, 17die berufung zurückzuweisen. 18zur begründung führt er im wesentlichen aus, der eindeutige wortlaut der richtlinie 2014/31/eu stehe – sowohl in der deutschen als auch in anderen sprachfassungen – der von der klägerin vertretenen rechtsauffassung entgegen. alle sprachfassungen der richtlinie verlangten eine aufschrift auf dem gerät selbst, die vor allem dauerhaft zu erkennen sein müsse, also nicht nur im eingeschalteten zustand. anders wäre etwa eine kontrolle bei der einfuhr von waagen praktisch unmöglich oder jedenfalls erheblich erschwert, weil die waagen nicht an den stromkreis angeschlossen werden könnten. es müsse für den zoll auf einen blick erkennbar sein, um welche waagen es sich handele und ob diese mit den frachtpapieren übereinstimmten. hinzu komme, dass eine elektronische beeinflussung des angezeigten wiegeergebnisses einprogrammiert werden könne, die außerhalb der von der klägerin dargelegten sicherheitsmechanismen des waagenherstellers stattfände. die von der klägerin herangezogenen untergesetzlichen regelungen könnten wegen des anwendungsvorrangs der richtlinie 2014/31/eu zu keinem abweichenden ergebnis führen, zumal dem von der klägerin zur auslegung herangezogenen welmec-leitfaden als bloße meinungsäußerung eines in deutschland registrierten und eingetragenen vereins von vornherein keine normative kraft zukomme. dass es eine gegenteilige langjährige praxis der marktaufsichtsbehörden in anderen eu-mitgliedsländern gebe, werde bestritten. die der klägerin erteilte baumusterprüfbescheinigung habe der landesbetrieb gebührend berücksichtigt. dies bedeute vor allem, einen abgleich mit den zugrunde liegenden eu-vorschriften vorzunehmen, um zu erkennen, ob die baumusterprüfbescheinigung plausibel und mit dem recht übereinstimmend erscheine. 19wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstands wird auf den inhalt der gerichtsakten (zwei elektronische gerichtsakten) und des beigezogenen verwaltungsvorgangs der beklagten (ein band) bezug genommen. 20
21dem antrag des beklagten vom 26.9.2022 auf wiedereröffnung der mündlichen verhandlung ist nicht zu entsprechen. die wiedereröffnung der mündlichen verhandlung nach § 104 abs. 3 satz 2 vwgo ist ausgeschlossen, wenn – wie hier am 9.9.2022 – bereits ein endurteil verkündet worden ist (§ 116 abs. 1 satz 1 vwgo). 22vgl. bverwg, urteil vom 14.11.2016 – 5 c 10.15 d –, bverwge 156, 229 = juris, rn. 7, m. w. n., und beschluss vom 25.1.2016 – 2 b 34.14 –, juris, rn. 29. 23die berufung der klägerin hat erfolg. 24die zulässige klage ist begründet. 25die angefochtene ordnungsverfügung des beklagten ist rechtswidrig und verletzt die klägerin in ihren rechten, § 113 abs. 1 satz 1 vwgo. 26als ermächtigungsgrundlage für die untersagungsverfügung in nr. 1 des bescheids kommt allein § 50 abs. 2 satz 1 und satz 2 nr. 5, abs. 1 messeg in betracht. danach treffen die marktüberwachungsbehörden unter anderem die erforderlichen maßnahmen, wenn sie den begründeten verdacht haben, dass messgeräte die anforderungen nach abschnitt 2 messeg nicht erfüllen. insbesondere sind sie befugt zu verbieten, ein produkt auf dem markt bereitzustellen. diese voraussetzungen liegen hier schon nicht vor (hierzu unter i.). folglich erweist sich auch die zwangsgeldandrohung in nr. 2 des angefochtenen bescheids als rechtswidrig (hierzu unter ii.). 27i. die befugnis der marktüberwachungsbehörde nach § 50 abs. 2 satz 1 messeg zum erlass ordnungsbehördlicher maßnahmen erstreckt sich auf messgeräte, soweit sie von der nach den §§ 1 nr. 1, 4 abs. 1 und 2 messeg erlassenen mess- und eichverordnung erfasst sind. messgeräte sind alle geräte oder systeme von geräten mit einer messfunktion einschließlich maßverkörperungen, die jeweils zur verwendung im geschäftlichen oder amtlichen verkehr oder zur durchführung von messungen im öffentlichen interesse bestimmt sind (§ 3 nr. 13 messeg). hierzu zählen unter anderem nichtselbsttätige waagen im sinne von § 8 abs. 1 nr. 11, abs. 2 messev i. v. m. anlage 3 tabelle 1 spalte 2 und art. 2 nr. 2 der richtlinie 2014/31/eu. diese dürfen nach § 6 abs. 1 und 5 messeg nur in verkehr gebracht werden, wenn sie mit den in einer rechtsverordnung nach § 30 nr. 4 messeg bezeichneten aufschriften zur näheren bestimmung des geräts und des herstellers oder einführers versehen sind. unter anderem sind nichtselbsttätige waagen nach §§ 13 abs. 1 satz 1, 15 abs. 3 satz 1 nr. 2 bis 4 der aufgrund § 30 nr. 4 messeg erlassenen mess- und eichverordnung mit gut sichtbar, lesbar und dauerhaft auf dem messgerät angebrachten aufschriften zur höchstlast, mindestlast und zum eichwert zu versehen (hierzu unter 1.). die hier in streit stehenden geräte genügen diesen anforderungen (hierzu unter 2.). 281. gemäß § 15 abs. 3 satz 1 nr. 2 bis 4 messev sind nichtselbsttätige waagen unter anderem mit aufschriften zur höchstlast („max“), mindestlast („min“) und zum wert in masseeinheit zur einstufung und zur eichung einer waage (eichwert – „e“) zu versehen. diese aufschriften müssen gemäß § 15 abs. 3 satz 2 messev in der nähe der gewichtsanzeige und nach § 13 abs. 1 satz 1 messev gut sichtbar, lesbar und dauerhaft auf dem messgerät angebracht sein; sie müssen klar, unauslöschlich und nicht übertragbar sein. 29diesen anforderungen kann auch die ausschließlich digitale anzeige zur höchstlast, mindestlast und zum eichwert genügen. die regelung des § 13 abs. 1 messev schränkt nach dem erklärten regelungswillen die art der technischen realisierung von aufschriften nicht grundsätzlich auf bestimmte technologien ein. wesentlich ist allerdings, dass die in absatz 1 genannten anforderungen dabei jeweils beachtet sind. 30vgl. br-drs. 493/14, s. 143. 31auch eine auslegung der §§ 13, 15 messev im lichte der hiermit in nationales recht umgesetzten unionsrechtlichen vorgaben der richtlinie 2014/31/eu über die pflichten zur anbringung von kennzeichen und aufschriften auf nichtselbsttätigen waagen bestätigt dies [hierzu unter a)]. 32vgl. nr. 12 der einleitung zur messev, br-drs. 493/14, s. 146. 33der nationale verordnungsgeber hat die auf die kennzeichnungs- und beschriftungspflichten bezogenen vorgaben der richtlinie 2014/31/eu umgesetzt, ohne darüber hinausgehende anforderungen zu normieren [hierzu unter b)]. 34a) nach art. 6 abs. 5 unterabsatz 2 der richtlinie 2014/31/eu bringen die hersteller von waagen, die zu den in art. 1 abs. 2 buchst. a) bis f) der richtlinie genannten zwecken verwendet werden sollen, die in anhang iii nr. 1 der richtlinie 2014/31/eu vorgeschriebenen aufschriften an. nach anhang iii nr. 1.1 iv) bis vi) der richtlinie 2014/31/eu tragen die geräte die aufschriften zur höchstlast, mindestlast und zum eichwert gut sichtbar, leserlich und dauerhaft. sie müssen nach anhang iii nr. 1.4 der richtlinie 2014/31/eu auch in der nähe der gewichtsanzeige angebracht sein, soweit sie sich nicht ohnehin dort befinden. im übrigen beschränkt sich anhang iii nr. 1.2 der richtlinie 2014/31/eu auf die vorgabe, an den geräten „geeignete einrichtungen“ zum anbringen der konformitätskennzeichnung und der aufschriften vorzusehen, die so beschaffen sein müssen, dass sich die konformitätskennzeichnung und die aufschriften nicht entfernen lassen, ohne beschädigt zu werden, und dass die konformitätskennzeichnung und die aufschriften bei normaler gebrauchslage des geräts sichtbar sind. auch die richtlinie schränkt die art der technischen realisierung von kennzeichnungen und aufschriften danach nicht ausdrücklich auf bestimmte technologien ein. die vorzusehenden „geeigneten einrichtungen“ werden nicht weiter eingegrenzt. ihre eignung richtet sich danach, ob den sonstigen anforderungen an aufschriften entsprochen wird. in anhang iii nr. 1.3 der richtlinie 2014/31/eu sind nähere vorgaben enthalten, wenn als „geeignete einrichtung“ ein kennzeichnungsschild verwendet wird. nach der hier gebotenen auslegung der richtlinie nach dem wirklichen willen ihres urhebers und dem von diesem verfolgten zweck im licht ihrer fassung in allen sprachen, 35vgl. eugh, urteil vom 3.4.2014 – c-515/12 –, celex-nr. 62012cj0515 = juris, rn. 19, m. w. n., 36kann auch die ausschließlich digitale anzeige zur höchstlast, mindestlast und zum eichwert im display für die gewichtsanzeige die anforderungen der guten sichtbarkeit, leserlichkeit und dauerhaftigkeit nach anhang iii nr. 1.1 und 1.2 der richtlinie 2014/31/eu erfüllen, weshalb ein display eine geeignete einrichtung in dem erwähnten sinne darstellen kann. der wortlaut der richtlinie lässt einen entgegenstehenden willen des richtliniengebers nicht erkennen [hierzu unter aa)]. auch die normhistorie spricht nicht für eine beschränkung auf ausschließlich physisch-analog anzubringende aufschriften [hierzu unter bb)]. schließlich ist eine solche beschränkung zur erreichung der mit der regelung verfolgten unionsrechtlichen ziele nicht erforderlich und auch nach der regelungssystematik nicht erfolgt [hierzu unter cc)]. 37aa) die richtlinie 2014/31/eu lässt die wiedergabe der erforderlichen angaben zur höchstlast, mindestlast und zum eichwert in einem elektronischen display weder ausdrücklich zu noch verbietet sie diese. insoweit waren sich die beteiligten im schriftverkehr vor der mündlichen verhandlung und auch in der mündlichen verhandlung noch ausdrücklich einig. dem wortlaut der an „aufschriften“ zu stellenden anforderungen lässt sich zudem nicht verlässlich und zweifelsfrei entnehmen, dass eine ausschließlich digitale anzeige der hier streitgegenständlichen messtechnischen werte den erfordernissen der richtlinie nicht genügen soll. insbesondere kann ein solcher schluss nicht schon daraus gezogen werden, dass nach art. 6 abs. 5 unterabsatz 2 der richtlinie 2014/31/eu die „aufschriften“ bei waagen von dem hersteller anzubringen sind und die geräte nach anhang iii nr. 1.1 der richtlinie 2014/31/eu die aufschriften gut sichtbar, leserlich und dauerhaft tragen müssen. der begriff der „aufschrift“ bezieht sich schon nach dem deutschen begriffsverständnis typischerweise nicht allein auf einen kurzen text, der auf etwas zur bezeichnung, als hinweis oder ähnliches geschrieben ist, 38so verkürzend duden, onlinewörterbuch, bedeutung, „aufschrift“, abrufbar unter https://www.duden.de/rechtschreibung/aufschrift#bedeutung; wahrig, wörterbuch der deutschen sprache, 5. aufl. 2012, erläutert „aufschrift“ mit „etwas daraufgeschriebenes, beschriftung“, 39sondern auch auf das über etwas geschriebene. 40vgl. j. grimm/w. grimm, deutsches wörterbuch, neubearbeitung (a-f), bd. 3, sp. 720, digitalisierte fassung im wörterbuchnetz des trier center for digital humanities, version 01/21, „aufschrift“, abrufbar unter: https://www.woerterbuchnetz.de/dwb2?lemid=a13761. 41dem entspricht es, dass im deutschen etwa die begriffe „angabe“, „beschriftung“ oder „bezeichnung“ synonym zu aufschrift verwendet werden. 42vgl. j. grimm/w. grimm, deutsches wörterbuch, neubearbeitung (a-f), bd. 3, sp. 720, digitalisierte fassung im wörterbuchnetz des trier center for digital humanities, version 01/21, „aufschrift“, abrufbar unter: https://www.woerterbuchnetz.de/dwb2?lemid=a13761; duden, onlinewörterbuch, synonyme, „aufschrift“, abrufbar unter https://www.duden.de/synonyme/aufschrift. 43zudem und vor allem lassen die englische und französische sprachfassung der richtlinie diesen begriff jedenfalls mit blick auf die hier streitgegenständlichen messtechnischen werte nicht eindeutig auf einen „auf etwas“ geschriebenen text eingrenzen. in der englischen fassung wird der begriff „inscriptions“, in der französischen fassung der begriff „inscriptions“ verwendet. diese begriffe lassen sich jeweils nicht nur mit dem deutschen begriff der „aufschrift“ im oben genannten engeren sinne übersetzen, sondern in gleicher weise mit „beschriftung“ oder „inschrift“. 44vgl. online-wörterbücher langenscheidt englisch-deutsch, „inscription“, abrufbar unter https://de.langenscheidt.com/englisch-deutsch/inscription, und französisch-deutsch, „inscription“, https://de.langenscheidt.com/franzoesisch-deutsch/inscription. 45durch diese der beabsichtigten technologieoffenheit besser rechnung tragenden weiter gefassten begriffe wird die betonung mehr auf das „beschriebensein“ und weniger darauf gelegt, eine schrift sei „auf“ ein gerät aufgebracht. zudem werden diese in ihrer bedeutung offeneren begriffe in art. 6 abs. 5 unterabsatz 2 sowie in anhang iii nr. 1.1 der richtlinie 2014/31/eu anders als in der deutschen fassung schon nicht allein in der kombination mit den verben „anbringen“ oder „tragen“ („affix“ bzw. „apposer“ oder „bear“ bzw. „porter“), sondern in nr. 1.4 des anhangs – gerade konkret bezogen auf die allein streitgegenständlichen angaben zur höchstlast, mindestlast und zum eichwert – auch mit dem verb „show“ bzw. „apparaître“, also dem deutschen „zeigen“ bzw. „erscheinen“, benutzt. im englischen heißt es dort: 46„the inscriptions max, min, e, and d, shall also be shown near the display of the result if they are not already located there.“ 47im französischen: 48„les inscriptions max, min, e et d apparaissent également à proximité de l‘affichage du résultat, si elles ne figurent pas déjà à cet endroit.“ 49hiernach steht sinngemäß im fokus, wo die aufschriften bzw. beschriftungen zu sehen sind, nicht hingegen die art der anbringung oder das „auf-etwas-geschrieben-sein“. ins deutsche übersetzt sollen die aufschriften max, min, e und d danach auch in der nähe der anzeige des ergebnisses gezeigt werden bzw. erscheinen, falls sie sich dort nicht bereits befinden. die wortlaute der englischen und der französischen sprachfassungen schließen danach begrifflich deutlicher als die deutsche fassung die möglichkeit ein, die sichtbaren messtechnischen werte zu höchstlast, mindestlast, zum eichwert und zum teilungswert räumlich ausschließlich in der nähe oder an der gewichtsanzeige an einer geeigneten einrichtung zu „lokalisieren“. dies kann auch durch einen digitalen schriftzug auf einer anzeige erfolgen. 50bereits aus einem vergleich der deutschen mit der englischen und der französischen sprachfassung der richtlinie folgt weiter, dass das erfordernis der dauerhaften aufschrift bzw. beschriftung hier nicht im sinne einer permanenten sichtbarkeit zu verstehen ist, sondern vielmehr als synonym für den begriff „unauslöschlich“ gebraucht wird. dies legen die englische und französische sprachfassung mit jeweils dieser wortbedeutung nahe, indem sie die begriffe „indelibly“ bzw. „indélébile“ verwenden. der begriff „unauslöschlich“ wiederum kann nicht allein in dem sinne verstanden werden, dass eine aufschrift ununterbrochen sichtbar sein muss. er legt auch unter berücksichtigung des in der deutschen fassung synonym gemeinten begriffs „dauerhaft“, der im deutschen in seiner hauptbedeutung „einen langen zeitraum überdauernd, beständig“ bzw. „bestehend, seinen zustand bewahrend, fortbestehend, mit und (seltener) ohne zeitliche bestimmungen“ meint, 51vgl. duden, onlinewörterbuch, bedeutung, „dauerhaft“, abrufbar unter https://www.duden.de/rechtschreibung/dauerhaft#bedeutung; wahrig, wörterbuch der deutschen sprache, 5. aufl. 2012, „dauerhaft“; ausführlich j. grimm/w. grimm, deutsches wörterbuch, neubearbeitung (a-f), bd. 6, digitalisierte fassung im wörterbuchnetz des trier center for digital humanities, version 01/21, „dauerhaft“, abrufbar unter https://www.woerterbuchnetz.de/dwb2?lemid=d03426, i. v. m. „1dauern a“, abrufbar unter https://www.woerterbuchnetz.de/dwb2?lemid=d03434, 52die betonung vielmehr darauf, dass die aufschrift bzw. beschriftung über einen langen zeitraum nicht ausgelöscht werden können darf und bestand haben muss. bei einem solchen begriffsverständnis – für welches auch spricht, dass der wortlaut der richtlinie nach keiner sprachfassung eine „dauerhaft sichtbare“ kennzeichnung verlangt, sondern „sichtbar“ und „dauerhaft“ jeweils als eigenständige voraussetzungen benannt werden – kann eine digitale darstellung bei der gewichtsanzeige die erforderliche unauslöschlichkeit bzw. dauerhaftigkeit gewährleisten. technologieoffen verstanden handelt es sich bei einer solchen anzeige nämlich um eine im sinne von anhang iii nr. 1.1, 1.2 und 1.4 der richtlinie 2014/31/eu vorgesehene „geeignete einrichtung“, an der sich die aufschrift bzw. beschriftung sichtbar und leserlich räumlich „ohnehin“ befindet („located there“, „figurent […] à cet endroit“). die wesentlichen gerätespezifischen anforderungen an eine derartige digitale anzeige ergeben sich, weil es sich um eine bauartbedingte technische lösung handelt, aus anhang i der richtlinie 2014/31/eu. 53damit eine solche digitale anzeige dauerhaft bzw. unauslöschlich und damit für die aufschrift bzw. beschriftung „geeignet“ ist, hat der hersteller bei entwurf und herstellung des geräts zu gewährleisten, dass die für die anzeige der messtechnischen werte verantwortliche software entsprechend den anforderungen nach anhang i der richtlinie 2014/31/eu vor unbeabsichtigtem missbrauch geschützt und eine veränderung der angezeigten messtechnischen werte verhindert wird. näherer ausführungen bedurfte es diesbezüglich im normtext nicht. der hersteller muss nach art. 6 abs. 1 der richtlinie 2014/31/eu gewährleisten, wenn er geräte in verkehr bringt, die zu den in art. 1 abs. 2 buchst. a) bis f) genannten zwecken verwendet werde sollen, dass diese gemäß den in anhang i festgelegten wesentlichen anforderungen entworfen und hergestellt worden sind. die wesentlichen anforderungen in anhang i der richtlinie betreffen die wesentlichen messtechnischen und technischen anforderungen an nichtselbsttätige waagen (vgl. erwägungsgrund 17 der richtlinie 2014/31/eu). entscheidet sich der hersteller dazu, die angaben von min, max und e mit hilfe der geräteeigenen software digital anzeigen zu lassen, sind die wesentlichen technischen anforderungen nach anhang i der richtlinie bauartbedingt auch hierauf bezogen zu erfüllen. die gewährleistung eines ausreichenden missbrauchsschutzes gegen ein unbefugtes löschen wiederum setzt die richtlinie 2014/31/eu in anhang i, welcher gemäß § 8 nr. 11 messev i. v. m. anlage 3 tabelle 1 spalte 3 auch nach nationalem recht unmittelbar anwendbar ist, als allgemeine anforderung nach nr. 8 des anhangs i der richtlinie 2014/31/eu voraus. nach anhang i nr. 8.5 der richtline 2014/31/eu dürfen die geräte keine eigenschaften aufweisen, durch die eine betrügerische verwendung gefördert wird. die möglichkeiten unbeabsichtigten missbrauchs müssen so klein wie möglich gehalten werden. teile, die vom benutzer nicht ausgebaut oder justiert werden dürfen, müssen dagegen gesichert sein. erfolgt die anzeige von min, max und e über eine software, erstreckt sich diese pflicht bauartbedingt entsprechend hierauf. 54weiter erforderlich ist, dass die aufschriften nach anhang iii nr. 1.1 der richtlinie 2014/31/eu gut sichtbar sind. hieraus lässt sich allerdings nicht das erfordernis ableiten, die aufschriften müssten unabhängig von dem betriebszustand der waage gut sichtbar sein. auch anhang iii nr. 1.2 satz 2 der richtlinie 2014/31/eu lässt sich dies nicht entnehmen. danach muss die einrichtung zum anbringen der aufschriften so beschaffen sein, dass die aufschriften bei normaler gebrauchslage des geräts (im englischen „regular operating position“, im französischen „position de fonctionnement normal“) sichtbar sind. hieraus wird die intention des richtliniengebers erkennbar, dass bei ordnungsgemäßer positionierung der waage zur verwendung gewährleistet sein muss, dass die aufschriften gut sichtbar sind. zu der frage der sichtbarkeit der aufschriften unabhängig vom betriebszustand der waage verhält sich die regelung hingegen nicht. 55einer ausschließlich digitalen anzeige der hier streitgegenständlichen messtechnischen werte steht ferner nicht entgegen, dass sich die aufschriften nach anhang iii nr. 1.2 satz 2 der richtlinie 2014/31/eu nicht entfernen lassen dürfen, ohne beschädigt zu werden. diese voraussetzung wird für einen gegen veränderung gesicherten schriftzug in einem display schon dadurch erfüllt, dass seine entfernung ohne zerstörung des displays oder der sicherung nicht möglich ist. die zusätzlichen vorgaben nach anhang iii nr. 1.3 der richtlinie 2014/31/eu gelten ausdrücklich nur dann, wenn ein kennzeichnungsschild verwendet wird. bei wahl einer anderen „geeigneten einrichtung“ im sinne von nr. 1.2 sind sie nicht zusätzlich zu beachten. nur wenn ein kennzeichnungsschild verwendet wird, muss es gesichert werden können, es sei denn, dass es sich nicht entfernen lässt, ohne zerstört zu werden. kann das kennzeichnungsschild gesichert werden, muss ein sicherungsstempel angebracht werden können. diese regelungen zielen nur darauf, einen möglichen missbrauch durch übertrag der aufschriften auf kennzeichnungsschildern zu verhindern. unabhängig davon, dass die nr. 1.3 nur vorgaben bei optionaler verwendung von kennzeichnungsschildern enthält und die gefahr des übertrags von aufschriften bei ausschließlich digitaler darstellung aus tatsächlichen gründen von vorherein nicht besteht, kann auch der zugang zur software auf der hardware durch eine justiersperre und einen sicherungsstempel gesichert und so entsprechend den anforderungen nach anhang i der richtlinie 2014/31/eu verhindert werden, dass auf die software unbemerkt zugegriffen wird. 56schließlich ergibt sich die notwendigkeit einer physisch-analogen aufschrift von max, min und e nicht aus anhang iii nr. 1.5 der richtlinie 2014/31/eu. danach muss jede auswägeeinrichtung, die an einen oder mehrere lastträger angeschlossen oder anschließbar ist, auch die entsprechenden aufschriften für diese lastträger aufweisen. dies ist bei einer digitalen anzeige der streitgegenständlichen messtechnischen werte des konkret verwendeten lastträgers im display der auswägeeinrichtung ohne weiteres möglich. 57bb) dieses weite, technologieoffene begriffsverständnis wird deutlich bestätigt durch die entstehungsgeschichte der norm. insofern kann bei der auslegung der richtlinie nicht außer betracht bleiben, dass die europäische union schon bei ihrem erlass völkerrechtlich hinsichtlich des in ihre zuständigkeit fallenden teils an das übereinkommen der welthandelsorganisation (wto) über technische handelshemmnisse (agreement on technical barriers to trade, im folgenden: tbt-übereinkommen) gebunden war (vgl. anhang 1, 1a zum beschluss des rates 94/800/eg vom 22.12.1994, abl. l 336 vom 23.12.1994, s. 86). danach verwendet die union als vertragsmitglied grundsätzlich einschlägige internationale normen als grundlage für ihre technischen vorschriften (vgl. art. 2.4 tbt-übereinkommen). das abkommen verfolgt damit das auch der richtlinie 2014/31/eu zugrunde liegende ziel, handelshemmnisse unter anderem im wege vereinheitlichter gerätespezifischer anforderungen abzuschaffen. zu den internationalen normungsorganisationen im sinne des tbt-übereinkommens der wto zählt unter anderem die internationale organisation für das gesetzliche messwesen (oiml), welche empfehlungen zu den technischen anforderungen auch von nichtselbsttätigen waagen herausgibt. 58vgl. oiml, international recommendation r 76-1, edition 2006 (e); siehe auch https://www.oiml.org/en/about/about-oiml. 59die ausschließlich digitale anzeige der messtechnischen werte zu min, max und e war als technisch annehmbare lösung von der oiml schon lange vor erlass der richtlinie 2014/31/eu anerkannt [hierzu unter (1)]. angesichts dessen bedürfte es auch im hinblick auf die beabsichtigte beschränkung auf die zum schutz der allgemeinheit erforderlichen anforderungen an nichtselbsttätige waagen in der richtlinie eindeutiger anhaltspunkte dafür, dass der richtliniengeber die darstellung der hier streitgegenständlichen messtechnischen werte abweichend von den in den internationalen technischen regelwerken vertretenen empfehlungen, die auch für die union grundsätzlich verbindlich sind, regeln wollte. hieran aber fehlt es [hierzu unter (2)]. 60(1) die oiml gibt unter anderem empfehlungen zu den metrologischen und technischen anforderungen nichtselbsttätiger waagen heraus (r 76-1) und verhält sich darin ausdrücklich zu den anforderungen an das gerät beschreibende aufschriften („descriptive markings“), wozu auch die hier streitgegenständlichen messtechnischen werte zu min, max und e zählen. in der fassung von 1988 hieß es zu der darstellung dieser aufschriften unter nr. 7.1.4 zunächst noch lediglich wie folgt: 61„the discriptive markings shall be indelible and of a size, shape and clarity allowing easy reading. they shall be grouped together in a clearly visible place either on a descriptive plate fixed to an instrument, or on a part of the instrument itself. the markings: max … , min … , e …, and d […] shall also be shown near the display of the result if they are not already located there.“ 62die frage, ob auch eine ausschließlich digitale anzeige dieser messtechnischen werte eine akzeptable lösung darstellt, hat die oiml bereits in ihrer bis heute maßgeblichen empfehlung r 76-1, edition 2006 aufgegriffen. dort heißt es nunmehr: 63„7.1 descriptive markings 64[…] 65an instrument shall carry the following markings 667.1.1 compulsory in all cases 6768manufacturer’s mark, or name written in full (a) 69metrological markings (b): 7071[…] 72maximum capacity in the form: max … 73minimum capacity in the form: min … 74verification scale interval in the form: e = …. 757.1.2 compulsory if applicable 7677name or mark of manufacturer‘s agent for an imported instrument (c); 78serial number (d); 79identification mark on each unit of an instrument consisting of separate but associated units (e); 80type approval mark (f); 81supplementary metrological characteristics (g): […] 82special limits (h) […] 83[…] 847.1.4 presentation of descriptive markings 85the descriptive markings shall be indelible and of a size, shape and clarity allowing easy reading. 86they shall be grouped in one or two clearly visible places either on a plate or sticker fixed permanently to the instrument, or on a non removable part of the instrument itself. in case of a plate or sticker which is not destroyed when removed, a means of securing shall be provided, e.g. a control mark that can be applied. 87as an alternative all applicable [metrological markings nr. 7.1.1 (b) and supplementary metrological characteristics 7.1.2 (g)] may be simultaneously displayed by a software solution either permanently or on manual command. in this case the markings are considered as device-specific parameters (see t.2.8.4, 4.1.2.4 and 5.5). 88the markings: max …, min …, e = …, and d = … if d ≠ e shall be shown at least in one place and permanently either on the display or near to the display in a clearly visible position. all additional information […] may be shown alternatively on a plate or simultaneously displayed by a software solution either permanently or accessed by a simple manual command. in this case the markings are considered as device-specific parameters (see t.2.8.4, 4.1.2.4 and 5.5). 89it shall be possible to seal the plate bearing the descriptive markings unless its removal will result in its destruction. if the data plate is sealed, it shall be possible to apply a control mark to it. 90acceptable solutions: 91a) marking of max, min, e ... and d if d . e: 92these values are permanently and simultaneously shown on the display of the weighing result as long as the instrument is switched on. 93they may be automatically scrolled (displayed alternating one after each other) in one display. automatically scrolling (but not on manual command) is considered as “permanently”. […]“ 94die oiml differenziert danach bereits seit 2006 zunächst klar zwischen aufschriften, die der rückverfolgbarkeit [angaben zum hersteller, nr. 7.1.1. (a)] und identifizierung der geräte [seriennummer, etc., nr. 7.1.2 (c) bis (f)] dienen, sowie aufschriften zu den messtechnischen merkmalen [nr. 7.1.1 (b), nr. 7.1.2 (g)]. erstere sind zwingend auf einem kennzeichnungsschild oder unmittelbar dauerhaft an dem gerät anzubringen. die angaben zu den messtechnischen merkmalen der waage hingegen können alternativ zu der möglichkeit, diese auf einem kennzeichnungsschild oder aufkleber abzudrucken, gleichzeitig mit hilfe einer software-lösung dauerhaft oder auf manuellen befehl angezeigt werden. in diesem fall sind die aufschriften als gerätespezifische parameter [vgl. t.2.8.4 omil r 76-1, edition 2006)] zu behandeln und es wird verlangt, dass entsprechend nr. 4.1.2.4 und 5.5 der empfehlung maßnahmen zur sicherung der software vorgesehen sind. die angaben zur höchstlast, mindestlast und zum eichwert im besonderen sollen zumindest einmal gemeinsam und dauerhaft entweder in der anzeige oder in der nähe der anzeige sichtbar positioniert sein. als annehmbare lösung für diese einmalige – und nicht zusätzliche – anzeige wird akzeptiert, wenn diese werte dauerhaft und gleichzeitig in der anzeigeeinrichtung für das wägeergebnis angezeigt werden, solange die waage eingeschaltet ist. die werte dürfen auf einer anzeigeeinrichtung auch automatisch gescrollt (abwechselnd nacheinander angezeigt) werden. automatisches scrollen (d. h. nicht auf manuellen befehl) wird als „dauerhaft“ angesehen. 95(2) mit der empfehlung der oiml ist ein internationaler standard zu den metrologischen und technischen anforderungen an nichtselbsttätige waagen erarbeitet worden, welcher von dem richtliniengeber schon mit blick auf seine völkerrechtlichen verpflichtungen zum abbau von handelshindernissen bei der rechtsetzung in seinen wesentlichen teilen zu grunde zu legen war. 96vgl. bezogen auf internationale metrologische standards: european commission, measuring instruments – guidance documents, abrufbar unter https://single-market-economy.ec.europa.eu/single-market/goods/building-blocks/legal-metrology/measuring-instruments_en. 97es ist nicht ansatzweise erkennbar, dass der richtliniengeber von den empfehlungen der oiml in bezug auf die dort schon lange als akzeptabel anerkannten umsetzungsmöglichkeiten zur darstellung der hier streitgegenständlichen messtechnischen werte mit der richtlinie 2014/31/eu einschränkend abweichen wollte. zwar haben die vorgängerrichtlinie 2009/23/eg (dort anhang iv nr. 1.4) und die richtlinie 2014/31/eu (dort anhang iii nr. 1.4) in bezug auf die darstellung der messtechnischen werte zu min, max und e offenkundig noch den wortlaut der oiml empfehlung r 76-1 aus dem jahr 1988 statt der aktuellen fassung übernommen. schon wegen der – wie oben im einzelnen ausgeführt – sehr weiten, für neue technologien offenen formulierungen der richtlinie kann hieraus aber nicht der schluss gezogen werden, dass der richtliniengeber bei erlass der richtlinie 2014/31/eu auf internationaler ebene zwischenzeitlich auch ausdrücklich anerkannte technische umsetzungsformen nicht gelten lassen wollte, wodurch entgegen der erklärten absicht internationale handelshindernisse für den europäischen binnenmarkt geschaffen worden wären. 98ebenso lässt sich nichts abweichendes daraus ableiten, dass bei erlass der richtlinie im februar 2014 die aktuelle empfehlung der oiml in der damals gültigen fassung der harmonisierten norm din en 45501 noch nicht eingearbeitet war. der richtliniengeber betont ausdrücklich die beachtung internationaler standards in den regelungen zu harmonisierten normen nach der verordnung (eu) 1025/2012, welchen auch nach der richtlinie 2014/31/eu besondere bedeutung zukommt. die harmonisierten normen geben bezogen auf die gerätespezifischen anforderungen allgemein als akzeptabel anerkannte technische umsetzungsformen wieder. unabhängig von der in art. 12 der richtlinie 2014/31/eu allein bezogen auf die wesentlichen anforderungen nach anhang i der richtlinie geregelten konformitätsvermutung bei übereinstimmung mit der harmonisierten norm dient die europäische normung in ihrer gesamtheit einer vereinheitlichten umsetzung unionsrechtlich harmonisierter gerätespezifischer vorgaben unter einbeziehung aller interessierten kreise (vgl. erwägungsgrund 2 der verordnung (eu) 1025/2012). damit kommt ihr nicht nur für den binnenmarkt eine wesentliche bedeutung zu (vgl. erwägungsgründe 3, 5 der verordnung (eu) 1025/2012), sie soll zugleich die weltweite wettbewerbsfähigkeit der europäischen industrie stärken und zwar insbesondere, indem eine koordination mit den internationalen normungsorganisationen erfolgt (vgl. erwägungsgründe 3, 6 der verordnung (eu) 1025/2012). insofern können internationale standards selbst als harmonisierte norm im sinne von art. 2 abs. 1 buchst. c) vo (eu) 1025/2012 angenommen werden. jedenfalls aber sind sie bei der formulierung von europäischen normen in den blick zu nehmen. dies ist hier geschehen. die oiml-empfehlung r 76-1, edition 2006, ist für den europäischen binnenmarkt in die harmonisierte norm din en 45501:2015 eingearbeitet worden. durch die annahme dieser norm in umsetzung der richtlinie 2014/31/eu hat der regelungsgeber die regelungsabsicht, die richtlinie im lichte internationaler empfehlungen verstanden wissen zu wollen, noch vor ablauf der umsetzungsfrist europarechtlich klargestellt. im einzelnen erfolgte noch unter geltung der nach art. 45 der richtlinie 2014/31/eu erst mit wirkung vom 20.4.2016 aufgehobenen vorgängerrichtlinie 2009/23/eg bereits die überarbeitung der hierzu ursprünglich erlassenen technischen norm din en 45501:1992 mit blick auf die oiml-empfehlung r 76-1, edition 2006. die so überarbeitete norm en 45501:2015 wurde noch im rahmen der umsetzung der vorgängerrichtlinie schon vor ablauf der nach art. 44 der richtlinie 2014/31/eu gleichfalls am 20.4.2016 ablaufenden umsetzungsfrist für die richtlinie 2014/31/eu am 11.9.2015 (abl. c 300 vom 11.9.2015, s. 3) mit der bemerkung veröffentlicht, die neue (oder geänderte) norm habe den gleichen anwendungsbereich wie die ersetzte norm. zum 19.4.2016 gelte für die ersetzte norm nicht mehr die vermutung der konformität mit den grundlegenden oder weiteren anforderungen der einschlägigen rechtsvorschriften der union. die erste veröffentlichung der europäischen norm en 45501:2015 über metrologische aspekte der nichtselbsttätigen waagen erfolgte im rahmen der umsetzung der richtlinie 2014/31/eu sodann am 15.1.2016 (abl. c 14 vom 15.1.2016, s. 100). hierdurch wurde nach der bereits in umsetzung der vorgängerrichtlinie erfolgten veröffentlichung zum ausdruck gebracht, dass ab dem ersten tag nach ablauf der umsetzungsfrist der richtlinie 2014/31/eu die europäische norm en 45501:2015 maßgeblich sein sollte anstelle der bis zum 19.4.2016 bezogen auf die richtlinie 2009/23/eg noch maßgeblichen en 45501:1992. bei geräten, die mit der din en 45501:2015 übereinstimmen, wird deshalb nach art. 12 der richtlinie 2014/31/eu (§ 7 abs. 1 satz 1 nr. 1 messev) die konformität mit wesentlichen sicherheitsanforderungen gemäß anhang i vermutet, die von der harmonisierten technischen norm oder teilen davon abgedeckt sind. 99entsprechend der oiml-empfehlung r 76-1, edition 2006, dürfen nach nr. 7.1.1, tabelle 15, spalte 5, din en 45501:2015 die messtechnischen werte zur höchstlast, mindestlast und zum eichwert „gleichzeitig mithilfe von software angezeigt werden, siehe 7.1.2“. nach nr. 7.1.2 müssen aufschriften dauerhaft und von einer leicht lesbaren größe, form und deutlichkeit sein. sie müssen an gut sichtbaren stellen dauerhaft an der waage befestigt sein oder auf einem nicht abnehmbaren teil der waage angebracht werden. alternativ dazu sowie zur aufbringung auf einem kennzeichnungsschild dürfen alle zutreffenden kennzeichnungen von spalte 5 in tabelle 15 gleichzeitig mit hilfe der software dauerhaft oder auf manuellen befehl angezeigt werden. in diesem fall werden die kennzeichnungen als gerätespezifische parameter angesehen (siehe t.2.8.4, 4.1.2.4 und 5.5). die aufschriften „max …, min …, e = … und d = … für d ≠ e“ müssen dauerhaft an mindestens einer gut sichtbaren stelle entweder an oder in der nähe der anzeigeeinrichtung angebracht werden und brauchen an keiner anderen stelle wiederholt zu werden. eine diesen vorgaben entsprechende annehmbare lösung liegt darin, dass diese werte dauerhaft und gleichzeitig auf der anzeigeeinrichtung für das wägeergebnis angezeigt werden, solange die waage eingeschaltet ist. dabei dürfen die werte auf einer anzeigeeinrichtung automatisch gescrollt (abwechselnd nacheinander angezeigt) werden. automatisches scrollen (d. h. nicht auf manuellen befehl) wird als „dauerhaft“ angesehen. 100bereits im vorgriff auf diese europäische normung internationaler technischer standards nach der verordnung 1025/2012/eu hatte zudem die european cooperation in legal metrology (welmec), ein in deutschland eingetragener verein mit sitz in braunschweig, die lange vor vereinsgründung bereits 1990, zeitgleich mit der ersten non-automatic weighing instruments directive (nawid), von zunächst 18 staaten ins leben gerufen wurde mit dem ziel, den staatenübergreifenden informationsaustausch, die einheitliche anwendung europäischer oder internationaler vorschriften und den abbau von handelshemmnissen bei messgeräten zu fördern, und deren tätigkeit insbesondere bei der erarbeitung von empfehlungen zur umsetzung der das messwesen betreffenden richtlinie von der europäischen kommission ausdrücklich befürwortet wird, 101vgl. commission statement, 20th welmec committee meeting, casta papernicka – slovakia, 13.-14.5.2004, abrufbar unter: https://ec.europa.eu/docsroom/documents/6535/. 102in ihrem vorwort zum leitfaden 2 zur richtlinie 2009/23/eg (2015) auf die bei seiner abfassung noch nicht abschließend erfolgte übernahme der oiml-empfehlung r 76-1, edition 2006, in die europäische norm en 45501 hingewiesen und war dort unter nr. 3.1.15 bereits unmittelbar den empfehlungen der oiml zu den darstellungsmöglichkeiten von max, min und e gefolgt. 103der welmec-leitfaden 2 (2015) wird in dieser form unter geltung der richtlinie 2014/31/eu von der welmec weiterhin für maßgeblich gehalten, vgl. welmec, directives 2014/31/eu and 2014/32/eu: common application, leitfaden 2 (2021), s. 5. 104cc) ein weites begriffsverständnis unter berücksichtigung der in der oiml-empfehlung r 76-1, edition 2006, formulierten internationalen standards entspricht schließlich dem in den erwägungsgründen 17 und 47 der richtlinie 2014/31/eu zum ausdruck gebrachten bestreben des richtliniengebers, sich auf die wesentlichen messtechnischen und technischen anforderungen zu beschränken, welche nichtselbsttätige waagen betreffen, die zu bestimmten verwendungszwecken benutzt werden. 105vgl. hierzu auch europäische kommission, leitfaden für die umsetzung der produktvorschriften der eu 2016 („blue guide“), abl. c 272 vom 26.7.2016, s. 1, nr. 1.1.3 unter bezugnahme auf eugh, urteil vom 20.2.1979 – c-120/78 –, slg. 1979, 649= juris, rn. 8. 106diese wesentlichen technischen anforderungen, auf deren harmonisierung sich die richtlinie zum schutz der allgemeinheit vor unrichtigen wägeergebnissen (erwägungsgrund 5), zur sicherstellung eines fairen wettbewerbs auf dem unionsmarkt (erwägungsgrund 7) durch eine konformitätsbewertung auf einem unionsweit einheitlichen qualitätsniveau (erwägungsgründe 26 und 27) ohne unnötigen aufwand für die wirtschaftsakteure (erwägungsgrund 17) beschränken wollte (erwägungsgrund 33), sind in anhang i enthalten. dies entspricht der im sinne der warenverkehrsfreiheit (art. 34 ff. aeuv, vgl. auch art. 5 der richtlinie 2014/31/eu) und des verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in erwägungsgrund 47 vom richtliniengeber beabsichtigten beschränkung der unionsrechtlichen harmonisierung auf die anforderungen, welche zur erreichung des mit der richtlinie angestrebten ziels geeignet sind und nicht über das dazu erforderliche hinausgehen. 107vgl. eugh, urteil vom 12.12.2006 – c-380/03 –, slg. 2006, i-11573 = juris, rn. 144, m. w. n. 108der absicht, die harmonisierung grundsätzlich auf die wesentlichen technischen anforderungen in anhang i der richtlinie 2014/31/eu zu beschränken, widerspricht es nicht, dass regelungstechnisch in einen gesonderten anhang iii bestimmungen über aufschriften unter anderem zum höchstwert, mindestwert und zum eichwert aufgenommen worden sind. bei diesen anforderungen an nichtselbsttätige waagen handelt es sich nämlich um durch internationale standards vorgegebene technologieoffene erfordernisse. eine nichttechnische umsetzungsmöglichkeit bietet etwa die verwendung eines kennzeichnungsschildes. bei einer technischen lösung sind bauartbedingt die gerätespezifischen anforderungen aus anhang i der richtlinie 2014/31/eu einzuhalten. 109die hier streitgegenständlichen regelungen zu den aufschriften betreffend die höchstlast, mindestlast und den eichwert dienen zwar auch dem mit der richtlinie nach erwägungsgrund 5 der richtlinie 2014/31/eu verfolgten schutz der allgemeinheit vor unrichtigen wägeergebnissen. eine regelungsabsicht, mit diesem schutz über international anerkannte standards hinauszugehen oder zur besseren behördlichen überwachung unionsrechtlich weitergehende anforderungen zu stellen, ist jedoch nicht erkennbar. die schlichte übernahme aus internationalen technischen normen belegt vielmehr, dass es sich hierbei gerade nicht um besondere qualitätsstandards für den europäischen binnenmarkt handeln sollte. zum schutz der allgemeinheit vor unrichtigen wägeergebnissen erschienen die allgemeinen internationalen vorgaben neben den wesentlichen technischen anforderungen nach anhang i zur erreichung der ziele der richtlinie als ausreichend, erforderlich und verhältnismäßig, weil hierdurch zur beseitigung technischer handelshemmnisse und zur sicherstellung eines fairen wettbewerbs auf dem unionsmarkt internationale technische standards umgesetzt werden sollten, ohne zugleich die bereitstellung von geräten auf dem markt unverhältnismäßig zu behindern (vgl. art. 5 abs. 1 der richtlinie 2014/31/eu). 110vgl. erwägungsgründe 47 und 7 der richtlinie 2014/31/eu. 111diese ziele werden bezogen auf die vorzusehenden aufschriften unionsweit gleichermaßen bereits bei einem regelungsverständnis erreicht, nach dem über die internationalen technischen standards hinaus insoweit keine weitergehenden anforderungen aus bestimmten, für sich genommen mehrdeutigen, formulierungen einzelner sprachfassungen der richtlinie abgeleitet werden. 112letztlich sollen die messtechnischen werte auf dem unionsmarkt ebenso wie international auskunft geben über die obere und untere grenze des wägebereichs sowie die eichtoleranz einer waage. ihnen kommt damit vor allem bedeutung für den verwender zu, was auch in anhang iii nr. 1.4 der richtlinie 2014/31/eu zum ausdruck kommt, wonach die angaben max, min, e und d auch in der nähe der gewichtsanzeige angebracht sein müssen, soweit sie sich nicht ohnehin dort befinden. damit wird sichergestellt, dass die angaben beim wägevorgang für den verwender in jedem fall sichtbar sind und das messgerät im sinne von § 23 abs. 1 nr. 1 buchst. c) messev innerhalb des zulässigen messbereichs eingesetzt wird. für diesen zweck ist es ausreichend, dass die angaben digital in der anzeigeeinrichtung erscheinen. gründe, die eine dauerhafte sichtbarkeit der angaben auch im ausgeschalteten zustand der waage zwingend erfordern, lassen sich weder dem richtlinientext noch der darin zum ausdruck gekommenen regelungsabsicht entnehmen. insbesondere dienen die angaben nicht der identifikation der waage. hierfür verpflichtet die richtlinie in art. 6 abs. 5 unterabsatz 1 der richtlinie 2014/31/eu den hersteller sicherzustellen, dass von ihm in verkehr gebrachte waagen gemäß anhang iii der richtlinie eine typen-, chargen- oder seriennummer oder ein anderes identifikationskennzeichen tragen. 113vgl. zu den anforderungen der identifikation auch bekanntmachung der europäischen kommission, leitfaden für die umsetzung der produktvorschriften der eu 2016 („blue guide“), abl. c 272 vom 26.7.2016, s. 1, nr. 4.2. 114die streitgegenständlichen messtechnischen werte dienen – anders als die aufschriften zum namen des herstellers und dessen anschrift, vgl. art. 6 abs. 6 sowie erwägungsgründe 6 und 16 der richtlinie 2014/31/eu – auch nicht der rückverfolgbarkeit eines geräts. 115vgl. ergänzend dazu bekanntmachung der kommission, leitlinien für wirtschaftsakteure und marktüberwachungsbehörden zur praktischen umsetzung von artikel 4 der verordnung (eu) 2019/1020 über marktüberwachung und die konformität von produkten – abl. c 100 vom 23.3.2012, s. 1, nr. 2.3. 116insofern ist die von dem beklagten zitierte entscheidung des bundesgerichtshofs vom 9.7.2015 – i zr 224/13 – für den vorliegenden fall schon deshalb unergiebig, weil sich diese mit der frage auseinandersetzt, ob die kennzeichnung des herstellers von kopfhörern entsprechend der vorgaben aus § 9 elektrog (vormals § 7 elektrog) dauerhaft angebracht worden sei, wobei die regelung dem zweck diene, altgeräte mit blick auf die rücknahmepflicht des herstellers identifizieren zu können und dadurch die inanspruchnahme der kollektivgemeinschaft zu verhindern. 117vgl. bgh, urteil vom 9.7.2015 – i zr 224/13 –, juris, rn. 15. 118eine digitale anzeige der streitgegenständlichen messtechnischen werte begegnet weiter mit blick auf eine effektive kontrolle durch die marktaufsichtsbehörde keinen bedenken. weder in der richtlinie noch in der auch für produkte im sinne der richtlinie 2014/31/eu geltenden verordnung (eu) 2019/1020 über marktüberwachung und die konformität von produkten finden sich irgendwelche hinweise darauf, diese aufschriften sollten deshalb in besonderer weise ausgestaltet sein, um die ausübung der marktaufsicht zu erleichtern. aus art. 4 der verordnung (eu) 2019/1020 ergeben sich in erster linie aufgaben der wirtschaftsakteure im zusammenhang mit der angabe von kontaktdaten, der verfügbarkeit von konformitätserklärungen, der zu erstellenden technischen unterlagen und der zusammenarbeit mit der marktaufsichtsbehörde. 119vgl. bekanntmachung der kommission, leitlinien für wirtschaftsakteure und marktüberwachungsbehörden zur praktischen umsetzung von artikel 4 der verordnung (eu) 2019/1020 über marktüberwachung und die konformität von produkten, abl. c 100 vom 23.3.2021, s. 1, nr. 3. 120nach den erwägungsgründen 32 bis 34 der verordnung (eu) 2019/1020 sollte die marktüberwachung gründlich und wirksam sein, um sicherzustellen, dass die harmonisierungsvorschriften der union für produkte ordnungsgemäß angewandt werden. angesichts der tatsache, dass überprüfungen eine belastung für die wirtschaftsakteure darstellen können, sollten sich überwachungsmaßnahmen aber auf das notwendige maß beschränken. zugleich ist durch austausch von informationen zwischen den behörden der mitgliedstaaten auf eine möglichst gleichmäßige durchsetzung der harmonisierungsvorschriften im unionsgebiet zu achten. um diesen ansprüchen gleichermaßen gerecht zu werden, sieht art. 11 abs. 3 der verordnung (eu) 2019/1020 vor, dass die marktüberwachungsbehörden im rahmen ihrer tätigkeit in angemessenem umfang geeignete überprüfungen der merkmale von produkten vornehmen, indem sie in erster linie die unterlagen überprüfen und (nur) gegebenenfalls anhand angemessener stichproben physische überprüfungen und laborprüfungen durchführen. bei der entscheidung darüber, welche arten von produkten in welchem umfang welchen überprüfungen unterworfen werden sollen, gehen sie nach einem risikobasierten ansatz vor. dabei haben sie prüfberichte und konformitätsbescheinigungen nach art. 11 abs. 5 der verordnung (eu) 2019/1020 auch bezogen auf nichtselbsttätige waagen im sinne der richtlinie 2014/31/eu gebührend zu berücksichtigen. dies gilt schon deshalb, weil die konformitätsbewertungsstellen entsprechend den erwägungsgründen 26, 27 und 33 der richtlinie 2014/31/eu ihrerseits vorsorge für ein unionsweit einheitliches qualitätsniveau bei der konformitätsbewertung tragen. den zollbehörden wird bei produkten, die in die eu eingeführt werden sollen, insoweit von der europäischen kommission (nur) empfohlen zu überprüfen, ob der name und die kontaktdaten des wirtschaftsakteurs gemäß art. 4 der verordnung (eu) 2019/1020 auf dem produkt, seiner verpackung, dem paket oder einem begleitdokument angegeben sind. 121vgl. bekanntmachung der kommission, leitlinien für wirtschaftsakteure und marktüberwachungsbehörden zur praktischen umsetzung von artikel 4 der verordnung (eu) 2019/1020 über marktüberwachung und die konformität von produkten, abl. c 100 vom 23.3.2021, s. 1, nr. 5.2. 122anhaltspunkte für ein unionsrechtlich beabsichtigtes regelungsbedürfnis über die jederzeitige lesbarkeit der streitgegenständlichen messtechnischen werte unabhängig von verfügbarer stromversorgung etwa in hafencontainern, lassen sich den allgemeinen vorgaben zur marktüberwachung nicht entnehmen. 123auch aus der richtlinie 2014/31/eu kann nicht abgeleitet werden, dass für zwecke der marktaufsicht eine gegenüber internationalen technischen standards erleichterte wahrnehmbarkeit der streitgegenständlichen messtechnischen werte unionsrechtlich festgeschrieben werden sollte. den nachweis darüber, dass ein gerät, das zu den in art. 1 abs. 2 buchst. a) bis f) der richtlinie 2014/31/eu genannten zwecken verwendet werden soll, den anforderungen des anhangs i der richtlinie entspricht, führt der hersteller grundsätzlich mit dem konformitätsbewertungsverfahren, über welches eine eu-konformitätserklärung ausgestellt wird (vgl. art. 6 abs. 2 unterabsatz 2 i. v. m. abs. 1 der richtlinie 2014/31/eu). mit der anbringung der ce-kennzeichnung sowie der zusätzlichen metrologie-kennzeichnung am jeweiligen gerät soll nach den erwägungsgründen 23, 26, 27 und 33 der richtlinie 2014/31/eu die konformität einer nichtselbsttätigen waage zum ausdruck gebracht werden, wodurch unnötiger aufwand für die wirtschaftsakteure vermieden werden soll. dementsprechend stellt der erwägungsgrund 22 der richtlinie 2014/31/eu klar, dass die eu-konformitätserklärung einen wirksamen zugang zu informationen für die zwecke der marktaufsicht bietet. in diesem sinne stellen die hersteller gemäß art. 6 abs. 9 satz 1 der richtlinie 2014/31/eu auf begründetes verlangen der zuständigen nationalen behörden alle informationen und unterlagen zur verfügung, die für den nachweis der konformität des geräts mit der richtlinie erforderlich sind. 124werden die messtechnischen werte zu max, min und e ausschließlich bei betrieb im display der waage angezeigt, erstreckt sich der nachweis des konformitätsbewertungsverfahrens nach § 6 abs. 3 satz 1 messeg i. v. m. § 9 abs. 1 sätze 1 und 2 messev i. v. m. anlage 3 tabelle 1 spalte 4 und anlage 4 messev bauartbedingt ebenso darauf, ob die gerätespezifischen wesentlichen anforderungen nach anhang i der richtlinie 2014/31/eu hierauf bezogen erfüllt sind. die technischen anforderungen an die – im hinblick auf die beabsichtigte verwendung des geräts normale zeit im sinne von anhang i nr. 8.3 der richtlinie 2014/31/eu erforderliche – dauerhaftigkeit richten sich entsprechend der normativ insoweit maßgeblichen klarstellung in nr. 7.1.2 din en 45501:2015 nach den vorgaben über gerätespezifische parameter, die gesichert sein sollten (unveränderbare kennwerte) im sinne von nr. t.2.8.4. für diese gerätespezifischen parameter gelten zugleich die wesentlichen anforderungen nach anhang i der richtlinie 2014/31/eu, auf die sich die konformitätsvermutung nach art. 12 der richtlinie 2014/31/eu (§ 7 abs. 1 messeg) bei übereinstimmung mit den vorgaben der din en 45501:2015 bezieht. aus der eu-baumusterprüfbescheinigung muss sich die übereinstimmung mit den insoweit für die digitale anzeige messtechnischer werte geltenden anforderungen nach anhang i der richtlinie ergeben. fehlt also eine analoge aufschrift an einem zu prüfenden gerät, lässt sich ohne einschalten des geräts seine konformität mit der richtlinie zutreffend bereits der eu-baumusterprüfbescheinigung entnehmen. nur bei einer analogen aufschrift genügt diese allein zur wirksamen prüfung durch die marktaufsichtsbehörde. abgesehen davon kann bei – allenfalls ausnahmsweise bestehendem – konkretem verdacht, dass eine ausführung nicht der eu-baumusterprüfbescheinigung entspricht, ein gerät für die überprüfung auch kurzfristig in betrieb genommen werden. es spricht nichts dafür, dass für eine nach dem gebotenen risikobasierten ansatz (nur) in ausnahmefällen veranlasste überprüfung, ob die waage mit den erforderlichen aufschriften zu min, max und e versehen ist, strengere maßstäbe gelten sollen. 125gleiches gilt mit blick auf die einfuhr von waagen in den zollrechtlich freien verkehr, die hier allerdings gar nicht in rede steht. gemäß art. 8 abs. 1 der richtlinie 2014/31/eu dürfen einführer nur richtlinienkonforme geräte in verkehr bringen. die richtlinie sieht aber nicht die überprüfung jedes einzelnen geräts auf seine richtlinienkonformität durch die für die einfuhrkontrolle zuständige nationale behörde vor. auch hier gilt, dass der nachweis der konformität durch ein erfolgreich durchgeführtes konformitätsbewertungsverfahren geführt wird. entsprechend hat der einführer gemäß art. 8 abs. 2 der richtlinie 2014/31/eu vor inverkehrbringen eines solchen geräts sicherzustellen, dass das konformitätsbewertungsverfahren nach art. 13 der richtlinie 2014/31/eu vom hersteller durchgeführt worden ist, der hersteller die technischen unterlagen erstellt hat, dass das gerät mit der ce-kennzeichnung und der zusätzlichen metrologie-kennzeichnung versehen ist, dass ihm die erforderlichen unterlagen beigefügt sind und dass der hersteller die anforderungen von art. 6 abs. 5 und 6 der richtlinie 2014/31/eu – also die kennzeichnungspflichten – erfüllt hat (art. 8 abs. 2 der richtlinie 2014/31/eu). der einführer hat über einen zeitraum von zehn jahren nach inverkehrbringen des geräts eine abschrift der eu-konformitätserklärung für die marktüberwachungsbehörden bereit zu halten und sorge dafür zu tragen, dass diesen die technischen unterlagen auf verlangen vorgelegt werden können (art. 8 abs. 8 der richtlinie 2014/31/eu). 126b) der nationale verordnungsgeber hat die vorgaben aus der richtlinie 2014/31/eu in § 13 abs. 1 satz 1 halbsatz 1 messev übernommen. soweit es – anders als in anhang iii nr. 1.1 der richtlinie 2014/31/eu – in § 13 abs. 1 satz 1 halbsatz 2 messev heißt, die kennzeichnungen und aufschriften müssen klar, unauslöschlich, eindeutig und nicht übertragbar sein, geht dies allein auf die formulierung in anhang i nr. 9.8 der richtlinie 2014/32/eu zurück, deren umsetzung die regelung ebenfalls dient und wonach alle markierungen und aufschriften klar, unauslöschlich, eindeutig und nicht übertragbar sein dürfen. 127vgl. nr. 13 einleitung messev; br-drs. 493/14, s. 146. 128der verordnungsgeber hat hier offensichtlich die formulierungen aus den richtlinien 2014/31/eu und 2014/32/eu schlicht nacheinander aufgeführt, ohne hieraus mit blick auf die anforderungen an kennzeichnungen und aufschriften bei nichtselbsttätigen waagen über die regelungen der richtlinie 2014/31/eu hinausgehende vorgaben treffen zu wollen. 1292. nach alledem sind die anforderungen des §§ 13 abs. 1 satz 1, 15 abs. 3 satz 2 messev hier erfüllt. ausweislich der von der nmi certin b. v. unter dem 7.7.2020 ausgestellten eu-baumusterprüfbescheinigung werden die angaben zu max, min und e ausschließlich im display der waage angezeigt (nr. 1.3 der bescheinigung). dort sind sie bei betrieb der waage stets zusammen mit dem gemessenen wägeergebnis zu sehen, befinden sich also entsprechend § 15 abs. 3 satz 2 messev in der nähe der gewichtsanzeige und sind bei normaler gebrauchslage der waage gut sichtbar und lesbar im sinne von § 13 abs. 1 satz 1 messev. anhaltspunkte dafür, dass die angaben unklar sind, liegen nicht vor. weiter hat die klägerin die erforderliche dauerhaftigkeit in gestalt eines rechtlich hinreichenden missbrauchsschutzes sichergestellt. die angaben sind im dargestellten sinne dauerhaft, unauslöschlich und unübertragbar. laut eu-baumusterprüfbescheinigung ist der zugang zur software durch eichsiegel gesichert. im inneren des gehäuses der wiegeplattform befindet sich eine justiersperre. damit hat die klägerin entsprechend anhang i nr. 8.5 der richtlinie 2014/31/eu, welcher gemäß § 6 abs. 2 messeg i. v. m. § 8 abs. 1 nr. 11 i. v. m. anlage 3 tabelle 1 spalte 3 messev anwendbar ist, die erforderlichen maßnahmen ergriffen, um die möglichkeiten unbeabsichtigten missbrauchs so klein wie möglich zu halten. die technische realisierung der digitalen angabe der hier streitgegenständlichen messtechnischen werte entspricht den vorgaben der harmonisierten norm din en 4551:2015, sodass insofern die konformitätsvermutung des § 7 abs. 1 satz 1 nr. 1 messeg greift. 130ii. erweist sich danach die untersagungsverfügung in nr. 1 des angefochtenen bescheids als rechtwidrig, ist die androhung unmittelbaren zwangs für den fall der nichtbefolgung der untersagungsverfügung in nr. 2 der angegriffenen ordnungsverfügung des landesbetriebs ebenfalls rechtswidrig. 131die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 1 vwgo. 132die entscheidung zur vorläufigen vollstreckbarkeit beruht auf § 167 vwgo i. v. m. § 708 nr. 10, 711 zpo. 133die revision ist wegen der grundsätzlichen bedeutung der rechtssache zuzulassen, § 132 abs. 2 nr. 1 vwgo. die mit dem verfahren verbundenen rechtsfragen sind nicht nur für die beteiligten des konkreten verfahrens, sondern auch für andere marktüberwachungsbehörden und hersteller ähnlicher geräte relevant.
346,589
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29 K 6059/21
2022-09-07T00:00:00
Urteil
Tenor Der mit E-Mail vom 25. Juni 2021 übersandte Beschluss ohne Datum wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in derselben Höhe leistet. 1Tatbestand: 2Die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der J. GmbH produziert und vermarktet Fernsehsendungen und -beiträge. Sie befindet sich in außergerichtlichen Auseinandersetzungen mit der E. GmbH über Vergütungsansprüche. Deren Geschäftsführerin, Frau K. C. (im Folgenden: Beschwerdeführerin), beschwerte sich mit Schreiben an die Landesbeauftragte für Informationssicherheit und Datenschutz (im Folgenden: LDI) vom 4. Dezember 2020, dass die Klägerin ihrem Auskunftsantrag nach der Datenschutz-Grundverordnung vom 16. Oktober 2020 nicht nachgekommen sei. Die LDI gab die Beschwerde mit Schreiben vom 18. Dezember 2020 zuständigkeitshalber an die Beklagte, die Datenschutzbeauftragte der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM NRW) ab. 3Auf die entsprechende Bitte der Beklagten nahm der Datenschutzbeauftragte der Klägerin unter dem 25. Januar 2021 zur Beschwerde Stellung. 4Mit der datenschutzrechtlichen Überprüfung beauftragte die Beklagte eine Anwaltskanzlei, die der Beklagten mit E-Mail vom 26. Mai 2021 zwei vorbereitete Schreiben als Word- Dokumente übersandte, je eines an die Vertreter der Beschwerdeführerin und eines an die Beschwerdegegnerin. In der E-Mail heißt es: „Wenn Sie mit den Entwürfen einverstanden sind, können Sie diese gerne einfach unter dem Briefkopf der LfM NRW versenden.“ 5Nach einem Telefonat der Beklagten mit dem Datenschutzbeauftragten der Klägerin übersandte die Beklagte mit E-Mail vom 25. Juni 2021 das vorbereitete Schreiben, das mit der in eckigen Klammern gesetzten Kopfzeile „Mitteilung an die Beschwerdegegnerin“ überschrieben ist. In der E-Mail heißt es u.a.: „Haben Sie vielen Dank für das angenehme Telefonat. Anbei sende ich Ihnen, wie besprochen, den Beschluss über das oben genannte Auskunftsersuchen. Ich werde die Gegenseite ebenfalls über die Entscheidung in Kenntnis setzen.“ 6Bei dem übersandten Schreiben selbst handelt es sich um eine ungeschützte MS-Word-Datei, die weder einen Briefkopf, noch ein Aktenzeichen, Datum oder eine Unterschrift bzw. Namensnennung der handelnden Person enthält. Es ist mit „Beschluss“ überschrieben und enthält die datenaufsichtsrechtliche Anweisung, der Beschwerdeführerin Kopien der sie betreffenden personenbezogenen Daten, die von der Klägerin verarbeitet werden, unverzüglich zur Verfügung zu stellen. Beigefügt war eine Rechtsbehelfsbelehrung. 7Mit Schreiben der vormaligen Bevollmächtigten der Landesanstalt für Medien NRW vom 5. Juli 2021 an die Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin teilten diese mit, dass ihre Mandantin dem Beschluss der Landesanstalt für Medien NRW vom 25. Juni 2021 Folge leisten werde. 8Am 7. September 2021 hat die Klägerin unter Beifügung des per E-Mail übersandten Schreibens als Anlage K2 Klage erhoben, mit der sie geltend macht: Die Klage sei als Anfechtungsklage statthaft, weil sie davon ausgehen müsse, dass es sich bei dem Dokument um einen belastenden Verwaltungsakt handele. Dem stehe nicht entgegen, dass sie die Nichtigkeit und damit Unwirksamkeit dieses Verwaltungsakts annehme. Sie könne nicht mit dem Rechtsschein belastet werden, der sich aus der faktischen Existenz einer Maßnahme ihr gegenüber ergebe. Die Anfechtung sei fristgerecht erfolgt, da der Beschluss nicht wirksam bekannt gegeben worden sei. Der erforderliche Bekanntgabewille könne aus Sicht des verständigen Empfängers nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden. In der Gesamtschau sei davon auszugehen, dass die Beklagte mit dem Dokument lediglich einen Entwurf übersandt habe. An dieser Bewertung ändere auch die Begleit-E-Mail vom 25. Juni 2021 nichts, da der Entwurfscharakter des angehängten MS-Word-Dokuments nicht durch belastbare Anhaltspunkte beseitigt worden sei. Der Adressat müsse sich aber sicher sein können, dass ihm gegenüber ein Verwaltungsakt verkündet worden sei. Unklarheiten gingen zu Lasten der Behörde. Jedenfalls sei der Verwaltungsakt mit der Folge der Unwirksamkeit nichtig, weil er die erlassende Behörde nicht erkennen lasse. Der Absender einer E-Mail sei nicht gleichzusetzen mit dem Aussteller eines als Anhang übersandten Dokuments. Im Begleittext der E-Mail sei auch nur von „Beschluss“ die Rede, nicht von „meinem Beschluss“. Der Beschluss sei ferner materiell rechtswidrig, weil dem Auskunftsanspruch der Beschwerdeführerin der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenstehe. 9Die Klägerin beantragt schriftsätzlich, 101. den Beschluss (gemäß Anl. K2) aufzuheben; 112. hilfsweise festzustellen, dass dieser Beschluss (gemäß Anl. K2) nichtig ist. 12Die Beklagte beantragt schriftsätzlich, 13die Klage abzuweisen. 14Sie macht geltend: Die Klage sei bereits unzulässig, weil die Klagefrist nicht eingehalten worden sei. Der streitgegenständliche Beschluss sei der Klägerin bekannt gegeben worden. Sowohl der Datenschutzbeauftragte als auch die Geschäftsführung der Klägerin hätten den Beschluss tatsächlich zur Kenntnis genommen. Durch ihr Verhalten nach Übersendung des Beschlusses bestätige die Klägerin, dass sie den Beschluss tatsächlich erhalten habe, ihn als verbindlich angesehen habe und dass sie ihm Folge leisten wolle. Der Bekanntgabewille der Beklagten liege auf der Hand. Der Beschluss sei willentlich in den Machtbereich der Klägerin gelangt. Der Beschluss sei zuvor bereits angekündigt worden. Allen Beteiligten sei klar gewesen, dass der Beschluss gegenüber der Klägerin Rechtsfolgen habe auslösen sollen. Der Beschluss sei ausdrücklich und ausschließlich unter der Signatur der Beklagten und unter ausdrücklicher Nennung der Klägerin als Adressatin übermittelt worden. Der Beschluss sei Bestandteil einer E-Mail gewesen, hinsichtlich des Absenders der E-Mail gebe es nach einer objektiven Betrachtung keine Zweideutigkeit. Der Absender einer E-Mail könne mit dem Aussteller eines als Anhang übersandten Dokuments gleichgesetzt werden, wenn aus den Gesamtumständen für den Empfänger ersichtlich sei, dass der Absender der E-Mail auch der Absender des in Rede stehenden angehängten Dokument sein solle. Es gebe nur eine einzige Behörde, die in Erscheinung getreten sei. Im Übrigen sei der von der Klägerin angefochtene Beschluss auch materiell rechtmäßig. Rechtsmissbrauch könne der Geltendmachung von Auskunftsrechten nach der Datenschutz-Grundverordnung nur in äußerst krassen und evidenten Fällen entgegen gehalten werden. 15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. 16Entscheidungsgründe: 17Die Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch die Berichterstatterin entschieden werden kann (§§ 101 Abs. 2, 87a Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), hat Erfolg. 18Sie ist mit ihrem Hauptantrag als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft, zulässig und begründet. 19Gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO kann durch Klage die Aufhebung eines Verwaltungsakts begehrt werden. Zwar handelt es sich bei dem per E-Mail übersandten Beschluss nicht um einen materiellen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 S. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW). Die Beklagte hat jedoch gezielt den Rechtsschein des Vorliegens eines Verwaltungsaktes dadurch erweckt, dass das streitgegenständliche Schreiben einen Entscheidungssatz und eine Rechtsbehelfsbelehrung enthält. 20Die Auslegung des mit „Beschluss“ überschriebenen Dokuments nach Maßgabe eines objektiven Empfängerhorizonts unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben ergibt, dass eine für die Klägerin als Adressatin verbindliche behördliche Regelung nicht vorliegt und das am 25. Juni 2021 übersandte Schreiben damit nicht als Verwaltungsakt im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG NRW zu qualifizieren ist. 21Maßgeblich für die Beurteilung, ob ein behördlicher Akt die materiellen Merkmale eines Verwaltungsakts aufweist, ist der objektive Erklärungswert der Maßnahme, d. h. wie der Adressat unter Berücksichtigung der äußeren Form, Abfassung, Begründung, Beifügung einer Rechtsmittelbelehrung und aller sonstigen ihm bekannten oder erkennbaren Umstände nach Treu und Glauben bei objektiver Auslegung analog §§ 157, 133 BGB die Erklärung oder das Verhalten der Behörde verstehen durfte bzw. musste. Zu würdigen ist der gesamte Inhalt der Erklärung einschließlich der Gesamtumstände. Zur Auslegung können auch der Erläuterungsteil eines Schreibens sowie dem Schreiben bzw. dem Verwaltungsakt beigefügte Unterlagen herangezogen werden. Maßgeblich kommt es dabei auf den Empfängerhorizont an. 22Vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH BW), Urteil vom 15. Oktober 2009 – 2 S 1457/09 -, juris Rn. 33; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer Verwaltungsverfahrensgesetz, § 35 Rn. 3a, 54, m.w.N. 23Der Wille der Behörde, einen Verwaltungsakt, also eine Maßnahme zu erlassen, welche die Kriterien des § 35 VwVfG erfüllt, reicht allein nicht aus. 24Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer Verwaltungsverfahrensgesetz, § 35 Rn. 3a. 25Hiernach ist das mit E-Mail der Beklagten vom 25. Juni 2021 übermittelte Dokument nicht als materieller Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG NRW zu werten. 26Zwar ist das streitgegenständliche Dokument mit „Beschluss“ überschrieben und enthält neben einem Tenor mit Begründung auch eine Rechtsbehelfsbelehrung. Das Schreiben konnte aus objektiver Empfängersicht gleichwohl nicht so verstanden werden, dass die Beklagte schon damit eine verbindliche, das Beschwerdeverfahren abschließende Anweisung erlassen wollte. Es erweckt bei objektiver Auslegung vielmehr den Eindruck eines Entwurfs, dem der eigentliche Verwaltungsakt noch nachfolgen würde. 27Das ergibt sich zunächst daraus, dass es sich bei dem übersandten Schreiben um ein elektronisch veränderbares Word-Dokument handelt und nicht um ein elektronisch geschütztes, unveränderbares Dokument. Die in eckige Klammern gesetzte Kopfzeile „[Mitteilung an die Beschwerdegegnerin]“ zeigt zudem, dass hier noch etwas auszufüllen gewesen wäre. Wenn ein elektronisches Dokument übermittelt wird, das ersichtlich noch bearbeitet werden soll und darüber hinaus auch (von beiden Seiten) verändert werden kann, spricht aus Empfängersicht bereits aufgrund dieser äußeren Form vieles dafür, dass es sich nicht um die gültige Endfassung handeln kann, sondern nur um eine vorläufige. 28Bei belastenden Maßnahmen – wie hier – sind unter dem Gesichtspunkt der Formenklarheit aber strenge Anforderungen für das Vorliegen eines Verwaltungsakts aufzustellen. Es muss unmissverständlich erkennbar werden, dass das Verwaltungsverfahren durch die Erklärung (bestandskraftfähig) abgeschlossen werden soll. 29Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage, § 35 Rn. 73. 30Das ist bei dem streitgegenständlichen Dokument nicht klar. Denn über die unübliche Formatierung hinaus weist das Schreiben auch sonst keines der für einen Verwaltungsakt typischen Formelemente auf. Es fehlen sowohl der Bearbeitername als auch die Signatur bzw. Unterschrift. Das Schreiben enthält außerdem weder den Behördenkopf, noch den Adressaten, noch ein Datum. Ebenso wenig findet sich darin ein behördliches Aktenzeichen. Dass es überhaupt aus der Sphäre der Beklagten oder der Landesmedienanstalt stammt, lässt sich allein der E-Mail der Beklagten entnehmen, mit der das Schreiben übersendet wurde. Für sich genommen ist das Dokument nicht als behördliches Schreiben zu erkennen. 31Auch bei einer Heranziehung des Begleitschreibens vom 25. Juni 2021 wird nicht deutlich, dass eine verbindliche Regelung getroffen werden sollte. Die dort verwendete Formulierung „anbei sende ich Ihnen, wie besprochen, den Beschluss über das oben genannte Auskunftsersuchen“ schließt die aus dem Entwurfscharakter des Schreibens resultierende Erwartung nicht aus, der „fertige“ Beschluss werde noch, wie üblich, per Post folgen. Eine Klarstellung des behördlichen Willens, hiermit einen Verwaltungsakt zu erlassen – etwa der Hinweis, dass das Beschwerdeverfahren mit dem übersandten Beschluss abgeschlossen sei – wurde im Begleitschreiben nicht vorgenommen. 32Unklarheiten hinsichtlich der von der Behörde gewählten Form gehen zu deren Lasten. 33VGH BW, Urteil vom 15. Oktober 2009 – 2 S 1457/09 -, juris Rn. 32; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer Verwaltungsverfahrensgesetz, § 35 Rn. 55, m.w.N. 34Der Bürger als Empfänger einer nach ihrem objektiven Erklärungsinhalt missverständlichen Willensäußerung der Verwaltung darf durch solche Unklarheiten nicht benachteiligt werden. 35BVerwG, Urteil vom 12. Januar 1973 – VII C 3.71, juris Rn. 16. 36Der Klägerin kann auch nicht entgegengehalten werden, sie habe das Dokument als verbindlichen Beschluss der Beklagten verstanden. Auf ihre subjektive Sicht kommt es bereits nicht an. Verwaltungsakte sind Willenserklärungen. Entscheidend für die Auslegung einer Willenserklärung ist der erklärte Wille der Behörde und der sich daraus ergebende objektive Erklärungsinhalt der Regelung, wie ihn der Betroffene nach den ihm bekannten Umständen aus der Sicht eines objektiven Betrachters unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte. 37Vgl. VGH BW, Urteil vom 15. Oktober 2009 – 2 S 1457/09 -, juris Rn. 33. 38Nach Maßgabe eines objektiven Empfängerhorizonts ist das streitgegenständliche Dokument aber, wie oben ausgeführt, als unverbindlicher Entwurf zu werten. Abgesehen davon zeigt die vorliegende Klage, dass für die Klägerin gerade nicht unmissverständlich erkennbar war, dass das Aufsichtsverfahren durch das Schreiben bestandskraftfähig abgeschlossen werden sollte. 39Schließlich kann in dem der E-Mail vom 25. Juni 2021 vorangegangenen Telefonat zwischen der Beklagten und dem Datenschutzbeauftragten der Klägerin auch kein (verbindlicher) mündlicher Verwaltungsakt gesehen werden. In dem Telefonat hatte die Beklagte den Beschluss angekündigt. Sprechen aber Anzeichen dafür, dass die Behörde einen Verwaltungsakt schriftlich erlassen wird, kann eine mündliche Äußerung eines Bediensteten nicht dahin ausgelegt werden, sie sei bereits die abschließende Entscheidung. 40Die Klägerin kann gegen das streitgegenständliche Dokument im Wege der Anfechtungsklage vorgehen. Bedient sich die Behörde der Handlungsform des Verwaltungsakts und wählt die Rechtsbehelfsbelehrung entsprechend, darf der Adressat dies so hinnehmen und die Wahl seines Rechtsbehelfs danach ausrichten. 41Vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 15. November 2002 – 3 CS 02.2258 –, juris Rn. 30. 42Die Anfechtungsklage ist auch zulässig, insbesondere wurde sie fristgerecht erhoben. 43Maßnahmen, die aufgrund des von der Behörde gesetzten Anscheins vom Adressaten als Verwaltungsakt verstanden werden mussten, jedoch – wie hier - die übrigen Kriterien des § 35 Satz 1 VwVfG nicht erfüllen, sind aufgrund des von der Behörde zurechenbar gesetzten Rechtsscheins als (aufhebbare) Verwaltungsakte im nur formellen Sinne zu verstehen. 44Vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 22. Aufl. 2021, § 35 Rn. 3b; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2018, § 35 Rn. 16. 45Es kann dahinstehen, ob daraus folgt, dass auch bei solchen Verwaltungsakten die Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung einzuhalten ist. Denn vorliegend ist jedenfalls keine wirksame Bekanntgabe des mit „Beschluss“ überschriebenen Dokuments erfolgt. Mangels wirksamer Bekanntgabe des „Beschlusses“ wurde die Klagefrist des § 74 Abs. 1 VwGO nicht in Lauf gesetzt. 46Gemäß § 41 Abs. 1 S. 1 VwVfG NRW ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekanntzugeben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. 47Unter Bekanntgabe ist allgemein die Eröffnung des Verwaltungsakts gegenüber dem Betroffenen, d.h. die Tatsache des Ergehens und des Inhalts des Verwaltungsakts, mit Wissen und Wollen der Behörde, die den Verwaltungsakt erlässt, zu verstehen. 48Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer Verwaltungsverfahrensgesetz, § 41 Rn. 6.; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage, § 41 Rn. 53 m.w.N. 49Dabei setzt jede Form der Bekanntgabe voraus, dass ein sogenannter Bekanntgabewille der Behörde vorliegt. 50Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage, § 41 Rn. 53 m.w.N. 51Am Bekanntgabewillen der Beklagten fehlt es. Das streitgegenständliche Schreiben mag mit Willen der Beklagten in die Sphäre der Klägerin gelangt sein. Die Übersendung des Schreibens per E-Mail konnte von der Klägerin jedoch nicht zweifelsfrei als Bekanntgabe einer verbindlichen Anweisung erkannt werden. Denn die Vorgehensweise der Beklagten war, wie oben ausgeführt, missverständlich. Aufgrund der äußeren Form des Dokuments war unklar, ob die Beklagte der Klägerin nicht lediglich einen Entwurf zur Kenntnis gegeben hat und der eigentliche Verwaltungsakt nachfolgend per Post bekannt gegeben werden sollte. 52Regelmäßig wird der Bekanntgabewille bei schriftlichen Verwaltungsakten aus der Unterschrift oder Namenswiedergabe oder aus sonstigen Umständen geschlossen. 53Vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage, § 41 Rn. 53. 54Das übersandte Schriftstück enthält aber weder einen Briefkopf noch ein Datum, Namen oder Unterschrift. Das Begleitschreiben trägt zur Verdeutlichung nichts bei. 55Hinzu kommt, dass die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts von der zuständigen Behörde veranlasst werden muss. 56Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 22. Aufl. 2021, § 41 Rn. 7. 57Welche Behörde die Übersendung des „Beschlusses“ veranlasst hat, ist jedoch unklar. Sie erschließt sich aus dem Dokument selbst nicht, aber auch nicht aus der begleitenden E-Mail. In Betracht kommen entgegen der Auffassung der Beklagten zwei Behörden, nämlich sowohl die Beklagte als Aufsichtsbehörde, als auch die LfM NRW. Die E-Mail wurde zwar vom E-Mail-Postfach des damaligen Datenschutzbeauftragten Q. übersandt. Unter der Bezeichnung „Datenschutzbeauftragter“ findet sich aber zusätzlich „Landesanstalt für Medien NRW“ nebst deren Adresse, Internetadresse und Twitter-Account. Zu Recht weist die Klägerin darauf hin, dass der E-Mail-Absender und der Aussteller eines als Anhang der E-Mail übersendeten Dokuments nicht identisch sein müssen, so dass die Beklagte auch einen Beschluss der LfM NRW übersenden konnte. Aus dem Text der E-Mail wird die erlassende Behörde nicht deutlich. Darin ist in neutraler Form nur von dem Beschluss die Rede, nicht von „meinem“ Beschluss. Ob der Beklagten bewusst war, dass sie selbst als Behörde einen aufsichtsrechtlichen Beschluss erlässt, ist zudem zweifelhaft. Die beratende Anwaltskanzlei hatte, obwohl das Dokument Ausführungen zur Zuständigkeit der Beklagten enthält, darauf verwiesen, dass der Beschluss „unter dem Briefkopf der LfM NRW“ zu versenden ist. Dass das streitgegenständliche Dokument (auch) nach dem Empfängerhorizont offenbar nicht als verbindlicher Beschluss der Beklagten zu verstehen war, zeigt das Schreiben der früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin an die Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin vom 5. Juli 2021. Darin wird der „Beschluss der Landesanstalt für Medien NRW vom 25. Juni 2021“ genannt. 58Die durch die Form von E-Mail und übersandtem Dokument auf Seiten der Klägerin entstandene Unklarheit über die Bekanntgabe des „Beschlusses“ geht zu Lasten der Beklagten, die Vorsorge dafür treffen muss, dass eine von ihr gewollte Bekanntgabe per E-Mail vom Empfänger eindeutig als solche erkannt werden kann. 59Vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 15. April 1997 – Bs II 177/96 -, juris Rn. 21. 60Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene, mit E-Mail der Beklagten vom 25. Juni 2021 übermittelte „Beschluss“ ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Er erweckt den Rechtsschein, über das Auskunftsersuchen der Beschwerdeführerin abschließend in Form eines Verwaltungsakts, nämlich einer Anweisung gemäß Art. 58 Abs. 2 lit. c) DSGVO, zu entscheiden, zumal die Beklagte das mit „Beschluss“ überschriebene Dokument auch der Beschwerdeführerin zugeleitet hat. Bei dieser Sachlage gebietet nicht zuletzt das aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 Grundgesetz folgende Erfordernis der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes, den von dem streitgegenständlichen Dokument ausgehenden Rechtsschein zu beseitigen. Der Bürger als Empfänger einer nach ihrem objektiven Erklärungsinhalt missverständlichen Willensäußerung der Verwaltung darf durch etwaige Unklarheiten nicht benachteiligt werden. 61Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 26. Juni 1987 - 8 C 21/86 -, BVerwGE 78, 3 ff., juris Rn. 9. 62Die Beseitigung des Rechtsscheins kann im Entscheidungssatz nur dadurch erreicht werden, dass der von der Beklagten so bezeichnete "Beschluss" aufgehoben wird. 63Vgl. Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 17. Dezember 2010 - 2 B 260/10 -, juris Rn. 17; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 10. Dezember 2013 – 12 K 5403/11 -, juris Rn. 31 m.w.N. 64Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO. 65Rechtsmittelbelehrung: 66Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. 67Auf die seit dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 68Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. 69Die Berufung ist nur zuzulassen, 701. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 712. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 723. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 734. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 745. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. 75Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich einzureichen. 76Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen. 77Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen. 78Die Antragsschrift und die Zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst 3-fach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. 79Beschluss: 80Der Streitwert wird auf 5.000,-- Euro festgesetzt. 81Gründe: 82Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 2 GKG erfolgt. 83Rechtsmittelbelehrung: 84Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. 85Auf die seit dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 86Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 87Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt. 88Die Beschwerdeschrift soll möglichst 3-fach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. 89War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
der mit e-mail vom 25. juni 2021 übersandte beschluss ohne datum wird aufgehoben. die beklagte trägt die kosten des verfahrens. die beklagte darf die zwangsvollstreckung durch sicherheitsleistung oder hinterlegung i.h.v. 110 % des vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht die klägerin vorher sicherheit in derselben höhe leistet. 1
2die klägerin als rechtsnachfolgerin der j. gmbh produziert und vermarktet fernsehsendungen und -beiträge. sie befindet sich in außergerichtlichen auseinandersetzungen mit der e. gmbh über vergütungsansprüche. deren geschäftsführerin, frau k. c. (im folgenden: beschwerdeführerin), beschwerte sich mit schreiben an die landesbeauftragte für informationssicherheit und datenschutz (im folgenden: ldi) vom 4. dezember 2020, dass die klägerin ihrem auskunftsantrag nach der datenschutz-grundverordnung vom 16. oktober 2020 nicht nachgekommen sei. die ldi gab die beschwerde mit schreiben vom 18. dezember 2020 zuständigkeitshalber an die beklagte, die datenschutzbeauftragte der landesanstalt für medien nordrhein-westfalen (lfm nrw) ab. 3auf die entsprechende bitte der beklagten nahm der datenschutzbeauftragte der klägerin unter dem 25. januar 2021 zur beschwerde stellung. 4mit der datenschutzrechtlichen überprüfung beauftragte die beklagte eine anwaltskanzlei, die der beklagten mit e-mail vom 26. mai 2021 zwei vorbereitete schreiben als word- dokumente übersandte, je eines an die vertreter der beschwerdeführerin und eines an die beschwerdegegnerin. in der e-mail heißt es: „wenn sie mit den entwürfen einverstanden sind, können sie diese gerne einfach unter dem briefkopf der lfm nrw versenden.“ 5nach einem telefonat der beklagten mit dem datenschutzbeauftragten der klägerin übersandte die beklagte mit e-mail vom 25. juni 2021 das vorbereitete schreiben, das mit der in eckigen klammern gesetzten kopfzeile „mitteilung an die beschwerdegegnerin“ überschrieben ist. in der e-mail heißt es u.a.: „haben sie vielen dank für das angenehme telefonat. anbei sende ich ihnen, wie besprochen, den beschluss über das oben genannte auskunftsersuchen. ich werde die gegenseite ebenfalls über die entscheidung in kenntnis setzen.“ 6bei dem übersandten schreiben selbst handelt es sich um eine ungeschützte ms-word-datei, die weder einen briefkopf, noch ein aktenzeichen, datum oder eine unterschrift bzw. namensnennung der handelnden person enthält. es ist mit „beschluss“ überschrieben und enthält die datenaufsichtsrechtliche anweisung, der beschwerdeführerin kopien der sie betreffenden personenbezogenen daten, die von der klägerin verarbeitet werden, unverzüglich zur verfügung zu stellen. beigefügt war eine rechtsbehelfsbelehrung. 7mit schreiben der vormaligen bevollmächtigten der landesanstalt für medien nrw vom 5. juli 2021 an die bevollmächtigten der beschwerdeführerin teilten diese mit, dass ihre mandantin dem beschluss der landesanstalt für medien nrw vom 25. juni 2021 folge leisten werde. 8am 7. september 2021 hat die klägerin unter beifügung des per e-mail übersandten schreibens als anlage k2 klage erhoben, mit der sie geltend macht: die klage sei als anfechtungsklage statthaft, weil sie davon ausgehen müsse, dass es sich bei dem dokument um einen belastenden verwaltungsakt handele. dem stehe nicht entgegen, dass sie die nichtigkeit und damit unwirksamkeit dieses verwaltungsakts annehme. sie könne nicht mit dem rechtsschein belastet werden, der sich aus der faktischen existenz einer maßnahme ihr gegenüber ergebe. die anfechtung sei fristgerecht erfolgt, da der beschluss nicht wirksam bekannt gegeben worden sei. der erforderliche bekanntgabewille könne aus sicht des verständigen empfängers nicht mit hinreichender sicherheit festgestellt werden. in der gesamtschau sei davon auszugehen, dass die beklagte mit dem dokument lediglich einen entwurf übersandt habe. an dieser bewertung ändere auch die begleit-e-mail vom 25. juni 2021 nichts, da der entwurfscharakter des angehängten ms-word-dokuments nicht durch belastbare anhaltspunkte beseitigt worden sei. der adressat müsse sich aber sicher sein können, dass ihm gegenüber ein verwaltungsakt verkündet worden sei. unklarheiten gingen zu lasten der behörde. jedenfalls sei der verwaltungsakt mit der folge der unwirksamkeit nichtig, weil er die erlassende behörde nicht erkennen lasse. der absender einer e-mail sei nicht gleichzusetzen mit dem aussteller eines als anhang übersandten dokuments. im begleittext der e-mail sei auch nur von „beschluss“ die rede, nicht von „meinem beschluss“. der beschluss sei ferner materiell rechtswidrig, weil dem auskunftsanspruch der beschwerdeführerin der einwand des rechtsmissbrauchs entgegenstehe. 9die klägerin beantragt schriftsätzlich, 101. den beschluss (gemäß anl. k2) aufzuheben; 112. hilfsweise festzustellen, dass dieser beschluss (gemäß anl. k2) nichtig ist. 12die beklagte beantragt schriftsätzlich, 13die klage abzuweisen. 14sie macht geltend: die klage sei bereits unzulässig, weil die klagefrist nicht eingehalten worden sei. der streitgegenständliche beschluss sei der klägerin bekannt gegeben worden. sowohl der datenschutzbeauftragte als auch die geschäftsführung der klägerin hätten den beschluss tatsächlich zur kenntnis genommen. durch ihr verhalten nach übersendung des beschlusses bestätige die klägerin, dass sie den beschluss tatsächlich erhalten habe, ihn als verbindlich angesehen habe und dass sie ihm folge leisten wolle. der bekanntgabewille der beklagten liege auf der hand. der beschluss sei willentlich in den machtbereich der klägerin gelangt. der beschluss sei zuvor bereits angekündigt worden. allen beteiligten sei klar gewesen, dass der beschluss gegenüber der klägerin rechtsfolgen habe auslösen sollen. der beschluss sei ausdrücklich und ausschließlich unter der signatur der beklagten und unter ausdrücklicher nennung der klägerin als adressatin übermittelt worden. der beschluss sei bestandteil einer e-mail gewesen, hinsichtlich des absenders der e-mail gebe es nach einer objektiven betrachtung keine zweideutigkeit. der absender einer e-mail könne mit dem aussteller eines als anhang übersandten dokuments gleichgesetzt werden, wenn aus den gesamtumständen für den empfänger ersichtlich sei, dass der absender der e-mail auch der absender des in rede stehenden angehängten dokument sein solle. es gebe nur eine einzige behörde, die in erscheinung getreten sei. im übrigen sei der von der klägerin angefochtene beschluss auch materiell rechtmäßig. rechtsmissbrauch könne der geltendmachung von auskunftsrechten nach der datenschutz-grundverordnung nur in äußerst krassen und evidenten fällen entgegen gehalten werden. 15wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstands wird auf den inhalt der gerichtsakte sowie des beigezogenen verwaltungsvorgänge bezug genommen. 16
17die klage, über die mit einverständnis der beteiligten ohne mündliche verhandlung durch die berichterstatterin entschieden werden kann (§§ 101 abs. 2, 87a abs. 3 verwaltungsgerichtsordnung (vwgo), hat erfolg. 18sie ist mit ihrem hauptantrag als anfechtungsklage gemäß § 42 abs. 1 alt. 1 vwgo statthaft, zulässig und begründet. 19gemäß § 42 abs. 1 alt. 1 vwgo kann durch klage die aufhebung eines verwaltungsakts begehrt werden. zwar handelt es sich bei dem per e-mail übersandten beschluss nicht um einen materiellen verwaltungsakt im sinne des § 35 s. 1 verwaltungsverfahrensgesetz für das land nordrhein-westfalen (vwvfg nrw). die beklagte hat jedoch gezielt den rechtsschein des vorliegens eines verwaltungsaktes dadurch erweckt, dass das streitgegenständliche schreiben einen entscheidungssatz und eine rechtsbehelfsbelehrung enthält. 20die auslegung des mit „beschluss“ überschriebenen dokuments nach maßgabe eines objektiven empfängerhorizonts unter berücksichtigung des grundsatzes von treu und glauben ergibt, dass eine für die klägerin als adressatin verbindliche behördliche regelung nicht vorliegt und das am 25. juni 2021 übersandte schreiben damit nicht als verwaltungsakt im sinne von § 35 satz 1 vwvfg nrw zu qualifizieren ist. 21maßgeblich für die beurteilung, ob ein behördlicher akt die materiellen merkmale eines verwaltungsakts aufweist, ist der objektive erklärungswert der maßnahme, d. h. wie der adressat unter berücksichtigung der äußeren form, abfassung, begründung, beifügung einer rechtsmittelbelehrung und aller sonstigen ihm bekannten oder erkennbaren umstände nach treu und glauben bei objektiver auslegung analog §§ 157, 133 bgb die erklärung oder das verhalten der behörde verstehen durfte bzw. musste. zu würdigen ist der gesamte inhalt der erklärung einschließlich der gesamtumstände. zur auslegung können auch der erläuterungsteil eines schreibens sowie dem schreiben bzw. dem verwaltungsakt beigefügte unterlagen herangezogen werden. maßgeblich kommt es dabei auf den empfängerhorizont an. 22vgl. verwaltungsgerichtshof baden-württemberg (vgh bw), urteil vom 15. oktober 2009 – 2 s 1457/09 -, juris rn. 33; ramsauer, in: kopp/ramsauer verwaltungsverfahrensgesetz, § 35 rn. 3a, 54, m.w.n. 23der wille der behörde, einen verwaltungsakt, also eine maßnahme zu erlassen, welche die kriterien des § 35 vwvfg erfüllt, reicht allein nicht aus. 24ramsauer, in: kopp/ramsauer verwaltungsverfahrensgesetz, § 35 rn. 3a. 25hiernach ist das mit e-mail der beklagten vom 25. juni 2021 übermittelte dokument nicht als materieller verwaltungsakt im sinne des § 35 satz 1 vwvfg nrw zu werten. 26zwar ist das streitgegenständliche dokument mit „beschluss“ überschrieben und enthält neben einem tenor mit begründung auch eine rechtsbehelfsbelehrung. das schreiben konnte aus objektiver empfängersicht gleichwohl nicht so verstanden werden, dass die beklagte schon damit eine verbindliche, das beschwerdeverfahren abschließende anweisung erlassen wollte. es erweckt bei objektiver auslegung vielmehr den eindruck eines entwurfs, dem der eigentliche verwaltungsakt noch nachfolgen würde. 27das ergibt sich zunächst daraus, dass es sich bei dem übersandten schreiben um ein elektronisch veränderbares word-dokument handelt und nicht um ein elektronisch geschütztes, unveränderbares dokument. die in eckige klammern gesetzte kopfzeile „[mitteilung an die beschwerdegegnerin]“ zeigt zudem, dass hier noch etwas auszufüllen gewesen wäre. wenn ein elektronisches dokument übermittelt wird, das ersichtlich noch bearbeitet werden soll und darüber hinaus auch (von beiden seiten) verändert werden kann, spricht aus empfängersicht bereits aufgrund dieser äußeren form vieles dafür, dass es sich nicht um die gültige endfassung handeln kann, sondern nur um eine vorläufige. 28bei belastenden maßnahmen – wie hier – sind unter dem gesichtspunkt der formenklarheit aber strenge anforderungen für das vorliegen eines verwaltungsakts aufzustellen. es muss unmissverständlich erkennbar werden, dass das verwaltungsverfahren durch die erklärung (bestandskraftfähig) abgeschlossen werden soll. 29stelkens, in: stelkens/bonk/sachs, vwvfg, 9. auflage, § 35 rn. 73. 30das ist bei dem streitgegenständlichen dokument nicht klar. denn über die unübliche formatierung hinaus weist das schreiben auch sonst keines der für einen verwaltungsakt typischen formelemente auf. es fehlen sowohl der bearbeitername als auch die signatur bzw. unterschrift. das schreiben enthält außerdem weder den behördenkopf, noch den adressaten, noch ein datum. ebenso wenig findet sich darin ein behördliches aktenzeichen. dass es überhaupt aus der sphäre der beklagten oder der landesmedienanstalt stammt, lässt sich allein der e-mail der beklagten entnehmen, mit der das schreiben übersendet wurde. für sich genommen ist das dokument nicht als behördliches schreiben zu erkennen. 31auch bei einer heranziehung des begleitschreibens vom 25. juni 2021 wird nicht deutlich, dass eine verbindliche regelung getroffen werden sollte. die dort verwendete formulierung „anbei sende ich ihnen, wie besprochen, den beschluss über das oben genannte auskunftsersuchen“ schließt die aus dem entwurfscharakter des schreibens resultierende erwartung nicht aus, der „fertige“ beschluss werde noch, wie üblich, per post folgen. eine klarstellung des behördlichen willens, hiermit einen verwaltungsakt zu erlassen – etwa der hinweis, dass das beschwerdeverfahren mit dem übersandten beschluss abgeschlossen sei – wurde im begleitschreiben nicht vorgenommen. 32unklarheiten hinsichtlich der von der behörde gewählten form gehen zu deren lasten. 33vgh bw, urteil vom 15. oktober 2009 – 2 s 1457/09 -, juris rn. 32; ramsauer, in: kopp/ramsauer verwaltungsverfahrensgesetz, § 35 rn. 55, m.w.n. 34der bürger als empfänger einer nach ihrem objektiven erklärungsinhalt missverständlichen willensäußerung der verwaltung darf durch solche unklarheiten nicht benachteiligt werden. 35bverwg, urteil vom 12. januar 1973 – vii c 3.71, juris rn. 16. 36der klägerin kann auch nicht entgegengehalten werden, sie habe das dokument als verbindlichen beschluss der beklagten verstanden. auf ihre subjektive sicht kommt es bereits nicht an. verwaltungsakte sind willenserklärungen. entscheidend für die auslegung einer willenserklärung ist der erklärte wille der behörde und der sich daraus ergebende objektive erklärungsinhalt der regelung, wie ihn der betroffene nach den ihm bekannten umständen aus der sicht eines objektiven betrachters unter berücksichtigung von treu und glauben verstehen konnte. 37vgl. vgh bw, urteil vom 15. oktober 2009 – 2 s 1457/09 -, juris rn. 33. 38nach maßgabe eines objektiven empfängerhorizonts ist das streitgegenständliche dokument aber, wie oben ausgeführt, als unverbindlicher entwurf zu werten. abgesehen davon zeigt die vorliegende klage, dass für die klägerin gerade nicht unmissverständlich erkennbar war, dass das aufsichtsverfahren durch das schreiben bestandskraftfähig abgeschlossen werden sollte. 39schließlich kann in dem der e-mail vom 25. juni 2021 vorangegangenen telefonat zwischen der beklagten und dem datenschutzbeauftragten der klägerin auch kein (verbindlicher) mündlicher verwaltungsakt gesehen werden. in dem telefonat hatte die beklagte den beschluss angekündigt. sprechen aber anzeichen dafür, dass die behörde einen verwaltungsakt schriftlich erlassen wird, kann eine mündliche äußerung eines bediensteten nicht dahin ausgelegt werden, sie sei bereits die abschließende entscheidung. 40die klägerin kann gegen das streitgegenständliche dokument im wege der anfechtungsklage vorgehen. bedient sich die behörde der handlungsform des verwaltungsakts und wählt die rechtsbehelfsbelehrung entsprechend, darf der adressat dies so hinnehmen und die wahl seines rechtsbehelfs danach ausrichten. 41vgl. bayerischer verwaltungsgerichtshof, beschluss vom 15. november 2002 – 3 cs 02.2258 –, juris rn. 30. 42die anfechtungsklage ist auch zulässig, insbesondere wurde sie fristgerecht erhoben. 43maßnahmen, die aufgrund des von der behörde gesetzten anscheins vom adressaten als verwaltungsakt verstanden werden mussten, jedoch – wie hier - die übrigen kriterien des § 35 satz 1 vwvfg nicht erfüllen, sind aufgrund des von der behörde zurechenbar gesetzten rechtsscheins als (aufhebbare) verwaltungsakte im nur formellen sinne zu verstehen. 44vgl. ramsauer, in: kopp/ramsauer, verwaltungsverfahrensgesetz, 22. aufl. 2021, § 35 rn. 3b; stelkens, in: stelkens/bonk/sachs, verwaltungsverfahrensgesetz, 9. aufl. 2018, § 35 rn. 16. 45es kann dahinstehen, ob daraus folgt, dass auch bei solchen verwaltungsakten die klagefrist des § 74 abs. 1 satz 1 verwaltungsgerichtsordnung einzuhalten ist. denn vorliegend ist jedenfalls keine wirksame bekanntgabe des mit „beschluss“ überschriebenen dokuments erfolgt. mangels wirksamer bekanntgabe des „beschlusses“ wurde die klagefrist des § 74 abs. 1 vwgo nicht in lauf gesetzt. 46gemäß § 41 abs. 1 s. 1 vwvfg nrw ist ein verwaltungsakt demjenigen beteiligten bekanntzugeben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. 47unter bekanntgabe ist allgemein die eröffnung des verwaltungsakts gegenüber dem betroffenen, d.h. die tatsache des ergehens und des inhalts des verwaltungsakts, mit wissen und wollen der behörde, die den verwaltungsakt erlässt, zu verstehen. 48tegethoff, in: kopp/ramsauer verwaltungsverfahrensgesetz, § 41 rn. 6.; stelkens, in: stelkens/bonk/sachs, vwvfg, 9. auflage, § 41 rn. 53 m.w.n. 49dabei setzt jede form der bekanntgabe voraus, dass ein sogenannter bekanntgabewille der behörde vorliegt. 50stelkens, in: stelkens/bonk/sachs, vwvfg, 9. auflage, § 41 rn. 53 m.w.n. 51am bekanntgabewillen der beklagten fehlt es. das streitgegenständliche schreiben mag mit willen der beklagten in die sphäre der klägerin gelangt sein. die übersendung des schreibens per e-mail konnte von der klägerin jedoch nicht zweifelsfrei als bekanntgabe einer verbindlichen anweisung erkannt werden. denn die vorgehensweise der beklagten war, wie oben ausgeführt, missverständlich. aufgrund der äußeren form des dokuments war unklar, ob die beklagte der klägerin nicht lediglich einen entwurf zur kenntnis gegeben hat und der eigentliche verwaltungsakt nachfolgend per post bekannt gegeben werden sollte. 52regelmäßig wird der bekanntgabewille bei schriftlichen verwaltungsakten aus der unterschrift oder namenswiedergabe oder aus sonstigen umständen geschlossen. 53vgl. stelkens, in: stelkens/bonk/sachs, vwvfg, 9. auflage, § 41 rn. 53. 54das übersandte schriftstück enthält aber weder einen briefkopf noch ein datum, namen oder unterschrift. das begleitschreiben trägt zur verdeutlichung nichts bei. 55hinzu kommt, dass die bekanntgabe eines verwaltungsakts von der zuständigen behörde veranlasst werden muss. 56tegethoff, in: kopp/ramsauer, verwaltungsverfahrensgesetz, 22. aufl. 2021, § 41 rn. 7. 57welche behörde die übersendung des „beschlusses“ veranlasst hat, ist jedoch unklar. sie erschließt sich aus dem dokument selbst nicht, aber auch nicht aus der begleitenden e-mail. in betracht kommen entgegen der auffassung der beklagten zwei behörden, nämlich sowohl die beklagte als aufsichtsbehörde, als auch die lfm nrw. die e-mail wurde zwar vom e-mail-postfach des damaligen datenschutzbeauftragten q. übersandt. unter der bezeichnung „datenschutzbeauftragter“ findet sich aber zusätzlich „landesanstalt für medien nrw“ nebst deren adresse, internetadresse und twitter-account. zu recht weist die klägerin darauf hin, dass der e-mail-absender und der aussteller eines als anhang der e-mail übersendeten dokuments nicht identisch sein müssen, so dass die beklagte auch einen beschluss der lfm nrw übersenden konnte. aus dem text der e-mail wird die erlassende behörde nicht deutlich. darin ist in neutraler form nur von dem beschluss die rede, nicht von „meinem“ beschluss. ob der beklagten bewusst war, dass sie selbst als behörde einen aufsichtsrechtlichen beschluss erlässt, ist zudem zweifelhaft. die beratende anwaltskanzlei hatte, obwohl das dokument ausführungen zur zuständigkeit der beklagten enthält, darauf verwiesen, dass der beschluss „unter dem briefkopf der lfm nrw“ zu versenden ist. dass das streitgegenständliche dokument (auch) nach dem empfängerhorizont offenbar nicht als verbindlicher beschluss der beklagten zu verstehen war, zeigt das schreiben der früheren prozessbevollmächtigten der klägerin an die prozessbevollmächtigten der beschwerdeführerin vom 5. juli 2021. darin wird der „beschluss der landesanstalt für medien nrw vom 25. juni 2021“ genannt. 58die durch die form von e-mail und übersandtem dokument auf seiten der klägerin entstandene unklarheit über die bekanntgabe des „beschlusses“ geht zu lasten der beklagten, die vorsorge dafür treffen muss, dass eine von ihr gewollte bekanntgabe per e-mail vom empfänger eindeutig als solche erkannt werden kann. 59vgl. ovg hamburg, beschluss vom 15. april 1997 – bs ii 177/96 -, juris rn. 21. 60die klage ist auch begründet. der angefochtene, mit e-mail der beklagten vom 25. juni 2021 übermittelte „beschluss“ ist rechtswidrig und verletzt die klägerin in ihren rechten, § 113 abs. 1 satz 1 vwgo. er erweckt den rechtsschein, über das auskunftsersuchen der beschwerdeführerin abschließend in form eines verwaltungsakts, nämlich einer anweisung gemäß art. 58 abs. 2 lit. c) dsgvo, zu entscheiden, zumal die beklagte das mit „beschluss“ überschriebene dokument auch der beschwerdeführerin zugeleitet hat. bei dieser sachlage gebietet nicht zuletzt das aus art. 19 abs. 4 s. 1 grundgesetz folgende erfordernis der gewährleistung effektiven rechtsschutzes, den von dem streitgegenständlichen dokument ausgehenden rechtsschein zu beseitigen. der bürger als empfänger einer nach ihrem objektiven erklärungsinhalt missverständlichen willensäußerung der verwaltung darf durch etwaige unklarheiten nicht benachteiligt werden. 61vgl. bundesverwaltungsgericht (bverwg), urteil vom 26. juni 1987 - 8 c 21/86 -, bverwge 78, 3 ff., juris rn. 9. 62die beseitigung des rechtsscheins kann im entscheidungssatz nur dadurch erreicht werden, dass der von der beklagten so bezeichnete "beschluss" aufgehoben wird. 63vgl. sächsisches oberverwaltungsgericht, beschluss vom 17. dezember 2010 - 2 b 260/10 -, juris rn. 17; vg gelsenkirchen, urteil vom 10. dezember 2013 – 12 k 5403/11 -, juris rn. 31 m.w.n. 64die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 1 vwgo. die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit beruht auf § 167 abs. 1, abs. 2 vwgo i.v.m. §§ 708 nr. 11, 711, 709 s. 2 zpo. 65rechtsmittelbelehrung: 66gegen dieses urteil kann innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) schriftlich die zulassung der berufung beantragt werden. der antrag muss das angefochtene urteil bezeichnen. 67auf die seit dem 1. januar 2022 unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 68innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils sind die gründe darzulegen, aus denen die berufung zuzulassen ist. 69die berufung ist nur zuzulassen, 701. wenn ernstliche zweifel an der richtigkeit des urteils bestehen, 712. wenn die rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche schwierigkeiten aufweist, 723. wenn die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat, 734. wenn das urteil von einer entscheidung des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen, des bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen senats der obersten gerichtshöfe des bundes oder des bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser abweichung beruht oder 745. wenn ein der beurteilung des berufungsgerichts unterliegender verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die entscheidung beruhen kann. 75die begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem antrag vorgelegt worden ist, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen (aegidiikirchplatz 5, 48143 münster oder postfach 6309, 48033 münster) schriftlich einzureichen. 76über den antrag entscheidet das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen. 77im berufungs- und berufungszulassungsverfahren müssen sich die beteiligten durch prozessbevollmächtigte vertreten lassen. dies gilt auch für prozesshandlungen, durch die das verfahren eingeleitet wird. die beteiligten können sich durch einen rechtsanwalt oder einen rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten hochschule eines mitgliedstaates der europäischen union, eines anderen vertragsstaates des abkommens über den europäischen wirtschaftsraum oder der schweiz, der die befähigung zum richteramt besitzt, als bevollmächtigten vertreten lassen. auf die zusätzlichen vertretungsmöglichkeiten für behörden und juristische personen des öffentlichen rechts einschließlich der von ihnen zur erfüllung ihrer öffentlichen aufgaben gebildeten zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 abs. 4 satz 4 vwgo und § 5 nr. 6 des einführungsgesetzes zum rechtsdienstleistungsgesetz – rdgeg –). darüber hinaus sind die in § 67 abs. 2 satz 2 nr. 3 bis 7 vwgo bezeichneten personen und organisationen unter den dort genannten voraussetzungen als bevollmächtigte zugelassen. 78die antragsschrift und die zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst 3-fach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. 79beschluss: 80der streitwert wird auf 5.000,-- euro festgesetzt. 81gründe: 82die festsetzung des streitwertes ist nach § 52 abs. 2 gkg erfolgt. 83rechtsmittelbelehrung: 84gegen den streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur niederschrift des urkundsbeamten der geschäftsstelle bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) beschwerde eingelegt werden, über die das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen in münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der zivilprozessordnung gilt entsprechend. 85auf die seit dem 1. januar 2022 unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 86die beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs monaten eingelegt wird, nachdem die entscheidung in der hauptsache rechtskraft erlangt oder das verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der streitwert später als einen monat vor ablauf dieser frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines monats nach zustellung oder formloser mitteilung des festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 87die beschwerde ist nicht gegeben, wenn der wert des beschwerdegegenstandes 200,-- euro nicht übersteigt. 88die beschwerdeschrift soll möglichst 3-fach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. 89war der beschwerdeführer ohne sein verschulden verhindert, die frist einzuhalten, ist ihm auf antrag von dem gericht, das über die beschwerde zu entscheiden hat, wiedereinsetzung in den vorigen stand zu gewähren, wenn er die beschwerde binnen zwei wochen nach der beseitigung des hindernisses einlegt und die tatsachen, welche die wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. nach ablauf eines jahres, von dem ende der versäumten frist angerechnet, kann die wiedereinsetzung nicht mehr beantragt 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22 D 53/22.AK
2022-09-06T00:00:00
Urteil
Tenor Der Zurückstellungsbescheid des Beklagten vom 31. Januar 2022 wird aufgehoben. Der Beklagte und die Beigeladene tragen die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin jeweils zur Hälfte. Im Übrigen findet ein Kostenausgleich nicht statt. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte und die Beigeladene dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i. H. v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Revision wird nicht zugelassen. 1Tatbestand: 2Die Klägerin wendet sich gegen die auf Antrag der Beigeladenen erfolgte Zurückstellung ihres immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsantrags für die Errichtung und den Betrieb von drei Windenergieanlagen. 3Die Klägerin beantragte unter dem 7. Mai 2021, eingegangen beim Beklagten am 10. Mai 2021, die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb von drei Windenergieanlagen (WEA) des Typs Nordex N163/5.x mit jeweils einer Nabenhöhe von 164 m, einem Rotordurchmesser von 163 m und einer Leistung von 5,7 MW auf den Grundstücken Gemarkung S. , Flur 5, Flurstücke 13 (WEA 1) und 8 (WEA 2) sowie Gemarkung N. -Land, Flur 13, Flurstück 239 (WEA 3). Die UTM-Koordinaten lauten: …. 4Unter dem 25. August 2021 legte der Fachbereich Planung und Bauordnung der Beigeladenen eine Verwaltungsvorlage (VO/10/178) vor, nach der der Rat der Beigeladenen auf die planerische Steuerung der Windenergie nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB verzichten und keinen Beschluss zur Einleitung eines Flächennutzungsplanverfahrens fassen solle. Für die Erarbeitung einer erforderlichen, grundlegend neuen Potenzialanalyse wäre die Hinzuziehung eines externen Gutachters „unabdingbar“ (Seite 5 der Vorlage). Zugleich solle der Rat damit auf eine Zurückstellung nach § 15 Abs. 3 BauGB von die Windenergie betreffenden Bauvorhaben verzichten. 5Mit Schreiben vom 1. September 2021 übersandte der Beklagte der Beigeladenen die Antragsunterlagen aus dem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren unter anderem mit der Bitte um Vorlage ihrer Stellungahme zum gemeindlichen Einvernehmen. 6Daraufhin beschloss der Bezirksausschuss S. der Beigeladenen am 13. September 2021, dem Rat zu empfehlen, in die planerische Steuerung der Windenergie nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB einzusteigen und bei der Genehmigungsbehörde eine Zurückstellung des Vorhabens nach § 15 BauGB zu beantragen. Der Ausschuss für Stadtentwicklung der Beigeladenen empfahl am 16. September 2021 ebenfalls eine solche planerische Steuerung. Der Rat der Beigeladenen beschloss am 23. September 2021 die Einleitung des Verfahrens zur 93. Änderung ihres Flächennutzungsplans. Ziel der Flächennutzungsplanänderung sei es, Konzentrationszonen für die Errichtung von Windenergieanlagen im Stadtgebiet mit der Folge der Ausschlusswirkung für Windenergieanlagen an anderer Stelle darzustellen. Die Errichtung von Windenergieanlagen solle im Stadtgebiet räumlich gesteuert werden, so dass diese Anlagen außerhalb der Konzentrationszonen nicht zulässig seien. Der Planungsraum erstrecke sich auf den gesamten Außenbereich des Stadtgebiets. Ferner beschloss der Rat der Beigeladenen am 23. September 2021, das gemeindliche Einvernehmen zu dem beantragten Vorhaben mit Blick auf § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB zu versagen sowie bei der Genehmigungsbehörde eine Zurückstellung des Vorhabens zu beantragen. 7Der Aufstellungsbeschluss der Beigeladenen „zur 93. Änderung des Flächennutzungsplanes der Kreis- und Hochschulstadt N. zur Ausweisung von Windvorrangflächen als Konzentrationszonen für die Errichtung von Windenergieanlagen im N1. Stadtgebiet mit der Folge der Ausschlusswirkung an anderer Stelle gem. § 35 Abs. 3 BauGB“ wurde am 5. Oktober 2021 im Amtsblatt der Beigeladenen bekanntgemacht. 8Mit Schreiben vom 19. Oktober 2021 beantragte die Beigeladene bei dem Beklagten die Zurückstellung des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsantrags der Klägerin nach § 15 Abs. 3 BauGB unter Hinweis auf den Aufstellungsbeschluss zur 93. Änderung ihres Flächennutzungsplans. Zudem versagte die Beigeladene unter dem 20. Oktober 2021 das gemeindliche Einvernehmen. 9Nach Anhörung der Klägerin am 14. Dezember 2021 erließ der Beklagte unter dem 31. Januar 2022 den von der Beigeladenen begehrten Zurückstellungsbescheid und stellte unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Entscheidung über das von der Klägerin unter dem 7. Mai 2021 beantragte Vorhaben bis zum 30. November 2022 zurück. Zur Begründung führte er aus: Die Voraussetzungen für eine Zurückstellung nach § 15 Abs. 3 BauGB lägen vor. Die Beigeladene habe am 23. September 2021 die Aufstellung der 93. Änderung ihres Flächennutzungsplans „zur Ausweisung von Windvorrangflächen als Konzentrationszonen für die Errichtung von Windenergieanlagen“ beschlossen. Es sei auch zu befürchten, dass die Durchführung dieser Planung durch das Vorhaben unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert würde. Die Beigeladene habe ihre Planung hinreichend konkretisiert. Zwar eigne sich der Bereich nördlich von S. nach dem momentanen Kenntnisstand grundsätzlich für die Ansiedlung von Windenergieanlagen. Eine genaue Abgrenzung könne jedoch erst erfolgen, wenn alle mit dem Vorhaben in Verbindung stehenden Aspekte berücksichtigt bzw. beleuchtet worden seien. Hierzu zählten etwa visuelle und akustische Beeinträchtigungen der in der Nähe befindlichen Ortschaften sowie die Frage der Inanspruchnahme von Waldflächen. Der Antrag der Beigeladenen auf Zurückstellung sei zudem fristgerecht gestellt worden. Auch sei hinsichtlich der Länge der Zurückstellung bis zum 30. November 2022 der von der Beigeladenen verfolgte Zweck des Abschlusses des Planverfahrens bei realistischem Verlauf berücksichtigt worden. 10Die Klägerin hat dagegen am 17. Februar 2022 Klage erhoben und einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. 11Mit Beschluss vom 11. Mai 2022 hat der 7. Senat des erkennenden Gerichts unter dem Aktenzeichen 7 B 241/22.AK dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes stattgegeben und die aufschiebende Wirkung der Klage wiederhergestellt. 12Die Klägerin trägt vor: Es fehle schon an einer hinreichenden Konkretisierung der Planungsabsichten. Die eine Konzentrationszone für Windenergieanlagen ausweisende 42. Änderung des Flächennutzungsplans sei bereits 2004 bekanntgemacht worden und habe lediglich eine Konzentrationszone von circa 20 ha ausgewiesen. In den Jahren 2014 und 2018 seien Potenzialflächenanalysen vorgelegt worden, die aber zu keinen weiteren planungsrechtlichen Schritten geführt hätten. Die Unwirksamkeit der 42. Änderung ihres Flächennutzungsplans sei der Beigeladenen spätestens nach den Urteilen des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 25. Juni 2019 zu den Aktenzeichen 4 K 3158/18, 4 K 3157/18, 4 K 21/18, 4 K 750/19 und 4 K 5074/18 bzw. nach dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. August 2020 mit dem Aktenzeichen 8 A 3144/19 bekannt gewesen. Gleichwohl seien in der Folge keine Schritte zur Änderung des Flächennutzungsplans eingeleitet worden. Auch sei den Vorlagen der Verwaltung an die politischen Gremien die eindeutige Empfehlung zu entnehmen, auf eine planerische Steuerung der Windenergie nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB zukünftig vollständig zu verzichten und keinen Aufstellungsbeschluss zur Änderung des Flächennutzungsplans zu fassen. Die Entscheidung des Rates der Beigeladenen, dieser Empfehlung der Verwaltung nicht zu folgen, sondern ein Verfahren zur 93. Änderung des Flächennutzungsplans einzuleiten, sei nicht von einem ernsthaften Planungswillen geprägt gewesen. Das Protokoll der Ratssitzung veranschauliche, dass es nicht um die Entwicklung von Vorstellungen zu einer zukünftigen Flächennutzungsplanung, sondern um die Verhinderung weiterer Windenergieprojekte gegangen sei. So seien keine konkreten Vorgaben an die Verwaltung zur weiteren Vorgehensweise formuliert worden und es habe keine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Potenzialflächenanalysen 2014 und 2018 stattgefunden. Auch bestehe kein Sicherungsbedürfnis zugunsten der Beigeladenen, da sie nicht in der Lage sei, das Flächennutzungsplanverfahren innerhalb der Zurückstellungsfrist zu Ende zu führen. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Planungsabsichten der Beigeladenen durch das Vorhaben der Klägerin vereitelt oder erheblich beeinträchtigt werden könnten. Die streitigen Vorhabenstandorte lägen innerhalb der im Rahmen der Potenzialflächenanalyse 2018 ermittelten Potenzialfläche. Die Beigeladene habe im Rahmen ihres Zurückstellungsantrags selbst ausgeführt, dass der Vorhabenbereich von W. grundsätzlich für die Nutzung der Windkraft durch Windenergieanlagen geeignet sei. Dass eine Neubewertung der Potenzialfläche erforderlich sein könnte, sei nicht nachvollziehbar. Dem stattgebenden Eilbeschluss vom 11. Mai 2022 träten weder der Beklagte noch die Beigeladene mit konkreten, auf den entscheidungserheblichen Sachverhalt bezogenen Gründen entgegen. Auch der weitere Verlauf des Planungsverfahrens bestätige den fehlenden ernsthaften Planungswillen. Detaillierte Angaben zu der angeblich nunmehr angegangenen Aufgabenbewältigung fehlten nach wie vor. Dass es der Beigeladenen nur um eine Verzögerung gehe, zeige sich auch daran, dass sie eine Außenbereichssatzung erlassen habe, um dem Vorhaben die 1.000 m-Abstandsregelung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB-AG NRW zumindest teilweise entgegenzuhalten. Zudem sei nunmehr die Neufassung von § 2 EEG zu berücksichtigen. 13Die Klägerin beantragt, 14den Zurückstellungsbescheid des Beklagten vom 31. Januar 2022 aufzuheben. 15Der Beklagte beantragt, 16die Klage abzuweisen. 17Er wiederholt im Wesentlichen die Begründung seines Zurückstellungsbescheides. Ergänzend trägt er mit Schriftsatz vom 1. Juli 2022 vor: Die erforderliche Konkretisierung habe zum maßgeblichen Zeitpunkt vorgelegen. Das Verfahren zur Änderung des Flächennutzungsplans sei zielstrebig betrieben worden. Inzwischen seien städtische Mitarbeiter mit der Aufgabe betraut worden und es stehe die Beauftragung von Gutachtern unmittelbar bevor. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Zurückstellungsbescheides - also vier Monate nach dem Aufstellungsbeschluss - hätten Zwischenergebnisse noch nicht verlangt werden können. 18Die Beigeladene beantragt, 19die Klage abzuweisen. 20Sie trägt vor: Das Planungsziel sei mit dem Aufstellungsbeschluss in dem erforderlichen Mindestmaß konkretisiert worden. Weitere konkrete Angaben - etwa zur Größe und Lage geeigneter Potenzialflächen - hätten von ihr zu diesem Zeitpunkt nicht verlangt werden können. Aus der Antwort der Verwaltung vom 6. Dezember 2021 auf die Anfrage der Ratsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen gehe hervor, dass seinerzeit ein bis zwei Mitarbeiter der Verwaltung mit der Aufgabe der Änderung des Flächennutzungsplanes betraut worden seien und zudem die Beauftragung diverser Fachbüros angestanden habe. Darüber hinaus sei die Beigeladene auch nach dem Erlass des angefochtenen Zurückstellungsbescheides nicht untätig geblieben. Ferner sei zum Zeitpunkt der Zurückstellungsentscheidung nicht absehbar gewesen, dass das in Rede stehende Vorhaben innerhalb einer Konzentrationsfläche liegen werde. Es handele sich nicht um eine Verhinderungsplanung. Der Beigeladenen könne auch keine angebliche längere Untätigkeit im Hinblick auf die Aufstellung eines Flächennutzungsplans vorgehalten werden. Sie habe einen konkreten Zeitplan für das Verfahren zur 93. Änderung des Flächennutzungsplans vorgelegt. 21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens und des zugehörigen Eilverfahrens 7 B 241/22.AK sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Beigeladenen Bezug genommen. 22Entscheidungsgründe: 23Die Klage hat Erfolg. 24Der Senat ist nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a VwGO erstinstanzlich zuständig. In der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts ist geklärt, dass davon auch Streitigkeiten über eine Zurückstellung nach § 15 Abs. 3 BauGB - wie hier - erfasst sind. 25Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 19. August 2022 - 22 B 705/22.AK -, juris Rn. 4 f., und vom 20. Juli 2021 - 8 B 1088/21.AK -, BauR 2021, 1945 = juris Rn. 4 ff., sowie Urteil vom 1. Dezember 2021 - 7 D 84/21.AK -, ZNER 2022, 177 = juris Rn. 19 f. 26Die zulässige Klage ist begründet. Der Zurückstellungsbescheid des Beklagten vom 31. Januar 2022 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. 27Die Voraussetzungen der für die Zurückstellung allein in Betracht kommenden Rechtsgrundlage des § 15 Abs. 3 BauGB liegen nicht vor. 28Nach § 15 Abs. 3 Satz 1 BauGB hat die Baugenehmigungsbehörde auf Antrag der Gemeinde die Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB für einen Zeitraum bis zu längstens einem Jahr nach Zustellung der Zurückstellung des Baugesuchs auszusetzen, wenn die Gemeinde beschlossen hat, einen Flächennutzungsplan aufzustellen, zu ändern oder zu ergänzen, mit dem die Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB erreicht werden sollen, und zu befürchten ist, dass die Durchführung der Planung durch das Vorhaben unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde. Gemäß § 15 Abs. 3 Satz 3 BauGB ist der Antrag der Gemeinde nach Satz 1 nur innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Gemeinde in einem Verwaltungsverfahren von dem Bauvorhaben förmlich Kenntnis erhalten hat, zulässig. 29Danach liegen die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 BauGB hier deshalb nicht vor, weil nicht zu befürchten ist, dass durch das Vorhaben der Klägerin die Durchführung der Planung der Beigeladenen (93. Änderung des Flächennutzungsplans) unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde. 30Die Befürchtung, dass die Flächennutzungsplanung mit dem Ziel der Ausweisung von Konzentrationszonen für Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB mit der Wirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde, besteht, wenn objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das zur Genehmigung gestellte Vorhaben der gemeindlichen Planung ‑ nach dem jeweiligen Stand des Planungsverfahrens und gemessen an der Planungskonzeption und den Planzielen - widerspricht. Dabei sind die Besonderheiten der in Rede stehenden Planungen zu berücksichtigen. Konzentrationsflächenplanungen zielen konzeptionell neben der positiven Vorrangwirkung der Darstellungen von Konzentrationsflächen auch auf die den übrigen Außenbereich betreffende Ausschlusswirkung nach § 35 Abs. 3 BauGB. Die planerische Entscheidung für die Wirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB setzt die Entwicklung eines schlüssigen Gesamtkonzepts voraus, das sich auf den gesamten Außenbereich bezieht. Das Maß der mit Blick auf eine Zurückstellung nach § 15 Abs. 3 BauGB erforderlichen Konkretisierung der zu sichernden Planung ist unter Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände zu bestimmen. 31Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. Oktober 2021 - 7 B 781/21.AK -, juris Rn. 13 ff., m. w. N. 32§ 15 Abs. 3 BauGB ist ein Sicherungsinstrument für eine im Werden befindliche Konzentrationszonenplanung und soll den Schutz der Planungshoheit der Gemeinde verbessern. Plansicherungsinstrumente wie Veränderungssperren oder Zurückstellungen können und dürfen dabei nur eine bestimmte Planung, nicht aber allgemein die Planungsmöglichkeit der Gemeinde oder den Planungsprozess als solchen schützen. 33Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2004 ‑ 4 CN 16.03 -, BVerwGE 120, 138 = juris Rn. 30; OVG NRW, Urteil vom 16. April 2021 - 2 D 106/20.NE -, ZfBR 2021, 774 = juris Rn. 43; OVG S.-H., Urteil vom 17. Februar 2011 - 1 KN 12/10 -, juris Rn. 19; Stock, in: Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Kommentar, Stand Februar 2019, § 14 Rn. 46, m. w. N. 34Da sich Zurückstellungsentscheidungen nach § 15 Abs. 3 BauGB zu Lasten der betroffenen Grundeigentümer auswirken, dürfen sie nur unter bestimmten Voraussetzungen und für bestimmte Zeiträume erteilt werden, um das nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsgrundrecht nicht unverhältnismäßig zu beschränken. 35Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1. Dezember 2021 - 8 B 1541/21.AK -, BauR 2022, 467 = juris Rn. 25. 36Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist zunächst und grundsätzlich derjenige des Erlasses des Zurückstellungsbescheides als letzter behördlicher Entscheidung. 37Vgl. nur OVG NRW, Beschluss vom 20. Juli 2021 - 8 B 1088/21.AK -, BauR 2021, 1945 = juris Rn. 19 f., m. w. N. 38Ob eine Zurückstellung nach § 15 Abs. 3 Satz 1 BauGB im Einzelfall auch dann aus nach diesem Zeitpunkt liegenden Gründen rechtswidrig werden kann, wenn die Planung nachträglich aufgegeben oder nicht mehr ernsthaft betrieben wird, 39vgl. in diesem Zusammenhang OVG NRW, Urteile vom 13. September 2021 - 2 D 134/20.NE -, juris Rn. 54 ff., und vom 11. April 2016 - 2 D 30/15.NE -, juris Rn. 52, 40ist hier nicht zu entscheiden. 41Es war nach den genannten Maßgaben jedenfalls nicht zu befürchten, dass das Vorhaben der Klägerin die Durchführung einer Planung der Beigeladenen im Sinne des § 15 Abs. 3 Satz 1 BauGB unmöglich macht oder wesentlich erschwert, weil es bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Zurückstellungsbescheides an einer hierfür erforderlichen hinreichend konkreten Planung fehlte. 42Die durch den Aufstellungsbeschluss des Rates der Beigeladenen vom 23. September 2021 eingeleitete Planung zur 93. Änderung des Flächennutzungsplans hat im Zeitpunkt des Erlasses des Zurückstellungsbescheides vom 31. Januar 2022 nicht das erforderliche Mindestmaß an Konkretisierung erreicht. Der Aufstellungsbeschluss beruht auf der Verwaltungsvorlage VO/10/178 des Fachbereichs „Planung und Bauordnung“ vom 25. August 2021, die selbst noch keine näheren Angaben zu einem Gesamtkonzept enthält, sondern vielmehr ausdrücklich - auch vor dem Hintergrund der bisher in den Jahren 2012 bis 2018 (erfolglos) angestoßenen Planungen (vgl. dort Seite 5) - davon abrät, in ein (erneutes) Verfahren zur planerischen Steuerung der Windenergie mittels Flächennutzungsplanung einzutreten. Erst im Rahmen der Beratungen in den Gremien (13. September 2021: Bezirksausschuss S. ; 16. September 2021: Ausschuss für Stadtentwicklung; 23. September 2021: Rat der Beigeladenen) bildete sich der (politische) Wille zugunsten eines Aufstellungsbeschlusses. Die Beratungsunterlagen spiegeln allerdings lediglich den allgemeinen Austausch zu der durch die Verwaltungsvorlage VO/10/178 aufgeworfenen Frage wider, ob das Instrument eines sachlichen Teilflächennutzungsplans „Windenergie“ im Gebiet der Beigeladenen verzichtbar ist, und lassen planerische Vorstellungen zum Inhalt oder auch nur zum Verfahren der Inhaltsfindung einer gewünschten Planung nicht einmal in Ansätzen erkennen. Hierbei haben sich die Stimmen gegen einen Verzicht in der Ratssitzung vom 23. September 2021 durchgesetzt („Jetzt stehe man davor, dass man eine Mehrheit finde und versuche das Heft des Handelns wieder zu erlangen.“; „Mit dem Aufstellungsbeschluss könne man ein Zeichen setzen, dass der Rat noch nicht resigniere und sich für die Erhaltung des Landschaftsbildes einsetze.“; „Die Entscheidungen über Windenergieanlagen dürfe man nicht ausschließlich den Verwaltungen überlassen, die über emissionsrechtliche Rahmenbedingungen befänden. Daher sei die Aufstellung eines FNPs und eine Beteiligung der Bürger wichtig.“). Auch die Ergebnisse der Potenzialanalysen in den Jahren von 2012 bis 2018 wurden im Zuge des Aufstellungsbeschlusses nicht näher in den Blick genommen. 43Ob die Beratungsunterlagen mit den jeweiligen Diskussionsbeiträgen sogar darauf schließen lassen, dass die Beigeladene letztlich eine auf reine Verhinderung oder Verzögerung ausgerichtete und damit nicht sicherungsfähige Planung betreiben wollte, bedarf hier keiner Entscheidung. Einzelne Wortbeiträge könnten insoweit jedenfalls eine Indizwirkung besitzen („Aber egal ob man es für richtig oder falsch halte, man gewinne Zeit, wenn man in ein FNP-Änderungsverfahren einsteige und könne die vorliegenden Anträge zunächst einmal zurückstellen.“). 44Der in dem Antrag der Beigeladenen auf Zurückstellung vom 19. Oktober 2021 enthaltene Hinweis darauf, dass die 93. Änderung ihres Flächennutzungsplans „grundsätzlich auf die bereits bestehende Potenzialanalyse der Kreis- und Hochschulstadt N. aufbauen“ solle, beinhaltet keine hinreichende inhaltliche Konkretisierung der Planung. Dieser Hinweis ist vom Ratsbeschluss so schon nicht gedeckt und widerspricht auch der Verwaltungsvorlage, wonach für einen Neustart festgehalten wird, die „Analyse müsste aber grundlegend neu bearbeitet werden“ (Seite 5 der Vorlage). Soweit ferner ausgeführt wird, dass sich der Bereich östlich von W1. , wo das Vorhaben liege, zwar grundsätzlich für die Nutzung durch Windenergieanlagen eigne, eine genaue Abgrenzung jedoch erst später erfolgen könne, ist ebenso wenig erkennbar, dass diese Überlegungen - die auf visuelle und akustische Beeinträchtigungen in der Nähe befindlicher Ortschaften und den Schutz des Landschaftsbilds im Bereich von Waldflächen abstellen - Teil eines hinreichend konkreten planerischen Gesamtkonzepts der Beigeladenen sind bzw. waren. Im Übrigen fehlt es dazu auch an jeglicher Auseinandersetzung mit dem Umstand, dass das Vorhaben - wie die Klägerin in der Antragsbegründung vom 29. März 2022 im dazugehörigen Eilverfahren mit dem Aktenzeichen 7 B 241/22.AK aufgezeigt hat - innerhalb einer in der letzten Potenzialanalyse aus dem Jahr 2018 ermittelten Potenzialfläche für die Windenergienutzung verwirklicht werden soll. 45Nichts anderes ergibt sich aus den Antworten der Verwaltung der Beigeladenen vom 6. Dezember 2021 auf die Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom selben Tage, die im Rahmen der Ratssitzung der Beigeladenen vom 9. Dezember 2021 behandelt wurden. Diese Antworten beinhalten im Wesentlichen Absichtserklärungen, die die allgemeine Beschreibung der „nächsten Schritte“ („Prüfung und ggf. Erarbeitung von Außenbereichssatzungen“, „Zusammentragung der Planungsgrundlagen und der sukzessiven Beauftragung der Fachbüros“), das Erfordernis der Beauftragung externer Büros sowie die vorgesehene Betrauung von „1-2“ Mitarbeitern im Fachbereich mit der Bearbeitung betreffen. Eine hinreichende inhaltliche Konkretisierung der Planung ist dem ebenfalls nicht zu entnehmen. Aus diesen Ausführungen ergibt sich im Übrigen zugleich, dass die Beigeladene auch fast zwei Monate nach Beantragung der Zurückstellung des Vorhabens der Klägerin noch keine nennenswerten (Verfahrens-)Schritte zur Konkretisierung ihres allgemeinen Planungswunsches unternommen hatte. Vor allem sind keine Schritte zur „unabdingbaren“ Beauftragung eines Fachbüros für die Planung eingeleitet worden. Dies ist auch deshalb hervorzuheben, weil ausweislich des von der Beigeladenen im Rahmen ihres Antrags auf Zurückstellung vom 19. Oktober 2021 vorgelegten Zeitplans eigentlich schon seit November 2021 an der Überarbeitung der Potenzialanalyse gearbeitet werden sollte. Bis zur Entscheidung über die Zurückstellung vom 31. Januar 2022 hatte sich insoweit auch nichts geändert. 46Die zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Zurückstellungsbescheides vom 31. Januar 2022 fehlende Erfüllung der Anforderungen des § 15 Abs. 3 BauGB - eine sicherungsfähige Planung - wird auch durch den weiteren Verlauf der Bauleitplanung bestätigt. Danach liegt eine solche bis heute offenbar nicht vor. Die Beigeladene hat mit ihrem Schriftsatz vom 22. Juni 2022 lediglich darauf hingewiesen, dass sie „nicht untätig geblieben“ sei und „intensiv an der Datenrecherche als Grundlage für eine Potenzialanalyse gearbeitet“ habe, wobei im Anschluss eine Aufzählung der abstrakten Kriterien wie „Abgrenzung des Außenbereichs“, „Abgrenzung der bebauten Siedlungsflächen“ oder „Bahnflächen“ folgt. Die Erforderlichkeit einer zeitaufwändigen Recherche für diese Daten ist nicht zu erkennen, nachdem solche Daten schon aufgrund der Potenzialanalyse 2018 („Windkraftpotenzialanalyse der Kreis- und Hochschulstadt N. - Fassung 2018 -“, Stand: April 2018) vorliegen müssten. Anhaltspunkte für eine grundlegende Veränderung des vorhandenen Datenmaterials sind nicht ersichtlich. Weitere Daten wie etwa für den Waldbestand und die Kalamitätsflächen wurden auch neun Monate nach dem Aufstellungsbeschluss vom 23. September 2021 noch nicht erhoben. Zudem führt die Beigeladene aus, „für die im nächsten Schritt anstehende Bewertung der ermittelten Flächen“ wolle sie „externen Sachverstand hinzuziehen“. Damit ist auch nicht erkennbar, dass die Beigeladene die bereits in der Ratssitzung am 9. Dezember 2021 angekündigte und ausdrücklich „unabdingbare“ Beauftragung externer Fachbüros inzwischen vorgenommen hätte. Das wurde noch in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage bestätigt. Hervorzuheben ist dabei, dass die Beigeladene nach ihrem eigenen und im Schriftsatz vom 22. Juni 2022 noch einmal bestätigten, allerdings zu diesem Zeitpunkt tatsächlich offensichtlich nicht mehr einzuhaltenden Zeitplan (dort Seiten 14 f.) bereits bis Ende August 2022 - also gut zwei Monate später - die Überarbeitung der Potenzialanalyse und die Erarbeitung eines Vorentwurfs abgeschlossen haben wollte. Zu diesem Abschluss ist es - wie zu erwarten - nicht gekommen. Im Übrigen verweist die Klägerin in diesem Zusammenhang zu Recht auf die parallelen, aber deutlich ambitionierter vorangetriebenen Bemühungen der Beigeladenen um den Erlass einer Außenbereichssatzung für den Bereich „M.-----ringhausen “. Diese Außenbereichssatzung nach § 35 Abs. 6 BauGB ist nach dem Aufstellungsbeschluss vom 10. Februar 2022 mit der Bekanntmachung im Amtsblatt der Beigeladenen am 15. Juni 2022 in Kraft getreten und konnte somit - anders als deren Flächennutzungsplanung nach §§ 5 Abs. 2b, 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB - zügig verabschiedet werden. Ausweislich der Begründung zu dieser vom Rat am 9. Juni 2022 beschlossenen Satzung zielt diese auf die Aktivierung der 1.000 m-Abstandsregelung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB-AG NRW und könnte auch gegen das hier in Rede stehende Vorhaben ins Feld geführt werden. 47Ob der angegriffene Zurückstellungsbescheid auch deshalb rechtswidrig ist, weil bereits nach dem von der Beigeladenen vorgelegten Zeitplan ein Abschluss der Planung bis zum Ablauf der Zurückstellungsfrist offensichtlich nicht in Betracht kam, der Beklagte aber ausdrücklich im Rahmen des ihm insoweit zukommenden Ermessens, 48vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 4. November 2020 - 8 B 1344/20 -, BauR 2021, 525 = juris Rn. 33, 49hiervon ausgegangen ist, bedurfte angesichts dessen hier keiner abschließenden Entscheidung. Ebenso wenig hatte der Senat über die Frage zu befinden, ob eine Zurückstellung aus grundsätzlichen Erwägungen heraus ausscheidet, wenn - wie hier - der Zeitplan der planenden Gemeinde von vornherein darauf angelegt ist, dass die Planung innerhalb des Zurückstellungszeitraums nicht abgeschlossen sein wird und es damit einer Verlängerung der Zurückstellung gemäß § 15 Abs. 3 Satz 4 BauGB bedarf, an die im Vergleich zur erstmaligen Zurückstellung nach der gesetzlichen Konzeption erhöhte Anforderungen zu stellen sind. 50Vgl. hierzu näher OVG NRW, Beschluss vom 19. August 2022 - 22 B 705/22.AK -, juris. 51Dies erscheint mit Blick auf die berechtigten Eigentums- oder Betriebsinteressen der Betroffenen jedenfalls nicht unbedenklich. Die in der mündlichen Verhandlung geäußerte Auffassung der Beigeladenen, der Zeitverlust sei zu vernachlässigen und von der Klägerin hinzunehmen, liegt insoweit ersichtlich neben der Sache und entspricht insbesondere nicht der gesetzlichen Konzeption, nach der im Regelfall über einen (vollständigen) immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsantrag innerhalb von sieben Monaten zu entscheiden ist (vgl. § 10 Abs. 6a BImSchG). Mit Blick auf die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung weist der Senat in diesem Zusammenhang klarstellend darauf hin, dass diese Frist spätestens seit Zugang des Beschlusses vom 11. Mai 2022 - 7 B 241/22.AK - beim Beklagten läuft. 52Der Zurückstellungsbescheid des Beklagten vom 31. Januar 2022 verletzt die Klägerin auch in ihren Rechten, da er auf Aussetzung des von ihr betriebenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens gerichtet ist. 53Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1, 162 Abs. 3 VwGO. 54Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO und §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. 55Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision ergibt sich aus § 132 Abs. 2 VwGO; Zulassungsgründe sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
der zurückstellungsbescheid des beklagten vom 31. januar 2022 wird aufgehoben. der beklagte und die beigeladene tragen die gerichtskosten und die außergerichtlichen kosten der klägerin jeweils zur hälfte. im übrigen findet ein kostenausgleich nicht statt. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der beklagte und die beigeladene dürfen die vollstreckung durch sicherheitsleistung i. h. v. 110 % des auf grund des urteils vollstreckbaren betrags abwenden, wenn nicht die klägerin vor der vollstreckung sicherheit i. h. v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. die revision wird nicht zugelassen. 1
2die klägerin wendet sich gegen die auf antrag der beigeladenen erfolgte zurückstellung ihres immissionsschutzrechtlichen genehmigungsantrags für die errichtung und den betrieb von drei windenergieanlagen. 3die klägerin beantragte unter dem 7. mai 2021, eingegangen beim beklagten am 10. mai 2021, die erteilung einer immissionsschutzrechtlichen genehmigung für die errichtung und den betrieb von drei windenergieanlagen (wea) des typs nordex n163/5.x mit jeweils einer nabenhöhe von 164 m, einem rotordurchmesser von 163 m und einer leistung von 5,7 mw auf den grundstücken gemarkung s. , flur 5, flurstücke 13 (wea 1) und 8 (wea 2) sowie gemarkung n. -land, flur 13, flurstück 239 (wea 3). die utm-koordinaten lauten: …. 4unter dem 25. august 2021 legte der fachbereich planung und bauordnung der beigeladenen eine verwaltungsvorlage (vo/10/178) vor, nach der der rat der beigeladenen auf die planerische steuerung der windenergie nach § 35 abs. 3 satz 3 baugb verzichten und keinen beschluss zur einleitung eines flächennutzungsplanverfahrens fassen solle. für die erarbeitung einer erforderlichen, grundlegend neuen potenzialanalyse wäre die hinzuziehung eines externen gutachters „unabdingbar“ (seite 5 der vorlage). zugleich solle der rat damit auf eine zurückstellung nach § 15 abs. 3 baugb von die windenergie betreffenden bauvorhaben verzichten. 5mit schreiben vom 1. september 2021 übersandte der beklagte der beigeladenen die antragsunterlagen aus dem immissionsschutzrechtlichen genehmigungsverfahren unter anderem mit der bitte um vorlage ihrer stellungahme zum gemeindlichen einvernehmen. 6daraufhin beschloss der bezirksausschuss s. der beigeladenen am 13. september 2021, dem rat zu empfehlen, in die planerische steuerung der windenergie nach § 35 abs. 3 satz 3 baugb einzusteigen und bei der genehmigungsbehörde eine zurückstellung des vorhabens nach § 15 baugb zu beantragen. der ausschuss für stadtentwicklung der beigeladenen empfahl am 16. september 2021 ebenfalls eine solche planerische steuerung. der rat der beigeladenen beschloss am 23. september 2021 die einleitung des verfahrens zur 93. änderung ihres flächennutzungsplans. ziel der flächennutzungsplanänderung sei es, konzentrationszonen für die errichtung von windenergieanlagen im stadtgebiet mit der folge der ausschlusswirkung für windenergieanlagen an anderer stelle darzustellen. die errichtung von windenergieanlagen solle im stadtgebiet räumlich gesteuert werden, so dass diese anlagen außerhalb der konzentrationszonen nicht zulässig seien. der planungsraum erstrecke sich auf den gesamten außenbereich des stadtgebiets. ferner beschloss der rat der beigeladenen am 23. september 2021, das gemeindliche einvernehmen zu dem beantragten vorhaben mit blick auf § 35 abs. 3 satz 1 nr. 5 baugb zu versagen sowie bei der genehmigungsbehörde eine zurückstellung des vorhabens zu beantragen. 7der aufstellungsbeschluss der beigeladenen „zur 93. änderung des flächennutzungsplanes der kreis- und hochschulstadt n. zur ausweisung von windvorrangflächen als konzentrationszonen für die errichtung von windenergieanlagen im n1. stadtgebiet mit der folge der ausschlusswirkung an anderer stelle gem. § 35 abs. 3 baugb“ wurde am 5. oktober 2021 im amtsblatt der beigeladenen bekanntgemacht. 8mit schreiben vom 19. oktober 2021 beantragte die beigeladene bei dem beklagten die zurückstellung des immissionsschutzrechtlichen genehmigungsantrags der klägerin nach § 15 abs. 3 baugb unter hinweis auf den aufstellungsbeschluss zur 93. änderung ihres flächennutzungsplans. zudem versagte die beigeladene unter dem 20. oktober 2021 das gemeindliche einvernehmen. 9nach anhörung der klägerin am 14. dezember 2021 erließ der beklagte unter dem 31. januar 2022 den von der beigeladenen begehrten zurückstellungsbescheid und stellte unter anordnung der sofortigen vollziehung die entscheidung über das von der klägerin unter dem 7. mai 2021 beantragte vorhaben bis zum 30. november 2022 zurück. zur begründung führte er aus: die voraussetzungen für eine zurückstellung nach § 15 abs. 3 baugb lägen vor. die beigeladene habe am 23. september 2021 die aufstellung der 93. änderung ihres flächennutzungsplans „zur ausweisung von windvorrangflächen als konzentrationszonen für die errichtung von windenergieanlagen“ beschlossen. es sei auch zu befürchten, dass die durchführung dieser planung durch das vorhaben unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert würde. die beigeladene habe ihre planung hinreichend konkretisiert. zwar eigne sich der bereich nördlich von s. nach dem momentanen kenntnisstand grundsätzlich für die ansiedlung von windenergieanlagen. eine genaue abgrenzung könne jedoch erst erfolgen, wenn alle mit dem vorhaben in verbindung stehenden aspekte berücksichtigt bzw. beleuchtet worden seien. hierzu zählten etwa visuelle und akustische beeinträchtigungen der in der nähe befindlichen ortschaften sowie die frage der inanspruchnahme von waldflächen. der antrag der beigeladenen auf zurückstellung sei zudem fristgerecht gestellt worden. auch sei hinsichtlich der länge der zurückstellung bis zum 30. november 2022 der von der beigeladenen verfolgte zweck des abschlusses des planverfahrens bei realistischem verlauf berücksichtigt worden. 10die klägerin hat dagegen am 17. februar 2022 klage erhoben und einen antrag auf gewährung vorläufigen rechtsschutzes gestellt. 11mit beschluss vom 11. mai 2022 hat der 7. senat des erkennenden gerichts unter dem aktenzeichen 7 b 241/22.ak dem antrag auf gewährung vorläufigen rechtsschutzes stattgegeben und die aufschiebende wirkung der klage wiederhergestellt. 12die klägerin trägt vor: es fehle schon an einer hinreichenden konkretisierung der planungsabsichten. die eine konzentrationszone für windenergieanlagen ausweisende 42. änderung des flächennutzungsplans sei bereits 2004 bekanntgemacht worden und habe lediglich eine konzentrationszone von circa 20 ha ausgewiesen. in den jahren 2014 und 2018 seien potenzialflächenanalysen vorgelegt worden, die aber zu keinen weiteren planungsrechtlichen schritten geführt hätten. die unwirksamkeit der 42. änderung ihres flächennutzungsplans sei der beigeladenen spätestens nach den urteilen des verwaltungsgerichts arnsberg vom 25. juni 2019 zu den aktenzeichen 4 k 3158/18, 4 k 3157/18, 4 k 21/18, 4 k 750/19 und 4 k 5074/18 bzw. nach dem beschluss des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen vom 27. august 2020 mit dem aktenzeichen 8 a 3144/19 bekannt gewesen. gleichwohl seien in der folge keine schritte zur änderung des flächennutzungsplans eingeleitet worden. auch sei den vorlagen der verwaltung an die politischen gremien die eindeutige empfehlung zu entnehmen, auf eine planerische steuerung der windenergie nach § 35 abs. 3 satz 3 baugb zukünftig vollständig zu verzichten und keinen aufstellungsbeschluss zur änderung des flächennutzungsplans zu fassen. die entscheidung des rates der beigeladenen, dieser empfehlung der verwaltung nicht zu folgen, sondern ein verfahren zur 93. änderung des flächennutzungsplans einzuleiten, sei nicht von einem ernsthaften planungswillen geprägt gewesen. das protokoll der ratssitzung veranschauliche, dass es nicht um die entwicklung von vorstellungen zu einer zukünftigen flächennutzungsplanung, sondern um die verhinderung weiterer windenergieprojekte gegangen sei. so seien keine konkreten vorgaben an die verwaltung zur weiteren vorgehensweise formuliert worden und es habe keine inhaltliche auseinandersetzung mit den potenzialflächenanalysen 2014 und 2018 stattgefunden. auch bestehe kein sicherungsbedürfnis zugunsten der beigeladenen, da sie nicht in der lage sei, das flächennutzungsplanverfahren innerhalb der zurückstellungsfrist zu ende zu führen. es sei auch nicht ersichtlich, dass die planungsabsichten der beigeladenen durch das vorhaben der klägerin vereitelt oder erheblich beeinträchtigt werden könnten. die streitigen vorhabenstandorte lägen innerhalb der im rahmen der potenzialflächenanalyse 2018 ermittelten potenzialfläche. die beigeladene habe im rahmen ihres zurückstellungsantrags selbst ausgeführt, dass der vorhabenbereich von w. grundsätzlich für die nutzung der windkraft durch windenergieanlagen geeignet sei. dass eine neubewertung der potenzialfläche erforderlich sein könnte, sei nicht nachvollziehbar. dem stattgebenden eilbeschluss vom 11. mai 2022 träten weder der beklagte noch die beigeladene mit konkreten, auf den entscheidungserheblichen sachverhalt bezogenen gründen entgegen. auch der weitere verlauf des planungsverfahrens bestätige den fehlenden ernsthaften planungswillen. detaillierte angaben zu der angeblich nunmehr angegangenen aufgabenbewältigung fehlten nach wie vor. dass es der beigeladenen nur um eine verzögerung gehe, zeige sich auch daran, dass sie eine außenbereichssatzung erlassen habe, um dem vorhaben die 1.000 m-abstandsregelung nach § 2 abs. 1 satz 1 nr. 2 baugb-ag nrw zumindest teilweise entgegenzuhalten. zudem sei nunmehr die neufassung von § 2 eeg zu berücksichtigen. 13die klägerin beantragt, 14den zurückstellungsbescheid des beklagten vom 31. januar 2022 aufzuheben. 15der beklagte beantragt, 16die klage abzuweisen. 17er wiederholt im wesentlichen die begründung seines zurückstellungsbescheides. ergänzend trägt er mit schriftsatz vom 1. juli 2022 vor: die erforderliche konkretisierung habe zum maßgeblichen zeitpunkt vorgelegen. das verfahren zur änderung des flächennutzungsplans sei zielstrebig betrieben worden. inzwischen seien städtische mitarbeiter mit der aufgabe betraut worden und es stehe die beauftragung von gutachtern unmittelbar bevor. zum zeitpunkt des erlasses des zurückstellungsbescheides - also vier monate nach dem aufstellungsbeschluss - hätten zwischenergebnisse noch nicht verlangt werden können. 18die beigeladene beantragt, 19die klage abzuweisen. 20sie trägt vor: das planungsziel sei mit dem aufstellungsbeschluss in dem erforderlichen mindestmaß konkretisiert worden. weitere konkrete angaben - etwa zur größe und lage geeigneter potenzialflächen - hätten von ihr zu diesem zeitpunkt nicht verlangt werden können. aus der antwort der verwaltung vom 6. dezember 2021 auf die anfrage der ratsfraktion von bündnis 90/die grünen gehe hervor, dass seinerzeit ein bis zwei mitarbeiter der verwaltung mit der aufgabe der änderung des flächennutzungsplanes betraut worden seien und zudem die beauftragung diverser fachbüros angestanden habe. darüber hinaus sei die beigeladene auch nach dem erlass des angefochtenen zurückstellungsbescheides nicht untätig geblieben. ferner sei zum zeitpunkt der zurückstellungsentscheidung nicht absehbar gewesen, dass das in rede stehende vorhaben innerhalb einer konzentrationsfläche liegen werde. es handele sich nicht um eine verhinderungsplanung. der beigeladenen könne auch keine angebliche längere untätigkeit im hinblick auf die aufstellung eines flächennutzungsplans vorgehalten werden. sie habe einen konkreten zeitplan für das verfahren zur 93. änderung des flächennutzungsplans vorgelegt. 21wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakten dieses verfahrens und des zugehörigen eilverfahrens 7 b 241/22.ak sowie auf die beigezogenen verwaltungsvorgänge des beklagten und der beigeladenen bezug genommen. 22
23die klage hat erfolg. 24der senat ist nach § 48 abs. 1 satz 1 nr. 3a vwgo erstinstanzlich zuständig. in der rechtsprechung des erkennenden gerichts ist geklärt, dass davon auch streitigkeiten über eine zurückstellung nach § 15 abs. 3 baugb - wie hier - erfasst sind. 25vgl. ovg nrw, beschlüsse vom 19. august 2022 - 22 b 705/22.ak -, juris rn. 4 f., und vom 20. juli 2021 - 8 b 1088/21.ak -, baur 2021, 1945 = juris rn. 4 ff., sowie urteil vom 1. dezember 2021 - 7 d 84/21.ak -, zner 2022, 177 = juris rn. 19 f. 26die zulässige klage ist begründet. der zurückstellungsbescheid des beklagten vom 31. januar 2022 ist rechtswidrig und verletzt die klägerin in ihren rechten, § 113 abs. 1 satz 1 vwgo. 27die voraussetzungen der für die zurückstellung allein in betracht kommenden rechtsgrundlage des § 15 abs. 3 baugb liegen nicht vor. 28nach § 15 abs. 3 satz 1 baugb hat die baugenehmigungsbehörde auf antrag der gemeinde die entscheidung über die zulässigkeit von vorhaben nach § 35 abs. 1 nr. 2 bis 6 baugb für einen zeitraum bis zu längstens einem jahr nach zustellung der zurückstellung des baugesuchs auszusetzen, wenn die gemeinde beschlossen hat, einen flächennutzungsplan aufzustellen, zu ändern oder zu ergänzen, mit dem die rechtswirkungen des § 35 abs. 3 satz 3 baugb erreicht werden sollen, und zu befürchten ist, dass die durchführung der planung durch das vorhaben unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde. gemäß § 15 abs. 3 satz 3 baugb ist der antrag der gemeinde nach satz 1 nur innerhalb von sechs monaten, nachdem die gemeinde in einem verwaltungsverfahren von dem bauvorhaben förmlich kenntnis erhalten hat, zulässig. 29danach liegen die voraussetzungen des § 15 abs. 3 baugb hier deshalb nicht vor, weil nicht zu befürchten ist, dass durch das vorhaben der klägerin die durchführung der planung der beigeladenen (93. änderung des flächennutzungsplans) unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde. 30die befürchtung, dass die flächennutzungsplanung mit dem ziel der ausweisung von konzentrationszonen für vorhaben nach § 35 abs. 1 nr. 5 baugb mit der wirkung des § 35 abs. 3 satz 3 baugb unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde, besteht, wenn objektive anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das zur genehmigung gestellte vorhaben der gemeindlichen planung ‑ nach dem jeweiligen stand des planungsverfahrens und gemessen an der planungskonzeption und den planzielen - widerspricht. dabei sind die besonderheiten der in rede stehenden planungen zu berücksichtigen. konzentrationsflächenplanungen zielen konzeptionell neben der positiven vorrangwirkung der darstellungen von konzentrationsflächen auch auf die den übrigen außenbereich betreffende ausschlusswirkung nach § 35 abs. 3 baugb. die planerische entscheidung für die wirkung des § 35 abs. 3 satz 3 baugb setzt die entwicklung eines schlüssigen gesamtkonzepts voraus, das sich auf den gesamten außenbereich bezieht. das maß der mit blick auf eine zurückstellung nach § 15 abs. 3 baugb erforderlichen konkretisierung der zu sichernden planung ist unter berücksichtigung der jeweiligen einzelfallumstände zu bestimmen. 31vgl. ovg nrw, beschluss vom 28. oktober 2021 - 7 b 781/21.ak -, juris rn. 13 ff., m. w. n. 32§ 15 abs. 3 baugb ist ein sicherungsinstrument für eine im werden befindliche konzentrationszonenplanung und soll den schutz der planungshoheit der gemeinde verbessern. plansicherungsinstrumente wie veränderungssperren oder zurückstellungen können und dürfen dabei nur eine bestimmte planung, nicht aber allgemein die planungsmöglichkeit der gemeinde oder den planungsprozess als solchen schützen. 33vgl. etwa bverwg, urteil vom 19. februar 2004 ‑ 4 cn 16.03 -, bverwge 120, 138 = juris rn. 30; ovg nrw, urteil vom 16. april 2021 - 2 d 106/20.ne -, zfbr 2021, 774 = juris rn. 43; ovg s.-h., urteil vom 17. februar 2011 - 1 kn 12/10 -, juris rn. 19; stock, in: ernst/zinkahn/ bielenberg/krautzberger, baugb, kommentar, stand februar 2019, § 14 rn. 46, m. w. n. 34da sich zurückstellungsentscheidungen nach § 15 abs. 3 baugb zu lasten der betroffenen grundeigentümer auswirken, dürfen sie nur unter bestimmten voraussetzungen und für bestimmte zeiträume erteilt werden, um das nach art. 14 abs. 1 gg geschützte eigentumsgrundrecht nicht unverhältnismäßig zu beschränken. 35vgl. ovg nrw, beschluss vom 1. dezember 2021 - 8 b 1541/21.ak -, baur 2022, 467 = juris rn. 25. 36maßgeblicher zeitpunkt für die prüfung der tatbestandlichen voraussetzungen des § 15 abs. 3 satz 1 baugb ist zunächst und grundsätzlich derjenige des erlasses des zurückstellungsbescheides als letzter behördlicher entscheidung. 37vgl. nur ovg nrw, beschluss vom 20. juli 2021 - 8 b 1088/21.ak -, baur 2021, 1945 = juris rn. 19 f., m. w. n. 38ob eine zurückstellung nach § 15 abs. 3 satz 1 baugb im einzelfall auch dann aus nach diesem zeitpunkt liegenden gründen rechtswidrig werden kann, wenn die planung nachträglich aufgegeben oder nicht mehr ernsthaft betrieben wird, 39vgl. in diesem zusammenhang ovg nrw, urteile vom 13. september 2021 - 2 d 134/20.ne -, juris rn. 54 ff., und vom 11. april 2016 - 2 d 30/15.ne -, juris rn. 52, 40ist hier nicht zu entscheiden. 41es war nach den genannten maßgaben jedenfalls nicht zu befürchten, dass das vorhaben der klägerin die durchführung einer planung der beigeladenen im sinne des § 15 abs. 3 satz 1 baugb unmöglich macht oder wesentlich erschwert, weil es bereits zum zeitpunkt des erlasses des zurückstellungsbescheides an einer hierfür erforderlichen hinreichend konkreten planung fehlte. 42die durch den aufstellungsbeschluss des rates der beigeladenen vom 23. september 2021 eingeleitete planung zur 93. änderung des flächennutzungsplans hat im zeitpunkt des erlasses des zurückstellungsbescheides vom 31. januar 2022 nicht das erforderliche mindestmaß an konkretisierung erreicht. der aufstellungsbeschluss beruht auf der verwaltungsvorlage vo/10/178 des fachbereichs „planung und bauordnung“ vom 25. august 2021, die selbst noch keine näheren angaben zu einem gesamtkonzept enthält, sondern vielmehr ausdrücklich - auch vor dem hintergrund der bisher in den jahren 2012 bis 2018 (erfolglos) angestoßenen planungen (vgl. dort seite 5) - davon abrät, in ein (erneutes) verfahren zur planerischen steuerung der windenergie mittels flächennutzungsplanung einzutreten. erst im rahmen der beratungen in den gremien (13. september 2021: bezirksausschuss s. ; 16. september 2021: ausschuss für stadtentwicklung; 23. september 2021: rat der beigeladenen) bildete sich der (politische) wille zugunsten eines aufstellungsbeschlusses. die beratungsunterlagen spiegeln allerdings lediglich den allgemeinen austausch zu der durch die verwaltungsvorlage vo/10/178 aufgeworfenen frage wider, ob das instrument eines sachlichen teilflächennutzungsplans „windenergie“ im gebiet der beigeladenen verzichtbar ist, und lassen planerische vorstellungen zum inhalt oder auch nur zum verfahren der inhaltsfindung einer gewünschten planung nicht einmal in ansätzen erkennen. hierbei haben sich die stimmen gegen einen verzicht in der ratssitzung vom 23. september 2021 durchgesetzt („jetzt stehe man davor, dass man eine mehrheit finde und versuche das heft des handelns wieder zu erlangen.“; „mit dem aufstellungsbeschluss könne man ein zeichen setzen, dass der rat noch nicht resigniere und sich für die erhaltung des landschaftsbildes einsetze.“; „die entscheidungen über windenergieanlagen dürfe man nicht ausschließlich den verwaltungen überlassen, die über emissionsrechtliche rahmenbedingungen befänden. daher sei die aufstellung eines fnps und eine beteiligung der bürger wichtig.“). auch die ergebnisse der potenzialanalysen in den jahren von 2012 bis 2018 wurden im zuge des aufstellungsbeschlusses nicht näher in den blick genommen. 43ob die beratungsunterlagen mit den jeweiligen diskussionsbeiträgen sogar darauf schließen lassen, dass die beigeladene letztlich eine auf reine verhinderung oder verzögerung ausgerichtete und damit nicht sicherungsfähige planung betreiben wollte, bedarf hier keiner entscheidung. einzelne wortbeiträge könnten insoweit jedenfalls eine indizwirkung besitzen („aber egal ob man es für richtig oder falsch halte, man gewinne zeit, wenn man in ein fnp-änderungsverfahren einsteige und könne die vorliegenden anträge zunächst einmal zurückstellen.“). 44der in dem antrag der beigeladenen auf zurückstellung vom 19. oktober 2021 enthaltene hinweis darauf, dass die 93. änderung ihres flächennutzungsplans „grundsätzlich auf die bereits bestehende potenzialanalyse der kreis- und hochschulstadt n. aufbauen“ solle, beinhaltet keine hinreichende inhaltliche konkretisierung der planung. dieser hinweis ist vom ratsbeschluss so schon nicht gedeckt und widerspricht auch der verwaltungsvorlage, wonach für einen neustart festgehalten wird, die „analyse müsste aber grundlegend neu bearbeitet werden“ (seite 5 der vorlage). soweit ferner ausgeführt wird, dass sich der bereich östlich von w1. , wo das vorhaben liege, zwar grundsätzlich für die nutzung durch windenergieanlagen eigne, eine genaue abgrenzung jedoch erst später erfolgen könne, ist ebenso wenig erkennbar, dass diese überlegungen - die auf visuelle und akustische beeinträchtigungen in der nähe befindlicher ortschaften und den schutz des landschaftsbilds im bereich von waldflächen abstellen - teil eines hinreichend konkreten planerischen gesamtkonzepts der beigeladenen sind bzw. waren. im übrigen fehlt es dazu auch an jeglicher auseinandersetzung mit dem umstand, dass das vorhaben - wie die klägerin in der antragsbegründung vom 29. märz 2022 im dazugehörigen eilverfahren mit dem aktenzeichen 7 b 241/22.ak aufgezeigt hat - innerhalb einer in der letzten potenzialanalyse aus dem jahr 2018 ermittelten potenzialfläche für die windenergienutzung verwirklicht werden soll. 45nichts anderes ergibt sich aus den antworten der verwaltung der beigeladenen vom 6. dezember 2021 auf die anfrage der fraktion bündnis 90/die grünen vom selben tage, die im rahmen der ratssitzung der beigeladenen vom 9. dezember 2021 behandelt wurden. diese antworten beinhalten im wesentlichen absichtserklärungen, die die allgemeine beschreibung der „nächsten schritte“ („prüfung und ggf. erarbeitung von außenbereichssatzungen“, „zusammentragung der planungsgrundlagen und der sukzessiven beauftragung der fachbüros“), das erfordernis der beauftragung externer büros sowie die vorgesehene betrauung von „1-2“ mitarbeitern im fachbereich mit der bearbeitung betreffen. eine hinreichende inhaltliche konkretisierung der planung ist dem ebenfalls nicht zu entnehmen. aus diesen ausführungen ergibt sich im übrigen zugleich, dass die beigeladene auch fast zwei monate nach beantragung der zurückstellung des vorhabens der klägerin noch keine nennenswerten (verfahrens-)schritte zur konkretisierung ihres allgemeinen planungswunsches unternommen hatte. vor allem sind keine schritte zur „unabdingbaren“ beauftragung eines fachbüros für die planung eingeleitet worden. dies ist auch deshalb hervorzuheben, weil ausweislich des von der beigeladenen im rahmen ihres antrags auf zurückstellung vom 19. oktober 2021 vorgelegten zeitplans eigentlich schon seit november 2021 an der überarbeitung der potenzialanalyse gearbeitet werden sollte. bis zur entscheidung über die zurückstellung vom 31. januar 2022 hatte sich insoweit auch nichts geändert. 46die zum maßgeblichen zeitpunkt des erlasses des zurückstellungsbescheides vom 31. januar 2022 fehlende erfüllung der anforderungen des § 15 abs. 3 baugb - eine sicherungsfähige planung - wird auch durch den weiteren verlauf der bauleitplanung bestätigt. danach liegt eine solche bis heute offenbar nicht vor. die beigeladene hat mit ihrem schriftsatz vom 22. juni 2022 lediglich darauf hingewiesen, dass sie „nicht untätig geblieben“ sei und „intensiv an der datenrecherche als grundlage für eine potenzialanalyse gearbeitet“ habe, wobei im anschluss eine aufzählung der abstrakten kriterien wie „abgrenzung des außenbereichs“, „abgrenzung der bebauten siedlungsflächen“ oder „bahnflächen“ folgt. die erforderlichkeit einer zeitaufwändigen recherche für diese daten ist nicht zu erkennen, nachdem solche daten schon aufgrund der potenzialanalyse 2018 („windkraftpotenzialanalyse der kreis- und hochschulstadt n. - fassung 2018 -“, stand: april 2018) vorliegen müssten. anhaltspunkte für eine grundlegende veränderung des vorhandenen datenmaterials sind nicht ersichtlich. weitere daten wie etwa für den waldbestand und die kalamitätsflächen wurden auch neun monate nach dem aufstellungsbeschluss vom 23. september 2021 noch nicht erhoben. zudem führt die beigeladene aus, „für die im nächsten schritt anstehende bewertung der ermittelten flächen“ wolle sie „externen sachverstand hinzuziehen“. damit ist auch nicht erkennbar, dass die beigeladene die bereits in der ratssitzung am 9. dezember 2021 angekündigte und ausdrücklich „unabdingbare“ beauftragung externer fachbüros inzwischen vorgenommen hätte. das wurde noch in der mündlichen verhandlung auf nachfrage bestätigt. hervorzuheben ist dabei, dass die beigeladene nach ihrem eigenen und im schriftsatz vom 22. juni 2022 noch einmal bestätigten, allerdings zu diesem zeitpunkt tatsächlich offensichtlich nicht mehr einzuhaltenden zeitplan (dort seiten 14 f.) bereits bis ende august 2022 - also gut zwei monate später - die überarbeitung der potenzialanalyse und die erarbeitung eines vorentwurfs abgeschlossen haben wollte. zu diesem abschluss ist es - wie zu erwarten - nicht gekommen. im übrigen verweist die klägerin in diesem zusammenhang zu recht auf die parallelen, aber deutlich ambitionierter vorangetriebenen bemühungen der beigeladenen um den erlass einer außenbereichssatzung für den bereich „m.-----ringhausen “. diese außenbereichssatzung nach § 35 abs. 6 baugb ist nach dem aufstellungsbeschluss vom 10. februar 2022 mit der bekanntmachung im amtsblatt der beigeladenen am 15. juni 2022 in kraft getreten und konnte somit - anders als deren flächennutzungsplanung nach §§ 5 abs. 2b, 35 abs. 3 satz 3 baugb - zügig verabschiedet werden. ausweislich der begründung zu dieser vom rat am 9. juni 2022 beschlossenen satzung zielt diese auf die aktivierung der 1.000 m-abstandsregelung nach § 2 abs. 1 satz 1 nr. 2 baugb-ag nrw und könnte auch gegen das hier in rede stehende vorhaben ins feld geführt werden. 47ob der angegriffene zurückstellungsbescheid auch deshalb rechtswidrig ist, weil bereits nach dem von der beigeladenen vorgelegten zeitplan ein abschluss der planung bis zum ablauf der zurückstellungsfrist offensichtlich nicht in betracht kam, der beklagte aber ausdrücklich im rahmen des ihm insoweit zukommenden ermessens, 48vgl. dazu ovg nrw, beschluss vom 4. november 2020 - 8 b 1344/20 -, baur 2021, 525 = juris rn. 33, 49hiervon ausgegangen ist, bedurfte angesichts dessen hier keiner abschließenden entscheidung. ebenso wenig hatte der senat über die frage zu befinden, ob eine zurückstellung aus grundsätzlichen erwägungen heraus ausscheidet, wenn - wie hier - der zeitplan der planenden gemeinde von vornherein darauf angelegt ist, dass die planung innerhalb des zurückstellungszeitraums nicht abgeschlossen sein wird und es damit einer verlängerung der zurückstellung gemäß § 15 abs. 3 satz 4 baugb bedarf, an die im vergleich zur erstmaligen zurückstellung nach der gesetzlichen konzeption erhöhte anforderungen zu stellen sind. 50vgl. hierzu näher ovg nrw, beschluss vom 19. august 2022 - 22 b 705/22.ak -, juris. 51dies erscheint mit blick auf die berechtigten eigentums- oder betriebsinteressen der betroffenen jedenfalls nicht unbedenklich. die in der mündlichen verhandlung geäußerte auffassung der beigeladenen, der zeitverlust sei zu vernachlässigen und von der klägerin hinzunehmen, liegt insoweit ersichtlich neben der sache und entspricht insbesondere nicht der gesetzlichen konzeption, nach der im regelfall über einen (vollständigen) immissionsschutzrechtlichen genehmigungsantrag innerhalb von sieben monaten zu entscheiden ist (vgl. § 10 abs. 6a bimschg). mit blick auf die erörterungen in der mündlichen verhandlung weist der senat in diesem zusammenhang klarstellend darauf hin, dass diese frist spätestens seit zugang des beschlusses vom 11. mai 2022 - 7 b 241/22.ak - beim beklagten läuft. 52der zurückstellungsbescheid des beklagten vom 31. januar 2022 verletzt die klägerin auch in ihren rechten, da er auf aussetzung des von ihr betriebenen immissionsschutzrechtlichen genehmigungsverfahrens gerichtet ist. 53die kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 abs. 1, 159 satz 1, 162 abs. 3 vwgo. 54die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit folgt aus § 167 vwgo und §§ 708 nr. 10, 711 zpo. 55die entscheidung über die nichtzulassung der revision ergibt sich aus § 132 abs. 2 vwgo; zulassungsgründe sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
346,658
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6 K 4721/21
2022-09-01T00:00:00
Urteil
Tenor Die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 8. Juni 2021 wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Berufung wird zugelassen. Die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz (Sprungrevision) wird zugelassen. 1Tatbestand: 2Der Kläger, dem am 00.00.2018 eine Fahrerlaubnis erteilt wurde, wendet sich gegen die mit einer Zwangsgeldandrohung von 5.000,- Euro verbundene Anordnung, als Führer von Personenkraftwagen in X. sog. „Posing“ mit Kraftfahrzeugen (§ 30 Abs. 1 StVO) zu unterlassen. 3Nach dem vom EPHK W. erstatteten „Allgemeinen Bericht über Poserverhalten“ vom 29. Mai 2021 seien an diesem Tag gegen 19.10 Uhr der Kläger sowie Herr G. T. C. in X. jeweils mit hoher Geräuschentwicklung auf der I. -I1. -Allee von der U. -L. -Straße in Fahrtrichtung S. Straße gefahren. Auf Höhe der M. -A. -Straße hätten sie an einer roten Ampel angehalten. Das Fahrzeug des Klägers habe sich vor dem des Herrn C. befunden. Als die Ampel auf Grünlicht umgeschaltet habe, seien sie mit heulenden Motoren losgefahren. Beide seien deutlich schneller als der ordnungsgemäß fahrende Fahrzeugverkehr gefahren. Während des Vorgangs sei der unterzeichnende Polizeibeamte mit seinem Dienstmotorrad hinter Herrn C. gefahren. Es habe aufgrund der Temperaturen und der Öffnung der Außengastronomie ein sehr starkes Fußgängeraufkommen geherrscht. Das Verhalten der Fahrzeugführer habe den Eindruck erweckt, dass sie sich mit ihrer Fahrweise die Aufmerksamkeit der Fußgänger erhofft hätten. Gegen den Kläger sei eine Ordnungswidrigkeitenanzeige gefertigt worden. Ein entsprechender Bußgeldbescheid findet sich in der Verwaltungsakte nicht. 4Mit Anhörungsschreiben vom 31. Mai 2021 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie beabsichtige, ihm das Verursachen unnötigen Lärms zu untersagen und für jede Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,- Euro anzudrohen, und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 4. Juni 2021. 5Mit Ordnungsverfügung vom 8. Juni 2021 erließ die Beklagte gegen den Kläger die Anordnung, ab sofort und auch nach etwaiger Erteilung einer Fahrerlaubnis bei dem Benutzen öffentlicher Straßen im Stadtgebiet von X. als Führer von Personenkraftfahrzeugen das Verursachen unnötigen Lärms zu unterlassen, verursacht zum Beispiel durch unsachgemäße Benutzung des Fahrzeugs, Nichtbeachtung technischer Ausführungsvorschriften, Hochjagen des Motors im Leerlauf und beim Fahren in niedrigen Gängen (insbesondere Gasstoß), unnötig schnelles Beschleunigen des Fahrzeugs, namentlich beim Anfahren (Ziffer 1). Daneben ordnete sie die sofortige Vollziehung der Verfügung an (Ziffer 2) und befristete die Verfügung bis zum 30. Juni 2024 (Ziffer 3). Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 1 der Verfügung drohte sie dem Kläger ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,- Euro an (Ziffer 4). Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass sie sich Belastungen durch Fahrzeugführer ausgesetzt sehe, die in hochmotorisierten Fahrzeugen um Aufmerksamkeit heischten („Posen“). Die daraus resultierenden Gefahren hätten sich in einem Unfall sowie in erheblichen Störungen durch Lärmbelästigungen manifestiert. Rechtsgrundlage für die Ordnungsverfügung sei § 14 OBG NRW in Verbindung mit § 30 StVO. Das Verhalten des Klägers am 29. Mai 2021 sei eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Nach den Gesamtumständen des Vorgangs sei anzunehmen, dass eine bewusste Missachtung der Straßenverkehrsregeln vorliege und es dem Kläger um verkehrsfremde Zwecke wie das Heischen um Aufmerksamkeit, das Abhalten spontaner Fahrzeugrennen, das Ausprobieren der technischen Möglichkeiten des Fahrzeugs oder das ungehemmte und rücksichtslose Ausleben von Aggressionen gegangen sei. Im Rahmen ihres Ermessens habe sie sich zu der Anordnung entschlossen, um den Kläger in besonderem Maße zur Beachtung der beschriebenen Vorschriften anzuhalten. Es werde eine eigenständige Rechtsgrundlage für die Verwaltungsvollstreckung geschaffen. Die Erforderlichkeit entfalle nicht durch das gesetzliche Verbot des § 30 Abs. 1 StVO. Die Befristung gebe einerseits dem Kläger die Gelegenheit, sein Verhalten den Normanforderungen anzupassen, und biete andererseits den anderen Verkehrsteilnehmern und der Bevölkerung für eine hinreichende Dauer den zusätzlichen Schutz einer unmittelbaren Vollstreckungsmöglichkeit. Das angedrohte Zwangsgeld solle den Kläger nachhaltig dazu anhalten, der Anordnung Folge zu leisten. Die bestehenden straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Sanktionen reichten nicht aus, um ihn zu einem angemessenen Verkehrsverhalten zu bewegen. Bei der Bemessung sei berücksichtigt worden, dass die bestehende Strafandrohung insbesondere eines Bußgelds von bis zu 2.000,- Euro ersichtlich nicht ausgereicht habe, um den Kläger zu einem entsprechenden Verhalten zu motivieren. Die Ordnungsverfügung wurde dem Kläger am 9. Juni 2021 zugestellt. 6Der Kläger hat am 6. Juli 2021 Klage erhoben, die er im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Voraussetzungen des § 14 OBG NRW seien nicht gegeben. Es fehle an einer hinreichend gesicherten Gefahrenprognose. Die Beklagte habe keine Vorfälle aus der jüngeren Vergangenheit benannt, die eine Schadensnähe erkennen ließen. Der pauschale Verweis auf einen Unfall reiche nicht aus. Auch der Verweis auf die Störungen der Anwohner vermöge eine Gefahr nicht zu begründen. Das Fahrzeug des Klägers sei vom U1. O. überprüft und ordnungsgemäß zugelassen worden. Der erzeugte Lärm sei auf Motorengröße und Isolierung des Fahrzeugs zurückzuführen. Darüber hinaus fehle es an hinreichenden Feststellungen zu dem Vorfall aus Mai 2021. 7Der Kläger beantragt, 8die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 8. Juni 2021 aufzuheben. 9Die Beklagte beantragt, 10die Klage abzuweisen. 11Sie bezieht sich im Wesentlichen auf die Gründe der angefochtenen Ordnungsverfügung. 12Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen. 13Entscheidungsgründe: 14Die Klage hat Erfolg. Die zulässige Klage ist begründet. 15Die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 8. Juni 2021 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. 16I. Die in Ziffer 1 der Ordnungsverfügung enthaltene Anordnung, beim Benutzen öffentlicher Straßen in X. als Führer von Personenkraftwagen das durch eine nicht abschließende Aufzählung („zum Beispiel“) näher konkretisierte Verursachen unnötigen Lärms zu unterlassen, ist rechtswidrig. Als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zu beurteilen, 17vgl. BVerwG, Urteile vom 19. September 2013 – 3 C 15.12, BVerwGE 148, 28 Rn. 9, und vom 4. Dezember 2020 – 3 C 5.20, BVerwGE 171, 1 Rn. 11. 18Entgegen der Auffassung der Beklagten findet Ziffer 1 der Ordnungsverfügung ihre Rechtsgrundlage nicht in der ordnungsbehördlichen Generalermächtigung des § 14 Abs. 1 OBG NRW. Das bundesrechtliche Regelungssystem zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche (Verkehrs-)Sicherheit, die von einem Fahrerlaubnisinhaber als Führer eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr ausgehen, der wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften verstößt, ist abschließend. Zur Abwehr solcher Gefahren kann nicht auf das Landesordnungsrecht zurückgegriffen werden (1.). Die Untersagung von „Imponiergehabe“ mit Personenkraftwagen auf öffentlichen Straßen unter Verstoß gegen § 30 Abs. 1 StVO (Ziffer 1 der Ordnungsverfügung) kann dementsprechend nicht auf § 14 Abs. 1 OBG NRW gestützt werden (2.). Einer Würdigung der konkreten Anwendung der Generalklausel bedarf es daher nicht (3.). 191. Nach § 14 Abs. 1 OBG NRW können die Ordnungsbehörden die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Falle bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung (Gefahr) abzuwehren. Verstößt ein Fahrerlaubnisinhaber beim Führen eines Kraftfahrzeugs auf einer öffentlichen Straße gegen eine straßenverkehrsrechtliche Vorschrift oder ein verkehrsregelndes Verkehrszeichen, verletzt er die geschriebene Rechtsordnung. Damit gefährdet er die öffentliche Sicherheit im ordnungs- bzw. gefahrenabwehrrechtlichen Sinne. Dies gilt umso mehr, soweit der jeweilige Verstoß – wie das Verursachen unnötigen Lärms nach § 24 Abs. 1 StVG, § 30 Abs. 1 Satz 1, § 49 Abs. 1 Nr. 25 StVO – zugleich bußgeldbewehrt ist. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 14 Abs. 1 OBG NRW, auf den sich die Straßenverkehrsbehörde als Sonderordnungsbehörde (§ 12 OBG NRW i.V.m. § 5 der Verordnung über Zuständigkeiten im Bereich Straßenverkehr und Güterbeförderung, in Kraft getreten am 9. Juli 2016 (GV. NRW. S. 527)) grundsätzlich stützen kann, sind damit nach ihrem Wortlaut erfüllt, 20vgl. so in Bezug auf das „Posing“ und die jeweilige landesordnungsrechtliche Generalklausel VG Hannover, Urteil vom 12. Juli 2021 – 5 A 6628/20, juris Rn. 44 f.; VG Karlsruhe, Urteil vom 17. Dezember 2018 – 1 K 4344/17, juris Rn. 68 ff.; ebenso Lohmeyer, in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl. 2022, § 30 Rn. 63; Vahle, DVP 2020, 435 (437). 21Allerdings findet § 14 Abs. 1 OBG NRW von vornherein keine Anwendung auf die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit, die dadurch entstehen, dass am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmende Fahrerlaubnisinhaber wiederholt gegen Verkehrsvorschriften verstoßen. Das bundesrechtliche Straßenverkehrsrecht (a) als besonderes Gefahrenabwehrrecht, 22vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2015 – 3 C 15.14, BVerwGE 153, 140 Rn. 15; Gerster, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 7. Aufl. 2021, Rn. 454; Schlanstein, NZV 2015, 105 f., 23regelt die Abwehr solcher Gefahren abschließend und steht einer ergänzenden Anwendung des allgemeinen Landesordnungsrechts im Wege (b). Dies entspricht der allgemeinen Regelungstechnik des Gefahrenabwehrrechts durch präventive Verbote mit Erlaubnisvorbehalt (c). Die Anwendung des § 14 Abs. 1 OBG NRW ist für Verkehrszuwiderhandlungen von Fahrerlaubnisinhabern als Führer von Kraftfahrzeugen damit gesperrt (d). Die Sperrwirkung entfällt nur, soweit die Gefahr nicht in einem befürchteten künftigen Verkehrsverstoß eines Fahrerlaubnisinhabers besteht, sondern eine andersartige Gefahr vorliegt (e). 24a) aa) Der Bundesgesetzgeber hat im Rahmen der von ihm ausgeübten (konkurrierenden) Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG das potenziell gefährliche Führen von Kraftfahrzeugen in § 2 Abs. 1 Satz 1 StVG unter ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt gestellt. 25Vgl. VG Minden, Beschluss vom 23. Dezember 2011 – 9 L 602/11, juris Rn. 21; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 2 StVG Rn. 21. 26Danach bedarf der Erlaubnis (Fahrerlaubnis) der zuständigen Behörde (Fahrerlaubnisbehörde), wer auf öffentlichen Straßen ein Kraftfahrzeug führt. Die Fahrerlaubnis wird gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG nur erteilt, wenn der Bewerber zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist. Dabei ist nach dem Umkehrschluss aus § 2 Abs. 4 Satz 1 StVG (unter anderem) zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet, wer erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen hat. Ihm darf keine Fahrerlaubnis erteilt werden. 27Wie die Gefahr für die öffentliche (Verkehrs-)Sicherheit abzuwehren ist, die von einem Fahrerlaubnisinhaber ausgeht, der nach der Fahrerlaubniserteilung erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften verstößt, ist ebenfalls bundesrechtlich geregelt. § 2 Abs. 4 Satz 1 StVG stuft ihn als fahrungeeignet ein, so dass ihm gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG die Fahrerlaubnis behördlich zu entziehen ist. Die §§ 2 und 3 StVG stellen jedoch nur allgemeine Grundsätze für den Umgang mit wiederholten Verkehrsverstößen eines Fahrerlaubnisbewerbers oder -inhabers auf. Im Einzelnen regelt hingegen § 4 StVG, wie präventiv mit Gefährdungen durch wiederholte Verkehrsverstöße von Fahrerlaubnisinhabern (Fahranfänger: § 2a StVG) umzugehen ist. 28Vgl. zum präventiven Charakter von § 4 StVG: BT-Drucks. 13/6914 S. 49, 17/12636 S. 38; VGH BW, Beschluss vom 19. Oktober 2015 – 10 S 1689/15, NJW 2016, 1259 Rn. 15. 29Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von § 4 Abs. 1 Satz 1 StVG. Danach hat die nach Landesrecht zuständige Behörde zum Schutz vor Gefahren, die von Inhabern einer Fahrerlaubnis ausgehen, die wiederholt gegen die die Sicherheit des Straßenverkehrs betreffenden straßenverkehrsrechtlichen oder gefahrgutbeförderungsrechtlichen Vorschriften verstoßen, die in § 4 Abs. 5 StVG genannten Maßnahmen (Fahreignungs-Bewertungssystem) zu ergreifen. 30Das Fahreignungs-Bewertungssystem wird dabei durch eine Rechtsverordnung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b StVG (siehe § 40 i.V.m. Anlage 13 zur FeV) näher ausgestaltet, die zahlreiche, genau bestimmte Verkehrsverstöße (Straftaten und Ordnungswidrigkeiten) mit einem bis drei Punkten bewertet (vgl. auch § 4 Abs. 2 Satz 1 und 2 StVG). Wird ein Fahrerlaubnisinhaber wegen eines in der Verordnung aufgeführten Verkehrsverstoßes verurteilt oder ergeht ein Bußgeldbescheid gegen ihn, werden die der Zuwiderhandlung zugeordneten Punkte in das Fahreignungsregister (§§ 28 ff. StVG) eingetragen, das zentral vom Kraftfahrt-Bundesamt geführt wird. Um der Gefahr weiterer, also wiederholter Verstöße gegen Verkehrsvorschriften durch den Fahrerlaubnisinhaber zu begegnen, sieht § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG drei gestufte Maßnahmen vor: die schriftliche Ermahnung beim Erreichen von vier oder fünf Punkten (Nr. 1), die schriftliche Verwarnung beim Erreichen von sechs oder sieben Punkten (Nr. 2) und die Entziehung der Fahrerlaubnis beim Erreichen von acht oder mehr Punkten (Nr. 3). 31Dieses Fahreignungs-Bewertungssystem ist für das präventive Vorgehen gegen Wiederholungstäter unter den Fahrerlaubnisinhabern im Grundsatz abschließend. Das folgt systematisch aus § 4 Abs. 1 Satz 3 StVG. Die Norm erlaubt lediglich im Ausnahmefall, das Fahreignungs-Bewertungssystem nicht anzuwenden. Zwar sieht sie ausdrücklich vor, dass das Fahreignungs-Bewertungssystem nicht anzuwenden ist, wenn sich die Notwendigkeit früherer oder anderer die Fahreignung betreffender Maßnahmen nach den Vorschriften über die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 StVG oder einer auf Grund § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StVG erlassenen Rechtsverordnung ergibt. Damit sind in erster Linie, aber nicht nur, Maßnahmen zur Aufklärung von Zweifeln an der Fahreignung nach §§ 11 ff. FeV (z.B. Sehvermögen, Alkohol- und Drogenkonsum, Medikamenteneinnahme) gemeint. Ebenso ist der sofortige Entzug der Fahrerlaubnis (§ 46 FeV) erfasst, wenn die Fahrungeeignetheit aus anderen Gründen bereits endgültig feststeht. Insbesondere kommt eine Fahrerlaubnisentziehung mangels Eignung aufgrund von erheblichen oder wiederholten Verstößen gegen verkehrsrechtliche Vorschriften nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und § 11 Abs. 3 Nr. 4 FeV und damit abseits des Fahreignungs-Bewertungssystems nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht. Mit dem Fahreignungs-Bewertungssystem des § 4 StVG akzeptiert der Bundesgesetzgeber, dass Fahrerlaubnisinhaber weiter am Straßenverkehr teilnehmen, obwohl sie wiederholt gegen Verkehrsvorschriften verstoßen haben. Er erlaubt ihre Ausschließung erst, wenn sie die dritte Stufe (Fahrerlaubnisentziehung) erreicht haben. Der Bundesgesetzgeber nimmt damit zwangsläufig und bewusst Verkehrsverstöße des Fahrerlaubnisinhabers, also im ordnungsrechtlichen Sinne gefährliches Verhalten, in einem gewissen Umfang in Kauf. 32Vom Fahreignungs-Bewertungssystem darf die Fahrerlaubnisbehörde deshalb nur abweichen, wenn ein vollständiges Durchlaufen des Stufensystems die Verkehrssicherheit ausnahmsweise unvertretbar gefährden würde, § 4 Abs. 1 Satz 3 StVG. 33Vgl. BT-Drucks. 17/12636, S. 38; Bay. VGH, Beschluss vom 29. Juli 2021 – 11 CS 21.1504, juris Rn. 15 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 10. Dezember 2010 – 16 B 1392/10, NJW 2011, 1242; VG Braunschweig, Beschluss vom 28. Januar 2020 – 6 B 256/19, juris Rn. 10; VG Freiburg (Breisgau), Beschluss vom 8. Januar 2019 – 5 K 6324/18, juris Rn. 9; VG Neustadt (Weinstraße), Beschluss vom 21. März 2017 – 3 L 293/17.NW; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 4 StVG Rn. 33. 34Aber selbst für diesen Ausnahmefall verweist § 4 Abs. 1 Satz 3 StVG nur auf die Anwendung der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften des Bundesrechts, und lässt für landesrechtliche Normen, etwa des allgemeinen Ordnungsrechts, keinen Raum. 35Der Zweck des Fahreignungs-Bewertungssystems des § 4 StVG besteht dabei gerade darin, bundesrechtlich sicherzustellen, dass gleichartige Verkehrsverstöße, durch die Fahrerlaubnisinhaber als Wiederholungstäter die Sicherheit des Straßenverkehrs gefährden („Mehrfachtätersystem“), bundesweit einheitlich präventiv bekämpft werden. 36Vgl. auch BT-Drucks. 13/6914 S. 49, 17/12636 S. 38; OVG NRW, Beschluss vom 10. Dezember 2010 – 16 B 1392/10, NJW 2011, 1242. 37Daneben gewährleistet das Fahreignungs-Bewertungssystem die Gleichbehandlung der betroffenen Fahrerlaubnisinhaber. 38BT-Drucks. 17/12636 S. 38. 39Es setzt damit auf einfachgesetzlicher Ebene das aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Gebot um, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln. 40Vgl. implizit auch VG Berlin, Urteil vom 4. August 2017 – 4 K 499.16, juris Rn. 27; zum Inhalt von Art. 3 Abs. 1 GG etwa BVerfG, Beschluss vom 28. April 2022 – 1 BvL 12/20, NJW 2022, 2465 Rn. 9; zur Vereinbarkeit der konkreten Ausgestaltung des Fahreignungs-Bewertungssystems mit Art. 3 Abs. 1 GG BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2017 – 3 C 21.15, BVerwGE 157, 235 Rn. 37 ff. 41bb) Das gilt auch, soweit ein Verkehrsverstoß – wie auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts der gegen § 30 Abs. 1 StVO – bundesrechtlich nicht in der Anlage 13 zur FeV mit Punkten bewehrt ist. 42Alle Gefahren, die sich aus wiederholten Verstößen von Fahrerlaubnisinhabern gegen Verkehrsvorschriften ergeben, wehrt das StVG – im Grundsatz – präventiv durch das Fahreignungs-Bewertungssystem mit seinen ausdrücklich normierten Eingriffsstufen ab. 43Vgl. auch BT-Drucks. 17/12636 S. 38; OVG NRW, Beschluss vom 10. Dezember 2010 – 16 B 1392/10, NJW 2011, 1242; OVG RP, Beschluss vom 27. Mai 2009 – 10 B 10387/09, juris Rn. 5 (zur alten Rechtslage); VG Braunschweig, Beschluss vom 28. Januar 2020 – 6 B 256/19, juris Rn. 10; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 4 StVG Rn. 33. 44Aus der fehlenden Punktebewehrung eines Verkehrsverstoßes kann nicht geschlossen werden, dass er vom StVG bzw. der FeV nicht erfasst wird und eine Regelungslücke eröffnet, die einen Rückgriff auf die Vorschriften des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts ermöglicht. Ist eine Zuwiderhandlung nicht mit Punkten bewehrt, folgt daraus im Gegenteil, dass der Bundesgesetzgeber sie als unbedeutender für die Teilnahme am erlaubnispflichtigen Kraftverkehr und damit als die Verkehrssicherheit weniger gefährdend einordnet. Diese gesetzgeberische Wertung würde in ihr Gegenteil verkehrt, wenn bei nicht punktebewehrten Taten weitreichendere gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen unter geringeren Voraussetzungen möglich wären, als § 4 StVG sie für schwerwiegendere Verkehrsverstöße vorsieht. Das ist unbedenklich, weil es nicht bedeutet, dass Verstöße gegen nicht punktebewehrte Verkehrsvorschriften dauerhaft hinzunehmen sind, ohne gefahrenabwehrend darauf reagieren zu können. Bei einer fehlenden Punktebewertung kann die Tat zwar nicht zu einer Ermahnung, Verwarnung oder Fahrerlaubnisentziehung nach § 4 Abs. 5 StVG führen. Aber § 4 Abs. 1 Satz 3 StVG lässt – wie oben dargelegt – auch bei nicht punktebewehrten Verkehrsverstößen im Einzelfall „andere Maßnahmen“ nach § 3 StVG bzw. nach der FeV durchaus zu. 45Vgl. allgemein auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 2. Dezember 1999 – 12 M 4307/99, NJW 2000, 685. 46Dass auch nicht punktebewehrte Verkehrsverstöße Zweifel an der Fahreignung begründen und damit zum Ergreifen „anderer Maßnahmen“ führen können, bestätigt § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 bis 7 FeV. Danach können u.a. Verstöße gegen verkehrsrechtliche Vorschriften unabhängig von ihrer Punktebewehrung die Fahrerlaubnisbehörde berechtigen, die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen. 47cc) Flankiert wird das der Abwehr wiederholter Verkehrsverstöße dienende (gefahrenabwehrrechtliche) Fahreignungs-Bewertungssystem schließlich durch die (repressive) Bußgeldvorschrift des § 24 StVG insbesondere in Verbindung mit § 49 StVO. Danach werden Verstöße gegen eine Vielzahl straßenverkehrsrechtlicher Ge- und Verbote als Ordnungswidrigkeiten eingestuft. Es erfolgt eine Sanktionierung einzelner Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr, die nach Maßgabe von § 4 Abs. 2 StVG in Verbindung mit § 40 und Anlage 13 zur FeV ggf. wiederum im Rahmen des gefahrenabwehrrechtlichen Fahreignungs-Bewertungssystems heranzuziehen sind, aber auch solcher Zuwiderhandlungen, die die Punkteschwelle nicht überschreiten, 48vgl. auch BT-Plenarprotokoll 19/229, S. 28677 (C). 49dd) Insgesamt wehrt das Regelungsgefüge des bundesrechtlichen Straßenverkehrsrechts die Gefahren, die der Sicherheit des Straßenverkehrs von Fahrerlaubnisinhabern durch die verkehrswidrige Teilnahme am Straßenverkehr drohen, durch ein Zusammenwirken von repressiven und präventiven Maßnahmen ab. Verstöße gegen Verkehrsregeln werden repressiv durch Strafurteile oder Bußgeldbescheide geahndet. Aus den ergriffenen repressiven Maßnahmen schließt das Straßenverkehrsgesetz auf die Gefährlichkeit des Fahrerlaubnisinhabers, was wiederum zu präventiven Gefahrenabwehrmaßnahmen führt. Durch dieses Zusammenwirken von repressiven und präventiven staatlichen Reaktionen zeigt der Bundesgesetzgeber einerseits, dass er mit wiederholten Verstößen von Fahrerlaubnisinhabern gegen Verkehrsregeln rechnet und diese (gefahrenabwehrrechtlich) in gewissem Umfang hinnimmt, 50vgl. BT-Drucks. 17/12636 S. 38; Bay. VGH, Beschluss vom 29. Juli 2021 – 11 CS 21.1504, juris Rn. 15; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 4 StVG Rn. 33. 51Andererseits gibt er vor, wie bei einer bestimmten Anzahl bzw. Schwere von Wiederholungstaten gefahrenabwehrend zu reagieren ist. Daraus folgt zugleich: Ist keine Maßnahmenstufe nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem zu ergreifen und liegt kein atypischer Fall i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 3 StVG vor, hat es mit der repressiven Sanktion eines Verkehrsverstoßes sein Bewenden. Weitergehende präventive Maßnahmen sind bundesrechtlich in Bezug auf Fahrerlaubnisinhaber, die wiederholt gegen die die Sicherheit des Straßenverkehrs betreffenden straßenverkehrsrechtlichen oder gefahrgutbeförderungsrechtlichen Vorschriften verstoßen, nicht vorgesehen. 52b) Dieses in sich geschlossene bundesrechtliche Regelungsregime der fahrerlaubnispflichtigen Straßenverkehrsteilnahme sperrt das landesrechtliche allgemeine Ordnungsrecht. Gefahren für die öffentliche (Verkehrs-)Sicherheit, die von einem Fahrerlaubnisinhaber ausgehen, der nach der Fahrerlaubniserteilung gegen verkehrsrechtliche Vorschriften verstoßen hat und bei dem eine Wiederholung zu erwarten steht, kann die Straßenverkehrsbehörde nicht unter Rückgriff auf das landesrechtliche Ordnungsrecht abwehren. 53Das Grundgesetz hat dem Bund in Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG die (konkurrierende) Gesetzgebungszuständigkeit für den Straßenverkehr zugewiesen, ohne diesbezüglich in Art. 72 Abs. 3 GG eine Abweichungskompetenz für die Länder vorzusehen. Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG betrifft dabei das Straßenverkehrsrecht als sachlich begrenztes Ordnungsrecht, für das dem Bund – abweichend vom sonstigen Polizei- und Ordnungsrecht – die Gesetzgebungskompetenz zusteht. Es regelt in diesem Rahmen die (polizeilichen) Anforderungen, die an den Verkehr und an die Verkehrsteilnehmer gestellt werden, um Gefahren von anderen Verkehrsteilnehmern oder Dritten abzuwenden und den optimalen Ablauf des Verkehrs zu gewährleisten. 54BVerfG, Beschlüsse vom 10. Dezember 1975 – 1 BvR 118/71, BVerfGE 40, 371 (380), und vom 18. Dezember 2018 – 1 BvR 142/15, BVerfGE 150, 244 Rn. 60; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2014 – 3 C 6.13, BVerwGE 151, 129 Rn. 27. 55Die damit prinzipiell verfassungsrechtlich vorgesehene und aus der Natur der Sache gebotene Bundeseinheitlichkeit der Regelung des Straßenverkehrs sowie die vom Gesetzgeber angestrebte Gleichbehandlung aller Fahrerlaubnisinhaber würde konterkariert, wenn jede Straßenverkehrsbehörde auf wiederholte Verkehrsverstöße in ihrem Zuständigkeitsbereich auf der Grundlage des allgemeinen landesrechtlichen Gefahrenabwehrrechts nach lokalen Maßstäben reagieren könnte. 56Untersagungsverfügungen wie die hier streitgegenständliche verfolgen zwar auch den gefahrenabwehrenden Zweck, den Adressaten zu verkehrsgerechtem Verhalten anzuhalten. Ihr eigentlicher Schwerpunkt und Anlass liegt jedoch darin, über den als zu niedrig empfundenen Bußgeldrahmen des Bundesrechts hinauszugehen („örtliche Ersatzsanktion“). Die örtliche Straßenverkehrsbehörde hält das bundesrechtlich vorgesehene Bußgeld für zu niedrig und meint, dass sie den Verkehrsverstößen weder mittels des Ordnungswidrigkeitenrechts noch mit den bundesrechtlich vorgesehenen Maßnahmen des Fahreignungs-Bewertungssystems wirksam genug begegnen kann. Dies kam auch im Hinweis der Beklagten in der mündlichen Verhandlung zum Ausdruck, dass insbesondere der Bußgeldkatalog auch unter Berücksichtigung der Handhabung durch die ordentlichen Gerichte als Mittel zur „Abschreckung“ nicht geeignet sei. 57Ihren eigentlichen Sinn bezieht die Untersagungsverfügung – wie auch in der Begründung der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung ausdrücklich offengelegt – mithin daraus, als Vollstreckungsgrundlage für das angedrohte Zwangsgeld zu dienen, das erheblich über dem von der BKatV vorgesehenen und bei einem erneuten Verstoß zu verhängenden Bußgeld liegt. Dessen Regelsatz beträgt nach der BKatV 80,- bis 100,- Euro (Nr. 117 und 118). Selbst wenn der im Ausnahmefall grundsätzlich mögliche Höchstsatz nach § 17 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 24 Abs. 3 Nr. 5 StVG bei 2.000,- Euro liegt, bleibt er deutlich hinter dem angedrohten Zwangsgeld von 5.000,- Euro zurück. 58Die Ordnungsverfügung mit Zwangsgeldandrohung entfaltet – zumindest unter Geltung des VwVG NRW – im Ergebnis die gleichen Wirkungen wie ein Bußgeld. Denn das Zwangsgeld kann nicht nur zur Verhinderung eines unmittelbar bevorstehenden oder laufenden Verstoßes gegen die Untersagungsverfügung, sondern – wie ein Bußgeld – auch nach einem vollständig beendeten Verstoß gegen sie festgesetzt und beigetrieben werden. Das folgt aus § 60 Abs. 3 Satz 2 VwVG NRW, nach dem ein angedrohtes Zwangsgeld (auch dann) beizutreiben ist, wenn einer Unterlassungspflicht (während ihres Geltungszeitraums) zuwidergehandelt worden ist, deren Erfüllung durch die Androhung des Zwangsgelds erreicht werden sollte. Diese Beitreibung ist unabhängig davon möglich, ob ein weiterer Verstoß zu befürchten steht oder ausgeschlossen ist, und zwar sogar dann, wenn eine weitere Zuwiderhandlung wegen Fristablaufs oder Erledigung der Verfügung nicht mehr möglich ist. 59Vgl. hierzu OVG NRW, Beschlüsse vom 22. März 2019 – 4 B 71/19, juris Rn. 3 ff., vom 13. Februar 2020 – 10 B 75/20, juris Rn. 4, und vom 21. Juli 2022 – 7 A 1154/21, juris Rn. 8. 60Auf diese Weise unterläuft eine so ausgestaltete Untersagungsverfügung zumindest faktisch für ihren Geltungszeitraum den rein präventiven Charakter des Zwangsgeldes, das nicht sanktionierend für vergangenes Unrecht, sondern lediglich als präventive Beugemaßnahme eingesetzt werden darf. 61Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. April 2021 – 6 C 6.20, NVwZ-RR 2021, 705; Nds. OVG, Beschluss vom 23. April 2009 – 11 ME 478/08, NdsVBl. 2009, 345 (346); OVG Berl.-Brand., Urteil vom 19. Mai 2011 – OVG 10 B 7.10, juris Rn. 20; Thür. OVG, Beschluss vom 5. Juni 2012 – 1 EO 284/12, NVwZ-RR 2013, 6 f.; Sadler/Tillmanns, VwVG, 10. Aufl. 2020, § 15 Rn. 21; Dünchheim NWVBl. 2004, 202 (205). 62Käme allen örtlichen Straßenverkehrsbehörden die Befugnis zu, derartige „Ersatzsanktionen“ über den Umweg des landesrechtlichen Ordnungsrechts zu verhängen, könnten sie – etwa nach Auswertung des ihnen zugänglichen Fahreignungs-Registers – gegen alle Fahrerlaubnisinhaber, die in ihrem Zuständigkeitsgebiet mehrmals Verkehrszuwiderhandlungen begangen haben (z.B. die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten haben), wegen drohender Wiederholungsgefahr vergleichbare Untersagungsverfügungen mit ähnlich hohen Zwangsgeldandrohungen erlassen. Es bedarf keiner weiteren Erläuterung, dass dies die vom Bundesgesetzgeber vorgesehene bundeseinheitliche Regelung des Straßenverkehrs ad absurdum führen würde. 63c) Konzeptionell stimmt die so verstandene bundesrechtliche Abwehr von Gefahren, die von sich wiederholt verkehrswidrig verhaltenden Fahrerlaubnisinhabern für die Sicherheit des Straßenverkehrs ausgehen, mit der allgemeinen Regelungstechnik des Gefahrenabwehrrechts überein, das präventive Verbote mit Erlaubnisvorbehalt vorsieht. Verstößt der Inhaber einer solchen Erlaubnis gegen Vorschriften, die Rückschlüsse darauf zulassen, dass er die erlaubnispflichtige Tätigkeit künftig nicht rechtskonform ausübt, kann der einzelne Verstoß zwar ggf. mit einer repressiven Sanktion belegt werden (z.B. einem Bußgeld). Dem Erlaubnisinhaber kann aber grundsätzlich nicht die einzelne zwar rechtswidrige, aber durch seine Erlaubnis grundsätzlich gedeckte Handlung mithilfe des allgemeinen Ordnungsrechts vorbeugend verboten werden. Vielmehr verliert er – ggf. nach spezialgesetzlich vorgesehenen milderen Maßnahmen – die erteilte Erlaubnis. Dieser Regelungsmechanismus beruht auf der Legalisierungswirkung, die von einem Erlaubnisverwaltungsakt ausgeht und die den Erlaubnisinhaber vor Eingriffen in die erlaubte Tätigkeit schützt. 64Grundlegend: BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1977 – IV C 75.75, BVerwGE 55, 118 (120 ff.); vgl. allgemein auch BVerwG, Beschluss vom 16. März 2015 – 6 B 63.14, juris Rn. 6; OVG NRW, Urteile vom 9. Februar 2012 – 5 A 2382/10, NWVBl 2012, 431 (432), und vom 22. April 2015 – 2 L 47/13, juris Rn. 63; VGH BW, Urteil vom 29. März 2000 – 1 S 1245/99, NVwZ-RR 2000, 589 (590). 65Erst wenn die Legalisierungswirkung durch die Aufhebung der präventiven Erlaubnis endet, kann nach allgemeinen ordnungsrechtlichen Grundsätzen eingeschritten werden. 66Siehe zum Gewerbe- und Immissionsschutzrecht die vorgenannten Nachweise sowie BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2008 – 7 C 48.07, BVerwGE 132, 224 Rn. 27; Nds. OVG, Urteil vom 13. März 2019 – 12 LB 125/18, UPR 2020, 20 Rn. 40; VG Würzburg, Urteil vom 22. Januar 2019 – W 4 K 17.987, juris Rn. 43; vgl. zum Gaststättenrecht VG Düsseldorf, Beschluss vom 27. Oktober 2020 – 24 L 1828/20, juris Rn. 34 ff.; vgl. zum Baurecht VG Ansbach, Beschluss vom 24. November 2021 – An 17 S 21.01776, juris Rn. 71. 67Vergleichbares gilt – im Umfang der obigen Maßgabe – auch im Hinblick auf die Fahrerlaubnis. 68Ausdrücklich für die Legalisierungswirkung einer Fahrerlaubnis Seel, MDR 2014, 812 (815). 69d) Vor diesem Hintergrund ist die Kammer überzeugt, dass das bundesrechtliche Regelungssystem der §§ 2 ff., 24a StVG hinsichtlich der Gefahren durch wiederholte Verkehrsverstöße von Fahrerlaubnisinhabern abschließend und § 14 Abs. 1 OBG NRW insoweit unanwendbar ist. Der Bundesgesetzgeber hat die Abwehr von Gefahren durch wiederholte Verkehrsverstöße von Fahrerlaubnisinhabern unter (gefahrenabwehrrechtlich) bewusster Inkaufnahme einzelner Zuwiderhandlungen dem Fahreignungs-Bewertungssystem des § 4 StVG im Zusammenwirken mit repressiven Bußgeldern abschließend geregelt. 70Allgemein zum Verhältnis von Spezialgesetzen ohne eigenständige Ermächtigungsgrundlage zur ordnungsrechtlichen Generalermächtigung: Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl. 1986, S. 167; Götz/Geis, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 17. Aufl. 2022, § 21 Rn. 7 f. 71Die Kammer setzt sich damit nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Dieses hat – soweit ersichtlich – bisher lediglich entschieden, dass gegen Verkehrshindernisse i.S.d. § 32 StVO auf der Grundlage der Generalermächtigung des landesrechtlichen Ordnungsgesetzes vorgegangen werden kann. Diese Rechtsprechung ist auf die hiesige Fallgestaltung nicht übertragbar. Denn es ging in der damaligen Entscheidung nicht um die Abwehr von Gefahren durch die Verkehrsteilnahme eines Fahrerlaubnisinhabers, sondern um einen verkehrsfremden Eingriff in den Straßenverkehr von außen. 72BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2015 – 3 C 15.14, BVerwGE 153, 140 Rn. 15, zum Aufstellen einer Warnbake auf der Fahrbahn. 73Nur erstere regelt das StVG abschließend. 74e) Soweit die Gefahr nicht in einem befürchteten künftigen Verkehrsverstoß eines Fahrerlaubnisinhabers besteht, entfaltet das bundesrechtliche Straßenverkehrsrecht keine Sperrwirkung. Bei andersartigen Gefahren kann die zuständige Behörde auf der Grundlage des landesrechtlichen Ordnungsrechts bei Verstößen gegen das Straßenverkehrsrecht einschreiten, 75vgl. allgemein BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2015 – 3 C 15.14, BVerwGE 153, 140 Rn. 15; Bay. VGH, Beschluss vom 15. April 2021 – 10 NE 20.2831, BayVBl 2021, 751 Rn. 48; VGH BW, Urteil vom 15. September 2014 – 1 S 1010/13, juris Rn. 22 m.w.N.; VG Dresden, Urteil vom 10. April 2002 – 14 K 1966/00, juris Rn. 27; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 1986, S. 167; Gerster, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 7. Aufl. 2021, Rn. 455; Götz/Geis, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 17. Aufl. 2022, § 21 Rn. 7 ff., 18 f.; Schlanstein, NZV 2015, 105 (111), 76soweit nicht andere gesetzliche Regelungen, bspw. § 36 Abs. 5 Satz 1 und 4, § 44 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 36 Abs. 1 Satz 1 StVO, ihrerseits abschließende Rechtsgrundlagen für ein Tätigwerden der Polizei bilden. 77Vgl. hierzu etwa Sächs. OVG, Beschluss vom 23. Dezember 2021 – 6 A 680/19, juris Rn. 20; Gerster, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 7. Aufl. 2021, Rn. 470; Hühnermann, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 27. Aufl. 2022, § 36 Rn. 12. 78Liegt die abzuwehrende Gefahr nicht in einem befürchteten künftigen Verkehrsverstoß eines Fahrerlaubnisinhabers, sondern besteht sie gegenwärtig oder geht sie unmittelbar von dem Fahrzeug selbst aus (z.B. verkehrswidriges Parken, alkoholisierter Fahrer setzt sich ans Steuer, verkehrsunsicheres Fahrzeug) kann die Straßenverkehrsbehörde auf das allgemeine Ordnungsrecht zurückgreifen, weil die §§ 2 ff. StVG, insbesondere § 4 StVG, die Abwehr solcher Gefahren nicht regeln. 79Das allgemeine Ordnungsrecht steht der zuständigen Sonderordnungsbehörde darüber hinaus offen, wenn sie nicht eingreift, um straßenverkehrsrechtliche, sondern sonstige ordnungsrechtliche Zwecke zu verfolgen, die über die Gefahren hinausgehen, die mit der (verkehrsrechtswidrigen) Verkehrsteilnahme einhergehen. 80Vgl. BGH, Beschluss vom 18. April 1991 – 4 StR 518/90, NJW 1991, 1691 (1692); siehe allgemein auch Bay. VGH, Beschluss vom 15. April 2021 – 10 NE 20.2831, BayVBl 2021, 751 Rn. 48. 81Der Wille, das bloße Motiv des Verkehrsverstoßes – bei § 30 StVO etwa das Heischen um Aufmerksamkeit – zu bekämpfen, genügt dafür noch nicht. 82Das allgemeine Ordnungsrecht kann darüber hinaus auch zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit des Straßenverkehrs herangezogen werden, wenn die Gefahr nicht daher rührt, dass ein Fahrerlaubnisinhaber am Straßenverkehr teilnimmt, sondern von einer anderen Gefahrenquelle. 83BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2015 – 3 C 15.14, BVerwGE 153, 140 Rn. 15 m.w.N. (Warnbaken); vgl. implizit wohl OVG NRW, Beschluss vom 28. Oktober 2021 – 8 B 994/21, juris Rn. 3 ff.; siehe auch VGH BW, Urteil vom 5. Dezember 2002 – 5 S 2625/01, NZV 2003, 301 (302), dort – ggf. – sogar weitergehend als hier. 842. Dies zugrunde gelegt, vermag die landesordnungsrechtliche Generalklausel des § 14 Abs. 1 OBG NRW die Ziffer 1 der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung vom 8. Juni 2021 nicht zu tragen. 85a) Ausweislich des Tenors und der Begründung soll mit der Anordnung in Ziffer 1 der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung die Begehung von Verstößen gegen das Verbot aus § 30 Abs. 1 Satz 1 StVO, nach dem bei der Benutzung von Fahrzeugen unnötiger Lärm und vermeidbare Abgasbelästigungen verboten sind, verhindert und damit eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit in Gestalt der geschriebenen Rechtsordnung abgewehrt werden. Gegenwärtig bestehende Gefahren in Gestalt derartiger Zuwiderhandlungen als solche liegen dabei nicht vor. Vielmehr geht es um die dauerhafte Abwehr künftiger bzw. wiederholter, noch nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit konkret absehbarer Verkehrszuwiderhandlungen. Das untersagte Verhalten („Posing“) erfolgt während der Verkehrsteilnahme, wie es auch der hierfür einschlägige und von der Beklagten selbst ergänzend herangezogene § 30 Abs. 1 Satz 1 StVO als ein innerverkehrliches Verhalten regelnde Vorschrift nahelegt. Der Unterlassungsverpflichtete wirkt hierdurch gerade nicht von außen auf den Straßenverkehr ein. Auch liegt kein Verhalten vor, das sich als „verkehrsfremder Inneneingriff“ darstellt, 86vgl. zu dieser originär strafrechtlichen Figur nur BGH, Beschluss vom 21. Juni 2016 – 4 StR 1/16, NZV 2016, 533 Rn. 6; Pegel, in: Erb/Schäfer, Münchener Kommentar zum StGB, 3. Aufl. 2019, § 315b Rn. 14. 87Dass das Motiv des „Posens“, wie von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, auch außerverkehrlichen Zwecken („Imponieren“, „Brautschau“) dient, reicht hierfür allein nicht aus, wenn es sich selbst als Verkehrsteilnahme darstellt. 88Die Ordnungsverfügung soll damit aber gerade der Gefahr entgegenwirken, die mit der (Art der) Verkehrsteilnahme durch Fahrerlaubnisinhaber verbunden ist. Wie aus der Begründung zur Ordnungsverfügung ersichtlich, soll sie präventiv verhindern, dass der Kläger als Fahrerlaubnisinhaber seine verkehrswidrige Art der Teilnahme am Straßenverkehr künftig wiederholt. Insoweit greift aber die dargelegte Sperrwirkung des bundesrechtlichen Regelungssystems der §§ 2 ff. StVG, die einem Rückgriff auf die landesordnungsrechtliche Generalklausel entgegensteht. 89Der im Ergebnis anderslautenden erstinstanzlichen Rechtsprechung, die vergleichbare Untersagungsverfügungen gegenüber einem sogenannten „Posing“-Verhalten gebilligt hat, kann die Kammer nicht beitreten. Eine weitere Auseinandersetzung mit ihr erscheint entbehrlich, weil sie sich mit dem Verhältnis des Regelungssystems der §§ 2 ff., 24a StVG zum allgemeinen landesrechtlichen Ordnungsrecht nicht befasst, sondern nur auf das Verhältnis der – ihrer Ansicht nach nicht gesperrten – landesrechtlichen Generalklausel zu anderen Regelungen der StVO und des BImSchG eingeht, 90siehe VG Karlsruhe, Urteil vom 17. Dezember 2018 – 1 K 4344/17, juris Rn. 36 ff.; vgl. gänzlich ohne weitere Erörterung VG Hannover, Urteil vom 12. Juli 2021 – 5 A 6628/20, juris Rn. 28. 91Auch die – soweit ersichtlich – einzige obergerichtliche Entscheidung äußert sich zu den hier maßgeblichen Rechtsfragen nicht. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg stützt die dortige Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung tragend lediglich auf die unzureichende Darlegung der Zulassungsgründe. 92VGH BW, Beschluss vom 4. Juni 2019 – VGH 1 S 500/19, n.v. 93b) Eine andere gesetzliche Ermächtigungsgrundlage, um das „Imponiergehabe“ unter Verstoß gegen § 30 Abs. 1 StVO zu unterbinden, insbesondere aus dem Bundesrecht, existiert nicht. 943. Offenlassen kann die Kammer daher, ob Ziffer 1 der Ordnungsverfügung daneben insbesondere im Hinblick auf die von § 37 Abs. 1 VwVfG NRW geforderte Bestimmtheit, 95siehe zu den Anforderungen OVG NRW, Beschluss vom 23. November 2020 – 10 A 2316/20, juris Rn. 6 m.w.N., 96oder die Ermessensausübung, bei der jedenfalls das obengenannte Regelungssystem zu berücksichtigen sein dürfte, rechtlichen Bedenken begegnet. 97II. Die auflösende Befristung in Ziffer 3 teilt als echte Nebenbestimmung i.S.d. § 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW das Schicksal des Hauptverwaltungsaktes und „steht und fällt mit diesem“. Vor diesem Hintergrund wird sie mit der Unwirksamkeit der Ziffer 1 gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG NRW („anderweitige Aufhebung“) aufgrund der gerichtlichen Kassation nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO unwirksam, 98vgl. insgesamt Schröder, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht (Stand: Juli 2020), § 36 Rn. 133, 99und ist aus Klarstellungsgründen ebenfalls aufzuheben. 100III. Mangels wirksamer Grundverfügung ist auch die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 4 der angegriffenen Ordnungsverfügung i.S.d. §§ 55, 60, 63 VwVG NRW für den Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 1 rechtswidrig und aufzuheben. Infolgedessen kann die Kammer offenlassen, ob die Androhung unbegrenzt wiederholbarer Zwangsgelder, die der Höhe nach um den Faktor 62,5 (5.000,- Euro) über dem Regelsatz der BKatV liegen, selbst bei einer rechtmäßigen Grundverfügung deutlich übersetzt und damit unverhältnismäßig wäre. 101IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 ZPO. 102V. Die Berufung wird nach § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. 103Darüber hinaus lässt die Kammer auch die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz (Sprungrevision) nach § 134 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Denn die Rechtsfrage betrifft mit der Reichweite der §§ 2 ff. StVG Bundesrecht nach § 137 Abs. 1 Satz 1 VwGO revisibles Recht, auch wenn die streitgegenständliche Verfügung auf eine nicht revisible landesrechtliche Norm gestützt ist. 104Vgl. hierzu nur BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2006 – 6 C 19.06, BVerwGE 126, 149 Rn. 34 f. 105Rechtsmittelbelehrung: 106(1) Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich Berufung eingelegt werden. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen. 107Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 108Die Berufung ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich einzureichen. 109Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). 110Im Berufungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen. 111Die Berufungsschrift und die Berufungsbegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. 112(2) Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu. Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich einzulegen. 113Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 114Die Revisionsfrist ist auch gewahrt, wenn die Revision innerhalb der Frist bei dem Bundesverwaltungsgericht (Simsonplatz 1, 04107 Leipzig) schriftlich eingelegt wird. 115Die Revision muss das angefochtene Urteil bezeichnen. 116Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht (Simsonplatz 1, 04107 Leipzig) schriftlich einzureichen. 117Im Revisionsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 und 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen. 118Die Revision und die Revisionsbegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.Beschluss 119Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,- Euro festgesetzt. 120Rechtsmittelbelehrung: 121Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. 122Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 123Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 124Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt. 125Die Beschwerdeschrift soll möglichst einfach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. 126War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
die ordnungsverfügung der beklagten vom 8. juni 2021 wird aufgehoben. die beklagte trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten gegen sicherheitsleistung in höhe von 110 prozent des zu vollstreckenden betrages vorläufig vollstreckbar. die berufung wird zugelassen. die revision unter übergehung der berufungsinstanz (sprungrevision) wird zugelassen. 1
2der kläger, dem am 00.00.2018 eine fahrerlaubnis erteilt wurde, wendet sich gegen die mit einer zwangsgeldandrohung von 5.000,- euro verbundene anordnung, als führer von personenkraftwagen in x. sog. „posing“ mit kraftfahrzeugen (§ 30 abs. 1 stvo) zu unterlassen. 3nach dem vom ephk w. erstatteten „allgemeinen bericht über poserverhalten“ vom 29. mai 2021 seien an diesem tag gegen 19.10 uhr der kläger sowie herr g. t. c. in x. jeweils mit hoher geräuschentwicklung auf der i. -i1. -allee von der u. -l. -straße in fahrtrichtung s. straße gefahren. auf höhe der m. -a. -straße hätten sie an einer roten ampel angehalten. das fahrzeug des klägers habe sich vor dem des herrn c. befunden. als die ampel auf grünlicht umgeschaltet habe, seien sie mit heulenden motoren losgefahren. beide seien deutlich schneller als der ordnungsgemäß fahrende fahrzeugverkehr gefahren. während des vorgangs sei der unterzeichnende polizeibeamte mit seinem dienstmotorrad hinter herrn c. gefahren. es habe aufgrund der temperaturen und der öffnung der außengastronomie ein sehr starkes fußgängeraufkommen geherrscht. das verhalten der fahrzeugführer habe den eindruck erweckt, dass sie sich mit ihrer fahrweise die aufmerksamkeit der fußgänger erhofft hätten. gegen den kläger sei eine ordnungswidrigkeitenanzeige gefertigt worden. ein entsprechender bußgeldbescheid findet sich in der verwaltungsakte nicht. 4mit anhörungsschreiben vom 31. mai 2021 teilte die beklagte dem kläger mit, dass sie beabsichtige, ihm das verursachen unnötigen lärms zu untersagen und für jede zuwiderhandlung ein zwangsgeld in höhe von 5.000,- euro anzudrohen, und gab ihm gelegenheit zur stellungnahme bis zum 4. juni 2021. 5mit ordnungsverfügung vom 8. juni 2021 erließ die beklagte gegen den kläger die anordnung, ab sofort und auch nach etwaiger erteilung einer fahrerlaubnis bei dem benutzen öffentlicher straßen im stadtgebiet von x. als führer von personenkraftfahrzeugen das verursachen unnötigen lärms zu unterlassen, verursacht zum beispiel durch unsachgemäße benutzung des fahrzeugs, nichtbeachtung technischer ausführungsvorschriften, hochjagen des motors im leerlauf und beim fahren in niedrigen gängen (insbesondere gasstoß), unnötig schnelles beschleunigen des fahrzeugs, namentlich beim anfahren (ziffer 1). daneben ordnete sie die sofortige vollziehung der verfügung an (ziffer 2) und befristete die verfügung bis zum 30. juni 2024 (ziffer 3). für jeden fall der zuwiderhandlung gegen ziffer 1 der verfügung drohte sie dem kläger ein zwangsgeld in höhe von 5.000,- euro an (ziffer 4). zur begründung führte sie im wesentlichen aus, dass sie sich belastungen durch fahrzeugführer ausgesetzt sehe, die in hochmotorisierten fahrzeugen um aufmerksamkeit heischten („posen“). die daraus resultierenden gefahren hätten sich in einem unfall sowie in erheblichen störungen durch lärmbelästigungen manifestiert. rechtsgrundlage für die ordnungsverfügung sei § 14 obg nrw in verbindung mit § 30 stvo. das verhalten des klägers am 29. mai 2021 sei eine gefahr für die öffentliche sicherheit. nach den gesamtumständen des vorgangs sei anzunehmen, dass eine bewusste missachtung der straßenverkehrsregeln vorliege und es dem kläger um verkehrsfremde zwecke wie das heischen um aufmerksamkeit, das abhalten spontaner fahrzeugrennen, das ausprobieren der technischen möglichkeiten des fahrzeugs oder das ungehemmte und rücksichtslose ausleben von aggressionen gegangen sei. im rahmen ihres ermessens habe sie sich zu der anordnung entschlossen, um den kläger in besonderem maße zur beachtung der beschriebenen vorschriften anzuhalten. es werde eine eigenständige rechtsgrundlage für die verwaltungsvollstreckung geschaffen. die erforderlichkeit entfalle nicht durch das gesetzliche verbot des § 30 abs. 1 stvo. die befristung gebe einerseits dem kläger die gelegenheit, sein verhalten den normanforderungen anzupassen, und biete andererseits den anderen verkehrsteilnehmern und der bevölkerung für eine hinreichende dauer den zusätzlichen schutz einer unmittelbaren vollstreckungsmöglichkeit. das angedrohte zwangsgeld solle den kläger nachhaltig dazu anhalten, der anordnung folge zu leisten. die bestehenden straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen sanktionen reichten nicht aus, um ihn zu einem angemessenen verkehrsverhalten zu bewegen. bei der bemessung sei berücksichtigt worden, dass die bestehende strafandrohung insbesondere eines bußgelds von bis zu 2.000,- euro ersichtlich nicht ausgereicht habe, um den kläger zu einem entsprechenden verhalten zu motivieren. die ordnungsverfügung wurde dem kläger am 9. juni 2021 zugestellt. 6der kläger hat am 6. juli 2021 klage erhoben, die er im wesentlichen wie folgt begründet: die voraussetzungen des § 14 obg nrw seien nicht gegeben. es fehle an einer hinreichend gesicherten gefahrenprognose. die beklagte habe keine vorfälle aus der jüngeren vergangenheit benannt, die eine schadensnähe erkennen ließen. der pauschale verweis auf einen unfall reiche nicht aus. auch der verweis auf die störungen der anwohner vermöge eine gefahr nicht zu begründen. das fahrzeug des klägers sei vom u1. o. überprüft und ordnungsgemäß zugelassen worden. der erzeugte lärm sei auf motorengröße und isolierung des fahrzeugs zurückzuführen. darüber hinaus fehle es an hinreichenden feststellungen zu dem vorfall aus mai 2021. 7der kläger beantragt, 8die ordnungsverfügung der beklagten vom 8. juni 2021 aufzuheben. 9die beklagte beantragt, 10die klage abzuweisen. 11sie bezieht sich im wesentlichen auf die gründe der angefochtenen ordnungsverfügung. 12wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakte sowie die beigezogenen verwaltungsvorgänge der beklagten ergänzend bezug genommen. 13
14die klage hat erfolg. die zulässige klage ist begründet. 15die ordnungsverfügung der beklagten vom 8. juni 2021 ist rechtswidrig und verletzt den kläger in seinen rechten, § 113 abs. 1 satz 1 vwgo. 16i. die in ziffer 1 der ordnungsverfügung enthaltene anordnung, beim benutzen öffentlicher straßen in x. als führer von personenkraftwagen das durch eine nicht abschließende aufzählung („zum beispiel“) näher konkretisierte verursachen unnötigen lärms zu unterlassen, ist rechtswidrig. als verwaltungsakt mit dauerwirkung ist die rechtmäßigkeit der untersagungsverfügung nach der sach- und rechtslage zum zeitpunkt der mündlichen verhandlung zu beurteilen, 17vgl. bverwg, urteile vom 19. september 2013 – 3 c 15.12, bverwge 148, 28 rn. 9, und vom 4. dezember 2020 – 3 c 5.20, bverwge 171, 1 rn. 11. 18entgegen der auffassung der beklagten findet ziffer 1 der ordnungsverfügung ihre rechtsgrundlage nicht in der ordnungsbehördlichen generalermächtigung des § 14 abs. 1 obg nrw. das bundesrechtliche regelungssystem zur abwehr von gefahren für die öffentliche (verkehrs-)sicherheit, die von einem fahrerlaubnisinhaber als führer eines kraftfahrzeugs im öffentlichen straßenverkehr ausgehen, der wiederholt gegen verkehrsrechtliche vorschriften verstößt, ist abschließend. zur abwehr solcher gefahren kann nicht auf das landesordnungsrecht zurückgegriffen werden (1.). die untersagung von „imponiergehabe“ mit personenkraftwagen auf öffentlichen straßen unter verstoß gegen § 30 abs. 1 stvo (ziffer 1 der ordnungsverfügung) kann dementsprechend nicht auf § 14 abs. 1 obg nrw gestützt werden (2.). einer würdigung der konkreten anwendung der generalklausel bedarf es daher nicht (3.). 191. nach § 14 abs. 1 obg nrw können die ordnungsbehörden die notwendigen maßnahmen treffen, um eine im einzelnen falle bestehende gefahr für die öffentliche sicherheit oder ordnung (gefahr) abzuwehren. verstößt ein fahrerlaubnisinhaber beim führen eines kraftfahrzeugs auf einer öffentlichen straße gegen eine straßenverkehrsrechtliche vorschrift oder ein verkehrsregelndes verkehrszeichen, verletzt er die geschriebene rechtsordnung. damit gefährdet er die öffentliche sicherheit im ordnungs- bzw. gefahrenabwehrrechtlichen sinne. dies gilt umso mehr, soweit der jeweilige verstoß – wie das verursachen unnötigen lärms nach § 24 abs. 1 stvg, § 30 abs. 1 satz 1, § 49 abs. 1 nr. 25 stvo – zugleich bußgeldbewehrt ist. die tatbestandsvoraussetzungen des § 14 abs. 1 obg nrw, auf den sich die straßenverkehrsbehörde als sonderordnungsbehörde (§ 12 obg nrw i.v.m. § 5 der verordnung über zuständigkeiten im bereich straßenverkehr und güterbeförderung, in kraft getreten am 9. juli 2016 (gv. nrw. s. 527)) grundsätzlich stützen kann, sind damit nach ihrem wortlaut erfüllt, 20vgl. so in bezug auf das „posing“ und die jeweilige landesordnungsrechtliche generalklausel vg hannover, urteil vom 12. juli 2021 – 5 a 6628/20, juris rn. 44 f.; vg karlsruhe, urteil vom 17. dezember 2018 – 1 k 4344/17, juris rn. 68 ff.; ebenso lohmeyer, in: freymann/wellner, jurispk-straßenverkehrsrecht, 2. aufl. 2022, § 30 rn. 63; vahle, dvp 2020, 435 (437). 21allerdings findet § 14 abs. 1 obg nrw von vornherein keine anwendung auf die abwehr von gefahren für die öffentliche sicherheit, die dadurch entstehen, dass am öffentlichen straßenverkehr teilnehmende fahrerlaubnisinhaber wiederholt gegen verkehrsvorschriften verstoßen. das bundesrechtliche straßenverkehrsrecht (a) als besonderes gefahrenabwehrrecht, 22vgl. bverwg, urteil vom 20. oktober 2015 – 3 c 15.14, bverwge 153, 140 rn. 15; gerster, in: lisken/denninger, handbuch des polizeirechts, 7. aufl. 2021, rn. 454; schlanstein, nzv 2015, 105 f., 23regelt die abwehr solcher gefahren abschließend und steht einer ergänzenden anwendung des allgemeinen landesordnungsrechts im wege (b). dies entspricht der allgemeinen regelungstechnik des gefahrenabwehrrechts durch präventive verbote mit erlaubnisvorbehalt (c). die anwendung des § 14 abs. 1 obg nrw ist für verkehrszuwiderhandlungen von fahrerlaubnisinhabern als führer von kraftfahrzeugen damit gesperrt (d). die sperrwirkung entfällt nur, soweit die gefahr nicht in einem befürchteten künftigen verkehrsverstoß eines fahrerlaubnisinhabers besteht, sondern eine andersartige gefahr vorliegt (e). 24a) aa) der bundesgesetzgeber hat im rahmen der von ihm ausgeübten (konkurrierenden) gesetzgebungskompetenz nach art. 74 abs. 1 nr. 22 gg das potenziell gefährliche führen von kraftfahrzeugen in § 2 abs. 1 satz 1 stvg unter ein präventives verbot mit erlaubnisvorbehalt gestellt. 25vgl. vg minden, beschluss vom 23. dezember 2011 – 9 l 602/11, juris rn. 21; dauer, in: hentschel/könig/dauer, straßenverkehrsrecht, 46. aufl. 2021, § 2 stvg rn. 21. 26danach bedarf der erlaubnis (fahrerlaubnis) der zuständigen behörde (fahrerlaubnisbehörde), wer auf öffentlichen straßen ein kraftfahrzeug führt. die fahrerlaubnis wird gemäß § 2 abs. 2 satz 1 nr. 3 stvg nur erteilt, wenn der bewerber zum führen von kraftfahrzeugen geeignet ist. dabei ist nach dem umkehrschluss aus § 2 abs. 4 satz 1 stvg (unter anderem) zum führen von kraftfahrzeugen ungeeignet, wer erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche vorschriften oder strafgesetze verstoßen hat. ihm darf keine fahrerlaubnis erteilt werden. 27wie die gefahr für die öffentliche (verkehrs-)sicherheit abzuwehren ist, die von einem fahrerlaubnisinhaber ausgeht, der nach der fahrerlaubniserteilung erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche vorschriften verstößt, ist ebenfalls bundesrechtlich geregelt. § 2 abs. 4 satz 1 stvg stuft ihn als fahrungeeignet ein, so dass ihm gemäß § 3 abs. 1 satz 1 stvg die fahrerlaubnis behördlich zu entziehen ist. die §§ 2 und 3 stvg stellen jedoch nur allgemeine grundsätze für den umgang mit wiederholten verkehrsverstößen eines fahrerlaubnisbewerbers oder -inhabers auf. im einzelnen regelt hingegen § 4 stvg, wie präventiv mit gefährdungen durch wiederholte verkehrsverstöße von fahrerlaubnisinhabern (fahranfänger: § 2a stvg) umzugehen ist. 28vgl. zum präventiven charakter von § 4 stvg: bt-drucks. 13/6914 s. 49, 17/12636 s. 38; vgh bw, beschluss vom 19. oktober 2015 – 10 s 1689/15, njw 2016, 1259 rn. 15. 29das ergibt sich bereits aus dem wortlaut von § 4 abs. 1 satz 1 stvg. danach hat die nach landesrecht zuständige behörde zum schutz vor gefahren, die von inhabern einer fahrerlaubnis ausgehen, die wiederholt gegen die die sicherheit des straßenverkehrs betreffenden straßenverkehrsrechtlichen oder gefahrgutbeförderungsrechtlichen vorschriften verstoßen, die in § 4 abs. 5 stvg genannten maßnahmen (fahreignungs-bewertungssystem) zu ergreifen. 30das fahreignungs-bewertungssystem wird dabei durch eine rechtsverordnung nach § 6 abs. 1 satz 1 nr. 4 buchst. b stvg (siehe § 40 i.v.m. anlage 13 zur fev) näher ausgestaltet, die zahlreiche, genau bestimmte verkehrsverstöße (straftaten und ordnungswidrigkeiten) mit einem bis drei punkten bewertet (vgl. auch § 4 abs. 2 satz 1 und 2 stvg). wird ein fahrerlaubnisinhaber wegen eines in der verordnung aufgeführten verkehrsverstoßes verurteilt oder ergeht ein bußgeldbescheid gegen ihn, werden die der zuwiderhandlung zugeordneten punkte in das fahreignungsregister (§§ 28 ff. stvg) eingetragen, das zentral vom kraftfahrt-bundesamt geführt wird. um der gefahr weiterer, also wiederholter verstöße gegen verkehrsvorschriften durch den fahrerlaubnisinhaber zu begegnen, sieht § 4 abs. 5 satz 1 stvg drei gestufte maßnahmen vor: die schriftliche ermahnung beim erreichen von vier oder fünf punkten (nr. 1), die schriftliche verwarnung beim erreichen von sechs oder sieben punkten (nr. 2) und die entziehung der fahrerlaubnis beim erreichen von acht oder mehr punkten (nr. 3). 31dieses fahreignungs-bewertungssystem ist für das präventive vorgehen gegen wiederholungstäter unter den fahrerlaubnisinhabern im grundsatz abschließend. das folgt systematisch aus § 4 abs. 1 satz 3 stvg. die norm erlaubt lediglich im ausnahmefall, das fahreignungs-bewertungssystem nicht anzuwenden. zwar sieht sie ausdrücklich vor, dass das fahreignungs-bewertungssystem nicht anzuwenden ist, wenn sich die notwendigkeit früherer oder anderer die fahreignung betreffender maßnahmen nach den vorschriften über die entziehung der fahrerlaubnis nach § 3 abs. 1 stvg oder einer auf grund § 6 abs. 1 satz 1 nr. 1 stvg erlassenen rechtsverordnung ergibt. damit sind in erster linie, aber nicht nur, maßnahmen zur aufklärung von zweifeln an der fahreignung nach §§ 11 ff. fev (z.b. sehvermögen, alkohol- und drogenkonsum, medikamenteneinnahme) gemeint. ebenso ist der sofortige entzug der fahrerlaubnis (§ 46 fev) erfasst, wenn die fahrungeeignetheit aus anderen gründen bereits endgültig feststeht. insbesondere kommt eine fahrerlaubnisentziehung mangels eignung aufgrund von erheblichen oder wiederholten verstößen gegen verkehrsrechtliche vorschriften nach § 3 abs. 1 satz 1 stvg i.v.m. § 46 abs. 1 satz 1, abs. 3 und § 11 abs. 3 nr. 4 fev und damit abseits des fahreignungs-bewertungssystems nur in besonders gelagerten ausnahmefällen in betracht. mit dem fahreignungs-bewertungssystem des § 4 stvg akzeptiert der bundesgesetzgeber, dass fahrerlaubnisinhaber weiter am straßenverkehr teilnehmen, obwohl sie wiederholt gegen verkehrsvorschriften verstoßen haben. er erlaubt ihre ausschließung erst, wenn sie die dritte stufe (fahrerlaubnisentziehung) erreicht haben. der bundesgesetzgeber nimmt damit zwangsläufig und bewusst verkehrsverstöße des fahrerlaubnisinhabers, also im ordnungsrechtlichen sinne gefährliches verhalten, in einem gewissen umfang in kauf. 32vom fahreignungs-bewertungssystem darf die fahrerlaubnisbehörde deshalb nur abweichen, wenn ein vollständiges durchlaufen des stufensystems die verkehrssicherheit ausnahmsweise unvertretbar gefährden würde, § 4 abs. 1 satz 3 stvg. 33vgl. bt-drucks. 17/12636, s. 38; bay. vgh, beschluss vom 29. juli 2021 – 11 cs 21.1504, juris rn. 15 ff.; ovg nrw, beschluss vom 10. dezember 2010 – 16 b 1392/10, njw 2011, 1242; vg braunschweig, beschluss vom 28. januar 2020 – 6 b 256/19, juris rn. 10; vg freiburg (breisgau), beschluss vom 8. januar 2019 – 5 k 6324/18, juris rn. 9; vg neustadt (weinstraße), beschluss vom 21. märz 2017 – 3 l 293/17.nw; dauer, in: hentschel/könig/dauer, straßenverkehrsrecht, 46. aufl. 2021, § 4 stvg rn. 33. 34aber selbst für diesen ausnahmefall verweist § 4 abs. 1 satz 3 stvg nur auf die anwendung der straßenverkehrsrechtlichen vorschriften des bundesrechts, und lässt für landesrechtliche normen, etwa des allgemeinen ordnungsrechts, keinen raum. 35der zweck des fahreignungs-bewertungssystems des § 4 stvg besteht dabei gerade darin, bundesrechtlich sicherzustellen, dass gleichartige verkehrsverstöße, durch die fahrerlaubnisinhaber als wiederholungstäter die sicherheit des straßenverkehrs gefährden („mehrfachtätersystem“), bundesweit einheitlich präventiv bekämpft werden. 36vgl. auch bt-drucks. 13/6914 s. 49, 17/12636 s. 38; ovg nrw, beschluss vom 10. dezember 2010 – 16 b 1392/10, njw 2011, 1242. 37daneben gewährleistet das fahreignungs-bewertungssystem die gleichbehandlung der betroffenen fahrerlaubnisinhaber. 38bt-drucks. 17/12636 s. 38. 39es setzt damit auf einfachgesetzlicher ebene das aus art. 3 abs. 1 gg folgende gebot um, wesentlich gleiches gleich zu behandeln. 40vgl. implizit auch vg berlin, urteil vom 4. august 2017 – 4 k 499.16, juris rn. 27; zum inhalt von art. 3 abs. 1 gg etwa bverfg, beschluss vom 28. april 2022 – 1 bvl 12/20, njw 2022, 2465 rn. 9; zur vereinbarkeit der konkreten ausgestaltung des fahreignungs-bewertungssystems mit art. 3 abs. 1 gg bverwg, urteil vom 26. januar 2017 – 3 c 21.15, bverwge 157, 235 rn. 37 ff. 41bb) das gilt auch, soweit ein verkehrsverstoß – wie auch zum zeitpunkt der entscheidung des gerichts der gegen § 30 abs. 1 stvo – bundesrechtlich nicht in der anlage 13 zur fev mit punkten bewehrt ist. 42alle gefahren, die sich aus wiederholten verstößen von fahrerlaubnisinhabern gegen verkehrsvorschriften ergeben, wehrt das stvg – im grundsatz – präventiv durch das fahreignungs-bewertungssystem mit seinen ausdrücklich normierten eingriffsstufen ab. 43vgl. auch bt-drucks. 17/12636 s. 38; ovg nrw, beschluss vom 10. dezember 2010 – 16 b 1392/10, njw 2011, 1242; ovg rp, beschluss vom 27. mai 2009 – 10 b 10387/09, juris rn. 5 (zur alten rechtslage); vg braunschweig, beschluss vom 28. januar 2020 – 6 b 256/19, juris rn. 10; dauer, in: hentschel/könig/dauer, straßenverkehrsrecht, 46. aufl. 2021, § 4 stvg rn. 33. 44aus der fehlenden punktebewehrung eines verkehrsverstoßes kann nicht geschlossen werden, dass er vom stvg bzw. der fev nicht erfasst wird und eine regelungslücke eröffnet, die einen rückgriff auf die vorschriften des allgemeinen gefahrenabwehrrechts ermöglicht. ist eine zuwiderhandlung nicht mit punkten bewehrt, folgt daraus im gegenteil, dass der bundesgesetzgeber sie als unbedeutender für die teilnahme am erlaubnispflichtigen kraftverkehr und damit als die verkehrssicherheit weniger gefährdend einordnet. diese gesetzgeberische wertung würde in ihr gegenteil verkehrt, wenn bei nicht punktebewehrten taten weitreichendere gefahrenabwehrrechtliche maßnahmen unter geringeren voraussetzungen möglich wären, als § 4 stvg sie für schwerwiegendere verkehrsverstöße vorsieht. das ist unbedenklich, weil es nicht bedeutet, dass verstöße gegen nicht punktebewehrte verkehrsvorschriften dauerhaft hinzunehmen sind, ohne gefahrenabwehrend darauf reagieren zu können. bei einer fehlenden punktebewertung kann die tat zwar nicht zu einer ermahnung, verwarnung oder fahrerlaubnisentziehung nach § 4 abs. 5 stvg führen. aber § 4 abs. 1 satz 3 stvg lässt – wie oben dargelegt – auch bei nicht punktebewehrten verkehrsverstößen im einzelfall „andere maßnahmen“ nach § 3 stvg bzw. nach der fev durchaus zu. 45vgl. allgemein auch ovg lüneburg, beschluss vom 2. dezember 1999 – 12 m 4307/99, njw 2000, 685. 46dass auch nicht punktebewehrte verkehrsverstöße zweifel an der fahreignung begründen und damit zum ergreifen „anderer maßnahmen“ führen können, bestätigt § 11 abs. 3 satz 1 nr. 3 bis 7 fev. danach können u.a. verstöße gegen verkehrsrechtliche vorschriften unabhängig von ihrer punktebewehrung die fahrerlaubnisbehörde berechtigen, die beibringung eines medizinisch-psychologischen gutachtens anzuordnen. 47cc) flankiert wird das der abwehr wiederholter verkehrsverstöße dienende (gefahrenabwehrrechtliche) fahreignungs-bewertungssystem schließlich durch die (repressive) bußgeldvorschrift des § 24 stvg insbesondere in verbindung mit § 49 stvo. danach werden verstöße gegen eine vielzahl straßenverkehrsrechtlicher ge- und verbote als ordnungswidrigkeiten eingestuft. es erfolgt eine sanktionierung einzelner zuwiderhandlungen im straßenverkehr, die nach maßgabe von § 4 abs. 2 stvg in verbindung mit § 40 und anlage 13 zur fev ggf. wiederum im rahmen des gefahrenabwehrrechtlichen fahreignungs-bewertungssystems heranzuziehen sind, aber auch solcher zuwiderhandlungen, die die punkteschwelle nicht überschreiten, 48vgl. auch bt-plenarprotokoll 19/229, s. 28677 (c). 49dd) insgesamt wehrt das regelungsgefüge des bundesrechtlichen straßenverkehrsrechts die gefahren, die der sicherheit des straßenverkehrs von fahrerlaubnisinhabern durch die verkehrswidrige teilnahme am straßenverkehr drohen, durch ein zusammenwirken von repressiven und präventiven maßnahmen ab. verstöße gegen verkehrsregeln werden repressiv durch strafurteile oder bußgeldbescheide geahndet. aus den ergriffenen repressiven maßnahmen schließt das straßenverkehrsgesetz auf die gefährlichkeit des fahrerlaubnisinhabers, was wiederum zu präventiven gefahrenabwehrmaßnahmen führt. durch dieses zusammenwirken von repressiven und präventiven staatlichen reaktionen zeigt der bundesgesetzgeber einerseits, dass er mit wiederholten verstößen von fahrerlaubnisinhabern gegen verkehrsregeln rechnet und diese (gefahrenabwehrrechtlich) in gewissem umfang hinnimmt, 50vgl. bt-drucks. 17/12636 s. 38; bay. vgh, beschluss vom 29. juli 2021 – 11 cs 21.1504, juris rn. 15; dauer, in: hentschel/könig/dauer, straßenverkehrsrecht, 46. aufl. 2021, § 4 stvg rn. 33. 51andererseits gibt er vor, wie bei einer bestimmten anzahl bzw. schwere von wiederholungstaten gefahrenabwehrend zu reagieren ist. daraus folgt zugleich: ist keine maßnahmenstufe nach dem fahreignungs-bewertungssystem zu ergreifen und liegt kein atypischer fall i.s.v. § 4 abs. 1 satz 3 stvg vor, hat es mit der repressiven sanktion eines verkehrsverstoßes sein bewenden. weitergehende präventive maßnahmen sind bundesrechtlich in bezug auf fahrerlaubnisinhaber, die wiederholt gegen die die sicherheit des straßenverkehrs betreffenden straßenverkehrsrechtlichen oder gefahrgutbeförderungsrechtlichen vorschriften verstoßen, nicht vorgesehen. 52b) dieses in sich geschlossene bundesrechtliche regelungsregime der fahrerlaubnispflichtigen straßenverkehrsteilnahme sperrt das landesrechtliche allgemeine ordnungsrecht. gefahren für die öffentliche (verkehrs-)sicherheit, die von einem fahrerlaubnisinhaber ausgehen, der nach der fahrerlaubniserteilung gegen verkehrsrechtliche vorschriften verstoßen hat und bei dem eine wiederholung zu erwarten steht, kann die straßenverkehrsbehörde nicht unter rückgriff auf das landesrechtliche ordnungsrecht abwehren. 53das grundgesetz hat dem bund in art. 74 abs. 1 nr. 22 gg die (konkurrierende) gesetzgebungszuständigkeit für den straßenverkehr zugewiesen, ohne diesbezüglich in art. 72 abs. 3 gg eine abweichungskompetenz für die länder vorzusehen. art. 74 abs. 1 nr. 22 gg betrifft dabei das straßenverkehrsrecht als sachlich begrenztes ordnungsrecht, für das dem bund – abweichend vom sonstigen polizei- und ordnungsrecht – die gesetzgebungskompetenz zusteht. es regelt in diesem rahmen die (polizeilichen) anforderungen, die an den verkehr und an die verkehrsteilnehmer gestellt werden, um gefahren von anderen verkehrsteilnehmern oder dritten abzuwenden und den optimalen ablauf des verkehrs zu gewährleisten. 54bverfg, beschlüsse vom 10. dezember 1975 – 1 bvr 118/71, bverfge 40, 371 (380), und vom 18. dezember 2018 – 1 bvr 142/15, bverfge 150, 244 rn. 60; vgl. auch bverwg, urteil vom 11. dezember 2014 – 3 c 6.13, bverwge 151, 129 rn. 27. 55die damit prinzipiell verfassungsrechtlich vorgesehene und aus der natur der sache gebotene bundeseinheitlichkeit der regelung des straßenverkehrs sowie die vom gesetzgeber angestrebte gleichbehandlung aller fahrerlaubnisinhaber würde konterkariert, wenn jede straßenverkehrsbehörde auf wiederholte verkehrsverstöße in ihrem zuständigkeitsbereich auf der grundlage des allgemeinen landesrechtlichen gefahrenabwehrrechts nach lokalen maßstäben reagieren könnte. 56untersagungsverfügungen wie die hier streitgegenständliche verfolgen zwar auch den gefahrenabwehrenden zweck, den adressaten zu verkehrsgerechtem verhalten anzuhalten. ihr eigentlicher schwerpunkt und anlass liegt jedoch darin, über den als zu niedrig empfundenen bußgeldrahmen des bundesrechts hinauszugehen („örtliche ersatzsanktion“). die örtliche straßenverkehrsbehörde hält das bundesrechtlich vorgesehene bußgeld für zu niedrig und meint, dass sie den verkehrsverstößen weder mittels des ordnungswidrigkeitenrechts noch mit den bundesrechtlich vorgesehenen maßnahmen des fahreignungs-bewertungssystems wirksam genug begegnen kann. dies kam auch im hinweis der beklagten in der mündlichen verhandlung zum ausdruck, dass insbesondere der bußgeldkatalog auch unter berücksichtigung der handhabung durch die ordentlichen gerichte als mittel zur „abschreckung“ nicht geeignet sei. 57ihren eigentlichen sinn bezieht die untersagungsverfügung – wie auch in der begründung der streitgegenständlichen ordnungsverfügung ausdrücklich offengelegt – mithin daraus, als vollstreckungsgrundlage für das angedrohte zwangsgeld zu dienen, das erheblich über dem von der bkatv vorgesehenen und bei einem erneuten verstoß zu verhängenden bußgeld liegt. dessen regelsatz beträgt nach der bkatv 80,- bis 100,- euro (nr. 117 und 118). selbst wenn der im ausnahmefall grundsätzlich mögliche höchstsatz nach § 17 abs. 1 owig i.v.m. § 24 abs. 3 nr. 5 stvg bei 2.000,- euro liegt, bleibt er deutlich hinter dem angedrohten zwangsgeld von 5.000,- euro zurück. 58die ordnungsverfügung mit zwangsgeldandrohung entfaltet – zumindest unter geltung des vwvg nrw – im ergebnis die gleichen wirkungen wie ein bußgeld. denn das zwangsgeld kann nicht nur zur verhinderung eines unmittelbar bevorstehenden oder laufenden verstoßes gegen die untersagungsverfügung, sondern – wie ein bußgeld – auch nach einem vollständig beendeten verstoß gegen sie festgesetzt und beigetrieben werden. das folgt aus § 60 abs. 3 satz 2 vwvg nrw, nach dem ein angedrohtes zwangsgeld (auch dann) beizutreiben ist, wenn einer unterlassungspflicht (während ihres geltungszeitraums) zuwidergehandelt worden ist, deren erfüllung durch die androhung des zwangsgelds erreicht werden sollte. diese beitreibung ist unabhängig davon möglich, ob ein weiterer verstoß zu befürchten steht oder ausgeschlossen ist, und zwar sogar dann, wenn eine weitere zuwiderhandlung wegen fristablaufs oder erledigung der verfügung nicht mehr möglich ist. 59vgl. hierzu ovg nrw, beschlüsse vom 22. märz 2019 – 4 b 71/19, juris rn. 3 ff., vom 13. februar 2020 – 10 b 75/20, juris rn. 4, und vom 21. juli 2022 – 7 a 1154/21, juris rn. 8. 60auf diese weise unterläuft eine so ausgestaltete untersagungsverfügung zumindest faktisch für ihren geltungszeitraum den rein präventiven charakter des zwangsgeldes, das nicht sanktionierend für vergangenes unrecht, sondern lediglich als präventive beugemaßnahme eingesetzt werden darf. 61vgl. bverwg, urteil vom 20. april 2021 – 6 c 6.20, nvwz-rr 2021, 705; nds. ovg, beschluss vom 23. april 2009 – 11 me 478/08, ndsvbl. 2009, 345 (346); ovg berl.-brand., urteil vom 19. mai 2011 – ovg 10 b 7.10, juris rn. 20; thür. ovg, beschluss vom 5. juni 2012 – 1 eo 284/12, nvwz-rr 2013, 6 f.; sadler/tillmanns, vwvg, 10. aufl. 2020, § 15 rn. 21; dünchheim nwvbl. 2004, 202 (205). 62käme allen örtlichen straßenverkehrsbehörden die befugnis zu, derartige „ersatzsanktionen“ über den umweg des landesrechtlichen ordnungsrechts zu verhängen, könnten sie – etwa nach auswertung des ihnen zugänglichen fahreignungs-registers – gegen alle fahrerlaubnisinhaber, die in ihrem zuständigkeitsgebiet mehrmals verkehrszuwiderhandlungen begangen haben (z.b. die zulässige höchstgeschwindigkeit überschritten haben), wegen drohender wiederholungsgefahr vergleichbare untersagungsverfügungen mit ähnlich hohen zwangsgeldandrohungen erlassen. es bedarf keiner weiteren erläuterung, dass dies die vom bundesgesetzgeber vorgesehene bundeseinheitliche regelung des straßenverkehrs ad absurdum führen würde. 63c) konzeptionell stimmt die so verstandene bundesrechtliche abwehr von gefahren, die von sich wiederholt verkehrswidrig verhaltenden fahrerlaubnisinhabern für die sicherheit des straßenverkehrs ausgehen, mit der allgemeinen regelungstechnik des gefahrenabwehrrechts überein, das präventive verbote mit erlaubnisvorbehalt vorsieht. verstößt der inhaber einer solchen erlaubnis gegen vorschriften, die rückschlüsse darauf zulassen, dass er die erlaubnispflichtige tätigkeit künftig nicht rechtskonform ausübt, kann der einzelne verstoß zwar ggf. mit einer repressiven sanktion belegt werden (z.b. einem bußgeld). dem erlaubnisinhaber kann aber grundsätzlich nicht die einzelne zwar rechtswidrige, aber durch seine erlaubnis grundsätzlich gedeckte handlung mithilfe des allgemeinen ordnungsrechts vorbeugend verboten werden. vielmehr verliert er – ggf. nach spezialgesetzlich vorgesehenen milderen maßnahmen – die erteilte erlaubnis. dieser regelungsmechanismus beruht auf der legalisierungswirkung, die von einem erlaubnisverwaltungsakt ausgeht und die den erlaubnisinhaber vor eingriffen in die erlaubte tätigkeit schützt. 64grundlegend: bverwg, urteil vom 2. dezember 1977 – iv c 75.75, bverwge 55, 118 (120 ff.); vgl. allgemein auch bverwg, beschluss vom 16. märz 2015 – 6 b 63.14, juris rn. 6; ovg nrw, urteile vom 9. februar 2012 – 5 a 2382/10, nwvbl 2012, 431 (432), und vom 22. april 2015 – 2 l 47/13, juris rn. 63; vgh bw, urteil vom 29. märz 2000 – 1 s 1245/99, nvwz-rr 2000, 589 (590). 65erst wenn die legalisierungswirkung durch die aufhebung der präventiven erlaubnis endet, kann nach allgemeinen ordnungsrechtlichen grundsätzen eingeschritten werden. 66siehe zum gewerbe- und immissionsschutzrecht die vorgenannten nachweise sowie bverwg, urteil vom 23. oktober 2008 – 7 c 48.07, bverwge 132, 224 rn. 27; nds. ovg, urteil vom 13. märz 2019 – 12 lb 125/18, upr 2020, 20 rn. 40; vg würzburg, urteil vom 22. januar 2019 – w 4 k 17.987, juris rn. 43; vgl. zum gaststättenrecht vg düsseldorf, beschluss vom 27. oktober 2020 – 24 l 1828/20, juris rn. 34 ff.; vgl. zum baurecht vg ansbach, beschluss vom 24. november 2021 – an 17 s 21.01776, juris rn. 71. 67vergleichbares gilt – im umfang der obigen maßgabe – auch im hinblick auf die fahrerlaubnis. 68ausdrücklich für die legalisierungswirkung einer fahrerlaubnis seel, mdr 2014, 812 (815). 69d) vor diesem hintergrund ist die kammer überzeugt, dass das bundesrechtliche regelungssystem der §§ 2 ff., 24a stvg hinsichtlich der gefahren durch wiederholte verkehrsverstöße von fahrerlaubnisinhabern abschließend und § 14 abs. 1 obg nrw insoweit unanwendbar ist. der bundesgesetzgeber hat die abwehr von gefahren durch wiederholte verkehrsverstöße von fahrerlaubnisinhabern unter (gefahrenabwehrrechtlich) bewusster inkaufnahme einzelner zuwiderhandlungen dem fahreignungs-bewertungssystem des § 4 stvg im zusammenwirken mit repressiven bußgeldern abschließend geregelt. 70allgemein zum verhältnis von spezialgesetzen ohne eigenständige ermächtigungsgrundlage zur ordnungsrechtlichen generalermächtigung: drews/wacke/vogel/martens, gefahrenabwehr, 9. aufl. 1986, s. 167; götz/geis, allgemeines polizei- und ordnungsrecht, 17. aufl. 2022, § 21 rn. 7 f. 71die kammer setzt sich damit nicht in widerspruch zur rechtsprechung des bundesverwaltungsgerichts. dieses hat – soweit ersichtlich – bisher lediglich entschieden, dass gegen verkehrshindernisse i.s.d. § 32 stvo auf der grundlage der generalermächtigung des landesrechtlichen ordnungsgesetzes vorgegangen werden kann. diese rechtsprechung ist auf die hiesige fallgestaltung nicht übertragbar. denn es ging in der damaligen entscheidung nicht um die abwehr von gefahren durch die verkehrsteilnahme eines fahrerlaubnisinhabers, sondern um einen verkehrsfremden eingriff in den straßenverkehr von außen. 72bverwg, urteil vom 20. oktober 2015 – 3 c 15.14, bverwge 153, 140 rn. 15, zum aufstellen einer warnbake auf der fahrbahn. 73nur erstere regelt das stvg abschließend. 74e) soweit die gefahr nicht in einem befürchteten künftigen verkehrsverstoß eines fahrerlaubnisinhabers besteht, entfaltet das bundesrechtliche straßenverkehrsrecht keine sperrwirkung. bei andersartigen gefahren kann die zuständige behörde auf der grundlage des landesrechtlichen ordnungsrechts bei verstößen gegen das straßenverkehrsrecht einschreiten, 75vgl. allgemein bverwg, urteil vom 20. oktober 2015 – 3 c 15.14, bverwge 153, 140 rn. 15; bay. vgh, beschluss vom 15. april 2021 – 10 ne 20.2831, bayvbl 2021, 751 rn. 48; vgh bw, urteil vom 15. september 2014 – 1 s 1010/13, juris rn. 22 m.w.n.; vg dresden, urteil vom 10. april 2002 – 14 k 1966/00, juris rn. 27; drews/wacke/vogel/martens, gefahrenabwehr, 1986, s. 167; gerster, in: lisken/denninger, handbuch des polizeirechts, 7. aufl. 2021, rn. 455; götz/geis, allgemeines polizei- und ordnungsrecht, 17. aufl. 2022, § 21 rn. 7 ff., 18 f.; schlanstein, nzv 2015, 105 (111), 76soweit nicht andere gesetzliche regelungen, bspw. § 36 abs. 5 satz 1 und 4, § 44 abs. 2 satz 1 i.v.m. § 36 abs. 1 satz 1 stvo, ihrerseits abschließende rechtsgrundlagen für ein tätigwerden der polizei bilden. 77vgl. hierzu etwa sächs. ovg, beschluss vom 23. dezember 2021 – 6 a 680/19, juris rn. 20; gerster, in: lisken/denninger, handbuch des polizeirechts, 7. aufl. 2021, rn. 470; hühnermann, in: burmann/heß/hühnermann/jahnke, straßenverkehrsrecht, 27. aufl. 2022, § 36 rn. 12. 78liegt die abzuwehrende gefahr nicht in einem befürchteten künftigen verkehrsverstoß eines fahrerlaubnisinhabers, sondern besteht sie gegenwärtig oder geht sie unmittelbar von dem fahrzeug selbst aus (z.b. verkehrswidriges parken, alkoholisierter fahrer setzt sich ans steuer, verkehrsunsicheres fahrzeug) kann die straßenverkehrsbehörde auf das allgemeine ordnungsrecht zurückgreifen, weil die §§ 2 ff. stvg, insbesondere § 4 stvg, die abwehr solcher gefahren nicht regeln. 79das allgemeine ordnungsrecht steht der zuständigen sonderordnungsbehörde darüber hinaus offen, wenn sie nicht eingreift, um straßenverkehrsrechtliche, sondern sonstige ordnungsrechtliche zwecke zu verfolgen, die über die gefahren hinausgehen, die mit der (verkehrsrechtswidrigen) verkehrsteilnahme einhergehen. 80vgl. bgh, beschluss vom 18. april 1991 – 4 str 518/90, njw 1991, 1691 (1692); siehe allgemein auch bay. vgh, beschluss vom 15. april 2021 – 10 ne 20.2831, bayvbl 2021, 751 rn. 48. 81der wille, das bloße motiv des verkehrsverstoßes – bei § 30 stvo etwa das heischen um aufmerksamkeit – zu bekämpfen, genügt dafür noch nicht. 82das allgemeine ordnungsrecht kann darüber hinaus auch zur abwehr von gefahren für die sicherheit des straßenverkehrs herangezogen werden, wenn die gefahr nicht daher rührt, dass ein fahrerlaubnisinhaber am straßenverkehr teilnimmt, sondern von einer anderen gefahrenquelle. 83bverwg, urteil vom 20. oktober 2015 – 3 c 15.14, bverwge 153, 140 rn. 15 m.w.n. (warnbaken); vgl. implizit wohl ovg nrw, beschluss vom 28. oktober 2021 – 8 b 994/21, juris rn. 3 ff.; siehe auch vgh bw, urteil vom 5. dezember 2002 – 5 s 2625/01, nzv 2003, 301 (302), dort – ggf. – sogar weitergehend als hier. 842. dies zugrunde gelegt, vermag die landesordnungsrechtliche generalklausel des § 14 abs. 1 obg nrw die ziffer 1 der streitgegenständlichen ordnungsverfügung vom 8. juni 2021 nicht zu tragen. 85a) ausweislich des tenors und der begründung soll mit der anordnung in ziffer 1 der streitgegenständlichen ordnungsverfügung die begehung von verstößen gegen das verbot aus § 30 abs. 1 satz 1 stvo, nach dem bei der benutzung von fahrzeugen unnötiger lärm und vermeidbare abgasbelästigungen verboten sind, verhindert und damit eine gefahr für die öffentliche sicherheit in gestalt der geschriebenen rechtsordnung abgewehrt werden. gegenwärtig bestehende gefahren in gestalt derartiger zuwiderhandlungen als solche liegen dabei nicht vor. vielmehr geht es um die dauerhafte abwehr künftiger bzw. wiederholter, noch nicht mit der notwendigen wahrscheinlichkeit konkret absehbarer verkehrszuwiderhandlungen. das untersagte verhalten („posing“) erfolgt während der verkehrsteilnahme, wie es auch der hierfür einschlägige und von der beklagten selbst ergänzend herangezogene § 30 abs. 1 satz 1 stvo als ein innerverkehrliches verhalten regelnde vorschrift nahelegt. der unterlassungsverpflichtete wirkt hierdurch gerade nicht von außen auf den straßenverkehr ein. auch liegt kein verhalten vor, das sich als „verkehrsfremder inneneingriff“ darstellt, 86vgl. zu dieser originär strafrechtlichen figur nur bgh, beschluss vom 21. juni 2016 – 4 str 1/16, nzv 2016, 533 rn. 6; pegel, in: erb/schäfer, münchener kommentar zum stgb, 3. aufl. 2019, § 315b rn. 14. 87dass das motiv des „posens“, wie von der beklagten in der mündlichen verhandlung vorgetragen, auch außerverkehrlichen zwecken („imponieren“, „brautschau“) dient, reicht hierfür allein nicht aus, wenn es sich selbst als verkehrsteilnahme darstellt. 88die ordnungsverfügung soll damit aber gerade der gefahr entgegenwirken, die mit der (art der) verkehrsteilnahme durch fahrerlaubnisinhaber verbunden ist. wie aus der begründung zur ordnungsverfügung ersichtlich, soll sie präventiv verhindern, dass der kläger als fahrerlaubnisinhaber seine verkehrswidrige art der teilnahme am straßenverkehr künftig wiederholt. insoweit greift aber die dargelegte sperrwirkung des bundesrechtlichen regelungssystems der §§ 2 ff. stvg, die einem rückgriff auf die landesordnungsrechtliche generalklausel entgegensteht. 89der im ergebnis anderslautenden erstinstanzlichen rechtsprechung, die vergleichbare untersagungsverfügungen gegenüber einem sogenannten „posing“-verhalten gebilligt hat, kann die kammer nicht beitreten. eine weitere auseinandersetzung mit ihr erscheint entbehrlich, weil sie sich mit dem verhältnis des regelungssystems der §§ 2 ff., 24a stvg zum allgemeinen landesrechtlichen ordnungsrecht nicht befasst, sondern nur auf das verhältnis der – ihrer ansicht nach nicht gesperrten – landesrechtlichen generalklausel zu anderen regelungen der stvo und des bimschg eingeht, 90siehe vg karlsruhe, urteil vom 17. dezember 2018 – 1 k 4344/17, juris rn. 36 ff.; vgl. gänzlich ohne weitere erörterung vg hannover, urteil vom 12. juli 2021 – 5 a 6628/20, juris rn. 28. 91auch die – soweit ersichtlich – einzige obergerichtliche entscheidung äußert sich zu den hier maßgeblichen rechtsfragen nicht. der verwaltungsgerichtshof baden-württemberg stützt die dortige ablehnung des antrags auf zulassung der berufung tragend lediglich auf die unzureichende darlegung der zulassungsgründe. 92vgh bw, beschluss vom 4. juni 2019 – vgh 1 s 500/19, n.v. 93b) eine andere gesetzliche ermächtigungsgrundlage, um das „imponiergehabe“ unter verstoß gegen § 30 abs. 1 stvo zu unterbinden, insbesondere aus dem bundesrecht, existiert nicht. 943. offenlassen kann die kammer daher, ob ziffer 1 der ordnungsverfügung daneben insbesondere im hinblick auf die von § 37 abs. 1 vwvfg nrw geforderte bestimmtheit, 95siehe zu den anforderungen ovg nrw, beschluss vom 23. november 2020 – 10 a 2316/20, juris rn. 6 m.w.n., 96oder die ermessensausübung, bei der jedenfalls das obengenannte regelungssystem zu berücksichtigen sein dürfte, rechtlichen bedenken begegnet. 97ii. die auflösende befristung in ziffer 3 teilt als echte nebenbestimmung i.s.d. § 36 abs. 2 nr. 1 vwvfg nrw das schicksal des hauptverwaltungsaktes und „steht und fällt mit diesem“. vor diesem hintergrund wird sie mit der unwirksamkeit der ziffer 1 gemäß § 43 abs. 2 vwvfg nrw („anderweitige aufhebung“) aufgrund der gerichtlichen kassation nach § 113 abs. 1 satz 1 vwgo unwirksam, 98vgl. insgesamt schröder, in: schoch/schneider, verwaltungsrecht (stand: juli 2020), § 36 rn. 133, 99und ist aus klarstellungsgründen ebenfalls aufzuheben. 100iii. mangels wirksamer grundverfügung ist auch die zwangsgeldandrohung in ziffer 4 der angegriffenen ordnungsverfügung i.s.d. §§ 55, 60, 63 vwvg nrw für den fall der zuwiderhandlung gegen ziffer 1 rechtswidrig und aufzuheben. infolgedessen kann die kammer offenlassen, ob die androhung unbegrenzt wiederholbarer zwangsgelder, die der höhe nach um den faktor 62,5 (5.000,- euro) über dem regelsatz der bkatv liegen, selbst bei einer rechtmäßigen grundverfügung deutlich übersetzt und damit unverhältnismäßig wäre. 101iv. die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 1 vwgo. die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit beruht auf § 167 vwgo i.v.m. § 709 satz 1 zpo. 102v. die berufung wird nach § 124a abs. 1 satz 1 i.v.m. § 124 abs. 1, abs. 2 nr. 3 vwgo wegen grundsätzlicher bedeutung zugelassen. 103darüber hinaus lässt die kammer auch die revision unter übergehung der berufungsinstanz (sprungrevision) nach § 134 abs. 1 satz 1, abs. 2 satz 1 i.v.m. § 132 abs. 2 nr. 1 vwgo zu. denn die rechtsfrage betrifft mit der reichweite der §§ 2 ff. stvg bundesrecht nach § 137 abs. 1 satz 1 vwgo revisibles recht, auch wenn die streitgegenständliche verfügung auf eine nicht revisible landesrechtliche norm gestützt ist. 104vgl. hierzu nur bverwg, urteil vom 21. juni 2006 – 6 c 19.06, bverwge 126, 149 rn. 34 f. 105rechtsmittelbelehrung: 106(1) gegen dieses urteil kann innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) schriftlich berufung eingelegt werden. die berufung muss das angefochtene urteil bezeichnen. 107auf die ab dem 1. januar 2022 unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 108die berufung ist innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils zu begründen. die begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der einlegung der berufung erfolgt, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen (aegidiikirchplatz 5, 48143 münster oder postfach 6309, 48033 münster) schriftlich einzureichen. 109die begründungsfrist kann auf einen vor ihrem ablauf gestellten antrag von dem vorsitzenden des senats verlängert werden. die begründung muss einen bestimmten antrag enthalten sowie die im einzelnen anzuführenden gründe der anfechtung (berufungsgründe). 110im berufungsverfahren müssen sich die beteiligten durch prozessbevollmächtigte vertreten lassen. dies gilt auch für prozesshandlungen, durch die das verfahren eingeleitet wird. die beteiligten können sich durch einen rechtsanwalt oder einen rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten hochschule eines mitgliedstaates der europäischen union, eines anderen vertragsstaates des abkommens über den europäischen wirtschaftsraum oder der schweiz, der die befähigung zum richteramt besitzt, als bevollmächtigten vertreten lassen. auf die zusätzlichen vertretungsmöglichkeiten für behörden und juristische personen des öffentlichen rechts einschließlich der von ihnen zur erfüllung ihrer öffentlichen aufgaben gebildeten zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 abs. 4 satz 4 vwgo und § 5 nr. 6 des einführungsgesetzes zum rechtsdienstleistungsgesetz – rdgeg –). darüber hinaus sind die in § 67 abs. 2 satz 2 nr. 3 bis 7 vwgo bezeichneten personen und organisationen unter den dort genannten voraussetzungen als bevollmächtigte zugelassen. 111die berufungsschrift und die berufungsbegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. 112(2) gegen dieses urteil steht den beteiligten die revision an das bundesverwaltungsgericht zu. die revision ist innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) schriftlich einzulegen. 113auf die ab dem 1. januar 2022 unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 114die revisionsfrist ist auch gewahrt, wenn die revision innerhalb der frist bei dem bundesverwaltungsgericht (simsonplatz 1, 04107 leipzig) schriftlich eingelegt wird. 115die revision muss das angefochtene urteil bezeichnen. 116die revision ist innerhalb von zwei monaten nach zustellung dieses urteils zu begründen. die begründung ist bei dem bundesverwaltungsgericht (simsonplatz 1, 04107 leipzig) schriftlich einzureichen. 117im revisionsverfahren müssen sich die beteiligten durch prozessbevollmächtigte vertreten lassen. dies gilt auch für prozesshandlungen, durch die das verfahren eingeleitet wird. die beteiligten können sich durch einen rechtsanwalt oder einen rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten hochschule eines mitgliedstaates der europäischen union, eines anderen vertragsstaates des abkommens über den europäischen wirtschaftsraum oder der schweiz, der die befähigung zum richteramt besitzt, als bevollmächtigten vertreten lassen. auf die zusätzlichen vertretungsmöglichkeiten für behörden und juristische personen des öffentlichen rechts einschließlich der von ihnen zur erfüllung ihrer öffentlichen aufgaben gebildeten zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 abs. 4 satz 4 vwgo und § 5 nr. 6 des einführungsgesetzes zum rechtsdienstleistungsgesetz – rdgeg –). darüber hinaus sind die in § 67 abs. 2 satz 2 nr. 5 und 7 vwgo bezeichneten personen und organisationen unter den dort genannten voraussetzungen als bevollmächtigte zugelassen. 118die revision und die revisionsbegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften.beschluss 119der streitwert wird gemäß § 52 abs. 2 gkg auf 5.000,- euro festgesetzt. 120rechtsmittelbelehrung: 121gegen den streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur niederschrift des urkundsbeamten der geschäftsstelle bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) beschwerde eingelegt werden, über die das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen in münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der zivilprozessordnung gilt entsprechend. 122auf die ab dem 1. januar 2022 unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 123die beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs monaten eingelegt wird, nachdem die entscheidung in der hauptsache rechtskraft erlangt oder das verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der streitwert später als einen monat vor ablauf dieser frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines monats nach zustellung oder formloser mitteilung des festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 124die beschwerde ist nicht gegeben, wenn der wert des beschwerdegegenstandes 200,-- euro nicht übersteigt. 125die beschwerdeschrift soll möglichst einfach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. 126war der beschwerdeführer ohne sein verschulden verhindert, die frist einzuhalten, ist ihm auf antrag von dem gericht, das über die beschwerde zu entscheiden hat, wiedereinsetzung in den vorigen stand zu gewähren, wenn er die beschwerde binnen zwei wochen nach der beseitigung des hindernisses einlegt und die tatsachen, welche die wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. nach ablauf eines jahres, von dem ende der versäumten frist angerechnet, kann die wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
346,718
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6 K 2228/21
2022-08-31T00:00:00
Urteil
Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks H. X. .. (Gemarkung T. , Flur , Flurstück ….) in T. . Das rund vierzehn Meter breite und rund siebzig Meter tiefe Grundstück ist mit einem Wohnhaus bebaut, dessen Vorderwand in einem Abstand von rund fünf Metern zur Straße aufsteht und dessen Rückwand eine Tiefe von etwa siebzehn Metern erreicht. Hinter dem Haus befanden sich lange Zeit zwei Garagengebäude, die kürzlich abgebrochen worden sind. In der Umgebung finden sich praktisch ausschließlich Wohngebäude. Diese sind zumeist straßennah angeordnet. Die Wohnhäuser H. X. … und … bis … sowie das Wohnhaus Im H1. H2. … sind allerdings in zweiter Reihe und in einem größeren Abstand zur Straße (Hauptstrang) angeordnet. Das Grundstück des Klägers liegt nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der Flächennutzungsplan stellt Wohnbaufläche dar. 3Weitere Einzelheiten der Umgebung zeigt der nachfolgende Kartenausschnitt: 4An dieser Stelle befindet sich in der Originalentscheidung eine Skizze 5Am 20. April 2020 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Erteilung eines planungsrechtlichen Bauvorbescheides. Geplant ist die Errichtung eines zweigeschossigen Wohnhauses mit Satteldach (40°) und einer Grundfläche von 13 x 7,5 Metern. Das Gebäude soll mit seiner Vorderwand rund 40 Meter von der Straße entfernt aufstehen; die Rückwand soll sich etwa 53 Meter von der Straße entfernt befinden. 6Unter dem 30. April 2020 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten negativen Bescheidung der Voranfrage an und erklärte zur Begründung, das Bauvorhaben füge sich hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche, namentlich der Bebauungstiefe, nicht in die nähere Umgebung ein. 7Nach erfolglosen Einigungsgesprächen der Beteiligten wandte sich der Vater des Klägers in einer Stellungnahme vom 15. Dezember 2020 an die Beklagte und erklärte, in der Umgebung finde sich durchaus eine entsprechende Hinterlandbebauung, nämlich auf den Grundstücken H. X. … und … bis … sowie Im H1. H2. …. Die Behörde habe die Umgebung viel zu eng eingegrenzt. 8Mit Bauvorbescheid vom 5. Mai 2021 stellte die Beklagte fest, dass das geplante Vorhaben unzulässig ist. Zur Begründung führte die Behörde aus, als prägende Umgebung seien vorliegend nur das Geviert Im H1. H2. .. bis .., H. X. .. bis .. und J. C. .. bis .. / .. bis .. sowie die Gebäude H. X. .. bis .. und B. X1. .. einzubeziehen. Auf allen Grundstücken in diesem Bereich seien die Gebäude mehr oder weniger straßennah errichtet; eine Hinterlandbebauung finde sich nicht. Daher füge sich das geplante Vorhaben, das in zweiter Reihe errichtet und mit dem eine erhebliche Bebauungstiefe erreicht werden solle, nicht in die maßgebliche Umgebung ein und löse bodenrechtliche Spannungen aus. Zudem werde mit Blick auf die Zufahrt, die Stellplätze und den rückwärtigen Ruhebereich im Allgemeinen das Gebot der Rücksichtnahme verletzt. 9B. 1. Juni 2021 hat der Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er ausführt: Das Baugrundstück liege im unbeplanten Innenbereich und füge sich in den Rahmen der Umgebungsbebauung ein. Die Betrachtung dürfe insoweit nämlich nicht auf das konkrete Straßengeviert beschränkt werden. Auch die unmittelbar gegenüber liegende Bebauung mit den Wohngebäuden … sowie … bis … und das Grundstück J. H1. H2. ../… seien vielmehr in die Betrachtung einzubeziehen und taugten als Vorbild für eine entsprechende Bebauung in zweiter Reihe. Auch werde die städtebauliche Harmonie durch das Vorhaben nicht beeinträchtigt. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot scheide ebenfalls aus, zumal keine Stellplätze in unmittelbarer Nähe des geplanten Wohnhauses angeordnet werden müssten. 10Der Kläger beantragt (schriftsätzlich) sinngemäß, 11die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 5. Mai 2021 zu verpflichten, die Bauvoranfrage für die Errichtung eines Wohnhauses auf dem hinteren Teil des Grundstücks H. X. … in ….. T. , Gemarkung T. , Flur .., Flurstück …., positiv zu bescheiden. 12Die Beklagte beantragt (schriftsätzlich) sinngemäß, 13die Klage abzuweisen. 14Sie wiederholt und vertieft die Begründung ihres Ablehnungsbescheides. 15Der Einzelrichter hat am 25. August 2022 einen Ortstermin durchgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Terminsprotokoll Bezug genommen. 16Wegen der sonstigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen. 17Entscheidungsgründe: 18Das Gericht entscheidet gemäß § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) im schriftlichen Verfahren, nachdem die Beteiligten im Ortstermin auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben. 19Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. 20Der Bescheid der Beklagten vom 5. Mai 2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO); der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung des beantragten positiven Bauvorbescheides. 21Ein positiver Bauvorbescheid ist gemäß § 77 Abs. 1 i.V.m. § 74 Abs. 1 Bauordnung (BauO) NRW 2018 zu erteilen, wenn dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Der Errichtung des geplanten Wohnhauses steht jedoch das Bauplanungsrecht entgegen. Denn mit einer Bebauungstiefe von rund 53 Metern geht das geplante Gebäude deutlich über das zulässige Maß hinaus. 22Soll ein Vorhaben – wie vorliegend – innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils verwirklicht werden, so ist es gemäß § 34 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB) dann zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. 23Maßstabsbildend im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist die Umgebung, soweit sich die Ausführung eines Vorhabens auf sie auswirken kann und soweit sie ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst. Die Grenzen der „näheren Umgebung“ lassen sich dabei nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der tatsächlichen städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist. Die maßgebliche Umgebung ist im Übrigen für die in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bezeichneten Kriterien jeweils gesondert abzugrenzen. Denn die Merkmale, nach denen sich ein Vorhaben in die Eigenart dieser näheren Umgebung einfügen muss, sind jeweils unabhängig voneinander zu prüfen. 24Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Mai 2014 - 4 B 38.13 -, juris (Rn. 7), mit weiteren Nachweisen. 25Mit dem in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB verwendeten Begriff der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, ist die konkrete Größe der Grundfläche der baulichen Anlage und ihre räumliche Lage innerhalb der vorhandenen Bebauung gemeint. Zur näheren Konkretisierung kann insoweit auf die Begriffsbestimmungen in § 23 Baunutzungsverordnung (BauNVO) zurückgegriffen werden. 26Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 16. Juni 2009 - 4 B 50.08 -, juris (Rn. 6), und vom 13. Mai 2014 - 4 B 38.13 -, juris (Rn. 8); OVG NRW, Beschluss vom 14. Dezember 2020 - 2 A 1585/20 -, juris (Rn. 10). 27Die überbaubare Grundstücksfläche kann gemäß § 23 Abs. 4 BauNVO unter anderem durch Festsetzung der Bebauungstiefe bestimmt werden. Die Bebauungstiefe ist dabei von der tatsächlichen Straßengrenze zu ermitteln. "Tatsächliche Straßengrenze" in diesem Sinne ist die Grenze der als Erschließungsanlage gewählten öffentlichen Straße. 28Vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. August 2019 - 4 B 1.19 -, juris (Rn. 6); OVG NRW, Beschluss vom 14. Dezember 2020 - 2 A 1585/20 -, juris (Rn. 12). 29Ob die rückwärtige Bebauung eines Grundstücks zulässig ist, hängt insoweit im Wesentlichen davon ab, in welchem Umfang die den Maßstab bildenden umliegenden Grundstücke eine rückwärtige Bebauung aufweisen. 30Bezüglich des Merkmals der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, ist die nähere Umgebung im Regelfall enger zu bemessen als zum Beispiel bei dem Merkmal der Art der baulichen Nutzung, da die von den überbauten Grundstücksflächen ausgehende Prägung in ihrer Reichweite im Allgemeinen hinter der von der Art der baulichen Nutzung ausgehenden Wirkung zurückbleibt. 31Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. August 2014 - 7 A 2666/12 -, juris (Rn. 73), und Beschluss vom 26. Januar 2022 - 7 A 654/21 -, juris (Rn. 4). 32Andererseits ist die Betrachtung nicht zwangsläufig auf den Straßenzug oder das Straßengeviert beschränkt, in dem das Vorhaben verwirklicht werden soll. Vielmehr kann im Einzelfall auch von einer Bebauung jenseits des Gevierts ein Einfluss auf das Vorhabengrundstück ausgehen, das heißt diese den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägen und beeinflussen. 33Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1. Dezember 2021 - 2 A 2780/20 -, juris (Rn. 15). 34Gemessen an diesen Grundsätzen wird die maßgebliche Umgebung vorliegend in erster Linie von den Gebäuden H. X. .. bis .., J. H1. H2. .. bis .. und J. C. .. bis .. gebildet. Da diese Gebäude auf der rückwärtigen Seite recht nah zu einander stehen, kann eine wechselseitige Prägung ohne weiteres angenommen werden. Je weiter eines dieser Grundstück im rückwärtigen Bereich bebaut wird, desto näher rückt es an die Nachbargrundstücke heran und vermag deren bodenrechtliche Situation zu beeinflussen. Und auch eine weitere Bebauung des Grundstücks des Klägers wirkt sich unmittelbar auf die genannten Grundstücke aus, weil die bislang unbebaute Freifläche im Kern des Blocks reduziert wird und die damit verbundene Verdichtung den Charakter aller Grundstücke des Blocks verändert. 35Ob in die prägende Umgebung – wie die Beklagte meint – auch die Gebäude J. C. .. bis .. und .., B. X1. .. und H. X. .. bis .. einzubeziehen sind, kann offen bleiben. Denn keines dieser Gebäude taugt als Vorbild für eine Hinterlandbebauung mit einer Tiefe von vierzig bis fünfzig Metern. 36Die Gebäude H. X. … und – sofern es sich bei dem Stichweg auf dem Flustück …. nicht um einen öffentlichen X. handelt – … bis … wären mit ihrer Tiefe von bis zu siebzig Metern ab dem H1. X. (Hauptstrang) zwar einschlägige Vorbilder für das streitgegenständliche Vorhaben. Sie gehören aber aus Sicht des Gerichts nicht zur maßgeblichen Umgebung. Zwischen dem Baugrundstück und diesen Gebäuden befindet sich nicht nur der Grüne X. , sondern auch die in erster Reihe aufstehenden Wohnhäuser H. X. .. bis … Eine wechselseitige Beeinflussung der Hinterlandbebauung östlich des H1. Weges und der zur Bebauung anstehenden Fläche liegt schon deshalb wenig nahe. Hinzu kommt, dass die genannten Gebäude das Ergebnis einer anders gearteten Bebauungsstruktur östlich des H1. Weges sind. Wegen der weiter östlich verlaufenden Bundesstraße, welche zur Erschließung von Einzelgrundstücken nicht geeignet ist, bestand in dem fraglichen Bereich nur die Möglichkeit, das Hinterland vom H1. X. aus zu erschließen. Zugleich stößt eine auf diese Weise erschlossene Bebauung hier auf keinerlei Probleme, weil sie rückwärtig an die Bundesstraße angrenzt, welche den Block hier nach Osten abschließt. Mit dieser Sondersituation ist die Lage in dem durch die Straßen J. C. , H. X. und J. H1. H2. gebildeten Block nicht vergleichbar. Eine wechselseitige Prägung ist auch aus diesem H2. nicht anzunehmen. 37Das von dem Kläger angeführte Wohnhaus J. H1. H2. … taugt schon deshalb nicht als Vorbild für das streitgegenständliche Bauvorhaben, weil dieses Gebäude nur eine Bebauungstiefe von rund 43 Metern erreicht und damit rund zehn Meter hinter dem geplanten Wohnhaus des Klägers zurückbleibt. Unabhängig davon zählt aber auch dieses Gebäude nicht zu der das Baugrundstück prägenden Umgebungsbebauung, weil man auch hier eine Sondersituation vorfindet. Wegen seiner Lage an dem Bogen, den die Straße an dieser Stelle beschreibt, hat das Grundstück einen Zuschnitt, der sich von den anderen Grundstücken in der Umgebung unterscheidet. Zugleich grenzt das Grundstück mit seiner Rückseite an die hier verlaufende Bahntrasse, welche die Bebauung nach Westen abschließt. Eine Beeinflussung rückwärtig angrenzender Wohngrundstücke ist damit auch hier ausgeschlossen. Mit dieser besonderen Situation ist das Grundstück des Klägers nicht vergleichbar. 38Soweit der Kläger im Ortstermin noch auf die Bebauung nördlich seines Grundstücks und der Straße J. H1. H2. hingewiesen hat, ist festzustellen, dass sich in den mit Wohngebäuden bebauten Teilen dieses Bereichs ebenfalls kein Vorbild für eine Bebauungstiefe von 53 Metern findet. Etwas anders gilt lediglich für den nordwestlichen Bereich des Blocks, der allerdings mit seinen großflächigen Gewerbebetrieben einer ganz anderen Bebauungsstruktur folgt. Das Gericht ist im Übrigen der Auffassung, dass hinsichtlich des Merkmals „überbaubare Grundstücksfläche“ der gesamte Block nicht zur näheren Umgebung des Baugrundstücks im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB gehört, weil sich eine wechselseitige Prägung hinsichtlich dieses Merkmals nicht feststellen lässt. 39Das streitgegenständliche Bauvorhaben, das nach alledem mit seiner Bebauungstiefe den Rahmen der näheren Umgebung überschreitet, ist auch nicht ausnahmsweise zulässig, weil keinerlei städtebauliche Spannungen entstehen könnten. Allerdings können Vorhaben, die den durch die Umgebung gesetzten Rahmen nicht einhalten, im Einzelfall gleichwohl dem Erfordernis des Einfügens im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB genügen, wenn sie im Verhältnis zur Umgebung keine bewältigungsbedürftigen Spannungen begründen. 40Vgl. BVerwG, Urteile vom 26. Mai 1978 - 4 C 9.77 -, juris (Rn. 47), und vom 5. Dezember 2013 - 4 C 5.12 -, juris (Rn. 17); OVG NRW, Beschluss vom 1. Dezember 2010 - 7 A 2904/09 -, juris (Rn. 12). 41Dies lässt sich vorliegend schon angesichts der Enge in dem fraglichen Bereich nicht annehmen. Eine weitere Verdichtung hat hier – wie bereits aufgezeigt – Folgen für alle Grundstücke des Blocks und bedarf der planerischen Ordnung. 42Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. 43Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung. 44Rechtsmittelbelehrung: 45Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn 461. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 472. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 483. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 494. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 505. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. 51Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, zu beantragen. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich einzureichen. 52Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 53Im Berufungsverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO.
die klage wird abgewiesen. der kläger trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist hinsichtlich der kosten vorläufig vollstreckbar. dem kläger wird nachgelassen, die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abzuwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1
2der kläger ist eigentümer des grundstücks h. x. .. (gemarkung t. , flur , flurstück ….) in t. . das rund vierzehn meter breite und rund siebzig meter tiefe grundstück ist mit einem wohnhaus bebaut, dessen vorderwand in einem abstand von rund fünf metern zur straße aufsteht und dessen rückwand eine tiefe von etwa siebzehn metern erreicht. hinter dem haus befanden sich lange zeit zwei garagengebäude, die kürzlich abgebrochen worden sind. in der umgebung finden sich praktisch ausschließlich wohngebäude. diese sind zumeist straßennah angeordnet. die wohnhäuser h. x. … und … bis … sowie das wohnhaus im h1. h2. … sind allerdings in zweiter reihe und in einem größeren abstand zur straße (hauptstrang) angeordnet. das grundstück des klägers liegt nicht im geltungsbereich eines bebauungsplans, der flächennutzungsplan stellt wohnbaufläche dar. 3weitere einzelheiten der umgebung zeigt der nachfolgende kartenausschnitt: 4an dieser stelle befindet sich in der originalentscheidung eine skizze 5am 20. april 2020 beantragte der kläger bei der beklagten die erteilung eines planungsrechtlichen bauvorbescheides. geplant ist die errichtung eines zweigeschossigen wohnhauses mit satteldach (40°) und einer grundfläche von 13 x 7,5 metern. das gebäude soll mit seiner vorderwand rund 40 meter von der straße entfernt aufstehen; die rückwand soll sich etwa 53 meter von der straße entfernt befinden. 6unter dem 30. april 2020 hörte die beklagte den kläger zur beabsichtigten negativen bescheidung der voranfrage an und erklärte zur begründung, das bauvorhaben füge sich hinsichtlich der überbaubaren grundstücksfläche, namentlich der bebauungstiefe, nicht in die nähere umgebung ein. 7nach erfolglosen einigungsgesprächen der beteiligten wandte sich der vater des klägers in einer stellungnahme vom 15. dezember 2020 an die beklagte und erklärte, in der umgebung finde sich durchaus eine entsprechende hinterlandbebauung, nämlich auf den grundstücken h. x. … und … bis … sowie im h1. h2. …. die behörde habe die umgebung viel zu eng eingegrenzt. 8mit bauvorbescheid vom 5. mai 2021 stellte die beklagte fest, dass das geplante vorhaben unzulässig ist. zur begründung führte die behörde aus, als prägende umgebung seien vorliegend nur das geviert im h1. h2. .. bis .., h. x. .. bis .. und j. c. .. bis .. / .. bis .. sowie die gebäude h. x. .. bis .. und b. x1. .. einzubeziehen. auf allen grundstücken in diesem bereich seien die gebäude mehr oder weniger straßennah errichtet; eine hinterlandbebauung finde sich nicht. daher füge sich das geplante vorhaben, das in zweiter reihe errichtet und mit dem eine erhebliche bebauungstiefe erreicht werden solle, nicht in die maßgebliche umgebung ein und löse bodenrechtliche spannungen aus. zudem werde mit blick auf die zufahrt, die stellplätze und den rückwärtigen ruhebereich im allgemeinen das gebot der rücksichtnahme verletzt. 9b. 1. juni 2021 hat der kläger klage erhoben, zu deren begründung er ausführt: das baugrundstück liege im unbeplanten innenbereich und füge sich in den rahmen der umgebungsbebauung ein. die betrachtung dürfe insoweit nämlich nicht auf das konkrete straßengeviert beschränkt werden. auch die unmittelbar gegenüber liegende bebauung mit den wohngebäuden … sowie … bis … und das grundstück j. h1. h2. ../… seien vielmehr in die betrachtung einzubeziehen und taugten als vorbild für eine entsprechende bebauung in zweiter reihe. auch werde die städtebauliche harmonie durch das vorhaben nicht beeinträchtigt. ein verstoß gegen das rücksichtnahmegebot scheide ebenfalls aus, zumal keine stellplätze in unmittelbarer nähe des geplanten wohnhauses angeordnet werden müssten. 10der kläger beantragt (schriftsätzlich) sinngemäß, 11die beklagte unter aufhebung des bescheides vom 5. mai 2021 zu verpflichten, die bauvoranfrage für die errichtung eines wohnhauses auf dem hinteren teil des grundstücks h. x. … in ….. t. , gemarkung t. , flur .., flurstück …., positiv zu bescheiden. 12die beklagte beantragt (schriftsätzlich) sinngemäß, 13die klage abzuweisen. 14sie wiederholt und vertieft die begründung ihres ablehnungsbescheides. 15der einzelrichter hat am 25. august 2022 einen ortstermin durchgeführt. wegen der einzelheiten wird auf das terminsprotokoll bezug genommen. 16wegen der sonstigen einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakte und der beigezogenen verwaltungsvorgänge ergänzend bezug genommen. 17
18das gericht entscheidet gemäß § 101 abs. 2 verwaltungsgerichtsordnung (vwgo) im schriftlichen verfahren, nachdem die beteiligten im ortstermin auf die durchführung einer mündlichen verhandlung verzichtet haben. 19die klage ist zulässig, aber unbegründet. 20der bescheid der beklagten vom 5. mai 2021 ist rechtmäßig und verletzt den kläger nicht in seinen rechten (§ 113 abs. 5 vwgo); der kläger hat keinen anspruch auf erteilung des beantragten positiven bauvorbescheides. 21ein positiver bauvorbescheid ist gemäß § 77 abs. 1 i.v.m. § 74 abs. 1 bauordnung (bauo) nrw 2018 zu erteilen, wenn dem vorhaben keine öffentlich-rechtlichen vorschriften entgegenstehen. der errichtung des geplanten wohnhauses steht jedoch das bauplanungsrecht entgegen. denn mit einer bebauungstiefe von rund 53 metern geht das geplante gebäude deutlich über das zulässige maß hinaus. 22soll ein vorhaben – wie vorliegend – innerhalb eines im zusammenhang bebauten ortsteils verwirklicht werden, so ist es gemäß § 34 abs. 1 baugesetzbuch (baugb) dann zulässig, wenn es sich nach art und maß der baulichen nutzung, der bauweise und der grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die eigenart der näheren umgebung einfügt und die erschließung gesichert ist. 23maßstabsbildend im sinne des § 34 abs. 1 satz 1 baugb ist die umgebung, soweit sich die ausführung eines vorhabens auf sie auswirken kann und soweit sie ihrerseits den bodenrechtlichen charakter des baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst. die grenzen der „näheren umgebung“ lassen sich dabei nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der tatsächlichen städtebaulichen situation zu bestimmen, in die das für die bebauung vorgesehene grundstück eingebettet ist. die maßgebliche umgebung ist im übrigen für die in § 34 abs. 1 satz 1 baugb bezeichneten kriterien jeweils gesondert abzugrenzen. denn die merkmale, nach denen sich ein vorhaben in die eigenart dieser näheren umgebung einfügen muss, sind jeweils unabhängig voneinander zu prüfen. 24vgl. bverwg, beschluss vom 13. mai 2014 - 4 b 38.13 -, juris (rn. 7), mit weiteren nachweisen. 25mit dem in § 34 abs. 1 satz 1 baugb verwendeten begriff der grundstücksfläche, die überbaut werden soll, ist die konkrete größe der grundfläche der baulichen anlage und ihre räumliche lage innerhalb der vorhandenen bebauung gemeint. zur näheren konkretisierung kann insoweit auf die begriffsbestimmungen in § 23 baunutzungsverordnung (baunvo) zurückgegriffen werden. 26vgl. bverwg, beschlüsse vom 16. juni 2009 - 4 b 50.08 -, juris (rn. 6), und vom 13. mai 2014 - 4 b 38.13 -, juris (rn. 8); ovg nrw, beschluss vom 14. dezember 2020 - 2 a 1585/20 -, juris (rn. 10). 27die überbaubare grundstücksfläche kann gemäß § 23 abs. 4 baunvo unter anderem durch festsetzung der bebauungstiefe bestimmt werden. die bebauungstiefe ist dabei von der tatsächlichen straßengrenze zu ermitteln. "tatsächliche straßengrenze" in diesem sinne ist die grenze der als erschließungsanlage gewählten öffentlichen straße. 28vgl. bverwg, beschluss vom 12. august 2019 - 4 b 1.19 -, juris (rn. 6); ovg nrw, beschluss vom 14. dezember 2020 - 2 a 1585/20 -, juris (rn. 12). 29ob die rückwärtige bebauung eines grundstücks zulässig ist, hängt insoweit im wesentlichen davon ab, in welchem umfang die den maßstab bildenden umliegenden grundstücke eine rückwärtige bebauung aufweisen. 30bezüglich des merkmals der grundstücksfläche, die überbaut werden soll, ist die nähere umgebung im regelfall enger zu bemessen als zum beispiel bei dem merkmal der art der baulichen nutzung, da die von den überbauten grundstücksflächen ausgehende prägung in ihrer reichweite im allgemeinen hinter der von der art der baulichen nutzung ausgehenden wirkung zurückbleibt. 31vgl. ovg nrw, urteil vom 28. august 2014 - 7 a 2666/12 -, juris (rn. 73), und beschluss vom 26. januar 2022 - 7 a 654/21 -, juris (rn. 4). 32andererseits ist die betrachtung nicht zwangsläufig auf den straßenzug oder das straßengeviert beschränkt, in dem das vorhaben verwirklicht werden soll. vielmehr kann im einzelfall auch von einer bebauung jenseits des gevierts ein einfluss auf das vorhabengrundstück ausgehen, das heißt diese den bodenrechtlichen charakter des baugrundstücks prägen und beeinflussen. 33vgl. ovg nrw, beschluss vom 1. dezember 2021 - 2 a 2780/20 -, juris (rn. 15). 34gemessen an diesen grundsätzen wird die maßgebliche umgebung vorliegend in erster linie von den gebäuden h. x. .. bis .., j. h1. h2. .. bis .. und j. c. .. bis .. gebildet. da diese gebäude auf der rückwärtigen seite recht nah zu einander stehen, kann eine wechselseitige prägung ohne weiteres angenommen werden. je weiter eines dieser grundstück im rückwärtigen bereich bebaut wird, desto näher rückt es an die nachbargrundstücke heran und vermag deren bodenrechtliche situation zu beeinflussen. und auch eine weitere bebauung des grundstücks des klägers wirkt sich unmittelbar auf die genannten grundstücke aus, weil die bislang unbebaute freifläche im kern des blocks reduziert wird und die damit verbundene verdichtung den charakter aller grundstücke des blocks verändert. 35ob in die prägende umgebung – wie die beklagte meint – auch die gebäude j. c. .. bis .. und .., b. x1. .. und h. x. .. bis .. einzubeziehen sind, kann offen bleiben. denn keines dieser gebäude taugt als vorbild für eine hinterlandbebauung mit einer tiefe von vierzig bis fünfzig metern. 36die gebäude h. x. … und – sofern es sich bei dem stichweg auf dem flustück …. nicht um einen öffentlichen x. handelt – … bis … wären mit ihrer tiefe von bis zu siebzig metern ab dem h1. x. (hauptstrang) zwar einschlägige vorbilder für das streitgegenständliche vorhaben. sie gehören aber aus sicht des gerichts nicht zur maßgeblichen umgebung. zwischen dem baugrundstück und diesen gebäuden befindet sich nicht nur der grüne x. , sondern auch die in erster reihe aufstehenden wohnhäuser h. x. .. bis … eine wechselseitige beeinflussung der hinterlandbebauung östlich des h1. weges und der zur bebauung anstehenden fläche liegt schon deshalb wenig nahe. hinzu kommt, dass die genannten gebäude das ergebnis einer anders gearteten bebauungsstruktur östlich des h1. weges sind. wegen der weiter östlich verlaufenden bundesstraße, welche zur erschließung von einzelgrundstücken nicht geeignet ist, bestand in dem fraglichen bereich nur die möglichkeit, das hinterland vom h1. x. aus zu erschließen. zugleich stößt eine auf diese weise erschlossene bebauung hier auf keinerlei probleme, weil sie rückwärtig an die bundesstraße angrenzt, welche den block hier nach osten abschließt. mit dieser sondersituation ist die lage in dem durch die straßen j. c. , h. x. und j. h1. h2. gebildeten block nicht vergleichbar. eine wechselseitige prägung ist auch aus diesem h2. nicht anzunehmen. 37das von dem kläger angeführte wohnhaus j. h1. h2. … taugt schon deshalb nicht als vorbild für das streitgegenständliche bauvorhaben, weil dieses gebäude nur eine bebauungstiefe von rund 43 metern erreicht und damit rund zehn meter hinter dem geplanten wohnhaus des klägers zurückbleibt. unabhängig davon zählt aber auch dieses gebäude nicht zu der das baugrundstück prägenden umgebungsbebauung, weil man auch hier eine sondersituation vorfindet. wegen seiner lage an dem bogen, den die straße an dieser stelle beschreibt, hat das grundstück einen zuschnitt, der sich von den anderen grundstücken in der umgebung unterscheidet. zugleich grenzt das grundstück mit seiner rückseite an die hier verlaufende bahntrasse, welche die bebauung nach westen abschließt. eine beeinflussung rückwärtig angrenzender wohngrundstücke ist damit auch hier ausgeschlossen. mit dieser besonderen situation ist das grundstück des klägers nicht vergleichbar. 38soweit der kläger im ortstermin noch auf die bebauung nördlich seines grundstücks und der straße j. h1. h2. hingewiesen hat, ist festzustellen, dass sich in den mit wohngebäuden bebauten teilen dieses bereichs ebenfalls kein vorbild für eine bebauungstiefe von 53 metern findet. etwas anders gilt lediglich für den nordwestlichen bereich des blocks, der allerdings mit seinen großflächigen gewerbebetrieben einer ganz anderen bebauungsstruktur folgt. das gericht ist im übrigen der auffassung, dass hinsichtlich des merkmals „überbaubare grundstücksfläche“ der gesamte block nicht zur näheren umgebung des baugrundstücks im sinne von § 34 abs. 1 baugb gehört, weil sich eine wechselseitige prägung hinsichtlich dieses merkmals nicht feststellen lässt. 39das streitgegenständliche bauvorhaben, das nach alledem mit seiner bebauungstiefe den rahmen der näheren umgebung überschreitet, ist auch nicht ausnahmsweise zulässig, weil keinerlei städtebauliche spannungen entstehen könnten. allerdings können vorhaben, die den durch die umgebung gesetzten rahmen nicht einhalten, im einzelfall gleichwohl dem erfordernis des einfügens im sinne von § 34 abs. 1 baugb genügen, wenn sie im verhältnis zur umgebung keine bewältigungsbedürftigen spannungen begründen. 40vgl. bverwg, urteile vom 26. mai 1978 - 4 c 9.77 -, juris (rn. 47), und vom 5. dezember 2013 - 4 c 5.12 -, juris (rn. 17); ovg nrw, beschluss vom 1. dezember 2010 - 7 a 2904/09 -, juris (rn. 12). 41dies lässt sich vorliegend schon angesichts der enge in dem fraglichen bereich nicht annehmen. eine weitere verdichtung hat hier – wie bereits aufgezeigt – folgen für alle grundstücke des blocks und bedarf der planerischen ordnung. 42die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 1 vwgo. 43die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit beruht auf § 167 vwgo in verbindung mit §§ 708 nr. 11, 711 zivilprozessordnung. 44rechtsmittelbelehrung: 45gegen dieses urteil steht den beteiligten die berufung an das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. die berufung ist nur zuzulassen, wenn 461. ernstliche zweifel an der richtigkeit des urteils bestehen, 472. die rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche schwierigkeiten aufweist, 483. die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat, 494. das urteil von einer entscheidung des oberverwaltungsgerichts, des bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen senats der obersten gerichtshöfe des bundes oder des bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser abweichung beruht oder 505. ein der beurteilung des berufungsgerichts unterliegender verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die entscheidung beruhen kann. 51die zulassung der berufung ist innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils schriftlich bei dem verwaltungsgericht gelsenkirchen, bahnhofsvorplatz 3, 45879 gelsenkirchen, zu beantragen. der antrag muss das angefochtene urteil bezeichnen. innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils sind die gründe darzulegen, aus denen die berufung zuzulassen ist. die begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem antrag vorgelegt worden ist, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen, aegidiikirchplatz 5, 48143 münster, schriftlich einzureichen. 52auf die unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung von schriftstücken als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 53im berufungsverfahren muss sich jeder beteiligte durch einen prozessbevollmächtigten vertreten lassen. dies gilt auch für den antrag auf zulassung der berufung. der kreis der als prozessbevollmächtigte zugelassenen personen und organisationen bestimmt sich nach § 67 abs. 4 vwgo.
346,680
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9 A 1294/17
2022-08-30T00:00:00
Urteil
Tenor Das Verfahren wird eingestellt, soweit es von den Beteiligten übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist. Insoweit ist das angegriffene Urteil wirkungslos. Das angefochtene Urteil wird geändert. Die Ordnungsverfügung der Bezirksregierung L. vom 16. Juli 2015 wird aufgehoben, soweit sie den Tee der Sorte „Gemischter Kräutertee" betrifft. Von den Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen trägt der Kläger 1/6 und das beklagte Land 5/6. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Revision wird nicht zugelassen. 1Tatbestand: 2Der Kläger ist ein Großhändler für türkische Lebensmittel. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Verfügung der Bezirksregierung L. , mit der ihm das Inverkehrbringen von Tees der Marke E. mit der Bezeichnung „G. “ in sechs verschiedenen Sorten mit der Begründung untersagt worden ist, es handele sich um zulassungspflichtige, jedoch nicht zugelassene Arzneimittel. Die Tees befinden sich in einzeln kuvertierten Beuteln mit je 2 g der jeweiligen Teemischung. 3Mit Schreiben vom 1. August 2012 übersandte das Regierungspräsidium E. der Bezirksregierung L. mehrere im Rahmen der amtlichen Lebensmittelüberwachung gefertigte Untersuchungsberichte des I. Landeslabors vom 20. und 21. Juni 2012 betreffend Tees der Marke E. mit dem Hinweis, die mit dem Zusatz „G. “ bezeichneten Tees würden wegen des Gehalts an Sennesblättern als nicht zugelassene Arzneimittel eingestuft, und der Bitte um Prüfung, ob dem Lieferanten, der Firma P. -C. C1. & P1. GbR, das Inverkehrbringen untersagt werde. 4Gegenstand des Prüfberichtes Nr. 123008951 vom 20. Juni 2012 ist ein als E. G. Maydanozlu Limonlu (im Folgenden: Petersilie /Zitrone) bezeichneter Tee. Untersucht wurde der Gehalt an Sennosiden in der Probe sowie im verzehrfertigen Getränk. Die Gehaltsbestimmung erfolgte nach den Angaben im Untersuchungsbericht jeweils nach der HPLC-Methode (= Hochleistungsdünnschichtchromatographie). Die Gehaltsbestimmung ergab für die Probe berechnet auf 100 g insgesamt 496 mg (= 4,96 mg je 1 g Teemischung) Sennoside. Für das fertige Getränk wurde ein Anteil von insgesamt 8,5 mg Sennosiden ermittelt. 5Der Prüfbericht Nr. 123010952 vom 21. Juni 2012 betrifft den „E. G. mixed herbal tea“ (im Folgenden: gemischter Kräutertee). Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) ist der 25. Juli 2013. Die Zutaten sind laut Prüfbericht: Sennesblätter, Anis, (...) und Kirschstängel. Die Gehaltsmessung ergab für die Probe jeweils bezogen auf 100 g einen Anteil von insgesamt 919 mg Sennosiden (= 9,19 mg je 1 g Teemischung) und für das fertige Getränk insgesamt 12,5 mg. 6Der Prüfbericht Nr. 123010949 vom gleichen Tag betrifft den gemischten Kräutertee (MHD 27. Februar 2014). Dessen Zutaten sind Kirschstängel, Sennesblätter, Anis (...). Die Gehaltsmessung ergab für die Probe jeweils bezogen auf 100 g einen Anteil von insgesamt 303 mg Sennosiden (= 3,03 mg je 1 g Teemischung) und für das fertige Getränk insgesamt 6 mg. 7Mit Schreiben vom 8. August 2012 teilte die Bezirksregierung L. dem Kläger mit, dass der Tee E. G. Petersilie/Zitrone einen zu hohen Anteil an Sennesblättern (Sennosid-Gehalt) aufweise und daher als nicht zugelassenes Arzneimittel eingestuft werde, und hörte ihn zu einer beabsichtigten Maßnahme nach § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG an. Mit an den Prozessbevollmächtigten des Klägers gerichtetem weiteren Schreiben vom 19. November 2012 gab sie ergänzend an, bei dem fraglichen Tee sei ein Gehalt von 12,5 mg Sennosiden je Beutel ermittelt worden. Da die Aufbereitungsmonographie der Kommission E eine Tagesdosis von 20-60 mg Sennosiden empfehle, sei schon beim Verzehr von zwei Tassen von einer pharmakologischen Wirkung auszugehen. Ein solcher Tee dürfe weder bei Darmverschluss noch bei akut entzündlichen Erkrankungen des Darms oder bei Kindern angewendet werden. Um den Tee weiter vertreiben zu dürfen, müsse sichergestellt werden, dass die Tagesdosis von 20 mg nicht überschritten werde. Es gebe jedoch keine Warnhinweise oder Dosisbeschränkungen auf dem Produkt. 8Nachdem die Stadt H. die Bezirksregierung L. mit Schreiben vom 22. November 2012 darüber informiert hatte, dass sie einer in F. ansässigen Firma das Inverkehrbringen von sennesblätterhaltigen G. -Tees der Marke E. (Kräutertee, Tee mit Aprikose und Tee mit Zitrone) untersagt habe, weil dieser Pflanzenbestandteil apothekenpflichtig sei und die Produkte zudem als Arzneimittel eingestuft würden, bat die Bezirksregierung L. den Kläger mit Schreiben vom 5. Dezember 2012 unter Wiederholung ihrer Ausführungen aus dem Schreiben vom 19. November 2012 hinsichtlich der Tees E. G. mit Aprikose, E. G. Petersilie/Zitrone und E. G. gemischter Kräutertee um Stellungnahme. 9Mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2012 teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers unter Bezugnahme auf das Schreiben der Bezirksregierung L. vom 19. November 2012 mit, dass beabsichtigt sei, auf den Tee ‑ laut der Betreffzeile des Schriftsatzes handelte es sich um den gemischten Kräutertee ‑ den Hinweis aufzubringen: „Der Tee darf weder bei Darmverschluss noch bei akut entzündlichen Erkrankungen des Darms oder bei Kindern angewendet werden. Es wird darauf hingewiesen, dass nur ein Teebeutel pro Tag verzehrt werden darf.“ Die Bezirksregierung L. bestätigte daraufhin unter dem 20. Dezember 2012, dass in diesem Fall aus arzneimittelrechtlicher Sicht keine Bedenken mehr bestünden. 10Mit Schreiben vom 10. Januar 2013 wies die Bezirksregierung L. den Kläger darauf hin, dass noch keine Stellungnahme zu ihrem Schreiben vom 5. Dezember 2012 erfolgt sei und der Verkauf der in diesem Schreiben genannten Teezubereitungen daher sofort einzustellen sei. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers teilte daraufhin mit, dass der Tee in der beanstandeten G. nicht weiter vertrieben werde. 11Anfang 2015 bat die Bezirksregierung L. den Kläger zunächst um Zusendung der Original-Verpackungen von insgesamt sechs G. -Tees und mit weiterem Schreiben vom 5. März 2015 um Listen mit genauen Mengenangaben der jeweiligen Zutaten für jede Sorte E. G. Tee, der Sennesblätter enthalte und den der Kläger vertreibe. Hierzu teilte der Kläger mit, die Zusammensetzung der Tees sei nach Angaben des in der Türkei ansässigen Herstellers seit dem Jahre 2012 gleich geblieben und lägen der Bezirksregierung L. daher vor. Auf die Mitteilung der Bezirksregierung L. , dass sie über keine Mengenangaben verfüge, reichte der Kläger entsprechende Listen für die Tees Aprikose, Erdbeere, Petersilie/Zitrone, Maistroddeln/Maisseide, Kirschstängel und gemischter Kräutertee ein. Diese weisen die Zutat Sennesblätter jeweils als Hauptzutat aus; der prozentuale Anteil schwankt je nach Teesorte zwischen 30 % und 49,5 %. 12Mit Schreiben vom 28. Mai 2015 hörte die Bezirksregierung L. den Kläger zu der beabsichtigten Untersagung des Inverkehrbringens aller sechs Teesorten an. Zur Begründung führte sie aus, nach der Standardzulassung liege die empfohlene Tagesdosis bei 0,75 g Sennesblättern. Da die Tees zwischen 0,6 g und 0,99 g Sennesblätter je Teebeutel enthielten, sei beim vorhersehbaren Verzehr von einer pharmakologischen Wirkung auszugehen. Zudem seien Sennesblätter apothekenpflichtig. In einem nachfolgenden Telefonat teilte die Ehefrau des Klägers mit, dass sie die zwei Teesorten ‑ Maistroddeln und Kirschstängel ‑ mit einem Anteil von über 0,75 g nicht weiter vertreiben würden und bat um Mitteilung, ob die übrigen vier Teesorten weiterhin verkauft werden dürften. Mit Schreiben vom 4. Juni 2015 gab sie ergänzend an, mit dem Produzenten in der Türkei zu besprechen, dass der Anteil an Sennesblättern in den Sorten Maistroddeln und Kirschstängel angepasst werde. 13Unter dem 3. Juni 2015 bat die Bezirksregierung L. das Bundesinstitut für Arzneimittel und N. um Informationen, ab welchem Anteil Sennesblätter eine pharmakologische Wirkung erzielen würden und ab welchem Anteil diese apothekenpflichtig seien. Mit Mail vom 23. Juni 2015 teilte das BfArM mit, Sennesblätter seien unabhängig von ihrer Dosierung apothekenpflichtig, und wies darauf hin, dass nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts L. vom 28. April 2015 ‑ 7 K 395/13 ‑ eine pharmakologische Wirkung ab einer Schwelle von 80% unterhalb der Grenze zur therapeutischen Wirksamkeit einsetze. 14Mit Bescheid vom 16. Juli 2015 untersagte die Bezirksregierung L. dem Kläger gestützt auf § 69 Abs. 1 Satz 1 (und 2) Nr. 1 i. V. m. § 21 Abs. 1 AMG das Inverkehrbringen der Tees E. G. in den Sorten Aprikose, Erdbeere, Petersilie/Zitrone, Maistroddeln/Maisseide, Kirschstängel und gemischter Kräutertee und drohte ihm für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,- EUR pro Zuwiderhandlung an. 15Zur Begründung führte sie aus, bei den Tees handele es sich um Funktionsarzneimittel. Sennesblätter gehörten zu den am häufigsten gebrauchten pflanzlichen Abführmitteln zur kurzfristigen Anwendung bei Obstipation. Eine Ernährungs- oder Genussfunktion sei hingegen nicht belegt, eine Verwendung in Lebensmitteln nicht bekannt. Nach dem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse beeinflusse der in den Tees vorhandene Gehalt an Sennesblättern die Körperfunktionen mittels pharmakologischer Wirkung. Senna gelte gemäß der Anlage 1b zu § 7 Abs. 1 Nr. 2 und § 8 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung über apothekenpflichtige und freiverkäufliche Arzneimittel unabhängig von der Dosierung als apothekenpflichtig und sei daher vom Verkehr außerhalb der Apotheke ausgeschlossen. Die nach Standardzulassung empfohlene Tagesdosis zur Erzielung der erwünschten abführenden Wirkung betrage 0,75 mg Sennesblätter. Gemäß der Aufbereitungsmonographie der Kommission E des Bundesgesundheitsamts „Senna“ betrage die empfohlene mittlere Tagesdosis 20-60 mg Sennoside. Ein typischer sennesblätter-haltiger Abführtee enthalte als arzneilich wirksamen Bestandteil 500-600 mg Sennesblätter pro Filterbeutel und sei auf einen Hydroxyanthracenderivat-Gehalt von 15 mg pro Filterbeutel eingestellt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts L. sei eine pharmakologische Wirkung eines Produkts belegt, wenn dieses unterhalb der therapeutischen Wirksamkeitsschwelle dosiert werde. Denn die pharmakologische Wirkung setze nicht abrupt erst mit Beginn der therapeutischen Wirksamkeit ein. In der Regel steige die Wirkung eines Arzneimittels mit zunehmender Dosis an. Ausgehend von einer Schwelle von 80% von 0,75 g Sennesblättern werde auch einer Dosis von 0,6 g pharmakologische Wirkung zugesprochen. Dies betreffe alle Tees, da diese einen Anteil von 0,6 bis 0,99 g Sennesblätter enthielten. Dass die Tees nennenswerte pharmakologische Wirkungen besäßen, werde letztlich auch durch den von dem Kläger aufgebrachten Warnhinweis auf der Verpackung bejaht, der andernfalls überflüssig wäre. 16Der Kläger sei als verantwortlicher Inverkehrbringer im Sinne des § 4 Abs. 17 AMG auch der richtige Adressat der Untersagungsverfügung. Diese entspreche dem Grundsatz pflichtgemäßen Ermessens. Der Vorrang arzneimittelrechtlicher Vorschriften (Zweifelsfallregelung) und die grundsätzlich von ohne die erforderliche Zulassung in den Verkehr gebrachten Arzneimitteln ausgehende Gefahr seien bei der Ermessensausübung berücksichtigt worden. Die Maßnahme sei auch verhältnismäßig. Insbesondere werde der Kläger nicht über Gebühr beeinträchtigt, da er lediglich Arzneimittel ohne Zulassung nicht mehr in den Verkehr bringen dürfe. 17Der Kläger hat am 7. August 2015 Klage erhoben. Zur Begründung hat er geltend gemacht, der Anteil an Sennesblättern im Tee lasse keinen Schluss auf eine Arzneimitteleigenschaft zu, da diese nicht verzehrt würden. Maßgeblich sei allein die Konzentration von Sennosiden im fertigen Teeprodukt (Aufguss). Eine physiologische Funktion durch eine pharmakologische oder metabolische Wirkung habe der Tee nicht. Aus dem Warnhinweis auf der Verpackung folge nichts anderes. Dieser sei ausschließlich auf Veranlassung der Bezirksregierung L. aufgebracht worden, ohne dass zuvor abschließende Untersuchungen erfolgt seien. Die Bezirksregierung sei daher gehalten gewesen, Gutachten zur Sennosid-Konzentration im Teeaufguss einzuholen. Die Eigenschaft als Lebensmittel im Sinne von § 1 LMBG folge im Übrigen bereits daraus, dass die Tees als Genussmittel in den Verkehr gebracht würden. Denn entscheidend für die Einordnung eines Produkts als Arzneimittel oder als Lebensmittel sei seine an objektive Merkmale anknüpfende überwiegende Zweckbestimmung, wie sie sich für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher darstelle. Die Eigenschaft als Genussmittel werde hier dadurch belegt, dass sechs verschiedene Geschmacksrichtungen angeboten würden und die Tees vielzählige weitere Bestandteile wie Wacholder und Hagebutte enthielten. Für vier Tee-Sorten seien keine Gutachten eingeholt worden. Aufgrund der unterschiedlichen Zusammensetzung der Tees seien Rückschlüsse von den untersuchten Tees auf die anderen Sorten nicht zulässig. Das Urteil des Verwaltungsgerichts L. vom 28. April 2015 ‑ 7 K 395/13 ‑ sei nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar. Zum einen liege hier der ermittelte Wert nicht nur knapp unterhalb der empfohlenen Menge, zum anderen folge schon aus der genannten Entscheidung, dass eine Teezubereitung mit dem Einsatz von Extrakten nicht vergleichbar sei. 18Der Kläger hat beantragt, 19die Ordnungsverfügung der Bezirksregierung L. vom 16. Juli 2015 aufzuheben. 20Das beklagte Land hat beantragt, 21die Klage abzuweisen. 22Zur Begründung hat die Bezirksregierung L. über die Ausführungen im Bescheid hinaus vorgetragen, an der damaligen Einschätzung, es bestünden aus arzneimittelrechtlicher Sicht keine Bedenken gegen das Inverkehrbringen der Tees, sofern diese mit einem Warnhinweis zu Gegenanzeigen bei bestimmten Darmerkrankungen und zur Anwendung bei Kindern gekennzeichnet seien, werde aufgrund des Urteils des Verwaltungsgerichts L. vom 28. April 2015 ‑ 7 K 395/13 ‑ nicht festgehalten. Diese Kennzeichnung mache aus einem Arzneimittel kein Lebensmittel. Da der Kläger der Kennzeichnung zugestimmt habe, gehe offenbar auch er von einem gewissen gesundheitlichen Risiko aus und spreche dem Präparat damit indirekt eine pharmakologische Wirksamkeit zu. Es werde davon ausgegangen, dass die Gutachten des I. Landeslabors noch aktuell seien, weil der Kläger mitgeteilt habe, dass die Zusammensetzung der Tees seit 2012 unverändert sei. In den Gutachten sei auch der Sennosidgehalt im fertigen Tee aufgeführt. Auf diesen stütze sich der Bescheid. Es bestehe kein Zweifel daran, dass der Sennosidgehalt im fertigen Tee geringer sei als in der unzubereiteten Droge. Nach der Monographie der Kommission E betrage die empfohlene mittlere Tagesdosis 20-60 mg Sennoside. Der nach den Gutachten ermittelte Gehalt an Sennosiden im Aufguss liege zwar unter der Tagesdosis der Monographie. Bei einem als Lebensmittel deklarierten, für den Verbraucher harmlos erscheinenden Produkt sei jedoch nicht auszuschließen, dass die empfohlene Tagesmenge überschritten werde. Die pharmakologische Wirksamkeit setze zudem nicht abrupt erst mit Beginn der therapeutischen Wirksamkeit ein. Außerdem sei nicht auszuschließen, dass die Tees von Kindern unter 10 Jahren verzehrt würden. Bei einem langfristigen Verzehr sei mit einem erhöhten Kaliumverlust zu rechnen, der zur Verstärkung einer Darmträgheit führen könne. Dieser Effekt werde bei Einnahme bestimmter Medikamente, z. B. Diuretika, die von einer nicht unerheblichen Anzahl der Verbraucher eingenommen würden, noch verstärkt. Der Kaliummangel könne sich in Schwindel, Müdigkeit, Kopfschmerzen oder Übelkeit manifestieren, möglich seien auch Muskelkrämpfe, Lähmungserscheinungen und Kreislaufprobleme. Ein ausgeprägter Kaliummangel könne in Herzrhythmusstörungen münden. Nach der Monographie der Kommission E sei aufgrund fehlender toxikologischer Untersuchungen ein Verzehr durch Schwangere und Stillende zu unterlassen. Aus diesen Gründen und zum Schutz der Verbraucher sei eine Abgabe über Apotheken dringend erforderlich, um eine Beratung hinsichtlich der Nebenwirkungen, Kontraindikationen und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten sicherzustellen. In der Stoffliste des Bundes und der Länder würden Sennesblätter als Arzneistoff geführt und aufgrund bekannter Risiken nicht für eine Verwendung in Lebensmitteln empfohlen. Die Tees würden in türkischen Supermärkten gemeinhin als Schlankheitstees angepriesen; der Verbraucher sehe sie daher als Produkte an, die einen unerwünschten körperlichen Zustand bekämpften. Dass die Tees in verschiedenen Geschmacksrichtungen angeboten würden, rechtfertige nicht ihre Einordnung als Genussmittel. Gerade im Bereich der Abführmittel treffe dies auch auf Arzneimittel zu. 23Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die streitgegenständlichen Teemischungen seien Funktionsarzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 lit a) AMG. Denn die ‑ in unterschiedlichen Anteilen zwischen 30 % und 49,5 % - enthaltenen Blätter der Senna-Pflanze seien gemeinhin ein Stoff, der im menschlichen Körper angewendet werde, um die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen. Sennesblätter zählten zu den am häufigsten gebrauchten pflanzlichen Abführmitteln. Dies finde seinen Ausdruck in der Standardzulassung 7399.99.99 des BfArM, die Teezubereitungen aus Sennesblättern diesem Anwendungsgebiet zuweise. Die Prüfung u. a. der Wirksamkeit sei bei einer Standardzulassung antizipiert. Dies schließe als notwendige Voraussetzung die Arzneimitteleigenschaft des Stoffs ein. Die Standardzulassung fuße ihrerseits auf der Monographie der Kommission E vom 21. Juli 1993, die Sennesblättern, bestehend aus den getrockneten Fiederblättchen von Cassia senna LINNÉ, das Anwendungsgebiet „Obstipation“ zuweise. Zu den pharmakologischen Eigenschaften verweise die Monographie auf laxierende Effekte der Sennoside bzw. deren aktiver Metaboliten im Dickdarm, vorwiegend aufgrund einer Beeinflussung der Colonmotilität im Sinne einer Hemmung der stationären und einer Stimulierung der propulsiven Kontraktionen. Unterstrichen werde die pharmazeutische Verwendung des Stoffs durch seine Apothekenpflicht gemäß Anlage 1b zu § 7 Abs. 1 Nr. 2 und § 8 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung über apothekenpflichtige und freiverkäufliche Arzneimittel. Dem stünden nicht ansatzweise Anhaltspunkte für eine Verwendung von Senna als Lebens- und Genussmittel gegenüber. Daher sei eine Prüfung, ob die Wirkungen der streitigen Produkte nicht über diejenigen hinausgingen, die ein in angemessener Menge verzehrtes Lebensmittel aufweise, nicht möglich. 24Die Annahme einer pharmakologischen Wirkung der Tees werde auch nicht dadurch relativiert, dass ausweislich der Ergebnisse des I. Landeslabors die Tees Sennosid-Gehalte im Aufguss zwischen 8,5 mg und 12,5 mg aufwiesen und damit unter der Tagesdosis der Monographie der Kommission E von 20-30 mg lägen. Zum einen schwankten die in den wissenschaftlichen Quellen genannten Dosen und lägen teils unter denen der Monographie von 1993. So beschrieben die neueren europäischen HMPC- und ESCOP-Monographien Dosierungen zwischen 15 bis 30 mg Hydroxyanthracenderivate (berechnet als Sennosid B), die WHO-Monographie gar nur 10-30 mg. Auch könne die Dosierung durch den Anwender problemlos erhöht werden. Gerade die Darreichung mittels Teebeutel lade hierzu ein. Zum anderen sei ein Beleg therapeutischer Wirksamkeit keine Voraussetzung für die Einstufung als Funktionsarzneimittel. Fehle der Nachweis therapeutischer Wirksamkeit unterhalb einer bestimmten Dosisschwelle, sei die Annahme eines Funktionsarzneimittels keineswegs ausgeschlossen. Werde ein Stoff mit nachgewiesenen arzneimitteltypischen Funktionen knapp unterhalb der therapeutischen Wirksamkeitsschwelle dosiert, spreche eine Vermutung dafür, dass auch dieses Erzeugnis eine pharmakologische Wirkung aufweise. Denn diese setze nicht abrupt erst mit Beginn der therapeutischen Wirksamkeit ein, sondern sei schon unterhalb dieser Schwelle vorhanden. In der Regel steige die Wirkung eines Arzneimittels mit zunehmender Dosis an, wobei erst an einem bestimmten Punkt die Schwelle zum therapeutischen Erfolg überschritten sei (Dosis-Wirkungs-Beziehung). Dass das Produkt bereits pharmakologische Wirkungen mit einem nennenswerten Einfluss auf die physiologischen Funktionen besäße, gestehe der Kläger letztlich selbst zu, indem er eine Notwendigkeit für den aufgenommenen Warnhinweis bejaht und die Tagesdosis zu beschränken gesucht habe. Unerheblich sei in diesem Zusammenhang, dass die Hinweise letztlich auf die Intervention der Bezirksregierung zurückgegangen seien. Dies habe auf der Annahme einer Gleichsetzung von Wirksamkeit und pharmakologischer Wirkung beruht, die rechtlich so nicht zutreffe. Wer daher Mittel mit arzneimitteltypischer Funktion auf den Markt bringe und dabei die Dosierung geringfügig unter die einer belegten therapeutischen Wirkung setze, müsse den Anschein pharmakologischer Wirkung entkräften, wenn er sein Produkt ohne Zulassung vertreiben wolle. Die Arzneimittelüberwachungsbehörde sei in einem derartigen Fall nicht gehalten, Daten über die pharmakologische Wirkung in beliebigen Bereichen unterhalb der Wirksamkeitsschwelle zu generieren. Diese stünden naturgemäß nicht zur Verfügung. Daten über ein Produkt zu liefern, sei in erster Linie Sache des Inverkehrbringers. Der Einordnung als Funktionsarzneimittel stehe nicht entgegen, dass der Kläger dem Produkt keine therapeutische, sondern nur Genussfunktion beimesse. Als Arzneimittel schieden nur solche Produkte aus, die sich auf eine schlichte Beeinflussung der physiologischen Funktionen beschränkten, ohne dass sie geeignet wären, der menschlichen Gesundheit zuträglich zu sein, wie etwa Drogen. 25Der Bezirksregierung L. habe kein Ermessen zugestanden, von einem Eingreifen abzusehen, da das unerlaubte Inverkehrbringen von Arzneimitteln nach § 96 Nr. 5 AMG ein Straftatbestand sei. Der Kläger sei als Großhändler, der die Tees im Sinne des § 4 Abs. 17 AMG in Verkehr bringe, auch richtiger Adressat der Ordnungsverfügung. 26Gegen dieses Urteil hat der Kläger fristgerecht die Zulassung der Berufung beantragt. Mit Beschluss vom 19. Februar 2019 hat der vormals zuständige 13. Senat die Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugelassen. 27Zur Begründung der Berufung macht der Kläger geltend, die Bezirksregierung L. gehe unter Zugrundelegung der in den Zutatenlisten des Herstellers aufgeführten prozentualen Anteile der einzelnen Zutaten am Gesamtprodukt von der Menge an Sennesblättern im Teebeutel aus. Maßgeblich sei jedoch die Konzentration an Sennosiden im fertigen Teeaufguss. Diese liege nach den Gutachten des I. Landeslabors jedoch unter den von wissenschaftlichen Quellen genannten Werten von 20-30 mg oder 15-30 mg. Dies treffe auch auf die zwischenzeitlich vom Chemischen- und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) Rhein-Ruhr-Wupper (RRW) untersuchten Tees der Sorten gemischter Kräutertee und Petersilie/Zitrone zu, deren Lieferant er sei. Bei dem ferner untersuchten Tee Maishaar handele es sich um einen völlig anderen Tee, der von ihm nicht vertrieben werde. Werde die therapeutische Wirksamkeitsschwelle nicht erreicht, könne nicht von einer pharmakologischen Wirkung ausgegangen werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setze die Einordnung eines Produkts als Arzneimittel voraus, dass die ihm zugeschriebenen Wirkungen durch belastbare wissenschaftliche Erkenntnisse belegt seien. Hierfür trage die Bezirksregierung die Darlegungs- und Beweislast, da sie sich auf eine Norm der Eingriffsverwaltung stütze. Belastbare wissenschaftliche Erkenntnisse habe diese jedoch nicht benannt. Für die Einstufung als Arzneimittel sei unerheblich, dass der Anwender die Dosis problemlos erhöhen könne. Eine möglicherweise uferlose Anwendung durch den Verbraucher könne nicht Maßstab für den Eingriff in die Berufsfreiheit sein, zumal eine damit einhergehende Gefährdung auf viele Lebensmittel zutreffe. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, er gestehe mit dem Aufdruck eines Warnhinweises selbst zu, dass die Tees pharmakologische Wirkungen hätten, übersehe, dass auch auf anderen Lebensmitteln, etwa Energydrinks oder solchen mit einer Phenylalaninquelle, Warnhinweise aufgebracht seien. Außerdem sei maßgeblich die konkrete Zusammensetzung der Tees, die aus wesentlich mehr Stoffen als aus Sennesblättern bestünden. Dass die Teemischungen neben anderem zwischen 30 und 49,5 % Sennesblätter enthielten, mache deutlich, dass die Aufnahme von Sennosiden aus den Sennesblättern ebenso unspezifisch sei wie dies bei Lebensmitteln der Fall sei. Es gehe nicht um eine Steuerungsfunktion von außen. Die Bezirksregierung habe schließlich das ihr durch § 69 Abs. 1 AMG eröffnete Entschließungsermessen nicht erkannt. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Behörde komme angesichts der Strafbarkeit des Inverkehrbringens nicht zugelassener Arzneimittel nach § 96 Nr. 5 AMG ein Ermessen, von einem Eingreifen abzusehen, grundsätzlich nicht zu, verstoße gegen die Gewaltenteilung. Die Untersagung des Inverkehrbringens sei unverhältnismäßig. Ein ggf. auch weiter konkretisierter Warnhinweis sei ausreichend und genüge auch bei anderen Lebensmitteln, insbesondere Energydrinks. Die Untersagung des Vertriebs eines gesamten Teesortiments komme zudem einer Berufswahlregelung nahe. Die Zwangsgeldandrohung sei unbestimmt. Ein Zwangsgeld sei für den Fall der Zuwiderhandlung angedroht worden. Es sei jedoch nicht konkretisiert worden, wann ein einzelner Fall eines solchen Verstoßes vorliegen solle. 28In der Berufungsverhandlung haben die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, soweit die Ordnungsverfügung sich bezieht auf die Teesorten Kirschstängel, Erdbeere, Maistroddeln, Aprikose und Petersilie/Zitrone. 29Der Kläger beantragt, 30das angefochtene Urteil zu ändern und die Verfügung der Bezirksregierung L. vom 16. Juli 2015 aufzuheben, soweit Gegenstand der Tee der Sorte „Gemischter Kräutertee“ ist. 31Das beklagte Land beantragt, 32die Berufung zurückzuweisen. 33Die Bezirksregierung L. macht geltend, sie habe nicht vom Gewicht der Sennesblätter auf den Sennosidgehalt geschlossen, sondern den Sennosidgehalt im Teeaufguss entsprechend den Prüfberichten des I. Landeslabors zugrunde gelegt. Für die Wirkung relevant seien nicht die einzelnen Sennoside A bis F, sondern das Gemisch aus verschiedenen Hydroxyanthracenderivaten. Die Sennoside A und B besäßen in der Regel den höchsten Anteil an den Gesamthydroxyanthracenglykosiden. Unter Einbeziehung aller Sennoside dürfte der Anteil an wirksamen Bestandteilen im Tee höher sein als der vom I. Landeslabor gemessene. Die Wirkstoffbestimmung durch das I1. Landeslabor nach der HPLC-Methode entspreche der aktuellen Monographie des Europäischen Arzneibuchs, in der der Gehalt an Gesamthydroxyanthracenglykosiden im Vergleich zur vorhergehenden Ausgabe, bei der die Gehaltsbestimmung photometrisch erfolgt sei, von mindestens 2,5 % auf mindestens 2,0 % in der getrockneten Droge gesenkt worden sei. Die bekannten Dosierangaben bezögen sich allerdings auf den Gehalt an Hydroxyanthracenglykosiden in der eingesetzten Drogenmenge (Teebeutel), nicht aber auf den Gehalt im zubereiteten Tee. Außerdem gehe es zulasten des Klägers, dass er den Sennosidgehalt in den von ihm vertriebenen Teemischungen nicht verlässlich angeben könne. 34Die Beteiligten haben im Verlauf des zweitinstanzlichen Verfahrens diverse Untersuchungsberichte zu den Tees eingereicht. 35Ein an den Landrat des Kreises V. gerichteter Prüfbericht des CVUA RRW vom 18. Juli 2019 (Prüfbericht Nr. 2019-8320208) betrifft den Tee gemischter Kräutertee (MHD 21. Juni 2020). Die Quantifizierung der Sennoside erfolgte mittels hochauflösender Massenspektrometrie (LC-Orbitrap-MS) und ergab für Sennosid B einen Wert von 1,58 (+/- 0,24) mg und für Sennosid A von 1,28 (+/- 0,19) mg je Gramm Teemischung. Ein Teebeutel von 2 g Gewicht enthält dem Bericht nach daher 5,72 mg Sennoside (Addition der Einzelwerte x 2). Ferner weist der Bericht darauf hin, dass eine eindeutige Zuordnung weiterer Peaks im Chromatogramm zu weiteren Sennosiden und anderen Anthrachinonderivaten ohne geeignete Referenzsubstanzen nicht möglich sei und daher in der vorliegenden Probe von einem höheren Hydroxyanthracenderivat-Gehalt auszugehen sei. 36Der an die Stadt L. gerichtete, in gleicher Weise erstellte Prüfbericht des CVUA RRW vom 8. Juni 2022 (Nr. 2022-7200167) betrifft den Tee gemischter Kräutertee (MHD 25. Oktober 2024) und weist für den Teebeutel einen Gesamtwert von 2,6 mg Sennosiden aus. 37Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Bezirksregierung L. Bezug genommen. 38Entscheidungsgründe: 39Das Verfahren wird in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt haben. Die teilweise Wirkungslosigkeit des erstinstanzlichen Urteils ergibt sich aus § 173 VwGO i. V. m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO. 40Im noch anhängigen Umfang hat die Berufung des Klägers Erfolg. Die Klage ist insoweit zulässig und begründet. 41Die Ordnungsverfügung der Bezirksregierung L. vom 16. Juli 2015 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit dem Kläger unter entsprechender Zwangsgeldandrohung das Inverkehrbringen des Tees E. G. gemischter Kräutertee untersagt worden ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). 42Rechtsgrundlage der angefochtenen Ordnungsverfügung ist § 69 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 AMG. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Denn die Untersagungsverfügung stellt ihrem Inhalt nach einen Dauerverwaltungsakt dar, da sie sich nicht in dem Verlangen eines einmaligen Tuns oder Unterlassens erschöpft. Bei der Beurteilung derartiger Dauerverwaltungsakte haben die Gerichte die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zugrunde zu legen, wenn ‑ wie hier ‑ das materielle Recht nichts Abweichendes bestimmt. 43Vgl. BVerwG, Urteile vom 19. September 2013 ‑ 3 C 15.12 ‑, juris Rn. 9, und vom 22. Januar 1998 ‑ 3 C 6.97 -, juris Rn. 18; OVG NRW, Beschluss vom 25. September 2013 ‑ 13 A 523/11 ‑, juris Rn. 24; Nds. OVG, Urteil vom 23. März 2006 ‑ 11 LC 180/05 ‑, juris Rn. 43; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 8. Dezember 2010 ‑ 9 S 783/10 -, juris Rn. 17; Hess. VGH, Beschluss vom 14. Februar 1996 ‑ 11 TG 1144/95 ‑, juris Rn. 2. 44Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 AMG treffen die zuständigen Behörden die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Sie können insbesondere das Inverkehrbringen von Arzneimitteln untersagen, wenn die erforderliche Zulassung oder Registrierung für das Arzneimittel nicht vorliegt. Die Voraussetzungen für eine Verbotsverfügung auf dieser Grundlage liegen jedoch nicht vor. 45Bei dem Tee E. G. gemischter Kräutertee handelt es sich nicht ‑ was vorliegend allein im Streit steht ‑ um ein sog. Funktionsarzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AMG und Art. 1 Nr. 2 Buchst b) der Richtlinie 2001/83/EG. 46I. Zu den Funktionsarzneimitteln nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AMG und Art. 1 Nr. 2 Buchst. b) der Richtlinie 2001/83/EG zählen alle Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die im oder am menschlichen Körper verwendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen. 471. Notwendige Voraussetzung für die Annahme eines Funktionsarzneimittels ist, dass das Erzeugnis die physiologischen Funktionen bei bestimmungsgemäßem Gebrauch (a.) durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung (b.) nachweisbar (c.) und in nennenswerter Weise (d.) positiv beeinflussen kann. 48Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. November 2019 ‑ 3 C 19.18 -, juris Rn. 15. 49a. Ausgangspunkt für die Beurteilung der physiologischen Auswirkungen eines Stoffes ist nach ständiger Rechtsprechung des EuGH der bestimmungsgemäße Gebrauch des Erzeugnisses. Es ist daher ohne Belang, dass das Erzeugnis in einer höheren als der auf dem Beipackzettel oder in der Verzehrempfehlung auf der Verpackung angegebenen Dosierung eine nennenswerte physiologische Wirkung haben kann. Unerheblich ist auch, ob Verbraucher dazu neigen könnten, Erzeugnisse in höheren Dosierungen zu konsumieren als vom Hersteller angegeben, und ob mit einer Überdosierung Gesundheitsgefahren einhergehen. Denn fast alle Erzeugnisse sind potentiell gesundheitsschädlich, wenn sie im Übermaß aufgenommen werden. 50Vgl. EuGH, Urteile vom 30. April 2009 ‑ C-27/08 (BIOS Naturprodukte) -, Rn. 22, vom 15. Januar 2009 ‑ C-140/07 (Hecht-Pharma) ‑, Rn. 42, und vom 29. April 2004 ‑ C-150/00 (Kommission ./. Österreich) -, Rn. 75; vgl. auch BVerwG, Urteile vom 26. Mai 2009 ‑ 3 C 5.09 juris Rn. 15, und vom 1. März 2012 ‑ 3 C 15.11 ‑, juris Rn. 12. 51b. Das Erzeugnis muss eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung haben. 52Die Begriffe der ‑ hier nur in Betracht kommenden ‑ pharmakologischen (aa.) oder metabolischen (bb.) Wirkung sind weder im Arzneimittelgesetz noch in der Richtlinie 2001/83/EG definiert. 53aa. Für die Beantwortung der Frage, ob ein Produkt pharmakologisch wirkt, kann nach der Rechtsprechung des EuGH insoweit als zweckdienlicher Anhaltspunkt auf die von der Europäischen Kommission herausgegebenen Leitlinien ‑ und damit insbesondere die sog. „Borderline-Leitlinie“ (European Union, Medical Devices: Guidance Document, MEDDEV 2.1/3 rev 3, dort Ziffer A.2.1.1, S. 6), 54abrufbar unter: https://ec.europa.eu/docsroom/documents/10328/attachments/1/translations ‑, 55zurückgegriffen werden. 56Vgl. EuGH, Urteil vom 6. September 2012 ‑ C-308/11 (Chemische Fabrik Kreussler) ‑, Rn. 25 f.; BVerwG, Vorlagebeschluss vom 20. Mai 2021 ‑ 3 C 19.19 ‑, juris Rn. 11. 57Danach ist unter einer pharmakologischen Wirkung eine Wechselwirkung zwischen den Molekülen des betreffenden Stoffes und einem ‑ gewöhnlich als Rezeptor bezeichneten ‑ Zellbestandteil zu verstehen, die entweder zu einer direkten Reaktion führt oder die Reaktion auf einen anderen Agenten blockiert. Eine Dosis-Wirkungs-Korrelation ist dabei ein ‑ wenn auch nicht zwingender ‑ Indikator für eine pharmakologische Wirkungsweise. 58Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 28. Oktober 2021 ‑ 13 A 1376/17 ‑, juris Rn. 76. 59Diese Definition ist jedoch nicht abschließend. Nach der vorgenannten Rechtsprechung des EuGH genügt darüber hinaus jede Wechselwirkung zwischen der in einem Erzeugnis enthaltenen Substanz und einem beliebigen im Körper des Anwenders vorhandenen zellulären Bestandteil, sofern diese bewirkt, dass physiologische Funktionen beim Menschen wiederhergestellt, korrigiert oder beeinflusst werden. 60Vgl. EuGH, Urteil vom 6. September 2012 ‑ C-308/11 (Chemische Fabrik Kreussler) ‑, Rn. 31 f. und Tenorziffer 2. 61bb. Auch hinsichtlich der Bestimmung des Begriffs der metabolischen Wirkung lassen sich der vorgenannten Borderline-Leitlinie (dort Ziffer A.2.1.1, S. 6) Anhaltspunkte entnehmen. 62Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. Oktober 2021 ‑ 13 A 2432/18 -, juris Rn. 65 ff. m. w. N. 63Danach wird unter einer metabolischen Wirkung eine Wirkungsweise verstanden, die eine Veränderung einschließlich des Stoppens, des Starts oder der Änderung der Geschwindigkeit der normalen biochemischen Prozesse beinhaltet, die an der normalen Körperfunktion beteiligt sind und dafür zur Verfügung stehen. Die Tatsache, dass ein Erzeugnis selbst verstoffwechselt wird, bedeutet nicht, dass es seine bestimmungsgemäße Hauptwirkung auf metabolische Weise erreicht. 64c. Der Begriff des Funktionsarzneimittels erfasst ‑ anders als der des Präsentationsarzneimittels ‑ nur diejenigen Erzeugnisse, deren pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung ‑ in der angegebenen Dosierung ‑ wissenschaftlich festgestellt wurden und die tatsächlich dazu bestimmt bzw. geeignet sind, eine ärztliche Diagnose zu erstellen oder die physiologischen Funktionen wiederherzustellen, zu korrigieren oder in einer positiven Weise zu beeinflussen. 65Vgl. EuGH, Urteile vom 10. Juli 2014 ‑ C-358/13 und C-181/14 (Markus D. u. a.) ‑, Rn. 36, 38 (zur positiven Wirkung), vom 6. September 2012 ‑ C-308/11 (Chemische Fabrik Kreussler) ‑, Rn. 30, und vom 15. Januar 2009 ‑ C-140/07 (Hecht-Pharma) -, Rn. 25 f.; BVerwG, Urteil vom 7. November 2019 ‑ 3 C 19.18 -, juris Rn. 17. 66Ist der Nachweis der Arzneimitteleigenschaft im Sinne des Art. 1 Nr. 2 Buchst. b) der Richtlinie 2001/83/EG für ein Erzeugnis nicht geführt, so ist die Richtlinie auf dieses Produkt nicht anwendbar. Aus der sog. Zweifelsfallregelung in Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG folgt nichts anderes. Diese ist nicht dahin zu verstehen, dass ein Produkt, bei dem es an den entsprechenden Feststellungen fehlt, im Zweifelsfall ein Arzneimittel ist. Vielmehr beruht diese Regelung auf dem Postulat, dass das Produkt die Voraussetzungen eines Arzneimittels erfüllt und dient gerade nicht der Überwindung von Zweifeln an der Arzneimitteleigenschaft. 67Vgl. EuGH, Urteil vom 15. Januar 2009 ‑ C-140/07 (Hecht-Pharma) ‑, Rn. 24 ff.; BVerwG, Urteil vom 7. November 2019 ‑ 3 C 19.18 ‑, juris Rn. 14. 68Darüber hinaus kann ein Erzeugnis nicht gleichzeitig Arzneimittel und Lebensmittel sein. Denn nach Art. 2 Abs. 3 Buchst. d) der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 (BasisVO) gehören Arzneimittel im Sinne der Richtlinien 65/65/EWG und 92/73/EWG ‑ jetzt der Richtlinie 2001/83/EG ‑ nicht zu den Lebensmitteln. 69Vgl. auch BVerwG, Urteile vom 17. September 2021 ‑ 3 C 20.20 ‑, juris Rn. 28, und vom 1. März 2012 ‑ 3 C 15.11 ‑, juris Rn. 12. 70Der Nachweis einer therapeutischen Wirksamkeit des Erzeugnisses ist für die Annahme eines Funktionsarzneimittels hingegen nicht erforderlich. Denn die Arzneimitteldefinition setzt nicht voraus, dass die Erzeugnisse eindeutig bestimmbare therapeutische und prophylaktische Eigenschaften aufweisen, deren Wirkung sich auf bestimmte Funktionen des menschlichen Organismus konzentriert, bzw. dass sie zur Verhütung oder Behandlung einer Krankheit oder eines Leidens angewandt werden können. 71Vgl. EuGH, Urteile vom 15. Dezember 2016 ‑ C-700/15 (LEK) -, Rn. 35, und vom 10. Juli 2014 ‑ C-358/13 und C-181/14 (Markus D. u. a.) ‑, Rn. 36. 72Der Begriff der therapeutischen Wirksamkeit stammt vielmehr aus den Regelungen über die Zulassung eines Arzneimittels. Er ist auf die klinische Prüfung der vom Arzneimittelhersteller beanspruchten Indikation bezogen und passt nicht für die vorgelagerte Fragestellung, ob einem Erzeugnis überhaupt die Eignung zukommt, die physiologischen Funktionen positiv zu beeinflussen. Daher bezieht sich auch der vom EuGH geforderte wissenschaftliche Nachweis nicht auf eine therapeutische Wirkung, sondern nur auf die Frage, ob der Stoff geeignet ist, dem Funktionieren des menschlichen Organismus und folglich der menschlichen Gesundheit zuträglich zu sein. 73Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. November 2019 ‑ 3 C 19.18 ‑, juris Rn. 18. 74Die therapeutische Wirksamkeit berechtigt jedoch im Wege eines Erst-Recht-Schlusses zur Annahme einer physiologischen Wirkung. 75Vgl. BVerwG, Urteile vom 26. Mai 2009 ‑ 3 C 5.09 ‑, juris Rn. 16, und vom 25. Juli 2007 ‑ 3 C 21.06 ‑, juris Rn. 26. 76d. Nicht alle Erzeugnisse, die eine physiologisch wirksame Substanz enthalten, können als Funktionsarzneimittel eingestuft werden. Das Kriterium der Eignung, physiologische Funktionen wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen, setzt voraus, dass die entsprechenden Auswirkungen des Erzeugnisses bei normalem Gebrauch nennenswert sind. Werden die Funktionsbedingungen des menschlichen Körpers nicht wirklich beeinflusst, liegt kein Funktionsarzneimittel vor. 77Vgl. EuGH, Urteile vom 30. April 2009 ‑ C-27/08 (BIOS Naturprodukte) ‑, Rn. 21, 23, und vom 15. Januar 2009 ‑ C-140/07 (Hecht-Pharma) ‑, Rn. 41 f. 78Da die physiologische Wirkung nicht für Arzneimittel spezifisch ist, sondern auch auf Lebensmittel (Nahrungsergänzungsmittel) zutrifft, scheidet zudem die Annahme eines Funktionsarzneimittels aus, wenn die nennenswerten Auswirkungen des Erzeugnisses auf die physiologischen Funktionen nicht über die Wirkungen hinausgehen, die ein in angemessener Menge verzehrtes Lebensmittel auf diese Funktionen haben kann. 79Vgl. EuGH, Urteil vom 15. November 2007 ‑ C-319/05 (Kommission ./. BRD) ‑, Rn. 63 ff.; BVerwG, Urteil vom 7. November 2019 ‑ 3 C 19.18 ‑, juris Rn. 20. 802. Die Einstufung eines Erzeugnisses als Arzneimittel erfordert bei Vorliegen der vorstehend genannten Voraussetzungen eine Gesamtbetrachtung. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist die Entscheidung, ob ein Erzeugnis unter die Definition des Arzneimittels nach der Funktion fällt, von Fall zu Fall zu treffen. Dabei sind alle Merkmale des Erzeugnisses zu berücksichtigen, insbesondere seine Zusammensetzung, seine pharmakologischen, immunologischen oder metabolischen Eigenschaften ‑ wie sie sich beim jeweiligen Stand der Wissenschaft feststellen lassen ‑, die Modalitäten seines Gebrauchs, der Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei Verbrauchern und die Risiken, die seine Verwendung mit sich bringen kann. 81Vgl. EuGH, Urteile vom 3. Oktober 2013 ‑ C-109/12 (Laboratoires Lyocentre) ‑, Rn. 42, vom 6. September 2012 ‑ C-308/11 (Chemische Fabrik Kreussler) ‑, Rn. 34, vom 30. April 2009 ‑ C-27/08 (BIOS Naturprodukte) ‑, Rn. 18, und vom 15. Januar 2009 ‑ C-140/07 (Hecht-Pharma) -, Rn. 39. 82Im Rahmen dieser Einzelfallprüfung sind die pharmakologischen, immunologischen oder metabolischen Eigenschaften eines Erzeugnisses der Faktor, auf dessen Grundlage ausgehend von den Wirkungsmöglichkeiten des Erzeugnisses zu beurteilen ist, ob es im Sinne der Definition des Funktionsarzneimittels im oder am menschlichen Körper zur Wiederherstellung, Korrektur oder Beeinflussung der physiologischen Funktionen angewandt werden kann. 83Vgl. EuGH, Urteile vom 3. Oktober 2013 ‑ C-109/12 (Laboratoires Lyocentre) ‑, Rn. 43, und vom 30. April 2009 ‑ C-27/08 (BIOS Naturprodukte) ‑, Rn. 20. 84Die weiteren Merkmale des Erzeugnisses haben keine für ein Arzneimittel nach der Funktion konstitutive Wirkung. Der fehlende Nachweis einer nennenswerten Beeinflussung der physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung kann durch die anderen Kriterien daher nicht ersetzt werden. Diese sind vielmehr als Korrektiv heranzuziehen, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Funktionsarzneimittels vorliegen. 85Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 2009 ‑ 3 C 5.09 ‑, juris Rn. 18, unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 30. April 2009 ‑ C-27/08 (BIOS Naturprodukte) ‑, Rn. 24 (zu Gesundheitsgefahren). 86Die nennenswerten Auswirkungen des Erzeugnisses auf die physiologischen Funktionen sind somit nur ein notwendiges, aber kein hinreichendes Kriterium für die Entscheidung, ob ein Erzeugnis unter die Definition des Funktionsarzneimittels fällt. Sie führen daher nicht zwangsläufig zur Arzneimitteleigenschaft. 87Vgl. BVerwG, Urteile vom 7. November 2019 ‑ 3 C 19.18 ‑, juris Rn. 19 und 31, sowie vom 17. August 2017 ‑ 3 C 18.15 ‑, juris Rn. 12. 88Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung sind auch die möglichen Gesundheitsrisiken bei der Verwendung zu berücksichtigen. Diesen kommt in Fällen, in denen die Auswirkungen eines Erzeugnisses im Grenzbereich zwischen Nahrungsergänzungs- und Arzneimitteleigenschaft liegen, besonderes Gewicht für die Beurteilung zu. Eine Einstufung als Arzneimittel ist hier angesichts der damit verbundenen Einschränkungen und Behinderungen des freien Warenverkehrs nur gerechtfertigt, wenn dies zum Schutz der Gesundheit erforderlich ist. 89Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. November 2019 ‑ 3 C 19.18 ‑, juris Rn. 30, 32 f. 90II. Von dem Vorstehenden ausgehend ist nicht wissenschaftlich nachgewiesen, dass der Tee E. G. gemischter Kräutertee aufgrund des in ihm enthaltenen Anteils an Sennesblättern bzw. deren Wirkstoffe, den Sennosiden, die physiologischen Funktionen des menschlichen Körpers nennenswert durch eine pharmakologische oder metabolische Wirkung beeinflusst. 911. Eine biochemische Wirkweise im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AMG, Art. 1 Nr. 2 Buchst. b) der Richtlinie 2001/83/EG ist bei den in dem Tee enthaltenen Sennesblättern dem Grunde nach zu bejahen. Offen bleiben kann dabei, ob die Sennesblätter bzw. deren Wirkstoffe, die Sennoside, ihrer Funktionsweise nach pharmakologisch oder metabolisch wirken. Jedenfalls wirken sie ‑ in Abgrenzung zu Medizinprodukten ‑ nicht rein physikalisch. 92Sennesblätter enthalten als Wirkstoffe Dianthronglykoside (Sennoside), die zur Gruppe der antiabsortiv und sekretagog wirkenden Laxantien gehören. Sie werden nach der Passage des Magen-Darm-Traktes im Dick- bzw. Enddarm durch bakterielle Enzyme in die wirksamen Metaboliten (Rhein-Anthron) gespalten, die durch direkten Kontakt mit der Darmschleimhaut wirken (Kontaktlaxantien). Dabei hemmen die aktiven Metaboliten die stationären und stimulieren die propulsiven Kontraktionen der glatten Dickdarmmuskulatur, so dass es zu einem beschleunigten Transit kommt. Die verkürzte Kontaktzeit verringert außerdem die Flüssigkeitsresorption. Gleichzeitig werden die Sekretionsprozesse beeinflusst: Die Wasser- und Elektrolytabsorption in die Kolonepithelzellen wird gehemmt und der Einstrom von Elektrolyten und Wasser in das Darmlumen gefördert und damit eine Volumenzunahme erreicht. 93Vgl. Wichtl, Teedrogen und Phytopharmaka, 6. Aufl. 2016, S. 605; Kommission E, Monographie: Sennae folium (Sennesblätter), BAnz vom 21. Juli 1993, Nr. 133 S. 6618, bestätigt durch Standardzulassung Nr. 7399.99.99 (BR-Drs. 229/00 vom 14. April 2000 S. 12 (Nr. 7.12.1) und S. 13 (Nr. 7.12.3); HMPC, Assessment report on Senna alexandrina Mill (Cassia senna L.; Cassia angustfolia Vahl), folium and fructus, Ziffer 3.1.5, S. 29; Kommentar zum Europäischen Arzneibuch 10.1/0206, 67. Lieferung 2021; Update senna, DAZ 2005, Nr. 13, S. 107. 942. Es fehlt aber an einer wissenschaftlich nachgewiesenen nennenswerten Beeinflussung der physiologischen Funktionen durch den Tee E. G. gemischter Kräutertee. Die Schwelle von 10 mg Hydroxyanthracenderivaten, berechnet als Sennosid B, ab der von einer therapeutischen Wirksamkeit auszugehen ist (a.), erreicht der Tee in der vom Hersteller angegebenen Dosierung im Aufguss nicht (b). Belastbare wissenschaftliche Daten, die einen Rückschluss auf eine nennenswerte Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen unterhalb von 10 mg zuließen, liegen nicht vor (c.). 95a. Eine therapeutische Wirksamkeit und damit ‑ im Wege eines Erst-Recht-Schlusses ‑ auch eine nennenswerte Beeinflussung der physiologischen Funktionen ist für Sennesblätter bzw. sennesblätterhaltige Erzeugnisse ab einem Gehalt von mindestens 10 mg Hydroxyanthracenderivaten, berechnet als Sennosid B, durch die Monographie des Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC) der European Medicines Agency vom 25. September 2018 (European Union herbal monograph on Senna alexandrina Mill. (Cassia senna L.; Cassia angustifolia Vahl) folium), bestätigt mit Addendum vom 26. Januar 2022, 96abrufbar unter: https://www.ema.europa.eu/en/medicines/herbal/sennae-folium, 97wissenschaftlich nachgewiesen. Offen bleiben kann , ob diese Monographie im vorliegenden Zusammenhang rechtlich bindend ist. 98Vgl. VG L. , Urteil vom 5. Juli 2011 ‑ 7 K 8612/09 ‑, juris Rn. 49 ff.; Nds. OVG, Urteil vom 2. November 2017 ‑ 13 LB 31/14 ‑, juris Rn. 73 unter Bezugnahme auf VG L. ; Knöss, Monographien als Richtschnur, in: Pharmazeutische Zeitung online, Ausgabe 13/2014; vgl. auch Winnands/Kügel, in: Kügel/Müller/Hofmann, AMG, 3. Aufl. 2022, § 22 Rn. 91. 99Jedenfalls kommt der Monographie des HMPC, ebenso wie den Monographien der Kommissionen D und E, 100vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 19. November 2009 ‑ 3 C 10.09 ‑, juris Rn. 25 und vom 25. Juli 2007 ‑ 3 C 22.06 ‑, juris Rn. 33, 101die Bedeutung eines antizipierten Sachverständigengutachtens zu, von dem abzuweichen hier kein Anlass besteht. 102Dem HMPC, das nach Art. 16h Abs. 1 Satz 1 und 2 der Richtlinie 2001/83/EG in der Fassung der Änderungsrichtlinie 2004/24/EG bei der EMA eingerichtet worden ist, kommt gemäß Art. 16h Abs. 1 Buchst. a Spiegelstrich 4 und Buchst. b jew. i. V. m. Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG in der Fassung der Änderungsrichtlinie 2004/24/EG die Aufgabe zu, u. a. gemeinschaftliche Monographien für traditionelle pflanzliche Arzneimittel sowie gemeinschaftliche Pflanzenmonographien zu erstellen. Es handelt sich um ein sachverständig besetztes Gremium (vgl. Art. 16h Abs. 2 Richtlinie 2001/83/EG), das die Monographien ‑ wie die zugehörigen Literaturlisten und Bewertungsberichte verdeutlichen ‑ auf der Grundlage des aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstands und in Auseinandersetzung mit den herangezogenen wissenschaftlichen Publikationen erstellt. Im Regelfall wird von der Richtigkeit der in den Monographien enthaltenen Angaben auszugehen sein, sofern nicht ausnahmsweise bessere und/oder aktuellere wissenschaftliche Erkenntnisse eine andere Bewertung rechtfertigen. 103Danach ist auf der Grundlage der in der Monographie des HMPC vom 25. September 2018 enthaltenen Dosierungsempfehlung davon auszugehen, dass Sennoside eine therapeutische Wirksamkeit und damit auch eine nennenswerte Beeinflussung der physiologischen Funktionen ab 10 mg Hydroxyanthracenderivaten, berechnet als Sennosid B, entfalten. Zwar ist damit eine Absenkung der Untergrenze gegenüber derjenigen in der vorhergehenden Monographie aus dem Jahr 2006 erfolgt, die auf der Grundlage der im zugehörigen Assessment-Report angeführten Expertenmeinungen, klinischen Studien und der toxikologischen Daten, die Anlass für den Bescheid des BfArM vom 21. Juni 1996 (BAnz vom 5. Juli 1996, Nr. 123, S. 7581 f.) waren, noch einen Dosisbereich zwischen 15 und 30 mg angegeben hatte. 104Vgl. Assessment report on cassia senna L. and cassia angustifolia vahl, Folium vom 27. April 2007, S. 7, abrufbar unter: https://www.ema.europa.eu/en/medicines/herbal/sennae-folium. 105Diese Absenkung hat das HMPC mit dem verfolgten Ansatz begründet, die Wirkstoffmenge zu minimieren, und sich hinsichtlich der Wirksamkeit der herabgesenkten Dosis von den Dosierungen der auf dem Markt befindlichen Arzneimitteln bestätigt gesehen. 106Vgl. Assessment report on Senna alexandrina Mill. (Cassia senna L.; Cassia angustifolia Vahl), folium and fructus, vom 25. September 2018, S. 21. 107Anhaltspunkte dafür, dass diese Bewertung nicht zutrifft, sind nicht erkennbar. Vielmehr nennt auch die ‑ weiterhin gültige ‑ Monographie der Weltgesundheitsorganisation (WHO monographs on selected medicinal plants, Volume 1, 1999) eine zur Behandlung einer Obstipation geeignete Wirkstoffmenge zwischen 10 und 30 mg Sennoside, berechnet als Sennosid B (S. 247). 108Zudem weist der Assessment report des HMPC (S. 21) darauf hin, dass die Werte zu den in Sennesblättern enthaltenen Hydroxyanthracenderivaten nunmehr in Übereinstimmung mit dem Gehalt an Hydroxyanthracenderivaten aus der Pflanze Aloe stehen, die in der HMPC-Monographie zu „Aloe barbadensis“ vom 22. November 2016 zur Anwendung bei Obstipation angegeben sind. Diese wiederum entsprechen denen der aktuellen Monographie der European Scientific Cooperative On Phytotherapie (ESCOP) zu Aloe („Aloe barbadensis“) aus dem Jahr 2014, die ebenfalls Gehalte zwischen 10 und 30 mg Hydroxyanthracenderivate nennt. 109Die Monographie der Kommission E „Sennae folium (Sennesblätter)“ aus dem Jahr 1993 (BAnz vom 21. Juli 1993, Nr. 133, S. 6618) nennt zwar Gehaltsmengen von 20 bis 30 mg Hydroxyanthracenderivaten. Sie enthält aber den Hinweis, dass die Darreichungsform auch eine geringere als die übliche Tagesdosis erlauben sollte, der zeigt, dass die Kommission E bereits damals davon ausging, auch niedrigere Dosen könnten zur Behandlung der Obstipation wirksam sein. Vergleichbares enthält der Bescheid des BfArM vom 21. Juni 1996 (BAnz vom 5. Juli 1996, Nr. 123, S. 7581 f.). Darüber hinaus ist die wissenschaftliche Bewertung der Wirkungen eines Stoffes nicht statisch. Mit Blick auf den Umstand, dass die Monographie der Kommission E nicht aktualisiert worden ist, ihr daher noch der Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse aus dem Jahr 1993 zugrunde liegt, bietet sie keine Grundlage für die Annahme, die auf der Grundlage aktueller Erkenntnisse erstellte Monographie des HMPC sei unzutreffend. 110b. Im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung enthält der Tee „E. G. gemischter Kräutertee“ in der vom Hersteller angegebenen Dosierung von einem Teebeutel je Tag im hergestellten Aufguss nicht einen Gehalt von mindestens 10 mg Hydroxyanthracendrivaten, der die Feststellung rechtfertigte, dass die physiologischen Funktionen nennenswert beeinflusst werden. 111Über dem Wert von 10 mg Sennosiden lag einzig der Aufguss des gemischten Kräutertees mit dem MHD 25. Juli 2013, der Gegenstand des Prüfberichts Nr. 123010952 des I. Landeslabors vom 21. Juni 2012 ist. Die Rezeptur dieses Tees war jedoch bereits damals nicht mehr aktuell. Der am gleichen Tag vom I. Landeslabor untersuchte gemischte Kräutertee mit dem MHD 27. Februar 2014 (Prüfbericht Nr. 123010949) führte die Zutat „Sennesblätter“ anders als der zuvor genannte Tee nicht mehr an erster, sondern an zweiter Stelle des Zutatenverzeichnisses auf. Die laut Prüfbericht im Aufguss dieses Tees festgestellte Menge an Sennosiden betrug insgesamt 6 mg und lag daher ‑ auch unter Berücksichtigung der Unterschiede der Untersuchungsmethoden des I. Landeslabors einerseits (HPLC) und der Monographie des HMPC andererseits (photometrisch) - unterhalb der genannten Grenze. Die in der jüngsten Zeit erfolgten Untersuchungen durch das CVUA RRW, die sich ohnehin nur zum Sennosidgehalt im Teebeutel verhalten, nicht aber zu der Menge im Aufguss, haben nochmals geringere Werte ergeben. So weist der Prüfbericht des CVUA RRW vom 18. Juli 2019 (Prüfbericht Nr. 2019-8320208) für den Tee mit dem MHD 21. Juni 2020 einen Gehalt von 5,72 mg im Teebeutel aus und der Prüfbericht vom 8. Juni 2022 (Nr. 2022-7200167), betreffend einen Tee mit dem MHD 25. Oktober 2024, einen Gesamtwert von 2,6 mg Sennosiden. 112Der Einwand der Bezirksregierung L. im Schriftsatz vom 28. Juli 2022, die „bekannten Dosierangaben“ bezögen sich auf den Sennosidgehalt im Teebeutel, ist mit Blick auf die vorliegenden Werte unmaßgeblich und im Übrigen nicht nachvollziehbar. Zum einen fehlt es an dahingehenden Angaben in der Monographie des HMPC, die im Übrigen nicht speziell zu Tees erstellt worden ist, sondern sich allgemein zu Erzeugnissen verhält, die Wirkstoffe aus Sennesblättern enthalten (hierzu zählen u. a. Tabletten, Kapseln, Sirup und Früchtewürfel). Zum anderen kann bei einem Produkt, das nicht zur äußerlichen Anwendung vorgesehen ist, sondern verzehrt werden muss, um Wirkung zu entfalten, naturgemäß nur die aufgenommene Menge an Wirkstoffen eine ‑ pharmakologische oder metabolische ‑ Wirkung entfalten. Schon aus diesem Grund reicht es auch nicht aus, aus den in Zutatenlisten des Herstellers aufgeführten prozentualen Anteilen der einzelnen Zutaten am Gesamtprodukt die Menge an Sennesblättern im Teebeutel auszurechnen, worauf die Bezirksregierung L. in der Ordnungsverfügung abgestellt hat. Anderes kann zwar in Fällen standardisierter Teezubereitungen gelten, d. h. bei Verwendung von Sennesblättern, die einen gleichbleibenden geprüften Wirkstoffgehalt aufweisen. Dies ist vorliegend jedoch auch nach Auffassung der Bezirksregierung L. nicht der Fall. 113Soweit die Bezirksregierung L. weiter geltend macht, die diversen Untersuchungen - auch des I. Landeslabors nach der HPLC-Methode - erfassten nur die Sennoside A und B, maßgeblich seien jedoch alle Sennoside, und mit dieser Begründung von einem ‑ unspezifisch ‑ höheren Wert ausgehen will, ist darauf hinzuweisen, dass dieselbe Unschärfe den in den Monographien ausgewiesenen Werten zugrunde liegen dürfte. Jedenfalls ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass den Monographien Berechnungsmethoden zugrunde liegen, die in der Praxis der Untersuchungsämter und privaten Labore nicht zur Verfügung stehen. Im Übrigen hat sich jedenfalls das Institut für pharmazeutische und angewandte Analytik (InphA, Untersuchung zum Kirschstängeltee vom 11. April 2018) in der Lage gesehen, die Sennosidmessung im Einklang mit der Untersuchungsmethode, die der Monographie des HMPC zugrunde liegt, 114vgl. Assessment report on Senna alexandrina Mill. (Cassia senna L.; Cassia angustifolia Vahl), folium and fructus, S. 21 (Ziffer 2.3), 115photometrisch zu bestimmen. 116c. Belastbare wissenschaftliche Daten, die einen Rückschluss auf eine nennenswerte Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen durch Hydroxyanthracenderivate unterhalb einer Wirkstoffmenge von 10 mg zuließen, hat die Bezirksregierung L. nicht benannt; sie sind auch sonst nicht ersichtlich. Zwar liegt es nahe, dass ein Erzeugnis ‑ wie vom Verwaltungsgericht angenommen - auch „knapp unterhalb“ der Schwelle zur therapeutischen Wirksamkeit eine physiologische Wirkung entfaltet. Abgesehen davon, dass die vage Bezeichnung „knapp unterhalb“ zur Abgrenzung eines Lebensmittels von einem Arzneimittel von vornherein untauglich ist, handelt es sich bei diesem Ansatz um eine bloße Vermutung, die den geforderten Nachweis nicht ersetzen kann. 117Anhaltspunkte für weitere Sachverhaltsermittlungen zu der Frage, ob auch Sennoside in einer Menge, die im derzeit vertriebenen Tee(beutel) der Sorte gemischter Kräutertee vorhanden sind, nennenswerte Auswirkungen auf die physiologischen Funktionen haben, sind nicht erkennbar. In einer solchen Situation ist es auch mit Blick auf die gerichtliche Sachaufklärungspflicht (§§ 86 Abs. 1 Satz 1, 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nicht Aufgabe der Verwaltungsgerichte, weitere Ermittlungen anzustellen, was hier auf die Durchführung einer klinischen Studie hinauslaufen würde. Die Folge der danach verbleibenden Unerweislichkeit der Arzneimitteleigenschaft des E. G. Tees „gemischter Kräutertee“ trägt im vorliegenden Fall der Untersagung nach § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG das beklagte Land. 118Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 2009 ‑ 3 C 5.09 ‑, juris Rn. 17; vgl. auch Urteil vom 7. November 2019 ‑ 3 C 19.18 -, juris Rn. 14 (zu § 54 LFGB). 119Insoweit gilt auch hier der allgemeine Grundsatz, dass derjenige, der aus einer Norm eine ihm günstige Rechtsfolge ableitet, die materielle Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen der Norm ‑ hier namentlich das Vorliegen eines Funktionsarzneimittels - trägt. 1203. Dass Senna in der Anlage 1b der Verordnung über apothekenpflichtige und freiverkäufliche Arzneimittel aufgeführt ist, ist entgegen der Auffassung der Bezirksregierung L. ohne Bedeutung für die Frage, ob es sich bei dem Tee um ein (Funktions-) Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG und Art. 1 Nr. 2 Buchst. b) der Richtlinie 2001/83/EG handelt. Der Verordnung lässt sich lediglich entnehmen, dass der „Stoff“ Senna (vgl. § 3 Nr. 2 AMG) Arzneimittel sein kann; es lässt sich aber aus dieser Verordnung nicht schließen, dass Präparate, die die in Anlage 1b der Verordnung genannten Stoffe enthalten, schon deshalb Arzneimittel wären. Sie sind es trotz dieser Stoffe nicht, wenn sie nicht zu den in § 2 Abs. 1 AMG genannten Zwecken bestimmt sind oder sonst die Voraussetzungen des § 2 AMG erfüllen. Der Begriff des Arzneimittels ist in dem ermächtigenden Arzneimittelgesetz (vgl. § 48 Abs. 2 AMG) definiert und wird in der Verordnung über die Verschreibungspflicht von Arzneimitteln vorausgesetzt. 121Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 1994 ‑ 3 C 2.93 ‑, juris Rn. 40. 122Ein anderes Verständnis wäre zudem mit dem Arzneimittelbegriff des § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AMG und Art. 1 Nr. 2 Buchst. b) der Richtlinie 2001/83/EG nicht zu vereinbaren. Denn der Anlage 1b der Verordnung unterfallen die dort aufgeführten Pflanzen dosisunabhängig und damit ungeachtet des Umstandes, ob und in welcher Menge sie tatsächlich nennenswert auf die menschlichen physiologischen Funktionen einwirken. 1234. Ist danach nicht von einer nennenswerten Beeinflussung der physiologischen Funktionen durch den gemischten Kräutertee in der bestimmungsgemäßen Dosierung auszugehen, kommt den von der Bezirksregierung L. angeführten möglichen Gesundheitsrisiken für die Frage der Arzneimitteleigenschaft keine Relevanz zu. Diese haben erst bei Vorliegen der notwendigen Voraussetzungen eines Funktionsarzneimittels im Rahmen der dann gebotenen Gesamtbetrachtung Bedeutung. 124Der Senat weist allerdings darauf hin, dass bei Erreichen der Schwelle von 10 mg Sennosiden im Teeaufguss die Gesamtbetrachtung anhand aller über die Zusammensetzung und Wirkung hinausgehenden weiteren Merkmale des Erzeugnisses, insbesondere der Modalitäten seines Gebrauchs, den Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei Verbrauchern und die Risiken, die seine Verwendung mit sich bringen kann, dazu führen dürfte, dass ein Arzneimittel vorliegt. 125Insoweit ist im Hinblick auf die Modalitäten des Gebrauchs, den Umfang der Verbreitung von Sennesblättern und deren Bekanntheit bei Verbrauchern maßgeblich, dass weder vorgetragen noch erkennbar ist, dass Sennesblätter als Lebensmittel verzehrt werden bzw. dem Verbraucher als Lebensmittel bekannt sind. Sie gehören vielmehr zu den am häufigsten gebrauchten pflanzlichen Abführmitteln (vgl. Wichtl, Teedrogen und Phytopharmaka, 6. Aufl. 2016, S. 605) und sind in Deutschland seit Jahrzehnten als Arzneimittel bekannt (siehe auch BVerwG, Urteil vom 16. Februar 1971 ‑ I C 25.66 ‑, juris). Die Darreichungsform entsprechender Präparate umfasst neben Tabletten, Kapseln, Sirup und Früchtewürfeln insbesondere Tees, die von zahlreichen Firmen angeboten werden. Vor diesem Hintergrund lässt der Umstand, dass es sich bei den Produkten um Tees handelt, nicht den Schluss zu, der Verbraucher erwarte allein aufgrund der Darreichungsform ein Lebensmittel. 126Anders als bei Erzeugnissen im Grenzbereich zwischen Lebens- bzw. Nahrungsergänzungsmittel und Arzneimittel dürfte etwaigen Gesundheitsrisiken bei einem therapeutisch wirksamen Produkt kein maßgebliches Gewicht zukommen. Darüber hinaus ist auf der Grundlage der bereits genannten wissenschaftlichen Quellen (insbesondere des Assessment reports des HMPC, der Monographie der WHO und des Bescheids des BfArM vom 21. Juni 1996) nicht ersichtlich, dass von derartigen Tees bei bestimmungsgemäßem Gebrauch keine Gefahren für die Gesundheit ausgehen. Zusammengenommen folgt aus diesen Angaben, dass sennesblätterhaltige Präparate sowohl von Kindern jedenfalls unter 10 Jahren als auch von Schwangeren und Stillenden (vorbehaltlich abweichender ärztlicher Einschätzung) nicht eingenommen werden dürfen. Zudem sind die Erzeugnisse kontraindiziert bei Darmverschluss, akut-entzündlichen Erkrankungen des Darms, abdominalen Schmerzen unbekannter Ursache und weiteren Erkrankungen. Die zahlreichen Gegenanzeigen belegen, dass die Wirkstoffe in derartigen Tees auch bei Einhaltung der Dosisangabe nicht gesundheitlich unbedenklich sind, sondern ‑ wenn auch nur für bestimmte Personenkreise ‑ potentiell mit Gefahren für die Gesundheit verbunden sind. Dass diesen Gesundheitsgefahren durch Warnhinweise auf lebensmittelrechtlicher Grundlage (vgl. Art. 14 Abs. 3 Buchst. b) der Verordnung Nr. 178/2002/EG) ausreichend begegnet werden könnte, erscheint zweifelhaft. 127Von dem Vorstehenden ausgehend ist auch die auf die §§ 55 Abs. 1, 60 und 63 VwVG NRW gestützte und auf den allein noch streitigen gemischten Kräutertee bezogene Zwangsgeldandrohung rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. 128Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO. Soweit gemäß § 161 Abs. 2 VwGO über die Kosten des erledigten Teils des Verfahrens (fünf Teesorten) nach billigem Ermessen zu entscheiden ist, ist es sachgerecht, dem Kläger hinsichtlich des Tees der Sorte Kirschstängel und dem beklagen Land hinsichtlich der übrigen vier Teesorten die Kosten aufzuerlegen. Für den Kirschstängeltee weist der Untersuchungsbericht des InPhA vom 11. April 2018 einen Wert von 17,7 mg Hydroxyanthracenglykoside aus, der deutlich über der Schwelle der therapeutischen Wirksamkeit liegt und bei dem nach dem Vorstehenden auch eine Gesamtbetrachtung voraussichtlich zu keiner abweichenden Beurteilung der Arzneimitteleigenschaft geführt hätte. Hinsichtlich der anderen Tees wiederum wiesen sämtliche vorgelegten Untersuchungsberichte entweder Werte im Aufguss oder im Beutel unter 10 mg oder im Beutel knapp oberhalb der Grenze von 10 mg auf, die jedoch keinen sicheren Schluss auf die im Aufguss befindliche Menge zuließen. 129Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. 130Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
das verfahren wird eingestellt, soweit es von den beteiligten übereinstimmend in der hauptsache für erledigt erklärt worden ist. insoweit ist das angegriffene urteil wirkungslos. das angefochtene urteil wird geändert. die ordnungsverfügung der bezirksregierung l. vom 16. juli 2015 wird aufgehoben, soweit sie den tee der sorte „gemischter kräutertee" betrifft. von den kosten des verfahrens in beiden instanzen trägt der kläger 1/6 und das beklagte land 5/6. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der jeweilige vollstreckungsschuldner darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige vollstreckungsgläubiger vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. die revision wird nicht zugelassen. 1
2der kläger ist ein großhändler für türkische lebensmittel. die beteiligten streiten über die rechtmäßigkeit einer verfügung der bezirksregierung l. , mit der ihm das inverkehrbringen von tees der marke e. mit der bezeichnung „g. “ in sechs verschiedenen sorten mit der begründung untersagt worden ist, es handele sich um zulassungspflichtige, jedoch nicht zugelassene arzneimittel. die tees befinden sich in einzeln kuvertierten beuteln mit je 2 g der jeweiligen teemischung. 3mit schreiben vom 1. august 2012 übersandte das regierungspräsidium e. der bezirksregierung l. mehrere im rahmen der amtlichen lebensmittelüberwachung gefertigte untersuchungsberichte des i. landeslabors vom 20. und 21. juni 2012 betreffend tees der marke e. mit dem hinweis, die mit dem zusatz „g. “ bezeichneten tees würden wegen des gehalts an sennesblättern als nicht zugelassene arzneimittel eingestuft, und der bitte um prüfung, ob dem lieferanten, der firma p. -c. c1. & p1. gbr, das inverkehrbringen untersagt werde. 4gegenstand des prüfberichtes nr. 123008951 vom 20. juni 2012 ist ein als e. g. maydanozlu limonlu (im folgenden: petersilie /zitrone) bezeichneter tee. untersucht wurde der gehalt an sennosiden in der probe sowie im verzehrfertigen getränk. die gehaltsbestimmung erfolgte nach den angaben im untersuchungsbericht jeweils nach der hplc-methode (= hochleistungsdünnschichtchromatographie). die gehaltsbestimmung ergab für die probe berechnet auf 100 g insgesamt 496 mg (= 4,96 mg je 1 g teemischung) sennoside. für das fertige getränk wurde ein anteil von insgesamt 8,5 mg sennosiden ermittelt. 5der prüfbericht nr. 123010952 vom 21. juni 2012 betrifft den „e. g. mixed herbal tea“ (im folgenden: gemischter kräutertee). mindesthaltbarkeitsdatum (mhd) ist der 25. juli 2013. die zutaten sind laut prüfbericht: sennesblätter, anis, (...) und kirschstängel. die gehaltsmessung ergab für die probe jeweils bezogen auf 100 g einen anteil von insgesamt 919 mg sennosiden (= 9,19 mg je 1 g teemischung) und für das fertige getränk insgesamt 12,5 mg. 6der prüfbericht nr. 123010949 vom gleichen tag betrifft den gemischten kräutertee (mhd 27. februar 2014). dessen zutaten sind kirschstängel, sennesblätter, anis (...). die gehaltsmessung ergab für die probe jeweils bezogen auf 100 g einen anteil von insgesamt 303 mg sennosiden (= 3,03 mg je 1 g teemischung) und für das fertige getränk insgesamt 6 mg. 7mit schreiben vom 8. august 2012 teilte die bezirksregierung l. dem kläger mit, dass der tee e. g. petersilie/zitrone einen zu hohen anteil an sennesblättern (sennosid-gehalt) aufweise und daher als nicht zugelassenes arzneimittel eingestuft werde, und hörte ihn zu einer beabsichtigten maßnahme nach § 69 abs. 1 satz 2 nr. 1 amg an. mit an den prozessbevollmächtigten des klägers gerichtetem weiteren schreiben vom 19. november 2012 gab sie ergänzend an, bei dem fraglichen tee sei ein gehalt von 12,5 mg sennosiden je beutel ermittelt worden. da die aufbereitungsmonographie der kommission e eine tagesdosis von 20-60 mg sennosiden empfehle, sei schon beim verzehr von zwei tassen von einer pharmakologischen wirkung auszugehen. ein solcher tee dürfe weder bei darmverschluss noch bei akut entzündlichen erkrankungen des darms oder bei kindern angewendet werden. um den tee weiter vertreiben zu dürfen, müsse sichergestellt werden, dass die tagesdosis von 20 mg nicht überschritten werde. es gebe jedoch keine warnhinweise oder dosisbeschränkungen auf dem produkt. 8nachdem die stadt h. die bezirksregierung l. mit schreiben vom 22. november 2012 darüber informiert hatte, dass sie einer in f. ansässigen firma das inverkehrbringen von sennesblätterhaltigen g. -tees der marke e. (kräutertee, tee mit aprikose und tee mit zitrone) untersagt habe, weil dieser pflanzenbestandteil apothekenpflichtig sei und die produkte zudem als arzneimittel eingestuft würden, bat die bezirksregierung l. den kläger mit schreiben vom 5. dezember 2012 unter wiederholung ihrer ausführungen aus dem schreiben vom 19. november 2012 hinsichtlich der tees e. g. mit aprikose, e. g. petersilie/zitrone und e. g. gemischter kräutertee um stellungnahme. 9mit schriftsatz vom 18. dezember 2012 teilte der prozessbevollmächtigte des klägers unter bezugnahme auf das schreiben der bezirksregierung l. vom 19. november 2012 mit, dass beabsichtigt sei, auf den tee ‑ laut der betreffzeile des schriftsatzes handelte es sich um den gemischten kräutertee ‑ den hinweis aufzubringen: „der tee darf weder bei darmverschluss noch bei akut entzündlichen erkrankungen des darms oder bei kindern angewendet werden. es wird darauf hingewiesen, dass nur ein teebeutel pro tag verzehrt werden darf.“ die bezirksregierung l. bestätigte daraufhin unter dem 20. dezember 2012, dass in diesem fall aus arzneimittelrechtlicher sicht keine bedenken mehr bestünden. 10mit schreiben vom 10. januar 2013 wies die bezirksregierung l. den kläger darauf hin, dass noch keine stellungnahme zu ihrem schreiben vom 5. dezember 2012 erfolgt sei und der verkauf der in diesem schreiben genannten teezubereitungen daher sofort einzustellen sei. der prozessbevollmächtigte des klägers teilte daraufhin mit, dass der tee in der beanstandeten g. nicht weiter vertrieben werde. 11anfang 2015 bat die bezirksregierung l. den kläger zunächst um zusendung der original-verpackungen von insgesamt sechs g. -tees und mit weiterem schreiben vom 5. märz 2015 um listen mit genauen mengenangaben der jeweiligen zutaten für jede sorte e. g. tee, der sennesblätter enthalte und den der kläger vertreibe. hierzu teilte der kläger mit, die zusammensetzung der tees sei nach angaben des in der türkei ansässigen herstellers seit dem jahre 2012 gleich geblieben und lägen der bezirksregierung l. daher vor. auf die mitteilung der bezirksregierung l. , dass sie über keine mengenangaben verfüge, reichte der kläger entsprechende listen für die tees aprikose, erdbeere, petersilie/zitrone, maistroddeln/maisseide, kirschstängel und gemischter kräutertee ein. diese weisen die zutat sennesblätter jeweils als hauptzutat aus; der prozentuale anteil schwankt je nach teesorte zwischen 30 % und 49,5 %. 12mit schreiben vom 28. mai 2015 hörte die bezirksregierung l. den kläger zu der beabsichtigten untersagung des inverkehrbringens aller sechs teesorten an. zur begründung führte sie aus, nach der standardzulassung liege die empfohlene tagesdosis bei 0,75 g sennesblättern. da die tees zwischen 0,6 g und 0,99 g sennesblätter je teebeutel enthielten, sei beim vorhersehbaren verzehr von einer pharmakologischen wirkung auszugehen. zudem seien sennesblätter apothekenpflichtig. in einem nachfolgenden telefonat teilte die ehefrau des klägers mit, dass sie die zwei teesorten ‑ maistroddeln und kirschstängel ‑ mit einem anteil von über 0,75 g nicht weiter vertreiben würden und bat um mitteilung, ob die übrigen vier teesorten weiterhin verkauft werden dürften. mit schreiben vom 4. juni 2015 gab sie ergänzend an, mit dem produzenten in der türkei zu besprechen, dass der anteil an sennesblättern in den sorten maistroddeln und kirschstängel angepasst werde. 13unter dem 3. juni 2015 bat die bezirksregierung l. das bundesinstitut für arzneimittel und n. um informationen, ab welchem anteil sennesblätter eine pharmakologische wirkung erzielen würden und ab welchem anteil diese apothekenpflichtig seien. mit mail vom 23. juni 2015 teilte das bfarm mit, sennesblätter seien unabhängig von ihrer dosierung apothekenpflichtig, und wies darauf hin, dass nach dem urteil des verwaltungsgerichts l. vom 28. april 2015 ‑ 7 k 395/13 ‑ eine pharmakologische wirkung ab einer schwelle von 80% unterhalb der grenze zur therapeutischen wirksamkeit einsetze. 14mit bescheid vom 16. juli 2015 untersagte die bezirksregierung l. dem kläger gestützt auf § 69 abs. 1 satz 1 (und 2) nr. 1 i. v. m. § 21 abs. 1 amg das inverkehrbringen der tees e. g. in den sorten aprikose, erdbeere, petersilie/zitrone, maistroddeln/maisseide, kirschstängel und gemischter kräutertee und drohte ihm für den fall der zuwiderhandlung ein zwangsgeld in höhe von 5.000,- eur pro zuwiderhandlung an. 15zur begründung führte sie aus, bei den tees handele es sich um funktionsarzneimittel. sennesblätter gehörten zu den am häufigsten gebrauchten pflanzlichen abführmitteln zur kurzfristigen anwendung bei obstipation. eine ernährungs- oder genussfunktion sei hingegen nicht belegt, eine verwendung in lebensmitteln nicht bekannt. nach dem derzeitigen stand der wissenschaftlichen erkenntnisse beeinflusse der in den tees vorhandene gehalt an sennesblättern die körperfunktionen mittels pharmakologischer wirkung. senna gelte gemäß der anlage 1b zu § 7 abs. 1 nr. 2 und § 8 abs. 1 nr. 2 der verordnung über apothekenpflichtige und freiverkäufliche arzneimittel unabhängig von der dosierung als apothekenpflichtig und sei daher vom verkehr außerhalb der apotheke ausgeschlossen. die nach standardzulassung empfohlene tagesdosis zur erzielung der erwünschten abführenden wirkung betrage 0,75 mg sennesblätter. gemäß der aufbereitungsmonographie der kommission e des bundesgesundheitsamts „senna“ betrage die empfohlene mittlere tagesdosis 20-60 mg sennoside. ein typischer sennesblätter-haltiger abführtee enthalte als arzneilich wirksamen bestandteil 500-600 mg sennesblätter pro filterbeutel und sei auf einen hydroxyanthracenderivat-gehalt von 15 mg pro filterbeutel eingestellt. nach der rechtsprechung des verwaltungsgerichts l. sei eine pharmakologische wirkung eines produkts belegt, wenn dieses unterhalb der therapeutischen wirksamkeitsschwelle dosiert werde. denn die pharmakologische wirkung setze nicht abrupt erst mit beginn der therapeutischen wirksamkeit ein. in der regel steige die wirkung eines arzneimittels mit zunehmender dosis an. ausgehend von einer schwelle von 80% von 0,75 g sennesblättern werde auch einer dosis von 0,6 g pharmakologische wirkung zugesprochen. dies betreffe alle tees, da diese einen anteil von 0,6 bis 0,99 g sennesblätter enthielten. dass die tees nennenswerte pharmakologische wirkungen besäßen, werde letztlich auch durch den von dem kläger aufgebrachten warnhinweis auf der verpackung bejaht, der andernfalls überflüssig wäre. 16der kläger sei als verantwortlicher inverkehrbringer im sinne des § 4 abs. 17 amg auch der richtige adressat der untersagungsverfügung. diese entspreche dem grundsatz pflichtgemäßen ermessens. der vorrang arzneimittelrechtlicher vorschriften (zweifelsfallregelung) und die grundsätzlich von ohne die erforderliche zulassung in den verkehr gebrachten arzneimitteln ausgehende gefahr seien bei der ermessensausübung berücksichtigt worden. die maßnahme sei auch verhältnismäßig. insbesondere werde der kläger nicht über gebühr beeinträchtigt, da er lediglich arzneimittel ohne zulassung nicht mehr in den verkehr bringen dürfe. 17der kläger hat am 7. august 2015 klage erhoben. zur begründung hat er geltend gemacht, der anteil an sennesblättern im tee lasse keinen schluss auf eine arzneimitteleigenschaft zu, da diese nicht verzehrt würden. maßgeblich sei allein die konzentration von sennosiden im fertigen teeprodukt (aufguss). eine physiologische funktion durch eine pharmakologische oder metabolische wirkung habe der tee nicht. aus dem warnhinweis auf der verpackung folge nichts anderes. dieser sei ausschließlich auf veranlassung der bezirksregierung l. aufgebracht worden, ohne dass zuvor abschließende untersuchungen erfolgt seien. die bezirksregierung sei daher gehalten gewesen, gutachten zur sennosid-konzentration im teeaufguss einzuholen. die eigenschaft als lebensmittel im sinne von § 1 lmbg folge im übrigen bereits daraus, dass die tees als genussmittel in den verkehr gebracht würden. denn entscheidend für die einordnung eines produkts als arzneimittel oder als lebensmittel sei seine an objektive merkmale anknüpfende überwiegende zweckbestimmung, wie sie sich für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen durchschnittsverbraucher darstelle. die eigenschaft als genussmittel werde hier dadurch belegt, dass sechs verschiedene geschmacksrichtungen angeboten würden und die tees vielzählige weitere bestandteile wie wacholder und hagebutte enthielten. für vier tee-sorten seien keine gutachten eingeholt worden. aufgrund der unterschiedlichen zusammensetzung der tees seien rückschlüsse von den untersuchten tees auf die anderen sorten nicht zulässig. das urteil des verwaltungsgerichts l. vom 28. april 2015 ‑ 7 k 395/13 ‑ sei nicht auf den vorliegenden fall übertragbar. zum einen liege hier der ermittelte wert nicht nur knapp unterhalb der empfohlenen menge, zum anderen folge schon aus der genannten entscheidung, dass eine teezubereitung mit dem einsatz von extrakten nicht vergleichbar sei. 18der kläger hat beantragt, 19die ordnungsverfügung der bezirksregierung l. vom 16. juli 2015 aufzuheben. 20das beklagte land hat beantragt, 21die klage abzuweisen. 22zur begründung hat die bezirksregierung l. über die ausführungen im bescheid hinaus vorgetragen, an der damaligen einschätzung, es bestünden aus arzneimittelrechtlicher sicht keine bedenken gegen das inverkehrbringen der tees, sofern diese mit einem warnhinweis zu gegenanzeigen bei bestimmten darmerkrankungen und zur anwendung bei kindern gekennzeichnet seien, werde aufgrund des urteils des verwaltungsgerichts l. vom 28. april 2015 ‑ 7 k 395/13 ‑ nicht festgehalten. diese kennzeichnung mache aus einem arzneimittel kein lebensmittel. da der kläger der kennzeichnung zugestimmt habe, gehe offenbar auch er von einem gewissen gesundheitlichen risiko aus und spreche dem präparat damit indirekt eine pharmakologische wirksamkeit zu. es werde davon ausgegangen, dass die gutachten des i. landeslabors noch aktuell seien, weil der kläger mitgeteilt habe, dass die zusammensetzung der tees seit 2012 unverändert sei. in den gutachten sei auch der sennosidgehalt im fertigen tee aufgeführt. auf diesen stütze sich der bescheid. es bestehe kein zweifel daran, dass der sennosidgehalt im fertigen tee geringer sei als in der unzubereiteten droge. nach der monographie der kommission e betrage die empfohlene mittlere tagesdosis 20-60 mg sennoside. der nach den gutachten ermittelte gehalt an sennosiden im aufguss liege zwar unter der tagesdosis der monographie. bei einem als lebensmittel deklarierten, für den verbraucher harmlos erscheinenden produkt sei jedoch nicht auszuschließen, dass die empfohlene tagesmenge überschritten werde. die pharmakologische wirksamkeit setze zudem nicht abrupt erst mit beginn der therapeutischen wirksamkeit ein. außerdem sei nicht auszuschließen, dass die tees von kindern unter 10 jahren verzehrt würden. bei einem langfristigen verzehr sei mit einem erhöhten kaliumverlust zu rechnen, der zur verstärkung einer darmträgheit führen könne. dieser effekt werde bei einnahme bestimmter medikamente, z. b. diuretika, die von einer nicht unerheblichen anzahl der verbraucher eingenommen würden, noch verstärkt. der kaliummangel könne sich in schwindel, müdigkeit, kopfschmerzen oder übelkeit manifestieren, möglich seien auch muskelkrämpfe, lähmungserscheinungen und kreislaufprobleme. ein ausgeprägter kaliummangel könne in herzrhythmusstörungen münden. nach der monographie der kommission e sei aufgrund fehlender toxikologischer untersuchungen ein verzehr durch schwangere und stillende zu unterlassen. aus diesen gründen und zum schutz der verbraucher sei eine abgabe über apotheken dringend erforderlich, um eine beratung hinsichtlich der nebenwirkungen, kontraindikationen und wechselwirkungen mit anderen medikamenten sicherzustellen. in der stoffliste des bundes und der länder würden sennesblätter als arzneistoff geführt und aufgrund bekannter risiken nicht für eine verwendung in lebensmitteln empfohlen. die tees würden in türkischen supermärkten gemeinhin als schlankheitstees angepriesen; der verbraucher sehe sie daher als produkte an, die einen unerwünschten körperlichen zustand bekämpften. dass die tees in verschiedenen geschmacksrichtungen angeboten würden, rechtfertige nicht ihre einordnung als genussmittel. gerade im bereich der abführmittel treffe dies auch auf arzneimittel zu. 23das verwaltungsgericht hat die klage mit dem angefochtenen urteil abgewiesen. zur begründung hat es ausgeführt, die streitgegenständlichen teemischungen seien funktionsarzneimittel im sinne des § 2 abs. 1 nr. 2 lit a) amg. denn die ‑ in unterschiedlichen anteilen zwischen 30 % und 49,5 % - enthaltenen blätter der senna-pflanze seien gemeinhin ein stoff, der im menschlichen körper angewendet werde, um die physiologischen funktionen durch eine pharmakologische oder metabolische wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen. sennesblätter zählten zu den am häufigsten gebrauchten pflanzlichen abführmitteln. dies finde seinen ausdruck in der standardzulassung 7399.99.99 des bfarm, die teezubereitungen aus sennesblättern diesem anwendungsgebiet zuweise. die prüfung u. a. der wirksamkeit sei bei einer standardzulassung antizipiert. dies schließe als notwendige voraussetzung die arzneimitteleigenschaft des stoffs ein. die standardzulassung fuße ihrerseits auf der monographie der kommission e vom 21. juli 1993, die sennesblättern, bestehend aus den getrockneten fiederblättchen von cassia senna linné, das anwendungsgebiet „obstipation“ zuweise. zu den pharmakologischen eigenschaften verweise die monographie auf laxierende effekte der sennoside bzw. deren aktiver metaboliten im dickdarm, vorwiegend aufgrund einer beeinflussung der colonmotilität im sinne einer hemmung der stationären und einer stimulierung der propulsiven kontraktionen. unterstrichen werde die pharmazeutische verwendung des stoffs durch seine apothekenpflicht gemäß anlage 1b zu § 7 abs. 1 nr. 2 und § 8 abs. 1 nr. 2 der verordnung über apothekenpflichtige und freiverkäufliche arzneimittel. dem stünden nicht ansatzweise anhaltspunkte für eine verwendung von senna als lebens- und genussmittel gegenüber. daher sei eine prüfung, ob die wirkungen der streitigen produkte nicht über diejenigen hinausgingen, die ein in angemessener menge verzehrtes lebensmittel aufweise, nicht möglich. 24die annahme einer pharmakologischen wirkung der tees werde auch nicht dadurch relativiert, dass ausweislich der ergebnisse des i. landeslabors die tees sennosid-gehalte im aufguss zwischen 8,5 mg und 12,5 mg aufwiesen und damit unter der tagesdosis der monographie der kommission e von 20-30 mg lägen. zum einen schwankten die in den wissenschaftlichen quellen genannten dosen und lägen teils unter denen der monographie von 1993. so beschrieben die neueren europäischen hmpc- und escop-monographien dosierungen zwischen 15 bis 30 mg hydroxyanthracenderivate (berechnet als sennosid b), die who-monographie gar nur 10-30 mg. auch könne die dosierung durch den anwender problemlos erhöht werden. gerade die darreichung mittels teebeutel lade hierzu ein. zum anderen sei ein beleg therapeutischer wirksamkeit keine voraussetzung für die einstufung als funktionsarzneimittel. fehle der nachweis therapeutischer wirksamkeit unterhalb einer bestimmten dosisschwelle, sei die annahme eines funktionsarzneimittels keineswegs ausgeschlossen. werde ein stoff mit nachgewiesenen arzneimitteltypischen funktionen knapp unterhalb der therapeutischen wirksamkeitsschwelle dosiert, spreche eine vermutung dafür, dass auch dieses erzeugnis eine pharmakologische wirkung aufweise. denn diese setze nicht abrupt erst mit beginn der therapeutischen wirksamkeit ein, sondern sei schon unterhalb dieser schwelle vorhanden. in der regel steige die wirkung eines arzneimittels mit zunehmender dosis an, wobei erst an einem bestimmten punkt die schwelle zum therapeutischen erfolg überschritten sei (dosis-wirkungs-beziehung). dass das produkt bereits pharmakologische wirkungen mit einem nennenswerten einfluss auf die physiologischen funktionen besäße, gestehe der kläger letztlich selbst zu, indem er eine notwendigkeit für den aufgenommenen warnhinweis bejaht und die tagesdosis zu beschränken gesucht habe. unerheblich sei in diesem zusammenhang, dass die hinweise letztlich auf die intervention der bezirksregierung zurückgegangen seien. dies habe auf der annahme einer gleichsetzung von wirksamkeit und pharmakologischer wirkung beruht, die rechtlich so nicht zutreffe. wer daher mittel mit arzneimitteltypischer funktion auf den markt bringe und dabei die dosierung geringfügig unter die einer belegten therapeutischen wirkung setze, müsse den anschein pharmakologischer wirkung entkräften, wenn er sein produkt ohne zulassung vertreiben wolle. die arzneimittelüberwachungsbehörde sei in einem derartigen fall nicht gehalten, daten über die pharmakologische wirkung in beliebigen bereichen unterhalb der wirksamkeitsschwelle zu generieren. diese stünden naturgemäß nicht zur verfügung. daten über ein produkt zu liefern, sei in erster linie sache des inverkehrbringers. der einordnung als funktionsarzneimittel stehe nicht entgegen, dass der kläger dem produkt keine therapeutische, sondern nur genussfunktion beimesse. als arzneimittel schieden nur solche produkte aus, die sich auf eine schlichte beeinflussung der physiologischen funktionen beschränkten, ohne dass sie geeignet wären, der menschlichen gesundheit zuträglich zu sein, wie etwa drogen. 25der bezirksregierung l. habe kein ermessen zugestanden, von einem eingreifen abzusehen, da das unerlaubte inverkehrbringen von arzneimitteln nach § 96 nr. 5 amg ein straftatbestand sei. der kläger sei als großhändler, der die tees im sinne des § 4 abs. 17 amg in verkehr bringe, auch richtiger adressat der ordnungsverfügung. 26gegen dieses urteil hat der kläger fristgerecht die zulassung der berufung beantragt. mit beschluss vom 19. februar 2019 hat der vormals zuständige 13. senat die berufung nach § 124 abs. 2 nr. 2 vwgo zugelassen. 27zur begründung der berufung macht der kläger geltend, die bezirksregierung l. gehe unter zugrundelegung der in den zutatenlisten des herstellers aufgeführten prozentualen anteile der einzelnen zutaten am gesamtprodukt von der menge an sennesblättern im teebeutel aus. maßgeblich sei jedoch die konzentration an sennosiden im fertigen teeaufguss. diese liege nach den gutachten des i. landeslabors jedoch unter den von wissenschaftlichen quellen genannten werten von 20-30 mg oder 15-30 mg. dies treffe auch auf die zwischenzeitlich vom chemischen- und veterinäruntersuchungsamt (cvua) rhein-ruhr-wupper (rrw) untersuchten tees der sorten gemischter kräutertee und petersilie/zitrone zu, deren lieferant er sei. bei dem ferner untersuchten tee maishaar handele es sich um einen völlig anderen tee, der von ihm nicht vertrieben werde. werde die therapeutische wirksamkeitsschwelle nicht erreicht, könne nicht von einer pharmakologischen wirkung ausgegangen werden. nach der rechtsprechung des bundesverwaltungsgerichts setze die einordnung eines produkts als arzneimittel voraus, dass die ihm zugeschriebenen wirkungen durch belastbare wissenschaftliche erkenntnisse belegt seien. hierfür trage die bezirksregierung die darlegungs- und beweislast, da sie sich auf eine norm der eingriffsverwaltung stütze. belastbare wissenschaftliche erkenntnisse habe diese jedoch nicht benannt. für die einstufung als arzneimittel sei unerheblich, dass der anwender die dosis problemlos erhöhen könne. eine möglicherweise uferlose anwendung durch den verbraucher könne nicht maßstab für den eingriff in die berufsfreiheit sein, zumal eine damit einhergehende gefährdung auf viele lebensmittel zutreffe. die annahme des verwaltungsgerichts, er gestehe mit dem aufdruck eines warnhinweises selbst zu, dass die tees pharmakologische wirkungen hätten, übersehe, dass auch auf anderen lebensmitteln, etwa energydrinks oder solchen mit einer phenylalaninquelle, warnhinweise aufgebracht seien. außerdem sei maßgeblich die konkrete zusammensetzung der tees, die aus wesentlich mehr stoffen als aus sennesblättern bestünden. dass die teemischungen neben anderem zwischen 30 und 49,5 % sennesblätter enthielten, mache deutlich, dass die aufnahme von sennosiden aus den sennesblättern ebenso unspezifisch sei wie dies bei lebensmitteln der fall sei. es gehe nicht um eine steuerungsfunktion von außen. die bezirksregierung habe schließlich das ihr durch § 69 abs. 1 amg eröffnete entschließungsermessen nicht erkannt. die auffassung des verwaltungsgerichts, der behörde komme angesichts der strafbarkeit des inverkehrbringens nicht zugelassener arzneimittel nach § 96 nr. 5 amg ein ermessen, von einem eingreifen abzusehen, grundsätzlich nicht zu, verstoße gegen die gewaltenteilung. die untersagung des inverkehrbringens sei unverhältnismäßig. ein ggf. auch weiter konkretisierter warnhinweis sei ausreichend und genüge auch bei anderen lebensmitteln, insbesondere energydrinks. die untersagung des vertriebs eines gesamten teesortiments komme zudem einer berufswahlregelung nahe. die zwangsgeldandrohung sei unbestimmt. ein zwangsgeld sei für den fall der zuwiderhandlung angedroht worden. es sei jedoch nicht konkretisiert worden, wann ein einzelner fall eines solchen verstoßes vorliegen solle. 28in der berufungsverhandlung haben die beteiligten übereinstimmend den rechtsstreit in der hauptsache für erledigt erklärt, soweit die ordnungsverfügung sich bezieht auf die teesorten kirschstängel, erdbeere, maistroddeln, aprikose und petersilie/zitrone. 29der kläger beantragt, 30das angefochtene urteil zu ändern und die verfügung der bezirksregierung l. vom 16. juli 2015 aufzuheben, soweit gegenstand der tee der sorte „gemischter kräutertee“ ist. 31das beklagte land beantragt, 32die berufung zurückzuweisen. 33die bezirksregierung l. macht geltend, sie habe nicht vom gewicht der sennesblätter auf den sennosidgehalt geschlossen, sondern den sennosidgehalt im teeaufguss entsprechend den prüfberichten des i. landeslabors zugrunde gelegt. für die wirkung relevant seien nicht die einzelnen sennoside a bis f, sondern das gemisch aus verschiedenen hydroxyanthracenderivaten. die sennoside a und b besäßen in der regel den höchsten anteil an den gesamthydroxyanthracenglykosiden. unter einbeziehung aller sennoside dürfte der anteil an wirksamen bestandteilen im tee höher sein als der vom i. landeslabor gemessene. die wirkstoffbestimmung durch das i1. landeslabor nach der hplc-methode entspreche der aktuellen monographie des europäischen arzneibuchs, in der der gehalt an gesamthydroxyanthracenglykosiden im vergleich zur vorhergehenden ausgabe, bei der die gehaltsbestimmung photometrisch erfolgt sei, von mindestens 2,5 % auf mindestens 2,0 % in der getrockneten droge gesenkt worden sei. die bekannten dosierangaben bezögen sich allerdings auf den gehalt an hydroxyanthracenglykosiden in der eingesetzten drogenmenge (teebeutel), nicht aber auf den gehalt im zubereiteten tee. außerdem gehe es zulasten des klägers, dass er den sennosidgehalt in den von ihm vertriebenen teemischungen nicht verlässlich angeben könne. 34die beteiligten haben im verlauf des zweitinstanzlichen verfahrens diverse untersuchungsberichte zu den tees eingereicht. 35ein an den landrat des kreises v. gerichteter prüfbericht des cvua rrw vom 18. juli 2019 (prüfbericht nr. 2019-8320208) betrifft den tee gemischter kräutertee (mhd 21. juni 2020). die quantifizierung der sennoside erfolgte mittels hochauflösender massenspektrometrie (lc-orbitrap-ms) und ergab für sennosid b einen wert von 1,58 (+/- 0,24) mg und für sennosid a von 1,28 (+/- 0,19) mg je gramm teemischung. ein teebeutel von 2 g gewicht enthält dem bericht nach daher 5,72 mg sennoside (addition der einzelwerte x 2). ferner weist der bericht darauf hin, dass eine eindeutige zuordnung weiterer peaks im chromatogramm zu weiteren sennosiden und anderen anthrachinonderivaten ohne geeignete referenzsubstanzen nicht möglich sei und daher in der vorliegenden probe von einem höheren hydroxyanthracenderivat-gehalt auszugehen sei. 36der an die stadt l. gerichtete, in gleicher weise erstellte prüfbericht des cvua rrw vom 8. juni 2022 (nr. 2022-7200167) betrifft den tee gemischter kräutertee (mhd 25. oktober 2024) und weist für den teebeutel einen gesamtwert von 2,6 mg sennosiden aus. 37wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakte sowie des beigezogenen verwaltungsvorgangs der bezirksregierung l. bezug genommen. 38
39das verfahren wird in entsprechender anwendung des § 92 abs. 3 satz 1 vwgo eingestellt, soweit die beteiligten den rechtsstreit übereinstimmend für in der hauptsache erledigt erklärt haben. die teilweise wirkungslosigkeit des erstinstanzlichen urteils ergibt sich aus § 173 vwgo i. v. m. § 269 abs. 3 satz 1 zpo. 40im noch anhängigen umfang hat die berufung des klägers erfolg. die klage ist insoweit zulässig und begründet. 41die ordnungsverfügung der bezirksregierung l. vom 16. juli 2015 ist rechtswidrig und verletzt den kläger in seinen rechten, soweit dem kläger unter entsprechender zwangsgeldandrohung das inverkehrbringen des tees e. g. gemischter kräutertee untersagt worden ist (§ 113 abs. 1 satz 1 vwgo). 42rechtsgrundlage der angefochtenen ordnungsverfügung ist § 69 abs. 1 satz 1 und satz 2 nr. 1 amg. maßgeblich für die rechtliche beurteilung ist die sach- und rechtslage im zeitpunkt der letzten mündlichen verhandlung. denn die untersagungsverfügung stellt ihrem inhalt nach einen dauerverwaltungsakt dar, da sie sich nicht in dem verlangen eines einmaligen tuns oder unterlassens erschöpft. bei der beurteilung derartiger dauerverwaltungsakte haben die gerichte die sach- und rechtslage im zeitpunkt der letzten mündlichen verhandlung zugrunde zu legen, wenn ‑ wie hier ‑ das materielle recht nichts abweichendes bestimmt. 43vgl. bverwg, urteile vom 19. september 2013 ‑ 3 c 15.12 ‑, juris rn. 9, und vom 22. januar 1998 ‑ 3 c 6.97 -, juris rn. 18; ovg nrw, beschluss vom 25. september 2013 ‑ 13 a 523/11 ‑, juris rn. 24; nds. ovg, urteil vom 23. märz 2006 ‑ 11 lc 180/05 ‑, juris rn. 43; vgh bad.-württ., urteil vom 8. dezember 2010 ‑ 9 s 783/10 -, juris rn. 17; hess. vgh, beschluss vom 14. februar 1996 ‑ 11 tg 1144/95 ‑, juris rn. 2. 44nach § 69 abs. 1 satz 1 und satz 2 nr. 1 amg treffen die zuständigen behörden die zur beseitigung festgestellter verstöße und die zur verhütung künftiger verstöße notwendigen anordnungen. sie können insbesondere das inverkehrbringen von arzneimitteln untersagen, wenn die erforderliche zulassung oder registrierung für das arzneimittel nicht vorliegt. die voraussetzungen für eine verbotsverfügung auf dieser grundlage liegen jedoch nicht vor. 45bei dem tee e. g. gemischter kräutertee handelt es sich nicht ‑ was vorliegend allein im streit steht ‑ um ein sog. funktionsarzneimittel im sinne des § 2 abs. 1 satz 2 nr. 2 amg und art. 1 nr. 2 buchst b) der richtlinie 2001/83/eg. 46i. zu den funktionsarzneimitteln nach § 2 abs. 1 satz 2 nr. 2 amg und art. 1 nr. 2 buchst. b) der richtlinie 2001/83/eg zählen alle stoffe und zubereitungen aus stoffen, die im oder am menschlichen körper verwendet oder einem menschen verabreicht werden können, um entweder die menschlichen physiologischen funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische diagnose zu erstellen. 471. notwendige voraussetzung für die annahme eines funktionsarzneimittels ist, dass das erzeugnis die physiologischen funktionen bei bestimmungsgemäßem gebrauch (a.) durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische wirkung (b.) nachweisbar (c.) und in nennenswerter weise (d.) positiv beeinflussen kann. 48vgl. bverwg, urteil vom 7. november 2019 ‑ 3 c 19.18 -, juris rn. 15. 49a. ausgangspunkt für die beurteilung der physiologischen auswirkungen eines stoffes ist nach ständiger rechtsprechung des eugh der bestimmungsgemäße gebrauch des erzeugnisses. es ist daher ohne belang, dass das erzeugnis in einer höheren als der auf dem beipackzettel oder in der verzehrempfehlung auf der verpackung angegebenen dosierung eine nennenswerte physiologische wirkung haben kann. unerheblich ist auch, ob verbraucher dazu neigen könnten, erzeugnisse in höheren dosierungen zu konsumieren als vom hersteller angegeben, und ob mit einer überdosierung gesundheitsgefahren einhergehen. denn fast alle erzeugnisse sind potentiell gesundheitsschädlich, wenn sie im übermaß aufgenommen werden. 50vgl. eugh, urteile vom 30. april 2009 ‑ c-27/08 (bios naturprodukte) -, rn. 22, vom 15. januar 2009 ‑ c-140/07 (hecht-pharma) ‑, rn. 42, und vom 29. april 2004 ‑ c-150/00 (kommission ./. österreich) -, rn. 75; vgl. auch bverwg, urteile vom 26. mai 2009 ‑ 3 c 5.09 juris rn. 15, und vom 1. märz 2012 ‑ 3 c 15.11 ‑, juris rn. 12. 51b. das erzeugnis muss eine pharmakologische, immunologische oder metabolische wirkung haben. 52die begriffe der ‑ hier nur in betracht kommenden ‑ pharmakologischen (aa.) oder metabolischen (bb.) wirkung sind weder im arzneimittelgesetz noch in der richtlinie 2001/83/eg definiert. 53aa. für die beantwortung der frage, ob ein produkt pharmakologisch wirkt, kann nach der rechtsprechung des eugh insoweit als zweckdienlicher anhaltspunkt auf die von der europäischen kommission herausgegebenen leitlinien ‑ und damit insbesondere die sog. „borderline-leitlinie“ (european union, medical devices: guidance document, meddev 2.1/3 rev 3, dort ziffer a.2.1.1, s. 6), 54abrufbar unter: https://ec.europa.eu/docsroom/documents/10328/attachments/1/translations ‑, 55zurückgegriffen werden. 56vgl. eugh, urteil vom 6. september 2012 ‑ c-308/11 (chemische fabrik kreussler) ‑, rn. 25 f.; bverwg, vorlagebeschluss vom 20. mai 2021 ‑ 3 c 19.19 ‑, juris rn. 11. 57danach ist unter einer pharmakologischen wirkung eine wechselwirkung zwischen den molekülen des betreffenden stoffes und einem ‑ gewöhnlich als rezeptor bezeichneten ‑ zellbestandteil zu verstehen, die entweder zu einer direkten reaktion führt oder die reaktion auf einen anderen agenten blockiert. eine dosis-wirkungs-korrelation ist dabei ein ‑ wenn auch nicht zwingender ‑ indikator für eine pharmakologische wirkungsweise. 58vgl. hierzu ovg nrw, urteil vom 28. oktober 2021 ‑ 13 a 1376/17 ‑, juris rn. 76. 59diese definition ist jedoch nicht abschließend. nach der vorgenannten rechtsprechung des eugh genügt darüber hinaus jede wechselwirkung zwischen der in einem erzeugnis enthaltenen substanz und einem beliebigen im körper des anwenders vorhandenen zellulären bestandteil, sofern diese bewirkt, dass physiologische funktionen beim menschen wiederhergestellt, korrigiert oder beeinflusst werden. 60vgl. eugh, urteil vom 6. september 2012 ‑ c-308/11 (chemische fabrik kreussler) ‑, rn. 31 f. und tenorziffer 2. 61bb. auch hinsichtlich der bestimmung des begriffs der metabolischen wirkung lassen sich der vorgenannten borderline-leitlinie (dort ziffer a.2.1.1, s. 6) anhaltspunkte entnehmen. 62vgl. ovg nrw, urteil vom 28. oktober 2021 ‑ 13 a 2432/18 -, juris rn. 65 ff. m. w. n. 63danach wird unter einer metabolischen wirkung eine wirkungsweise verstanden, die eine veränderung einschließlich des stoppens, des starts oder der änderung der geschwindigkeit der normalen biochemischen prozesse beinhaltet, die an der normalen körperfunktion beteiligt sind und dafür zur verfügung stehen. die tatsache, dass ein erzeugnis selbst verstoffwechselt wird, bedeutet nicht, dass es seine bestimmungsgemäße hauptwirkung auf metabolische weise erreicht. 64c. der begriff des funktionsarzneimittels erfasst ‑ anders als der des präsentationsarzneimittels ‑ nur diejenigen erzeugnisse, deren pharmakologische, immunologische oder metabolische wirkung ‑ in der angegebenen dosierung ‑ wissenschaftlich festgestellt wurden und die tatsächlich dazu bestimmt bzw. geeignet sind, eine ärztliche diagnose zu erstellen oder die physiologischen funktionen wiederherzustellen, zu korrigieren oder in einer positiven weise zu beeinflussen. 65vgl. eugh, urteile vom 10. juli 2014 ‑ c-358/13 und c-181/14 (markus d. u. a.) ‑, rn. 36, 38 (zur positiven wirkung), vom 6. september 2012 ‑ c-308/11 (chemische fabrik kreussler) ‑, rn. 30, und vom 15. januar 2009 ‑ c-140/07 (hecht-pharma) -, rn. 25 f.; bverwg, urteil vom 7. november 2019 ‑ 3 c 19.18 -, juris rn. 17. 66ist der nachweis der arzneimitteleigenschaft im sinne des art. 1 nr. 2 buchst. b) der richtlinie 2001/83/eg für ein erzeugnis nicht geführt, so ist die richtlinie auf dieses produkt nicht anwendbar. aus der sog. zweifelsfallregelung in art. 2 abs. 2 der richtlinie 2001/83/eg folgt nichts anderes. diese ist nicht dahin zu verstehen, dass ein produkt, bei dem es an den entsprechenden feststellungen fehlt, im zweifelsfall ein arzneimittel ist. vielmehr beruht diese regelung auf dem postulat, dass das produkt die voraussetzungen eines arzneimittels erfüllt und dient gerade nicht der überwindung von zweifeln an der arzneimitteleigenschaft. 67vgl. eugh, urteil vom 15. januar 2009 ‑ c-140/07 (hecht-pharma) ‑, rn. 24 ff.; bverwg, urteil vom 7. november 2019 ‑ 3 c 19.18 ‑, juris rn. 14. 68darüber hinaus kann ein erzeugnis nicht gleichzeitig arzneimittel und lebensmittel sein. denn nach art. 2 abs. 3 buchst. d) der verordnung (eg) nr. 178/2002 des europäischen parlaments und des rates vom 28. januar 2002 (basisvo) gehören arzneimittel im sinne der richtlinien 65/65/ewg und 92/73/ewg ‑ jetzt der richtlinie 2001/83/eg ‑ nicht zu den lebensmitteln. 69vgl. auch bverwg, urteile vom 17. september 2021 ‑ 3 c 20.20 ‑, juris rn. 28, und vom 1. märz 2012 ‑ 3 c 15.11 ‑, juris rn. 12. 70der nachweis einer therapeutischen wirksamkeit des erzeugnisses ist für die annahme eines funktionsarzneimittels hingegen nicht erforderlich. denn die arzneimitteldefinition setzt nicht voraus, dass die erzeugnisse eindeutig bestimmbare therapeutische und prophylaktische eigenschaften aufweisen, deren wirkung sich auf bestimmte funktionen des menschlichen organismus konzentriert, bzw. dass sie zur verhütung oder behandlung einer krankheit oder eines leidens angewandt werden können. 71vgl. eugh, urteile vom 15. dezember 2016 ‑ c-700/15 (lek) -, rn. 35, und vom 10. juli 2014 ‑ c-358/13 und c-181/14 (markus d. u. a.) ‑, rn. 36. 72der begriff der therapeutischen wirksamkeit stammt vielmehr aus den regelungen über die zulassung eines arzneimittels. er ist auf die klinische prüfung der vom arzneimittelhersteller beanspruchten indikation bezogen und passt nicht für die vorgelagerte fragestellung, ob einem erzeugnis überhaupt die eignung zukommt, die physiologischen funktionen positiv zu beeinflussen. daher bezieht sich auch der vom eugh geforderte wissenschaftliche nachweis nicht auf eine therapeutische wirkung, sondern nur auf die frage, ob der stoff geeignet ist, dem funktionieren des menschlichen organismus und folglich der menschlichen gesundheit zuträglich zu sein. 73vgl. bverwg, urteil vom 7. november 2019 ‑ 3 c 19.18 ‑, juris rn. 18. 74die therapeutische wirksamkeit berechtigt jedoch im wege eines erst-recht-schlusses zur annahme einer physiologischen wirkung. 75vgl. bverwg, urteile vom 26. mai 2009 ‑ 3 c 5.09 ‑, juris rn. 16, und vom 25. juli 2007 ‑ 3 c 21.06 ‑, juris rn. 26. 76d. nicht alle erzeugnisse, die eine physiologisch wirksame substanz enthalten, können als funktionsarzneimittel eingestuft werden. das kriterium der eignung, physiologische funktionen wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen, setzt voraus, dass die entsprechenden auswirkungen des erzeugnisses bei normalem gebrauch nennenswert sind. werden die funktionsbedingungen des menschlichen körpers nicht wirklich beeinflusst, liegt kein funktionsarzneimittel vor. 77vgl. eugh, urteile vom 30. april 2009 ‑ c-27/08 (bios naturprodukte) ‑, rn. 21, 23, und vom 15. januar 2009 ‑ c-140/07 (hecht-pharma) ‑, rn. 41 f. 78da die physiologische wirkung nicht für arzneimittel spezifisch ist, sondern auch auf lebensmittel (nahrungsergänzungsmittel) zutrifft, scheidet zudem die annahme eines funktionsarzneimittels aus, wenn die nennenswerten auswirkungen des erzeugnisses auf die physiologischen funktionen nicht über die wirkungen hinausgehen, die ein in angemessener menge verzehrtes lebensmittel auf diese funktionen haben kann. 79vgl. eugh, urteil vom 15. november 2007 ‑ c-319/05 (kommission ./. brd) ‑, rn. 63 ff.; bverwg, urteil vom 7. november 2019 ‑ 3 c 19.18 ‑, juris rn. 20. 802. die einstufung eines erzeugnisses als arzneimittel erfordert bei vorliegen der vorstehend genannten voraussetzungen eine gesamtbetrachtung. nach ständiger rechtsprechung des eugh ist die entscheidung, ob ein erzeugnis unter die definition des arzneimittels nach der funktion fällt, von fall zu fall zu treffen. dabei sind alle merkmale des erzeugnisses zu berücksichtigen, insbesondere seine zusammensetzung, seine pharmakologischen, immunologischen oder metabolischen eigenschaften ‑ wie sie sich beim jeweiligen stand der wissenschaft feststellen lassen ‑, die modalitäten seines gebrauchs, der umfang seiner verbreitung, seine bekanntheit bei verbrauchern und die risiken, die seine verwendung mit sich bringen kann. 81vgl. eugh, urteile vom 3. oktober 2013 ‑ c-109/12 (laboratoires lyocentre) ‑, rn. 42, vom 6. september 2012 ‑ c-308/11 (chemische fabrik kreussler) ‑, rn. 34, vom 30. april 2009 ‑ c-27/08 (bios naturprodukte) ‑, rn. 18, und vom 15. januar 2009 ‑ c-140/07 (hecht-pharma) -, rn. 39. 82im rahmen dieser einzelfallprüfung sind die pharmakologischen, immunologischen oder metabolischen eigenschaften eines erzeugnisses der faktor, auf dessen grundlage ausgehend von den wirkungsmöglichkeiten des erzeugnisses zu beurteilen ist, ob es im sinne der definition des funktionsarzneimittels im oder am menschlichen körper zur wiederherstellung, korrektur oder beeinflussung der physiologischen funktionen angewandt werden kann. 83vgl. eugh, urteile vom 3. oktober 2013 ‑ c-109/12 (laboratoires lyocentre) ‑, rn. 43, und vom 30. april 2009 ‑ c-27/08 (bios naturprodukte) ‑, rn. 20. 84die weiteren merkmale des erzeugnisses haben keine für ein arzneimittel nach der funktion konstitutive wirkung. der fehlende nachweis einer nennenswerten beeinflussung der physiologischen funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische wirkung kann durch die anderen kriterien daher nicht ersetzt werden. diese sind vielmehr als korrektiv heranzuziehen, wenn die tatbestandlichen voraussetzungen eines funktionsarzneimittels vorliegen. 85vgl. bverwg, urteil vom 26. mai 2009 ‑ 3 c 5.09 ‑, juris rn. 18, unter hinweis auf eugh, urteil vom 30. april 2009 ‑ c-27/08 (bios naturprodukte) ‑, rn. 24 (zu gesundheitsgefahren). 86die nennenswerten auswirkungen des erzeugnisses auf die physiologischen funktionen sind somit nur ein notwendiges, aber kein hinreichendes kriterium für die entscheidung, ob ein erzeugnis unter die definition des funktionsarzneimittels fällt. sie führen daher nicht zwangsläufig zur arzneimitteleigenschaft. 87vgl. bverwg, urteile vom 7. november 2019 ‑ 3 c 19.18 ‑, juris rn. 19 und 31, sowie vom 17. august 2017 ‑ 3 c 18.15 ‑, juris rn. 12. 88im rahmen der vorzunehmenden gesamtbetrachtung sind auch die möglichen gesundheitsrisiken bei der verwendung zu berücksichtigen. diesen kommt in fällen, in denen die auswirkungen eines erzeugnisses im grenzbereich zwischen nahrungsergänzungs- und arzneimitteleigenschaft liegen, besonderes gewicht für die beurteilung zu. eine einstufung als arzneimittel ist hier angesichts der damit verbundenen einschränkungen und behinderungen des freien warenverkehrs nur gerechtfertigt, wenn dies zum schutz der gesundheit erforderlich ist. 89vgl. bverwg, urteil vom 7. november 2019 ‑ 3 c 19.18 ‑, juris rn. 30, 32 f. 90ii. von dem vorstehenden ausgehend ist nicht wissenschaftlich nachgewiesen, dass der tee e. g. gemischter kräutertee aufgrund des in ihm enthaltenen anteils an sennesblättern bzw. deren wirkstoffe, den sennosiden, die physiologischen funktionen des menschlichen körpers nennenswert durch eine pharmakologische oder metabolische wirkung beeinflusst. 911. eine biochemische wirkweise im sinne von § 2 abs. 1 satz 2 nr. 2 amg, art. 1 nr. 2 buchst. b) der richtlinie 2001/83/eg ist bei den in dem tee enthaltenen sennesblättern dem grunde nach zu bejahen. offen bleiben kann dabei, ob die sennesblätter bzw. deren wirkstoffe, die sennoside, ihrer funktionsweise nach pharmakologisch oder metabolisch wirken. jedenfalls wirken sie ‑ in abgrenzung zu medizinprodukten ‑ nicht rein physikalisch. 92sennesblätter enthalten als wirkstoffe dianthronglykoside (sennoside), die zur gruppe der antiabsortiv und sekretagog wirkenden laxantien gehören. sie werden nach der passage des magen-darm-traktes im dick- bzw. enddarm durch bakterielle enzyme in die wirksamen metaboliten (rhein-anthron) gespalten, die durch direkten kontakt mit der darmschleimhaut wirken (kontaktlaxantien). dabei hemmen die aktiven metaboliten die stationären und stimulieren die propulsiven kontraktionen der glatten dickdarmmuskulatur, so dass es zu einem beschleunigten transit kommt. die verkürzte kontaktzeit verringert außerdem die flüssigkeitsresorption. gleichzeitig werden die sekretionsprozesse beeinflusst: die wasser- und elektrolytabsorption in die kolonepithelzellen wird gehemmt und der einstrom von elektrolyten und wasser in das darmlumen gefördert und damit eine volumenzunahme erreicht. 93vgl. wichtl, teedrogen und phytopharmaka, 6. aufl. 2016, s. 605; kommission e, monographie: sennae folium (sennesblätter), banz vom 21. juli 1993, nr. 133 s. 6618, bestätigt durch standardzulassung nr. 7399.99.99 (br-drs. 229/00 vom 14. april 2000 s. 12 (nr. 7.12.1) und s. 13 (nr. 7.12.3); hmpc, assessment report on senna alexandrina mill (cassia senna l.; cassia angustfolia vahl), folium and fructus, ziffer 3.1.5, s. 29; kommentar zum europäischen arzneibuch 10.1/0206, 67. lieferung 2021; update senna, daz 2005, nr. 13, s. 107. 942. es fehlt aber an einer wissenschaftlich nachgewiesenen nennenswerten beeinflussung der physiologischen funktionen durch den tee e. g. gemischter kräutertee. die schwelle von 10 mg hydroxyanthracenderivaten, berechnet als sennosid b, ab der von einer therapeutischen wirksamkeit auszugehen ist (a.), erreicht der tee in der vom hersteller angegebenen dosierung im aufguss nicht (b). belastbare wissenschaftliche daten, die einen rückschluss auf eine nennenswerte beeinflussung der menschlichen physiologischen funktionen unterhalb von 10 mg zuließen, liegen nicht vor (c.). 95a. eine therapeutische wirksamkeit und damit ‑ im wege eines erst-recht-schlusses ‑ auch eine nennenswerte beeinflussung der physiologischen funktionen ist für sennesblätter bzw. sennesblätterhaltige erzeugnisse ab einem gehalt von mindestens 10 mg hydroxyanthracenderivaten, berechnet als sennosid b, durch die monographie des committee on herbal medicinal products (hmpc) der european medicines agency vom 25. september 2018 (european union herbal monograph on senna alexandrina mill. (cassia senna l.; cassia angustifolia vahl) folium), bestätigt mit addendum vom 26. januar 2022, 96abrufbar unter: https://www.ema.europa.eu/en/medicines/herbal/sennae-folium, 97wissenschaftlich nachgewiesen. offen bleiben kann , ob diese monographie im vorliegenden zusammenhang rechtlich bindend ist. 98vgl. vg l. , urteil vom 5. juli 2011 ‑ 7 k 8612/09 ‑, juris rn. 49 ff.; nds. ovg, urteil vom 2. november 2017 ‑ 13 lb 31/14 ‑, juris rn. 73 unter bezugnahme auf vg l. ; knöss, monographien als richtschnur, in: pharmazeutische zeitung online, ausgabe 13/2014; vgl. auch winnands/kügel, in: kügel/müller/hofmann, amg, 3. aufl. 2022, § 22 rn. 91. 99jedenfalls kommt der monographie des hmpc, ebenso wie den monographien der kommissionen d und e, 100vgl. dazu bverwg, urteil vom 19. november 2009 ‑ 3 c 10.09 ‑, juris rn. 25 und vom 25. juli 2007 ‑ 3 c 22.06 ‑, juris rn. 33, 101die bedeutung eines antizipierten sachverständigengutachtens zu, von dem abzuweichen hier kein anlass besteht. 102dem hmpc, das nach art. 16h abs. 1 satz 1 und 2 der richtlinie 2001/83/eg in der fassung der änderungsrichtlinie 2004/24/eg bei der ema eingerichtet worden ist, kommt gemäß art. 16h abs. 1 buchst. a spiegelstrich 4 und buchst. b jew. i. v. m. abs. 3 der richtlinie 2001/83/eg in der fassung der änderungsrichtlinie 2004/24/eg die aufgabe zu, u. a. gemeinschaftliche monographien für traditionelle pflanzliche arzneimittel sowie gemeinschaftliche pflanzenmonographien zu erstellen. es handelt sich um ein sachverständig besetztes gremium (vgl. art. 16h abs. 2 richtlinie 2001/83/eg), das die monographien ‑ wie die zugehörigen literaturlisten und bewertungsberichte verdeutlichen ‑ auf der grundlage des aktuellen wissenschaftlichen kenntnisstands und in auseinandersetzung mit den herangezogenen wissenschaftlichen publikationen erstellt. im regelfall wird von der richtigkeit der in den monographien enthaltenen angaben auszugehen sein, sofern nicht ausnahmsweise bessere und/oder aktuellere wissenschaftliche erkenntnisse eine andere bewertung rechtfertigen. 103danach ist auf der grundlage der in der monographie des hmpc vom 25. september 2018 enthaltenen dosierungsempfehlung davon auszugehen, dass sennoside eine therapeutische wirksamkeit und damit auch eine nennenswerte beeinflussung der physiologischen funktionen ab 10 mg hydroxyanthracenderivaten, berechnet als sennosid b, entfalten. zwar ist damit eine absenkung der untergrenze gegenüber derjenigen in der vorhergehenden monographie aus dem jahr 2006 erfolgt, die auf der grundlage der im zugehörigen assessment-report angeführten expertenmeinungen, klinischen studien und der toxikologischen daten, die anlass für den bescheid des bfarm vom 21. juni 1996 (banz vom 5. juli 1996, nr. 123, s. 7581 f.) waren, noch einen dosisbereich zwischen 15 und 30 mg angegeben hatte. 104vgl. assessment report on cassia senna l. and cassia angustifolia vahl, folium vom 27. april 2007, s. 7, abrufbar unter: https://www.ema.europa.eu/en/medicines/herbal/sennae-folium. 105diese absenkung hat das hmpc mit dem verfolgten ansatz begründet, die wirkstoffmenge zu minimieren, und sich hinsichtlich der wirksamkeit der herabgesenkten dosis von den dosierungen der auf dem markt befindlichen arzneimitteln bestätigt gesehen. 106vgl. assessment report on senna alexandrina mill. (cassia senna l.; cassia angustifolia vahl), folium and fructus, vom 25. september 2018, s. 21. 107anhaltspunkte dafür, dass diese bewertung nicht zutrifft, sind nicht erkennbar. vielmehr nennt auch die ‑ weiterhin gültige ‑ monographie der weltgesundheitsorganisation (who monographs on selected medicinal plants, volume 1, 1999) eine zur behandlung einer obstipation geeignete wirkstoffmenge zwischen 10 und 30 mg sennoside, berechnet als sennosid b (s. 247). 108zudem weist der assessment report des hmpc (s. 21) darauf hin, dass die werte zu den in sennesblättern enthaltenen hydroxyanthracenderivaten nunmehr in übereinstimmung mit dem gehalt an hydroxyanthracenderivaten aus der pflanze aloe stehen, die in der hmpc-monographie zu „aloe barbadensis“ vom 22. november 2016 zur anwendung bei obstipation angegeben sind. diese wiederum entsprechen denen der aktuellen monographie der european scientific cooperative on phytotherapie (escop) zu aloe („aloe barbadensis“) aus dem jahr 2014, die ebenfalls gehalte zwischen 10 und 30 mg hydroxyanthracenderivate nennt. 109die monographie der kommission e „sennae folium (sennesblätter)“ aus dem jahr 1993 (banz vom 21. juli 1993, nr. 133, s. 6618) nennt zwar gehaltsmengen von 20 bis 30 mg hydroxyanthracenderivaten. sie enthält aber den hinweis, dass die darreichungsform auch eine geringere als die übliche tagesdosis erlauben sollte, der zeigt, dass die kommission e bereits damals davon ausging, auch niedrigere dosen könnten zur behandlung der obstipation wirksam sein. vergleichbares enthält der bescheid des bfarm vom 21. juni 1996 (banz vom 5. juli 1996, nr. 123, s. 7581 f.). darüber hinaus ist die wissenschaftliche bewertung der wirkungen eines stoffes nicht statisch. mit blick auf den umstand, dass die monographie der kommission e nicht aktualisiert worden ist, ihr daher noch der stand der wissenschaftlichen erkenntnisse aus dem jahr 1993 zugrunde liegt, bietet sie keine grundlage für die annahme, die auf der grundlage aktueller erkenntnisse erstellte monographie des hmpc sei unzutreffend. 110b. im maßgeblichen zeitpunkt der mündlichen verhandlung enthält der tee „e. g. gemischter kräutertee“ in der vom hersteller angegebenen dosierung von einem teebeutel je tag im hergestellten aufguss nicht einen gehalt von mindestens 10 mg hydroxyanthracendrivaten, der die feststellung rechtfertigte, dass die physiologischen funktionen nennenswert beeinflusst werden. 111über dem wert von 10 mg sennosiden lag einzig der aufguss des gemischten kräutertees mit dem mhd 25. juli 2013, der gegenstand des prüfberichts nr. 123010952 des i. landeslabors vom 21. juni 2012 ist. die rezeptur dieses tees war jedoch bereits damals nicht mehr aktuell. der am gleichen tag vom i. landeslabor untersuchte gemischte kräutertee mit dem mhd 27. februar 2014 (prüfbericht nr. 123010949) führte die zutat „sennesblätter“ anders als der zuvor genannte tee nicht mehr an erster, sondern an zweiter stelle des zutatenverzeichnisses auf. die laut prüfbericht im aufguss dieses tees festgestellte menge an sennosiden betrug insgesamt 6 mg und lag daher ‑ auch unter berücksichtigung der unterschiede der untersuchungsmethoden des i. landeslabors einerseits (hplc) und der monographie des hmpc andererseits (photometrisch) - unterhalb der genannten grenze. die in der jüngsten zeit erfolgten untersuchungen durch das cvua rrw, die sich ohnehin nur zum sennosidgehalt im teebeutel verhalten, nicht aber zu der menge im aufguss, haben nochmals geringere werte ergeben. so weist der prüfbericht des cvua rrw vom 18. juli 2019 (prüfbericht nr. 2019-8320208) für den tee mit dem mhd 21. juni 2020 einen gehalt von 5,72 mg im teebeutel aus und der prüfbericht vom 8. juni 2022 (nr. 2022-7200167), betreffend einen tee mit dem mhd 25. oktober 2024, einen gesamtwert von 2,6 mg sennosiden. 112der einwand der bezirksregierung l. im schriftsatz vom 28. juli 2022, die „bekannten dosierangaben“ bezögen sich auf den sennosidgehalt im teebeutel, ist mit blick auf die vorliegenden werte unmaßgeblich und im übrigen nicht nachvollziehbar. zum einen fehlt es an dahingehenden angaben in der monographie des hmpc, die im übrigen nicht speziell zu tees erstellt worden ist, sondern sich allgemein zu erzeugnissen verhält, die wirkstoffe aus sennesblättern enthalten (hierzu zählen u. a. tabletten, kapseln, sirup und früchtewürfel). zum anderen kann bei einem produkt, das nicht zur äußerlichen anwendung vorgesehen ist, sondern verzehrt werden muss, um wirkung zu entfalten, naturgemäß nur die aufgenommene menge an wirkstoffen eine ‑ pharmakologische oder metabolische ‑ wirkung entfalten. schon aus diesem grund reicht es auch nicht aus, aus den in zutatenlisten des herstellers aufgeführten prozentualen anteilen der einzelnen zutaten am gesamtprodukt die menge an sennesblättern im teebeutel auszurechnen, worauf die bezirksregierung l. in der ordnungsverfügung abgestellt hat. anderes kann zwar in fällen standardisierter teezubereitungen gelten, d. h. bei verwendung von sennesblättern, die einen gleichbleibenden geprüften wirkstoffgehalt aufweisen. dies ist vorliegend jedoch auch nach auffassung der bezirksregierung l. nicht der fall. 113soweit die bezirksregierung l. weiter geltend macht, die diversen untersuchungen - auch des i. landeslabors nach der hplc-methode - erfassten nur die sennoside a und b, maßgeblich seien jedoch alle sennoside, und mit dieser begründung von einem ‑ unspezifisch ‑ höheren wert ausgehen will, ist darauf hinzuweisen, dass dieselbe unschärfe den in den monographien ausgewiesenen werten zugrunde liegen dürfte. jedenfalls ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass den monographien berechnungsmethoden zugrunde liegen, die in der praxis der untersuchungsämter und privaten labore nicht zur verfügung stehen. im übrigen hat sich jedenfalls das institut für pharmazeutische und angewandte analytik (inpha, untersuchung zum kirschstängeltee vom 11. april 2018) in der lage gesehen, die sennosidmessung im einklang mit der untersuchungsmethode, die der monographie des hmpc zugrunde liegt, 114vgl. assessment report on senna alexandrina mill. (cassia senna l.; cassia angustifolia vahl), folium and fructus, s. 21 (ziffer 2.3), 115photometrisch zu bestimmen. 116c. belastbare wissenschaftliche daten, die einen rückschluss auf eine nennenswerte beeinflussung der menschlichen physiologischen funktionen durch hydroxyanthracenderivate unterhalb einer wirkstoffmenge von 10 mg zuließen, hat die bezirksregierung l. nicht benannt; sie sind auch sonst nicht ersichtlich. zwar liegt es nahe, dass ein erzeugnis ‑ wie vom verwaltungsgericht angenommen - auch „knapp unterhalb“ der schwelle zur therapeutischen wirksamkeit eine physiologische wirkung entfaltet. abgesehen davon, dass die vage bezeichnung „knapp unterhalb“ zur abgrenzung eines lebensmittels von einem arzneimittel von vornherein untauglich ist, handelt es sich bei diesem ansatz um eine bloße vermutung, die den geforderten nachweis nicht ersetzen kann. 117anhaltspunkte für weitere sachverhaltsermittlungen zu der frage, ob auch sennoside in einer menge, die im derzeit vertriebenen tee(beutel) der sorte gemischter kräutertee vorhanden sind, nennenswerte auswirkungen auf die physiologischen funktionen haben, sind nicht erkennbar. in einer solchen situation ist es auch mit blick auf die gerichtliche sachaufklärungspflicht (§§ 86 abs. 1 satz 1, 108 abs. 1 satz 1 vwgo) nicht aufgabe der verwaltungsgerichte, weitere ermittlungen anzustellen, was hier auf die durchführung einer klinischen studie hinauslaufen würde. die folge der danach verbleibenden unerweislichkeit der arzneimitteleigenschaft des e. g. tees „gemischter kräutertee“ trägt im vorliegenden fall der untersagung nach § 69 abs. 1 satz 2 nr. 1 amg das beklagte land. 118vgl. bverwg, urteil vom 26. mai 2009 ‑ 3 c 5.09 ‑, juris rn. 17; vgl. auch urteil vom 7. november 2019 ‑ 3 c 19.18 -, juris rn. 14 (zu § 54 lfgb). 119insoweit gilt auch hier der allgemeine grundsatz, dass derjenige, der aus einer norm eine ihm günstige rechtsfolge ableitet, die materielle beweislast für das vorliegen der voraussetzungen der norm ‑ hier namentlich das vorliegen eines funktionsarzneimittels - trägt. 1203. dass senna in der anlage 1b der verordnung über apothekenpflichtige und freiverkäufliche arzneimittel aufgeführt ist, ist entgegen der auffassung der bezirksregierung l. ohne bedeutung für die frage, ob es sich bei dem tee um ein (funktions-) arzneimittel im sinne des § 2 abs. 1 nr. 2 amg und art. 1 nr. 2 buchst. b) der richtlinie 2001/83/eg handelt. der verordnung lässt sich lediglich entnehmen, dass der „stoff“ senna (vgl. § 3 nr. 2 amg) arzneimittel sein kann; es lässt sich aber aus dieser verordnung nicht schließen, dass präparate, die die in anlage 1b der verordnung genannten stoffe enthalten, schon deshalb arzneimittel wären. sie sind es trotz dieser stoffe nicht, wenn sie nicht zu den in § 2 abs. 1 amg genannten zwecken bestimmt sind oder sonst die voraussetzungen des § 2 amg erfüllen. der begriff des arzneimittels ist in dem ermächtigenden arzneimittelgesetz (vgl. § 48 abs. 2 amg) definiert und wird in der verordnung über die verschreibungspflicht von arzneimitteln vorausgesetzt. 121vgl. bverwg, urteil vom 24. november 1994 ‑ 3 c 2.93 ‑, juris rn. 40. 122ein anderes verständnis wäre zudem mit dem arzneimittelbegriff des § 2 abs. 1 satz 2 nr. 2 amg und art. 1 nr. 2 buchst. b) der richtlinie 2001/83/eg nicht zu vereinbaren. denn der anlage 1b der verordnung unterfallen die dort aufgeführten pflanzen dosisunabhängig und damit ungeachtet des umstandes, ob und in welcher menge sie tatsächlich nennenswert auf die menschlichen physiologischen funktionen einwirken. 1234. ist danach nicht von einer nennenswerten beeinflussung der physiologischen funktionen durch den gemischten kräutertee in der bestimmungsgemäßen dosierung auszugehen, kommt den von der bezirksregierung l. angeführten möglichen gesundheitsrisiken für die frage der arzneimitteleigenschaft keine relevanz zu. diese haben erst bei vorliegen der notwendigen voraussetzungen eines funktionsarzneimittels im rahmen der dann gebotenen gesamtbetrachtung bedeutung. 124der senat weist allerdings darauf hin, dass bei erreichen der schwelle von 10 mg sennosiden im teeaufguss die gesamtbetrachtung anhand aller über die zusammensetzung und wirkung hinausgehenden weiteren merkmale des erzeugnisses, insbesondere der modalitäten seines gebrauchs, den umfang seiner verbreitung, seine bekanntheit bei verbrauchern und die risiken, die seine verwendung mit sich bringen kann, dazu führen dürfte, dass ein arzneimittel vorliegt. 125insoweit ist im hinblick auf die modalitäten des gebrauchs, den umfang der verbreitung von sennesblättern und deren bekanntheit bei verbrauchern maßgeblich, dass weder vorgetragen noch erkennbar ist, dass sennesblätter als lebensmittel verzehrt werden bzw. dem verbraucher als lebensmittel bekannt sind. sie gehören vielmehr zu den am häufigsten gebrauchten pflanzlichen abführmitteln (vgl. wichtl, teedrogen und phytopharmaka, 6. aufl. 2016, s. 605) und sind in deutschland seit jahrzehnten als arzneimittel bekannt (siehe auch bverwg, urteil vom 16. februar 1971 ‑ i c 25.66 ‑, juris). die darreichungsform entsprechender präparate umfasst neben tabletten, kapseln, sirup und früchtewürfeln insbesondere tees, die von zahlreichen firmen angeboten werden. vor diesem hintergrund lässt der umstand, dass es sich bei den produkten um tees handelt, nicht den schluss zu, der verbraucher erwarte allein aufgrund der darreichungsform ein lebensmittel. 126anders als bei erzeugnissen im grenzbereich zwischen lebens- bzw. nahrungsergänzungsmittel und arzneimittel dürfte etwaigen gesundheitsrisiken bei einem therapeutisch wirksamen produkt kein maßgebliches gewicht zukommen. darüber hinaus ist auf der grundlage der bereits genannten wissenschaftlichen quellen (insbesondere des assessment reports des hmpc, der monographie der who und des bescheids des bfarm vom 21. juni 1996) nicht ersichtlich, dass von derartigen tees bei bestimmungsgemäßem gebrauch keine gefahren für die gesundheit ausgehen. zusammengenommen folgt aus diesen angaben, dass sennesblätterhaltige präparate sowohl von kindern jedenfalls unter 10 jahren als auch von schwangeren und stillenden (vorbehaltlich abweichender ärztlicher einschätzung) nicht eingenommen werden dürfen. zudem sind die erzeugnisse kontraindiziert bei darmverschluss, akut-entzündlichen erkrankungen des darms, abdominalen schmerzen unbekannter ursache und weiteren erkrankungen. die zahlreichen gegenanzeigen belegen, dass die wirkstoffe in derartigen tees auch bei einhaltung der dosisangabe nicht gesundheitlich unbedenklich sind, sondern ‑ wenn auch nur für bestimmte personenkreise ‑ potentiell mit gefahren für die gesundheit verbunden sind. dass diesen gesundheitsgefahren durch warnhinweise auf lebensmittelrechtlicher grundlage (vgl. art. 14 abs. 3 buchst. b) der verordnung nr. 178/2002/eg) ausreichend begegnet werden könnte, erscheint zweifelhaft. 127von dem vorstehenden ausgehend ist auch die auf die §§ 55 abs. 1, 60 und 63 vwvg nrw gestützte und auf den allein noch streitigen gemischten kräutertee bezogene zwangsgeldandrohung rechtswidrig und verletzt den kläger in seinen rechten. 128die kostenentscheidung folgt aus §§ 154 abs. 1, 161 abs. 2 vwgo. soweit gemäß § 161 abs. 2 vwgo über die kosten des erledigten teils des verfahrens (fünf teesorten) nach billigem ermessen zu entscheiden ist, ist es sachgerecht, dem kläger hinsichtlich des tees der sorte kirschstängel und dem beklagen land hinsichtlich der übrigen vier teesorten die kosten aufzuerlegen. für den kirschstängeltee weist der untersuchungsbericht des inpha vom 11. april 2018 einen wert von 17,7 mg hydroxyanthracenglykoside aus, der deutlich über der schwelle der therapeutischen wirksamkeit liegt und bei dem nach dem vorstehenden auch eine gesamtbetrachtung voraussichtlich zu keiner abweichenden beurteilung der arzneimitteleigenschaft geführt hätte. hinsichtlich der anderen tees wiederum wiesen sämtliche vorgelegten untersuchungsberichte entweder werte im aufguss oder im beutel unter 10 mg oder im beutel knapp oberhalb der grenze von 10 mg auf, die jedoch keinen sicheren schluss auf die im aufguss befindliche menge zuließen. 129die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit beruht auf § 167 vwgo i. v. m. §§ 708 nr. 10, 711 zpo. 130die revision ist nicht zuzulassen, weil kein zulassungsgrund im sinne des § 132 abs. 2 vwgo vorliegt.
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9 A 353/19
2022-08-30T00:00:00
Urteil
Tenor Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Revision wird zugelassen. 1Tatbestand: 2Die Beteiligten streiten um die Angaben „Ohne Alkohol (Ethanol)/Ohne Zuckerzusatz“ auf der äußeren Umhüllung (Faltschachtel) und dem Etikett eines Hustensaftes sowie die Angaben “ohne Alkohol (Ethanol)“, “enthält keinen Alkohol (Ethanol)“, „enthält kein Ethanol“ in der Gebrauchs- und Fachinformation. Soweit Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens auch Hustentropfen waren, ist das Verfahren durch Senatsbeschluss vom 20. Mai 2022 abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 9 A 1027/22 fortgeführt worden. 3Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erteilte der Klägerin am 22. Januar 2008 die Zulassung für das Fertigarzneimittel „Aspecton forte Hustensaft“ (Zulassungsnummer 00000.00.00). Nachfolgend wurde die Änderung der Bezeichnung in „Aspecton DS Hustensaft“ und später „Aspecton Hustensaft“ angezeigt. Zuletzt zeigte die Klägerin unter dem 18. Mai 2021 die Änderung der Bezeichnung in „Thymian Hustensaft L. N. “ an, die mit Bescheid vom 27. Juli 2021 genehmigt wurde. Dieses Produkt ist aktuell nicht im Handel. 4Das Arzneimittel enthält als Wirkstoff einen Dickextrakt aus Thymiankraut (1,7-2,5:1), Auszugsmittel: Ammoniaklösung 10 % (m/m), Glycerol 85 % (m/m), Ethanol 90 % (V/V), Wasser (1:20:70:109). Das im Auszugsmittel für den Thymiankrautextrakt enthaltene Ethanol wird im Herstellungsverfahren fast vollständig wieder entfernt. In der Extraktzubereitung befindet sich laut Spezifikation Ethanol nur noch in einer Menge von unter 0,10 %. In einer maximalen Einzeldosis des Fertigarzneimittels von 10 ml Hustensaft sind maximal 1,32 mg Ethanol enthalten. Als sonstiger Bestandteil ist Sorbitol als Süßstoff enthalten. Das Arzneimittel enthält nicht mehr natürlichen Zucker als der Ausgangsstoff Thymian; während des Herstellungsverfahrens wird kein Zucker zugesetzt. 5Das Arzneimittel wird angewendet „zur Besserung der Beschwerden bei Erkältungskrankheiten der Atemwege mit zähflüssigem Schleim, zur Besserung der Beschwerden bei akuter Bronchitis“. Es ist auch zur Anwendung bei Kindern ab 1 Jahr zugelassen und nicht verschreibungspflichtig. 6In dem durch den Zulassungsbescheid vom 22. Januar 2008 zugelassenen Text für die äußere Umhüllung (Faltschachtel) und das Etikett befand sich der Hinweis „Ohne Alkohol (Ethanol)/Ohne Zuckerzusatz“. In der Gebrauchsinformation war unter Ziffer 6 - nach der Angabe der sonstigen Bestandteile - der Hinweis enthalten: „Aspecton forte Hustensaft enthält keinen Alkohol (Ethanol)“. Im Abschnitt „Weitere Hinweise“ der Gebrauchsinformation war der folgende Text aufgeführt: „Aspecton forte Hustensaft ist ohne Alkohol (Ethanol) und daher auch für Patienten geeignet, die Alkohol (Ethanol) vermeiden müssen.“ In der Fachinformation hieß es unter Ziffer 6.1 nach der Liste der sonstigen Bestandteile: „Hinweis: Aspecton forte Hustensaft enthält kein Ethanol.“ 7Mit fristgerechtem Verlängerungsantrag vom 18. Juli 2012 legte die Klägerin gleichlautende Informationstexte und Texte für die äußere Umhüllung und das Etikett vor. Dem nach vorheriger Anhörung ergangenen Verlängerungsbescheid vom 3. Juni 2015, zugestellt am 9. Juni 2015, waren u. a. die folgenden Auflagen beigefügt: 8F1.: Die Angaben „Ohne Alkohol (Ethanol)/Ohne Zuckerzusatz“ sind auf der äußeren Umhüllung und dem Etikett zu streichen. 9F3.: In den Texten für die Packungsbeilage und die Fachinformation sind die Hinweise „…enthält keinen Alkohol“ zu streichen und können durch den Hinweis „Das Ethanol des Auszugsmittels wurde weitestgehend entfernt.“ ersetzt werden. 10F4.: In der Packungsbeilage ist unter weitere Hinweise der Satz: „ ... ist ohne Alkohol (Ethanol) und daher auch für Patienten geeignet, die Alkohol (Ethanol) vermeiden müssen“ zu streichen. 11In der Begründung zu Auflage F1. wurde ausgeführt, der Hinweis zur Alkohol- und Zuckerfreiheit sei nach § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG nicht als „weitere Angabe“ zulässig, weil er in der EU-„Guideline on the excipients in the label and package leaflet of medicinal products for human use“ (CPMP/463/00) nicht vorgesehen und bei dem apothekenpflichtigen Arzneimittel auch nicht notwendig sei. Die Angaben seien auch geeignet, das Produkt gegenüber vergleichbaren Arzneimitteln hervorzuheben, und daher werbewirksame Aussagen. Zur Begründung der in den Auflagen F3. und F4. vorgesehenen Streichungen wurde ausgeführt, auch wenn das Ethanol aus dem Auszugsmittel wieder entfernt werde, blieben immer kleine Restmengen zurück. Außerdem zähle auch das enthaltene Propylenglykol zu den Alkoholen. 12Den dagegen eingelegten Widerspruch wies das BfArM durch Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2015, zugestellt am 22. Dezember 2015, zurück. 13Am 20. Januar 2016 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Köln Klage erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt: Die Auflagen F1., F3. und F4. seien rechtswidrig. Die Beklagte habe die beanstandeten Hinweise in der erstmaligen Zulassung genehmigt. Eine Ermächtigungsgrundlage für die Aufhebung eines genehmigten Textes sei nicht ersichtlich. Es sei auch fraglich, ob im Hinblick auf „Entwarnungshinweise“ eine Auflagenbefugnis nach § 28 Abs. 2 AMG bestehe, denn durch die Entwarnung bestehe keine Gefahr für die Qualität und Unbedenklichkeit von Arzneimitteln. Es sei weiter fraglich, ob die Beklagte das ihr durch § 28 Abs. 2 AMG eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt, insbesondere die atypischen Besonderheiten des vorliegenden Falles hinreichend beachtet habe. Die Beklagte orientiere sich an abstrakten Guidelines oder Äußerungen von Expertengremien sowie einer möglichen Vorbildwirkung für andere Verfahren statt den konkreten Einzelfall zu prüfen. Die Auflagen seien unverhältnismäßig. Eine Änderung der im Rahmen der Erstzulassung für rechtmäßig gehaltenen Texte, ohne dass sich die Sach- oder Rechtslage geändert habe, verwirre die Patienten und Vertreter der Fachkreise und führe zu einer unnötigen wirtschaftlichen Belastung der Klägerin. 14Die beanstandeten Hinweise seien als sonstige Angaben nach § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG, § 11 Abs. 1 Satz 7 AMG und § 11a Abs. 1 Satz 6 AMG zulässig. Sie stünden mit der Anwendung des Arzneimittels in Zusammenhang und seien für die gesundheitliche Aufklärung wichtig. Hierzu genüge es, dass die Angaben der gesundheitlichen Aufklärung dienlich seien. Dies sei bei allen Angaben der Fall, die das Einnahmeverhalten, die Compliance, verbesserten. Insbesondere sei die Angabe „Ohne Alkohol (Ethanol)“ geboten, weil sie die aus der Sicht eines durchschnittlich informierten, verständigen Patienten verwirrende Pflichtangabe zum Extraktionsmittel „Ethanol“ klarstelle. Der Unsicherheit könne auch nicht durch die Abgabe in der Apotheke hinreichend begegnet werden. Der Entwarnungspflicht könne der pharmazeutische Unternehmer nur dadurch nachkommen, dass er auf der Faltschachtel einen kurzen und prägnanten Hinweis anbringe, wie es „ohne Alkohol“ sei. Dies werde vom Verbraucher dahingehend verstanden, dass der etwa noch vorhandene Alkohol keinen nennenswerten Effekt entfalte, und sei daher auch inhaltlich zutreffend. Die Excipients-Guideline schreibe nur Warnungen vor und enthalte daher keine abschließende Regelung im Hinblick auf Entwarnungshinweise. Auch der Hinweis „ohne Zuckerzusatz“ sei zulässig. Die Angabe enthalte eine für alle Verbrauchergruppen, insbesondere aber für Diabetiker, wichtige und verständliche Mitteilung und verbessere das Einnahmeverhalten. 15Es handele sich auch nicht um unzulässige werbliche Aussagen. Das Merkmal des werbewirksamen Effekts dürfe nicht in die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes zur Zulässigkeit von weiteren Angaben hineingelesen werden, weil dies vorliegend keine Grundlage in Art. 62 der Richtlinie 2001/83/EG finde. Bei Hustensaft bestehe auch die Besonderheit, dass wegen der Produktkategorie sowie der sirupartigen Konsistenz das Vorhandensein von Zucker angenommen werde, sodass eine Entwarnung erforderlich sei. Es sei ein Anliegen des öffentlichen Gesundheitsschutzes, auf Produkte ohne zahnschädigenden Zucker hinzuweisen, wenn zahlreiche zuckerhaltige Produkte auf dem Markt seien. Schließlich sei die zurückhaltende Präsentation des Arzneimittels von der Beklagten im Rahmen der Ermessensentscheidung überhaupt nicht berücksichtigt worden. Der Hinweis auf die Alkohol- und Zuckerfreiheit befinde sich auf der Rückseite der Verpackung unter den Einnahmehinweisen und sei damit für den Patienten auch bei der Platzierung im Sichtwahlbereich der Apotheken nicht erkennbar. 16Die Klägerin hat beantragt, 17die Auflagen F1., F3. und F4. im Verlängerungsbescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 3. Juni 2015 für das Fertigarzneimittel „Aspecton Hustensaft“ in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2015 aufzuheben. 18Die Beklagte hat beantragt, 19die Klage abzuweisen. 20Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen: Die Auflagenbefugnis ergebe sich aus § 28 Abs. 2 AMG. Die Feststellung einer konkreten Gefährdung sei bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 und Abs. 2 AMG nicht erforderlich. Der Umstand, dass die beanstandeten Hinweise zuvor genehmigt worden seien, sei nicht bedeutsam. Die Verlängerung nach § 31 AMG diene auch der Kontrolle der Zulassungsentscheidung, soweit es nicht um die Beurteilung der Wirksamkeit gehe. 21Die Texte seien unzulässig. Der Gesetzgeber habe sich dafür entschieden, das Vorhandensein von potentiell gesundheitsschädlichen Zusatzstoffen in Fertigarzneimitteln, also auch von Alkohol und Zucker, ausschließlich positiv zu normieren. Falls derartige Stoffe in einer gesundheitsrelevanten Menge beigefügt seien, müsse nach § 10 Abs. 2 AMG, § 11 Abs. 2 AMG ein Warnhinweis aufgenommen werden. Die Arzneimittelwarnhinweisverordnung sowie die europäische Excipients-Guideline bestimmten abschließend, für welche Art und Menge von Stoffen ein Warnhinweis verpflichtend sei. 22Der Hinweis auf das Fehlen von Alkohol auf Etikett und Faltschachtel sei nicht als „weitere Angabe“ zulässig, weil die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG nicht erfüllt seien. Er sei schon unrichtig, weil das Arzneimittel Alkohol in sehr geringer Menge enthalte. Ein Stoff, der in einer nicht gesundheitsgefährdenden Menge enthalten sei, könne auch nicht für die Anwendung eines Arzneimittels von Bedeutung sein. Eine „Risikokommunikation“ müsse daher nicht stattfinden. Die Verbesserung der Compliance könne durch solche Hinweise nicht erreicht werden. Eine Angabe, die auf das Fehlen eines bestimmten Stoffes hinweise, sei zudem grundsätzlich werblich. Diese Auffassung werde auf europäischer Ebene geteilt, etwa im Hinblick auf „Gluten“. Der Hinweis befinde sich zwar auf der Rückseite der Faltschachtel, sei aber durch Schrift und Form deutlich von dem übrigen Text abgehoben und habe damit auch durch die Gestaltung einen werbenden Charakter. Im vorliegenden Fall bestehe zwar die Besonderheit, dass für die Herstellung des Wirkstoffs Ethanol als Auszugsmittel verwendet werde und daher auch auf der äußeren Umhüllung genannt werden müsse, und zwar ungeachtet der im Endprodukt noch enthaltenen Restmengen von Ethanol. Die hierdurch möglicherweise entstehenden Fragen würden seitens der Klägerin jedoch in einer völlig unrealistischen und überzogenen Weise dargestellt. Auch die Angabe „ohne Zuckerzusatz“ auf dem Etikett sei nicht als „weitere Angabe“ zulässig. Da Zucker nicht in einer warnhinweispflichtigen Menge enthalten sei, sei der Hinweis nicht für die gesundheitliche Aufklärung der Verbraucher wichtig. Die Regelungen zur Kennzeichnung von diätetischen Lebensmitteln seien aufgehoben worden. Lediglich der Zusatz „zuckerfrei“ werde in den europäischen Arbeitsgruppen zur Formulierung der Informationstexte bei zentral zugelassenen Arzneimitteln diskutiert und im Einzelfall als zulässig erachtet. Die Angabe „ohne Zuckerzusatz“ sei ebenfalls als werbliche Aussage einzuordnen. 23Aus denselben Gründen sei auch der Hinweis auf das Fehlen von Alkohol in der Packungsbeilage sowie der Fachinformation unzulässig. Er sei nicht zutreffend. Da der Alkoholgehalt unterhalb der Schwelle für einen Warnhinweis liege, gebe es auch keine Rechtsgrundlage für diese Angabe. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 d AMG dürften unter Ziffer 6 der Gebrauchsinformation nur im Arzneimittel aufzulistende Bestandteile genannt werden. Eine Negativangabe sei nicht vorgesehen. Im Feld „Weitere Hinweise“ sei nur die Aussage zulässig, wonach Alkohol im Arzneimittel nur noch in einer sehr geringen Menge vorhanden sei. Auch in der Fachinformation könne das Fehlen von Alkohol keinesfalls unter Ziffer 6.1 „Liste der sonstigen Bestandteile“ aufgeführt werden, da die Menge des noch enthaltenen Alkohols nicht als sonstiger Bestandteil zu nennen sei. 24Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 27. November 2018 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte sei gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 in Verbindung mit § 28 Abs. 2 Nr. 1 AMG berechtigt gewesen, der Klägerin durch die Auflage F1. die Streichung des Hinweises „Ohne Alkohol (Ethanol)/Ohne Zuckerzusatz“ auf der äußeren Umhüllung und dem Etikett des Behältnisses aufzugeben, weil dieser nicht nach § 10 AMG zulässig sei. Zulässig seien weitere Angaben nach § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG, wenn sie einen Bezug zur Anwendung des konkreten Arzneimittels und damit in erster Linie gebrauchssichernde Funktion hätten. Fehlende Bestandteile, wie z.B. Alkohol oder Zucker, hätten keine Auswirkung auf die Gesundheit des Patienten und entsprechende Hinweise seien daher für die Anwendung des Arzneimittels nicht relevant. Darüber hinaus ergebe sich aus der Zweckbestimmung der verschiedenen Informationstexte und der Konzeption der gesetzlichen Regelungen in §§ 10 ff. AMG, die in Übereinstimmung mit den Art. 54 ff. Richtlinie 2001/83/EG auszulegen seien, eine abschließende Regelung zur Angabe der sonstigen Bestandteile eines Arzneimittels auf der äußeren Umhüllung oder dem Etikett. Die Angabe „ohne Alkohol“ sei zudem irreführend, weil das Endprodukt geringe Restmengen Ethanol aus der Arzneimittelherstellung enthalte. Auch die Angabe „ohne Zuckerzusatz“ sei mit § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG nicht vereinbar. Zwar bestehe im Hinblick auf die Zahngesundheit sowie für Diabetiker ein anerkennenswertes Informationsinteresse von Patienten. Der Hinweis auf den fehlenden Zuckerzusatz könne jedoch in der Packungsbeilage gegeben werden. Wegen der fehlenden Vereinbarkeit mit § 10 AMG habe das BfArM nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 AMG die Streichung anordnen dürfen. Einer zusätzlichen konkreten Gefahr für die Arzneimittelsicherheit bedürfe es bei der Anwendung der Auflagenermächtigung nicht. Auch die Ermessensentscheidung sei rechtlich nicht zu beanstanden, die Auflage F1. sei nicht unverhältnismäßig. 25Die Auflagen F3. und F4. seien ebenfalls rechtmäßig. Rechtsgrundlage für die Regelungen sei § 28 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 i. V .m. § 28 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 2a AMG. Die Klägerin verwende auch in der Packungsbeilage und der Fachinformation die pharmazeutisch unzutreffende und irreführende Formulierung „ohne Alkohol“. Der Begriff „ohne Alkohol“ könne in der Packungsbeilage nur dann synonym mit einer irrelevanten Restmenge benutzt werden, wenn insofern eine einheitliche Definition durch die hierfür zuständige Europäische Kommission im Rahmen der Excipients-Guideline vorliegen würde. Dies sei jedoch bislang nicht der Fall. 26Dagegen hat die Klägerin die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt und ergänzt sie ihr erstinstanzliches Vorbringen und führt im Wesentlichen aus: Die ursprünglich genehmigten Angaben klärten über unverständliche Pflichttexte und irrige Verbrauchererwartungen, auch aufgrund der Produktkategorie, auf, es seien beträchtliche Mengen Alkohol und Zucker im Produkt enthalten. Die Pflichtangabe „Ethanol 90 % (V/V)“ auf der Umverpackung werde vom Verbraucher teilweise mit Alkohol in Verbindung gebracht, was auch durch den kräftigen Kräutergeschmack unterstützt werde. Die sirupartige Konsistenz des Hustensaftes suggeriere einen hohen Zuckergehalt. Die Angabe „ohne Alkohol (ohne Ethanol)/ohne Zuckerzusatz“ habe einen gebrauchssichernden Bezug zur Anwendung des konkreten Arzneimittels durch den Kranken, weil damit ungewöhnlichem Einnahmeverhalten (z.B. Einnahme von zu geringen Mengen oder Nichteinnahme zur Nacht) vorgebeugt werde. Das Informationsbedürfnis erkenne auch das Verwaltungsgericht an. Die Vermittlung der sachlichen und inhaltlich zutreffenden Informationen sei auch keine Werbung. Die Information „ohne Alkohol“ sei aus Sicht eines Patienten zutreffend, der daraufhin davon ausgehe, dass das Produkt keinen negativen gesundheitlichen Effekt auf ihn haben könne und auch für Patienten geeignet sei, die Alkohol vermeiden müssten. Dass einige Moleküle Alkohol im Produkt enthalten sein möchten, im Übrigen weniger als in vielen Lebensmitteln, sei für ihn vollkommen irrelevant. Die hier gewählte Art und Weise der Risikokommunikation über Entwarnungen sei marktüblich und funktioniere, d. h. sie werde vom Verbraucher verstanden, und besonders für vulnerable Patientengruppen von Bedeutung. 27Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, Entwarnungshinweise seien grundsätzlich nach § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG nicht zulässig, sei vom Wortlaut sowie vom Sinn und Zweck der Vorschrift nicht gedeckt. Hier werde offenbar ein zusätzliches Kriterium der Notwendigkeit in die Vorschrift hineingelesen. Art. 62 der Richtlinie 2001/83/EG in seiner nationalen Umsetzung sei keine Ausnahmevorschrift zu Pflichtangaben, sondern eine selbständige Regelung zur Zulässigkeit freiwilliger zusätzlicher Angaben. Aus der englischen und französischen Fassung ergebe sich der Sinn und Zweck der Vorschrift, ergänzende freiwillige Angaben zu erlauben, die für den Patienten nützlich seien („useful“, „utiles“). Eine einengende Auslegung der Bestimmung sei auch nach Art. 60 der Richtlinie 2001/83/EG nicht zulässig. Die Angaben „ohne Alkohol“ und „ohne Zuckerzusatz“ wiesen darauf hin, dass das Produkt keine relevanten, wahrnehmbaren Mengen an Alkohol enthalte und ihm kein Zucker zugesetzt worden sei, was für Patienten, Eltern und Fachkreise eine nützliche Information sei. Die kurze Botschaft sei auf das Wesentliche begrenzt, daher auch keine Werbung, und habe sich bewährt. 28Mit dem Hinweis „ohne Alkohol“ werde die auch in der aktuellen Excipients-Guideline vorgesehene Information transportiert, dass die geringe Alkoholmenge im Arzneimittel keine wahrnehmbaren Auswirkungen habe. Im Übrigen konkretisiere die Guideline lediglich Pflichtangaben (Mindestangaben) zu Arzneiträgerstoffen - soweit diese gezielt und funktionsmäßig im Endprodukt eingesetzt und nicht nur als Extraktionsmittel verwendet und verdampft würden - und enthalte keine abschließende, bindende Konkretisierung zu freiwilligen zusätzlichen Angaben nach Art. 62 der Richtlinie 2001/83/EG. Sogar im Hinblick auf Pflichtangaben zu Ethanol als Auszugsmittel stehe sie nur gleichberechtigt neben anderen Guidelines (z.B. zur Herbal Declaration Guideline). Umgekehrt lasse sich aus den Vorgaben der Guideline zu Gluten, Kalium und Natrium ableiten, dass Informationen über das Fehlen von Stoffen (Entwarnungen), auch und gerade wenn unbedenkliche Molekülmengen noch im Produkt enthalten seien, wichtig sein könnten. Es liege auch keine Irreführung vor, da die verbleibenden Moleküle für den Patienten irrelevant seien. 29Ferner dürften die gleichlautenden Tatbestandsmerkmale in § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG (Umverpackung) und § 11 Abs. 1 Satz 7 AMG (Packungsbeilage) nicht unterschiedlich ausgelegt werden. Wegen des Pflichthinweises zu Ethanol auf der Umverpackung müsse auch die Information über den fehlenden Alkoholgehalt dort erfolgen dürfen. Für den befürchteten „Dammbruch“ sei nichts erkennbar, zumal es um Besonderheiten von Phytopharmaka gehe, nicht aber um Angaben wie halal und koscher oder Biosiegel. Schließlich sei § 28 AMG bei reinen Zweckmäßigkeitserwägungen unanwendbar und die Auflage unverhältnismäßig. 30Die Klägerin beantragt, 31das angefochtene Urteil zu ändern und die Auflagen F1., F3. und F4. im Verlängerungsbescheid des BfArM vom 3. Juni 2015 für das Fertigarzneimittel „Aspecton Hustensaft“ in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2015 aufzuheben, 32hilfsweise, 33Beweis zu erheben über die Frage, dass nach dem jeweils bestehenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand die Angaben „ohne Alkohol (Ethanol)/ohne Zuckerzusatz“ mit der Anwendung des streitgegenständlichen Produkts im Zusammenhang stehen und für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten wichtig sind und insbesondere keine medizinisch-pharmazeutisch fehlerhafte Information vermitteln. 34Die Beklagte beantragt, 35die Berufung zurückzuweisen. 36Zur Begründung verweist sie auf das erstinstanzliche Verfahren, das rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 28. September 2021 - 7 K 5222/18 - zu Gluten und trägt ergänzend vor: Seit der Urteilsverkündung habe das BfArM eine nennenswerte Anzahl von pharmazeutischen Unternehmen abschließend davon überzeugen können, ihre vergleichbaren „frei von“-Kennzeichnungen auf äußeren Umhüllungen ihrer Arzneimittel auch durchaus bekannter Marken zu entfernen. Bei Zulassungs- und Verlängerungsanträgen oder Änderungsanzeigen würden entsprechende Beanstandungen ausgesprochen. Damit werde dem Gleichheitssatz genügt. Für die Verständlichkeit von Wirkstoffangaben sei es nicht erforderlich, dass Verbraucher diese im Einzelnen zutreffend einordnen könnten. Das streitgegenständliche Arzneimittel sei nicht zuckerfrei; dass kein Zucker zugesetzt werde, sei für den Ist-Zustand des Arzneimittels irrelevant. Ein Informationsbedürfnis bestimmter Adressaten werde nicht bestritten. Der Klägerin gehe es aber um die Platzierung der Angabe „ohne Alkohol (Ethanol)/ohne Zuckerzusatz“ auf der äußeren Umhüllung bzw. dem Etikett. Mit anderen Worten und damit in einer sowohl verständlichen als auch zutreffenden Art und Weise seien diese Informationen an anderer Stelle der informativen Texte möglich. Die Guidelines seien als Auslegungshilfe beachtlich. Es streite für die Auffassung der Beklagten, dass für die Angaben „ohne Alkohol“ und “ohne Zuckerzusatz“ keine Regelungen seitens der Gremien getroffen worden seien. Das Verwaltungsgericht Köln habe in der Gluten-Entscheidung bekräftigt, dass § 10 Abs. 1 Satz 5 und § 11 Abs. 1 Satz 7 AMG als Ausnahmebestimmung eng zu interpretieren seien und die weiteren Angaben einen besonderen Bezug zur genehmigten Anwendung des Arzneimittels, insbesondere zum Anwendungsgebiet und den Modalitäten der Einnahme des Präparats, haben müssten. 37Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. 38Entscheidungsgründe: 39Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. 40A. Die Klage ist gemäß § 42 Abs. 1 VwGO als Anfechtungsklage gegen die dem Verlängerungsbescheid des BfArM beigefügten Auflagen statthaft, 41vgl. nur BVerwG, Urteil vom 18. Mai 2010 - 3 C 25.09 -, A&R 2010, 186 = juris Rn. 12, m. w. N., 42und auch im Übrigen zulässig. 43B. Die Klage ist aber unbegründet. 44Die Auflagen F1., F3. und F4. im Verlängerungsbescheid des BfArM vom 3. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2015 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. 45I. Rechtsgrundlage für die Auflagen ist § 28 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 2a AMG. 461. Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 AMG kann die zuständige Bundesoberbehörde die Zulassung mit Auflagen verbinden. Auflagen können angeordnet werden, um sicherzustellen, dass die Kennzeichnung der Behältnisse und äußeren Umhüllungen den Vorschriften des § 10 AMG (§ 28 Abs. 2 Nr. 1 AMG), die Packungsbeilage den Vorschriften des § 11 AMG (§ 28 Abs. 2 Nr. 2 AMG) und die Fachinformation den Vorschriften des § 11a AMG entspricht (§ 28 Abs. 2 Nr. 2a AMG). 47Die Regelungen in § 28 Abs. 2 Nr. 1 bis 2a AMG erfassen nicht nur die Pflichtangaben, sondern ermöglichen Auflagen auch bezüglich der weiteren Angaben, die - wenn der pharmazeutische Unternehmer hiervon Gebrauch macht - den Zulässigkeitsvoraussetzungen in § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG, § 11 Abs. 1 Satz 7 AMG, § 11a Abs. 1 Satz 6 AMG entsprechen müssen. 48Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. November 2013 ‑ 13 A 2895/11 -, MedR 2015, 203 = juris Rn. 47. 49Die Auflagenbefugnis gilt ferner nicht nur bei erstmaliger Zulassung, sondern auch für die - hier erfolgte - Verlängerung der Zulassung nach § 31 Abs. 3 AMG. 50Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. April 2020 - 3 C 22.18 -, NWVBl. 2020, 460 = juris Rn. 25 ff. 512. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, steht der Anwendbarkeit des § 28 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 2a AMG als Rechtsgrundlage für die Auflagen F1., F3. und F4. nicht entgegen, dass das BfArM die beanstandeten Angaben, die teilweise auf eine vergleichsweise Einigung im Klageverfahren VG Köln 7 K 705/05 zurückgehen, ursprünglich mit der Zulassung vom 22. Januar 2008 akzeptiert hat. Einer Ermächtigung zu einem Teilwiderruf oder einer Teilrücknahme eines Verwaltungsakts bedarf es insoweit entgegen der Auffassung der Klägerin nicht. 52Im Verfahren der Verlängerung der Zulassung ist zu prüfen, ob die gesetzlichen Vorgaben der §§ 10, 11 und 11a AMG eingehalten werden. Das Arzneimittelgesetz hat dies allerdings nicht als Versagungsgrund für die Zulassungsverlängerung eines Arzneimittels ausgestaltet, sondern hierfür das mildere Mittel der Auflagenbefugnis vorgesehen. 53Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. April 2020 - 3 C 22.18 -, a. a. O., juris Rn. 26. 54Eine Änderung der Sach- oder Rechtslage ist dementsprechend keine Voraussetzung für den Erlass einer solchen Auflage. Mit der Zulassung eines Arzneimittels wird insoweit kein Vertrauenstatbestand geschaffen. Dies zeigt auch die nicht durch weitere Voraussetzungen eingeschränkte Befugnis nach § 28 Abs. 1 Satz 4 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 bis 2a AMG, jederzeit nach der Erteilung einer arzneimittelrechtlichen Zulassung Auflagen anordnen zu können, also auch nachträgliche Auflagen im Hinblick auf die Kennzeichnung und die Informationstexte, wenn diese nicht mit den Vorschriften der §§ 10 bis 11a AMG übereinstimmen. 553. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Auflagen ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, hier bei Erlass des Widerspruchsbescheids. 56Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. April 2020 - 3 C 22.18 -, a. a. O., juris Rn. 11. 57Dies entspricht allgemeinen Grundsätzen bei Anfechtungsklagen, wenn sich aus dem maßgebenden materiellen Recht - wie hier - für die Zeitpunktfrage nichts anderes ergibt. Damit ist im vorliegenden Verfahren zu klären, ob bei Erlass des Widerspruchsbescheids die beanstandeten Hinweise unzulässig und die Auflagen rechtmäßig waren. Dies bedeutet zugleich, dass die Beklagte die Auflagen nicht von sich aus unter Kontrolle halten und fortdauernd überprüfen muss. 58Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 17. September 2021 - 3 C 20.20 -, juris Rn. 13 (für einen Feststellungsbescheid nach § 21 Abs. 4 Satz 1 AMG). 59II. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung von Auflagen nach § 28 Abs. 2 AMG sind sowohl hinsichtlich der Auflage F1. (dazu 1.) als auch der Auflagen F3. und F4. (dazu 2.) gegeben. 601. Die Auflage F1., wonach die Angaben „Ohne Alkohol (Ethanol)/Ohne Zuckerzusatz“ auf der äußeren Umhüllung und dem Etikett zu streichen sind, stellt im Sinne von § 28 Abs. 2 Nr. 1 AMG sicher, dass die Kennzeichnung der Behältnisse und äußeren Umhüllungen den Vorschriften des § 10 AMG entspricht. Die Angabe „ohne Alkohol (Ethanol)“ ist ebenso gemäß § 10 AMG unzulässig (dazu a.) wie die Angabe „ohne Zuckerzusatz“ (dazu b.). 61a. Die Angabe „ohne Alkohol (Ethanol)“ auf der äußeren Umhüllung und dem Etikett entspricht nicht den Vorgaben des § 10 AMG. 62Sie ist - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - keine arzneimittelrechtliche Pflichtangabe im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 8 oder § 10 Abs. 2 AMG. Warnhinweise im Sinne der letztgenannten Vorschrift forderte die bei Erlass des Widerspruchsbescheids geltende Arzneimittelwarnhinweisverordnung (vom 21. Dezember 1984 in der vom 29. September 1990 bis zum 31. Mai 2022 geltenden Fassung) erst ab 0,05 g Ethanol in der maximalen Einzelgabe nach der Dosierungsanleitung (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a, § 2 Abs. 1 Nr. 1). Hier beträgt der Gehalt aber lediglich 1,32 mg in der maximalen Einzeldosis von 10 ml Hustensaft, also rund 0,001 g. Zudem geht es nicht um einen Hinweis auf Ethanol, sondern auf das Fehlen des Stoffes. 63Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Angabe „ohne Alkohol (Ethanol)“ auch nicht als weitere Angabe nach § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG zulässig. 64Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG sind weitere Angaben, die - wie hier - nicht durch eine Verordnung der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union vorgeschrieben oder bereits nach einer solchen Verordnung zulässig sind, zulässig, soweit sie mit der Anwendung des Arzneimittels im Zusammenhang stehen, für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten wichtig sind und den Angaben nach § 11a AMG nicht widersprechen. 65Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. 66Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14. Januar 2016 - 13 A 2552/13 -, juris Rn. 26; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, 131. Lief. 2016, § 10 Anm. 74. 67Wegen des Zusammenhangs mit der Anwendung des Arzneimittels sind nur solche Informationen wichtig für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten, die eine gebrauchssichernde Funktion haben. 68Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. August 2013 ‑ 13 A 2862/12 -, juris Rn. 5; Pannenbecker, in: Kügel/Müller/Hofmann, Arzneimittelgesetz, 3. Auflage 2022, § 10 Rn. 48; Zimmermann, in: Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, Arzneimittelrecht, 3. Auflage 2020, § 28 Rn. 37. 69Mit der restriktiven Zulassung weiterer Angaben soll verhindert werden, dass die Patienten von den Pflichtinformationen abgelenkt werden, mit denen die ordnungsgemäße Anwendung des Arzneimittels erreicht werden soll. 70Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. April 2020 - 3 C 22.18 -, a. a. O., juris Rn. 13, sowie Vorlagebeschluss vom 8. November 2018 - 3 C 2.17 -, juris Rn. 22; OVG NRW, Beschlüsse vom 26. Oktober 2015 - 13 A 2598/14 -, A&R 2015, 277 = juris Rn. 17, und vom 14. Januar 2016 - 13 A 2552/13 -, juris Rn. 37; BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 - I ZR 161/11 -, PharmR 2013, 491 = juris Rn. 15. 71Die Kennzeichnung des Behältnisses und der äußeren Umhüllung bestimmt die Identität des Arzneimittels nach seiner stofflichen Zusammensetzung und Herkunft. Zu Deklarationsangaben zur stofflichen Zusammensetzung treten Angaben hinzu, die grundlegende Informationen für die Anwendung des Arzneimittels liefern. 72Vgl. Fuhrmann, in: Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, a. a. O., § 8 Rn. 9; Kloesel/Cyran, a. a. O., § 10 Anm. 1. 73Die Anforderungen an zulässige ergänzende Angaben sind daher streng. 74Vgl. OLG München, Beschluss vom 9. April 2020 - 29 U 5126/19 -, PharmR 2020, 406 = juris Rn. 3; OLG Frankfurt, Urteil vom 24. Mai 2018 - 6 U 46/17 -, A&R 2018, 185 = juris Rn. 21. 75Für die gesundheitliche Aufklärung wichtig im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG sind allerdings nicht nur Informationen, die unverzichtbar sind. Denn Informationen, die für eine sichere Anwendung des Arzneimittels erforderlich sind, gehören bereits zu den Pflichtangaben. Ausreichend ist vielmehr, dass die Angaben zur sachgerechten Anwendung des Arzneimittels förderlich sind und ihnen damit eine gebrauchssichernde Funktion zukommt. Dies wird umso eher anzunehmen sein, je dichter der Zusammenhang der freiwilligen Angabe zu den gesetzlich angeordneten Pflichtinformationen ist. Grundsätzlich zulässig sind daher Erläuterungen zu den Wirkungszusammenhängen sowie Anwendungshinweise zur Herbeiführung des gewünschten Behandlungserfolgs. 76Vgl. BVerwG, Vorlagebeschluss vom 8. November 2018 - 3 C 2.17 -, juris Rn. 22 f. 77Bei der Bestimmung der Anforderungen an die Zulässigkeit weiterer Angaben ist Art. 62 Richtlinie 2001/83/EG zu berücksichtigen. § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG dient der Umsetzung dieser Bestimmung und ist deshalb richtlinienkonform auszulegen. 78Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 5. August 2013 - 13 A 2862/12 -, PharmR 2013, 463 = juris Rn. 5, und vom 14. Januar 2016 - 13 A 2552/13 -, juris Rn. 13, 20. 79Nach Art. 60 Richtlinie 2001/83/EG vom 6. November 2001 (ABl. L 311 vom 28. November 2001, S. 67) dürfen die Mitgliedstaaten das Inverkehrbringen von Arzneimitteln in ihrem Hoheitsgebiet nicht aus Gründen, die mit der Etikettierung oder der Packungsbeilage zusammenhängen, untersagen oder verhindern, sofern diese mit den Vorschriften dieses Titels übereinstimmen. Nach Art. 62 Richtlinie 2001/83/EG in der Fassung der Richtlinie 2004/27/EG vom 31. März 2004 (ABl. L 136 vom 30. April 2004, S. 34) können die äußere Umhüllung und die Packungsbeilage zur Veranschaulichung einiger der in den Artikeln 54 und 59 Absatz 1 genannten Informationen Zeichen oder Piktogramme sowie weitere mit der Zusammenfassung der Merkmale des Erzeugnisses zu vereinbarende Informationen enthalten, die für den Patienten wichtig sind; nicht zulässig sind Angaben, die Werbecharakter haben können. 80Die letztgenannte Vorschrift verlangt keine unionsrechtskonforme Auslegung des § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG dahingehend, dass aus Gründen des Unionsrechts weniger strenge Anforderungen an weitere Hinweise bei der Kennzeichnung von Arzneimitteln als die vorstehend beschriebenen zu stellen sind. 81Offen gelassen von OVG NRW, Beschluss vom 5. August 2013 - 13 A 2862/12, a. a. O., juris Rn. 5. 82Wichtig für den Patienten im Sinne von Art. 62 Richtlinie 2001/83/EG sind nur solche Informationen, die einen Bezug zur Anwendung des konkreten Arzneimittels durch den Kranken und damit in erster Linie eine gebrauchssichernde Funktion haben. Dass die Informationen auch unionsrechtlich der gesundheitlichen Aufklärung in Bezug auf die Anwendung des konkreten Arzneimittels dienen müssen, folgt schon aus der Verwendung des Worts „Patienten“ statt des Begriffs „Verbraucher“. Ferner ergibt sich dieses Verständnis aus Sinn und Zweck der Kennzeichnungsbestimmungen, im Interesse der Gesundheitsvorsorge und Arzneimittelsicherheit die Patienten zu unterrichten, damit sie das Arzneimittel auf der Grundlage vollständiger und verständlicher Informationen ordnungsgemäß anwenden können. 83Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 5. August 2013 - 13 A 2862/12 -, a. a. O., juris Rn. 5 ff., und vom 14. Januar 2016 - 13 A 2552/13 -, juris Rn. 21; BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 - I ZR 161/11 -, a. a. O., juris Rn. 10; Kloesel/Cyran, a. a. O., § 10 AMG Anm. 1; Pannenbecker, in: Kügel/Müller/Hofmann, a. a. O., § 10 Rn. 3 und 47 ff.; kritisch Rehmann, Arzneimittelgesetz, 5. Auflage 2020, § 10 Rn. 3. 84Diese Zielrichtung lässt sich auch aus den Erwägungsgründen der Richtlinie 2001/83/EG in ihrer ursprünglichen Fassung ableiten, deren Erwägungsgrund 2 zunächst den allgemeinen Gesetzeszweck des wirksamen Schutzes der öffentlichen Gesundheit betont. Nach Erwägungsgrund 40 müssen die Bestimmungen über die Unterrichtung der Patienten ein hohes Verbraucherschutzniveau gewährleisten, so dass die Arzneimittel auf der Grundlage vollständiger und verständlicher Informationen ordnungsgemäß angewandt werden können. 85Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der ursprüngliche Wortlaut des Art. 62 Richtlinie 2001/83/EG, wonach die Angaben „für die gesundheitliche Aufklärung wichtig“ sein mussten, durch die Richtlinie 2004/27/EG in „für den Patienten wichtig“ geändert worden ist. Dass damit eine sachliche Änderung, insbesondere eine weitergehende Zulassung von freiwilligen Angaben gewollt war, lässt sich dem Wortlaut nicht entnehmen. Für den Patienten ist das wichtig, was seiner gesundheitlichen Aufklärung in Bezug auf die Anwendung des konkreten Arzneimittels dient. Aus den Erwägungsgründen und sonstigen Materialien ergibt sich ebenfalls nichts dafür, dass eine gebrauchssichernde Funktion nicht mehr verlangt oder anderweitig die Anforderungen an weitere Angaben gelockert werden sollten. Dem Erwägungsgrund 16 des Kommissionsentwurfs zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG (KOM(2001) 404 endg., ABl. C 75 E vom 26. März 2002, S. 216) lässt sich zwar das Anliegen der EU-Kommission entnehmen, den Informationsbedürfnissen und Erwartungen von Patienten nachzukommen, zugleich wird aber auch hier der Zusammenhang mit der ordnungsgemäßen Verwendung des Arzneimittels betont und ist von strengen Bedingungen die Rede. In den verabschiedeten Erwägungsgründen der Richtlinie 2004/27/EG heißt es zudem lediglich, im Zusammenhang mit der ordnungsgemäßen Verwendung des Arzneimittels sollten die Rechtsvorschriften über die Verpackung auf der Grundlage der gewonnenen Erfahrungen angepasst werden (Erwägungsgrund 21). Daraus lässt sich insgesamt nicht ableiten, dass in Bezug auf weitere Angaben nun großzügigere Maßstäbe gelten sollten, zumal mit der Richtlinie 2004/27/EG umfangreiche Änderungen der Art. 54 ff. Richtlinie 2001/83/EG verabschiedet worden sind. 86Von einer inhaltlichen Änderung ist auch der nationale Gesetzgeber offenbar nicht ausgegangen, der die Änderung des Art. 62 durch die Richtlinie 2004/27/EG in § 10 Abs. 1 AMG dahingehend in nationales Recht umgesetzt hat, dass aus der Formulierung „für die gesundheitliche Aufklärung wichtig“ im damaligen § 10 Abs. 1 Satz 3 AMG „für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten wichtig“ im neuen § 10 Abs. 1 Satz 4 AMG wurde. 87§ 10 AMG in der ab dem 6. September 2005 gültigen Fassung des 14. Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 29. August 2005; dazu BT-Drs. 15/5316, S. 7, 31 und 34; vgl. auch Pannenbecker, in: Kügel/Müller/Hofmann, a. a. O., § 10 Rn. 47. 88Die vorstehenden Ausführungen zum Verständnis des Art. 62 Richtlinie 2001/83/EG zugrunde gelegt, lässt sich schließlich entgegen der Auffassung der Klägerin ein gegenüber § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG weiteres Verständnis der Richtlinienvorgabe auch nicht daraus entnehmen, dass andere Sprachfassungen des Art. 62 Richtlinie 2001/83/EG, etwa die englische und französische, formulieren, dass die Informationen für den Patienten „nützlich“ („useful“, „utiles“) sein müssen. 89Den so verstandenen Anforderungen an weitere Angaben genügt die Angabe „ohne Alkohol (Ethanol)“ auf der Faltschachtel und dem Etikett des Hustensaftes nicht. 90Diese Information ist schon deshalb für den Patienten weder wichtig noch nützlich, weil sie nicht zutrifft. Denn es ist unstreitig noch eine geringe Menge Alkohol (Ethanol) im Endprodukt enthalten. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht haben die Beteiligten sich anhand einer Berechnung des BfArM darauf verständigt, dass beim Hustensaft maximal 1,32 mg Ethanol in einer Einzeldosis von 10 ml enthalten ist. Ob dies, wie die Klägerin im Berufungsverfahren betont, nur wenige Moleküle sind, kann dahinstehen. Dass die Menge gering ist und - wovon die Beteiligten übereinstimmend ausgehen - keine gesundheitlichen Auswirkungen hat, vermag nichts daran zu ändern, dass der Hinweis pharmazeutisch nicht korrekt ist. 91Darüber hinaus steht die Angabe „ohne Alkohol (Ethanol)“ nicht mit der Anwendung des Arzneimittels im Zusammenhang und hat keine Bedeutung für die Gesundheit des Patienten. Es fehlt die gebrauchssichernde Funktion. 92So auch Pannenbecker, in: Kügel/Müller/ Hofmann, a. a. O., § 10 Rn. 48. 93Die Anwendung des Hustensaftes hängt nicht davon ab, dass ein bestimmter Stoff in ihm nicht bzw. nur in einer äußerst geringen, gesundheitlich unbedenklichen Menge enthalten ist. Ein nicht enthaltener Stoff hat naturgemäß auch keine Auswirkungen auf die Gesundheit des Patienten. Für Patienten und deren gesundheitliche Aufklärung wichtig wäre nur die Information, dass Alkohol/Ethanol in einer Menge enthalten ist, die gesundheitliche Auswirkungen haben bzw. etwa für Kinder oder Alkoholiker von Bedeutung sein kann. Gebrauchssichernd ist dementsprechend der in der Arzneimittelwarnhinweisverordnung - in der im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids geltenden Fassung mit Gültigkeit bis zum 31. Mai 2022 - auf der Grundlage von § 10 Abs. 2 AMG vorgesehene Warnhinweis auf Alkohol ab 0,05 g pro maximaler Einzeldosis. Demgegenüber betrifft es grundsätzlich nicht die korrekte Anwendung eines Arzneimittels oder die Aufklärung über bestehende Risiken, dass ein bestimmter Stoff darin nicht enthalten ist. 94Anders als von der Klägerin angenommen, ist für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG auch nicht jeder Hinweis wichtig, der die Compliance erhöht, also den Fehlgebrauch oder einen Verzicht auf die notwendige Einnahme des Arzneimittels verhindert, und insoweit der gesundheitlichen Aufklärung dienlich ist. 95So aber auch Kloesel/Cyran, a. a. O., § 10 Anm. 74, § 11 Anm. 82. 96Die Angabe muss vielmehr, wie ausgeführt, mit der konkreten Anwendung des Arzneimittels im Zusammenhang stehen; für die Anwendung ist aber die Kenntnis über den fehlenden Alkoholgehalt nicht erforderlich. Ließe man jeden Hinweis zu, der das Einnahmeverhalten verbessern könnte, führte dies auch dazu, dass die Aufmerksamkeit des Patienten nicht hinreichend auf die Pflichtangaben gerichtet wäre. Ihnen kommt primär die Aufgabe zu, eine korrekte, der Dosierungsanleitung entsprechende Einnahme zu sichern. 97Aus diesem Grund ist auch nicht ausreichend, dass es sich um eine nützliche Information handeln mag, die für den Anwender des Hustensaftes von Interesse ist. Ein Informationswunsch von Verbrauchern ist nicht gleichzusetzen mit dem Erfordernis, für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten im Zusammenhang mit der Anwendung des Arzneimittels wichtig zu sein. 98Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14. Januar 2016 - 13 A 2552/13 -, juris Rn. 36. 99Der Hinweis „ohne Alkohol“ ist auch nicht aus dem von der Klägerin angeführten Grund für die gesundheitliche Aufklärung wichtig, dass Patienten bzw. Mütter von Patienten im Kindesalter durch den Pflichthinweis zu Ethanol auf der Verpackung verunsichert seien. Ob tatsächlich in einem beachtlichen Maße diese Verunsicherung bei einem bloßen Hinweis auf ein Extraktionsmittel besteht, zumal bei einem Arzneimittel, das für Kinder ab einem Jahr zugelassen ist, bedarf keiner Aufklärung. Es ist jedenfalls nicht davon auszugehen, dass die im von der Klägerin geschilderten Maße verunsicherten Personen durch den Hinweis „ohne Alkohol“ aufgeklärt und damit zur (korrekten, der Dosierungsanleitung entsprechenden) Einnahme veranlasst würden. Denn es bleibt für diesen durch den Pflichthinweis zu Ethanol verunsicherten Personenkreis unklar und widersprüchlich, warum einerseits Ethanol aufgeführt wird und andererseits kein Alkohol enthalten sein soll. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend angeführt hat, wird dies bestätigt durch die bei der Klägerin nach ihren Angaben eingegangenen Rückfragen aus einer Zeit, als das Arzneimittel mit den hier streitgegenständlichen „ohne“-Angaben im Verkehr war. Die Verunsicherung könnte zur Überzeugung des Senats allenfalls durch eine Erklärung der Art beseitigt werden, dass Ethanol ein Auszugsmittel im Herstellungsprozess ist, das Endprodukt aber nur noch eine geringe Restmenge enthält, die keine wahrnehmbaren oder jedenfalls keine gesundheitlichen Auswirkungen hat. Diese Aufklärung vermag der bloße Hinweis „ohne Alkohol“ nicht zu leisten. Die Kritik der Klägerin an der Pflichtangabe zu Ethanol als Auszugsmittel ist im Übrigen hier unbeachtlich, denn diese Angabe ist nicht streitgegenständlich. 100Aus der von den Beteiligten angeführten Excipients-Guideline „Excipients in the label and package leaflet of medicinal products for human use“ der EU-Kommission ergibt sich nichts zur Zulässigkeit oder Unzulässigkeit des weiteren Hinweises „ohne Alkohol (Ethanol)“. Die auf Art. 65 Richtlinie 2001/83/EG gestützte Leitlinie in der bei Erlass des Widerspruchsbescheids geltenden, bis zum 1. März 2018 gültigen Fassung aus Juli 2003 (CPMP/463/00) nebst Annex, 101abrufbar von: https://www.ema.europa.eu/en/annex-european-commission-guideline-excipients-labelling-package-leaflet-medicinal-products-human, 102sieht lediglich Warnungen in Bezug auf bestimmte Stoffe, unter anderem auch Ethanol, vor. Sie war überdies in Deutschland insoweit schon deshalb nicht rechtsverbindlich, als sich die Verpflichtung zu Warnungen bei rein national zugelassenen Arzneimitteln bis zum 31. Mai 2022 aus der Arzneimittelwarnhinweisverordnung ergab. Zu „ohne..“- oder „frei von…“-Angaben verhält sich die Leitlinie nicht, die auch bei der Nennung der maßgeblichen Rechtsgrundlagen in der Einleitung (Introduction, Seite 1) Art. 62 Richtlinie 2001/83/EG nicht erwähnt. Nur wenn Stoffe wahrnehmbare Auswirkungen haben und im Annex gelistet sind, sind sie auf dem Etikett zu deklarieren (Seite 2 unten). Zudem findet die Guideline keine Anwendung auf Rückstände von Stoffen, die aus dem Herstellungsprozess resultieren oder als Extraktionsmittel verwendet werden (Seite 2 oben). 103Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Annex der Leitlinie bei anderen Stoffen (etwa Kalium oder Natrium) unterhalb bestimmter Schwellenwerte die Angabe vorsieht, das Arzneimittel sei „nahezu“ (Englisch: „essentially“) kaliumfrei/natriumfrei. Der Auffassung der Klägerin, das belege, dass bei nur geringen Molekülmengen an Ethanol ohne wahrnehmbare Auswirkungen „frei von…“-Informationen wichtig seien, folgt der Senat nicht. Denn eine Angabe wie bei Kalium oder Natrium ist für Ethanol gerade nicht vorgesehen. Darüber hinaus sind die für die Packungsbeilage vorgegebenen Hinweise mit der hier streitgegenständlichen „ohne…“-Angabe auf Verpackung und Etikett auch inhaltlich nicht vergleichbar. Denn ihnen voranzustellen ist laut Annex der Guideline jeweils die Aussage, das Arzneimittel enthalte Kalium/Natrium in einer Menge von weniger als … pro Dosiereinheit. Zudem macht es einen Unterschied, ob ein Arzneimittel als „nahezu“ frei von einem bestimmten Stoff bezeichnet oder die Formulierung „ohne“ verwendet wird. 104Die Neufassung der Guideline „Excipients in the labelling and package leaflet of medicinal products for human use“ aus März 2022 (SANTE-2017-11668), 105https://health.ec.europa.eu/system/files/2018-03/guidelines_excipients_march2018_en_0.pdf, 106nebst Annex vom 22. November 2019, Revision 2 (Stand 22. Juli 2022, EMA/CHMP/302620/2017), 107https://www.ema.europa.eu/en/documents/scientific-guideline/annex-european-commission-guideline-excipients-labelling-package-leaflet-medicinal-products-human_en-1.pdf, 108ist zwar nach der Änderung der Arzneimittelwarnhinweisverordnung zum 1. Juni 2022 und der nachfolgend erlassenen Gemeinsamen Bekanntmachung des BfArM und des Paul-Ehrlich-Instituts über Warnhinweise zu Bestandteilen von Arzneimitteln vom 31. Mai 2022 verbindlich umzusetzen. 109Vgl. dazu auch den Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit zu einer Verordnung zur Aufhebung der Arzneimittel-Warnhinweisverordnung und zur Änderung der Apothekenbetriebsordnung vom 2. Juli 2021, S. 1, 5 und 7. 110Die Excipients-Guideline in ihrer aktuellen Fassung ist aber nach Auffassung des Senats wegen des hier maßgeblichen Zeitpunkts der letzten Behördenentscheidung schon nicht berücksichtigungsfähig. 111Selbst wenn man aber mit der Klägerin der Auffassung wäre, sie könne herangezogen werden, weil es sich um Wissen handele, das auch bereits im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung vorgelegen habe, 112vgl. in diese Richtung auch OVG NRW, Urteil vom 28. Oktober 2021 - 13 A 1376/17 -, PharmR 2022, 112 = juris Rn. 27, 113führte dies zu keinem anderen Ergebnis. Zu freiwilligen Angaben im Sinne von Art. 62 Richtlinie 2001/83/EG verhält auch sie sich nicht, sondern sieht, wie die Klägerin zu Recht betont, weiterhin lediglich (warnende) Pflichtangaben vor. Bei Ethanol ist im Annex im Bereich von 0 bis zu 15 mg/kg pro Dosis der Hinweis in der Packungsbeilage vorgegeben, welche Menge Ethanol pro Dosiereinheit enthalten ist. Anschließend ist dies in vergleichbaren Verzehrmengen (in ml) von Bier oder Wein anzugeben und schließlich der Satz anzufügen: „Die geringe Alkoholmenge in diesem Arzneimittel hat keine wahrnehmbaren Auswirkungen“. Für die Zulässigkeit des streitgegenständlichen Hinweises „ohne Alkohol (Ethanol)“ lässt sich daraus nichts ableiten. Ferner gilt weiterhin, dass bei der Verwendung von Ethanol im Herstellungsprozess (z. B. bei der Beschichtung von Tabletten) oder als Extraktionsmittel, das verdampft wird, keine Notwendigkeit besteht, Ethanol in der Packungsbeilage zu erwähnen (S. 2 sowie Kommentar im Annex zu Ethanol). 114Vgl. dazu auch die Besonderheitenliste des BfArM, Stand 1. Juni 2022, Zusatzinformationen. 115Auch aus den Änderungen im Annex zu anderen Stoffen ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die freiwillige Angabe „ohne Alkohol (Ethanol)“ zulässig wäre. So ist für Gluten aus Weizenstärke nun die Angabe in der Packungsbeilage vorgesehen, das Arzneimittel enthalte nur sehr geringe Mengen Gluten und es gelte als „glutenfrei“. Daraus lässt sich nichts für die generelle Zulässigkeit von „ohne..“-Angaben, erst recht nicht für die Zulässigkeit des „ohne Alkohol (Ethanol)“-Hinweises auf der Faltschachtel und dem Etikett im Streitfall ableiten. 116Auch die weiter im Verfahren von den Beteiligten angeführten Dokumente der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) rechtfertigen keine andere Betrachtung. Sie sind rechtlich unverbindlich und darüber hinaus für den vorliegenden Streitfall ganz überwiegend inhaltlich ohne Aussagekraft. Die Empfehlungen der Working Group on Quality Review of Documents (QRD) „Recommendations on pack design and labelling for centrally authorised non-prescription human medicinal products“ (vom 10. März 2011, EMA/275297/2010) beziehen sich auf zentral durch die EMA zugelassene Arzneimittel. Die Fragen und Antworten zu Gluten („Questions and answers on wheat starch containing gluten in the context of the revision of the guideline on Excipients in the label and package leaflet of medicinal products for human use“, EMA/CHMP/704219/2013) betreffen schon einen nicht vergleichbaren Stoff, zu dem inzwischen auch die Excipients-Guideline die oben wiedergegebene Empfehlung enthält. Die Fragen und Antworten zu Ethanol („Questions and answers on Ethanol in the context of the revision of the guideline on Excipients in the label and package leaflet of medicinal products for human use“ vom 23. Januar 2014, CPMP/463/00), 117https://www.ema.europa.eu/en/documents/scientific-guideline/questions-answers-ethanol-context-revision-guideline-excipients-label-package-leaflet-medicinal_en.pdf, 118enthalten Vorschläge für die Überarbeitung des Annexes der Excipients-Guideline, der aus den vorstehend angeführten Gründen für die hier streitige Frage unergiebig ist; zur Zulässigkeit von Hinweisen wie „ohne Alkohol (Ethanol)“ verhalten sie sich ebenfalls nicht. Entsprechendes gilt für das Dokument des CHMP zum wissenschaftlichen Hintergrund „Information for the package leaflet regarding ethanol used as an excipient in medicinal products for human use“ (vom 20. September 2018, EMA/CHMP/43486/2018), 119https://www.ema.europa.eu/en/documents/scientific-guideline/information-package-leaflet-regarding-ethanol-used-excipient-medicinal-products-human-use_en.pdf. 120Die Arbeitsgruppe QRD hat sich zwar in der Sitzung vom 2. März 2016 (EMA, Minutes of the eighty-seventh meeting of the „Working group on Quality Review of Documents“, EMA/189974/2016) dahingehend geäußert, dass Hinweise wie gluten-/alkohol-/zuckerfrei als Werbung eingestuft würden und von keinem zusätzlichen Wert seien. Diese Einschätzung ist allerdings nicht nur unverbindlich, sondern zudem durch die Überarbeitung der Excipients-Guideline überholt. 121Ist die Angabe danach schon aus diesen Gründen gemäß § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG unzulässig, kommt es nicht darauf an, ob sie auch als Werbeaussage im Sinne von Art. 62 Richtlinie 2001/83/EG - in richtlinienkonformer Anwendung des § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG - unzulässig ist. 122b. Auch die Angabe „ohne Zuckerzusatz“ auf der Faltschachtel und dem Etikett ist arzneimittelrechtlich unzulässig. 123Sie ist zwar - anders als der Hinweis „ohne Alkohol (Ethanol)“ - zutreffend, da dem Produkt im Herstellungsverfahren unstreitig kein Zucker zugesetzt wird. Der Senat geht auch nicht davon aus, dass die Angabe den falschen Eindruck vermittelt, der Hustensaft enthalte kaum oder keinen Zucker. Die Information ist aber schon deshalb nicht für den Patienten und dessen gesundheitliche Aufklärung wichtig, weil sie nichts über den tatsächlichen Zuckergehalt des Produkts und im Übrigen auch nichts über etwaige Zuckerersatzstoffe im Produkt aussagt. Der streitgegenständliche Hustensaft enthält jedenfalls natürlichen Zucker aufgrund des Wirkstoffs Thymian. Abgesehen davon enthält er auch das Süßungsmittel Sorbitol. Der Umstand, dass im Herstellungsverfahren kein Zucker zugesetzt wurde, ist auch für die Anwendung des Arzneimittels nicht von Bedeutung. Er hat keine gebrauchssichernde Funktion. 124Selbst wenn man davon ausgeht, der Zuckergehalt des Hustensaftes sei so gering, dass er keine negativen gesundheitlichen Effekte habe, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Auch hier gilt die obige Erwägung zum Hinweis „ohne Alkohol (Ethanol)“, dass ein nicht enthaltener Stoff auch keine Auswirkungen auf die Gesundheit des Patienten hat. 125Nichts anderes ergibt sich aus dem von der Klägerin angeführten Gesichtspunkt der Zahngesundheit, der bei Hustensäften aufgrund der mit der Produktkategorie verbundenen Verbrauchererwartung eine Rolle spiele. Ob Patienten oder ihre Eltern bei Hustensäften aufgrund der Konsistenz und/oder des Geschmacks davon ausgehen, dass diese Zucker enthalten, kann dahinstehen. Es ist für die Frage der Zulässigkeit des Hinweises auf den fehlenden Zuckerzusatz nicht relevant. Die Angabe eines beachtlichen Zuckergehalts (und der daraus folgenden Konsequenzen für die Zahnpflege) stünde im Zusammenhang mit der Anwendung des Arzneimittels und diente der Aufklärung über dessen Risiken. Umgekehrt gilt dies hingegen nicht. Enthält ein Arzneimittel keinen zahnschädigenden Zucker, ist hinsichtlich der Zahnhygiene auch nichts zu beachten und der Patient über kein Risiko aufzuklären. Dass der Hinweis auf die Zuckerfreiheit die Compliance erhöhen mag, genügt ebenfalls aus den bereits zum Ethanol ausgeführten Gründen nicht den tatbestandlichen Anforderungen des § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG. 126c. Dem in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisantrag der Klägerin, „Beweis zu erheben über die Frage, dass nach dem jeweils bestehenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand die Angaben „ohne Alkohol (Ethanol)/ohne Zuckerzusatz“ mit der Anwendung des streitgegenständlichen Produkts im Zusammenhang stehen und für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten wichtig sind und insbesondere keine medizinisch-pharmazeutisch fehlerhafte Information vermitteln“, musste der Senat nicht nachkommen. 127Der Beweisantrag ist bereits wegen mangelnder Substantiierung unzulässig. Unsubstantiierten Beweisanträgen muss das Gericht nicht nachgehen. Die gebotene Substantiierung besteht in der Nennung eines bestimmten Beweismittels und in der Behauptung einer bestimmten Tatsache. Unsubstantiiert sind aber nicht nur Beweisanträge, die das Beweisthema nicht hinreichend konkretisieren, sondern auch Beweisanträge, die dazu dienen sollen, unsubstantiierte Behauptungen zu stützen, etwa solche, die erkennbar ohne jede tatsächliche Grundlage erhoben worden sind. Das Substantiierungsgebot verlangt, dass die Tatsache vom Antragsteller mit einem gewissen Maß an Bestimmtheit als wahr und mit dem angegebenen Beweismittel beweisbar behauptet wird. Finden sich im gesamten Prozessstoff keine tatsächlichen Anhaltspunkte für die aufgestellte Behauptung und gibt der Antragsteller für eine von ihm angestellte Vermutung nicht die geringste tatsächliche Grundlage an, darf das Gericht den Schluss ziehen, die Behauptung sei „aus der Luft gegriffen“ oder „ins Blaue hinein“ aufgestellt worden. In einem derartigen Fall geht es dem Antragsteller nur darum, ermitteln zu lassen, ob seine auf keine Anhaltspunkte gestützte Behauptung nicht vielleicht doch wahr ist. 128Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. September 2012 - 5 B 30.12 -, juris Rn. 9, vom 2. November 2007 - 7 BN 3.07 -, juris Rn. 5, und vom 29. März 1996 - 11 B 21.95 -, juris Rn. 4. 129Hier hat die Klägerin mit der Formulierung ihres Beweisantrags entgegen § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO in entsprechender Anwendung schon kein bestimmtes Beweismittel bezeichnet. Es ist auch nicht ohne weiteres erkennbar, mit welchem Beweismittel die von ihr mit dem Beweisantrag aufgestellte Behauptung verifiziert werden könnte. Zwar dürfte es der Klägerin um die Einholung eines Sachverständigengutachtens gehen und ist ferner die namentliche Benennung eines Sachverständigen nicht geboten. Auch spricht einiges dafür, dass hinsichtlich des mit „insbesondere“ eingeleiteten Teilaspekts der Beweisfrage die Einholung eines medizinischen und/oder pharmazeutischen Sachverständigengutachtens begehrt wird. Allerdings ist gänzlich unklar und von der Klägerin auch nicht weiter in der mündlichen Verhandlung thematisiert worden, welche weiteren Aspekte sie mit der umfassender formulierten Beweisfrage geklärt haben möchte und welche Einrichtungen, Institutionen oder Wissenschaftler welcher Fachrichtung insoweit über Erkenntnisse verfügen könnten. 130Ferner handelt es sich bei der Tatsache, dass die Angabe „ohne Alkohol (Ethanol)“ keine medizinisch-pharmazeutisch fehlerhafte Information (zu dem streitgegenständlichen Produkt) vermittelt, um eine unsubstantiierte, ohne tatsächliche Anhaltspunkte aufgestellte Behauptung. Denn die Beteiligten haben sich im erstinstanzlichen Verfahren darauf verständigt, dass in einer maximalen Einzeldosis von 10 ml Hustensaft 1,32 mg Ethanol enthalten sind, weshalb - wie oben ausgeführt - die Angabe „ohne Alkohol (Ethanol)“ pharmazeutisch unzutreffend ist. Die bloße Behauptung, es handle sich lediglich um wenige Moleküle an Ethanol, bietet keine tatsächliche Grundlage dafür, dass entgegen den erstinstanzlichen Erklärungen der Hustensaft kein Ethanol mehr enthält. 131Was die Angabe „ohne Zuckerzusatz“ angeht, ist die Beweistatsache als erwiesen und damit nicht mehr beweisbedürftig anzusehen, § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 StPO analog. Dass dieser Hinweis inhaltlich zutrifft und damit keine medizinisch-pharmazeutisch fehlerhafte Information vermittelt, steht nicht im Streit und hat der Senat auch angenommen. 132Abgesehen davon ist der Beweisantrag deshalb abzulehnen, weil er hinsichtlich des Beweisthemas unzulässig ist. Er ist nicht auf die Ermittlung einer Tatsache, sondern auf die Beantwortung einer Rechtsfrage gerichtet, die einer Beweiserhebung nicht zugänglich, sondern durch das Gericht zu beantworten ist (vgl. § 244 Abs. 3 Satz 1 und 2 StPO analog). 133Vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Februar 1988 ‑ 2 BvR 1324/87 -, BayVBl. 1988, 268 = juris Rn. 14; OVG NRW, Beschluss vom 23. September 2009 - 13 A 987/09 -, juris Rn. 15; Julius, in: Gercke/ Julius/ Temming/Zöller, Strafprozessordnung, 6. Auflage 2019, § 244 Rn. 28 und 45. 134Mit dem benannten Beweisthema, ob die Angaben „ohne Alkohol (Ethanol)/ohne Zuckerzusatz“ mit der Anwendung des streitgegenständlichen Produkts im Zusammenhang stehen und für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten wichtig sind, werden exakt die in § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG genannten Tatbestandsvoraussetzungen wiedergegeben. Ob die Angaben „ohne Alkohol (Ethanol)/ohne Zuckerzusatz“ diese im Streitfall erfüllen, ist nicht durch eine Beweiserhebung zu ermitteln, sondern durch das Gericht zu entscheiden. 1352. Die Auflagen F3. und F4., wonach in den Texten für die Packungsbeilage und die Fachinformation die Hinweise zum fehlenden Alkohol/Ethanol zu streichen sind, stellen sicher, dass die Packungsbeilage den Vorschriften des § 11 AMG (§ 28 Abs. 2 Nr. 2 AMG) und die Fachinformation den Vorschriften des § 11a AMG entspricht (§ 28 Abs. 2 Nr. 2a AMG). 136Dass die Auflage F3. in den Texten für die Packungsbeilage und die Fachinformation die Streichung des Hinweises „…enthält keinen Alkohol“ fordert, der Wortlaut der eingereichten Texte aber „enthält keinen Alkohol (Ethanol)“ in der Gebrauchsinformation und „enthält kein Ethanol“ in der Fachinformation lautet, ist unerheblich. Dass die Beklagte die Streichung dieser Texte fordert, lässt sich dem Bescheid zweifelsfrei entnehmen. 137Die beanstandeten Hinweise, bei denen es sich nicht um Pflichtangaben handelt, sind unzulässig. Weitere Angaben in der Packungsbeilage (§ 11 Abs. 1 Satz 7 AMG) und der Fachinformation (§ 11a Abs. 1 Satz 6 AMG) sind - soweit sie nicht (wie hier) durch eine Verordnung der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union vorgeschrieben oder bereits nach einer solchen Verordnung zulässig sind - zulässig, soweit sie mit der Anwendung des Arzneimittels im Zusammenhang stehen, für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten wichtig sind und den Angaben nach § 11a AMG nicht widersprechen. 138Die tatbestandlichen Voraussetzungen entsprechen damit denen des § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG. Zulässig sind nur gebrauchssichernde Informationen. 139Vgl. Pannenbecker, in: Kügel/Müller/Hofmann, a. a. O., § 11 Rn. 52, § 11a Rn. 21. 140Bei der an die Patienten gerichteten Packungsbeilage ergibt sich dies auch daraus, dass ihr der Zweck zukommt, eine sachgerechte Anwendung des Arzneimittels zu gewährleisten. Sie soll dem Patienten alle Informationen geben, die für eine ordnungsgemäße Anwendung des Arzneimittels und die mit der Anwendung verbundenen Risiken von Bedeutung sind. 141Vgl. Kloesel/Cyran, a. a. O., § 11 Anm. 1 und 82; Fuhrmann, in: Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, a. a. O., § 8 Rn. 9. 142In ähnlicher Weise kommt der an das heilberuflich tätige Fachpublikum adressierten Fachinformation die Funktion zu, den Fachkreisen die für eine sichere Anwendung des Arzneimittels notwendigen wissenschaftlichen Informationen zu geben. 143Vgl. Kloesel/Cyran, a. a. O., § 11a Anm. 2. 144Die restriktive Zulassung weiterer Angaben soll auch bei der Gebrauchs- und Fachinformation verhindern, dass die Verwender von den Pflichtinformationen abgelenkt werden. Dies gilt nicht nur für die Packungsbeilage, sondern auch für die Fachinformation. Auch sie ist auf die Anwendung des Arzneimittels bezogen. Zulässig sind etwa solche Angaben, mit denen die Wirkungsweise des Arzneimittels nachvollzogen werden kann. Angaben, die keinen Zusammenhang mit dem therapeutischen Einsatz des Arzneimittels aufweisen, gehören hingegen nicht in die Fachinformation. 145Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. April 2020 ‑ 3 C 22.18 -, a. a. O., juris Rn. 13 ff. 146Hiervon ausgehend sind die Hinweise in der Gebrauchs- und Fachinformation nicht nach § 11 Abs. 1 Satz 7 AMG und § 11a Abs. 1 Satz 6 AMG als weitere Angaben zulässig. Es gelten die Ausführungen zu § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG entsprechend, auf die Bezug genommen wird (siehe Ziff. II.1.a). 147Bei der Fachinformation fällt zudem besonders ins Gewicht, dass der Hinweis, es sei kein Ethanol enthalten, pharmazeutisch unzutreffend ist. Denn für die entsprechend vorgebildeten Fachkreise ist die Information, es sei kein Ethanol enthalten, für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten nicht hilfreich, wenn gleichzeitig erkennbar ist, dass Ethanol als Auszugsmittel verwendet wurde. Auch hier gilt, dass wichtig für die Anwendung des Arzneimittels nur die Angabe sein kann, dass die im Arzneimittel enthaltene Restmenge an Ethanol so gering ist, dass sie keine wahrnehmbaren und damit auch keine gesundheitlichen Auswirkungen hat. 148Sollte der Hilfsbeweisantrag auch auf die beanstandeten Angaben in der Gebrauchs- und Fachinformation zielen, gelten die obigen Ausführungen hier entsprechend. 149III. Die angefochtenen Auflagen sind auch frei von Ermessensfehlern. Nach § 28 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 2a AMG „kann“ das BfArM bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen Auflagen erteilen. 150Ein Entschließungsermessen kommt der Behörde insoweit aber schon nicht zu. Ist die Auflage - wie hier - erforderlich, um die Übereinstimmung der Kennzeichnung, der Packungsbeilage und der Fachinformation mit den gesetzlichen Vorgaben sicherzustellen, besteht die Verpflichtung zur Anordnung einer Auflage. 151Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. April 2020 - 3 C 22.18 -, a. a. O., juris Rn. 27 f., vorausgehend ausführlich dazu OVG NRW, Urteil vom 7. November 2018 - 13 A 3140/17 -, juris Rn. 64 ff. 152Auf die Feststellung einer konkreten Gefährdung kommt es nicht an. Ebenso wenig bedarf es einer Verhältnismäßigkeitsprüfung, die etwa die wirtschaftlichen Auswirkungen der Maßnahme für den pharmazeutischen Unternehmer in den Blick nimmt. 153Es ist deshalb auch nicht unter dem Gesichtspunkt von Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung zu prüfen, ob das BfArM die Streichung vergleichbarer Hinweise auch gegenüber anderen pharmazeutischen Unternehmen angeordnet hat bzw. dies beabsichtigt. Ob auch eine Verpflichtung der Beklagten zur Anordnung nachträglicher Auflagen gem. § 28 Abs. 1 Satz 4 AMG in Altfällen besteht, die nicht aus Anlass eines Verlängerungsantrags oder im Rahmen einer Änderungsanzeige zur Prüfung stehen, ist daher ebenfalls unerheblich. 154Vgl. dazu auch BVerwG, Urteil vom 23. April 2020 - 3 C 22.18 -, a. a. O., juris Rn. 30 f. 155Davon abgesehen hat die Beklagte im Berufungsverfahren mitgeteilt, dass sie in Zulassungs- oder Verlängerungsverfahren oder bei Änderungsanzeigen entsprechende „frei von“-Hinweise im Rahmen von Anhörungen oder Widerspruchsverfahren beanstande und dies von der pharmazeutischen Industrie ganz überwiegend akzeptiert werde. Für eine Ungleichbehandlung ist damit auch nichts ersichtlich. 156Die Ausübung des Auswahlermessens ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Es ist nicht ersichtlich, wie den Verstößen gegen die Vorgaben der §§ 10, 11 und 11a AMG anders abgeholfen werden könnte als durch eine Streichung der Hinweise. Ermessensfehler sind auch nicht erkennbar, soweit nach der Auflage F3. der Hinweis in den Texten für die Packungsbeilage und die Fachinformation durch den Hinweis „Das Ethanol des Auszugsmittels wurde weitestgehend entfernt.“ ersetzt werden kann. Die Klägerin wird zur Aufnahme dieses Hinweises nicht verpflichtet („kann“). Vielmehr ist er als bloßer Formulierungsvorschlag zu verstehen, der dem Anliegen der Klägerin Rechnung tragen soll, etwaigen Fehlvorstellungen von Patienten und Fachpersonal infolge der Pflichtangaben zum Ethanol entgegenzuwirken. Dies wird bestätigt durch die Ausführungen im Widerspruchsbescheid, wonach es sich um einen „Textvorschlag“ handele, der im Rahmen der weiteren Angaben unterhalb der Pflichtangaben „aufgeführt werden könnte“. 157Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. 158Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. 159Die Revision ist zuzulassen, da die Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO grundsätzliche Bedeutung hat. Die Zulässigkeit von „ohne Alkohol“- und „ohne Zuckerzusatz“-Hinweisen sowie vergleichbaren weiteren Angaben, dabei vorgelagert insbesondere die Frage nach dem Verständnis des Art. 62 Richtlinie 2001/83/EG und ggf. einer unionsrechtskonformen erweiternden Auslegung der §§ 10 Abs. 1 Satz 5, 11 Abs. 1 Satz 7, 11a Abs. 1 Satz 6 AMG, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bisher nicht geklärt und voraussichtlich für eine Vielzahl von Fällen von Bedeutung.
die berufung wird zurückgewiesen. die klägerin trägt die kosten des berufungsverfahrens. die entscheidung ist hinsichtlich der kosten vorläufig vollstreckbar. die klägerin kann die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. die revision wird zugelassen. 1
2die beteiligten streiten um die angaben „ohne alkohol (ethanol)/ohne zuckerzusatz“ auf der äußeren umhüllung (faltschachtel) und dem etikett eines hustensaftes sowie die angaben “ohne alkohol (ethanol)“, “enthält keinen alkohol (ethanol)“, „enthält kein ethanol“ in der gebrauchs- und fachinformation. soweit gegenstand des erstinstanzlichen verfahrens auch hustentropfen waren, ist das verfahren durch senatsbeschluss vom 20. mai 2022 abgetrennt und unter dem aktenzeichen 9 a 1027/22 fortgeführt worden. 3das bundesinstitut für arzneimittel und medizinprodukte (bfarm) erteilte der klägerin am 22. januar 2008 die zulassung für das fertigarzneimittel „aspecton forte hustensaft“ (zulassungsnummer 00000.00.00). nachfolgend wurde die änderung der bezeichnung in „aspecton ds hustensaft“ und später „aspecton hustensaft“ angezeigt. zuletzt zeigte die klägerin unter dem 18. mai 2021 die änderung der bezeichnung in „thymian hustensaft l. n. “ an, die mit bescheid vom 27. juli 2021 genehmigt wurde. dieses produkt ist aktuell nicht im handel. 4das arzneimittel enthält als wirkstoff einen dickextrakt aus thymiankraut (1,7-2,5:1), auszugsmittel: ammoniaklösung 10 % (m/m), glycerol 85 % (m/m), ethanol 90 % (v/v), wasser (1:20:70:109). das im auszugsmittel für den thymiankrautextrakt enthaltene ethanol wird im herstellungsverfahren fast vollständig wieder entfernt. in der extraktzubereitung befindet sich laut spezifikation ethanol nur noch in einer menge von unter 0,10 %. in einer maximalen einzeldosis des fertigarzneimittels von 10 ml hustensaft sind maximal 1,32 mg ethanol enthalten. als sonstiger bestandteil ist sorbitol als süßstoff enthalten. das arzneimittel enthält nicht mehr natürlichen zucker als der ausgangsstoff thymian; während des herstellungsverfahrens wird kein zucker zugesetzt. 5das arzneimittel wird angewendet „zur besserung der beschwerden bei erkältungskrankheiten der atemwege mit zähflüssigem schleim, zur besserung der beschwerden bei akuter bronchitis“. es ist auch zur anwendung bei kindern ab 1 jahr zugelassen und nicht verschreibungspflichtig. 6in dem durch den zulassungsbescheid vom 22. januar 2008 zugelassenen text für die äußere umhüllung (faltschachtel) und das etikett befand sich der hinweis „ohne alkohol (ethanol)/ohne zuckerzusatz“. in der gebrauchsinformation war unter ziffer 6 - nach der angabe der sonstigen bestandteile - der hinweis enthalten: „aspecton forte hustensaft enthält keinen alkohol (ethanol)“. im abschnitt „weitere hinweise“ der gebrauchsinformation war der folgende text aufgeführt: „aspecton forte hustensaft ist ohne alkohol (ethanol) und daher auch für patienten geeignet, die alkohol (ethanol) vermeiden müssen.“ in der fachinformation hieß es unter ziffer 6.1 nach der liste der sonstigen bestandteile: „hinweis: aspecton forte hustensaft enthält kein ethanol.“ 7mit fristgerechtem verlängerungsantrag vom 18. juli 2012 legte die klägerin gleichlautende informationstexte und texte für die äußere umhüllung und das etikett vor. dem nach vorheriger anhörung ergangenen verlängerungsbescheid vom 3. juni 2015, zugestellt am 9. juni 2015, waren u. a. die folgenden auflagen beigefügt: 8f1.: die angaben „ohne alkohol (ethanol)/ohne zuckerzusatz“ sind auf der äußeren umhüllung und dem etikett zu streichen. 9f3.: in den texten für die packungsbeilage und die fachinformation sind die hinweise „…enthält keinen alkohol“ zu streichen und können durch den hinweis „das ethanol des auszugsmittels wurde weitestgehend entfernt.“ ersetzt werden. 10f4.: in der packungsbeilage ist unter weitere hinweise der satz: „ ... ist ohne alkohol (ethanol) und daher auch für patienten geeignet, die alkohol (ethanol) vermeiden müssen“ zu streichen. 11in der begründung zu auflage f1. wurde ausgeführt, der hinweis zur alkohol- und zuckerfreiheit sei nach § 10 abs. 1 satz 5 amg nicht als „weitere angabe“ zulässig, weil er in der eu-„guideline on the excipients in the label and package leaflet of medicinal products for human use“ (cpmp/463/00) nicht vorgesehen und bei dem apothekenpflichtigen arzneimittel auch nicht notwendig sei. die angaben seien auch geeignet, das produkt gegenüber vergleichbaren arzneimitteln hervorzuheben, und daher werbewirksame aussagen. zur begründung der in den auflagen f3. und f4. vorgesehenen streichungen wurde ausgeführt, auch wenn das ethanol aus dem auszugsmittel wieder entfernt werde, blieben immer kleine restmengen zurück. außerdem zähle auch das enthaltene propylenglykol zu den alkoholen. 12den dagegen eingelegten widerspruch wies das bfarm durch widerspruchsbescheid vom 18. dezember 2015, zugestellt am 22. dezember 2015, zurück. 13am 20. januar 2016 hat die klägerin beim verwaltungsgericht köln klage erhoben. zur begründung hat sie im wesentlichen ausgeführt: die auflagen f1., f3. und f4. seien rechtswidrig. die beklagte habe die beanstandeten hinweise in der erstmaligen zulassung genehmigt. eine ermächtigungsgrundlage für die aufhebung eines genehmigten textes sei nicht ersichtlich. es sei auch fraglich, ob im hinblick auf „entwarnungshinweise“ eine auflagenbefugnis nach § 28 abs. 2 amg bestehe, denn durch die entwarnung bestehe keine gefahr für die qualität und unbedenklichkeit von arzneimitteln. es sei weiter fraglich, ob die beklagte das ihr durch § 28 abs. 2 amg eingeräumte ermessen fehlerfrei ausgeübt, insbesondere die atypischen besonderheiten des vorliegenden falles hinreichend beachtet habe. die beklagte orientiere sich an abstrakten guidelines oder äußerungen von expertengremien sowie einer möglichen vorbildwirkung für andere verfahren statt den konkreten einzelfall zu prüfen. die auflagen seien unverhältnismäßig. eine änderung der im rahmen der erstzulassung für rechtmäßig gehaltenen texte, ohne dass sich die sach- oder rechtslage geändert habe, verwirre die patienten und vertreter der fachkreise und führe zu einer unnötigen wirtschaftlichen belastung der klägerin. 14die beanstandeten hinweise seien als sonstige angaben nach § 10 abs. 1 satz 5 amg, § 11 abs. 1 satz 7 amg und § 11a abs. 1 satz 6 amg zulässig. sie stünden mit der anwendung des arzneimittels in zusammenhang und seien für die gesundheitliche aufklärung wichtig. hierzu genüge es, dass die angaben der gesundheitlichen aufklärung dienlich seien. dies sei bei allen angaben der fall, die das einnahmeverhalten, die compliance, verbesserten. insbesondere sei die angabe „ohne alkohol (ethanol)“ geboten, weil sie die aus der sicht eines durchschnittlich informierten, verständigen patienten verwirrende pflichtangabe zum extraktionsmittel „ethanol“ klarstelle. der unsicherheit könne auch nicht durch die abgabe in der apotheke hinreichend begegnet werden. der entwarnungspflicht könne der pharmazeutische unternehmer nur dadurch nachkommen, dass er auf der faltschachtel einen kurzen und prägnanten hinweis anbringe, wie es „ohne alkohol“ sei. dies werde vom verbraucher dahingehend verstanden, dass der etwa noch vorhandene alkohol keinen nennenswerten effekt entfalte, und sei daher auch inhaltlich zutreffend. die excipients-guideline schreibe nur warnungen vor und enthalte daher keine abschließende regelung im hinblick auf entwarnungshinweise. auch der hinweis „ohne zuckerzusatz“ sei zulässig. die angabe enthalte eine für alle verbrauchergruppen, insbesondere aber für diabetiker, wichtige und verständliche mitteilung und verbessere das einnahmeverhalten. 15es handele sich auch nicht um unzulässige werbliche aussagen. das merkmal des werbewirksamen effekts dürfe nicht in die vorschriften des arzneimittelgesetzes zur zulässigkeit von weiteren angaben hineingelesen werden, weil dies vorliegend keine grundlage in art. 62 der richtlinie 2001/83/eg finde. bei hustensaft bestehe auch die besonderheit, dass wegen der produktkategorie sowie der sirupartigen konsistenz das vorhandensein von zucker angenommen werde, sodass eine entwarnung erforderlich sei. es sei ein anliegen des öffentlichen gesundheitsschutzes, auf produkte ohne zahnschädigenden zucker hinzuweisen, wenn zahlreiche zuckerhaltige produkte auf dem markt seien. schließlich sei die zurückhaltende präsentation des arzneimittels von der beklagten im rahmen der ermessensentscheidung überhaupt nicht berücksichtigt worden. der hinweis auf die alkohol- und zuckerfreiheit befinde sich auf der rückseite der verpackung unter den einnahmehinweisen und sei damit für den patienten auch bei der platzierung im sichtwahlbereich der apotheken nicht erkennbar. 16die klägerin hat beantragt, 17die auflagen f1., f3. und f4. im verlängerungsbescheid des bundesinstituts für arzneimittel und medizinprodukte vom 3. juni 2015 für das fertigarzneimittel „aspecton hustensaft“ in der gestalt des widerspruchsbescheides vom 18. dezember 2015 aufzuheben. 18die beklagte hat beantragt, 19die klage abzuweisen. 20zur begründung hat sie im wesentlichen vorgetragen: die auflagenbefugnis ergebe sich aus § 28 abs. 2 amg. die feststellung einer konkreten gefährdung sei bei vorliegen der voraussetzungen des § 28 abs. 1 und abs. 2 amg nicht erforderlich. der umstand, dass die beanstandeten hinweise zuvor genehmigt worden seien, sei nicht bedeutsam. die verlängerung nach § 31 amg diene auch der kontrolle der zulassungsentscheidung, soweit es nicht um die beurteilung der wirksamkeit gehe. 21die texte seien unzulässig. der gesetzgeber habe sich dafür entschieden, das vorhandensein von potentiell gesundheitsschädlichen zusatzstoffen in fertigarzneimitteln, also auch von alkohol und zucker, ausschließlich positiv zu normieren. falls derartige stoffe in einer gesundheitsrelevanten menge beigefügt seien, müsse nach § 10 abs. 2 amg, § 11 abs. 2 amg ein warnhinweis aufgenommen werden. die arzneimittelwarnhinweisverordnung sowie die europäische excipients-guideline bestimmten abschließend, für welche art und menge von stoffen ein warnhinweis verpflichtend sei. 22der hinweis auf das fehlen von alkohol auf etikett und faltschachtel sei nicht als „weitere angabe“ zulässig, weil die voraussetzungen des § 10 abs. 1 satz 5 amg nicht erfüllt seien. er sei schon unrichtig, weil das arzneimittel alkohol in sehr geringer menge enthalte. ein stoff, der in einer nicht gesundheitsgefährdenden menge enthalten sei, könne auch nicht für die anwendung eines arzneimittels von bedeutung sein. eine „risikokommunikation“ müsse daher nicht stattfinden. die verbesserung der compliance könne durch solche hinweise nicht erreicht werden. eine angabe, die auf das fehlen eines bestimmten stoffes hinweise, sei zudem grundsätzlich werblich. diese auffassung werde auf europäischer ebene geteilt, etwa im hinblick auf „gluten“. der hinweis befinde sich zwar auf der rückseite der faltschachtel, sei aber durch schrift und form deutlich von dem übrigen text abgehoben und habe damit auch durch die gestaltung einen werbenden charakter. im vorliegenden fall bestehe zwar die besonderheit, dass für die herstellung des wirkstoffs ethanol als auszugsmittel verwendet werde und daher auch auf der äußeren umhüllung genannt werden müsse, und zwar ungeachtet der im endprodukt noch enthaltenen restmengen von ethanol. die hierdurch möglicherweise entstehenden fragen würden seitens der klägerin jedoch in einer völlig unrealistischen und überzogenen weise dargestellt. auch die angabe „ohne zuckerzusatz“ auf dem etikett sei nicht als „weitere angabe“ zulässig. da zucker nicht in einer warnhinweispflichtigen menge enthalten sei, sei der hinweis nicht für die gesundheitliche aufklärung der verbraucher wichtig. die regelungen zur kennzeichnung von diätetischen lebensmitteln seien aufgehoben worden. lediglich der zusatz „zuckerfrei“ werde in den europäischen arbeitsgruppen zur formulierung der informationstexte bei zentral zugelassenen arzneimitteln diskutiert und im einzelfall als zulässig erachtet. die angabe „ohne zuckerzusatz“ sei ebenfalls als werbliche aussage einzuordnen. 23aus denselben gründen sei auch der hinweis auf das fehlen von alkohol in der packungsbeilage sowie der fachinformation unzulässig. er sei nicht zutreffend. da der alkoholgehalt unterhalb der schwelle für einen warnhinweis liege, gebe es auch keine rechtsgrundlage für diese angabe. gemäß § 11 abs. 1 satz 1 nr. 6 d amg dürften unter ziffer 6 der gebrauchsinformation nur im arzneimittel aufzulistende bestandteile genannt werden. eine negativangabe sei nicht vorgesehen. im feld „weitere hinweise“ sei nur die aussage zulässig, wonach alkohol im arzneimittel nur noch in einer sehr geringen menge vorhanden sei. auch in der fachinformation könne das fehlen von alkohol keinesfalls unter ziffer 6.1 „liste der sonstigen bestandteile“ aufgeführt werden, da die menge des noch enthaltenen alkohols nicht als sonstiger bestandteil zu nennen sei. 24das verwaltungsgericht hat die klage durch urteil vom 27. november 2018 abgewiesen. zur begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: die beklagte sei gemäß § 28 abs. 1 satz 1 und satz 4 in verbindung mit § 28 abs. 2 nr. 1 amg berechtigt gewesen, der klägerin durch die auflage f1. die streichung des hinweises „ohne alkohol (ethanol)/ohne zuckerzusatz“ auf der äußeren umhüllung und dem etikett des behältnisses aufzugeben, weil dieser nicht nach § 10 amg zulässig sei. zulässig seien weitere angaben nach § 10 abs. 1 satz 5 amg, wenn sie einen bezug zur anwendung des konkreten arzneimittels und damit in erster linie gebrauchssichernde funktion hätten. fehlende bestandteile, wie z.b. alkohol oder zucker, hätten keine auswirkung auf die gesundheit des patienten und entsprechende hinweise seien daher für die anwendung des arzneimittels nicht relevant. darüber hinaus ergebe sich aus der zweckbestimmung der verschiedenen informationstexte und der konzeption der gesetzlichen regelungen in §§ 10 ff. amg, die in übereinstimmung mit den art. 54 ff. richtlinie 2001/83/eg auszulegen seien, eine abschließende regelung zur angabe der sonstigen bestandteile eines arzneimittels auf der äußeren umhüllung oder dem etikett. die angabe „ohne alkohol“ sei zudem irreführend, weil das endprodukt geringe restmengen ethanol aus der arzneimittelherstellung enthalte. auch die angabe „ohne zuckerzusatz“ sei mit § 10 abs. 1 satz 5 amg nicht vereinbar. zwar bestehe im hinblick auf die zahngesundheit sowie für diabetiker ein anerkennenswertes informationsinteresse von patienten. der hinweis auf den fehlenden zuckerzusatz könne jedoch in der packungsbeilage gegeben werden. wegen der fehlenden vereinbarkeit mit § 10 amg habe das bfarm nach § 28 abs. 2 nr. 1 amg die streichung anordnen dürfen. einer zusätzlichen konkreten gefahr für die arzneimittelsicherheit bedürfe es bei der anwendung der auflagenermächtigung nicht. auch die ermessensentscheidung sei rechtlich nicht zu beanstanden, die auflage f1. sei nicht unverhältnismäßig. 25die auflagen f3. und f4. seien ebenfalls rechtmäßig. rechtsgrundlage für die regelungen sei § 28 abs. 1 satz 1 und satz 4 i. v .m. § 28 abs. 2 nr. 2 und nr. 2a amg. die klägerin verwende auch in der packungsbeilage und der fachinformation die pharmazeutisch unzutreffende und irreführende formulierung „ohne alkohol“. der begriff „ohne alkohol“ könne in der packungsbeilage nur dann synonym mit einer irrelevanten restmenge benutzt werden, wenn insofern eine einheitliche definition durch die hierfür zuständige europäische kommission im rahmen der excipients-guideline vorliegen würde. dies sei jedoch bislang nicht der fall. 26dagegen hat die klägerin die vom verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher bedeutung zugelassene berufung eingelegt. zur begründung wiederholt und ergänzt sie ihr erstinstanzliches vorbringen und führt im wesentlichen aus: die ursprünglich genehmigten angaben klärten über unverständliche pflichttexte und irrige verbrauchererwartungen, auch aufgrund der produktkategorie, auf, es seien beträchtliche mengen alkohol und zucker im produkt enthalten. die pflichtangabe „ethanol 90 % (v/v)“ auf der umverpackung werde vom verbraucher teilweise mit alkohol in verbindung gebracht, was auch durch den kräftigen kräutergeschmack unterstützt werde. die sirupartige konsistenz des hustensaftes suggeriere einen hohen zuckergehalt. die angabe „ohne alkohol (ohne ethanol)/ohne zuckerzusatz“ habe einen gebrauchssichernden bezug zur anwendung des konkreten arzneimittels durch den kranken, weil damit ungewöhnlichem einnahmeverhalten (z.b. einnahme von zu geringen mengen oder nichteinnahme zur nacht) vorgebeugt werde. das informationsbedürfnis erkenne auch das verwaltungsgericht an. die vermittlung der sachlichen und inhaltlich zutreffenden informationen sei auch keine werbung. die information „ohne alkohol“ sei aus sicht eines patienten zutreffend, der daraufhin davon ausgehe, dass das produkt keinen negativen gesundheitlichen effekt auf ihn haben könne und auch für patienten geeignet sei, die alkohol vermeiden müssten. dass einige moleküle alkohol im produkt enthalten sein möchten, im übrigen weniger als in vielen lebensmitteln, sei für ihn vollkommen irrelevant. die hier gewählte art und weise der risikokommunikation über entwarnungen sei marktüblich und funktioniere, d. h. sie werde vom verbraucher verstanden, und besonders für vulnerable patientengruppen von bedeutung. 27die auffassung des verwaltungsgerichts, entwarnungshinweise seien grundsätzlich nach § 10 abs. 1 satz 5 amg nicht zulässig, sei vom wortlaut sowie vom sinn und zweck der vorschrift nicht gedeckt. hier werde offenbar ein zusätzliches kriterium der notwendigkeit in die vorschrift hineingelesen. art. 62 der richtlinie 2001/83/eg in seiner nationalen umsetzung sei keine ausnahmevorschrift zu pflichtangaben, sondern eine selbständige regelung zur zulässigkeit freiwilliger zusätzlicher angaben. aus der englischen und französischen fassung ergebe sich der sinn und zweck der vorschrift, ergänzende freiwillige angaben zu erlauben, die für den patienten nützlich seien („useful“, „utiles“). eine einengende auslegung der bestimmung sei auch nach art. 60 der richtlinie 2001/83/eg nicht zulässig. die angaben „ohne alkohol“ und „ohne zuckerzusatz“ wiesen darauf hin, dass das produkt keine relevanten, wahrnehmbaren mengen an alkohol enthalte und ihm kein zucker zugesetzt worden sei, was für patienten, eltern und fachkreise eine nützliche information sei. die kurze botschaft sei auf das wesentliche begrenzt, daher auch keine werbung, und habe sich bewährt. 28mit dem hinweis „ohne alkohol“ werde die auch in der aktuellen excipients-guideline vorgesehene information transportiert, dass die geringe alkoholmenge im arzneimittel keine wahrnehmbaren auswirkungen habe. im übrigen konkretisiere die guideline lediglich pflichtangaben (mindestangaben) zu arzneiträgerstoffen - soweit diese gezielt und funktionsmäßig im endprodukt eingesetzt und nicht nur als extraktionsmittel verwendet und verdampft würden - und enthalte keine abschließende, bindende konkretisierung zu freiwilligen zusätzlichen angaben nach art. 62 der richtlinie 2001/83/eg. sogar im hinblick auf pflichtangaben zu ethanol als auszugsmittel stehe sie nur gleichberechtigt neben anderen guidelines (z.b. zur herbal declaration guideline). umgekehrt lasse sich aus den vorgaben der guideline zu gluten, kalium und natrium ableiten, dass informationen über das fehlen von stoffen (entwarnungen), auch und gerade wenn unbedenkliche molekülmengen noch im produkt enthalten seien, wichtig sein könnten. es liege auch keine irreführung vor, da die verbleibenden moleküle für den patienten irrelevant seien. 29ferner dürften die gleichlautenden tatbestandsmerkmale in § 10 abs. 1 satz 5 amg (umverpackung) und § 11 abs. 1 satz 7 amg (packungsbeilage) nicht unterschiedlich ausgelegt werden. wegen des pflichthinweises zu ethanol auf der umverpackung müsse auch die information über den fehlenden alkoholgehalt dort erfolgen dürfen. für den befürchteten „dammbruch“ sei nichts erkennbar, zumal es um besonderheiten von phytopharmaka gehe, nicht aber um angaben wie halal und koscher oder biosiegel. schließlich sei § 28 amg bei reinen zweckmäßigkeitserwägungen unanwendbar und die auflage unverhältnismäßig. 30die klägerin beantragt, 31das angefochtene urteil zu ändern und die auflagen f1., f3. und f4. im verlängerungsbescheid des bfarm vom 3. juni 2015 für das fertigarzneimittel „aspecton hustensaft“ in der gestalt des widerspruchsbescheides vom 18. dezember 2015 aufzuheben, 32hilfsweise, 33beweis zu erheben über die frage, dass nach dem jeweils bestehenden medizinisch-wissenschaftlichen erkenntnisstand die angaben „ohne alkohol (ethanol)/ohne zuckerzusatz“ mit der anwendung des streitgegenständlichen produkts im zusammenhang stehen und für die gesundheitliche aufklärung der patienten wichtig sind und insbesondere keine medizinisch-pharmazeutisch fehlerhafte information vermitteln. 34die beklagte beantragt, 35die berufung zurückzuweisen. 36zur begründung verweist sie auf das erstinstanzliche verfahren, das rechtskräftige urteil des verwaltungsgerichts köln vom 28. september 2021 - 7 k 5222/18 - zu gluten und trägt ergänzend vor: seit der urteilsverkündung habe das bfarm eine nennenswerte anzahl von pharmazeutischen unternehmen abschließend davon überzeugen können, ihre vergleichbaren „frei von“-kennzeichnungen auf äußeren umhüllungen ihrer arzneimittel auch durchaus bekannter marken zu entfernen. bei zulassungs- und verlängerungsanträgen oder änderungsanzeigen würden entsprechende beanstandungen ausgesprochen. damit werde dem gleichheitssatz genügt. für die verständlichkeit von wirkstoffangaben sei es nicht erforderlich, dass verbraucher diese im einzelnen zutreffend einordnen könnten. das streitgegenständliche arzneimittel sei nicht zuckerfrei; dass kein zucker zugesetzt werde, sei für den ist-zustand des arzneimittels irrelevant. ein informationsbedürfnis bestimmter adressaten werde nicht bestritten. der klägerin gehe es aber um die platzierung der angabe „ohne alkohol (ethanol)/ohne zuckerzusatz“ auf der äußeren umhüllung bzw. dem etikett. mit anderen worten und damit in einer sowohl verständlichen als auch zutreffenden art und weise seien diese informationen an anderer stelle der informativen texte möglich. die guidelines seien als auslegungshilfe beachtlich. es streite für die auffassung der beklagten, dass für die angaben „ohne alkohol“ und “ohne zuckerzusatz“ keine regelungen seitens der gremien getroffen worden seien. das verwaltungsgericht köln habe in der gluten-entscheidung bekräftigt, dass § 10 abs. 1 satz 5 und § 11 abs. 1 satz 7 amg als ausnahmebestimmung eng zu interpretieren seien und die weiteren angaben einen besonderen bezug zur genehmigten anwendung des arzneimittels, insbesondere zum anwendungsgebiet und den modalitäten der einnahme des präparats, haben müssten. 37wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf die gerichtsakte und die beigezogenen verwaltungsvorgänge bezug genommen. 38
39die zulässige berufung ist unbegründet. das verwaltungsgericht hat die klage zu recht abgewiesen. 40a. die klage ist gemäß § 42 abs. 1 vwgo als anfechtungsklage gegen die dem verlängerungsbescheid des bfarm beigefügten auflagen statthaft, 41vgl. nur bverwg, urteil vom 18. mai 2010 - 3 c 25.09 -, a&r 2010, 186 = juris rn. 12, m. w. n., 42und auch im übrigen zulässig. 43b. die klage ist aber unbegründet. 44die auflagen f1., f3. und f4. im verlängerungsbescheid des bfarm vom 3. juni 2015 in der gestalt des widerspruchsbescheides vom 18. dezember 2015 sind rechtmäßig und verletzen die klägerin nicht in ihren rechten, § 113 abs. 1 satz 1 vwgo. 45i. rechtsgrundlage für die auflagen ist § 28 abs. 1 satz 1 i. v. m. § 28 abs. 2 nr. 1, 2 und 2a amg. 461. gemäß § 28 abs. 1 satz 1 amg kann die zuständige bundesoberbehörde die zulassung mit auflagen verbinden. auflagen können angeordnet werden, um sicherzustellen, dass die kennzeichnung der behältnisse und äußeren umhüllungen den vorschriften des § 10 amg (§ 28 abs. 2 nr. 1 amg), die packungsbeilage den vorschriften des § 11 amg (§ 28 abs. 2 nr. 2 amg) und die fachinformation den vorschriften des § 11a amg entspricht (§ 28 abs. 2 nr. 2a amg). 47die regelungen in § 28 abs. 2 nr. 1 bis 2a amg erfassen nicht nur die pflichtangaben, sondern ermöglichen auflagen auch bezüglich der weiteren angaben, die - wenn der pharmazeutische unternehmer hiervon gebrauch macht - den zulässigkeitsvoraussetzungen in § 10 abs. 1 satz 5 amg, § 11 abs. 1 satz 7 amg, § 11a abs. 1 satz 6 amg entsprechen müssen. 48vgl. ovg nrw, urteil vom 22. november 2013 ‑ 13 a 2895/11 -, medr 2015, 203 = juris rn. 47. 49die auflagenbefugnis gilt ferner nicht nur bei erstmaliger zulassung, sondern auch für die - hier erfolgte - verlängerung der zulassung nach § 31 abs. 3 amg. 50vgl. bverwg, urteil vom 23. april 2020 - 3 c 22.18 -, nwvbl. 2020, 460 = juris rn. 25 ff. 512. wie das verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, steht der anwendbarkeit des § 28 abs. 1 satz 1 i. v. m. § 28 abs. 2 nr. 1, 2 und 2a amg als rechtsgrundlage für die auflagen f1., f3. und f4. nicht entgegen, dass das bfarm die beanstandeten angaben, die teilweise auf eine vergleichsweise einigung im klageverfahren vg köln 7 k 705/05 zurückgehen, ursprünglich mit der zulassung vom 22. januar 2008 akzeptiert hat. einer ermächtigung zu einem teilwiderruf oder einer teilrücknahme eines verwaltungsakts bedarf es insoweit entgegen der auffassung der klägerin nicht. 52im verfahren der verlängerung der zulassung ist zu prüfen, ob die gesetzlichen vorgaben der §§ 10, 11 und 11a amg eingehalten werden. das arzneimittelgesetz hat dies allerdings nicht als versagungsgrund für die zulassungsverlängerung eines arzneimittels ausgestaltet, sondern hierfür das mildere mittel der auflagenbefugnis vorgesehen. 53vgl. bverwg, urteil vom 23. april 2020 - 3 c 22.18 -, a. a. o., juris rn. 26. 54eine änderung der sach- oder rechtslage ist dementsprechend keine voraussetzung für den erlass einer solchen auflage. mit der zulassung eines arzneimittels wird insoweit kein vertrauenstatbestand geschaffen. dies zeigt auch die nicht durch weitere voraussetzungen eingeschränkte befugnis nach § 28 abs. 1 satz 4 i. v. m. abs. 2 nr. 1 bis 2a amg, jederzeit nach der erteilung einer arzneimittelrechtlichen zulassung auflagen anordnen zu können, also auch nachträgliche auflagen im hinblick auf die kennzeichnung und die informationstexte, wenn diese nicht mit den vorschriften der §§ 10 bis 11a amg übereinstimmen. 553. maßgeblich für die beurteilung der rechtmäßigkeit der auflagen ist die sach- und rechtslage im zeitpunkt der letzten verwaltungsentscheidung, hier bei erlass des widerspruchsbescheids. 56vgl. bverwg, urteil vom 23. april 2020 - 3 c 22.18 -, a. a. o., juris rn. 11. 57dies entspricht allgemeinen grundsätzen bei anfechtungsklagen, wenn sich aus dem maßgebenden materiellen recht - wie hier - für die zeitpunktfrage nichts anderes ergibt. damit ist im vorliegenden verfahren zu klären, ob bei erlass des widerspruchsbescheids die beanstandeten hinweise unzulässig und die auflagen rechtmäßig waren. dies bedeutet zugleich, dass die beklagte die auflagen nicht von sich aus unter kontrolle halten und fortdauernd überprüfen muss. 58vgl. dazu bverwg, urteil vom 17. september 2021 - 3 c 20.20 -, juris rn. 13 (für einen feststellungsbescheid nach § 21 abs. 4 satz 1 amg). 59ii. die tatbestandlichen voraussetzungen für die erteilung von auflagen nach § 28 abs. 2 amg sind sowohl hinsichtlich der auflage f1. (dazu 1.) als auch der auflagen f3. und f4. (dazu 2.) gegeben. 601. die auflage f1., wonach die angaben „ohne alkohol (ethanol)/ohne zuckerzusatz“ auf der äußeren umhüllung und dem etikett zu streichen sind, stellt im sinne von § 28 abs. 2 nr. 1 amg sicher, dass die kennzeichnung der behältnisse und äußeren umhüllungen den vorschriften des § 10 amg entspricht. die angabe „ohne alkohol (ethanol)“ ist ebenso gemäß § 10 amg unzulässig (dazu a.) wie die angabe „ohne zuckerzusatz“ (dazu b.). 61a. die angabe „ohne alkohol (ethanol)“ auf der äußeren umhüllung und dem etikett entspricht nicht den vorgaben des § 10 amg. 62sie ist - was zwischen den beteiligten unstreitig ist - keine arzneimittelrechtliche pflichtangabe im sinne von § 10 abs. 1 nr. 8 oder § 10 abs. 2 amg. warnhinweise im sinne der letztgenannten vorschrift forderte die bei erlass des widerspruchsbescheids geltende arzneimittelwarnhinweisverordnung (vom 21. dezember 1984 in der vom 29. september 1990 bis zum 31. mai 2022 geltenden fassung) erst ab 0,05 g ethanol in der maximalen einzelgabe nach der dosierungsanleitung (§ 1 abs. 1 satz 1 nr. 1a, § 2 abs. 1 nr. 1). hier beträgt der gehalt aber lediglich 1,32 mg in der maximalen einzeldosis von 10 ml hustensaft, also rund 0,001 g. zudem geht es nicht um einen hinweis auf ethanol, sondern auf das fehlen des stoffes. 63entgegen der auffassung der klägerin ist die angabe „ohne alkohol (ethanol)“ auch nicht als weitere angabe nach § 10 abs. 1 satz 5 amg zulässig. 64gemäß § 10 abs. 1 satz 5 amg sind weitere angaben, die - wie hier - nicht durch eine verordnung der europäischen gemeinschaft oder der europäischen union vorgeschrieben oder bereits nach einer solchen verordnung zulässig sind, zulässig, soweit sie mit der anwendung des arzneimittels im zusammenhang stehen, für die gesundheitliche aufklärung der patienten wichtig sind und den angaben nach § 11a amg nicht widersprechen. 65diese voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. 66vgl. ovg nrw, beschluss vom 14. januar 2016 - 13 a 2552/13 -, juris rn. 26; kloesel/cyran, arzneimittelrecht, 131. lief. 2016, § 10 anm. 74. 67wegen des zusammenhangs mit der anwendung des arzneimittels sind nur solche informationen wichtig für die gesundheitliche aufklärung der patienten, die eine gebrauchssichernde funktion haben. 68vgl. ovg nrw, beschluss vom 5. august 2013 ‑ 13 a 2862/12 -, juris rn. 5; pannenbecker, in: kügel/müller/hofmann, arzneimittelgesetz, 3. auflage 2022, § 10 rn. 48; zimmermann, in: fuhrmann/klein/fleischfresser, arzneimittelrecht, 3. auflage 2020, § 28 rn. 37. 69mit der restriktiven zulassung weiterer angaben soll verhindert werden, dass die patienten von den pflichtinformationen abgelenkt werden, mit denen die ordnungsgemäße anwendung des arzneimittels erreicht werden soll. 70vgl. bverwg, urteil vom 23. april 2020 - 3 c 22.18 -, a. a. o., juris rn. 13, sowie vorlagebeschluss vom 8. november 2018 - 3 c 2.17 -, juris rn. 22; ovg nrw, beschlüsse vom 26. oktober 2015 - 13 a 2598/14 -, a&r 2015, 277 = juris rn. 17, und vom 14. januar 2016 - 13 a 2552/13 -, juris rn. 37; bgh, urteil vom 13. dezember 2012 - i zr 161/11 -, pharmr 2013, 491 = juris rn. 15. 71die kennzeichnung des behältnisses und der äußeren umhüllung bestimmt die identität des arzneimittels nach seiner stofflichen zusammensetzung und herkunft. zu deklarationsangaben zur stofflichen zusammensetzung treten angaben hinzu, die grundlegende informationen für die anwendung des arzneimittels liefern. 72vgl. fuhrmann, in: fuhrmann/klein/fleischfresser, a. a. o., § 8 rn. 9; kloesel/cyran, a. a. o., § 10 anm. 1. 73die anforderungen an zulässige ergänzende angaben sind daher streng. 74vgl. olg münchen, beschluss vom 9. april 2020 - 29 u 5126/19 -, pharmr 2020, 406 = juris rn. 3; olg frankfurt, urteil vom 24. mai 2018 - 6 u 46/17 -, a&r 2018, 185 = juris rn. 21. 75für die gesundheitliche aufklärung wichtig im sinne des § 10 abs. 1 satz 5 amg sind allerdings nicht nur informationen, die unverzichtbar sind. denn informationen, die für eine sichere anwendung des arzneimittels erforderlich sind, gehören bereits zu den pflichtangaben. ausreichend ist vielmehr, dass die angaben zur sachgerechten anwendung des arzneimittels förderlich sind und ihnen damit eine gebrauchssichernde funktion zukommt. dies wird umso eher anzunehmen sein, je dichter der zusammenhang der freiwilligen angabe zu den gesetzlich angeordneten pflichtinformationen ist. grundsätzlich zulässig sind daher erläuterungen zu den wirkungszusammenhängen sowie anwendungshinweise zur herbeiführung des gewünschten behandlungserfolgs. 76vgl. bverwg, vorlagebeschluss vom 8. november 2018 - 3 c 2.17 -, juris rn. 22 f. 77bei der bestimmung der anforderungen an die zulässigkeit weiterer angaben ist art. 62 richtlinie 2001/83/eg zu berücksichtigen. § 10 abs. 1 satz 5 amg dient der umsetzung dieser bestimmung und ist deshalb richtlinienkonform auszulegen. 78vgl. ovg nrw, beschlüsse vom 5. august 2013 - 13 a 2862/12 -, pharmr 2013, 463 = juris rn. 5, und vom 14. januar 2016 - 13 a 2552/13 -, juris rn. 13, 20. 79nach art. 60 richtlinie 2001/83/eg vom 6. november 2001 (abl. l 311 vom 28. november 2001, s. 67) dürfen die mitgliedstaaten das inverkehrbringen von arzneimitteln in ihrem hoheitsgebiet nicht aus gründen, die mit der etikettierung oder der packungsbeilage zusammenhängen, untersagen oder verhindern, sofern diese mit den vorschriften dieses titels übereinstimmen. nach art. 62 richtlinie 2001/83/eg in der fassung der richtlinie 2004/27/eg vom 31. märz 2004 (abl. l 136 vom 30. april 2004, s. 34) können die äußere umhüllung und die packungsbeilage zur veranschaulichung einiger der in den artikeln 54 und 59 absatz 1 genannten informationen zeichen oder piktogramme sowie weitere mit der zusammenfassung der merkmale des erzeugnisses zu vereinbarende informationen enthalten, die für den patienten wichtig sind; nicht zulässig sind angaben, die werbecharakter haben können. 80die letztgenannte vorschrift verlangt keine unionsrechtskonforme auslegung des § 10 abs. 1 satz 5 amg dahingehend, dass aus gründen des unionsrechts weniger strenge anforderungen an weitere hinweise bei der kennzeichnung von arzneimitteln als die vorstehend beschriebenen zu stellen sind. 81offen gelassen von ovg nrw, beschluss vom 5. august 2013 - 13 a 2862/12, a. a. o., juris rn. 5. 82wichtig für den patienten im sinne von art. 62 richtlinie 2001/83/eg sind nur solche informationen, die einen bezug zur anwendung des konkreten arzneimittels durch den kranken und damit in erster linie eine gebrauchssichernde funktion haben. dass die informationen auch unionsrechtlich der gesundheitlichen aufklärung in bezug auf die anwendung des konkreten arzneimittels dienen müssen, folgt schon aus der verwendung des worts „patienten“ statt des begriffs „verbraucher“. ferner ergibt sich dieses verständnis aus sinn und zweck der kennzeichnungsbestimmungen, im interesse der gesundheitsvorsorge und arzneimittelsicherheit die patienten zu unterrichten, damit sie das arzneimittel auf der grundlage vollständiger und verständlicher informationen ordnungsgemäß anwenden können. 83vgl. ovg nrw, beschlüsse vom 5. august 2013 - 13 a 2862/12 -, a. a. o., juris rn. 5 ff., und vom 14. januar 2016 - 13 a 2552/13 -, juris rn. 21; bgh, urteil vom 13. dezember 2012 - i zr 161/11 -, a. a. o., juris rn. 10; kloesel/cyran, a. a. o., § 10 amg anm. 1; pannenbecker, in: kügel/müller/hofmann, a. a. o., § 10 rn. 3 und 47 ff.; kritisch rehmann, arzneimittelgesetz, 5. auflage 2020, § 10 rn. 3. 84diese zielrichtung lässt sich auch aus den erwägungsgründen der richtlinie 2001/83/eg in ihrer ursprünglichen fassung ableiten, deren erwägungsgrund 2 zunächst den allgemeinen gesetzeszweck des wirksamen schutzes der öffentlichen gesundheit betont. nach erwägungsgrund 40 müssen die bestimmungen über die unterrichtung der patienten ein hohes verbraucherschutzniveau gewährleisten, so dass die arzneimittel auf der grundlage vollständiger und verständlicher informationen ordnungsgemäß angewandt werden können. 85etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem umstand, dass der ursprüngliche wortlaut des art. 62 richtlinie 2001/83/eg, wonach die angaben „für die gesundheitliche aufklärung wichtig“ sein mussten, durch die richtlinie 2004/27/eg in „für den patienten wichtig“ geändert worden ist. dass damit eine sachliche änderung, insbesondere eine weitergehende zulassung von freiwilligen angaben gewollt war, lässt sich dem wortlaut nicht entnehmen. für den patienten ist das wichtig, was seiner gesundheitlichen aufklärung in bezug auf die anwendung des konkreten arzneimittels dient. aus den erwägungsgründen und sonstigen materialien ergibt sich ebenfalls nichts dafür, dass eine gebrauchssichernde funktion nicht mehr verlangt oder anderweitig die anforderungen an weitere angaben gelockert werden sollten. dem erwägungsgrund 16 des kommissionsentwurfs zur änderung der richtlinie 2001/83/eg (kom(2001) 404 endg., abl. c 75 e vom 26. märz 2002, s. 216) lässt sich zwar das anliegen der eu-kommission entnehmen, den informationsbedürfnissen und erwartungen von patienten nachzukommen, zugleich wird aber auch hier der zusammenhang mit der ordnungsgemäßen verwendung des arzneimittels betont und ist von strengen bedingungen die rede. in den verabschiedeten erwägungsgründen der richtlinie 2004/27/eg heißt es zudem lediglich, im zusammenhang mit der ordnungsgemäßen verwendung des arzneimittels sollten die rechtsvorschriften über die verpackung auf der grundlage der gewonnenen erfahrungen angepasst werden (erwägungsgrund 21). daraus lässt sich insgesamt nicht ableiten, dass in bezug auf weitere angaben nun großzügigere maßstäbe gelten sollten, zumal mit der richtlinie 2004/27/eg umfangreiche änderungen der art. 54 ff. richtlinie 2001/83/eg verabschiedet worden sind. 86von einer inhaltlichen änderung ist auch der nationale gesetzgeber offenbar nicht ausgegangen, der die änderung des art. 62 durch die richtlinie 2004/27/eg in § 10 abs. 1 amg dahingehend in nationales recht umgesetzt hat, dass aus der formulierung „für die gesundheitliche aufklärung wichtig“ im damaligen § 10 abs. 1 satz 3 amg „für die gesundheitliche aufklärung der patienten wichtig“ im neuen § 10 abs. 1 satz 4 amg wurde. 87§ 10 amg in der ab dem 6. september 2005 gültigen fassung des 14. gesetzes zur änderung des arzneimittelgesetzes vom 29. august 2005; dazu bt-drs. 15/5316, s. 7, 31 und 34; vgl. auch pannenbecker, in: kügel/müller/hofmann, a. a. o., § 10 rn. 47. 88die vorstehenden ausführungen zum verständnis des art. 62 richtlinie 2001/83/eg zugrunde gelegt, lässt sich schließlich entgegen der auffassung der klägerin ein gegenüber § 10 abs. 1 satz 5 amg weiteres verständnis der richtlinienvorgabe auch nicht daraus entnehmen, dass andere sprachfassungen des art. 62 richtlinie 2001/83/eg, etwa die englische und französische, formulieren, dass die informationen für den patienten „nützlich“ („useful“, „utiles“) sein müssen. 89den so verstandenen anforderungen an weitere angaben genügt die angabe „ohne alkohol (ethanol)“ auf der faltschachtel und dem etikett des hustensaftes nicht. 90diese information ist schon deshalb für den patienten weder wichtig noch nützlich, weil sie nicht zutrifft. denn es ist unstreitig noch eine geringe menge alkohol (ethanol) im endprodukt enthalten. in der mündlichen verhandlung vor dem verwaltungsgericht haben die beteiligten sich anhand einer berechnung des bfarm darauf verständigt, dass beim hustensaft maximal 1,32 mg ethanol in einer einzeldosis von 10 ml enthalten ist. ob dies, wie die klägerin im berufungsverfahren betont, nur wenige moleküle sind, kann dahinstehen. dass die menge gering ist und - wovon die beteiligten übereinstimmend ausgehen - keine gesundheitlichen auswirkungen hat, vermag nichts daran zu ändern, dass der hinweis pharmazeutisch nicht korrekt ist. 91darüber hinaus steht die angabe „ohne alkohol (ethanol)“ nicht mit der anwendung des arzneimittels im zusammenhang und hat keine bedeutung für die gesundheit des patienten. es fehlt die gebrauchssichernde funktion. 92so auch pannenbecker, in: kügel/müller/ hofmann, a. a. o., § 10 rn. 48. 93die anwendung des hustensaftes hängt nicht davon ab, dass ein bestimmter stoff in ihm nicht bzw. nur in einer äußerst geringen, gesundheitlich unbedenklichen menge enthalten ist. ein nicht enthaltener stoff hat naturgemäß auch keine auswirkungen auf die gesundheit des patienten. für patienten und deren gesundheitliche aufklärung wichtig wäre nur die information, dass alkohol/ethanol in einer menge enthalten ist, die gesundheitliche auswirkungen haben bzw. etwa für kinder oder alkoholiker von bedeutung sein kann. gebrauchssichernd ist dementsprechend der in der arzneimittelwarnhinweisverordnung - in der im maßgeblichen zeitpunkt des erlasses des widerspruchsbescheids geltenden fassung mit gültigkeit bis zum 31. mai 2022 - auf der grundlage von § 10 abs. 2 amg vorgesehene warnhinweis auf alkohol ab 0,05 g pro maximaler einzeldosis. demgegenüber betrifft es grundsätzlich nicht die korrekte anwendung eines arzneimittels oder die aufklärung über bestehende risiken, dass ein bestimmter stoff darin nicht enthalten ist. 94anders als von der klägerin angenommen, ist für die gesundheitliche aufklärung der patienten im sinne des § 10 abs. 1 satz 5 amg auch nicht jeder hinweis wichtig, der die compliance erhöht, also den fehlgebrauch oder einen verzicht auf die notwendige einnahme des arzneimittels verhindert, und insoweit der gesundheitlichen aufklärung dienlich ist. 95so aber auch kloesel/cyran, a. a. o., § 10 anm. 74, § 11 anm. 82. 96die angabe muss vielmehr, wie ausgeführt, mit der konkreten anwendung des arzneimittels im zusammenhang stehen; für die anwendung ist aber die kenntnis über den fehlenden alkoholgehalt nicht erforderlich. ließe man jeden hinweis zu, der das einnahmeverhalten verbessern könnte, führte dies auch dazu, dass die aufmerksamkeit des patienten nicht hinreichend auf die pflichtangaben gerichtet wäre. ihnen kommt primär die aufgabe zu, eine korrekte, der dosierungsanleitung entsprechende einnahme zu sichern. 97aus diesem grund ist auch nicht ausreichend, dass es sich um eine nützliche information handeln mag, die für den anwender des hustensaftes von interesse ist. ein informationswunsch von verbrauchern ist nicht gleichzusetzen mit dem erfordernis, für die gesundheitliche aufklärung der patienten im zusammenhang mit der anwendung des arzneimittels wichtig zu sein. 98vgl. ovg nrw, beschluss vom 14. januar 2016 - 13 a 2552/13 -, juris rn. 36. 99der hinweis „ohne alkohol“ ist auch nicht aus dem von der klägerin angeführten grund für die gesundheitliche aufklärung wichtig, dass patienten bzw. mütter von patienten im kindesalter durch den pflichthinweis zu ethanol auf der verpackung verunsichert seien. ob tatsächlich in einem beachtlichen maße diese verunsicherung bei einem bloßen hinweis auf ein extraktionsmittel besteht, zumal bei einem arzneimittel, das für kinder ab einem jahr zugelassen ist, bedarf keiner aufklärung. es ist jedenfalls nicht davon auszugehen, dass die im von der klägerin geschilderten maße verunsicherten personen durch den hinweis „ohne alkohol“ aufgeklärt und damit zur (korrekten, der dosierungsanleitung entsprechenden) einnahme veranlasst würden. denn es bleibt für diesen durch den pflichthinweis zu ethanol verunsicherten personenkreis unklar und widersprüchlich, warum einerseits ethanol aufgeführt wird und andererseits kein alkohol enthalten sein soll. wie das verwaltungsgericht zutreffend angeführt hat, wird dies bestätigt durch die bei der klägerin nach ihren angaben eingegangenen rückfragen aus einer zeit, als das arzneimittel mit den hier streitgegenständlichen „ohne“-angaben im verkehr war. die verunsicherung könnte zur überzeugung des senats allenfalls durch eine erklärung der art beseitigt werden, dass ethanol ein auszugsmittel im herstellungsprozess ist, das endprodukt aber nur noch eine geringe restmenge enthält, die keine wahrnehmbaren oder jedenfalls keine gesundheitlichen auswirkungen hat. diese aufklärung vermag der bloße hinweis „ohne alkohol“ nicht zu leisten. die kritik der klägerin an der pflichtangabe zu ethanol als auszugsmittel ist im übrigen hier unbeachtlich, denn diese angabe ist nicht streitgegenständlich. 100aus der von den beteiligten angeführten excipients-guideline „excipients in the label and package leaflet of medicinal products for human use“ der eu-kommission ergibt sich nichts zur zulässigkeit oder unzulässigkeit des weiteren hinweises „ohne alkohol (ethanol)“. die auf art. 65 richtlinie 2001/83/eg gestützte leitlinie in der bei erlass des widerspruchsbescheids geltenden, bis zum 1. märz 2018 gültigen fassung aus juli 2003 (cpmp/463/00) nebst annex, 101abrufbar von: https://www.ema.europa.eu/en/annex-european-commission-guideline-excipients-labelling-package-leaflet-medicinal-products-human, 102sieht lediglich warnungen in bezug auf bestimmte stoffe, unter anderem auch ethanol, vor. sie war überdies in deutschland insoweit schon deshalb nicht rechtsverbindlich, als sich die verpflichtung zu warnungen bei rein national zugelassenen arzneimitteln bis zum 31. mai 2022 aus der arzneimittelwarnhinweisverordnung ergab. zu „ohne..“- oder „frei von…“-angaben verhält sich die leitlinie nicht, die auch bei der nennung der maßgeblichen rechtsgrundlagen in der einleitung (introduction, seite 1) art. 62 richtlinie 2001/83/eg nicht erwähnt. nur wenn stoffe wahrnehmbare auswirkungen haben und im annex gelistet sind, sind sie auf dem etikett zu deklarieren (seite 2 unten). zudem findet die guideline keine anwendung auf rückstände von stoffen, die aus dem herstellungsprozess resultieren oder als extraktionsmittel verwendet werden (seite 2 oben). 103die klägerin kann sich auch nicht mit erfolg darauf berufen, dass der annex der leitlinie bei anderen stoffen (etwa kalium oder natrium) unterhalb bestimmter schwellenwerte die angabe vorsieht, das arzneimittel sei „nahezu“ (englisch: „essentially“) kaliumfrei/natriumfrei. der auffassung der klägerin, das belege, dass bei nur geringen molekülmengen an ethanol ohne wahrnehmbare auswirkungen „frei von…“-informationen wichtig seien, folgt der senat nicht. denn eine angabe wie bei kalium oder natrium ist für ethanol gerade nicht vorgesehen. darüber hinaus sind die für die packungsbeilage vorgegebenen hinweise mit der hier streitgegenständlichen „ohne…“-angabe auf verpackung und etikett auch inhaltlich nicht vergleichbar. denn ihnen voranzustellen ist laut annex der guideline jeweils die aussage, das arzneimittel enthalte kalium/natrium in einer menge von weniger als … pro dosiereinheit. zudem macht es einen unterschied, ob ein arzneimittel als „nahezu“ frei von einem bestimmten stoff bezeichnet oder die formulierung „ohne“ verwendet wird. 104die neufassung der guideline „excipients in the labelling and package leaflet of medicinal products for human use“ aus märz 2022 (sante-2017-11668), 105https://health.ec.europa.eu/system/files/2018-03/guidelines_excipients_march2018_en_0.pdf, 106nebst annex vom 22. november 2019, revision 2 (stand 22. juli 2022, ema/chmp/302620/2017), 107https://www.ema.europa.eu/en/documents/scientific-guideline/annex-european-commission-guideline-excipients-labelling-package-leaflet-medicinal-products-human_en-1.pdf, 108ist zwar nach der änderung der arzneimittelwarnhinweisverordnung zum 1. juni 2022 und der nachfolgend erlassenen gemeinsamen bekanntmachung des bfarm und des paul-ehrlich-instituts über warnhinweise zu bestandteilen von arzneimitteln vom 31. mai 2022 verbindlich umzusetzen. 109vgl. dazu auch den referentenentwurf des bundesministeriums für gesundheit zu einer verordnung zur aufhebung der arzneimittel-warnhinweisverordnung und zur änderung der apothekenbetriebsordnung vom 2. juli 2021, s. 1, 5 und 7. 110die excipients-guideline in ihrer aktuellen fassung ist aber nach auffassung des senats wegen des hier maßgeblichen zeitpunkts der letzten behördenentscheidung schon nicht berücksichtigungsfähig. 111selbst wenn man aber mit der klägerin der auffassung wäre, sie könne herangezogen werden, weil es sich um wissen handele, das auch bereits im zeitpunkt der letzten behördlichen entscheidung vorgelegen habe, 112vgl. in diese richtung auch ovg nrw, urteil vom 28. oktober 2021 - 13 a 1376/17 -, pharmr 2022, 112 = juris rn. 27, 113führte dies zu keinem anderen ergebnis. zu freiwilligen angaben im sinne von art. 62 richtlinie 2001/83/eg verhält auch sie sich nicht, sondern sieht, wie die klägerin zu recht betont, weiterhin lediglich (warnende) pflichtangaben vor. bei ethanol ist im annex im bereich von 0 bis zu 15 mg/kg pro dosis der hinweis in der packungsbeilage vorgegeben, welche menge ethanol pro dosiereinheit enthalten ist. anschließend ist dies in vergleichbaren verzehrmengen (in ml) von bier oder wein anzugeben und schließlich der satz anzufügen: „die geringe alkoholmenge in diesem arzneimittel hat keine wahrnehmbaren auswirkungen“. für die zulässigkeit des streitgegenständlichen hinweises „ohne alkohol (ethanol)“ lässt sich daraus nichts ableiten. ferner gilt weiterhin, dass bei der verwendung von ethanol im herstellungsprozess (z. b. bei der beschichtung von tabletten) oder als extraktionsmittel, das verdampft wird, keine notwendigkeit besteht, ethanol in der packungsbeilage zu erwähnen (s. 2 sowie kommentar im annex zu ethanol). 114vgl. dazu auch die besonderheitenliste des bfarm, stand 1. juni 2022, zusatzinformationen. 115auch aus den änderungen im annex zu anderen stoffen ergeben sich keine anhaltspunkte dafür, dass die freiwillige angabe „ohne alkohol (ethanol)“ zulässig wäre. so ist für gluten aus weizenstärke nun die angabe in der packungsbeilage vorgesehen, das arzneimittel enthalte nur sehr geringe mengen gluten und es gelte als „glutenfrei“. daraus lässt sich nichts für die generelle zulässigkeit von „ohne..“-angaben, erst recht nicht für die zulässigkeit des „ohne alkohol (ethanol)“-hinweises auf der faltschachtel und dem etikett im streitfall ableiten. 116auch die weiter im verfahren von den beteiligten angeführten dokumente der europäischen arzneimittelagentur (ema) rechtfertigen keine andere betrachtung. sie sind rechtlich unverbindlich und darüber hinaus für den vorliegenden streitfall ganz überwiegend inhaltlich ohne aussagekraft. die empfehlungen der working group on quality review of documents (qrd) „recommendations on pack design and labelling for centrally authorised non-prescription human medicinal products“ (vom 10. märz 2011, ema/275297/2010) beziehen sich auf zentral durch die ema zugelassene arzneimittel. die fragen und antworten zu gluten („questions and answers on wheat starch containing gluten in the context of the revision of the guideline on excipients in the label and package leaflet of medicinal products for human use“, ema/chmp/704219/2013) betreffen schon einen nicht vergleichbaren stoff, zu dem inzwischen auch die excipients-guideline die oben wiedergegebene empfehlung enthält. die fragen und antworten zu ethanol („questions and answers on ethanol in the context of the revision of the guideline on excipients in the label and package leaflet of medicinal products for human use“ vom 23. januar 2014, cpmp/463/00), 117https://www.ema.europa.eu/en/documents/scientific-guideline/questions-answers-ethanol-context-revision-guideline-excipients-label-package-leaflet-medicinal_en.pdf, 118enthalten vorschläge für die überarbeitung des annexes der excipients-guideline, der aus den vorstehend angeführten gründen für die hier streitige frage unergiebig ist; zur zulässigkeit von hinweisen wie „ohne alkohol (ethanol)“ verhalten sie sich ebenfalls nicht. entsprechendes gilt für das dokument des chmp zum wissenschaftlichen hintergrund „information for the package leaflet regarding ethanol used as an excipient in medicinal products for human use“ (vom 20. september 2018, ema/chmp/43486/2018), 119https://www.ema.europa.eu/en/documents/scientific-guideline/information-package-leaflet-regarding-ethanol-used-excipient-medicinal-products-human-use_en.pdf. 120die arbeitsgruppe qrd hat sich zwar in der sitzung vom 2. märz 2016 (ema, minutes of the eighty-seventh meeting of the „working group on quality review of documents“, ema/189974/2016) dahingehend geäußert, dass hinweise wie gluten-/alkohol-/zuckerfrei als werbung eingestuft würden und von keinem zusätzlichen wert seien. diese einschätzung ist allerdings nicht nur unverbindlich, sondern zudem durch die überarbeitung der excipients-guideline überholt. 121ist die angabe danach schon aus diesen gründen gemäß § 10 abs. 1 satz 5 amg unzulässig, kommt es nicht darauf an, ob sie auch als werbeaussage im sinne von art. 62 richtlinie 2001/83/eg - in richtlinienkonformer anwendung des § 10 abs. 1 satz 5 amg - unzulässig ist. 122b. auch die angabe „ohne zuckerzusatz“ auf der faltschachtel und dem etikett ist arzneimittelrechtlich unzulässig. 123sie ist zwar - anders als der hinweis „ohne alkohol (ethanol)“ - zutreffend, da dem produkt im herstellungsverfahren unstreitig kein zucker zugesetzt wird. der senat geht auch nicht davon aus, dass die angabe den falschen eindruck vermittelt, der hustensaft enthalte kaum oder keinen zucker. die information ist aber schon deshalb nicht für den patienten und dessen gesundheitliche aufklärung wichtig, weil sie nichts über den tatsächlichen zuckergehalt des produkts und im übrigen auch nichts über etwaige zuckerersatzstoffe im produkt aussagt. der streitgegenständliche hustensaft enthält jedenfalls natürlichen zucker aufgrund des wirkstoffs thymian. abgesehen davon enthält er auch das süßungsmittel sorbitol. der umstand, dass im herstellungsverfahren kein zucker zugesetzt wurde, ist auch für die anwendung des arzneimittels nicht von bedeutung. er hat keine gebrauchssichernde funktion. 124selbst wenn man davon ausgeht, der zuckergehalt des hustensaftes sei so gering, dass er keine negativen gesundheitlichen effekte habe, führt dies zu keinem anderen ergebnis. auch hier gilt die obige erwägung zum hinweis „ohne alkohol (ethanol)“, dass ein nicht enthaltener stoff auch keine auswirkungen auf die gesundheit des patienten hat. 125nichts anderes ergibt sich aus dem von der klägerin angeführten gesichtspunkt der zahngesundheit, der bei hustensäften aufgrund der mit der produktkategorie verbundenen verbrauchererwartung eine rolle spiele. ob patienten oder ihre eltern bei hustensäften aufgrund der konsistenz und/oder des geschmacks davon ausgehen, dass diese zucker enthalten, kann dahinstehen. es ist für die frage der zulässigkeit des hinweises auf den fehlenden zuckerzusatz nicht relevant. die angabe eines beachtlichen zuckergehalts (und der daraus folgenden konsequenzen für die zahnpflege) stünde im zusammenhang mit der anwendung des arzneimittels und diente der aufklärung über dessen risiken. umgekehrt gilt dies hingegen nicht. enthält ein arzneimittel keinen zahnschädigenden zucker, ist hinsichtlich der zahnhygiene auch nichts zu beachten und der patient über kein risiko aufzuklären. dass der hinweis auf die zuckerfreiheit die compliance erhöhen mag, genügt ebenfalls aus den bereits zum ethanol ausgeführten gründen nicht den tatbestandlichen anforderungen des § 10 abs. 1 satz 5 amg. 126c. dem in der mündlichen verhandlung hilfsweise gestellten beweisantrag der klägerin, „beweis zu erheben über die frage, dass nach dem jeweils bestehenden medizinisch-wissenschaftlichen erkenntnisstand die angaben „ohne alkohol (ethanol)/ohne zuckerzusatz“ mit der anwendung des streitgegenständlichen produkts im zusammenhang stehen und für die gesundheitliche aufklärung der patienten wichtig sind und insbesondere keine medizinisch-pharmazeutisch fehlerhafte information vermitteln“, musste der senat nicht nachkommen. 127der beweisantrag ist bereits wegen mangelnder substantiierung unzulässig. unsubstantiierten beweisanträgen muss das gericht nicht nachgehen. die gebotene substantiierung besteht in der nennung eines bestimmten beweismittels und in der behauptung einer bestimmten tatsache. unsubstantiiert sind aber nicht nur beweisanträge, die das beweisthema nicht hinreichend konkretisieren, sondern auch beweisanträge, die dazu dienen sollen, unsubstantiierte behauptungen zu stützen, etwa solche, die erkennbar ohne jede tatsächliche grundlage erhoben worden sind. das substantiierungsgebot verlangt, dass die tatsache vom antragsteller mit einem gewissen maß an bestimmtheit als wahr und mit dem angegebenen beweismittel beweisbar behauptet wird. finden sich im gesamten prozessstoff keine tatsächlichen anhaltspunkte für die aufgestellte behauptung und gibt der antragsteller für eine von ihm angestellte vermutung nicht die geringste tatsächliche grundlage an, darf das gericht den schluss ziehen, die behauptung sei „aus der luft gegriffen“ oder „ins blaue hinein“ aufgestellt worden. in einem derartigen fall geht es dem antragsteller nur darum, ermitteln zu lassen, ob seine auf keine anhaltspunkte gestützte behauptung nicht vielleicht doch wahr ist. 128vgl. bverwg, beschlüsse vom 24. september 2012 - 5 b 30.12 -, juris rn. 9, vom 2. november 2007 - 7 bn 3.07 -, juris rn. 5, und vom 29. märz 1996 - 11 b 21.95 -, juris rn. 4. 129hier hat die klägerin mit der formulierung ihres beweisantrags entgegen § 244 abs. 3 satz 1 stpo in entsprechender anwendung schon kein bestimmtes beweismittel bezeichnet. es ist auch nicht ohne weiteres erkennbar, mit welchem beweismittel die von ihr mit dem beweisantrag aufgestellte behauptung verifiziert werden könnte. zwar dürfte es der klägerin um die einholung eines sachverständigengutachtens gehen und ist ferner die namentliche benennung eines sachverständigen nicht geboten. auch spricht einiges dafür, dass hinsichtlich des mit „insbesondere“ eingeleiteten teilaspekts der beweisfrage die einholung eines medizinischen und/oder pharmazeutischen sachverständigengutachtens begehrt wird. allerdings ist gänzlich unklar und von der klägerin auch nicht weiter in der mündlichen verhandlung thematisiert worden, welche weiteren aspekte sie mit der umfassender formulierten beweisfrage geklärt haben möchte und welche einrichtungen, institutionen oder wissenschaftler welcher fachrichtung insoweit über erkenntnisse verfügen könnten. 130ferner handelt es sich bei der tatsache, dass die angabe „ohne alkohol (ethanol)“ keine medizinisch-pharmazeutisch fehlerhafte information (zu dem streitgegenständlichen produkt) vermittelt, um eine unsubstantiierte, ohne tatsächliche anhaltspunkte aufgestellte behauptung. denn die beteiligten haben sich im erstinstanzlichen verfahren darauf verständigt, dass in einer maximalen einzeldosis von 10 ml hustensaft 1,32 mg ethanol enthalten sind, weshalb - wie oben ausgeführt - die angabe „ohne alkohol (ethanol)“ pharmazeutisch unzutreffend ist. die bloße behauptung, es handle sich lediglich um wenige moleküle an ethanol, bietet keine tatsächliche grundlage dafür, dass entgegen den erstinstanzlichen erklärungen der hustensaft kein ethanol mehr enthält. 131was die angabe „ohne zuckerzusatz“ angeht, ist die beweistatsache als erwiesen und damit nicht mehr beweisbedürftig anzusehen, § 244 abs. 3 satz 3 nr. 3 stpo analog. dass dieser hinweis inhaltlich zutrifft und damit keine medizinisch-pharmazeutisch fehlerhafte information vermittelt, steht nicht im streit und hat der senat auch angenommen. 132abgesehen davon ist der beweisantrag deshalb abzulehnen, weil er hinsichtlich des beweisthemas unzulässig ist. er ist nicht auf die ermittlung einer tatsache, sondern auf die beantwortung einer rechtsfrage gerichtet, die einer beweiserhebung nicht zugänglich, sondern durch das gericht zu beantworten ist (vgl. § 244 abs. 3 satz 1 und 2 stpo analog). 133vgl. bverfg, beschluss vom 18. februar 1988 ‑ 2 bvr 1324/87 -, bayvbl. 1988, 268 = juris rn. 14; ovg nrw, beschluss vom 23. september 2009 - 13 a 987/09 -, juris rn. 15; julius, in: gercke/ julius/ temming/zöller, strafprozessordnung, 6. auflage 2019, § 244 rn. 28 und 45. 134mit dem benannten beweisthema, ob die angaben „ohne alkohol (ethanol)/ohne zuckerzusatz“ mit der anwendung des streitgegenständlichen produkts im zusammenhang stehen und für die gesundheitliche aufklärung der patienten wichtig sind, werden exakt die in § 10 abs. 1 satz 5 amg genannten tatbestandsvoraussetzungen wiedergegeben. ob die angaben „ohne alkohol (ethanol)/ohne zuckerzusatz“ diese im streitfall erfüllen, ist nicht durch eine beweiserhebung zu ermitteln, sondern durch das gericht zu entscheiden. 1352. die auflagen f3. und f4., wonach in den texten für die packungsbeilage und die fachinformation die hinweise zum fehlenden alkohol/ethanol zu streichen sind, stellen sicher, dass die packungsbeilage den vorschriften des § 11 amg (§ 28 abs. 2 nr. 2 amg) und die fachinformation den vorschriften des § 11a amg entspricht (§ 28 abs. 2 nr. 2a amg). 136dass die auflage f3. in den texten für die packungsbeilage und die fachinformation die streichung des hinweises „…enthält keinen alkohol“ fordert, der wortlaut der eingereichten texte aber „enthält keinen alkohol (ethanol)“ in der gebrauchsinformation und „enthält kein ethanol“ in der fachinformation lautet, ist unerheblich. dass die beklagte die streichung dieser texte fordert, lässt sich dem bescheid zweifelsfrei entnehmen. 137die beanstandeten hinweise, bei denen es sich nicht um pflichtangaben handelt, sind unzulässig. weitere angaben in der packungsbeilage (§ 11 abs. 1 satz 7 amg) und der fachinformation (§ 11a abs. 1 satz 6 amg) sind - soweit sie nicht (wie hier) durch eine verordnung der europäischen gemeinschaft oder der europäischen union vorgeschrieben oder bereits nach einer solchen verordnung zulässig sind - zulässig, soweit sie mit der anwendung des arzneimittels im zusammenhang stehen, für die gesundheitliche aufklärung der patienten wichtig sind und den angaben nach § 11a amg nicht widersprechen. 138die tatbestandlichen voraussetzungen entsprechen damit denen des § 10 abs. 1 satz 5 amg. zulässig sind nur gebrauchssichernde informationen. 139vgl. pannenbecker, in: kügel/müller/hofmann, a. a. o., § 11 rn. 52, § 11a rn. 21. 140bei der an die patienten gerichteten packungsbeilage ergibt sich dies auch daraus, dass ihr der zweck zukommt, eine sachgerechte anwendung des arzneimittels zu gewährleisten. sie soll dem patienten alle informationen geben, die für eine ordnungsgemäße anwendung des arzneimittels und die mit der anwendung verbundenen risiken von bedeutung sind. 141vgl. kloesel/cyran, a. a. o., § 11 anm. 1 und 82; fuhrmann, in: fuhrmann/klein/fleischfresser, a. a. o., § 8 rn. 9. 142in ähnlicher weise kommt der an das heilberuflich tätige fachpublikum adressierten fachinformation die funktion zu, den fachkreisen die für eine sichere anwendung des arzneimittels notwendigen wissenschaftlichen informationen zu geben. 143vgl. kloesel/cyran, a. a. o., § 11a anm. 2. 144die restriktive zulassung weiterer angaben soll auch bei der gebrauchs- und fachinformation verhindern, dass die verwender von den pflichtinformationen abgelenkt werden. dies gilt nicht nur für die packungsbeilage, sondern auch für die fachinformation. auch sie ist auf die anwendung des arzneimittels bezogen. zulässig sind etwa solche angaben, mit denen die wirkungsweise des arzneimittels nachvollzogen werden kann. angaben, die keinen zusammenhang mit dem therapeutischen einsatz des arzneimittels aufweisen, gehören hingegen nicht in die fachinformation. 145vgl. bverwg, urteil vom 23. april 2020 ‑ 3 c 22.18 -, a. a. o., juris rn. 13 ff. 146hiervon ausgehend sind die hinweise in der gebrauchs- und fachinformation nicht nach § 11 abs. 1 satz 7 amg und § 11a abs. 1 satz 6 amg als weitere angaben zulässig. es gelten die ausführungen zu § 10 abs. 1 satz 5 amg entsprechend, auf die bezug genommen wird (siehe ziff. ii.1.a). 147bei der fachinformation fällt zudem besonders ins gewicht, dass der hinweis, es sei kein ethanol enthalten, pharmazeutisch unzutreffend ist. denn für die entsprechend vorgebildeten fachkreise ist die information, es sei kein ethanol enthalten, für die gesundheitliche aufklärung der patienten nicht hilfreich, wenn gleichzeitig erkennbar ist, dass ethanol als auszugsmittel verwendet wurde. auch hier gilt, dass wichtig für die anwendung des arzneimittels nur die angabe sein kann, dass die im arzneimittel enthaltene restmenge an ethanol so gering ist, dass sie keine wahrnehmbaren und damit auch keine gesundheitlichen auswirkungen hat. 148sollte der hilfsbeweisantrag auch auf die beanstandeten angaben in der gebrauchs- und fachinformation zielen, gelten die obigen ausführungen hier entsprechend. 149iii. die angefochtenen auflagen sind auch frei von ermessensfehlern. nach § 28 abs. 2 nr. 1, 2 und 2a amg „kann“ das bfarm bei vorliegen der tatbestandsvoraussetzungen auflagen erteilen. 150ein entschließungsermessen kommt der behörde insoweit aber schon nicht zu. ist die auflage - wie hier - erforderlich, um die übereinstimmung der kennzeichnung, der packungsbeilage und der fachinformation mit den gesetzlichen vorgaben sicherzustellen, besteht die verpflichtung zur anordnung einer auflage. 151vgl. bverwg, urteil vom 23. april 2020 - 3 c 22.18 -, a. a. o., juris rn. 27 f., vorausgehend ausführlich dazu ovg nrw, urteil vom 7. november 2018 - 13 a 3140/17 -, juris rn. 64 ff. 152auf die feststellung einer konkreten gefährdung kommt es nicht an. ebenso wenig bedarf es einer verhältnismäßigkeitsprüfung, die etwa die wirtschaftlichen auswirkungen der maßnahme für den pharmazeutischen unternehmer in den blick nimmt. 153es ist deshalb auch nicht unter dem gesichtspunkt von art. 3 abs. 1 gg i. v. m. dem grundsatz der selbstbindung der verwaltung zu prüfen, ob das bfarm die streichung vergleichbarer hinweise auch gegenüber anderen pharmazeutischen unternehmen angeordnet hat bzw. dies beabsichtigt. ob auch eine verpflichtung der beklagten zur anordnung nachträglicher auflagen gem. § 28 abs. 1 satz 4 amg in altfällen besteht, die nicht aus anlass eines verlängerungsantrags oder im rahmen einer änderungsanzeige zur prüfung stehen, ist daher ebenfalls unerheblich. 154vgl. dazu auch bverwg, urteil vom 23. april 2020 - 3 c 22.18 -, a. a. o., juris rn. 30 f. 155davon abgesehen hat die beklagte im berufungsverfahren mitgeteilt, dass sie in zulassungs- oder verlängerungsverfahren oder bei änderungsanzeigen entsprechende „frei von“-hinweise im rahmen von anhörungen oder widerspruchsverfahren beanstande und dies von der pharmazeutischen industrie ganz überwiegend akzeptiert werde. für eine ungleichbehandlung ist damit auch nichts ersichtlich. 156die ausübung des auswahlermessens ist ebenfalls nicht zu beanstanden. es ist nicht ersichtlich, wie den verstößen gegen die vorgaben der §§ 10, 11 und 11a amg anders abgeholfen werden könnte als durch eine streichung der hinweise. ermessensfehler sind auch nicht erkennbar, soweit nach der auflage f3. der hinweis in den texten für die packungsbeilage und die fachinformation durch den hinweis „das ethanol des auszugsmittels wurde weitestgehend entfernt.“ ersetzt werden kann. die klägerin wird zur aufnahme dieses hinweises nicht verpflichtet („kann“). vielmehr ist er als bloßer formulierungsvorschlag zu verstehen, der dem anliegen der klägerin rechnung tragen soll, etwaigen fehlvorstellungen von patienten und fachpersonal infolge der pflichtangaben zum ethanol entgegenzuwirken. dies wird bestätigt durch die ausführungen im widerspruchsbescheid, wonach es sich um einen „textvorschlag“ handele, der im rahmen der weiteren angaben unterhalb der pflichtangaben „aufgeführt werden könnte“. 157die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 2 vwgo. 158die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit beruht auf § 167 vwgo i. v. m. §§ 708 nr. 10, 711 zpo. 159die revision ist zuzulassen, da die rechtssache im sinne von § 132 abs. 2 nr. 1 vwgo grundsätzliche bedeutung hat. die zulässigkeit von „ohne alkohol“- und „ohne zuckerzusatz“-hinweisen sowie vergleichbaren weiteren angaben, dabei vorgelagert insbesondere die frage nach dem verständnis des art. 62 richtlinie 2001/83/eg und ggf. einer unionsrechtskonformen erweiternden auslegung der §§ 10 abs. 1 satz 5, 11 abs. 1 satz 7, 11a abs. 1 satz 6 amg, ist in der höchstrichterlichen rechtsprechung bisher nicht geklärt und voraussichtlich für eine vielzahl von fällen von bedeutung.
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9 A 1027/22
2022-08-30T00:00:00
Urteil
Tenor Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Revision wird zugelassen. 1Tatbestand: 2Die Beteiligten streiten um die Angaben „Ohne Alkohol (Ethanol)/Ohne Zuckerzusatz“ auf der äußeren Umhüllung (Faltschachtel) und dem Etikett von „B. Hustentropfen“ sowie die Angaben “frei von Alkohol (Ethanol)“, “enthalten kein Alkohol (Ethanol)“, „enthalten kein Ethanol“ in der Gebrauchs- und Fachinformation. 3Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erteilte der Firma L. N. GmbH - der vormaligen Klägerin - am 22. Januar 2008 die Zulassung für das Fertigarzneimittel „B. forte Hustentropfen“ (Zulassungsnummer 65616.00.00). Zwischenzeitlich wurde die Bezeichnung in „B. Hustentropfen“ geändert. Diese Zulassung wurde im November 2020 an die jetzige Klägerin übertragen. Mit Schriftsatz vom 23. März 2022 teilte diese mit, sie führe als Rechtsnachfolgerin der vorherigen Zulassungsinhaberin und Klägerin das Verfahren fort. Am 20. Mai 2022 stimmte die Beklagte dem zu. 4Das Arzneimittel enthält als Wirkstoff einen Dickextrakt aus Thymiankraut (1,7-2,5:1), Auszugsmittel: Ammoniaklösung 10 % (m/m), Glycerol 85 % (m/m), Ethanol 90 % (V/V), Wasser (1:20:70:109). Das im Auszugsmittel für den Thymiankrautextrakt enthaltene Ethanol wird im Herstellungsverfahren fast vollständig wieder entfernt. In der Extraktzubereitung befindet sich laut Spezifikation Ethanol nur noch in einer Menge von unter 0,10 %. In einer maximalen Einzeldosis des Fertigarzneimittels von 2,3 ml Hustentropfen sind maximal 2,16 mg Ethanol enthalten. Das Arzneimittel enthält nicht mehr natürlichen Zucker als der Ausgangsstoff Thymian; während des Herstellungsverfahrens wird kein Zucker zugesetzt. 5Das Arzneimittel wird angewendet „zur Besserung der Beschwerden bei Erkältungskrankheiten der Atemwege mit zähflüssigem Schleim, zur Besserung der Beschwerden bei akuter Bronchitis“. Es ist auch zur Anwendung bei Kindern ab 1 Jahr zugelassen und nicht verschreibungspflichtig. 6In dem durch den Zulassungsbescheid vom 22. Januar 2008 zugelassenen Text für die äußere Umhüllung (Faltschachtel) und das Etikett befand sich der Hinweis „Ohne Alkohol (Ethanol)/Ohne Zuckerzusatz“. In der Gebrauchsinformation war unter Ziffer 6 - nach der Angabe der sonstigen Bestandteile - der Hinweis enthalten: „B. forte Hustentropfen enthalten kein Alkohol (Ethanol)“. Im Abschnitt „Weitere Hinweise“ der Gebrauchsinformation war der folgende Text aufgeführt: „B. forte Hustentropfen sind frei von Alkohol (Ethanol) und daher auch für Patienten geeignet, die Alkohol (Ethanol) vermeiden müssen.“ In der Fachinformation hieß es unter Ziffer 6.1 nach der Liste der sonstigen Bestandteile: „Hinweis: B. forte Hustentropfen enthalten kein Ethanol.“ 7Mit fristgerechtem Verlängerungsantrag vom 18. Juli 2012 legte die vormalige Klägerin gleichlautende Informationstexte und Texte für äußere Umhüllung und Etikett vor. Dem nach vorheriger Anhörung ergangenen Verlängerungsbescheid vom 3. Juni 2015, zugestellt am 9. Juni 2015, waren u. a. die folgenden Auflagen beigefügt: 8F1.: Die Angaben „Ohne Alkohol (Ethanol)/Ohne Zuckerzusatz“ sind auf der äußeren Umhüllung und dem Etikett zu streichen. 9F3.: In den Texten für die Packungsbeilage und die Fachinformation sind die Hinweise „…enthält keinen Alkohol“ zu streichen und können durch den Hinweis „Das Ethanol des Auszugsmittels wurde weitestgehend entfernt.“ ersetzt werden. 10F4.: In der Packungsbeilage ist unter weitere Hinweise der Satz: „ ... ist ohne Alkohol (Ethanol) und daher auch für Patienten geeignet, die Alkohol (Ethanol) vermeiden müssen“ zu streichen. 11In der Begründung zu Auflage F1. wurde ausgeführt, der Hinweis zur Alkohol- und Zuckerfreiheit sei nach § 10 Abs. 1 Satz 4 AMG nicht als „weitere Angabe“ zulässig, weil sie in der EU-„Guideline on the excipients in the label and package leaflet of medicinal products for human use“ (CPMP/463/00) nicht vorgesehen und bei dem apothekenpflichtigen Arzneimittel auch nicht notwendig sei. Die Angaben seien auch geeignet, das Produkt gegenüber vergleichbaren Arzneimitteln hervorzuheben, und daher werbewirksame Aussagen. Zur Begründung der in den Auflagen F3. und F4. vorgesehenen Streichungen wurde ausgeführt, auch wenn das Ethanol aus dem Auszugsmittel wieder entfernt werde, blieben immer kleine Restmengen zurück. Außerdem zähle auch das enthaltene Propylenglykol zu den Alkoholen. 12Den dagegen eingelegten Widerspruch wies das BfArM durch Widerspruchsbescheid vom 21. Januar 2016 zurück. 13Am 27. Januar 2016 hat die vormalige Klägerin beim Verwaltungsgericht Köln Klage erhoben (7 K 433/16). Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt: Die Auflagen F1., F3. und F4. seien rechtswidrig. Die Beklagte habe die beanstandeten Hinweise in der erstmaligen Zulassung genehmigt. Eine Ermächtigungsgrundlage für die Aufhebung eines genehmigten Textes sei nicht ersichtlich. Es sei auch fraglich, ob im Hinblick auf „Entwarnungshinweise“ eine Auflagenbefugnis nach § 28 Abs. 2 AMG bestehe, denn durch die Entwarnung bestehe keine Gefahr für die Qualität und Unbedenklichkeit von Arzneimitteln. Es sei weiter fraglich, ob die Beklagte das ihr durch § 28 Abs. 2 AMG eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt, insbesondere die atypischen Besonderheiten des vorliegenden Falles hinreichend beachtet habe. Die Beklagte orientiere sich an abstrakten Guidelines oder Äußerungen von Expertengremien sowie einer möglichen Vorbildwirkung für andere Verfahren statt den konkreten Einzelfall zu prüfen. Die Auflagen seien unverhältnismäßig. Eine Änderung der im Rahmen der Erstzulassung für rechtmäßig gehaltenen Texte, ohne dass sich die Sach- oder Rechtslage geändert habe, verwirre die Patienten und Vertreter der Fachkreise und führe zu einer unnötigen wirtschaftlichen Belastung der Klägerin. 14Die beanstandeten Hinweise seien als sonstige Angaben nach § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG, § 11 Abs. 1 Satz 7 AMG und § 11a Abs. 1 Satz 6 AMG zulässig. Sie stünden mit der Anwendung des Arzneimittels in Zusammenhang und seien für die gesundheitliche Aufklärung wichtig. Hierzu genüge es, dass die Angaben der gesundheitlichen Aufklärung dienlich seien. Dies sei bei allen Angaben der Fall, die das Einnahmeverhalten, die Compliance, verbesserten. Insbesondere sei die Angabe „Ohne Alkohol (Ethanol)“ geboten, weil sie die aus der Sicht eines durchschnittlich informierten, verständigen Patienten verwirrende Pflichtangabe zum Extraktionsmittel „Ethanol“ klarstelle. Der Unsicherheit könne auch nicht durch die Abgabe in der Apotheke hinreichend begegnet werden. Der Entwarnungspflicht könne der pharmazeutische Unternehmer nur dadurch nachkommen, dass er auf der Faltschachtel einen kurzen und prägnanten Hinweis anbringe, wie es „ohne Alkohol“ sei. Dies werde vom Verbraucher dahingehend verstanden, dass der etwa noch vorhandene Alkohol keinen nennenswerten Effekt entfalte, und sei daher auch inhaltlich zutreffend. Die Excipients-Guideline schreibe nur Warnungen vor und enthalte daher keine abschließende Regelung im Hinblick auf Entwarnungshinweise. Auch der Hinweis „ohne Zuckerzusatz“ sei zulässig. Die Angabe enthalte eine für alle Verbrauchergruppen, insbesondere aber für Diabetiker, wichtige und verständliche Mitteilung und verbessere das Einnahmeverhalten. 15Es handele sich auch nicht um unzulässige werbliche Aussagen. Das Merkmal des werbewirksamen Effekts dürfe nicht in die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes zur Zulässigkeit von weiteren Angaben hineingelesen werden, weil dies vorliegend keine Grundlage in Art. 62 der Richtlinie 2001/83/EG finde. Schließlich sei die zurückhaltende Präsentation des Arzneimittels von der Beklagten im Rahmen der Ermessensentscheidung überhaupt nicht berücksichtigt worden. Der Hinweis auf die Alkohol- und Zuckerfreiheit befinde sich auf der Rückseite der Verpackung unter den Einnahmehinweisen und sei damit für den Patienten auch bei der Platzierung im Sichtwahlbereich der Apotheken nicht erkennbar. 16Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat das Verwaltungsgericht dieses Verfahren mit dem Verfahren 7 K 324/16 („B. Hustensaft“) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und diese Verfahren unter dem Aktenzeichen 7 K 324/16 fortgeführt. 17Die vormalige Klägerin hat beantragt, 18die Auflagen F1., F3. und F4. im Verlängerungsbescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 3. Juni 2015 für das Fertigarzneimittel „B. Hustentropfen“ in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2016 aufzuheben. 19Die Beklagte hat beantragt, 20die Klage abzuweisen. 21Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen: Die Auflagenbefugnis ergebe sich aus § 28 Abs. 2 AMG. Die Feststellung einer konkreten Gefährdung sei bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 und Abs. 2 AMG nicht erforderlich. Der Umstand, dass die beanstandeten Hinweise zuvor genehmigt worden seien, sei nicht bedeutsam. Die Verlängerung nach § 31 AMG diene auch der Kontrolle der Zulassungsentscheidung, soweit es nicht um die Beurteilung der Wirksamkeit gehe. 22Die Texte seien unzulässig. Der Gesetzgeber habe sich dafür entschieden, das Vorhandensein von potentiell gesundheitsschädlichen Zusatzstoffen in Fertigarzneimitteln, also auch von Alkohol und Zucker, ausschließlich positiv zu normieren. Falls derartige Stoffe in einer gesundheitsrelevanten Menge beigefügt seien, müsse nach § 10 Abs. 2 AMG, § 11 Abs. 2 AMG ein Warnhinweis aufgenommen werden. Die Arzneimittelwarnhinweisverordnung sowie die europäische Excipients-Guideline bestimmten abschließend, für welche Art und Menge von Stoffen ein Warnhinweis verpflichtend sei. 23Der Hinweis auf das Fehlen von Alkohol auf Etikett und Faltschachtel sei nicht als „weitere Angabe“ zulässig, weil die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG nicht erfüllt seien. Er sei schon unrichtig, weil das Arzneimittel Alkohol in sehr geringer Menge enthalte. Ein Stoff, der in einer nicht gesundheitsgefährdenden Menge enthalten sei, könne auch nicht für die Anwendung eines Arzneimittels von Bedeutung sein. Eine „Risikokommunikation“ müsse daher nicht stattfinden. Die Verbesserung der Compliance könne durch solche Hinweise nicht erreicht werden. Eine Angabe, die auf das Fehlen eines bestimmten Stoffes hinweise, sei zudem grundsätzlich werblich. Diese Auffassung werde auf europäischer Ebene geteilt, etwa im Hinblick auf „Gluten“. Der Hinweis befinde sich zwar auf der Rückseite der Faltschachtel, sei aber durch Schrift und Form deutlich von dem übrigen Text abgehoben und habe damit auch durch die Gestaltung einen werbenden Charakter. Im vorliegenden Fall bestehe zwar die Besonderheit, dass für die Herstellung des Wirkstoffs Ethanol als Auszugsmittel verwendet werde und daher auch auf der äußeren Umhüllung genannt werden müsse, und zwar ungeachtet der im Endprodukt noch enthaltenen Restmengen von Ethanol. Die hierdurch möglicherweise entstehenden Fragen würden seitens der Klägerin jedoch in einer völlig unrealistischen und überzogenen Weise dargestellt. Auch die Angabe „ohne Zuckerzusatz“ auf dem Etikett sei nicht als „weitere Angabe“ zulässig. Da Zucker nicht in einer warnhinweispflichtigen Menge enthalten sei, sei der Hinweis nicht für die gesundheitliche Aufklärung der Verbraucher wichtig. Die Regelungen zur Kennzeichnung von diätetischen Lebensmitteln seien aufgehoben worden. Lediglich der Zusatz „zuckerfrei“ werde in den europäischen Arbeitsgruppen zur Formulierung der Informationstexte bei zentral zugelassenen Arzneimitteln diskutiert und im Einzelfall als zulässig erachtet. Die Angabe „ohne Zuckerzusatz“ sei ebenfalls als werbliche Aussage einzuordnen. 24Aus denselben Gründen sei auch der Hinweis auf das Fehlen von Alkohol in der Packungsbeilage sowie der Fachinformation unzulässig. Er sei nicht zutreffend. Da der Alkoholgehalt unterhalb der Schwelle für einen Warnhinweis liege, gebe es auch keine Rechtsgrundlage für diese Angabe. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 d AMG dürften unter Ziffer 6 der Gebrauchsinformation nur im Arzneimittel aufzulistende Bestandteile genannt werden. Eine Negativangabe sei nicht vorgesehen. Im Feld „Weitere Hinweise“ sei nur die Aussage zulässig, wonach Alkohol im Arzneimittel nur noch in einer sehr geringen Menge vorhanden sei. Auch in der Fachinformation könne das Fehlen von Alkohol keinesfalls unter Ziffer 6.1 „Liste der sonstigen Bestandteile“ aufgeführt werden, da die Menge des noch enthaltenen Alkohols nicht als sonstiger Bestandteil zu nennen sei. 25Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 27. November 2018 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte sei gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 in Verbindung mit § 28 Abs. 2 Nr. 1 AMG berechtigt gewesen, der Klägerin durch die Auflage F1. die Streichung des Hinweises „Ohne Alkohol (Ethanol)/Ohne Zuckerzusatz“ auf der äußeren Umhüllung und dem Etikett des Behältnisses aufzugeben, weil dieser nicht nach § 10 AMG zulässig sei. Zulässig seien weitere Angaben nach § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG, wenn sie einen Bezug zur Anwendung des konkreten Arzneimittels und damit in erster Linie gebrauchssichernde Funktion hätten. Fehlende Bestandteile, wie z.B. Alkohol oder Zucker, hätten keine Auswirkung auf die Gesundheit des Patienten und entsprechende Hinweise seien daher für die Anwendung des Arzneimittels nicht relevant. Darüber hinaus ergebe sich aus der Zweckbestimmung der verschiedenen Informationstexte und der Konzeption der gesetzlichen Regelungen in §§ 10 ff. AMG, die in Übereinstimmung mit den Art. 54 ff. Richtlinie 2001/83/EG auszulegen seien, eine abschließende Regelung zur Angabe der sonstigen Bestandteile eines Arzneimittels auf der äußeren Umhüllung oder dem Etikett. Die Angabe „ohne Alkohol“ sei zudem irreführend, weil das Endprodukt geringe Restmengen Ethanol aus der Arzneimittelherstellung enthalte. Auch die Angabe „ohne Zuckerzusatz“ sei mit § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG nicht vereinbar. Zwar bestehe im Hinblick auf die Zahngesundheit sowie für Diabetiker ein anerkennenswertes Informationsinteresse von Patienten. Der Hinweis auf den fehlenden Zuckerzusatz könne jedoch in der Packungsbeilage gegeben werden. Wegen der fehlenden Vereinbarkeit mit § 10 AMG habe das BfArM nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 AMG die Streichung anordnen dürfen. Einer zusätzlichen konkreten Gefahr für die Arzneimittelsicherheit bedürfe es bei der Anwendung der Auflagenermächtigung nicht. Auch die Ermessensentscheidung sei rechtlich nicht zu beanstanden, die Auflage F1. sei nicht unverhältnismäßig. 26Die Auflagen F3. und F4. seien ebenfalls rechtmäßig. Rechtsgrundlage für die Regelungen sei § 28 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 i. V .m. § 28 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 2a AMG. Die Klägerin verwende auch in der Packungsbeilage und der Fachinformation die pharmazeutisch unzutreffende und irreführende Formulierung „ohne Alkohol“. Der Begriff „ohne Alkohol“ könne in der Packungsbeilage nur dann synonym mit einer irrelevanten Restmenge benutzt werden, wenn insofern eine einheitliche Definition durch die hierfür zuständige Europäische Kommission im Rahmen der Excipients-Guideline vorliegen würde. Dies sei jedoch bislang nicht der Fall. 27Dagegen hat die Klägerin die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt und ergänzt sie ihr erstinstanzliches Vorbringen und führt im Wesentlichen aus: Die ursprünglich genehmigten Angaben klärten über unverständliche Pflichttexte und irrige Verbrauchererwartungen, auch aufgrund der Produktkategorie, auf, es seien beträchtliche Mengen Alkohol und Zucker im Produkt enthalten. Die Pflichtangabe „Ethanol 90 % (V/V)“ auf der Umverpackung werde vom Verbraucher teilweise mit Alkohol in Verbindung gebracht, was auch durch den kräftigen Kräutergeschmack unterstützt werde. Die Angabe „ohne Alkohol (ohne Ethanol)/ohne Zuckerzusatz“ habe einen gebrauchssichernden Bezug zur Anwendung des konkreten Arzneimittels durch den Kranken, weil damit ungewöhnlichem Einnahmeverhalten (z.B. Einnahme von zu geringen Mengen oder Nichteinnahme zur Nacht) vorgebeugt werde. Das Informationsbedürfnis erkenne auch das Verwaltungsgericht an. Die Vermittlung der sachlichen und inhaltlich zutreffenden Informationen sei auch keine Werbung. Die Information „ohne Alkohol“ sei aus Sicht eines Patienten zutreffend, der daraufhin davon ausgehe, dass das Produkt keinen negativen gesundheitlichen Effekt auf ihn haben könne und auch für Patienten geeignet sei, die Alkohol vermeiden müssten. Dass einige Moleküle Alkohol im Produkt enthalten sein möchten, im Übrigen weniger als in vielen Lebensmitteln, sei für ihn vollkommen irrelevant. Die hier gewählte Art und Weise der Risikokommunikation über Entwarnungen sei marktüblich und funktioniere, d. h. sie werde vom Verbraucher verstanden, und besonders für vulnerable Patientengruppen von Bedeutung. 28Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, Entwarnungshinweise seien grundsätzlich nach § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG nicht zulässig, sei vom Wortlaut sowie vom Sinn und Zweck der Vorschrift nicht gedeckt. Hier werde offenbar ein zusätzliches Kriterium der Notwendigkeit in die Vorschrift hineingelesen. Art. 62 der Richtlinie 2001/83/EG in seiner nationalen Umsetzung sei keine Ausnahmevorschrift zu Pflichtangaben, sondern eine selbständige Regelung zur Zulässigkeit freiwilliger zusätzlicher Angaben. Aus der englischen und französischen Fassung ergebe sich der Sinn und Zweck der Vorschrift, ergänzende freiwillige Angaben zu erlauben, die für den Patienten nützlich seien („useful“, „utiles“). Eine einengende Auslegung der Bestimmung sei auch nach Art. 60 der Richtlinie 2001/83/EG nicht zulässig. Die Angaben „ohne Alkohol“ und „ohne Zuckerzusatz“ wiesen darauf hin, dass das Produkt keine relevanten, wahrnehmbaren Mengen an Alkohol enthalte und ihm kein Zucker zugesetzt worden sei, was für Patienten, Eltern und Fachkreise eine nützliche Information sei. Die kurze Botschaft sei auf das Wesentliche begrenzt, daher auch keine Werbung, und habe sich bewährt. 29Mit dem Hinweis „ohne Alkohol“ werde die auch in der aktuellen Excipients-Guideline vorgesehene Information transportiert, dass die geringe Alkoholmenge im Arzneimittel keine wahrnehmbaren Auswirkungen habe. Im Übrigen konkretisiere die Guideline lediglich Pflichtangaben (Mindestangaben) zu Arzneiträgerstoffen - soweit diese gezielt und funktionsmäßig im Endprodukt eingesetzt und nicht nur als Extraktionsmittel verwendet und verdampft würden - und enthalte keine abschließende, bindende Konkretisierung zu freiwilligen zusätzlichen Angaben nach Art. 62 der Richtlinie 2001/83/EG. Sogar im Hinblick auf Pflichtangaben zu Ethanol als Auszugsmittel stehe sie nur gleichberechtigt neben anderen Guidelines (z.B. zur Herbal Declaration Guideline). Umgekehrt lasse sich aus den Vorgaben der Guideline zu Gluten, Kalium und Natrium ableiten, dass Informationen über das Fehlen von Stoffen (Entwarnungen), auch und gerade wenn unbedenkliche Molekülmengen noch im Produkt enthalten seien, wichtig sein könnten. Es liege auch keine Irreführung vor, da die verbleibenden Moleküle für den Patienten irrelevant seien. 30Ferner dürften die gleichlautenden Tatbestandsmerkmale in § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG (Umverpackung) und § 11 Abs. 1 Satz 7 AMG (Packungsbeilage) nicht unterschiedlich ausgelegt werden. Wegen des Pflichthinweises zu Ethanol auf der Umverpackung müsse auch die Information über den fehlenden Alkoholgehalt dort erfolgen dürfen. Für den befürchteten „Dammbruch“ sei nichts erkennbar, zumal es um Besonderheiten von Phytopharmaka gehe, nicht aber um Angaben wie halal und koscher oder Biosiegel. Schließlich sei § 28 AMG bei reinen Zweckmäßigkeitserwägungen unanwendbar und die Auflage unverhältnismäßig. 31Mit Trennungsbeschluss vom 20. Mai 2022 hat der Senat das Verfahren hinsichtlich der „B. Hustentropfen“ abgetrennt und mit dem neuen Aktenzeichen 9 A 1027/22 und der neuen Klägerin fortgeführt. 32Die Klägerin beantragt, 33das angefochtene Urteil zu ändern und die Auflagen F1., F3. und F4. im Verlängerungsbescheid des BfArM vom 3. Juni 2015 für das Fertigarzneimittel „B. Hustentropfen“ in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2016 aufzuheben, 34hilfsweise, 35Beweis zu erheben über die Frage, dass nach dem jeweils bestehenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand die Angaben „ohne Alkohol (Ethanol)/ohne Zuckerzusatz“ mit der Anwendung des streitgegenständlichen Produkts im Zusammenhang stehen und für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten wichtig sind und insbesondere keine medizinisch-pharmazeutisch fehlerhafte Information vermitteln. 36Die Beklagte beantragt, 37die Berufung zurückzuweisen. 38Zur Begründung verweist sie auf das erstinstanzliche Verfahren, das rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 28. September 2021 - 7 K 5222/18 - zu Gluten und trägt ergänzend vor: Seit der Urteilsverkündung habe das BfArM eine nennenswerte Anzahl von pharmazeutischen Unternehmen abschließend davon überzeugen können, ihre vergleichbaren „frei von“-Kennzeichnungen auf äußeren Umhüllungen ihrer Arzneimittel auch durchaus bekannter Marken zu entfernen. Bei Zulassungs- und Verlängerungsanträgen oder Änderungsanzeigen würden entsprechende Beanstandungen ausgesprochen. Damit werde dem Gleichheitssatz genügt. Für die Verständlichkeit von Wirkstoffangaben sei es nicht erforderlich, dass Verbraucher diese im Einzelnen zutreffend einordnen könnten. Das streitgegenständliche Arzneimittel sei nicht zuckerfrei; dass kein Zucker zugesetzt werde, sei für den Ist-Zustand des Arzneimittels irrelevant. Ein Informationsbedürfnis bestimmter Adressaten werde nicht bestritten. Der Klägerin gehe es aber um die Platzierung der Angabe „ohne Alkohol (Ethanol)/ohne Zuckerzusatz“ auf der äußeren Umhüllung bzw. dem Etikett. Mit anderen Worten und damit in einer sowohl verständlichen als auch zutreffenden Art und Weise seien diese Informationen an anderer Stelle der informativen Texte möglich. Die Guidelines seien als Auslegungshilfe beachtlich. Es streite für die Auffassung der Beklagten, dass für die Angaben „ohne Alkohol“ und “ohne Zuckerzusatz“ keine Regelungen seitens der Gremien getroffen worden seien. Das Verwaltungsgericht Köln habe in der Gluten-Entscheidung bekräftigt, dass § 10 Abs. 1 Satz 5 und § 11 Abs. 1 Satz 7 AMG als Ausnahmebestimmung eng zu interpretieren seien und die weiteren Angaben einen besonderen Bezug zur genehmigten Anwendung des Arzneimittels, insbesondere zum Anwendungsgebiet und den Modalitäten der Einnahme des Präparats, haben müssten. 39Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. 40Entscheidungsgründe: 41Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. 42A. Die Klage ist gem. § 42 Abs. 1 VwGO als Anfechtungsklage gegen die dem Verlängerungsbescheid beigefügten Auflagen statthaft, 43vgl. nur BVerwG, Urteil vom 18. Mai 2010 - 3 C 25.09 -, A&R 2010, 186 = juris Rn. 12, m. w. N., 44und auch im Übrigen zulässig. 45B. Die Klage ist aber unbegründet. 46Die Auflagen F1., F3. und F4. im Verlängerungsbescheid des BfArM vom 3. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2016 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. 47I. Rechtsgrundlage für die Auflagen ist § 28 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 2a AMG. 481. Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 AMG kann die zuständige Bundesoberbehörde die Zulassung mit Auflagen verbinden. Auflagen können angeordnet werden, um sicherzustellen, dass die Kennzeichnung der Behältnisse und äußeren Umhüllungen den Vorschriften des § 10 AMG (§ 28 Abs. 2 Nr. 1 AMG), die Packungsbeilage den Vorschriften des § 11 AMG (§ 28 Abs. 2 Nr. 2 AMG) und die Fachinformation den Vorschriften des § 11a AMG entspricht (§ 28 Abs. 2 Nr. 2a AMG). 49Die Regelungen in § 28 Abs. 2 Nr. 1 bis 2a AMG erfassen nicht nur die Pflichtangaben, sondern ermöglichen Auflagen auch bezüglich der weiteren Angaben, die - wenn der pharmazeutische Unternehmer hiervon Gebrauch macht - den Zulässigkeitsvoraussetzungen in § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG, § 11 Abs. 1 Satz 7 AMG, § 11a Abs. 1 Satz 6 AMG entsprechen müssen. 50Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. November 2013 ‑ 13 A 2895/11 -, MedR 2015, 203 = juris Rn. 47. 51Die Auflagenbefugnis gilt ferner nicht nur bei erstmaliger Zulassung, sondern auch für die - hier erfolgte - Verlängerung der Zulassung nach § 31 Abs. 3 AMG. 52Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. April 2020 - 3 C 22.18 -, NWVBl. 2020, 460 = juris Rn. 25 ff. 532. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, steht der Anwendbarkeit des § 28 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 2a AMG als Rechtsgrundlage für die Auflagen F1., F3. und F4. nicht entgegen, dass das BfArM die beanstandeten Angaben, die teilweise auf eine vergleichsweise Einigung im Klageverfahren VG Köln 7 K 705/05 zurückgehen, ursprünglich mit der Zulassung vom 22. Januar 2008 akzeptiert hat. Einer Ermächtigung zu einem Teilwiderruf oder einer Teilrücknahme eines Verwaltungsakts bedarf es insoweit entgegen der Auffassung der Klägerin nicht. 54Im Verfahren der Verlängerung der Zulassung ist zu prüfen, ob die gesetzlichen Vorgaben der §§ 10, 11 und 11a AMG eingehalten werden. Das Arzneimittelgesetz hat dies allerdings nicht als Versagungsgrund für die Zulassungsverlängerung eines Arzneimittels ausgestaltet, sondern hierfür das mildere Mittel der Auflagenbefugnis vorgesehen. 55Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. April 2020 - 3 C 22.18 -, a. a. O., juris Rn. 26. 56Eine Änderung der Sach- oder Rechtslage ist dementsprechend keine Voraussetzung für den Erlass einer solchen Auflage. Mit der Zulassung eines Arzneimittels wird insoweit kein Vertrauenstatbestand geschaffen. Dies zeigt auch die nicht durch weitere Voraussetzungen eingeschränkte Befugnis nach § 28 Abs. 1 Satz 4 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 bis 2a AMG, jederzeit nach der Erteilung einer arzneimittelrechtlichen Zulassung Auflagen anordnen zu können, also auch nachträgliche Auflagen im Hinblick auf die Kennzeichnung und die Informationstexte, wenn diese nicht mit den Vorschriften der §§ 10 bis 11a AMG übereinstimmen. 573. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Auflagen ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, hier bei Erlass des Widerspruchsbescheids. 58Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. April 2020 - 3 C 22.18 -, a. a. O., juris Rn. 11. 59Dies entspricht allgemeinen Grundsätzen bei Anfechtungsklagen, wenn sich aus dem maßgebenden materiellen Recht - wie hier - für die Zeitpunktfrage nichts anderes ergibt. Damit ist im vorliegenden Verfahren zu klären, ob bei Erlass des Widerspruchsbescheids die beanstandeten Hinweise unzulässig und die Auflagen rechtmäßig waren. Dies bedeutet zugleich, dass die Beklagte die Auflagen nicht von sich aus unter Kontrolle halten und fortdauernd überprüfen muss. 60Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 17. September 2021 - 3 C 20.20 -, juris Rn. 13 (für einen Feststellungsbescheid nach § 21 Abs. 4 Satz 1 AMG). 61II. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung von Auflagen nach § 28 Abs. 2 AMG sind sowohl hinsichtlich der Auflage F1. (dazu 1.) als auch der Auflagen F3. und F4. (dazu 2.) gegeben. 621. Die Auflage F1., wonach die Angaben „Ohne Alkohol (Ethanol)/Ohne Zuckerzusatz“ auf der äußeren Umhüllung und dem Etikett zu streichen sind, stellt im Sinne von § 28 Abs. 2 Nr. 1 AMG sicher, dass die Kennzeichnung der Behältnisse und äußeren Umhüllungen den Vorschriften des § 10 AMG entspricht. Die Angabe „ohne Alkohol (Ethanol)“ ist ebenso gemäß § 10 AMG unzulässig (dazu a.) wie die Angabe „ohne Zuckerzusatz“ (dazu b.). 63a. Die Angabe „ohne Alkohol (Ethanol)“ auf der äußeren Umhüllung und dem Etikett entspricht nicht den Vorgaben des § 10 AMG. 64Sie ist - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - keine arzneimittelrechtliche Pflichtangabe im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 8 oder § 10 Abs. 2 AMG. Warnhinweise im Sinne der letztgenannten Vorschrift forderte die bei Erlass des Widerspruchsbescheids geltende Arzneimittelwarnhinweisverordnung (vom 21. Dezember 1984 in der vom 29. September 1990 bis zum 31. Mai 2022 geltenden Fassung) erst ab 0,05 g Ethanol in der maximalen Einzelgabe nach der Dosierungsanleitung (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a, § 2 Abs. 1 Nr. 1). Hier beträgt der Gehalt aber lediglich 2,16 mg in der maximalen Einzeldosis von 2,3 ml Hustentropfen, also rund 0,002 g. Zudem geht es nicht um einen Hinweis auf Ethanol, sondern auf das Fehlen des Stoffes. 65Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Angabe „ohne Alkohol (Ethanol)“ auch nicht als weitere Angabe nach § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG zulässig. 66Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG sind weitere Angaben, die - wie hier - nicht durch eine Verordnung der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union vorgeschrieben oder bereits nach einer solchen Verordnung zulässig sind, zulässig, soweit sie mit der Anwendung des Arzneimittels im Zusammenhang stehen, für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten wichtig sind und den Angaben nach § 11a AMG nicht widersprechen. 67Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. 68Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14. Januar 2016 - 13 A 2552/13 -, juris Rn. 26; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, 131. Lief. 2016, § 10 Anm. 74. 69Wegen des Zusammenhangs mit der Anwendung des Arzneimittels sind nur solche Informationen wichtig für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten, die eine gebrauchssichernde Funktion haben. 70Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. August 2013 ‑ 13 A 2862/12 -, juris Rn. 5; Pannenbecker, in: Kügel/Müller/Hofmann, Arzneimittelgesetz, 3. Auflage 2022, § 10 Rn. 48; Zimmermann, in: Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, Arzneimittelrecht, 3. Auflage 2020, § 28 Rn. 37. 71Mit der restriktiven Zulassung weiterer Angaben soll verhindert werden, dass die Patienten von den Pflichtinformationen abgelenkt werden, mit denen die ordnungsgemäße Anwendung des Arzneimittels erreicht werden soll. 72Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. April 2020 - 3 C 22.18 -, a. a. O., juris Rn. 13, sowie Vorlagebeschluss vom 8. November 2018 - 3 C 2.17 -, juris Rn. 22; OVG NRW, Beschlüsse vom 26. Oktober 2015 - 13 A 2598/14 -, A&R 2015, 277 = juris Rn. 17, und vom 14. Januar 2016 - 13 A 2552/13 -, juris Rn. 37; BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 - I ZR 161/11 -, PharmR 2013, 491 = juris Rn. 15. 73Die Kennzeichnung des Behältnisses und der äußeren Umhüllung bestimmt die Identität des Arzneimittels nach seiner stofflichen Zusammensetzung und Herkunft. Zu Deklarationsangaben zur stofflichen Zusammensetzung treten Angaben hinzu, die grundlegende Informationen für die Anwendung des Arzneimittels liefern. 74Vgl. Fuhrmann, in: Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, a. a. O., § 8 Rn. 9; Kloesel/Cyran, a. a. O., § 10 Anm. 1. 75Die Anforderungen an zulässige ergänzende Angaben sind daher streng. 76Vgl. OLG München, Beschluss vom 9. April 2020 - 29 U 5126/19 -, PharmR 2020, 406 = juris Rn. 3; OLG Frankfurt, Urteil vom 24. Mai 2018 - 6 U 46/17 -, A&R 2018, 185 = juris Rn. 21. 77Für die gesundheitliche Aufklärung wichtig im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG sind allerdings nicht nur Informationen, die unverzichtbar sind. Denn Informationen, die für eine sichere Anwendung des Arzneimittels erforderlich sind, gehören bereits zu den Pflichtangaben. Ausreichend ist vielmehr, dass die Angaben zur sachgerechten Anwendung des Arzneimittels förderlich sind und ihnen damit eine gebrauchssichernde Funktion zukommt. Dies wird umso eher anzunehmen sein, je dichter der Zusammenhang der freiwilligen Angabe zu den gesetzlich angeordneten Pflichtinformationen ist. Grundsätzlich zulässig sind daher Erläuterungen zu den Wirkungszusammenhängen sowie Anwendungshinweise zur Herbeiführung des gewünschten Behandlungserfolgs. 78Vgl. BVerwG, Vorlagebeschluss vom 8. November 2018 - 3 C 2.17 -, juris Rn. 22 f. 79Bei der Bestimmung der Anforderungen an die Zulässigkeit weiterer Angaben ist Art. 62 Richtlinie 2001/83/EG zu berücksichtigen. § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG dient der Umsetzung dieser Bestimmung und ist deshalb richtlinienkonform auszulegen. 80Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 5. August 2013 - 13 A 2862/12 -, PharmR 2013, 463 = juris Rn. 5, und vom 14. Januar 2016 - 13 A 2552/13 -, juris Rn. 13, 20. 81Nach Art. 60 Richtlinie 2001/83/EG vom 6. November 2001 (ABl. L 311 vom 28. November 2001, S. 67) dürfen die Mitgliedstaaten das Inverkehrbringen von Arzneimitteln in ihrem Hoheitsgebiet nicht aus Gründen, die mit der Etikettierung oder der Packungsbeilage zusammenhängen, untersagen oder verhindern, sofern diese mit den Vorschriften dieses Titels übereinstimmen. Nach Art. 62 Richtlinie 2001/83/EG in der Fassung der Richtlinie 2004/27/EG vom 31. März 2004 (ABl. L 136 vom 30. April 2004, S. 34) können die äußere Umhüllung und die Packungsbeilage zur Veranschaulichung einiger der in den Artikeln 54 und 59 Absatz 1 genannten Informationen Zeichen oder Piktogramme sowie weitere mit der Zusammenfassung der Merkmale des Erzeugnisses zu vereinbarende Informationen enthalten, die für den Patienten wichtig sind; nicht zulässig sind Angaben, die Werbecharakter haben können. 82Die letztgenannte Vorschrift verlangt keine unionsrechtskonforme Auslegung des § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG dahingehend, dass aus Gründen des Unionsrechts weniger strenge Anforderungen an weitere Hinweise bei der Kennzeichnung von Arzneimitteln als die vorstehend beschriebenen zu stellen sind. 83Offen gelassen von OVG NRW, Beschluss vom 5. August 2013 - 13 A 2862/12, a. a. O., juris Rn. 5. 84Wichtig für den Patienten im Sinne von Art. 62 Richtlinie 2001/83/EG sind nur solche Informationen, die einen Bezug zur Anwendung des konkreten Arzneimittels durch den Kranken und damit in erster Linie eine gebrauchssichernde Funktion haben. Dass die Informationen auch unionsrechtlich der gesundheitlichen Aufklärung in Bezug auf die Anwendung des konkreten Arzneimittels dienen müssen, folgt schon aus der Verwendung des Worts „Patienten“ statt des Begriffs „Verbraucher“. Ferner ergibt sich dieses Verständnis aus Sinn und Zweck der Kennzeichnungsbestimmungen, im Interesse der Gesundheitsvorsorge und Arzneimittelsicherheit die Patienten zu unterrichten, damit sie das Arzneimittel auf der Grundlage vollständiger und verständlicher Informationen ordnungsgemäß anwenden können. 85Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 5. August 2013 - 13 A 2862/12 -, a. a. O., juris Rn. 5 ff., und vom 14. Januar 2016 - 13 A 2552/13 -, juris Rn. 21; BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 - I ZR 161/11 -, a. a. O., juris Rn. 10; Kloesel/Cyran, a. a. O., § 10 AMG Anm. 1; Pannenbecker, in: Kügel/Müller/Hofmann, a. a. O., § 10 Rn. 3 und 47 ff.; kritisch Rehmann, Arzneimittelgesetz, 5. Auflage 2020, § 10 Rn. 3. 86Diese Zielrichtung lässt sich auch aus den Erwägungsgründen der Richtlinie 2001/83/EG in ihrer ursprünglichen Fassung ableiten, deren Erwägungsgrund 2 zunächst den allgemeinen Gesetzeszweck des wirksamen Schutzes der öffentlichen Gesundheit betont. Nach Erwägungsgrund 40 müssen die Bestimmungen über die Unterrichtung der Patienten ein hohes Verbraucherschutzniveau gewährleisten, so dass die Arzneimittel auf der Grundlage vollständiger und verständlicher Informationen ordnungsgemäß angewandt werden können. 87Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der ursprüngliche Wortlaut des Art. 62 Richtlinie 2001/83/EG, wonach die Angaben „für die gesundheitliche Aufklärung wichtig“ sein mussten, durch die Richtlinie 2004/27/EG in „für den Patienten wichtig“ geändert worden ist. Dass damit eine sachliche Änderung, insbesondere eine weitergehende Zulassung von freiwilligen Angaben gewollt war, lässt sich dem Wortlaut nicht entnehmen. Für den Patienten ist das wichtig, was seiner gesundheitlichen Aufklärung in Bezug auf die Anwendung des konkreten Arzneimittels dient. Aus den Erwägungsgründen und sonstigen Materialien ergibt sich ebenfalls nichts dafür, dass eine gebrauchssichernde Funktion nicht mehr verlangt oder anderweitig die Anforderungen an weitere Angaben gelockert werden sollten. Dem Erwägungsgrund 16 des Kommissionsentwurfs zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG (KOM(2001) 404 endg., ABl. C 75 E vom 26. März 2002, S. 216) lässt sich zwar das Anliegen der EU-Kommission entnehmen, den Informationsbedürfnissen und Erwartungen von Patienten nachzukommen, zugleich wird aber auch hier der Zusammenhang mit der ordnungsgemäßen Verwendung des Arzneimittels betont und ist von strengen Bedingungen die Rede. In den verabschiedeten Erwägungsgründen der Richtlinie 2004/27/EG heißt es zudem lediglich, im Zusammenhang mit der ordnungsgemäßen Verwendung des Arzneimittels sollten die Rechtsvorschriften über die Verpackung auf der Grundlage der gewonnenen Erfahrungen angepasst werden (Erwägungsgrund 21). Daraus lässt sich insgesamt nicht ableiten, dass in Bezug auf weitere Angaben nun großzügigere Maßstäbe gelten sollten, zumal mit der Richtlinie 2004/27/EG umfangreiche Änderungen der Art. 54 ff. Richtlinie 2001/83/EG verabschiedet worden sind. 88Von einer inhaltlichen Änderung ist auch der nationale Gesetzgeber offenbar nicht ausgegangen, der die Änderung des Art. 62 durch die Richtlinie 2004/27/EG in § 10 Abs. 1 AMG dahingehend in nationales Recht umgesetzt hat, dass aus der Formulierung „für die gesundheitliche Aufklärung wichtig“ im damaligen § 10 Abs. 1 Satz 3 AMG „für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten wichtig“ im neuen § 10 Abs. 1 Satz 4 AMG wurde. 89§ 10 AMG in der ab dem 6. September 2005 gültigen Fassung des 14. Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 29. August 2005; dazu BT-Drs. 15/5316, S. 7, 31 und 34; vgl. auch Pannenbecker, in: Kügel/Müller/Hofmann, a. a. O., § 10 Rn. 47. 90Die vorstehenden Ausführungen zum Verständnis des Art. 62 Richtlinie 2001/83/EG zugrunde gelegt, lässt sich schließlich entgegen der Auffassung der Klägerin ein gegenüber § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG weiteres Verständnis der Richtlinienvorgabe auch nicht daraus entnehmen, dass andere Sprachfassungen des Art. 62 Richtlinie 2001/83/EG, etwa die englische und französische, formulieren, dass die Informationen für den Patienten „nützlich“ („useful“, „utiles“) sein müssen. 91Den so verstandenen Anforderungen an weitere Angaben genügt die Angabe „ohne Alkohol (Ethanol)“ auf der Faltschachtel und dem Etikett der Hustentropfen nicht. 92Diese Information ist schon deshalb für den Patienten weder wichtig noch nützlich, weil sie nicht zutrifft. Denn es ist unstreitig noch eine geringe Menge Alkohol (Ethanol) im Endprodukt enthalten. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht haben die Beteiligten sich anhand einer Berechnung des BfArM darauf verständigt, dass bei den Hustentropfen maximal 2,16 mg Ethanol in einer Einzeldosis von 2,3 ml enthalten ist. Ob dies, wie die Klägerin im Berufungsverfahren betont, nur wenige Moleküle sind, kann dahinstehen. Dass die Menge gering ist und - wovon die Beteiligten übereinstimmend ausgehen - keine gesundheitlichen Auswirkungen hat, vermag nichts daran zu ändern, dass der Hinweis pharmazeutisch nicht korrekt ist. 93Darüber hinaus steht die Angabe „ohne Alkohol (Ethanol)“ nicht mit der Anwendung des Arzneimittels im Zusammenhang und hat keine Bedeutung für die Gesundheit des Patienten. Es fehlt die gebrauchssichernde Funktion. 94So auch Pannenbecker, in: Kügel/Müller/ Hofmann, a. a. O., § 10 Rn. 48. 95Die Anwendung der Hustentropfen hängt nicht davon ab, dass ein bestimmter Stoff in ihnen nicht bzw. nur in einer äußerst geringen, gesundheitlich unbedenklichen Menge enthalten ist. Ein nicht enthaltener Stoff hat naturgemäß auch keine Auswirkungen auf die Gesundheit des Patienten. Für Patienten und deren gesundheitliche Aufklärung wichtig wäre nur die Information, dass Alkohol/Ethanol in einer Menge enthalten ist, die gesundheitliche Auswirkungen haben bzw. etwa für Kinder oder Alkoholiker von Bedeutung sein kann. Gebrauchssichernd ist dementsprechend der in der Arzneimittelwarnhinweisverordnung - in der im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids geltenden Fassung mit Gültigkeit bis zum 31. Mai 2022 - auf der Grundlage von § 10 Abs. 2 AMG vorgesehene Warnhinweis auf Alkohol ab 0,05 g pro maximaler Einzeldosis. Demgegenüber betrifft es grundsätzlich nicht die korrekte Anwendung eines Arzneimittels oder die Aufklärung über bestehende Risiken, dass ein bestimmter Stoff darin nicht enthalten ist. 96Anders als von der Klägerin angenommen, ist für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG auch nicht jeder Hinweis wichtig, der die Compliance erhöht, also den Fehlgebrauch oder einen Verzicht auf die notwendige Einnahme des Arzneimittels verhindert, und insoweit der gesundheitlichen Aufklärung dienlich ist. 97So aber auch Kloesel/Cyran, a. a. O., § 10 Anm. 74, § 11 Anm. 82. 98Die Angabe muss vielmehr, wie ausgeführt, mit der konkreten Anwendung des Arzneimittels im Zusammenhang stehen; für die Anwendung ist aber die Kenntnis über den fehlenden Alkoholgehalt nicht erforderlich. Ließe man jeden Hinweis zu, der das Einnahmeverhalten verbessern könnte, führte dies auch dazu, dass die Aufmerksamkeit des Patienten nicht hinreichend auf die Pflichtangaben gerichtet wäre. Ihnen kommt primär die Aufgabe zu, eine korrekte, der Dosierungsanleitung entsprechende Einnahme zu sichern. 99Aus diesem Grund ist auch nicht ausreichend, dass es sich um eine nützliche Information handeln mag, die für den Anwender der Hustentropfen von Interesse ist. Ein Informationswunsch von Verbrauchern ist nicht gleichzusetzen mit dem Erfordernis, für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten im Zusammenhang mit der Anwendung des Arzneimittels wichtig zu sein. 100Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14. Januar 2016 - 13 A 2552/13 -, juris Rn. 36. 101Der Hinweis „ohne Alkohol“ ist auch nicht aus dem von der Klägerin angeführten Grund für die gesundheitliche Aufklärung wichtig, dass Patienten bzw. Mütter von Patienten im Kindesalter durch den Pflichthinweis zu Ethanol auf der Verpackung verunsichert seien. Ob tatsächlich in einem beachtlichen Maße diese Verunsicherung bei einem bloßen Hinweis auf ein Extraktionsmittel besteht, zumal bei einem Arzneimittel, das für Kinder ab einem Jahr zugelassen ist, bedarf keiner Aufklärung. Es ist jedenfalls nicht davon auszugehen, dass die im von der Klägerin geschilderten Maße verunsicherten Personen durch den Hinweis „ohne Alkohol“ aufgeklärt und damit zur (korrekten, der Dosierungsanleitung entsprechenden) Einnahme veranlasst würden. Denn es bleibt für diesen durch den Pflichthinweis zu Ethanol verunsicherten Personenkreis unklar und widersprüchlich, warum einerseits Ethanol aufgeführt wird und andererseits kein Alkohol enthalten sein soll. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend angeführt hat, wird dies bestätigt durch die bei der Klägerin nach ihren Angaben eingegangenen Rückfragen aus einer Zeit, als das Arzneimittel mit den hier streitgegenständlichen „ohne“-Angaben im Verkehr war. Die Verunsicherung könnte zur Überzeugung des Senats allenfalls durch eine Erklärung der Art beseitigt werden, dass Ethanol ein Auszugsmittel im Herstellungsprozess ist, das Endprodukt aber nur noch eine geringe Restmenge enthält, die keine wahrnehmbaren oder jedenfalls keine gesundheitlichen Auswirkungen hat. Diese Aufklärung vermag der bloße Hinweis „ohne Alkohol“ nicht zu leisten. Die Kritik der Klägerin an der Pflichtangabe zu Ethanol als Auszugsmittel ist im Übrigen hier unbeachtlich, denn diese Angabe ist nicht streitgegenständlich. 102Aus der von den Beteiligten angeführten Excipients-Guideline „Excipients in the label and package leaflet of medicinal products for human use“ der EU-Kommission ergibt sich nichts zur Zulässigkeit oder Unzulässigkeit des weiteren Hinweises „ohne Alkohol (Ethanol)“. Die auf Art. 65 Richtlinie 2001/83/EG gestützte Leitlinie in der bei Erlass des Widerspruchsbescheids geltenden, bis zum 1. März 2018 gültigen Fassung aus Juli 2003 (CPMP/463/00) nebst Annex, 103abrufbar von: https://www.ema.europa.eu/en/annex-european-commission-guideline-excipients-labelling-package-leaflet-medicinal-products-human, 104sieht lediglich Warnungen in Bezug auf bestimmte Stoffe, unter anderem auch Ethanol, vor. Sie war überdies in Deutschland insoweit schon deshalb nicht rechtsverbindlich, als sich die Verpflichtung zu Warnungen bei rein national zugelassenen Arzneimitteln bis zum 31. Mai 2022 aus der Arzneimittelwarnhinweisverordnung ergab. Zu „ohne..“- oder „frei von…“-Angaben verhält sich die Leitlinie nicht, die auch bei der Nennung der maßgeblichen Rechtsgrundlagen in der Einleitung (Introduction, Seite 1) Art. 62 Richtlinie 2001/83/EG nicht erwähnt. Nur wenn Stoffe wahrnehmbare Auswirkungen haben und im Annex gelistet sind, sind sie auf dem Etikett zu deklarieren (Seite 2 unten). Zudem findet die Guideline keine Anwendung auf Rückstände von Stoffen, die aus dem Herstellungsprozess resultieren oder als Extraktionsmittel verwendet werden (Seite 2 oben). 105Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Annex der Leitlinie bei anderen Stoffen (etwa Kalium oder Natrium) unterhalb bestimmter Schwellenwerte die Angabe vorsieht, das Arzneimittel sei „nahezu“ (Englisch: „essentially“) kaliumfrei/natriumfrei. Der Auffassung der Klägerin, das belege, dass bei nur geringen Molekülmengen an Ethanol ohne wahrnehmbare Auswirkungen „frei von…“-Informationen wichtig seien, folgt der Senat nicht. Denn eine Angabe wie bei Kalium oder Natrium ist für Ethanol gerade nicht vorgesehen. Darüber hinaus sind die für die Packungsbeilage vorgegebenen Hinweise mit der hier streitgegenständlichen „ohne…“-Angabe auf Verpackung und Etikett auch inhaltlich nicht vergleichbar. Denn ihnen voranzustellen ist laut Annex der Guideline jeweils die Aussage, das Arzneimittel enthalte Kalium/Natrium in einer Menge von weniger als … pro Dosiereinheit. Zudem macht es einen Unterschied, ob ein Arzneimittel als „nahezu“ frei von einem bestimmten Stoff bezeichnet oder die Formulierung „ohne“ verwendet wird. 106Die Neufassung der Guideline „Excipients in the labelling and package leaflet of medicinal products for human use“ aus März 2022 (SANTE-2017-11668), 107https://health.ec.europa.eu/system/files/2018-03/guidelines_excipients_march2018_en_0.pdf, 108nebst Annex vom 22. November 2019, Revision 2 (Stand 22. Juli 2022, EMA/CHMP/302620/2017), 109https://www.ema.europa.eu/en/documents/scientific-guideline/annex-european-commission-guideline-excipients-labelling-package-leaflet-medicinal-products-human_en-1.pdf, 110ist zwar nach der Änderung der Arzneimittelwarnhinweisverordnung zum 1. Juni 2022 und der nachfolgend erlassenen Gemeinsamen Bekanntmachung des BfArM und des Paul-Ehrlich-Instituts über Warnhinweise zu Bestandteilen von Arzneimitteln vom 31. Mai 2022 verbindlich umzusetzen. 111Vgl. dazu auch den Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit zu einer Verordnung zur Aufhebung der Arzneimittel-Warnhinweisverordnung und zur Änderung der Apothekenbetriebsordnung vom 2. Juli 2021, S. 1, 5 und 7. 112Die Excipients-Guideline in ihrer aktuellen Fassung ist aber nach Auffassung des Senats wegen des hier maßgeblichen Zeitpunkts der letzten Behördenentscheidung schon nicht berücksichtigungsfähig. 113Selbst wenn man aber mit der Klägerin der Auffassung wäre, sie könne herangezogen werden, weil es sich um Wissen handele, das auch bereits im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung vorgelegen habe, 114vgl. in diese Richtung auch OVG NRW, Urteil vom 28. Oktober 2021 - 13 A 1376/17 -, PharmR 2022, 112 = juris Rn. 27, 115führte dies zu keinem anderen Ergebnis. Zu freiwilligen Angaben im Sinne von Art. 62 Richtlinie 2001/83/EG verhält auch sie sich nicht, sondern sieht, wie die Klägerin zu Recht betont, weiterhin lediglich (warnende) Pflichtangaben vor. Bei Ethanol ist im Annex im Bereich von 0 bis zu 15 mg/kg pro Dosis der Hinweis in der Packungsbeilage vorgegeben, welche Menge Ethanol pro Dosiereinheit enthalten ist. Anschließend ist dies in vergleichbaren Verzehrmengen (in ml) von Bier oder Wein anzugeben und schließlich der Satz anzufügen: „Die geringe Alkoholmenge in diesem Arzneimittel hat keine wahrnehmbaren Auswirkungen“. Für die Zulässigkeit des streitgegenständlichen Hinweises „ohne Alkohol (Ethanol)“ lässt sich daraus nichts ableiten. Ferner gilt weiterhin, dass bei der Verwendung von Ethanol im Herstellungsprozess (z. B. bei der Beschichtung von Tabletten) oder als Extraktionsmittel, das verdampft wird, keine Notwendigkeit besteht, Ethanol in der Packungsbeilage zu erwähnen (S. 2 sowie Kommentar im Annex zu Ethanol). 116Vgl. dazu auch die Besonderheitenliste des BfArM, Stand 1. Juni 2022, Zusatzinformationen. 117Auch aus den Änderungen im Annex zu anderen Stoffen ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die freiwillige Angabe „ohne Alkohol (Ethanol)“ zulässig wäre. So ist für Gluten aus Weizenstärke nun die Angabe in der Packungsbeilage vorgesehen, das Arzneimittel enthalte nur sehr geringe Mengen Gluten und es gelte als „glutenfrei“. Daraus lässt sich nichts für die generelle Zulässigkeit von „ohne..“-Angaben, erst recht nicht für die Zulässigkeit des „ohne Alkohol (Ethanol)“-Hinweises auf der Faltschachtel und dem Etikett im Streitfall ableiten. 118Auch die weiter im Verfahren von den Beteiligten angeführten Dokumente der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) rechtfertigen keine andere Betrachtung. Sie sind rechtlich unverbindlich und darüber hinaus für den vorliegenden Streitfall ganz überwiegend inhaltlich ohne Aussagekraft. Die Empfehlungen der Working Group on Quality Review of Documents (QRD) „Recommendations on pack design and labelling for centrally authorised non-prescription human medicinal products“ (vom 10. März 2011, EMA/275297/2010) beziehen sich auf zentral durch die EMA zugelassene Arzneimittel. Die Fragen und Antworten zu Gluten („Questions and answers on wheat starch containing gluten in the context of the revision of the guideline on Excipients in the label and package leaflet of medicinal products for human use“, EMA/CHMP/704219/2013) betreffen schon einen nicht vergleichbaren Stoff, zu dem inzwischen auch die Excipients-Guideline die oben wiedergegebene Empfehlung enthält. Die Fragen und Antworten zu Ethanol („Questions and answers on Ethanol in the context of the revision of the guideline on Excipients in the label and package leaflet of medicinal products for human use“ vom 23. Januar 2014, CPMP/463/00), 119https://www.ema.europa.eu/en/documents/scientific-guideline/questions-answers-ethanol-context-revision-guideline-excipients-label-package-leaflet-medicinal_en.pdf, 120enthalten Vorschläge für die Überarbeitung des Annexes der Excipients-Guideline, der aus den vorstehend angeführten Gründen für die hier streitige Frage unergiebig ist; zur Zulässigkeit von Hinweisen wie „ohne Alkohol (Ethanol)“ verhalten sie sich ebenfalls nicht. Entsprechendes gilt für das Dokument des CHMP zum wissenschaftlichen Hintergrund „Information for the package leaflet regarding ethanol used as an excipient in medicinal products for human use“ (vom 20. September 2018, EMA/CHMP/43486/2018), 121https://www.ema.europa.eu/en/documents/scientific-guideline/information-package-leaflet-regarding-ethanol-used-excipient-medicinal-products-human-use_en.pdf. 122Die Arbeitsgruppe QRD hat sich zwar in der Sitzung vom 2. März 2016 (EMA, Minutes of the eighty-seventh meeting of the „Working group on Quality Review of Documents“, EMA/189974/2016) dahingehend geäußert, dass Hinweise wie gluten-/alkohol-/zuckerfrei als Werbung eingestuft würden und von keinem zusätzlichen Wert seien. Diese Einschätzung ist allerdings nicht nur unverbindlich, sondern zudem durch die Überarbeitung der Excipients-Guideline überholt. 123Ist die Angabe danach schon aus diesen Gründen gemäß § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG unzulässig, kommt es nicht darauf an, ob sie auch als Werbeaussage im Sinne von Art. 62 Richtlinie 2001/83/EG - in richtlinienkonformer Anwendung des § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG - unzulässig ist. 124b. Auch die Angabe „ohne Zuckerzusatz“ auf der Faltschachtel und dem Etikett ist arzneimittelrechtlich unzulässig. 125Sie ist zwar - anders als der Hinweis „ohne Alkohol (Ethanol)“ - zutreffend, da dem Produkt im Herstellungsverfahren unstreitig kein Zucker zugesetzt wird. Der Senat geht auch nicht davon aus, dass die Angabe den falschen Eindruck vermittelt, die Hustentropfen enthielten kaum oder keinen Zucker. Die Information ist aber schon deshalb nicht für den Patienten und dessen gesundheitliche Aufklärung wichtig, weil sie nichts über den tatsächlichen Zuckergehalt des Produkts aussagt. Die streitgegenständlichen Hustentropfen enthalten natürlichen Zucker aufgrund des Wirkstoffs Thymian. Der Umstand, dass im Herstellungsverfahren kein Zucker zugesetzt wurde, ist auch für die Anwendung des Arzneimittels nicht von Bedeutung. Er hat keine gebrauchssichernde Funktion. 126Selbst wenn man davon ausgeht, der Zuckergehalt der Hustentropfen sei so gering, dass er keine negativen gesundheitlichen Effekte habe, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Auch hier gilt die obige Erwägung zum Hinweis „ohne Alkohol (Ethanol)“, dass ein nicht enthaltener Stoff auch keine Auswirkungen auf die Gesundheit des Patienten hat. 127Nichts anderes ergibt sich aus dem von der Klägerin angeführten Gesichtspunkt der Zahngesundheit, wobei schon zweifelhaft erscheint, dass dieser Aspekt auch für Hustentropfen in Betracht kommt, die im Unterschied zu Hustensaft keine sirupartige Konsistenz aufweisen. Ob Patienten oder ihre Eltern bei Hustentropfen davon ausgehen, dass diese Zucker enthalten, kann dahinstehen. Es ist für die Frage der Zulässigkeit des Hinweises auf den fehlenden Zuckerzusatz nicht relevant. Die Angabe eines beachtlichen Zuckergehalts (und der daraus folgenden Konsequenzen für die Zahnpflege) stünde im Zusammenhang mit der Anwendung des Arzneimittels und diente der Aufklärung über dessen Risiken. Umgekehrt gilt dies hingegen nicht. Enthält ein Arzneimittel keinen zahnschädigenden Zucker, ist hinsichtlich der Zahnhygiene auch nichts zu beachten und der Patient über kein Risiko aufzuklären. Dass der Hinweis auf die Zuckerfreiheit die Compliance erhöhen mag, genügt ebenfalls aus den bereits zum Ethanol ausgeführten Gründen nicht den tatbestandlichen Anforderungen des § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG. 128c. Dem in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisantrag der Klägerin, „Beweis zu erheben über die Frage, dass nach dem jeweils bestehenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand die Angaben „ohne Alkohol (Ethanol)/ohne Zuckerzusatz“ mit der Anwendung des streitgegenständlichen Produkts im Zusammenhang stehen und für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten wichtig sind und insbesondere keine medizinisch-pharmazeutisch fehlerhafte Information vermitteln“, musste der Senat nicht nachkommen. 129Der Beweisantrag ist bereits wegen mangelnder Substantiierung unzulässig. Unsubstantiierten Beweisanträgen muss das Gericht nicht nachgehen. Die gebotene Substantiierung besteht in der Nennung eines bestimmten Beweismittels und in der Behauptung einer bestimmten Tatsache. Unsubstantiiert sind aber nicht nur Beweisanträge, die das Beweisthema nicht hinreichend konkretisieren, sondern auch Beweisanträge, die dazu dienen sollen, unsubstantiierte Behauptungen zu stützen, etwa solche, die erkennbar ohne jede tatsächliche Grundlage erhoben worden sind. Das Substantiierungsgebot verlangt, dass die Tatsache vom Antragsteller mit einem gewissen Maß an Bestimmtheit als wahr und mit dem angegebenen Beweismittel beweisbar behauptet wird. Finden sich im gesamten Prozessstoff keine tatsächlichen Anhaltspunkte für die aufgestellte Behauptung und gibt der Antragsteller für eine von ihm angestellte Vermutung nicht die geringste tatsächliche Grundlage an, darf das Gericht den Schluss ziehen, die Behauptung sei „aus der Luft gegriffen“ oder „ins Blaue hinein“ aufgestellt worden. In einem derartigen Fall geht es dem Antragsteller nur darum, ermitteln zu lassen, ob seine auf keine Anhaltspunkte gestützte Behauptung nicht vielleicht doch wahr ist. 130Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. September 2012 - 5 B 30.12 -, juris Rn. 9, vom 2. November 2007 - 7 BN 3.07 -, juris Rn. 5, und vom 29. März 1996 - 11 B 21.95 -, juris Rn. 4. 131Hier hat die Klägerin mit der Formulierung ihres Beweisantrags entgegen § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO in entsprechender Anwendung schon kein bestimmtes Beweismittel bezeichnet. Es ist auch nicht ohne weiteres erkennbar, mit welchem Beweismittel die von ihr mit dem Beweisantrag aufgestellte Behauptung verifiziert werden könnte. Zwar dürfte es der Klägerin um die Einholung eines Sachverständigengutachtens gehen und ist ferner die namentliche Benennung eines Sachverständigen nicht geboten. Auch spricht einiges dafür, dass hinsichtlich des mit „insbesondere“ eingeleiteten Teilaspekts der Beweisfrage die Einholung eines medizinischen und/oder pharmazeutischen Sachverständigengutachtens begehrt wird. Allerdings ist gänzlich unklar und von der Klägerin auch nicht weiter in der mündlichen Verhandlung thematisiert worden, welche weiteren Aspekte sie mit der umfassender formulierten Beweisfrage geklärt haben möchte und welche Einrichtungen, Institutionen oder Wissenschaftler welcher Fachrichtung insoweit über Erkenntnisse verfügen könnten. 132Ferner handelt es sich bei der Tatsache, dass die Angabe „ohne Alkohol (Ethanol)“ keine medizinisch-pharmazeutisch fehlerhafte Information (zu dem streitgegenständlichen Produkt) vermittelt, um eine unsubstantiierte, ohne tatsächliche Anhaltspunkte aufgestellte Behauptung. Denn die Beteiligten haben sich im erstinstanzlichen Verfahren darauf verständigt, dass in einer maximalen Einzeldosis von 2,3 ml Hustentropfen maximal 2,16 mg Ethanol enthalten sind, weshalb - wie oben ausgeführt - die Angabe „ohne Alkohol (Ethanol)“ pharmazeutisch unzutreffend ist. Die bloße Behauptung, es handle sich lediglich um wenige Moleküle an Ethanol, bietet keine tatsächliche Grundlage dafür, dass entgegen den erstinstanzlichen Erklärungen die Hustentropfen kein Ethanol mehr enthalten. 133Was die Angabe „ohne Zuckerzusatz“ angeht, ist die Beweistatsache als erwiesen und damit nicht mehr beweisbedürftig anzusehen, § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 StPO analog. Dass dieser Hinweis inhaltlich zutrifft und damit keine medizinisch-pharmazeutisch fehlerhafte Information vermittelt, steht nicht im Streit und hat der Senat auch angenommen. 134Abgesehen davon ist der Beweisantrag deshalb abzulehnen, weil er hinsichtlich des Beweisthemas unzulässig ist. Er ist nicht auf die Ermittlung einer Tatsache, sondern auf die Beantwortung einer Rechtsfrage gerichtet, die einer Beweiserhebung nicht zugänglich, sondern durch das Gericht zu beantworten ist (vgl. § 244 Abs. 3 Satz 1 und 2 StPO analog). 135Vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Februar 1988 ‑ 2 BvR 1324/87 -, BayVBl. 1988, 268 = juris Rn. 14; OVG NRW, Beschluss vom 23. September 2009 - 13 A 987/09 -, juris Rn. 15; Julius, in: Gercke/ Julius/ Temming/Zöller, Strafprozessordnung, 6. Auflage 2019, § 244 Rn. 28 und 45. 136Mit dem benannten Beweisthema, ob die Angaben „ohne Alkohol (Ethanol)/ohne Zuckerzusatz“ mit der Anwendung des streitgegenständlichen Produkts im Zusammenhang stehen und für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten wichtig sind, werden exakt die in § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG genannten Tatbestandsvoraussetzungen wiedergegeben. Ob die Angaben „ohne Alkohol (Ethanol)/ohne Zuckerzusatz“ diese im Streitfall erfüllen, ist nicht durch eine Beweiserhebung zu ermitteln, sondern durch das Gericht zu entscheiden. 1372. Die Auflagen F3. und F4., wonach in den Texten für die Packungsbeilage und die Fachinformation die Hinweise zum fehlenden Alkohol/Ethanol zu streichen sind, stellen sicher, dass die Packungsbeilage den Vorschriften des § 11 AMG (§ 28 Abs. 2 Nr. 2 AMG) und die Fachinformation den Vorschriften des § 11a AMG entspricht (§ 28 Abs. 2 Nr. 2a AMG). 138Dass die Auflage F3. in den Texten für die Packungsbeilage und die Fachinformation die Streichung des Hinweises „…enthält keinen Alkohol“ fordert, der Wortlaut der eingereichten Texte aber „enthalten kein Alkohol (Ethanol)“ in der Gebrauchsinformation und „enthalten kein Ethanol“ in der Fachinformation lautet, ist unerheblich. Dass die Beklagte die Streichung dieser Texte fordert, lässt sich dem Bescheid zweifelsfrei entnehmen. 139Die beanstandeten Hinweise, bei denen es sich nicht um Pflichtangaben handelt, sind unzulässig. Weitere Angaben in der Packungsbeilage (§ 11 Abs. 1 Satz 7 AMG) und der Fachinformation (§ 11a Abs. 1 Satz 6 AMG) sind - soweit sie nicht (wie hier) durch eine Verordnung der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union vorgeschrieben oder bereits nach einer solchen Verordnung zulässig sind - zulässig, soweit sie mit der Anwendung des Arzneimittels im Zusammenhang stehen, für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten wichtig sind und den Angaben nach § 11a AMG nicht widersprechen. 140Die tatbestandlichen Voraussetzungen entsprechen damit denen des § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG. Zulässig sind nur gebrauchssichernde Informationen. 141Vgl. Pannenbecker, in: Kügel/Müller/Hofmann, a. a. O., § 11 Rn. 52, § 11a Rn. 21. 142Bei der an die Patienten gerichteten Packungsbeilage ergibt sich dies auch daraus, dass ihr der Zweck zukommt, eine sachgerechte Anwendung des Arzneimittels zu gewährleisten. Sie soll dem Patienten alle Informationen geben, die für eine ordnungsgemäße Anwendung des Arzneimittels und die mit der Anwendung verbundenen Risiken von Bedeutung sind. 143Vgl. Kloesel/Cyran, a. a. O., § 11 Anm. 1 und 82; Fuhrmann, in: Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, a. a. O., § 8 Rn. 9. 144In ähnlicher Weise kommt der an das heilberuflich tätige Fachpublikum adressierten Fachinformation die Funktion zu, den Fachkreisen die für eine sichere Anwendung des Arzneimittels notwendigen wissenschaftlichen Informationen zu geben. 145Vgl. Kloesel/Cyran, a. a. O., § 11a Anm. 2. 146Die restriktive Zulassung weiterer Angaben soll auch bei der Gebrauchs- und Fachinformation verhindern, dass die Verwender von den Pflichtinformationen abgelenkt werden. Dies gilt nicht nur für die Packungsbeilage, sondern auch für die Fachinformation. Auch sie ist auf die Anwendung des Arzneimittels bezogen. Zulässig sind etwa solche Angaben, mit denen die Wirkungsweise des Arzneimittels nachvollzogen werden kann. Angaben, die keinen Zusammenhang mit dem therapeutischen Einsatz des Arzneimittels aufweisen, gehören hingegen nicht in die Fachinformation. 147Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. April 2020 ‑ 3 C 22.18 -, a. a. O., juris Rn. 13 ff. 148Hiervon ausgehend sind die Hinweise in der Gebrauchs- und Fachinformation nicht nach § 11 Abs. 1 Satz 7 AMG und § 11a Abs. 1 Satz 6 AMG als weitere Angaben zulässig. Es gelten die Ausführungen zu § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG entsprechend, auf die Bezug genommen wird (siehe Ziff. II.1.a). 149Bei der Fachinformation fällt zudem besonders ins Gewicht, dass der Hinweis, es sei kein Ethanol enthalten, pharmazeutisch unzutreffend ist. Denn für die entsprechend vorgebildeten Fachkreise ist die Information, es sei kein Ethanol enthalten, für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten nicht hilfreich, wenn gleichzeitig erkennbar ist, dass Ethanol als Auszugsmittel verwendet wurde. Auch hier gilt, dass wichtig für die Anwendung des Arzneimittels nur die Angabe sein kann, dass die im Arzneimittel enthaltene Restmenge an Ethanol so gering ist, dass sie keine wahrnehmbaren und damit auch keine gesundheitlichen Auswirkungen hat. 150Sollte der Hilfsbeweisantrag auch auf die beanstandeten Angaben in der Gebrauchs- und Fachinformation zielen, gelten die obigen Ausführungen hier entsprechend. 151III. Die angefochtenen Auflagen sind auch frei von Ermessensfehlern. Nach § 28 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 2a AMG „kann“ das BfArM bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen Auflagen erteilen. 152Ein Entschließungsermessen kommt der Behörde insoweit aber schon nicht zu. Ist die Auflage - wie hier - erforderlich, um die Übereinstimmung der Kennzeichnung, der Packungsbeilage und der Fachinformation mit den gesetzlichen Vorgaben sicherzustellen, besteht die Verpflichtung zur Anordnung einer Auflage. 153Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. April 2020 - 3 C 22.18 -, a. a. O., juris Rn. 27 f., vorausgehend ausführlich dazu OVG NRW, Urteil vom 7. November 2018 - 13 A 3140/17 -, juris Rn. 64 ff. 154Auf die Feststellung einer konkreten Gefährdung kommt es nicht an. Ebenso wenig bedarf es einer Verhältnismäßigkeitsprüfung, die etwa die wirtschaftlichen Auswirkungen der Maßnahme für den pharmazeutischen Unternehmer in den Blick nimmt. 155Es ist deshalb auch nicht unter dem Gesichtspunkt von Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung zu prüfen, ob das BfArM die Streichung vergleichbarer Hinweise auch gegenüber anderen pharmazeutischen Unternehmen angeordnet hat bzw. dies beabsichtigt. Ob auch eine Verpflichtung der Beklagten zur Anordnung nachträglicher Auflagen gem. § 28 Abs. 1 Satz 4 AMG in Altfällen besteht, die nicht aus Anlass eines Verlängerungsantrags oder im Rahmen einer Änderungsanzeige zur Prüfung stehen, ist daher ebenfalls unerheblich. 156Vgl. dazu auch BVerwG, Urteil vom 23. April 2020 - 3 C 22.18 -, a. a. O., juris Rn. 30 f. 157Davon abgesehen hat die Beklagte im Berufungsverfahren mitgeteilt, dass sie in Zulassungs- oder Verlängerungsverfahren oder bei Änderungsanzeigen entsprechende „frei von“-Hinweise im Rahmen von Anhörungen oder Widerspruchsverfahren beanstande und dies von der pharmazeutischen Industrie ganz überwiegend akzeptiert werde. Für eine Ungleichbehandlung ist damit auch nichts ersichtlich. 158Die Ausübung des Auswahlermessens ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Es ist nicht ersichtlich, wie den Verstößen gegen die Vorgaben der §§ 10, 11 und 11a AMG anders abgeholfen werden könnte als durch eine Streichung der Hinweise. Ermessensfehler sind auch nicht erkennbar, soweit nach der Auflage F3. der Hinweis in den Texten für die Packungsbeilage und die Fachinformation durch den Hinweis „Das Ethanol des Auszugsmittels wurde weitestgehend entfernt.“ ersetzt werden kann. Die Klägerin wird zur Aufnahme dieses Hinweises nicht verpflichtet („kann“). Vielmehr ist er als bloßer Formulierungsvorschlag zu verstehen, der dem Anliegen der Klägerin Rechnung tragen soll, etwaigen Fehlvorstellungen von Patienten und Fachpersonal infolge der Pflichtangaben zum Ethanol entgegenzuwirken. Dies wird bestätigt durch die Ausführungen im Widerspruchsbescheid, wonach es sich um einen „Textvorschlag“ handele, der im Rahmen der weiteren Angaben unterhalb der Pflichtangaben „aufgeführt werden könnte“. 159Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. 160Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. 161Die Revision ist zuzulassen, da die Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO grundsätzliche Bedeutung hat. Die Zulässigkeit von „ohne Alkohol“- und „ohne Zuckerzusatz“-Hinweisen sowie vergleichbaren weiteren Angaben, dabei vorgelagert insbesondere die Frage nach dem Verständnis des Art. 62 Richtlinie 2001/83/EG und ggf. einer unionsrechtskonformen erweiternden Auslegung der §§ 10 Abs. 1 Satz 5, 11 Abs. 1 Satz 7, 11a Abs. 1 Satz 6 AMG, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bisher nicht geklärt und voraussichtlich für eine Vielzahl von Fällen von Bedeutung.
die berufung wird zurückgewiesen. die klägerin trägt die kosten des berufungsverfahrens. die entscheidung ist hinsichtlich der kosten vorläufig vollstreckbar. die klägerin kann die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. die revision wird zugelassen. 1
2die beteiligten streiten um die angaben „ohne alkohol (ethanol)/ohne zuckerzusatz“ auf der äußeren umhüllung (faltschachtel) und dem etikett von „b. hustentropfen“ sowie die angaben “frei von alkohol (ethanol)“, “enthalten kein alkohol (ethanol)“, „enthalten kein ethanol“ in der gebrauchs- und fachinformation. 3das bundesinstitut für arzneimittel und medizinprodukte (bfarm) erteilte der firma l. n. gmbh - der vormaligen klägerin - am 22. januar 2008 die zulassung für das fertigarzneimittel „b. forte hustentropfen“ (zulassungsnummer 65616.00.00). zwischenzeitlich wurde die bezeichnung in „b. hustentropfen“ geändert. diese zulassung wurde im november 2020 an die jetzige klägerin übertragen. mit schriftsatz vom 23. märz 2022 teilte diese mit, sie führe als rechtsnachfolgerin der vorherigen zulassungsinhaberin und klägerin das verfahren fort. am 20. mai 2022 stimmte die beklagte dem zu. 4das arzneimittel enthält als wirkstoff einen dickextrakt aus thymiankraut (1,7-2,5:1), auszugsmittel: ammoniaklösung 10 % (m/m), glycerol 85 % (m/m), ethanol 90 % (v/v), wasser (1:20:70:109). das im auszugsmittel für den thymiankrautextrakt enthaltene ethanol wird im herstellungsverfahren fast vollständig wieder entfernt. in der extraktzubereitung befindet sich laut spezifikation ethanol nur noch in einer menge von unter 0,10 %. in einer maximalen einzeldosis des fertigarzneimittels von 2,3 ml hustentropfen sind maximal 2,16 mg ethanol enthalten. das arzneimittel enthält nicht mehr natürlichen zucker als der ausgangsstoff thymian; während des herstellungsverfahrens wird kein zucker zugesetzt. 5das arzneimittel wird angewendet „zur besserung der beschwerden bei erkältungskrankheiten der atemwege mit zähflüssigem schleim, zur besserung der beschwerden bei akuter bronchitis“. es ist auch zur anwendung bei kindern ab 1 jahr zugelassen und nicht verschreibungspflichtig. 6in dem durch den zulassungsbescheid vom 22. januar 2008 zugelassenen text für die äußere umhüllung (faltschachtel) und das etikett befand sich der hinweis „ohne alkohol (ethanol)/ohne zuckerzusatz“. in der gebrauchsinformation war unter ziffer 6 - nach der angabe der sonstigen bestandteile - der hinweis enthalten: „b. forte hustentropfen enthalten kein alkohol (ethanol)“. im abschnitt „weitere hinweise“ der gebrauchsinformation war der folgende text aufgeführt: „b. forte hustentropfen sind frei von alkohol (ethanol) und daher auch für patienten geeignet, die alkohol (ethanol) vermeiden müssen.“ in der fachinformation hieß es unter ziffer 6.1 nach der liste der sonstigen bestandteile: „hinweis: b. forte hustentropfen enthalten kein ethanol.“ 7mit fristgerechtem verlängerungsantrag vom 18. juli 2012 legte die vormalige klägerin gleichlautende informationstexte und texte für äußere umhüllung und etikett vor. dem nach vorheriger anhörung ergangenen verlängerungsbescheid vom 3. juni 2015, zugestellt am 9. juni 2015, waren u. a. die folgenden auflagen beigefügt: 8f1.: die angaben „ohne alkohol (ethanol)/ohne zuckerzusatz“ sind auf der äußeren umhüllung und dem etikett zu streichen. 9f3.: in den texten für die packungsbeilage und die fachinformation sind die hinweise „…enthält keinen alkohol“ zu streichen und können durch den hinweis „das ethanol des auszugsmittels wurde weitestgehend entfernt.“ ersetzt werden. 10f4.: in der packungsbeilage ist unter weitere hinweise der satz: „ ... ist ohne alkohol (ethanol) und daher auch für patienten geeignet, die alkohol (ethanol) vermeiden müssen“ zu streichen. 11in der begründung zu auflage f1. wurde ausgeführt, der hinweis zur alkohol- und zuckerfreiheit sei nach § 10 abs. 1 satz 4 amg nicht als „weitere angabe“ zulässig, weil sie in der eu-„guideline on the excipients in the label and package leaflet of medicinal products for human use“ (cpmp/463/00) nicht vorgesehen und bei dem apothekenpflichtigen arzneimittel auch nicht notwendig sei. die angaben seien auch geeignet, das produkt gegenüber vergleichbaren arzneimitteln hervorzuheben, und daher werbewirksame aussagen. zur begründung der in den auflagen f3. und f4. vorgesehenen streichungen wurde ausgeführt, auch wenn das ethanol aus dem auszugsmittel wieder entfernt werde, blieben immer kleine restmengen zurück. außerdem zähle auch das enthaltene propylenglykol zu den alkoholen. 12den dagegen eingelegten widerspruch wies das bfarm durch widerspruchsbescheid vom 21. januar 2016 zurück. 13am 27. januar 2016 hat die vormalige klägerin beim verwaltungsgericht köln klage erhoben (7 k 433/16). zur begründung hat sie im wesentlichen ausgeführt: die auflagen f1., f3. und f4. seien rechtswidrig. die beklagte habe die beanstandeten hinweise in der erstmaligen zulassung genehmigt. eine ermächtigungsgrundlage für die aufhebung eines genehmigten textes sei nicht ersichtlich. es sei auch fraglich, ob im hinblick auf „entwarnungshinweise“ eine auflagenbefugnis nach § 28 abs. 2 amg bestehe, denn durch die entwarnung bestehe keine gefahr für die qualität und unbedenklichkeit von arzneimitteln. es sei weiter fraglich, ob die beklagte das ihr durch § 28 abs. 2 amg eingeräumte ermessen fehlerfrei ausgeübt, insbesondere die atypischen besonderheiten des vorliegenden falles hinreichend beachtet habe. die beklagte orientiere sich an abstrakten guidelines oder äußerungen von expertengremien sowie einer möglichen vorbildwirkung für andere verfahren statt den konkreten einzelfall zu prüfen. die auflagen seien unverhältnismäßig. eine änderung der im rahmen der erstzulassung für rechtmäßig gehaltenen texte, ohne dass sich die sach- oder rechtslage geändert habe, verwirre die patienten und vertreter der fachkreise und führe zu einer unnötigen wirtschaftlichen belastung der klägerin. 14die beanstandeten hinweise seien als sonstige angaben nach § 10 abs. 1 satz 5 amg, § 11 abs. 1 satz 7 amg und § 11a abs. 1 satz 6 amg zulässig. sie stünden mit der anwendung des arzneimittels in zusammenhang und seien für die gesundheitliche aufklärung wichtig. hierzu genüge es, dass die angaben der gesundheitlichen aufklärung dienlich seien. dies sei bei allen angaben der fall, die das einnahmeverhalten, die compliance, verbesserten. insbesondere sei die angabe „ohne alkohol (ethanol)“ geboten, weil sie die aus der sicht eines durchschnittlich informierten, verständigen patienten verwirrende pflichtangabe zum extraktionsmittel „ethanol“ klarstelle. der unsicherheit könne auch nicht durch die abgabe in der apotheke hinreichend begegnet werden. der entwarnungspflicht könne der pharmazeutische unternehmer nur dadurch nachkommen, dass er auf der faltschachtel einen kurzen und prägnanten hinweis anbringe, wie es „ohne alkohol“ sei. dies werde vom verbraucher dahingehend verstanden, dass der etwa noch vorhandene alkohol keinen nennenswerten effekt entfalte, und sei daher auch inhaltlich zutreffend. die excipients-guideline schreibe nur warnungen vor und enthalte daher keine abschließende regelung im hinblick auf entwarnungshinweise. auch der hinweis „ohne zuckerzusatz“ sei zulässig. die angabe enthalte eine für alle verbrauchergruppen, insbesondere aber für diabetiker, wichtige und verständliche mitteilung und verbessere das einnahmeverhalten. 15es handele sich auch nicht um unzulässige werbliche aussagen. das merkmal des werbewirksamen effekts dürfe nicht in die vorschriften des arzneimittelgesetzes zur zulässigkeit von weiteren angaben hineingelesen werden, weil dies vorliegend keine grundlage in art. 62 der richtlinie 2001/83/eg finde. schließlich sei die zurückhaltende präsentation des arzneimittels von der beklagten im rahmen der ermessensentscheidung überhaupt nicht berücksichtigt worden. der hinweis auf die alkohol- und zuckerfreiheit befinde sich auf der rückseite der verpackung unter den einnahmehinweisen und sei damit für den patienten auch bei der platzierung im sichtwahlbereich der apotheken nicht erkennbar. 16im termin zur mündlichen verhandlung hat das verwaltungsgericht dieses verfahren mit dem verfahren 7 k 324/16 („b. hustensaft“) zur gemeinsamen verhandlung und entscheidung verbunden und diese verfahren unter dem aktenzeichen 7 k 324/16 fortgeführt. 17die vormalige klägerin hat beantragt, 18die auflagen f1., f3. und f4. im verlängerungsbescheid des bundesinstituts für arzneimittel und medizinprodukte vom 3. juni 2015 für das fertigarzneimittel „b. hustentropfen“ in der gestalt des widerspruchsbescheides vom 21. januar 2016 aufzuheben. 19die beklagte hat beantragt, 20die klage abzuweisen. 21zur begründung hat sie im wesentlichen vorgetragen: die auflagenbefugnis ergebe sich aus § 28 abs. 2 amg. die feststellung einer konkreten gefährdung sei bei vorliegen der voraussetzungen des § 28 abs. 1 und abs. 2 amg nicht erforderlich. der umstand, dass die beanstandeten hinweise zuvor genehmigt worden seien, sei nicht bedeutsam. die verlängerung nach § 31 amg diene auch der kontrolle der zulassungsentscheidung, soweit es nicht um die beurteilung der wirksamkeit gehe. 22die texte seien unzulässig. der gesetzgeber habe sich dafür entschieden, das vorhandensein von potentiell gesundheitsschädlichen zusatzstoffen in fertigarzneimitteln, also auch von alkohol und zucker, ausschließlich positiv zu normieren. falls derartige stoffe in einer gesundheitsrelevanten menge beigefügt seien, müsse nach § 10 abs. 2 amg, § 11 abs. 2 amg ein warnhinweis aufgenommen werden. die arzneimittelwarnhinweisverordnung sowie die europäische excipients-guideline bestimmten abschließend, für welche art und menge von stoffen ein warnhinweis verpflichtend sei. 23der hinweis auf das fehlen von alkohol auf etikett und faltschachtel sei nicht als „weitere angabe“ zulässig, weil die voraussetzungen des § 10 abs. 1 satz 5 amg nicht erfüllt seien. er sei schon unrichtig, weil das arzneimittel alkohol in sehr geringer menge enthalte. ein stoff, der in einer nicht gesundheitsgefährdenden menge enthalten sei, könne auch nicht für die anwendung eines arzneimittels von bedeutung sein. eine „risikokommunikation“ müsse daher nicht stattfinden. die verbesserung der compliance könne durch solche hinweise nicht erreicht werden. eine angabe, die auf das fehlen eines bestimmten stoffes hinweise, sei zudem grundsätzlich werblich. diese auffassung werde auf europäischer ebene geteilt, etwa im hinblick auf „gluten“. der hinweis befinde sich zwar auf der rückseite der faltschachtel, sei aber durch schrift und form deutlich von dem übrigen text abgehoben und habe damit auch durch die gestaltung einen werbenden charakter. im vorliegenden fall bestehe zwar die besonderheit, dass für die herstellung des wirkstoffs ethanol als auszugsmittel verwendet werde und daher auch auf der äußeren umhüllung genannt werden müsse, und zwar ungeachtet der im endprodukt noch enthaltenen restmengen von ethanol. die hierdurch möglicherweise entstehenden fragen würden seitens der klägerin jedoch in einer völlig unrealistischen und überzogenen weise dargestellt. auch die angabe „ohne zuckerzusatz“ auf dem etikett sei nicht als „weitere angabe“ zulässig. da zucker nicht in einer warnhinweispflichtigen menge enthalten sei, sei der hinweis nicht für die gesundheitliche aufklärung der verbraucher wichtig. die regelungen zur kennzeichnung von diätetischen lebensmitteln seien aufgehoben worden. lediglich der zusatz „zuckerfrei“ werde in den europäischen arbeitsgruppen zur formulierung der informationstexte bei zentral zugelassenen arzneimitteln diskutiert und im einzelfall als zulässig erachtet. die angabe „ohne zuckerzusatz“ sei ebenfalls als werbliche aussage einzuordnen. 24aus denselben gründen sei auch der hinweis auf das fehlen von alkohol in der packungsbeilage sowie der fachinformation unzulässig. er sei nicht zutreffend. da der alkoholgehalt unterhalb der schwelle für einen warnhinweis liege, gebe es auch keine rechtsgrundlage für diese angabe. gemäß § 11 abs. 1 satz 1 nr. 6 d amg dürften unter ziffer 6 der gebrauchsinformation nur im arzneimittel aufzulistende bestandteile genannt werden. eine negativangabe sei nicht vorgesehen. im feld „weitere hinweise“ sei nur die aussage zulässig, wonach alkohol im arzneimittel nur noch in einer sehr geringen menge vorhanden sei. auch in der fachinformation könne das fehlen von alkohol keinesfalls unter ziffer 6.1 „liste der sonstigen bestandteile“ aufgeführt werden, da die menge des noch enthaltenen alkohols nicht als sonstiger bestandteil zu nennen sei. 25das verwaltungsgericht hat die klage durch urteil vom 27. november 2018 abgewiesen. zur begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: die beklagte sei gemäß § 28 abs. 1 satz 1 und satz 4 in verbindung mit § 28 abs. 2 nr. 1 amg berechtigt gewesen, der klägerin durch die auflage f1. die streichung des hinweises „ohne alkohol (ethanol)/ohne zuckerzusatz“ auf der äußeren umhüllung und dem etikett des behältnisses aufzugeben, weil dieser nicht nach § 10 amg zulässig sei. zulässig seien weitere angaben nach § 10 abs. 1 satz 5 amg, wenn sie einen bezug zur anwendung des konkreten arzneimittels und damit in erster linie gebrauchssichernde funktion hätten. fehlende bestandteile, wie z.b. alkohol oder zucker, hätten keine auswirkung auf die gesundheit des patienten und entsprechende hinweise seien daher für die anwendung des arzneimittels nicht relevant. darüber hinaus ergebe sich aus der zweckbestimmung der verschiedenen informationstexte und der konzeption der gesetzlichen regelungen in §§ 10 ff. amg, die in übereinstimmung mit den art. 54 ff. richtlinie 2001/83/eg auszulegen seien, eine abschließende regelung zur angabe der sonstigen bestandteile eines arzneimittels auf der äußeren umhüllung oder dem etikett. die angabe „ohne alkohol“ sei zudem irreführend, weil das endprodukt geringe restmengen ethanol aus der arzneimittelherstellung enthalte. auch die angabe „ohne zuckerzusatz“ sei mit § 10 abs. 1 satz 5 amg nicht vereinbar. zwar bestehe im hinblick auf die zahngesundheit sowie für diabetiker ein anerkennenswertes informationsinteresse von patienten. der hinweis auf den fehlenden zuckerzusatz könne jedoch in der packungsbeilage gegeben werden. wegen der fehlenden vereinbarkeit mit § 10 amg habe das bfarm nach § 28 abs. 2 nr. 1 amg die streichung anordnen dürfen. einer zusätzlichen konkreten gefahr für die arzneimittelsicherheit bedürfe es bei der anwendung der auflagenermächtigung nicht. auch die ermessensentscheidung sei rechtlich nicht zu beanstanden, die auflage f1. sei nicht unverhältnismäßig. 26die auflagen f3. und f4. seien ebenfalls rechtmäßig. rechtsgrundlage für die regelungen sei § 28 abs. 1 satz 1 und satz 4 i. v .m. § 28 abs. 2 nr. 2 und nr. 2a amg. die klägerin verwende auch in der packungsbeilage und der fachinformation die pharmazeutisch unzutreffende und irreführende formulierung „ohne alkohol“. der begriff „ohne alkohol“ könne in der packungsbeilage nur dann synonym mit einer irrelevanten restmenge benutzt werden, wenn insofern eine einheitliche definition durch die hierfür zuständige europäische kommission im rahmen der excipients-guideline vorliegen würde. dies sei jedoch bislang nicht der fall. 27dagegen hat die klägerin die vom verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher bedeutung zugelassene berufung eingelegt. zur begründung wiederholt und ergänzt sie ihr erstinstanzliches vorbringen und führt im wesentlichen aus: die ursprünglich genehmigten angaben klärten über unverständliche pflichttexte und irrige verbrauchererwartungen, auch aufgrund der produktkategorie, auf, es seien beträchtliche mengen alkohol und zucker im produkt enthalten. die pflichtangabe „ethanol 90 % (v/v)“ auf der umverpackung werde vom verbraucher teilweise mit alkohol in verbindung gebracht, was auch durch den kräftigen kräutergeschmack unterstützt werde. die angabe „ohne alkohol (ohne ethanol)/ohne zuckerzusatz“ habe einen gebrauchssichernden bezug zur anwendung des konkreten arzneimittels durch den kranken, weil damit ungewöhnlichem einnahmeverhalten (z.b. einnahme von zu geringen mengen oder nichteinnahme zur nacht) vorgebeugt werde. das informationsbedürfnis erkenne auch das verwaltungsgericht an. die vermittlung der sachlichen und inhaltlich zutreffenden informationen sei auch keine werbung. die information „ohne alkohol“ sei aus sicht eines patienten zutreffend, der daraufhin davon ausgehe, dass das produkt keinen negativen gesundheitlichen effekt auf ihn haben könne und auch für patienten geeignet sei, die alkohol vermeiden müssten. dass einige moleküle alkohol im produkt enthalten sein möchten, im übrigen weniger als in vielen lebensmitteln, sei für ihn vollkommen irrelevant. die hier gewählte art und weise der risikokommunikation über entwarnungen sei marktüblich und funktioniere, d. h. sie werde vom verbraucher verstanden, und besonders für vulnerable patientengruppen von bedeutung. 28die auffassung des verwaltungsgerichts, entwarnungshinweise seien grundsätzlich nach § 10 abs. 1 satz 5 amg nicht zulässig, sei vom wortlaut sowie vom sinn und zweck der vorschrift nicht gedeckt. hier werde offenbar ein zusätzliches kriterium der notwendigkeit in die vorschrift hineingelesen. art. 62 der richtlinie 2001/83/eg in seiner nationalen umsetzung sei keine ausnahmevorschrift zu pflichtangaben, sondern eine selbständige regelung zur zulässigkeit freiwilliger zusätzlicher angaben. aus der englischen und französischen fassung ergebe sich der sinn und zweck der vorschrift, ergänzende freiwillige angaben zu erlauben, die für den patienten nützlich seien („useful“, „utiles“). eine einengende auslegung der bestimmung sei auch nach art. 60 der richtlinie 2001/83/eg nicht zulässig. die angaben „ohne alkohol“ und „ohne zuckerzusatz“ wiesen darauf hin, dass das produkt keine relevanten, wahrnehmbaren mengen an alkohol enthalte und ihm kein zucker zugesetzt worden sei, was für patienten, eltern und fachkreise eine nützliche information sei. die kurze botschaft sei auf das wesentliche begrenzt, daher auch keine werbung, und habe sich bewährt. 29mit dem hinweis „ohne alkohol“ werde die auch in der aktuellen excipients-guideline vorgesehene information transportiert, dass die geringe alkoholmenge im arzneimittel keine wahrnehmbaren auswirkungen habe. im übrigen konkretisiere die guideline lediglich pflichtangaben (mindestangaben) zu arzneiträgerstoffen - soweit diese gezielt und funktionsmäßig im endprodukt eingesetzt und nicht nur als extraktionsmittel verwendet und verdampft würden - und enthalte keine abschließende, bindende konkretisierung zu freiwilligen zusätzlichen angaben nach art. 62 der richtlinie 2001/83/eg. sogar im hinblick auf pflichtangaben zu ethanol als auszugsmittel stehe sie nur gleichberechtigt neben anderen guidelines (z.b. zur herbal declaration guideline). umgekehrt lasse sich aus den vorgaben der guideline zu gluten, kalium und natrium ableiten, dass informationen über das fehlen von stoffen (entwarnungen), auch und gerade wenn unbedenkliche molekülmengen noch im produkt enthalten seien, wichtig sein könnten. es liege auch keine irreführung vor, da die verbleibenden moleküle für den patienten irrelevant seien. 30ferner dürften die gleichlautenden tatbestandsmerkmale in § 10 abs. 1 satz 5 amg (umverpackung) und § 11 abs. 1 satz 7 amg (packungsbeilage) nicht unterschiedlich ausgelegt werden. wegen des pflichthinweises zu ethanol auf der umverpackung müsse auch die information über den fehlenden alkoholgehalt dort erfolgen dürfen. für den befürchteten „dammbruch“ sei nichts erkennbar, zumal es um besonderheiten von phytopharmaka gehe, nicht aber um angaben wie halal und koscher oder biosiegel. schließlich sei § 28 amg bei reinen zweckmäßigkeitserwägungen unanwendbar und die auflage unverhältnismäßig. 31mit trennungsbeschluss vom 20. mai 2022 hat der senat das verfahren hinsichtlich der „b. hustentropfen“ abgetrennt und mit dem neuen aktenzeichen 9 a 1027/22 und der neuen klägerin fortgeführt. 32die klägerin beantragt, 33das angefochtene urteil zu ändern und die auflagen f1., f3. und f4. im verlängerungsbescheid des bfarm vom 3. juni 2015 für das fertigarzneimittel „b. hustentropfen“ in der gestalt des widerspruchsbescheides vom 21. januar 2016 aufzuheben, 34hilfsweise, 35beweis zu erheben über die frage, dass nach dem jeweils bestehenden medizinisch-wissenschaftlichen erkenntnisstand die angaben „ohne alkohol (ethanol)/ohne zuckerzusatz“ mit der anwendung des streitgegenständlichen produkts im zusammenhang stehen und für die gesundheitliche aufklärung der patienten wichtig sind und insbesondere keine medizinisch-pharmazeutisch fehlerhafte information vermitteln. 36die beklagte beantragt, 37die berufung zurückzuweisen. 38zur begründung verweist sie auf das erstinstanzliche verfahren, das rechtskräftige urteil des verwaltungsgerichts köln vom 28. september 2021 - 7 k 5222/18 - zu gluten und trägt ergänzend vor: seit der urteilsverkündung habe das bfarm eine nennenswerte anzahl von pharmazeutischen unternehmen abschließend davon überzeugen können, ihre vergleichbaren „frei von“-kennzeichnungen auf äußeren umhüllungen ihrer arzneimittel auch durchaus bekannter marken zu entfernen. bei zulassungs- und verlängerungsanträgen oder änderungsanzeigen würden entsprechende beanstandungen ausgesprochen. damit werde dem gleichheitssatz genügt. für die verständlichkeit von wirkstoffangaben sei es nicht erforderlich, dass verbraucher diese im einzelnen zutreffend einordnen könnten. das streitgegenständliche arzneimittel sei nicht zuckerfrei; dass kein zucker zugesetzt werde, sei für den ist-zustand des arzneimittels irrelevant. ein informationsbedürfnis bestimmter adressaten werde nicht bestritten. der klägerin gehe es aber um die platzierung der angabe „ohne alkohol (ethanol)/ohne zuckerzusatz“ auf der äußeren umhüllung bzw. dem etikett. mit anderen worten und damit in einer sowohl verständlichen als auch zutreffenden art und weise seien diese informationen an anderer stelle der informativen texte möglich. die guidelines seien als auslegungshilfe beachtlich. es streite für die auffassung der beklagten, dass für die angaben „ohne alkohol“ und “ohne zuckerzusatz“ keine regelungen seitens der gremien getroffen worden seien. das verwaltungsgericht köln habe in der gluten-entscheidung bekräftigt, dass § 10 abs. 1 satz 5 und § 11 abs. 1 satz 7 amg als ausnahmebestimmung eng zu interpretieren seien und die weiteren angaben einen besonderen bezug zur genehmigten anwendung des arzneimittels, insbesondere zum anwendungsgebiet und den modalitäten der einnahme des präparats, haben müssten. 39wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf die gerichtsakte und die beigezogenen verwaltungsvorgänge bezug genommen. 40
41die zulässige berufung ist unbegründet. das verwaltungsgericht hat die klage zu recht abgewiesen. 42a. die klage ist gem. § 42 abs. 1 vwgo als anfechtungsklage gegen die dem verlängerungsbescheid beigefügten auflagen statthaft, 43vgl. nur bverwg, urteil vom 18. mai 2010 - 3 c 25.09 -, a&r 2010, 186 = juris rn. 12, m. w. n., 44und auch im übrigen zulässig. 45b. die klage ist aber unbegründet. 46die auflagen f1., f3. und f4. im verlängerungsbescheid des bfarm vom 3. juni 2015 in der gestalt des widerspruchsbescheides vom 21. januar 2016 sind rechtmäßig und verletzen die klägerin nicht in ihren rechten, § 113 abs. 1 satz 1 vwgo. 47i. rechtsgrundlage für die auflagen ist § 28 abs. 1 satz 1 i. v. m. § 28 abs. 2 nr. 1, 2 und 2a amg. 481. gemäß § 28 abs. 1 satz 1 amg kann die zuständige bundesoberbehörde die zulassung mit auflagen verbinden. auflagen können angeordnet werden, um sicherzustellen, dass die kennzeichnung der behältnisse und äußeren umhüllungen den vorschriften des § 10 amg (§ 28 abs. 2 nr. 1 amg), die packungsbeilage den vorschriften des § 11 amg (§ 28 abs. 2 nr. 2 amg) und die fachinformation den vorschriften des § 11a amg entspricht (§ 28 abs. 2 nr. 2a amg). 49die regelungen in § 28 abs. 2 nr. 1 bis 2a amg erfassen nicht nur die pflichtangaben, sondern ermöglichen auflagen auch bezüglich der weiteren angaben, die - wenn der pharmazeutische unternehmer hiervon gebrauch macht - den zulässigkeitsvoraussetzungen in § 10 abs. 1 satz 5 amg, § 11 abs. 1 satz 7 amg, § 11a abs. 1 satz 6 amg entsprechen müssen. 50vgl. ovg nrw, urteil vom 22. november 2013 ‑ 13 a 2895/11 -, medr 2015, 203 = juris rn. 47. 51die auflagenbefugnis gilt ferner nicht nur bei erstmaliger zulassung, sondern auch für die - hier erfolgte - verlängerung der zulassung nach § 31 abs. 3 amg. 52vgl. bverwg, urteil vom 23. april 2020 - 3 c 22.18 -, nwvbl. 2020, 460 = juris rn. 25 ff. 532. wie das verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, steht der anwendbarkeit des § 28 abs. 1 satz 1 i. v. m. § 28 abs. 2 nr. 1, 2 und 2a amg als rechtsgrundlage für die auflagen f1., f3. und f4. nicht entgegen, dass das bfarm die beanstandeten angaben, die teilweise auf eine vergleichsweise einigung im klageverfahren vg köln 7 k 705/05 zurückgehen, ursprünglich mit der zulassung vom 22. januar 2008 akzeptiert hat. einer ermächtigung zu einem teilwiderruf oder einer teilrücknahme eines verwaltungsakts bedarf es insoweit entgegen der auffassung der klägerin nicht. 54im verfahren der verlängerung der zulassung ist zu prüfen, ob die gesetzlichen vorgaben der §§ 10, 11 und 11a amg eingehalten werden. das arzneimittelgesetz hat dies allerdings nicht als versagungsgrund für die zulassungsverlängerung eines arzneimittels ausgestaltet, sondern hierfür das mildere mittel der auflagenbefugnis vorgesehen. 55vgl. bverwg, urteil vom 23. april 2020 - 3 c 22.18 -, a. a. o., juris rn. 26. 56eine änderung der sach- oder rechtslage ist dementsprechend keine voraussetzung für den erlass einer solchen auflage. mit der zulassung eines arzneimittels wird insoweit kein vertrauenstatbestand geschaffen. dies zeigt auch die nicht durch weitere voraussetzungen eingeschränkte befugnis nach § 28 abs. 1 satz 4 i. v. m. abs. 2 nr. 1 bis 2a amg, jederzeit nach der erteilung einer arzneimittelrechtlichen zulassung auflagen anordnen zu können, also auch nachträgliche auflagen im hinblick auf die kennzeichnung und die informationstexte, wenn diese nicht mit den vorschriften der §§ 10 bis 11a amg übereinstimmen. 573. maßgeblich für die beurteilung der rechtmäßigkeit der auflagen ist die sach- und rechtslage im zeitpunkt der letzten verwaltungsentscheidung, hier bei erlass des widerspruchsbescheids. 58vgl. bverwg, urteil vom 23. april 2020 - 3 c 22.18 -, a. a. o., juris rn. 11. 59dies entspricht allgemeinen grundsätzen bei anfechtungsklagen, wenn sich aus dem maßgebenden materiellen recht - wie hier - für die zeitpunktfrage nichts anderes ergibt. damit ist im vorliegenden verfahren zu klären, ob bei erlass des widerspruchsbescheids die beanstandeten hinweise unzulässig und die auflagen rechtmäßig waren. dies bedeutet zugleich, dass die beklagte die auflagen nicht von sich aus unter kontrolle halten und fortdauernd überprüfen muss. 60vgl. dazu bverwg, urteil vom 17. september 2021 - 3 c 20.20 -, juris rn. 13 (für einen feststellungsbescheid nach § 21 abs. 4 satz 1 amg). 61ii. die tatbestandlichen voraussetzungen für die erteilung von auflagen nach § 28 abs. 2 amg sind sowohl hinsichtlich der auflage f1. (dazu 1.) als auch der auflagen f3. und f4. (dazu 2.) gegeben. 621. die auflage f1., wonach die angaben „ohne alkohol (ethanol)/ohne zuckerzusatz“ auf der äußeren umhüllung und dem etikett zu streichen sind, stellt im sinne von § 28 abs. 2 nr. 1 amg sicher, dass die kennzeichnung der behältnisse und äußeren umhüllungen den vorschriften des § 10 amg entspricht. die angabe „ohne alkohol (ethanol)“ ist ebenso gemäß § 10 amg unzulässig (dazu a.) wie die angabe „ohne zuckerzusatz“ (dazu b.). 63a. die angabe „ohne alkohol (ethanol)“ auf der äußeren umhüllung und dem etikett entspricht nicht den vorgaben des § 10 amg. 64sie ist - was zwischen den beteiligten unstreitig ist - keine arzneimittelrechtliche pflichtangabe im sinne von § 10 abs. 1 nr. 8 oder § 10 abs. 2 amg. warnhinweise im sinne der letztgenannten vorschrift forderte die bei erlass des widerspruchsbescheids geltende arzneimittelwarnhinweisverordnung (vom 21. dezember 1984 in der vom 29. september 1990 bis zum 31. mai 2022 geltenden fassung) erst ab 0,05 g ethanol in der maximalen einzelgabe nach der dosierungsanleitung (§ 1 abs. 1 satz 1 nr. 1a, § 2 abs. 1 nr. 1). hier beträgt der gehalt aber lediglich 2,16 mg in der maximalen einzeldosis von 2,3 ml hustentropfen, also rund 0,002 g. zudem geht es nicht um einen hinweis auf ethanol, sondern auf das fehlen des stoffes. 65entgegen der auffassung der klägerin ist die angabe „ohne alkohol (ethanol)“ auch nicht als weitere angabe nach § 10 abs. 1 satz 5 amg zulässig. 66gemäß § 10 abs. 1 satz 5 amg sind weitere angaben, die - wie hier - nicht durch eine verordnung der europäischen gemeinschaft oder der europäischen union vorgeschrieben oder bereits nach einer solchen verordnung zulässig sind, zulässig, soweit sie mit der anwendung des arzneimittels im zusammenhang stehen, für die gesundheitliche aufklärung der patienten wichtig sind und den angaben nach § 11a amg nicht widersprechen. 67diese voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. 68vgl. ovg nrw, beschluss vom 14. januar 2016 - 13 a 2552/13 -, juris rn. 26; kloesel/cyran, arzneimittelrecht, 131. lief. 2016, § 10 anm. 74. 69wegen des zusammenhangs mit der anwendung des arzneimittels sind nur solche informationen wichtig für die gesundheitliche aufklärung der patienten, die eine gebrauchssichernde funktion haben. 70vgl. ovg nrw, beschluss vom 5. august 2013 ‑ 13 a 2862/12 -, juris rn. 5; pannenbecker, in: kügel/müller/hofmann, arzneimittelgesetz, 3. auflage 2022, § 10 rn. 48; zimmermann, in: fuhrmann/klein/fleischfresser, arzneimittelrecht, 3. auflage 2020, § 28 rn. 37. 71mit der restriktiven zulassung weiterer angaben soll verhindert werden, dass die patienten von den pflichtinformationen abgelenkt werden, mit denen die ordnungsgemäße anwendung des arzneimittels erreicht werden soll. 72vgl. bverwg, urteil vom 23. april 2020 - 3 c 22.18 -, a. a. o., juris rn. 13, sowie vorlagebeschluss vom 8. november 2018 - 3 c 2.17 -, juris rn. 22; ovg nrw, beschlüsse vom 26. oktober 2015 - 13 a 2598/14 -, a&r 2015, 277 = juris rn. 17, und vom 14. januar 2016 - 13 a 2552/13 -, juris rn. 37; bgh, urteil vom 13. dezember 2012 - i zr 161/11 -, pharmr 2013, 491 = juris rn. 15. 73die kennzeichnung des behältnisses und der äußeren umhüllung bestimmt die identität des arzneimittels nach seiner stofflichen zusammensetzung und herkunft. zu deklarationsangaben zur stofflichen zusammensetzung treten angaben hinzu, die grundlegende informationen für die anwendung des arzneimittels liefern. 74vgl. fuhrmann, in: fuhrmann/klein/fleischfresser, a. a. o., § 8 rn. 9; kloesel/cyran, a. a. o., § 10 anm. 1. 75die anforderungen an zulässige ergänzende angaben sind daher streng. 76vgl. olg münchen, beschluss vom 9. april 2020 - 29 u 5126/19 -, pharmr 2020, 406 = juris rn. 3; olg frankfurt, urteil vom 24. mai 2018 - 6 u 46/17 -, a&r 2018, 185 = juris rn. 21. 77für die gesundheitliche aufklärung wichtig im sinne des § 10 abs. 1 satz 5 amg sind allerdings nicht nur informationen, die unverzichtbar sind. denn informationen, die für eine sichere anwendung des arzneimittels erforderlich sind, gehören bereits zu den pflichtangaben. ausreichend ist vielmehr, dass die angaben zur sachgerechten anwendung des arzneimittels förderlich sind und ihnen damit eine gebrauchssichernde funktion zukommt. dies wird umso eher anzunehmen sein, je dichter der zusammenhang der freiwilligen angabe zu den gesetzlich angeordneten pflichtinformationen ist. grundsätzlich zulässig sind daher erläuterungen zu den wirkungszusammenhängen sowie anwendungshinweise zur herbeiführung des gewünschten behandlungserfolgs. 78vgl. bverwg, vorlagebeschluss vom 8. november 2018 - 3 c 2.17 -, juris rn. 22 f. 79bei der bestimmung der anforderungen an die zulässigkeit weiterer angaben ist art. 62 richtlinie 2001/83/eg zu berücksichtigen. § 10 abs. 1 satz 5 amg dient der umsetzung dieser bestimmung und ist deshalb richtlinienkonform auszulegen. 80vgl. ovg nrw, beschlüsse vom 5. august 2013 - 13 a 2862/12 -, pharmr 2013, 463 = juris rn. 5, und vom 14. januar 2016 - 13 a 2552/13 -, juris rn. 13, 20. 81nach art. 60 richtlinie 2001/83/eg vom 6. november 2001 (abl. l 311 vom 28. november 2001, s. 67) dürfen die mitgliedstaaten das inverkehrbringen von arzneimitteln in ihrem hoheitsgebiet nicht aus gründen, die mit der etikettierung oder der packungsbeilage zusammenhängen, untersagen oder verhindern, sofern diese mit den vorschriften dieses titels übereinstimmen. nach art. 62 richtlinie 2001/83/eg in der fassung der richtlinie 2004/27/eg vom 31. märz 2004 (abl. l 136 vom 30. april 2004, s. 34) können die äußere umhüllung und die packungsbeilage zur veranschaulichung einiger der in den artikeln 54 und 59 absatz 1 genannten informationen zeichen oder piktogramme sowie weitere mit der zusammenfassung der merkmale des erzeugnisses zu vereinbarende informationen enthalten, die für den patienten wichtig sind; nicht zulässig sind angaben, die werbecharakter haben können. 82die letztgenannte vorschrift verlangt keine unionsrechtskonforme auslegung des § 10 abs. 1 satz 5 amg dahingehend, dass aus gründen des unionsrechts weniger strenge anforderungen an weitere hinweise bei der kennzeichnung von arzneimitteln als die vorstehend beschriebenen zu stellen sind. 83offen gelassen von ovg nrw, beschluss vom 5. august 2013 - 13 a 2862/12, a. a. o., juris rn. 5. 84wichtig für den patienten im sinne von art. 62 richtlinie 2001/83/eg sind nur solche informationen, die einen bezug zur anwendung des konkreten arzneimittels durch den kranken und damit in erster linie eine gebrauchssichernde funktion haben. dass die informationen auch unionsrechtlich der gesundheitlichen aufklärung in bezug auf die anwendung des konkreten arzneimittels dienen müssen, folgt schon aus der verwendung des worts „patienten“ statt des begriffs „verbraucher“. ferner ergibt sich dieses verständnis aus sinn und zweck der kennzeichnungsbestimmungen, im interesse der gesundheitsvorsorge und arzneimittelsicherheit die patienten zu unterrichten, damit sie das arzneimittel auf der grundlage vollständiger und verständlicher informationen ordnungsgemäß anwenden können. 85vgl. ovg nrw, beschlüsse vom 5. august 2013 - 13 a 2862/12 -, a. a. o., juris rn. 5 ff., und vom 14. januar 2016 - 13 a 2552/13 -, juris rn. 21; bgh, urteil vom 13. dezember 2012 - i zr 161/11 -, a. a. o., juris rn. 10; kloesel/cyran, a. a. o., § 10 amg anm. 1; pannenbecker, in: kügel/müller/hofmann, a. a. o., § 10 rn. 3 und 47 ff.; kritisch rehmann, arzneimittelgesetz, 5. auflage 2020, § 10 rn. 3. 86diese zielrichtung lässt sich auch aus den erwägungsgründen der richtlinie 2001/83/eg in ihrer ursprünglichen fassung ableiten, deren erwägungsgrund 2 zunächst den allgemeinen gesetzeszweck des wirksamen schutzes der öffentlichen gesundheit betont. nach erwägungsgrund 40 müssen die bestimmungen über die unterrichtung der patienten ein hohes verbraucherschutzniveau gewährleisten, so dass die arzneimittel auf der grundlage vollständiger und verständlicher informationen ordnungsgemäß angewandt werden können. 87etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem umstand, dass der ursprüngliche wortlaut des art. 62 richtlinie 2001/83/eg, wonach die angaben „für die gesundheitliche aufklärung wichtig“ sein mussten, durch die richtlinie 2004/27/eg in „für den patienten wichtig“ geändert worden ist. dass damit eine sachliche änderung, insbesondere eine weitergehende zulassung von freiwilligen angaben gewollt war, lässt sich dem wortlaut nicht entnehmen. für den patienten ist das wichtig, was seiner gesundheitlichen aufklärung in bezug auf die anwendung des konkreten arzneimittels dient. aus den erwägungsgründen und sonstigen materialien ergibt sich ebenfalls nichts dafür, dass eine gebrauchssichernde funktion nicht mehr verlangt oder anderweitig die anforderungen an weitere angaben gelockert werden sollten. dem erwägungsgrund 16 des kommissionsentwurfs zur änderung der richtlinie 2001/83/eg (kom(2001) 404 endg., abl. c 75 e vom 26. märz 2002, s. 216) lässt sich zwar das anliegen der eu-kommission entnehmen, den informationsbedürfnissen und erwartungen von patienten nachzukommen, zugleich wird aber auch hier der zusammenhang mit der ordnungsgemäßen verwendung des arzneimittels betont und ist von strengen bedingungen die rede. in den verabschiedeten erwägungsgründen der richtlinie 2004/27/eg heißt es zudem lediglich, im zusammenhang mit der ordnungsgemäßen verwendung des arzneimittels sollten die rechtsvorschriften über die verpackung auf der grundlage der gewonnenen erfahrungen angepasst werden (erwägungsgrund 21). daraus lässt sich insgesamt nicht ableiten, dass in bezug auf weitere angaben nun großzügigere maßstäbe gelten sollten, zumal mit der richtlinie 2004/27/eg umfangreiche änderungen der art. 54 ff. richtlinie 2001/83/eg verabschiedet worden sind. 88von einer inhaltlichen änderung ist auch der nationale gesetzgeber offenbar nicht ausgegangen, der die änderung des art. 62 durch die richtlinie 2004/27/eg in § 10 abs. 1 amg dahingehend in nationales recht umgesetzt hat, dass aus der formulierung „für die gesundheitliche aufklärung wichtig“ im damaligen § 10 abs. 1 satz 3 amg „für die gesundheitliche aufklärung der patienten wichtig“ im neuen § 10 abs. 1 satz 4 amg wurde. 89§ 10 amg in der ab dem 6. september 2005 gültigen fassung des 14. gesetzes zur änderung des arzneimittelgesetzes vom 29. august 2005; dazu bt-drs. 15/5316, s. 7, 31 und 34; vgl. auch pannenbecker, in: kügel/müller/hofmann, a. a. o., § 10 rn. 47. 90die vorstehenden ausführungen zum verständnis des art. 62 richtlinie 2001/83/eg zugrunde gelegt, lässt sich schließlich entgegen der auffassung der klägerin ein gegenüber § 10 abs. 1 satz 5 amg weiteres verständnis der richtlinienvorgabe auch nicht daraus entnehmen, dass andere sprachfassungen des art. 62 richtlinie 2001/83/eg, etwa die englische und französische, formulieren, dass die informationen für den patienten „nützlich“ („useful“, „utiles“) sein müssen. 91den so verstandenen anforderungen an weitere angaben genügt die angabe „ohne alkohol (ethanol)“ auf der faltschachtel und dem etikett der hustentropfen nicht. 92diese information ist schon deshalb für den patienten weder wichtig noch nützlich, weil sie nicht zutrifft. denn es ist unstreitig noch eine geringe menge alkohol (ethanol) im endprodukt enthalten. in der mündlichen verhandlung vor dem verwaltungsgericht haben die beteiligten sich anhand einer berechnung des bfarm darauf verständigt, dass bei den hustentropfen maximal 2,16 mg ethanol in einer einzeldosis von 2,3 ml enthalten ist. ob dies, wie die klägerin im berufungsverfahren betont, nur wenige moleküle sind, kann dahinstehen. dass die menge gering ist und - wovon die beteiligten übereinstimmend ausgehen - keine gesundheitlichen auswirkungen hat, vermag nichts daran zu ändern, dass der hinweis pharmazeutisch nicht korrekt ist. 93darüber hinaus steht die angabe „ohne alkohol (ethanol)“ nicht mit der anwendung des arzneimittels im zusammenhang und hat keine bedeutung für die gesundheit des patienten. es fehlt die gebrauchssichernde funktion. 94so auch pannenbecker, in: kügel/müller/ hofmann, a. a. o., § 10 rn. 48. 95die anwendung der hustentropfen hängt nicht davon ab, dass ein bestimmter stoff in ihnen nicht bzw. nur in einer äußerst geringen, gesundheitlich unbedenklichen menge enthalten ist. ein nicht enthaltener stoff hat naturgemäß auch keine auswirkungen auf die gesundheit des patienten. für patienten und deren gesundheitliche aufklärung wichtig wäre nur die information, dass alkohol/ethanol in einer menge enthalten ist, die gesundheitliche auswirkungen haben bzw. etwa für kinder oder alkoholiker von bedeutung sein kann. gebrauchssichernd ist dementsprechend der in der arzneimittelwarnhinweisverordnung - in der im maßgeblichen zeitpunkt des erlasses des widerspruchsbescheids geltenden fassung mit gültigkeit bis zum 31. mai 2022 - auf der grundlage von § 10 abs. 2 amg vorgesehene warnhinweis auf alkohol ab 0,05 g pro maximaler einzeldosis. demgegenüber betrifft es grundsätzlich nicht die korrekte anwendung eines arzneimittels oder die aufklärung über bestehende risiken, dass ein bestimmter stoff darin nicht enthalten ist. 96anders als von der klägerin angenommen, ist für die gesundheitliche aufklärung der patienten im sinne des § 10 abs. 1 satz 5 amg auch nicht jeder hinweis wichtig, der die compliance erhöht, also den fehlgebrauch oder einen verzicht auf die notwendige einnahme des arzneimittels verhindert, und insoweit der gesundheitlichen aufklärung dienlich ist. 97so aber auch kloesel/cyran, a. a. o., § 10 anm. 74, § 11 anm. 82. 98die angabe muss vielmehr, wie ausgeführt, mit der konkreten anwendung des arzneimittels im zusammenhang stehen; für die anwendung ist aber die kenntnis über den fehlenden alkoholgehalt nicht erforderlich. ließe man jeden hinweis zu, der das einnahmeverhalten verbessern könnte, führte dies auch dazu, dass die aufmerksamkeit des patienten nicht hinreichend auf die pflichtangaben gerichtet wäre. ihnen kommt primär die aufgabe zu, eine korrekte, der dosierungsanleitung entsprechende einnahme zu sichern. 99aus diesem grund ist auch nicht ausreichend, dass es sich um eine nützliche information handeln mag, die für den anwender der hustentropfen von interesse ist. ein informationswunsch von verbrauchern ist nicht gleichzusetzen mit dem erfordernis, für die gesundheitliche aufklärung der patienten im zusammenhang mit der anwendung des arzneimittels wichtig zu sein. 100vgl. ovg nrw, beschluss vom 14. januar 2016 - 13 a 2552/13 -, juris rn. 36. 101der hinweis „ohne alkohol“ ist auch nicht aus dem von der klägerin angeführten grund für die gesundheitliche aufklärung wichtig, dass patienten bzw. mütter von patienten im kindesalter durch den pflichthinweis zu ethanol auf der verpackung verunsichert seien. ob tatsächlich in einem beachtlichen maße diese verunsicherung bei einem bloßen hinweis auf ein extraktionsmittel besteht, zumal bei einem arzneimittel, das für kinder ab einem jahr zugelassen ist, bedarf keiner aufklärung. es ist jedenfalls nicht davon auszugehen, dass die im von der klägerin geschilderten maße verunsicherten personen durch den hinweis „ohne alkohol“ aufgeklärt und damit zur (korrekten, der dosierungsanleitung entsprechenden) einnahme veranlasst würden. denn es bleibt für diesen durch den pflichthinweis zu ethanol verunsicherten personenkreis unklar und widersprüchlich, warum einerseits ethanol aufgeführt wird und andererseits kein alkohol enthalten sein soll. wie das verwaltungsgericht zutreffend angeführt hat, wird dies bestätigt durch die bei der klägerin nach ihren angaben eingegangenen rückfragen aus einer zeit, als das arzneimittel mit den hier streitgegenständlichen „ohne“-angaben im verkehr war. die verunsicherung könnte zur überzeugung des senats allenfalls durch eine erklärung der art beseitigt werden, dass ethanol ein auszugsmittel im herstellungsprozess ist, das endprodukt aber nur noch eine geringe restmenge enthält, die keine wahrnehmbaren oder jedenfalls keine gesundheitlichen auswirkungen hat. diese aufklärung vermag der bloße hinweis „ohne alkohol“ nicht zu leisten. die kritik der klägerin an der pflichtangabe zu ethanol als auszugsmittel ist im übrigen hier unbeachtlich, denn diese angabe ist nicht streitgegenständlich. 102aus der von den beteiligten angeführten excipients-guideline „excipients in the label and package leaflet of medicinal products for human use“ der eu-kommission ergibt sich nichts zur zulässigkeit oder unzulässigkeit des weiteren hinweises „ohne alkohol (ethanol)“. die auf art. 65 richtlinie 2001/83/eg gestützte leitlinie in der bei erlass des widerspruchsbescheids geltenden, bis zum 1. märz 2018 gültigen fassung aus juli 2003 (cpmp/463/00) nebst annex, 103abrufbar von: https://www.ema.europa.eu/en/annex-european-commission-guideline-excipients-labelling-package-leaflet-medicinal-products-human, 104sieht lediglich warnungen in bezug auf bestimmte stoffe, unter anderem auch ethanol, vor. sie war überdies in deutschland insoweit schon deshalb nicht rechtsverbindlich, als sich die verpflichtung zu warnungen bei rein national zugelassenen arzneimitteln bis zum 31. mai 2022 aus der arzneimittelwarnhinweisverordnung ergab. zu „ohne..“- oder „frei von…“-angaben verhält sich die leitlinie nicht, die auch bei der nennung der maßgeblichen rechtsgrundlagen in der einleitung (introduction, seite 1) art. 62 richtlinie 2001/83/eg nicht erwähnt. nur wenn stoffe wahrnehmbare auswirkungen haben und im annex gelistet sind, sind sie auf dem etikett zu deklarieren (seite 2 unten). zudem findet die guideline keine anwendung auf rückstände von stoffen, die aus dem herstellungsprozess resultieren oder als extraktionsmittel verwendet werden (seite 2 oben). 105die klägerin kann sich auch nicht mit erfolg darauf berufen, dass der annex der leitlinie bei anderen stoffen (etwa kalium oder natrium) unterhalb bestimmter schwellenwerte die angabe vorsieht, das arzneimittel sei „nahezu“ (englisch: „essentially“) kaliumfrei/natriumfrei. der auffassung der klägerin, das belege, dass bei nur geringen molekülmengen an ethanol ohne wahrnehmbare auswirkungen „frei von…“-informationen wichtig seien, folgt der senat nicht. denn eine angabe wie bei kalium oder natrium ist für ethanol gerade nicht vorgesehen. darüber hinaus sind die für die packungsbeilage vorgegebenen hinweise mit der hier streitgegenständlichen „ohne…“-angabe auf verpackung und etikett auch inhaltlich nicht vergleichbar. denn ihnen voranzustellen ist laut annex der guideline jeweils die aussage, das arzneimittel enthalte kalium/natrium in einer menge von weniger als … pro dosiereinheit. zudem macht es einen unterschied, ob ein arzneimittel als „nahezu“ frei von einem bestimmten stoff bezeichnet oder die formulierung „ohne“ verwendet wird. 106die neufassung der guideline „excipients in the labelling and package leaflet of medicinal products for human use“ aus märz 2022 (sante-2017-11668), 107https://health.ec.europa.eu/system/files/2018-03/guidelines_excipients_march2018_en_0.pdf, 108nebst annex vom 22. november 2019, revision 2 (stand 22. juli 2022, ema/chmp/302620/2017), 109https://www.ema.europa.eu/en/documents/scientific-guideline/annex-european-commission-guideline-excipients-labelling-package-leaflet-medicinal-products-human_en-1.pdf, 110ist zwar nach der änderung der arzneimittelwarnhinweisverordnung zum 1. juni 2022 und der nachfolgend erlassenen gemeinsamen bekanntmachung des bfarm und des paul-ehrlich-instituts über warnhinweise zu bestandteilen von arzneimitteln vom 31. mai 2022 verbindlich umzusetzen. 111vgl. dazu auch den referentenentwurf des bundesministeriums für gesundheit zu einer verordnung zur aufhebung der arzneimittel-warnhinweisverordnung und zur änderung der apothekenbetriebsordnung vom 2. juli 2021, s. 1, 5 und 7. 112die excipients-guideline in ihrer aktuellen fassung ist aber nach auffassung des senats wegen des hier maßgeblichen zeitpunkts der letzten behördenentscheidung schon nicht berücksichtigungsfähig. 113selbst wenn man aber mit der klägerin der auffassung wäre, sie könne herangezogen werden, weil es sich um wissen handele, das auch bereits im zeitpunkt der letzten behördlichen entscheidung vorgelegen habe, 114vgl. in diese richtung auch ovg nrw, urteil vom 28. oktober 2021 - 13 a 1376/17 -, pharmr 2022, 112 = juris rn. 27, 115führte dies zu keinem anderen ergebnis. zu freiwilligen angaben im sinne von art. 62 richtlinie 2001/83/eg verhält auch sie sich nicht, sondern sieht, wie die klägerin zu recht betont, weiterhin lediglich (warnende) pflichtangaben vor. bei ethanol ist im annex im bereich von 0 bis zu 15 mg/kg pro dosis der hinweis in der packungsbeilage vorgegeben, welche menge ethanol pro dosiereinheit enthalten ist. anschließend ist dies in vergleichbaren verzehrmengen (in ml) von bier oder wein anzugeben und schließlich der satz anzufügen: „die geringe alkoholmenge in diesem arzneimittel hat keine wahrnehmbaren auswirkungen“. für die zulässigkeit des streitgegenständlichen hinweises „ohne alkohol (ethanol)“ lässt sich daraus nichts ableiten. ferner gilt weiterhin, dass bei der verwendung von ethanol im herstellungsprozess (z. b. bei der beschichtung von tabletten) oder als extraktionsmittel, das verdampft wird, keine notwendigkeit besteht, ethanol in der packungsbeilage zu erwähnen (s. 2 sowie kommentar im annex zu ethanol). 116vgl. dazu auch die besonderheitenliste des bfarm, stand 1. juni 2022, zusatzinformationen. 117auch aus den änderungen im annex zu anderen stoffen ergeben sich keine anhaltspunkte dafür, dass die freiwillige angabe „ohne alkohol (ethanol)“ zulässig wäre. so ist für gluten aus weizenstärke nun die angabe in der packungsbeilage vorgesehen, das arzneimittel enthalte nur sehr geringe mengen gluten und es gelte als „glutenfrei“. daraus lässt sich nichts für die generelle zulässigkeit von „ohne..“-angaben, erst recht nicht für die zulässigkeit des „ohne alkohol (ethanol)“-hinweises auf der faltschachtel und dem etikett im streitfall ableiten. 118auch die weiter im verfahren von den beteiligten angeführten dokumente der europäischen arzneimittelagentur (ema) rechtfertigen keine andere betrachtung. sie sind rechtlich unverbindlich und darüber hinaus für den vorliegenden streitfall ganz überwiegend inhaltlich ohne aussagekraft. die empfehlungen der working group on quality review of documents (qrd) „recommendations on pack design and labelling for centrally authorised non-prescription human medicinal products“ (vom 10. märz 2011, ema/275297/2010) beziehen sich auf zentral durch die ema zugelassene arzneimittel. die fragen und antworten zu gluten („questions and answers on wheat starch containing gluten in the context of the revision of the guideline on excipients in the label and package leaflet of medicinal products for human use“, ema/chmp/704219/2013) betreffen schon einen nicht vergleichbaren stoff, zu dem inzwischen auch die excipients-guideline die oben wiedergegebene empfehlung enthält. die fragen und antworten zu ethanol („questions and answers on ethanol in the context of the revision of the guideline on excipients in the label and package leaflet of medicinal products for human use“ vom 23. januar 2014, cpmp/463/00), 119https://www.ema.europa.eu/en/documents/scientific-guideline/questions-answers-ethanol-context-revision-guideline-excipients-label-package-leaflet-medicinal_en.pdf, 120enthalten vorschläge für die überarbeitung des annexes der excipients-guideline, der aus den vorstehend angeführten gründen für die hier streitige frage unergiebig ist; zur zulässigkeit von hinweisen wie „ohne alkohol (ethanol)“ verhalten sie sich ebenfalls nicht. entsprechendes gilt für das dokument des chmp zum wissenschaftlichen hintergrund „information for the package leaflet regarding ethanol used as an excipient in medicinal products for human use“ (vom 20. september 2018, ema/chmp/43486/2018), 121https://www.ema.europa.eu/en/documents/scientific-guideline/information-package-leaflet-regarding-ethanol-used-excipient-medicinal-products-human-use_en.pdf. 122die arbeitsgruppe qrd hat sich zwar in der sitzung vom 2. märz 2016 (ema, minutes of the eighty-seventh meeting of the „working group on quality review of documents“, ema/189974/2016) dahingehend geäußert, dass hinweise wie gluten-/alkohol-/zuckerfrei als werbung eingestuft würden und von keinem zusätzlichen wert seien. diese einschätzung ist allerdings nicht nur unverbindlich, sondern zudem durch die überarbeitung der excipients-guideline überholt. 123ist die angabe danach schon aus diesen gründen gemäß § 10 abs. 1 satz 5 amg unzulässig, kommt es nicht darauf an, ob sie auch als werbeaussage im sinne von art. 62 richtlinie 2001/83/eg - in richtlinienkonformer anwendung des § 10 abs. 1 satz 5 amg - unzulässig ist. 124b. auch die angabe „ohne zuckerzusatz“ auf der faltschachtel und dem etikett ist arzneimittelrechtlich unzulässig. 125sie ist zwar - anders als der hinweis „ohne alkohol (ethanol)“ - zutreffend, da dem produkt im herstellungsverfahren unstreitig kein zucker zugesetzt wird. der senat geht auch nicht davon aus, dass die angabe den falschen eindruck vermittelt, die hustentropfen enthielten kaum oder keinen zucker. die information ist aber schon deshalb nicht für den patienten und dessen gesundheitliche aufklärung wichtig, weil sie nichts über den tatsächlichen zuckergehalt des produkts aussagt. die streitgegenständlichen hustentropfen enthalten natürlichen zucker aufgrund des wirkstoffs thymian. der umstand, dass im herstellungsverfahren kein zucker zugesetzt wurde, ist auch für die anwendung des arzneimittels nicht von bedeutung. er hat keine gebrauchssichernde funktion. 126selbst wenn man davon ausgeht, der zuckergehalt der hustentropfen sei so gering, dass er keine negativen gesundheitlichen effekte habe, führt dies zu keinem anderen ergebnis. auch hier gilt die obige erwägung zum hinweis „ohne alkohol (ethanol)“, dass ein nicht enthaltener stoff auch keine auswirkungen auf die gesundheit des patienten hat. 127nichts anderes ergibt sich aus dem von der klägerin angeführten gesichtspunkt der zahngesundheit, wobei schon zweifelhaft erscheint, dass dieser aspekt auch für hustentropfen in betracht kommt, die im unterschied zu hustensaft keine sirupartige konsistenz aufweisen. ob patienten oder ihre eltern bei hustentropfen davon ausgehen, dass diese zucker enthalten, kann dahinstehen. es ist für die frage der zulässigkeit des hinweises auf den fehlenden zuckerzusatz nicht relevant. die angabe eines beachtlichen zuckergehalts (und der daraus folgenden konsequenzen für die zahnpflege) stünde im zusammenhang mit der anwendung des arzneimittels und diente der aufklärung über dessen risiken. umgekehrt gilt dies hingegen nicht. enthält ein arzneimittel keinen zahnschädigenden zucker, ist hinsichtlich der zahnhygiene auch nichts zu beachten und der patient über kein risiko aufzuklären. dass der hinweis auf die zuckerfreiheit die compliance erhöhen mag, genügt ebenfalls aus den bereits zum ethanol ausgeführten gründen nicht den tatbestandlichen anforderungen des § 10 abs. 1 satz 5 amg. 128c. dem in der mündlichen verhandlung hilfsweise gestellten beweisantrag der klägerin, „beweis zu erheben über die frage, dass nach dem jeweils bestehenden medizinisch-wissenschaftlichen erkenntnisstand die angaben „ohne alkohol (ethanol)/ohne zuckerzusatz“ mit der anwendung des streitgegenständlichen produkts im zusammenhang stehen und für die gesundheitliche aufklärung der patienten wichtig sind und insbesondere keine medizinisch-pharmazeutisch fehlerhafte information vermitteln“, musste der senat nicht nachkommen. 129der beweisantrag ist bereits wegen mangelnder substantiierung unzulässig. unsubstantiierten beweisanträgen muss das gericht nicht nachgehen. die gebotene substantiierung besteht in der nennung eines bestimmten beweismittels und in der behauptung einer bestimmten tatsache. unsubstantiiert sind aber nicht nur beweisanträge, die das beweisthema nicht hinreichend konkretisieren, sondern auch beweisanträge, die dazu dienen sollen, unsubstantiierte behauptungen zu stützen, etwa solche, die erkennbar ohne jede tatsächliche grundlage erhoben worden sind. das substantiierungsgebot verlangt, dass die tatsache vom antragsteller mit einem gewissen maß an bestimmtheit als wahr und mit dem angegebenen beweismittel beweisbar behauptet wird. finden sich im gesamten prozessstoff keine tatsächlichen anhaltspunkte für die aufgestellte behauptung und gibt der antragsteller für eine von ihm angestellte vermutung nicht die geringste tatsächliche grundlage an, darf das gericht den schluss ziehen, die behauptung sei „aus der luft gegriffen“ oder „ins blaue hinein“ aufgestellt worden. in einem derartigen fall geht es dem antragsteller nur darum, ermitteln zu lassen, ob seine auf keine anhaltspunkte gestützte behauptung nicht vielleicht doch wahr ist. 130vgl. bverwg, beschlüsse vom 24. september 2012 - 5 b 30.12 -, juris rn. 9, vom 2. november 2007 - 7 bn 3.07 -, juris rn. 5, und vom 29. märz 1996 - 11 b 21.95 -, juris rn. 4. 131hier hat die klägerin mit der formulierung ihres beweisantrags entgegen § 244 abs. 3 satz 1 stpo in entsprechender anwendung schon kein bestimmtes beweismittel bezeichnet. es ist auch nicht ohne weiteres erkennbar, mit welchem beweismittel die von ihr mit dem beweisantrag aufgestellte behauptung verifiziert werden könnte. zwar dürfte es der klägerin um die einholung eines sachverständigengutachtens gehen und ist ferner die namentliche benennung eines sachverständigen nicht geboten. auch spricht einiges dafür, dass hinsichtlich des mit „insbesondere“ eingeleiteten teilaspekts der beweisfrage die einholung eines medizinischen und/oder pharmazeutischen sachverständigengutachtens begehrt wird. allerdings ist gänzlich unklar und von der klägerin auch nicht weiter in der mündlichen verhandlung thematisiert worden, welche weiteren aspekte sie mit der umfassender formulierten beweisfrage geklärt haben möchte und welche einrichtungen, institutionen oder wissenschaftler welcher fachrichtung insoweit über erkenntnisse verfügen könnten. 132ferner handelt es sich bei der tatsache, dass die angabe „ohne alkohol (ethanol)“ keine medizinisch-pharmazeutisch fehlerhafte information (zu dem streitgegenständlichen produkt) vermittelt, um eine unsubstantiierte, ohne tatsächliche anhaltspunkte aufgestellte behauptung. denn die beteiligten haben sich im erstinstanzlichen verfahren darauf verständigt, dass in einer maximalen einzeldosis von 2,3 ml hustentropfen maximal 2,16 mg ethanol enthalten sind, weshalb - wie oben ausgeführt - die angabe „ohne alkohol (ethanol)“ pharmazeutisch unzutreffend ist. die bloße behauptung, es handle sich lediglich um wenige moleküle an ethanol, bietet keine tatsächliche grundlage dafür, dass entgegen den erstinstanzlichen erklärungen die hustentropfen kein ethanol mehr enthalten. 133was die angabe „ohne zuckerzusatz“ angeht, ist die beweistatsache als erwiesen und damit nicht mehr beweisbedürftig anzusehen, § 244 abs. 3 satz 3 nr. 3 stpo analog. dass dieser hinweis inhaltlich zutrifft und damit keine medizinisch-pharmazeutisch fehlerhafte information vermittelt, steht nicht im streit und hat der senat auch angenommen. 134abgesehen davon ist der beweisantrag deshalb abzulehnen, weil er hinsichtlich des beweisthemas unzulässig ist. er ist nicht auf die ermittlung einer tatsache, sondern auf die beantwortung einer rechtsfrage gerichtet, die einer beweiserhebung nicht zugänglich, sondern durch das gericht zu beantworten ist (vgl. § 244 abs. 3 satz 1 und 2 stpo analog). 135vgl. bverfg, beschluss vom 18. februar 1988 ‑ 2 bvr 1324/87 -, bayvbl. 1988, 268 = juris rn. 14; ovg nrw, beschluss vom 23. september 2009 - 13 a 987/09 -, juris rn. 15; julius, in: gercke/ julius/ temming/zöller, strafprozessordnung, 6. auflage 2019, § 244 rn. 28 und 45. 136mit dem benannten beweisthema, ob die angaben „ohne alkohol (ethanol)/ohne zuckerzusatz“ mit der anwendung des streitgegenständlichen produkts im zusammenhang stehen und für die gesundheitliche aufklärung der patienten wichtig sind, werden exakt die in § 10 abs. 1 satz 5 amg genannten tatbestandsvoraussetzungen wiedergegeben. ob die angaben „ohne alkohol (ethanol)/ohne zuckerzusatz“ diese im streitfall erfüllen, ist nicht durch eine beweiserhebung zu ermitteln, sondern durch das gericht zu entscheiden. 1372. die auflagen f3. und f4., wonach in den texten für die packungsbeilage und die fachinformation die hinweise zum fehlenden alkohol/ethanol zu streichen sind, stellen sicher, dass die packungsbeilage den vorschriften des § 11 amg (§ 28 abs. 2 nr. 2 amg) und die fachinformation den vorschriften des § 11a amg entspricht (§ 28 abs. 2 nr. 2a amg). 138dass die auflage f3. in den texten für die packungsbeilage und die fachinformation die streichung des hinweises „…enthält keinen alkohol“ fordert, der wortlaut der eingereichten texte aber „enthalten kein alkohol (ethanol)“ in der gebrauchsinformation und „enthalten kein ethanol“ in der fachinformation lautet, ist unerheblich. dass die beklagte die streichung dieser texte fordert, lässt sich dem bescheid zweifelsfrei entnehmen. 139die beanstandeten hinweise, bei denen es sich nicht um pflichtangaben handelt, sind unzulässig. weitere angaben in der packungsbeilage (§ 11 abs. 1 satz 7 amg) und der fachinformation (§ 11a abs. 1 satz 6 amg) sind - soweit sie nicht (wie hier) durch eine verordnung der europäischen gemeinschaft oder der europäischen union vorgeschrieben oder bereits nach einer solchen verordnung zulässig sind - zulässig, soweit sie mit der anwendung des arzneimittels im zusammenhang stehen, für die gesundheitliche aufklärung der patienten wichtig sind und den angaben nach § 11a amg nicht widersprechen. 140die tatbestandlichen voraussetzungen entsprechen damit denen des § 10 abs. 1 satz 5 amg. zulässig sind nur gebrauchssichernde informationen. 141vgl. pannenbecker, in: kügel/müller/hofmann, a. a. o., § 11 rn. 52, § 11a rn. 21. 142bei der an die patienten gerichteten packungsbeilage ergibt sich dies auch daraus, dass ihr der zweck zukommt, eine sachgerechte anwendung des arzneimittels zu gewährleisten. sie soll dem patienten alle informationen geben, die für eine ordnungsgemäße anwendung des arzneimittels und die mit der anwendung verbundenen risiken von bedeutung sind. 143vgl. kloesel/cyran, a. a. o., § 11 anm. 1 und 82; fuhrmann, in: fuhrmann/klein/fleischfresser, a. a. o., § 8 rn. 9. 144in ähnlicher weise kommt der an das heilberuflich tätige fachpublikum adressierten fachinformation die funktion zu, den fachkreisen die für eine sichere anwendung des arzneimittels notwendigen wissenschaftlichen informationen zu geben. 145vgl. kloesel/cyran, a. a. o., § 11a anm. 2. 146die restriktive zulassung weiterer angaben soll auch bei der gebrauchs- und fachinformation verhindern, dass die verwender von den pflichtinformationen abgelenkt werden. dies gilt nicht nur für die packungsbeilage, sondern auch für die fachinformation. auch sie ist auf die anwendung des arzneimittels bezogen. zulässig sind etwa solche angaben, mit denen die wirkungsweise des arzneimittels nachvollzogen werden kann. angaben, die keinen zusammenhang mit dem therapeutischen einsatz des arzneimittels aufweisen, gehören hingegen nicht in die fachinformation. 147vgl. bverwg, urteil vom 23. april 2020 ‑ 3 c 22.18 -, a. a. o., juris rn. 13 ff. 148hiervon ausgehend sind die hinweise in der gebrauchs- und fachinformation nicht nach § 11 abs. 1 satz 7 amg und § 11a abs. 1 satz 6 amg als weitere angaben zulässig. es gelten die ausführungen zu § 10 abs. 1 satz 5 amg entsprechend, auf die bezug genommen wird (siehe ziff. ii.1.a). 149bei der fachinformation fällt zudem besonders ins gewicht, dass der hinweis, es sei kein ethanol enthalten, pharmazeutisch unzutreffend ist. denn für die entsprechend vorgebildeten fachkreise ist die information, es sei kein ethanol enthalten, für die gesundheitliche aufklärung der patienten nicht hilfreich, wenn gleichzeitig erkennbar ist, dass ethanol als auszugsmittel verwendet wurde. auch hier gilt, dass wichtig für die anwendung des arzneimittels nur die angabe sein kann, dass die im arzneimittel enthaltene restmenge an ethanol so gering ist, dass sie keine wahrnehmbaren und damit auch keine gesundheitlichen auswirkungen hat. 150sollte der hilfsbeweisantrag auch auf die beanstandeten angaben in der gebrauchs- und fachinformation zielen, gelten die obigen ausführungen hier entsprechend. 151iii. die angefochtenen auflagen sind auch frei von ermessensfehlern. nach § 28 abs. 2 nr. 1, 2 und 2a amg „kann“ das bfarm bei vorliegen der tatbestandsvoraussetzungen auflagen erteilen. 152ein entschließungsermessen kommt der behörde insoweit aber schon nicht zu. ist die auflage - wie hier - erforderlich, um die übereinstimmung der kennzeichnung, der packungsbeilage und der fachinformation mit den gesetzlichen vorgaben sicherzustellen, besteht die verpflichtung zur anordnung einer auflage. 153vgl. bverwg, urteil vom 23. april 2020 - 3 c 22.18 -, a. a. o., juris rn. 27 f., vorausgehend ausführlich dazu ovg nrw, urteil vom 7. november 2018 - 13 a 3140/17 -, juris rn. 64 ff. 154auf die feststellung einer konkreten gefährdung kommt es nicht an. ebenso wenig bedarf es einer verhältnismäßigkeitsprüfung, die etwa die wirtschaftlichen auswirkungen der maßnahme für den pharmazeutischen unternehmer in den blick nimmt. 155es ist deshalb auch nicht unter dem gesichtspunkt von art. 3 abs. 1 gg i. v. m. dem grundsatz der selbstbindung der verwaltung zu prüfen, ob das bfarm die streichung vergleichbarer hinweise auch gegenüber anderen pharmazeutischen unternehmen angeordnet hat bzw. dies beabsichtigt. ob auch eine verpflichtung der beklagten zur anordnung nachträglicher auflagen gem. § 28 abs. 1 satz 4 amg in altfällen besteht, die nicht aus anlass eines verlängerungsantrags oder im rahmen einer änderungsanzeige zur prüfung stehen, ist daher ebenfalls unerheblich. 156vgl. dazu auch bverwg, urteil vom 23. april 2020 - 3 c 22.18 -, a. a. o., juris rn. 30 f. 157davon abgesehen hat die beklagte im berufungsverfahren mitgeteilt, dass sie in zulassungs- oder verlängerungsverfahren oder bei änderungsanzeigen entsprechende „frei von“-hinweise im rahmen von anhörungen oder widerspruchsverfahren beanstande und dies von der pharmazeutischen industrie ganz überwiegend akzeptiert werde. für eine ungleichbehandlung ist damit auch nichts ersichtlich. 158die ausübung des auswahlermessens ist ebenfalls nicht zu beanstanden. es ist nicht ersichtlich, wie den verstößen gegen die vorgaben der §§ 10, 11 und 11a amg anders abgeholfen werden könnte als durch eine streichung der hinweise. ermessensfehler sind auch nicht erkennbar, soweit nach der auflage f3. der hinweis in den texten für die packungsbeilage und die fachinformation durch den hinweis „das ethanol des auszugsmittels wurde weitestgehend entfernt.“ ersetzt werden kann. die klägerin wird zur aufnahme dieses hinweises nicht verpflichtet („kann“). vielmehr ist er als bloßer formulierungsvorschlag zu verstehen, der dem anliegen der klägerin rechnung tragen soll, etwaigen fehlvorstellungen von patienten und fachpersonal infolge der pflichtangaben zum ethanol entgegenzuwirken. dies wird bestätigt durch die ausführungen im widerspruchsbescheid, wonach es sich um einen „textvorschlag“ handele, der im rahmen der weiteren angaben unterhalb der pflichtangaben „aufgeführt werden könnte“. 159die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 2 vwgo. 160die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit beruht auf § 167 vwgo i. v. m. §§ 708 nr. 10, 711 zpo. 161die revision ist zuzulassen, da die rechtssache im sinne von § 132 abs. 2 nr. 1 vwgo grundsätzliche bedeutung hat. die zulässigkeit von „ohne alkohol“- und „ohne zuckerzusatz“-hinweisen sowie vergleichbaren weiteren angaben, dabei vorgelagert insbesondere die frage nach dem verständnis des art. 62 richtlinie 2001/83/eg und ggf. einer unionsrechtskonformen erweiternden auslegung der §§ 10 abs. 1 satz 5, 11 abs. 1 satz 7, 11a abs. 1 satz 6 amg, ist in der höchstrichterlichen rechtsprechung bisher nicht geklärt und voraussichtlich für eine vielzahl von fällen von bedeutung.
346,892
{ "id": 730, "jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit", "level_of_appeal": "Amtsgericht", "name": "Amtsgericht Siegburg", "state": 12 }
123 C 60/21
2022-08-29T00:00:00
Urteil
Tenor Die Beklagten werden verurteilt, der Erhöhung der Nettomiete für die in der Moselstraße X, 2. Obergeschoss, 53842 Troisdorf belegene Wohnung von bisher monatlich 560,00 € netto zzgl. Nebenkostenvorauszahlung auf nunmehr monatlich 622,50 € netto zzgl. Nebenkostenvorauszahlung mit Wirkung ab dem 01.03.2021 zuzustimmen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger als Gesamtschuldner 25% und die Beklagten als Gesamtschuldner 75%. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung der jeweils anderen Partei wegen der Kosten abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages, wenn nicht diese vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 1Tatbestand: 2Die Kläger sind Vermieter, die Beklagten sind Mieter der im Tenor näher bezeichneten Wohnung. Gem. § 4 Nr. 1 des Mietvertrages zahlen die Beklagten seit Beginn des Mietverhältnisses zum 01.06.2007 eine monatliche Nettokaltmiete von 560,00 EUR pro Monat. Bei der Wohnung handelt es sich um eine Maisonette-Dachgeschosswohnung. Mit Schreiben vom 30.12.2020 forderten die Kläger die Beklagten zur Zustimmung und zur Zahlung einer erhöhten Nettokaltmiete von 644,00 EUR mit Wirkung ab dem 01.03.2021 auf. Zur Ortsüblichkeit der begehrten Miete bezogen sich die Kläger im Mieterhöhungsverlangen auf drei in ihrem Eigentum stehende Vergleichswohnungen: 31) Troisdorf, Moselstraße X, 1. Obergeschoss rechts, 77,00 m2, Miete 8,57 EUR pro m2 = monatlich 660,00 EUR. 42) Troisdorf, Moselstraße Y, 1. Obergeschoss rechts, 85,00 m2, Miete 8,47 EUR pro m2 = monatlich 720,00 EUR. 53) Troisdorf, Moselstraße Z, 1. Obergeschoss, 78,00 m2, Miete 8,72 EUR pro m2 = monatlich 680,00 EUR. 6Die Beklagten widersprachen der Erhöhung mit Schreiben vom 26.2.2021. 7Die Kläger beantragen, 8die Beklagten zu verurteilen, der Erhöhung der Nettomiete für die in der Moselstraße X, 2. Obergeschoss, 53842 Troisdorf belegene Wohnung von bisher monatlich 560,00 EUR netto zzgl. Nebenkostenvorauszahlung auf nunmehr monatlich 644,00 EUR netto zzgl. Nebenkostenvorauszahlung mit Wirkung ab dem 01.03.2021 zuzustimmen. 9Die Beklagten beantragen, 10 die Klage abzuweisen. 11Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlich Sachverständigengutachtens des Sachverständigen C, welches dieser in der Sitzung vom 8.8.2022 mündlich erläutert hat. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 21.3.2022 (Blatt 160ff. der Akten) sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 8.8.2022 (Blatt 329ff. der Akten) verwiesen. Auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst eingereichter Unterlagen wird ergänzend Bezug genommen. 12Entscheidungsgründe: 13Das formell ordnungsgemäße Mieterhöhungverlangen der Kläger ist überwiegend erfolgreich. Die ortsübliche Vergleichsmiete für die streitgegenständliche Wohnung beträgt 7,98€/qm netto kalt. Die Beklagten sind zur Zustimmung zur Mieterhöhung auf nunmehr 622,50 € monatlich netto-kalt ab dem 1.3.2021 verpflichtet. 14Die ortsübliche Vergleichsmiete wird gemäß § 558 Abs. 2 BGB gebildet aus den üblichen Entgelten, die in der Gemeinde oder einer vergleichbaren Gemeinde für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage einschließlich der energetischen Ausstattung und Beschaffenheit in den letzten sechs Jahren vereinbart worden ist. Diese hat der Sachverständige C in seinem Gutachten zutreffend mit 7,98 €/qm netto kalt ermittelt. 15Für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete hat der Sachverständige C zunächst 11 Vergleichswohnungen aus seinem Datenbestand herangezogen und vergleichend bewertet. Nach der Bewertung beträgt den Mittelwert der Nettokaltmieten dieser Wohnungen 8,59 €/qm netto kalt. Die vergleichende Bewertung der Wohnungen ist übersichtlich und gut nachvollziehbar. Wegen der Einzelheiten wird auf die entsprechenden Passagen des Gutachtens, Blatt 177-185 der Akten verwiesen. 16Anschließend hat der die streitgegenständliche Wohnung nach dem Troisdorfer Mietspiegel von 2021 bewertet und anhand des Mietspiegels eine durchschnittliche übliche Vergleichsmiete von 6,70€/qm netto kalt ermittelt. Nach dem Troisdorfer Mietspiegel 2021 (Seite 13) könne die tatsächlich für eine bestimmte Wohnung gezahlte Miete jedoch vom Durchschnitt abweichen. Für die ortsübliche Vergleichsmiete könne - gemäß Mietspiegel Troisdorf 2021 - also nicht ein bestimmter Wert angegeben werden, der dann genau einzuhalten wäre. Laut Troisdorfer Mietspiegel 2021 sei eine Mietwertspanne von rd. +/-15 % vom/zum Durchschnittswert ortsüblich. Für die zu bewertende Wohnung sei - lt. Mietspiegel - eine Mietwertspanne von5,66 E/qm - 7,71 E/qm ortsüblich. Der Mietwert der hier in Rede stehenden Wohnung bewege sich oberhalb des ermittelten Durchschnittswertes von 6,70 E/qm. Bei der Ermittlung der durchschnittlichen ortsüblichen Vergleichsmiete laut Mietspiegel unberücksichtigten, Merkmale (Maisonette-Wohnung (Haus in Haus), zusätzlich Gäste-WC, Dachterrasse, Isolierverglasung, keine freiliegenden Versorgungs- und Entsorgungsleitungen, Kabelanschluss, Kacheln oder gleichwertige Versiegelung im Nassbereich, abschließbarer Fahrradabstellraum) sei vorliegend ein Zuschlag von rund 10 % zum Durchschnitts-Mietwert angemessen/sachgerecht. Laut Mietspiegel 2021 ergebe sich für die Wohnung eine Vergleichsmiete von 7,36 €/qm netto kalt. 17Die festgestellte ortsübliche Vergleichsmiete von 7,98€/qm netto kalt ergebe sich aus dem arithmetischen Mittel der anhand der Vergleichswohnungen und des Mietspiegels ermittelten Werte. 18Den Einwand der Beklagten, dass die vom Sachverständigen erhöhend angeführten Merkmale nach dem Mietspiegel 2021 der Stadt Troisdorf erhoben und ausgewertet worden seien, jedoch keinen plausiblen oder keinen signifikanten Einfluss auf das Mietniveau aufgewiesen hätten, hat der Sachverständige in seinen Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung vom 8.8.2021 nachvollziehbar ausgeräumt. 19Der Troisdorfer Mietspiegel gebe – jedenfalls für die streitgegenständliche Wohnungsgröße – die ortsübliche Vergleichsmiete nicht zutreffend wieder. Die Berücksichtigung von Faktoren, wie etwa Gäste WC oder Dachterrasse bereits im Mittelwert sei nicht plausibel. Auffallend sei, dass die Vergleichsmiete im Mietspiegel für 2021 unter den Werten des Mietspiegels von 2014 liege. Gerade im städtischen Bereich müsse eigentlich mit einer Preissteigerung von mindestens 10% zu rechnen sein. Die Datenerhebung im Troisdorfer Mietspiegel dürfte nicht korrekt sein. Über die Ursachen könne er nur spekulieren. Möglich sein könnte, dass auf Daten von Wohngeldbeziehern überproportional zurückgegriffen worden sei. Wenn man hier die wohnwertbestimmenden Merkmale vergleichsweise in den Bonner Mietspiegel einordne, so ergäbe sich durch den Bonner Mietspiegel ein Zuschlag von 1,21 €. Das sei auch nachvollziehbar. Völlig unplausibel sei, dass bei einer Wohnung mit Ofenheizung kein Abschlag zu machen sei. Wohnungen wie die vorliegende mit Dachterrasse und Gäste WC ließen sich deutlich besser vermieten als Wohnungen ohne. Gerade für diese beiden Faktoren, seien Zuschläge zwingend. Die angeführten 11 Vergleichswohnungen, wiesen alle eine deutlich höhere Miete auf. Wohnungen, wie die von den Beklagten bewohnte für 6 oder 7 € pro Quadratmeter konnte er in Troisdorf gar nicht finden. 20Diese Ausführungen überzeugen das Gericht vollumfänglich. Die nicht vorhandenen oder nur minimalen Preissteigerungen im Vergleich der Troisdorfer Mietspiegel von 2014 und 2021 für die streitgegenständliche Wohnungsgröße sind angesichts der gerichtsbekannten Preissteigerungen auf dem Wohnungsmarkt, insbesondere im städtischen Bereich in den letzten 8 Jahren unverständlich und unrealistisch. Die vom Sachverständigen dargestellten Mieten der 11 Vergleichswohnungen sind hingegen nachvollziehbar und realistisch. Das Gericht geht daher davon aus, dass die von dem Sachverständigen im Gutachten ermittelte ortsübliche Vergleichsmiete von 7,98€/qm eher zugunsten der Beklagten von der tatsächlichen ortsüblichen Vergleichsmiete abweicht. Eine durch den Mietspiegel der Stadt Troisdorf von 2021 begründete Vermutung (§558 d Abs. 3 BGB) ist für die streitgegenständliche Wohnung jedenfalls widerlegt. 21Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO, die Nebenbestimmungen aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. 22Der Streitwert wird auf 1.008,00 EUR festgesetzt. 23Rechtsbehelfsbelehrung: 24Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist, 251. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder 262. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist. 27Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils bei dem Landgericht Bonn, Wilhelmstr. 21, 53111 Bonn, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten. 28Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils gegenüber dem Landgericht Bonn zu begründen. 29Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Bonn durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein. 30Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
die beklagten werden verurteilt, der erhöhung der nettomiete für die in der moselstraße x, 2. obergeschoss, 53842 troisdorf belegene wohnung von bisher monatlich 560,00 € netto zzgl. nebenkostenvorauszahlung auf nunmehr monatlich 622,50 € netto zzgl. nebenkostenvorauszahlung mit wirkung ab dem 01.03.2021 zuzustimmen. im übrigen wird die klage abgewiesen. von den kosten des rechtsstreits tragen die kläger als gesamtschuldner 25% und die beklagten als gesamtschuldner 75%. dieses urteil ist vorläufig vollstreckbar. die parteien dürfen die vollstreckung der jeweils anderen partei wegen der kosten abwenden durch sicherheitsleistung in höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden betrages, wenn nicht diese vor der vollstreckung sicherheit in gleicher höhe leistet. 1
2die kläger sind vermieter, die beklagten sind mieter der im tenor näher bezeichneten wohnung. gem. § 4 nr. 1 des mietvertrages zahlen die beklagten seit beginn des mietverhältnisses zum 01.06.2007 eine monatliche nettokaltmiete von 560,00 eur pro monat. bei der wohnung handelt es sich um eine maisonette-dachgeschosswohnung. mit schreiben vom 30.12.2020 forderten die kläger die beklagten zur zustimmung und zur zahlung einer erhöhten nettokaltmiete von 644,00 eur mit wirkung ab dem 01.03.2021 auf. zur ortsüblichkeit der begehrten miete bezogen sich die kläger im mieterhöhungsverlangen auf drei in ihrem eigentum stehende vergleichswohnungen: 31) troisdorf, moselstraße x, 1. obergeschoss rechts, 77,00 m2, miete 8,57 eur pro m2 = monatlich 660,00 eur. 42) troisdorf, moselstraße y, 1. obergeschoss rechts, 85,00 m2, miete 8,47 eur pro m2 = monatlich 720,00 eur. 53) troisdorf, moselstraße z, 1. obergeschoss, 78,00 m2, miete 8,72 eur pro m2 = monatlich 680,00 eur. 6die beklagten widersprachen der erhöhung mit schreiben vom 26.2.2021. 7die kläger beantragen, 8die beklagten zu verurteilen, der erhöhung der nettomiete für die in der moselstraße x, 2. obergeschoss, 53842 troisdorf belegene wohnung von bisher monatlich 560,00 eur netto zzgl. nebenkostenvorauszahlung auf nunmehr monatlich 644,00 eur netto zzgl. nebenkostenvorauszahlung mit wirkung ab dem 01.03.2021 zuzustimmen. 9die beklagten beantragen, 10 die klage abzuweisen. 11das gericht hat beweis erhoben durch einholung eines schriftlich sachverständigengutachtens des sachverständigen c, welches dieser in der sitzung vom 8.8.2022 mündlich erläutert hat. wegen des ergebnisses der beweisaufnahme wird auf das gutachten vom 21.3.2022 (blatt 160ff. der akten) sowie auf das sitzungsprotokoll vom 8.8.2022 (blatt 329ff. der akten) verwiesen. auf die zwischen den parteien gewechselten schriftsätze nebst eingereichter unterlagen wird ergänzend bezug genommen. 12
13das formell ordnungsgemäße mieterhöhungverlangen der kläger ist überwiegend erfolgreich. die ortsübliche vergleichsmiete für die streitgegenständliche wohnung beträgt 7,98€/qm netto kalt. die beklagten sind zur zustimmung zur mieterhöhung auf nunmehr 622,50 € monatlich netto-kalt ab dem 1.3.2021 verpflichtet. 14die ortsübliche vergleichsmiete wird gemäß § 558 abs. 2 bgb gebildet aus den üblichen entgelten, die in der gemeinde oder einer vergleichbaren gemeinde für wohnraum vergleichbarer art, größe, ausstattung, beschaffenheit und lage einschließlich der energetischen ausstattung und beschaffenheit in den letzten sechs jahren vereinbart worden ist. diese hat der sachverständige c in seinem gutachten zutreffend mit 7,98 €/qm netto kalt ermittelt. 15für die ermittlung der ortsüblichen vergleichsmiete hat der sachverständige c zunächst 11 vergleichswohnungen aus seinem datenbestand herangezogen und vergleichend bewertet. nach der bewertung beträgt den mittelwert der nettokaltmieten dieser wohnungen 8,59 €/qm netto kalt. die vergleichende bewertung der wohnungen ist übersichtlich und gut nachvollziehbar. wegen der einzelheiten wird auf die entsprechenden passagen des gutachtens, blatt 177-185 der akten verwiesen. 16anschließend hat der die streitgegenständliche wohnung nach dem troisdorfer mietspiegel von 2021 bewertet und anhand des mietspiegels eine durchschnittliche übliche vergleichsmiete von 6,70€/qm netto kalt ermittelt. nach dem troisdorfer mietspiegel 2021 (seite 13) könne die tatsächlich für eine bestimmte wohnung gezahlte miete jedoch vom durchschnitt abweichen. für die ortsübliche vergleichsmiete könne - gemäß mietspiegel troisdorf 2021 - also nicht ein bestimmter wert angegeben werden, der dann genau einzuhalten wäre. laut troisdorfer mietspiegel 2021 sei eine mietwertspanne von rd. +/-15 % vom/zum durchschnittswert ortsüblich. für die zu bewertende wohnung sei - lt. mietspiegel - eine mietwertspanne von5,66 e/qm - 7,71 e/qm ortsüblich. der mietwert der hier in rede stehenden wohnung bewege sich oberhalb des ermittelten durchschnittswertes von 6,70 e/qm. bei der ermittlung der durchschnittlichen ortsüblichen vergleichsmiete laut mietspiegel unberücksichtigten, merkmale (maisonette-wohnung (haus in haus), zusätzlich gäste-wc, dachterrasse, isolierverglasung, keine freiliegenden versorgungs- und entsorgungsleitungen, kabelanschluss, kacheln oder gleichwertige versiegelung im nassbereich, abschließbarer fahrradabstellraum) sei vorliegend ein zuschlag von rund 10 % zum durchschnitts-mietwert angemessen/sachgerecht. laut mietspiegel 2021 ergebe sich für die wohnung eine vergleichsmiete von 7,36 €/qm netto kalt. 17die festgestellte ortsübliche vergleichsmiete von 7,98€/qm netto kalt ergebe sich aus dem arithmetischen mittel der anhand der vergleichswohnungen und des mietspiegels ermittelten werte. 18den einwand der beklagten, dass die vom sachverständigen erhöhend angeführten merkmale nach dem mietspiegel 2021 der stadt troisdorf erhoben und ausgewertet worden seien, jedoch keinen plausiblen oder keinen signifikanten einfluss auf das mietniveau aufgewiesen hätten, hat der sachverständige in seinen erläuterungen in der mündlichen verhandlung vom 8.8.2021 nachvollziehbar ausgeräumt. 19der troisdorfer mietspiegel gebe – jedenfalls für die streitgegenständliche wohnungsgröße – die ortsübliche vergleichsmiete nicht zutreffend wieder. die berücksichtigung von faktoren, wie etwa gäste wc oder dachterrasse bereits im mittelwert sei nicht plausibel. auffallend sei, dass die vergleichsmiete im mietspiegel für 2021 unter den werten des mietspiegels von 2014 liege. gerade im städtischen bereich müsse eigentlich mit einer preissteigerung von mindestens 10% zu rechnen sein. die datenerhebung im troisdorfer mietspiegel dürfte nicht korrekt sein. über die ursachen könne er nur spekulieren. möglich sein könnte, dass auf daten von wohngeldbeziehern überproportional zurückgegriffen worden sei. wenn man hier die wohnwertbestimmenden merkmale vergleichsweise in den bonner mietspiegel einordne, so ergäbe sich durch den bonner mietspiegel ein zuschlag von 1,21 €. das sei auch nachvollziehbar. völlig unplausibel sei, dass bei einer wohnung mit ofenheizung kein abschlag zu machen sei. wohnungen wie die vorliegende mit dachterrasse und gäste wc ließen sich deutlich besser vermieten als wohnungen ohne. gerade für diese beiden faktoren, seien zuschläge zwingend. die angeführten 11 vergleichswohnungen, wiesen alle eine deutlich höhere miete auf. wohnungen, wie die von den beklagten bewohnte für 6 oder 7 € pro quadratmeter konnte er in troisdorf gar nicht finden. 20diese ausführungen überzeugen das gericht vollumfänglich. die nicht vorhandenen oder nur minimalen preissteigerungen im vergleich der troisdorfer mietspiegel von 2014 und 2021 für die streitgegenständliche wohnungsgröße sind angesichts der gerichtsbekannten preissteigerungen auf dem wohnungsmarkt, insbesondere im städtischen bereich in den letzten 8 jahren unverständlich und unrealistisch. die vom sachverständigen dargestellten mieten der 11 vergleichswohnungen sind hingegen nachvollziehbar und realistisch. das gericht geht daher davon aus, dass die von dem sachverständigen im gutachten ermittelte ortsübliche vergleichsmiete von 7,98€/qm eher zugunsten der beklagten von der tatsächlichen ortsüblichen vergleichsmiete abweicht. eine durch den mietspiegel der stadt troisdorf von 2021 begründete vermutung (§558 d abs. 3 bgb) ist für die streitgegenständliche wohnung jedenfalls widerlegt. 21die kostenentscheidung folgt aus § 92 zpo, die nebenbestimmungen aus §§ 708 nr. 11, 711 zpo. 22der streitwert wird auf 1.008,00 eur festgesetzt. 23rechtsbehelfsbelehrung: 24gegen dieses urteil ist das rechtsmittel der berufung für jeden zulässig, der durch dieses urteil in seinen rechten benachteiligt ist, 251. wenn der wert des beschwerdegegenstandes 600,00 eur übersteigt oder 262. wenn die berufung in dem urteil durch das amtsgericht zugelassen worden ist. 27die berufung muss innerhalb einer notfrist von einem monat nach zustellung dieses urteils bei dem landgericht bonn, wilhelmstr. 21, 53111 bonn, eingegangen sein. die berufungsschrift muss die bezeichnung des urteils, gegen das die berufung gerichtet wird, sowie die erklärung, dass gegen dieses urteil berufung eingelegt werde, enthalten. 28die berufung ist, sofern nicht bereits in der berufungsschrift erfolgt, binnen zwei monaten nach zustellung dieses urteils gegenüber dem landgericht bonn zu begründen. 29die parteien müssen sich vor dem landgericht bonn durch einen rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die berufungs- und die berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein. 30mit der berufungsschrift soll eine ausfertigung oder beglaubigte abschrift des angefochtenen urteils vorgelegt werden.
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10 D 254/20.NE
2022-08-23T00:00:00
Urteil
Tenor Der Bebauungsplan „Q. -N.-straße / T.-straße “ der Stadt N1. ist unwirksam. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 von Hundert des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Antragstellerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 von Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Revision wird nicht zugelassen. 1Tatbestand: 2Die Antragstellerin wendet sich gegen den Bebauungsplan „N.-straße / T.-straße – Q.“ der Stadt N1. (im Folgenden: Bebauungsplan). Sie ist seit Februar 2017 Eigentümerin der im Plangebiet gelegenen Grundstücke Gemarkung T1., Flur 37, Flurstücke 72 (N.-straße 81 und F.-straße 5) und 74 (F.-straße 1-3). 3Das Plangebiet ist nahezu identisch mit dem des 1970 in Kraft getretenen Bebauungsplans „N.-straße /F1.-straße – Q.“ (im Folgenden: Vorgängerbebauungsplan). 4Es ist nördlich der F1.-straße entlang der T.-straße und der I.-straße mit Doppelhäusern bebaut. In diesem Teilbereich befinden sich auch zwei ursprünglich als Schulgebäude genutzte Baudenkmäler. Südlich der F1.-straße stehen auf den großen Grundstücken der Antragstellerin drei achtgeschossige Wohngebäude. Östlich davon gibt es eine öffentliche Grünfläche mit Spielplatz. Daran schließen sich weiter östlich drei- und viergeschossige Wohnhäuser und entlang der N2.-straße eine Blockrandbebauung mit zwei- bis dreigeschossigen Gebäuden aus der Gründerzeit an. 5Das Aufstellungsverfahren nahm im Wesentlichen folgenden Verlauf: Der Planungsausschuss beschloss in seiner Sitzung am 20. September 2016 die Aufstellung des Bebauungsplans. 6Nach der frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden im Jahre 2016 gab es nach der Planbegründung Bestrebungen eines Investors für eine bauliche Nachverdichtung auf den Grundstücken der Antragstellerin. Es seien zwar mehrere Bebauungsvorschläge erörtert worden, doch habe letztlich „auf eine Nachverdichtung an dieser Stelle verzichtet werden“ sollen. 7Der Planentwurf mit der Begründung lag in der Zeit vom 26. März 2019 bis zum 28. Mai 2019 öffentlich aus. Die Antragstellerin gab hierzu keine Stellungnahme ab. Parallel dazu fand die Beteiligung der Behörden und der sonstigen Träger öffentlicher Belange statt. Der Rat beschloss den Bebauungsplan in seiner Sitzung am 10. Oktober 2019 als Satzung. Der Satzungsbeschluss wurde im Amtsblatt vom 15. November 2019 bekannt gemacht. 8Der Bebauungsplan setzt ein gegliedertes Allgemeines Wohngebiet (WA1 bis WA11) fest. Für die Grundstücke der Antragstellerin, die im WA8 liegen, bestimmt er eine Grundflächenzahl von 0,4, lässt maximal acht Vollgeschosse zu und setzt Baugrenzen jeweils entlang der Außenwände der drei vorhandenen achtgeschossigen Wohngebäude fest. 9Nach der Planbegründung sollen die Festsetzungen des Bebauungsplans an den Bestand angepasst und moderate bauliche Entwicklungsmöglichkeiten geschaffen werden. Die Nutzung des Schulgebäudes an der T.-straße sei bereits eingestellt worden. Der Vorgängerbebauungsplan habe dort eine große Fläche für eine Nutzung als Schule vorgesehen und keine Festsetzungen für die vorhandene Wohnbebauung getroffen. Diese Wohnbebauung solle nunmehr gesichert und fortentwickelt werden. Auch der Standort der Grundschule an der N2.-straße solle in absehbarer Zeit aufgegeben werden. Für diese Flächen, zu denen auch die der Turnhalle und des Bolzplatzes gehörten, schaffe der Bebauungsplan die planungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Entwicklung von Wohnbebauung. Südlich der F1.-straße solle im Wesentlichen der Bestand gesichert werden. Der Rat wolle mit dem Bebauungsplan Potenziale für eine Innenentwicklung nutzen, künftige Bebauung in einen bereits besiedelten Bereich lenken und damit eine moderate Nachverdichtung ermöglichen. 10Die Antragstellerin hat am 12. November 2020 den Normenkontrollantrag gestellt. 11Ihr Rechtsschutzbedürfnis stehe außer Frage, zumal der Vorgängerbebauungsplan unwirksam sei. Seine Festsetzungen zur zulässigen Höhe baulicher Anlagen seien unbestimmt, weil der jeweils untere Bezugspunkt für die Bestimmung der Bauhöhen nicht festgelegt sei. Zudem fehle der Beitrittsbeschluss des Rates zur Genehmigung des Vorgängerbebauungsplans durch die Landesbaubehörde S. 12Der Bebauungsplan sei wegen seiner fehlerhaften Ausfertigung unwirksam. Für die textliche Festsetzung Nr. 7 Abs. 5, die zudem unbestimmt sei, fehle eine Ermächtigungsgrundlage. § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB gestatte nur die Festsetzung von konkreten baulichen und sonstigen Vorkehrungen. Solche Vorkehrungen seien auf der Planurkunde nicht einmal ansatzweise genannt. Selbst bei einer Heranziehung der Planbegründung sei eine eindeutige Auslegung der Festsetzung, in der nur von Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen die Rede sei und die keine Beschränkung auf bauliche oder technische Maßnahmen enthalte, nicht möglich. 13Auch die textliche Festsetzung Nr. 7 Abs. 3 sei unbestimmt. Die zeichnerischen Festsetzungen sähen insoweit nur einen Bereich mit einer Lärmbelastung größer 60 dB(A) und einen solchen mit einer Lärmbelastung kleiner/gleich 60 dB(A) vor. Es sei unklar, ob der Bereich, in dem die Lärmbelastung größer 60 dB(A) sei, im Süden der zeichnerischen Eintragung nur bis zu der dort festgesetzten öffentlichen Verkehrsfläche reiche oder ob dazu auch das Plangebiet südlich dieser öffentlichen Verkehrsfläche gehöre. Die Planbetroffenen könnten auch nicht erkennen, welcher konkreten Lärmbelastung ihre jeweiligen Grundstücke ausgesetzt seien. Die entsprechenden Isophonlinien hätten entweder in der Planzeichnung selbst oder in einem Beiblatt zur Planurkunde eingezeichnet werden müssen, um eine parzellengenaue Abgrenzung der verschiedenen Lärmpegelbereiche kenntlich zu machen. 14Der Bebauungsplan beruhe zudem auf Abwägungsfehlern. Der Belang der Innenentwicklung sei bei der Abwägungsentscheidung nicht ausreichend berücksichtigt worden. In der Planbegründung sei der Belang der Innenentwicklung zwar unter Nr. 3.2 „Ziele der Planung“ behandelt worden, doch beschränkten sich sämtliche Maßnahmen der Nachverdichtung auf den Teilbereich nördlich der F1.‑straße. Im Vergleich zum Vorgängerbebauungsplan seien überdies die ehemals großzügig festgesetzten überbaubaren Grundstücksflächen durch eng um die vorhandenen Gebäude gezogene Baugrenzen so verkleinert worden, dass die Errichtung neuer Gebäude nur nach Beseitigung des bisherigen Baubestandes möglich sei. Auch die maximal zulässige Gebäudehöhe entspreche der Höhe der vorhandenen Bebauung, sodass im Ergebnis jede Nachverdichtung auf den Grundstücken südlich der F1.-straße unmöglich sei. Es sei auch nicht erkennbar, dass das Prinzip der Innenentwicklung zugunsten anderer, vom Rat als höherrangig eingestufter öffentlicher oder privater Belange zurückgestellt worden sei. Die Aussage, dass zusätzliche Baukörper in den Bereichen F1.-straße und N.-straße nicht geplant seien, lasse keinen Rückschluss auf eine hinter dieser Aussage stehende Abwägung erkennen. Der Rat gebe keine Begründung dafür, weshalb die innerhalb des Plangebiets gelegenen beträchtlichen innerstädtischen Freiflächen uneingeschränkt erhalten bleiben sollen. Ebenso wenig lasse sich eine solche Begründung aus den Aufstellungsvorgängen entnehmen. Im Aufstellungsverfahren sei nur untersucht worden, ob sich ein alternativer Standort für den veralteten Bolzplatz im Plangebiet finden lasse. Dies sei angesichts der Größe und Lage ihrer, der Antragstellerin, Grundstücke, die unmittelbar an eine rund 7.600 qm große öffentliche Grünfläche mit Spielplatz angrenzten, nicht nachvollziehbar, zumal die großen begrünten Freiflächen auf ihren Grundstücken im Privateigentum stünden. Im Verhältnis zur Größe ihrer Grundstücke seien die dafür gegebenen Nutzungsmöglichkeiten stark eingeschränkt. Dem Rat hätte sich aufdrängen müssen, diese Umstände unter den Aspekten des angespannten Wohnungsmarktes und der Innenentwicklung stärker in den Blick zu nehmen. Stattdessen sei er offenbar fälschlich davon ausgegangen, dem Aspekt der Innenentwicklung durch die Festsetzungen in dem Teilbereich zwischen der T.‑straße und der F1.-straße ausreichend Rechnung getragen zu haben. Auch eine unvollständige Abwägung sei fehlerhaft. 15Die Antragstellerin beantragt, 16den Bebauungsplan der Stadt N1. „N.-straße / T.‑straße – Q.“ für unwirksam zu erklären. 17Die Antragsgegnerin beantragt, 18den Antrag abzulehnen. 19Sie trägt vor, der Antragstellerin fehle bereits das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag. Die planungsrechtliche Situation würde sich auch bei einem Erfolg des Normenkontrollantrags nicht zu ihren Gunsten ändern, da dann der Vorgängerbebauungsplan mit nahezu identischen Festsetzungen wieder aufleben würde. Da der Rat mit dem Bebauungsplan deutlich gemacht habe, dass eine Erweiterung der Bebauungsmöglichkeiten im südlichen Plangebiet nicht in Betracht komme, sei nicht zu erwarten, dass er – sollte sich der Bebauungsplan als unwirksam erweisen – einen neuen Bebauungsplan aufstellen werde, dessen Festsetzungen für die Antragstellerin möglicherweise günstiger wären. 20Der Antrag sei auch unbegründet. Die Ausfertigung sein nicht wegen des in der Unterschriftenleiste auf der Planurkunde fehlenden Datums des Satzungsbeschlusses unwirksam. Die Einwände der Antragstellerin gegen die textlichen Festsetzungen Nr. 7 Abs. 3 und 5 seien unbegründet. Der Begriff „Schallschutzmaßnahmen“ umfasse denknotwendig bauliche Maßnahmen, die schädliche Umwelteinwirkungen abwehren sollten. Das „natürliche“ Schallschutzmaßnahmen gemeint sein könnten, sei auch angesichts der geringen Distanz zu den Verkehrsflächen fernliegend. 21Die Isophonlinie veranschauliche eindeutig die Bereiche mit Lärmbelastungen größer beziehungsweise kleiner/gleich 60 dB(A). Die Planbetroffenen könnten anhand der Planurkunde in Verbindung mit den in der schalltechnischen Untersuchung betrachteten Immissionsorten eindeutig die für ihre jeweiligen Grundstücke prognostizierten Lärmbelastungen ermitteln und erkennen, ob die Grundstücke in dem Bereich lägen, in dem gegebenenfalls Schallschutzmaßnahmen erforderlich seien. 22Die durch den Vorgängerbebauungsplan festgelegten Bebauungsmöglichkeiten im Südlichen Teil des Plangebiets blieben erhalten. Der Plangeber sei nicht verpflichtet, jedes einzelne Grundstück innerhalb eines Plangebiets für Maßnahmen der Innenentwicklung vorzusehen. Eine solche habe der Rat als Abwägungsdirektive sehr wohl im Blick gehabt. Er habe aber keine städtebaulich adäquate Möglichkeit gesehen, insbesondere auf den Grundstücken der Antragstellerin eine größere bauliche Ausnutzung zu ermöglichen, die auch der Unterbringung des ruhenden Verkehrs, dem Nachbarschutz sowie dem Schutz der Bäume und des Klimas Rechnung getragen hätte. Im Bewusstsein der planungsrechtlichen Situation sei der Rat davon ausgegangen, dass der fragliche Bereich bereits bebaut sei. Auch wenn die Freiflächen auf den Grundstücken der Antragstellerin auf den ersten Blick großzügig dimensioniert erschienen, kämen sie nur in eingeschränktem Umfang für eine potenzielle Erweiterung der Bebauung in Betracht. Vor den Außenwänden der drei achtgeschossigen Wohngebäude seien jeweils Abstandsflächen mit einer erheblichen Tiefe von Bebauung freizuhalten. Auch lägen die notwendigen Rettungswege und Aufstellflächen für die Feuerwehr innerhalb dieser Freiflächen. Eine bauliche Nachverdichtung auf den Grundstücken der Antragstellerin würde zudem den dort vorhandenen Hochhäusern die ihnen im Vorgängerbebauungsplan zugedachte Funktion als städtebauliche Dominante nehmen. 23Die Festschreibung der bestehenden städtebaulichen Situation auf den Grundstücken der Antragstellerin sei weder willkürlich noch unverhältnismäßig. Für die Sicherung des „status quo“ sprächen mehrere städtebaulich relevante öffentliche Belange. Der in der Abwägung zu berücksichtigende öffentliche Belang, sparsam und schonend mit Grund und Boden umzugehen, stehe mit dem Plankonzept nicht im Widerspruch. Es gebe keine Verpflichtung, bereits bebaute Flächen durch die Festsetzung weiterer Bebauungsmöglichkeiten weiter baulich zu verdichten. 24Im Rahmen der öffentlichen Auslegung des Planentwurfs habe die Antragstellerin keine Bedenken gegen die nun von ihr beanstandeten Festsetzungen des Bebauungsplans vorgetragen. Für den Rat sei mithin nicht erkennbar gewesen, dass der Wunsch der Antragstellerin, die Bebauung auf ihren Grundstücken wesentlich zu erweitern, in die Abwägung einzustellen gewesen wäre. Die Erwartung der Planbetroffenen, dass sich durch die Planung die planungsrechtlichen Bedingungen generell zu ihren Gunsten verbessern würden, sei nicht schutzwürdig und damit bei der Abwägung nicht zu beachten. 25Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Aufstellungsvorgänge (Beiakten Hefte 1 bis 9) Bezug genommen. 26Entscheidungsgründe: 27Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter. 28Der Antrag ist zulässig. 29Die Antragstellerin ist nach § 47 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. Die Antragsbefugnis wegen einer möglichen Eigentumsverletzung ist grundsätzlich zu bejahen, wenn sich – wie hier – der Eigentümer eines im Plangebiet gelegenen Grundstücks gegen eine Festsetzung des Bebauungsplans wendet, die unmittelbar sein Grundstück betrifft und damit Inhalt und Schranken seines Grundeigentums bestimmt. 30Ist die Antragsbefugnis des Antragstellers zu bejahen, hat er regelmäßig auch das erforderliche Rechtsschutzinteresse für den Normenkontrollantrag, es sei denn, dessen Ergebnis wäre für ihn wertlos, weil es seine Rechtsstellung nicht verbessern würde. 31Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. August 2020 – 4 CN 4.19 –, juris, Rn. 10 f. 32Für die Überprüfung eines Bebauungsplans kann es ein Rechtschutzinteresse auch dann geben, wenn – würde der Plan für unwirksam erklärt – ein älterer, für den Antragsteller ungünstigerer Bebauungsplan wieder aufleben würde, sofern nach den jeweiligen Fallumständen die Prognose gerechtfertigt ist, dass der Plangeber bei einem Erfolg des Normenkontrollantrags einen neuen Bebauungsplan aufstellen würde, der für den Antragsteller möglicherweise günstigere Regelungen enthielte. 33Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 23. September 1997 – 4 BN 17.97 –, und vom 14. März 2018 – 6 BN 3.17 –, juris, Rn. 24. 34Danach ist jedenfalls dann von einem Rechtsschutzinteresse eines Antragstellers auszugehen, wenn der Plangeber bei einem Erfolg des Normenkontrollantrags nach § 1 Abs. 3 BauGB objektiv-rechtlich zur Neuplanung verpflichtet wäre oder er hat erkennen lassen, dass er unabhängig davon einen neuen Bebauungsplan aufstellen würde, der für den Antragsteller möglicherweise günstigere Festsetzungen enthielte. Für die Annahme eines Rechtsschutzinteresses in der hier gegebenen Situation ist allein maßgeblich, ob überhaupt damit zu rechnen ist, dass ein neuer Bebauungsplan aufgestellt werden würde. Bejahendenfalls ist es angesichts des nunmehr geäußerten konkreten Interesses der Antragstellerin an einer baulichen Nachverdichtung ihrer Grundstücke und einer Berücksichtigung dieses Interesses bei einer künftigen Abwägung jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass ein solcher Bebauungsplan insoweit für sie günstiger sein könnte als die bisherigen Pläne. Danach ist von einem Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin, die dargelegt hat, dass auch der Vorgängerbebauungsplan unwirksam sei, auszugehen. 35Der Antrag ist auch begründet. 36Der Bebauungsplan ist nicht ordnungsgemäß ausgefertigt. Für das nordrhein-westfälische Landesrecht ist in der Rechtsprechung geklärt, dass es mangels ausdrücklicher normativer Vorgaben für die Ausfertigung von Bebauungsplänen ausreichend, aber auch erforderlich ist, wenn eine Originalurkunde geschaffen wird, auf welcher der (Ober-)Bürgermeister als Vorsitzender des Rates, des zuständigen Beschlussorgans der Gemeinde, zeitlich nach dem Ratsbeschluss und vor der Verkündung der Satzung schriftlich bestätigt, dass der Rat an einem näher bezeichneten Tag diesen Bebauungsplan als Satzung beschlossen habe. 37Vgl. OVG NRW, Urteil vom 8. März 2017 – 10 D 6/16.NE –, juris, Rn. 28. 38Das hier in dem Ausfertigungsvermerk fehlende Datum des Satzungsbeschlusses führt dazu, dass sich der Ausfertigung nicht mit der für die Wirksamkeit einer Rechtsnorm notwendigen Klarheit die Feststellung der Identität der zu verkündenden Fassung der Rechtsnorm mit der vom Normgeber beschlossenen Fassung entnehmen lässt. Das fehlende Datum mag unschädlich sein, wenn auf der Planurkunde an einer anderen Stelle das Datum des Satzungsbeschlusses vermerkt ist, 39vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. Januar 2006 – 7 D 8/04.NE –, juris, Rn. 77; Nds OVG, Urteil vom 11. Februar 2020 – 1 KN 183/17 –, juris, Rn. 31, 40doch gibt es hier einen solchen Vermerk an einer anderen Stelle auf der Planurkunde nicht. Soweit die Antragsgegnerin unter Hinweis auf die Ausführungen des Niedersächsischen OVG in dem zitierten Urteil geltend macht, dass der Bebauungsplan an dem betreffenden Tag nur Gegenstand eines einzigen Satzungsbeschlusses gewesen sei, sodass die Gefahr einer Verwechselung nicht bestehe, ändert dies an dem aufgezeigten Ausfertigungsmangel nichts. Die Ausfertigung auf der Planurkunde soll sicherstellen und dokumentieren, dass der Rat an einem bestimmten Tag diesen Bebauungsplan, das heißt einen mit dem Inhalt der Planurkunde identischen Bebauungsplan, beschlossen hat, und nicht etwa einen inhaltlich davon abweichenden Bebauungsplan. Dies hat der (Ober-)Bürgermeister mit seiner Unterschrift auf der Planurkunde zu bestätigen. 41Der Bebauungsplan hat keine weiteren Mängel. 42Formelle Fehler, die nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB beachtlich wären und zu seiner Unwirksamkeit führen würden, sind nicht ersichtlich. 43Der Bebauungsplan ist auch nach seiner Grundkonzeption im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB städtebaulich gerechtfertigt. Dem Bebauungsplan liegt ausweislich der im Tatbestand dargestellten Planbegründung eine von städtebaulich legitimen Zielen getragene positive Planungskonzeption zugrunde, weil der Rat beabsichtigt, insbesondere im nördlichen Teil des Plangebiets Wohnbebauung zur Schaffung von Wohnraum zu ermöglichen (§ 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB). 44Die erstmals in der mündlichen Verhandlung geäußerte Kritik der Antragstellerin an der textlichen Festsetzung Nr. 7 Abs. 5 ist unbegründet. Als Ermächtigungsgrundlage für diese Festsetzung kommt § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB in Betracht. Von den verschiedenen Festsetzungsmöglichkeiten, die die Vorschrift enthält, kann der Plangeber hier nur die Festsetzung von baulichen und sonstigen technischen Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes sowie zur Vermeidung oder Minderung solcher Einwirkungen gewollt haben. Der Einwand der Antragstellerin, der Rat habe keine konkreten baulichen oder sonstigen technischen Vorkehrungen festgesetzt, ist unbegründet. Dass der Rat – wie die Antragstellerin vorträgt – mit der Festsetzung auch Schallschutzmaßnahmen „natürlicher Art“ wie Anpflanzungen oder Begrünung von Dächern und Wänden gemeint haben könnte, die nicht von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt wären, liegt bei der gebotenen Auslegung dieser Festsetzung fern. Die textlichen Festsetzungen unter Nr. 7 betreffen alle das Schalldämmmaß von Außenbauteilen, sodass nicht zweifelhaft sein kann, dass der Rat auch mit der Festsetzung Nr. 7 Abs. 5, wonach für Terrassen, Balkone und Loggien unter bestimmten Voraussetzungen Schallschutzmaßnahmen zu treffen sind, nur bauliche oder technische Schallschutzmaßnahmen im Auge gehabt hat. Weitere Einzelheiten können gegebenenfalls in einem nachfolgenden Baugenehmigungsverfahren festgelegt werden. 45Vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Januar 2006 – 4 BN 55.05 –, juris, Rn. 8. 46Das von der Antragstellerin zur Begründung ihrer Auffassung herangezogene Urteil des Senats vom 20. März 2002 – 10a D 48/99.NE –, juris, Rn. 5, betraf einen anderen Fall. Der Senat hatte in dieser Entscheidung eine Festsetzung, nach der „durch geeignete bauliche Maßnahmen sicherzustellen (ist), dass die Ausbreitung des Lärms in südliche bis östliche Richtung vermieden wird“, für unbestimmt gehalten, weil vor allem unklar sei, was der Plangeber unter einer „Vermeidung der Ausbreitung von Lärm“ verstehe und der Normadressat nicht erkennen könne, in welchem Umfang er die „Ausbreitung von Lärm zu vermeiden“ habe. Einen verallgemeinerungsfähige Aussage, bei einer Festsetzung von Schallschutzmaßnahmen seien diese beispielhaft zu benennen, lässt sich der zitierten Entscheidung nicht entnehmen. 47Auch die textliche Festsetzung Nr. 7 Abs. 3 ist nicht – wie die Antragstellerin meint – unbestimmt, weil etwa unklar wäre, ob der in der Planurkunde dargestellte Bereich mit einer Lärmbelastung größer 60 dB(A) nur bis zu der als öffentliche Verkehrsfläche festgesetzten F1.-straße reicht oder ob auch das Plangebiet südlich davon dazu gehört. Das in diesem Zusammenhang von der Antragstellerin angesprochene Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 5. Dezember 2012 – 7 D 64/10.NE –, juris, Rn. 68 ff., betraf wiederum einen anderen Fall, in dem es um eine Festsetzung ging, in der Lärmpegelbereiche der Kategorien III, IV, V und VI angesprochen waren, die der Plangeber in der Planurkunde nicht hinreichend konkret bezeichnet hatte und deren jeweiliger Geltungsbereich auch unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse und des erkennbaren Willens des Plangebers nicht durch Auslegung ermittelt werden konnte. So liegt der Fall hier nicht. Die Planurkunde stellt zeichnerisch – ergänzt durch die Eintragung der jeweils prognostizierten Außenschallpegel – lediglich zwei Bereiche mit unterschiedlichen Lärmbelastungen dar, nämlich einen vollständig umgrenzten Bereich mit einem Außenschallpegel kleiner/gleich 60 dB(A) und einen sich jenseits dieser Umgrenzung in alle Richtungen ausdehnenden Bereich mit einem Außenschallpegel größer 60 dB (A) dar. Soweit die Antragstellerin meint, es sei unklar, ob der Bereich mit einem Außenschallpegel größer 60 dB (A) am nördlichen Rand der F1.-straße ende, überzeugt ihr dafür bemühtes Argument, wonach in Planurkunden die Flächen mit unterschiedlichen Festsetzungen durch die Begrenzungen festgesetzter öffentlicher Verkehrsflächen üblicherweise voneinander abgegrenzt würden, schon deshalb nicht, weil die den Bereich mit einem Außenschallpegel kleiner/gleich 60 dB(A) umschließende Isophonlinie einschließlich der Eintragungen der prognostizierten Außenschallpegel ungeachtet ihrer Bezeichnung in der Legende auf der Planurkunde keine planerischen Festsetzungen im eigentlichen Sinne sind. Die Einzeichnung und die Eintragungen machen nur – quasi informatorisch – das Ergebnis der im Aufstellungsverfahren eingeholten schalltechnischen Begutachtung auf der Planurkunde kenntlich. Auch wenn den planbetroffenen Grundstückseigentümern gleichwohl ein Interesse zuzugestehen sein mag, der Planurkunde die Lärmbelastung ihrer jeweiligen Grundstücke entnehmen zu können, weil diese Lärmbelastung sich auf die Vorgaben zur Bebauung der Grundstücke auswirken kann, ist dies hier ohne weiteres möglich. Bei verständiger Würdigung aller Umstände drängt es sich auf, dass mit der Einzeichnung und den zugehörigen Eintragungen die Lärmbelastung im gesamten Plangebiet dargestellt werden soll. Insoweit sprechen bei zwangloser Betrachtung nicht nur die Einzeichnung und die Eintragungen für sich, sondern fehlen auch jegliche Anhaltspunkte für die von der Antragstellerin für möglich gehaltenen anderen Sichtweise. Wäre es nämlich so, wie sie vorträgt, fehlten für die südlich der F1.-straße gelegenen Flächen jegliche Angaben zu deren Lärmbelastung, was der Rat, der an die Überschreitung eines Außenlärmpegels von 60 dB(A) im gesamten Plangebiet bestimmte Anforderungen gestellt hat, sicher nicht gewollt hat. 48Der Bebauungsplan beruht auch nicht auf beachtlichen Fehlern bei der nach § 1 Abs. 7 BauGB gebotenen Abwägung. 49Gemäß § 1 Abs. 7 BauGB sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Das Abwägungsgebot umfasst als Verfahrensnorm das Gebot zur Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials (§ 2 Abs. 3 BauGB) und stellt inhaltlich Anforderungen an den Abwägungsvorgang und an das Abwägungsergebnis. Es ist verletzt, wenn eine sachgerechte Abwägung überhaupt nicht stattfindet, wenn in die Abwägung Belange nicht eingestellt werden, die nach Lage der Dinge hätten eingestellt werden müssen, wenn die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens ist dem Abwägungserfordernis genügt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde im Widerstreit verschiedener Belange für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung des anderen Belangs entscheidet. 50Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. September 2015 – 10 D 82/13.NE –, juris, Rn. 30. 51Entgegen der Darstellung der Antragstellerin sind die jeweils festgesetzten überbaubaren Grundstücksflächen auf den ihr gehörenden Flächen im Bebauungsplan und im Vorgängerbebauungsplan im Wesentlichen identisch. Ihre Kritik, ehemals großzügig ausgestaltete überbaubare Grundstücksflächen seien durch eng um die vorhandenen Gebäude gezogene Baugrenzen verkleinert worden, ist unzutreffend. Der Bebauungsplan verhindert also nicht etwa eine bislang planungsrechtlich mögliche Nachverdichtung auf ihren Grundstücken, sondern er belässt es hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksflächen bei der gegebenen planungsrechtlichen Situation. 52Ohne Erfolg macht die Antragstellerin geltend, dass der Belang der Innenentwicklung im Rahmen der Abwägungsentscheidung nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Dass der Rat sämtliche Möglichkeiten zu einer Nachverdichtung auf den Teilbereich des Plangebiets nördlich der F1.-straße begrenzt hat, erklärt sich damit, dass er einen konkreten Planungsbedarf nur für den Bereich zwischen der T.-straße und der F1.-straße gesehen hat, weil dort die bisherige Nutzung größerer Flächen zu Schulzwecken aufgegeben worden ist beziehungsweise aufgegeben werden soll. Für den Bereich südlich der F1.-straße hat der Rat, wie sich aus der Planbegründung ergibt, keinen Anlass für eine Festsetzung zusätzlicher überbaubarer Grundstücksflächen gesehen und deshalb insoweit nur geringfügige Änderungen unter Berücksichtigung des vorhandenen Gebäudebestandes vorgenommen. Diese Entscheidung ist nicht zu beanstanden, zumal die Antragstellerin im Rahmen der öffentlichen Auslegung des Planentwurfs – drei Jahre nachdem sie erfolglos mit Überlegungen zu einer baulichen Entwicklung auf ihren Grundstücken an die Antragsgegnerin herangetreten war – keine Stellungnahme zu der insoweit unveränderten Planung mehr abgegeben und keine konkreten Planungsabsichten geäußert hat. 53Der Rat musste auch nicht, wie die Antragstellerin offenbar meint, anlässlich der Aufstellung des Bebauungsplans eine Nachverdichtung sämtlicher Flächen im Plangebiet konkret in Erwägung ziehen. 54Nach § 1 Abs. 5 Satz 3 BauGB soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen. § 1a Abs. 2 Satz 1 BauGB ergänzt hierzu mit Blick auf den Umweltschutz, dass mit Grund und Boden sparsam und schonend umgegangen werden soll; dabei sind zur Verringerung der zusätzlichen Inanspruchnahme von Flächen für bauliche Nutzungen die Möglichkeiten der Entwicklung der Gemeinde insbesondere durch Wiedernutzbarmachung von Flächen, Nachverdichtung und andere Maßnahmen zur Innenentwicklung zu nutzen sowie Bodenversiegelungen auf das notwendige Maß zu begrenzen. 55Die in § 1a Abs. 2 Satz 1 (und 2) BauGB genannten Belange setzen der Gemeinde im Rahmen der planerischen Abwägung keine strikten, unüberwindbaren Grenzen. Der Gesetzgeber hat diesen Belangen auch keinen generellen gesetzlichen Vorrang eingeräumt. Ob sich die genannten Belange im Einzelfall durchsetzen, hängt von dem Gewicht der ihnen gegenüberstehenden abwägungserheblichen öffentlichen beziehungsweise privaten Belange ab. Ein Zurückstellen der in § 1a Abs. 2 Sätze 1 und 2 BauGB genannten Belange bedarf einer Rechtfertigung, die dem Gewicht dieser vom Gesetzgeber herausgehobenen Belange Rechnung trägt. 56Vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Juni 2008 – 4 BN 8.08 –, juris, Rn. 4. 57Diese gesetzlichen Vorgaben zum sparsamen Umgang mit Grund und Boden zielen darauf ab, eine weitere Inanspruchnahme unbebauter Flächen im Außenbereich zu vermeiden. Daraus folgt jedoch nicht, dass die planende Gemeinde etwa gehalten wäre, in jedem Baugebiet die größtmögliche Nachverdichtung anzustreben oder die bislang zulässige Baudichte zu erhalten. 58Vgl. Nds OVG, Urteil vom 14. Mai 2019 – 1 KN 101/17 –, juris, Rn. 86. 59Es ist danach nicht zu beanstanden, dass der Rat, der ausweislich der Plangebegründung den vorhandenen Bestand im Plangebiet ermittelt und seiner Planung zugrunde gelegt hat, nur im nördlichen Teil des Plangebiets zusätzliche Bebauungsmöglichkeiten in Erwägung gezogen und letztlich festgesetzt hat. Ob die Ausführungen in der Antragserwiderung, wonach auf den Grundstücken der Antragstellerin nur in eingeschränktem Umfang Erweiterungsflächen vorhanden seien, tragfähig sind, bedarf vor diesem Hintergrund keine Vertiefung. 60Im Übrigen bestand für den Rat insbesondere wegen der bereits erheblichen baulichen Ausnutzung der Grundstücke der Antragstellerin mit drei jeweils achtgeschossigen Wohnhäusern, kein Anlass, dort die Festsetzung größerer Baufenster in Betracht zu ziehen. Er hat der Antragstellerin mit den Festsetzungen des Bebauungsplans auch keine Baurechte genommen, sondern sich insoweit an die Festsetzungen des Vorgängerbebauungsplans angelehnt und ihr damit die bisherigen Möglichkeiten zur wirtschaftlichen Ausnutzung ihrer Grundstücke belassen. Demgegenüber hat die Antragstellerin innerhalb der Frist des § 215 Abs. 1 BauGB und auch danach keine substanziellen Rügen erhoben, mit denen sie eine unangemessene Einschränkung ihrer Eigentumsrechte aufgezeigt hätte. 61Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. 62Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. 63Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
der bebauungsplan „q. -n.-straße / t.-straße “ der stadt n1. ist unwirksam. die antragsgegnerin trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist hinsichtlich der kosten vorläufig vollstreckbar. die antragsgegnerin darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 von hundert des auf grund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht die antragstellerin vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 von hundert des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. die revision wird nicht zugelassen. 1
2die antragstellerin wendet sich gegen den bebauungsplan „n.-straße / t.-straße – q.“ der stadt n1. (im folgenden: bebauungsplan). sie ist seit februar 2017 eigentümerin der im plangebiet gelegenen grundstücke gemarkung t1., flur 37, flurstücke 72 (n.-straße 81 und f.-straße 5) und 74 (f.-straße 1-3). 3das plangebiet ist nahezu identisch mit dem des 1970 in kraft getretenen bebauungsplans „n.-straße /f1.-straße – q.“ (im folgenden: vorgängerbebauungsplan). 4es ist nördlich der f1.-straße entlang der t.-straße und der i.-straße mit doppelhäusern bebaut. in diesem teilbereich befinden sich auch zwei ursprünglich als schulgebäude genutzte baudenkmäler. südlich der f1.-straße stehen auf den großen grundstücken der antragstellerin drei achtgeschossige wohngebäude. östlich davon gibt es eine öffentliche grünfläche mit spielplatz. daran schließen sich weiter östlich drei- und viergeschossige wohnhäuser und entlang der n2.-straße eine blockrandbebauung mit zwei- bis dreigeschossigen gebäuden aus der gründerzeit an. 5das aufstellungsverfahren nahm im wesentlichen folgenden verlauf: der planungsausschuss beschloss in seiner sitzung am 20. september 2016 die aufstellung des bebauungsplans. 6nach der frühzeitigen beteiligung der öffentlichkeit und der behörden im jahre 2016 gab es nach der planbegründung bestrebungen eines investors für eine bauliche nachverdichtung auf den grundstücken der antragstellerin. es seien zwar mehrere bebauungsvorschläge erörtert worden, doch habe letztlich „auf eine nachverdichtung an dieser stelle verzichtet werden“ sollen. 7der planentwurf mit der begründung lag in der zeit vom 26. märz 2019 bis zum 28. mai 2019 öffentlich aus. die antragstellerin gab hierzu keine stellungnahme ab. parallel dazu fand die beteiligung der behörden und der sonstigen träger öffentlicher belange statt. der rat beschloss den bebauungsplan in seiner sitzung am 10. oktober 2019 als satzung. der satzungsbeschluss wurde im amtsblatt vom 15. november 2019 bekannt gemacht. 8der bebauungsplan setzt ein gegliedertes allgemeines wohngebiet (wa1 bis wa11) fest. für die grundstücke der antragstellerin, die im wa8 liegen, bestimmt er eine grundflächenzahl von 0,4, lässt maximal acht vollgeschosse zu und setzt baugrenzen jeweils entlang der außenwände der drei vorhandenen achtgeschossigen wohngebäude fest. 9nach der planbegründung sollen die festsetzungen des bebauungsplans an den bestand angepasst und moderate bauliche entwicklungsmöglichkeiten geschaffen werden. die nutzung des schulgebäudes an der t.-straße sei bereits eingestellt worden. der vorgängerbebauungsplan habe dort eine große fläche für eine nutzung als schule vorgesehen und keine festsetzungen für die vorhandene wohnbebauung getroffen. diese wohnbebauung solle nunmehr gesichert und fortentwickelt werden. auch der standort der grundschule an der n2.-straße solle in absehbarer zeit aufgegeben werden. für diese flächen, zu denen auch die der turnhalle und des bolzplatzes gehörten, schaffe der bebauungsplan die planungsrechtlichen voraussetzungen für eine entwicklung von wohnbebauung. südlich der f1.-straße solle im wesentlichen der bestand gesichert werden. der rat wolle mit dem bebauungsplan potenziale für eine innenentwicklung nutzen, künftige bebauung in einen bereits besiedelten bereich lenken und damit eine moderate nachverdichtung ermöglichen. 10die antragstellerin hat am 12. november 2020 den normenkontrollantrag gestellt. 11ihr rechtsschutzbedürfnis stehe außer frage, zumal der vorgängerbebauungsplan unwirksam sei. seine festsetzungen zur zulässigen höhe baulicher anlagen seien unbestimmt, weil der jeweils untere bezugspunkt für die bestimmung der bauhöhen nicht festgelegt sei. zudem fehle der beitrittsbeschluss des rates zur genehmigung des vorgängerbebauungsplans durch die landesbaubehörde s. 12der bebauungsplan sei wegen seiner fehlerhaften ausfertigung unwirksam. für die textliche festsetzung nr. 7 abs. 5, die zudem unbestimmt sei, fehle eine ermächtigungsgrundlage. § 9 abs. 1 nr. 24 baugb gestatte nur die festsetzung von konkreten baulichen und sonstigen vorkehrungen. solche vorkehrungen seien auf der planurkunde nicht einmal ansatzweise genannt. selbst bei einer heranziehung der planbegründung sei eine eindeutige auslegung der festsetzung, in der nur von vorkehrungen zum schutz vor schädlichen umwelteinwirkungen die rede sei und die keine beschränkung auf bauliche oder technische maßnahmen enthalte, nicht möglich. 13auch die textliche festsetzung nr. 7 abs. 3 sei unbestimmt. die zeichnerischen festsetzungen sähen insoweit nur einen bereich mit einer lärmbelastung größer 60 db(a) und einen solchen mit einer lärmbelastung kleiner/gleich 60 db(a) vor. es sei unklar, ob der bereich, in dem die lärmbelastung größer 60 db(a) sei, im süden der zeichnerischen eintragung nur bis zu der dort festgesetzten öffentlichen verkehrsfläche reiche oder ob dazu auch das plangebiet südlich dieser öffentlichen verkehrsfläche gehöre. die planbetroffenen könnten auch nicht erkennen, welcher konkreten lärmbelastung ihre jeweiligen grundstücke ausgesetzt seien. die entsprechenden isophonlinien hätten entweder in der planzeichnung selbst oder in einem beiblatt zur planurkunde eingezeichnet werden müssen, um eine parzellengenaue abgrenzung der verschiedenen lärmpegelbereiche kenntlich zu machen. 14der bebauungsplan beruhe zudem auf abwägungsfehlern. der belang der innenentwicklung sei bei der abwägungsentscheidung nicht ausreichend berücksichtigt worden. in der planbegründung sei der belang der innenentwicklung zwar unter nr. 3.2 „ziele der planung“ behandelt worden, doch beschränkten sich sämtliche maßnahmen der nachverdichtung auf den teilbereich nördlich der f1.‑straße. im vergleich zum vorgängerbebauungsplan seien überdies die ehemals großzügig festgesetzten überbaubaren grundstücksflächen durch eng um die vorhandenen gebäude gezogene baugrenzen so verkleinert worden, dass die errichtung neuer gebäude nur nach beseitigung des bisherigen baubestandes möglich sei. auch die maximal zulässige gebäudehöhe entspreche der höhe der vorhandenen bebauung, sodass im ergebnis jede nachverdichtung auf den grundstücken südlich der f1.-straße unmöglich sei. es sei auch nicht erkennbar, dass das prinzip der innenentwicklung zugunsten anderer, vom rat als höherrangig eingestufter öffentlicher oder privater belange zurückgestellt worden sei. die aussage, dass zusätzliche baukörper in den bereichen f1.-straße und n.-straße nicht geplant seien, lasse keinen rückschluss auf eine hinter dieser aussage stehende abwägung erkennen. der rat gebe keine begründung dafür, weshalb die innerhalb des plangebiets gelegenen beträchtlichen innerstädtischen freiflächen uneingeschränkt erhalten bleiben sollen. ebenso wenig lasse sich eine solche begründung aus den aufstellungsvorgängen entnehmen. im aufstellungsverfahren sei nur untersucht worden, ob sich ein alternativer standort für den veralteten bolzplatz im plangebiet finden lasse. dies sei angesichts der größe und lage ihrer, der antragstellerin, grundstücke, die unmittelbar an eine rund 7.600 qm große öffentliche grünfläche mit spielplatz angrenzten, nicht nachvollziehbar, zumal die großen begrünten freiflächen auf ihren grundstücken im privateigentum stünden. im verhältnis zur größe ihrer grundstücke seien die dafür gegebenen nutzungsmöglichkeiten stark eingeschränkt. dem rat hätte sich aufdrängen müssen, diese umstände unter den aspekten des angespannten wohnungsmarktes und der innenentwicklung stärker in den blick zu nehmen. stattdessen sei er offenbar fälschlich davon ausgegangen, dem aspekt der innenentwicklung durch die festsetzungen in dem teilbereich zwischen der t.‑straße und der f1.-straße ausreichend rechnung getragen zu haben. auch eine unvollständige abwägung sei fehlerhaft. 15die antragstellerin beantragt, 16den bebauungsplan der stadt n1. „n.-straße / t.‑straße – q.“ für unwirksam zu erklären. 17die antragsgegnerin beantragt, 18den antrag abzulehnen. 19sie trägt vor, der antragstellerin fehle bereits das rechtsschutzbedürfnis für den antrag. die planungsrechtliche situation würde sich auch bei einem erfolg des normenkontrollantrags nicht zu ihren gunsten ändern, da dann der vorgängerbebauungsplan mit nahezu identischen festsetzungen wieder aufleben würde. da der rat mit dem bebauungsplan deutlich gemacht habe, dass eine erweiterung der bebauungsmöglichkeiten im südlichen plangebiet nicht in betracht komme, sei nicht zu erwarten, dass er – sollte sich der bebauungsplan als unwirksam erweisen – einen neuen bebauungsplan aufstellen werde, dessen festsetzungen für die antragstellerin möglicherweise günstiger wären. 20der antrag sei auch unbegründet. die ausfertigung sein nicht wegen des in der unterschriftenleiste auf der planurkunde fehlenden datums des satzungsbeschlusses unwirksam. die einwände der antragstellerin gegen die textlichen festsetzungen nr. 7 abs. 3 und 5 seien unbegründet. der begriff „schallschutzmaßnahmen“ umfasse denknotwendig bauliche maßnahmen, die schädliche umwelteinwirkungen abwehren sollten. das „natürliche“ schallschutzmaßnahmen gemeint sein könnten, sei auch angesichts der geringen distanz zu den verkehrsflächen fernliegend. 21die isophonlinie veranschauliche eindeutig die bereiche mit lärmbelastungen größer beziehungsweise kleiner/gleich 60 db(a). die planbetroffenen könnten anhand der planurkunde in verbindung mit den in der schalltechnischen untersuchung betrachteten immissionsorten eindeutig die für ihre jeweiligen grundstücke prognostizierten lärmbelastungen ermitteln und erkennen, ob die grundstücke in dem bereich lägen, in dem gegebenenfalls schallschutzmaßnahmen erforderlich seien. 22die durch den vorgängerbebauungsplan festgelegten bebauungsmöglichkeiten im südlichen teil des plangebiets blieben erhalten. der plangeber sei nicht verpflichtet, jedes einzelne grundstück innerhalb eines plangebiets für maßnahmen der innenentwicklung vorzusehen. eine solche habe der rat als abwägungsdirektive sehr wohl im blick gehabt. er habe aber keine städtebaulich adäquate möglichkeit gesehen, insbesondere auf den grundstücken der antragstellerin eine größere bauliche ausnutzung zu ermöglichen, die auch der unterbringung des ruhenden verkehrs, dem nachbarschutz sowie dem schutz der bäume und des klimas rechnung getragen hätte. im bewusstsein der planungsrechtlichen situation sei der rat davon ausgegangen, dass der fragliche bereich bereits bebaut sei. auch wenn die freiflächen auf den grundstücken der antragstellerin auf den ersten blick großzügig dimensioniert erschienen, kämen sie nur in eingeschränktem umfang für eine potenzielle erweiterung der bebauung in betracht. vor den außenwänden der drei achtgeschossigen wohngebäude seien jeweils abstandsflächen mit einer erheblichen tiefe von bebauung freizuhalten. auch lägen die notwendigen rettungswege und aufstellflächen für die feuerwehr innerhalb dieser freiflächen. eine bauliche nachverdichtung auf den grundstücken der antragstellerin würde zudem den dort vorhandenen hochhäusern die ihnen im vorgängerbebauungsplan zugedachte funktion als städtebauliche dominante nehmen. 23die festschreibung der bestehenden städtebaulichen situation auf den grundstücken der antragstellerin sei weder willkürlich noch unverhältnismäßig. für die sicherung des „status quo“ sprächen mehrere städtebaulich relevante öffentliche belange. der in der abwägung zu berücksichtigende öffentliche belang, sparsam und schonend mit grund und boden umzugehen, stehe mit dem plankonzept nicht im widerspruch. es gebe keine verpflichtung, bereits bebaute flächen durch die festsetzung weiterer bebauungsmöglichkeiten weiter baulich zu verdichten. 24im rahmen der öffentlichen auslegung des planentwurfs habe die antragstellerin keine bedenken gegen die nun von ihr beanstandeten festsetzungen des bebauungsplans vorgetragen. für den rat sei mithin nicht erkennbar gewesen, dass der wunsch der antragstellerin, die bebauung auf ihren grundstücken wesentlich zu erweitern, in die abwägung einzustellen gewesen wäre. die erwartung der planbetroffenen, dass sich durch die planung die planungsrechtlichen bedingungen generell zu ihren gunsten verbessern würden, sei nicht schutzwürdig und damit bei der abwägung nicht zu beachten. 25wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstands wird auf den inhalt der gerichtsakte und der beigezogenen aufstellungsvorgänge (beiakten hefte 1 bis 9) bezug genommen. 26
27der senat entscheidet im einverständnis der beteiligten ohne mündliche verhandlung durch den berichterstatter. 28der antrag ist zulässig. 29die antragstellerin ist nach § 47 abs. 2 vwgo antragsbefugt. die antragsbefugnis wegen einer möglichen eigentumsverletzung ist grundsätzlich zu bejahen, wenn sich – wie hier – der eigentümer eines im plangebiet gelegenen grundstücks gegen eine festsetzung des bebauungsplans wendet, die unmittelbar sein grundstück betrifft und damit inhalt und schranken seines grundeigentums bestimmt. 30ist die antragsbefugnis des antragstellers zu bejahen, hat er regelmäßig auch das erforderliche rechtsschutzinteresse für den normenkontrollantrag, es sei denn, dessen ergebnis wäre für ihn wertlos, weil es seine rechtsstellung nicht verbessern würde. 31vgl. bverwg, urteil vom 27. august 2020 – 4 cn 4.19 –, juris, rn. 10 f. 32für die überprüfung eines bebauungsplans kann es ein rechtschutzinteresse auch dann geben, wenn – würde der plan für unwirksam erklärt – ein älterer, für den antragsteller ungünstigerer bebauungsplan wieder aufleben würde, sofern nach den jeweiligen fallumständen die prognose gerechtfertigt ist, dass der plangeber bei einem erfolg des normenkontrollantrags einen neuen bebauungsplan aufstellen würde, der für den antragsteller möglicherweise günstigere regelungen enthielte. 33vgl. bverwg, beschlüsse vom 23. september 1997 – 4 bn 17.97 –, und vom 14. märz 2018 – 6 bn 3.17 –, juris, rn. 24. 34danach ist jedenfalls dann von einem rechtsschutzinteresse eines antragstellers auszugehen, wenn der plangeber bei einem erfolg des normenkontrollantrags nach § 1 abs. 3 baugb objektiv-rechtlich zur neuplanung verpflichtet wäre oder er hat erkennen lassen, dass er unabhängig davon einen neuen bebauungsplan aufstellen würde, der für den antragsteller möglicherweise günstigere festsetzungen enthielte. für die annahme eines rechtsschutzinteresses in der hier gegebenen situation ist allein maßgeblich, ob überhaupt damit zu rechnen ist, dass ein neuer bebauungsplan aufgestellt werden würde. bejahendenfalls ist es angesichts des nunmehr geäußerten konkreten interesses der antragstellerin an einer baulichen nachverdichtung ihrer grundstücke und einer berücksichtigung dieses interesses bei einer künftigen abwägung jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass ein solcher bebauungsplan insoweit für sie günstiger sein könnte als die bisherigen pläne. danach ist von einem rechtsschutzinteresse der antragstellerin, die dargelegt hat, dass auch der vorgängerbebauungsplan unwirksam sei, auszugehen. 35der antrag ist auch begründet. 36der bebauungsplan ist nicht ordnungsgemäß ausgefertigt. für das nordrhein-westfälische landesrecht ist in der rechtsprechung geklärt, dass es mangels ausdrücklicher normativer vorgaben für die ausfertigung von bebauungsplänen ausreichend, aber auch erforderlich ist, wenn eine originalurkunde geschaffen wird, auf welcher der (ober-)bürgermeister als vorsitzender des rates, des zuständigen beschlussorgans der gemeinde, zeitlich nach dem ratsbeschluss und vor der verkündung der satzung schriftlich bestätigt, dass der rat an einem näher bezeichneten tag diesen bebauungsplan als satzung beschlossen habe. 37vgl. ovg nrw, urteil vom 8. märz 2017 – 10 d 6/16.ne –, juris, rn. 28. 38das hier in dem ausfertigungsvermerk fehlende datum des satzungsbeschlusses führt dazu, dass sich der ausfertigung nicht mit der für die wirksamkeit einer rechtsnorm notwendigen klarheit die feststellung der identität der zu verkündenden fassung der rechtsnorm mit der vom normgeber beschlossenen fassung entnehmen lässt. das fehlende datum mag unschädlich sein, wenn auf der planurkunde an einer anderen stelle das datum des satzungsbeschlusses vermerkt ist, 39vgl. ovg nrw, urteil vom 30. januar 2006 – 7 d 8/04.ne –, juris, rn. 77; nds ovg, urteil vom 11. februar 2020 – 1 kn 183/17 –, juris, rn. 31, 40doch gibt es hier einen solchen vermerk an einer anderen stelle auf der planurkunde nicht. soweit die antragsgegnerin unter hinweis auf die ausführungen des niedersächsischen ovg in dem zitierten urteil geltend macht, dass der bebauungsplan an dem betreffenden tag nur gegenstand eines einzigen satzungsbeschlusses gewesen sei, sodass die gefahr einer verwechselung nicht bestehe, ändert dies an dem aufgezeigten ausfertigungsmangel nichts. die ausfertigung auf der planurkunde soll sicherstellen und dokumentieren, dass der rat an einem bestimmten tag diesen bebauungsplan, das heißt einen mit dem inhalt der planurkunde identischen bebauungsplan, beschlossen hat, und nicht etwa einen inhaltlich davon abweichenden bebauungsplan. dies hat der (ober-)bürgermeister mit seiner unterschrift auf der planurkunde zu bestätigen. 41der bebauungsplan hat keine weiteren mängel. 42formelle fehler, die nach § 214 abs. 1 satz 1 nr. 3, § 215 abs. 1 satz 1 nr. 1 baugb beachtlich wären und zu seiner unwirksamkeit führen würden, sind nicht ersichtlich. 43der bebauungsplan ist auch nach seiner grundkonzeption im sinne von § 1 abs. 3 satz 1 baugb städtebaulich gerechtfertigt. dem bebauungsplan liegt ausweislich der im tatbestand dargestellten planbegründung eine von städtebaulich legitimen zielen getragene positive planungskonzeption zugrunde, weil der rat beabsichtigt, insbesondere im nördlichen teil des plangebiets wohnbebauung zur schaffung von wohnraum zu ermöglichen (§ 1 abs. 6 nr. 2 baugb). 44die erstmals in der mündlichen verhandlung geäußerte kritik der antragstellerin an der textlichen festsetzung nr. 7 abs. 5 ist unbegründet. als ermächtigungsgrundlage für diese festsetzung kommt § 9 abs. 1 nr. 24 baugb in betracht. von den verschiedenen festsetzungsmöglichkeiten, die die vorschrift enthält, kann der plangeber hier nur die festsetzung von baulichen und sonstigen technischen vorkehrungen zum schutz vor schädlichen umwelteinwirkungen im sinne des bundesimmissionsschutzgesetzes sowie zur vermeidung oder minderung solcher einwirkungen gewollt haben. der einwand der antragstellerin, der rat habe keine konkreten baulichen oder sonstigen technischen vorkehrungen festgesetzt, ist unbegründet. dass der rat – wie die antragstellerin vorträgt – mit der festsetzung auch schallschutzmaßnahmen „natürlicher art“ wie anpflanzungen oder begrünung von dächern und wänden gemeint haben könnte, die nicht von der ermächtigungsgrundlage gedeckt wären, liegt bei der gebotenen auslegung dieser festsetzung fern. die textlichen festsetzungen unter nr. 7 betreffen alle das schalldämmmaß von außenbauteilen, sodass nicht zweifelhaft sein kann, dass der rat auch mit der festsetzung nr. 7 abs. 5, wonach für terrassen, balkone und loggien unter bestimmten voraussetzungen schallschutzmaßnahmen zu treffen sind, nur bauliche oder technische schallschutzmaßnahmen im auge gehabt hat. weitere einzelheiten können gegebenenfalls in einem nachfolgenden baugenehmigungsverfahren festgelegt werden. 45vgl. bverwg, beschluss vom 30. januar 2006 – 4 bn 55.05 –, juris, rn. 8. 46das von der antragstellerin zur begründung ihrer auffassung herangezogene urteil des senats vom 20. märz 2002 – 10a d 48/99.ne –, juris, rn. 5, betraf einen anderen fall. der senat hatte in dieser entscheidung eine festsetzung, nach der „durch geeignete bauliche maßnahmen sicherzustellen (ist), dass die ausbreitung des lärms in südliche bis östliche richtung vermieden wird“, für unbestimmt gehalten, weil vor allem unklar sei, was der plangeber unter einer „vermeidung der ausbreitung von lärm“ verstehe und der normadressat nicht erkennen könne, in welchem umfang er die „ausbreitung von lärm zu vermeiden“ habe. einen verallgemeinerungsfähige aussage, bei einer festsetzung von schallschutzmaßnahmen seien diese beispielhaft zu benennen, lässt sich der zitierten entscheidung nicht entnehmen. 47auch die textliche festsetzung nr. 7 abs. 3 ist nicht – wie die antragstellerin meint – unbestimmt, weil etwa unklar wäre, ob der in der planurkunde dargestellte bereich mit einer lärmbelastung größer 60 db(a) nur bis zu der als öffentliche verkehrsfläche festgesetzten f1.-straße reicht oder ob auch das plangebiet südlich davon dazu gehört. das in diesem zusammenhang von der antragstellerin angesprochene urteil des oberverwaltungsgerichts vom 5. dezember 2012 – 7 d 64/10.ne –, juris, rn. 68 ff., betraf wiederum einen anderen fall, in dem es um eine festsetzung ging, in der lärmpegelbereiche der kategorien iii, iv, v und vi angesprochen waren, die der plangeber in der planurkunde nicht hinreichend konkret bezeichnet hatte und deren jeweiliger geltungsbereich auch unter berücksichtigung der örtlichen verhältnisse und des erkennbaren willens des plangebers nicht durch auslegung ermittelt werden konnte. so liegt der fall hier nicht. die planurkunde stellt zeichnerisch – ergänzt durch die eintragung der jeweils prognostizierten außenschallpegel – lediglich zwei bereiche mit unterschiedlichen lärmbelastungen dar, nämlich einen vollständig umgrenzten bereich mit einem außenschallpegel kleiner/gleich 60 db(a) und einen sich jenseits dieser umgrenzung in alle richtungen ausdehnenden bereich mit einem außenschallpegel größer 60 db (a) dar. soweit die antragstellerin meint, es sei unklar, ob der bereich mit einem außenschallpegel größer 60 db (a) am nördlichen rand der f1.-straße ende, überzeugt ihr dafür bemühtes argument, wonach in planurkunden die flächen mit unterschiedlichen festsetzungen durch die begrenzungen festgesetzter öffentlicher verkehrsflächen üblicherweise voneinander abgegrenzt würden, schon deshalb nicht, weil die den bereich mit einem außenschallpegel kleiner/gleich 60 db(a) umschließende isophonlinie einschließlich der eintragungen der prognostizierten außenschallpegel ungeachtet ihrer bezeichnung in der legende auf der planurkunde keine planerischen festsetzungen im eigentlichen sinne sind. die einzeichnung und die eintragungen machen nur – quasi informatorisch – das ergebnis der im aufstellungsverfahren eingeholten schalltechnischen begutachtung auf der planurkunde kenntlich. auch wenn den planbetroffenen grundstückseigentümern gleichwohl ein interesse zuzugestehen sein mag, der planurkunde die lärmbelastung ihrer jeweiligen grundstücke entnehmen zu können, weil diese lärmbelastung sich auf die vorgaben zur bebauung der grundstücke auswirken kann, ist dies hier ohne weiteres möglich. bei verständiger würdigung aller umstände drängt es sich auf, dass mit der einzeichnung und den zugehörigen eintragungen die lärmbelastung im gesamten plangebiet dargestellt werden soll. insoweit sprechen bei zwangloser betrachtung nicht nur die einzeichnung und die eintragungen für sich, sondern fehlen auch jegliche anhaltspunkte für die von der antragstellerin für möglich gehaltenen anderen sichtweise. wäre es nämlich so, wie sie vorträgt, fehlten für die südlich der f1.-straße gelegenen flächen jegliche angaben zu deren lärmbelastung, was der rat, der an die überschreitung eines außenlärmpegels von 60 db(a) im gesamten plangebiet bestimmte anforderungen gestellt hat, sicher nicht gewollt hat. 48der bebauungsplan beruht auch nicht auf beachtlichen fehlern bei der nach § 1 abs. 7 baugb gebotenen abwägung. 49gemäß § 1 abs. 7 baugb sind die öffentlichen und privaten belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. das abwägungsgebot umfasst als verfahrensnorm das gebot zur ermittlung und bewertung des abwägungsmaterials (§ 2 abs. 3 baugb) und stellt inhaltlich anforderungen an den abwägungsvorgang und an das abwägungsergebnis. es ist verletzt, wenn eine sachgerechte abwägung überhaupt nicht stattfindet, wenn in die abwägung belange nicht eingestellt werden, die nach lage der dinge hätten eingestellt werden müssen, wenn die bedeutung der betroffenen belange verkannt oder wenn der ausgleich zwischen den von der planung berührten belangen in einer weise vorgenommen wird, die zur objektiven gewichtigkeit einzelner belange außer verhältnis steht. innerhalb des so gezogenen rahmens ist dem abwägungserfordernis genügt, wenn sich die zur planung berufene gemeinde im widerstreit verschiedener belange für die bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die zurückstellung des anderen belangs entscheidet. 50vgl. ovg nrw, urteil vom 22. september 2015 – 10 d 82/13.ne –, juris, rn. 30. 51entgegen der darstellung der antragstellerin sind die jeweils festgesetzten überbaubaren grundstücksflächen auf den ihr gehörenden flächen im bebauungsplan und im vorgängerbebauungsplan im wesentlichen identisch. ihre kritik, ehemals großzügig ausgestaltete überbaubare grundstücksflächen seien durch eng um die vorhandenen gebäude gezogene baugrenzen verkleinert worden, ist unzutreffend. der bebauungsplan verhindert also nicht etwa eine bislang planungsrechtlich mögliche nachverdichtung auf ihren grundstücken, sondern er belässt es hinsichtlich der überbaubaren grundstücksflächen bei der gegebenen planungsrechtlichen situation. 52ohne erfolg macht die antragstellerin geltend, dass der belang der innenentwicklung im rahmen der abwägungsentscheidung nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. dass der rat sämtliche möglichkeiten zu einer nachverdichtung auf den teilbereich des plangebiets nördlich der f1.-straße begrenzt hat, erklärt sich damit, dass er einen konkreten planungsbedarf nur für den bereich zwischen der t.-straße und der f1.-straße gesehen hat, weil dort die bisherige nutzung größerer flächen zu schulzwecken aufgegeben worden ist beziehungsweise aufgegeben werden soll. für den bereich südlich der f1.-straße hat der rat, wie sich aus der planbegründung ergibt, keinen anlass für eine festsetzung zusätzlicher überbaubarer grundstücksflächen gesehen und deshalb insoweit nur geringfügige änderungen unter berücksichtigung des vorhandenen gebäudebestandes vorgenommen. diese entscheidung ist nicht zu beanstanden, zumal die antragstellerin im rahmen der öffentlichen auslegung des planentwurfs – drei jahre nachdem sie erfolglos mit überlegungen zu einer baulichen entwicklung auf ihren grundstücken an die antragsgegnerin herangetreten war – keine stellungnahme zu der insoweit unveränderten planung mehr abgegeben und keine konkreten planungsabsichten geäußert hat. 53der rat musste auch nicht, wie die antragstellerin offenbar meint, anlässlich der aufstellung des bebauungsplans eine nachverdichtung sämtlicher flächen im plangebiet konkret in erwägung ziehen. 54nach § 1 abs. 5 satz 3 baugb soll die städtebauliche entwicklung vorrangig durch maßnahmen der innenentwicklung erfolgen. § 1a abs. 2 satz 1 baugb ergänzt hierzu mit blick auf den umweltschutz, dass mit grund und boden sparsam und schonend umgegangen werden soll; dabei sind zur verringerung der zusätzlichen inanspruchnahme von flächen für bauliche nutzungen die möglichkeiten der entwicklung der gemeinde insbesondere durch wiedernutzbarmachung von flächen, nachverdichtung und andere maßnahmen zur innenentwicklung zu nutzen sowie bodenversiegelungen auf das notwendige maß zu begrenzen. 55die in § 1a abs. 2 satz 1 (und 2) baugb genannten belange setzen der gemeinde im rahmen der planerischen abwägung keine strikten, unüberwindbaren grenzen. der gesetzgeber hat diesen belangen auch keinen generellen gesetzlichen vorrang eingeräumt. ob sich die genannten belange im einzelfall durchsetzen, hängt von dem gewicht der ihnen gegenüberstehenden abwägungserheblichen öffentlichen beziehungsweise privaten belange ab. ein zurückstellen der in § 1a abs. 2 sätze 1 und 2 baugb genannten belange bedarf einer rechtfertigung, die dem gewicht dieser vom gesetzgeber herausgehobenen belange rechnung trägt. 56vgl. bverwg, beschluss vom 12. juni 2008 – 4 bn 8.08 –, juris, rn. 4. 57diese gesetzlichen vorgaben zum sparsamen umgang mit grund und boden zielen darauf ab, eine weitere inanspruchnahme unbebauter flächen im außenbereich zu vermeiden. daraus folgt jedoch nicht, dass die planende gemeinde etwa gehalten wäre, in jedem baugebiet die größtmögliche nachverdichtung anzustreben oder die bislang zulässige baudichte zu erhalten. 58vgl. nds ovg, urteil vom 14. mai 2019 – 1 kn 101/17 –, juris, rn. 86. 59es ist danach nicht zu beanstanden, dass der rat, der ausweislich der plangebegründung den vorhandenen bestand im plangebiet ermittelt und seiner planung zugrunde gelegt hat, nur im nördlichen teil des plangebiets zusätzliche bebauungsmöglichkeiten in erwägung gezogen und letztlich festgesetzt hat. ob die ausführungen in der antragserwiderung, wonach auf den grundstücken der antragstellerin nur in eingeschränktem umfang erweiterungsflächen vorhanden seien, tragfähig sind, bedarf vor diesem hintergrund keine vertiefung. 60im übrigen bestand für den rat insbesondere wegen der bereits erheblichen baulichen ausnutzung der grundstücke der antragstellerin mit drei jeweils achtgeschossigen wohnhäusern, kein anlass, dort die festsetzung größerer baufenster in betracht zu ziehen. er hat der antragstellerin mit den festsetzungen des bebauungsplans auch keine baurechte genommen, sondern sich insoweit an die festsetzungen des vorgängerbebauungsplans angelehnt und ihr damit die bisherigen möglichkeiten zur wirtschaftlichen ausnutzung ihrer grundstücke belassen. demgegenüber hat die antragstellerin innerhalb der frist des § 215 abs. 1 baugb und auch danach keine substanziellen rügen erhoben, mit denen sie eine unangemessene einschränkung ihrer eigentumsrechte aufgezeigt hätte. 61die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 1 vwgo. 62die entscheidung zur vorläufigen vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 vwgo in verbindung mit den §§ 708 nr. 10, 711 zpo. 63die revision ist nicht zuzulassen, da die voraussetzungen des § 132 abs. 2 vwgo nicht vorliegen.
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2 K 6029/20
2022-08-23T00:00:00
Urteil
Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Die Klägerin steht als Polizeivollzugsbeamtin im Dienst des beklagten Landes. Sie leidet an einer Erkrankung, aufgrund derer ihr u.a. keine Augenbrauen und Wimpern wachsen. 3Am 16. Oktober 2019 beantragte sie bei dem beklagten Land die Kostenübernahme für eine Permanent Make-up Behandlung. 4Mit Bescheid vom 18. Dezember 2019 lehnte das beklagte Land die Kostenerstattung ab. Zur Begründung heißt es: Der Umfang der Kostenerstattung nach der freien Heilfürsorge richte sich nach dem SGB V. Nach Durchsicht der eingereichten Unterlagen könne im Falle der Klägerin eine Kostenübernahme der beantragten Permanent Make-up Behandlung aus Mitteln der freien Heilfürsorge nicht befürwortet werden. 5Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 20. Januar 2020 Widerspruch ein, den sie mit Schreiben vom 2. April 2020 begründete. Die begehrte Behandlung sei zum Erhalt bzw. zur Wiederherstellung ihrer Polizeidienstfähigkeit notwendig, da keine bzw. eine verwischte geschminkte Augenbraue von dem polizeilichen Gegenüber als Schwachstelle wahrgenommen und dies für ihre dienstliche Tätigkeit hinderlich werden könne. Sie reichte überdies einen Forschungsbericht zum Erscheinungsbild von Polizisten ein. 6Die Klägerin hat am 9. Oktober 2020 Untätigkeitsklage erhoben. 7Mit Bescheid vom 19. Februar 2021 hat das beklagte Land den Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Der Widerspruch sei zulässig, aber unbegründet. Eine Kostenerstattung hinsichtlich der begehrten Permanent Make-up Behandlung sei weder nach der freien Heilfürsorge noch nach einem Leistungsanspruch aus dem SGB V zu erkennen. Es sei davon auszugehen, dass ein Permanent Make-up gegenüber einem Farbauftrag mit marktüblichen kosmetischen Mitteln keinerlei nennenswerte Vorteile biete. Ferner sei ein Erscheinungsbild ohne Augenbrauen oder eine in Ausnahmefällen verwischte Augenbraue, die im Übrigen durch wasserfeste Schminke vermieden werden könne, für die polizeiliche Tätigkeit nicht hinderlich. Es sei nicht ersichtlich, dass Polizeivollzugsbeamte aufgrund fehlender Augenbrauen negativ in Bezug auf Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit wahrgenommen würden. 8Zur Klagebegründung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass die Kostenerstattung für das Permanent Make-up im Rahmen der Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen zu gewähren sei und damit auch im Rahmen der – im gleichen Umfang gewährten – freien Heilfürsorge. Die Behandlung sei im Rahmen der freien Heilfürsorge aber auch selbst dann zu übernehmen, wenn diese im Rahmen der gesetzlichen Krankenkassen nicht erstattungsfähig wäre. Es handele sich um ein Heilmittel im Sinne von § 9 der Verordnung über die freie Heilfürsorge der Polizei (FHVOPol NRW), da es um eine Dienstleistung gehe. Mit Blick auf den Aspekt der Entstellung sei die Behandlung im Übrigen von § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 und 2 FHVOPol NRW erfasst. 9Die Klägerin beantragt, 10das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides des Polizeipräsidiums X. vom 18. Dezember 2019 und des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2021 zu verpflichten, auf ihren Antrag vom 16. Oktober 2019 die Kosten für eine Permanent Make-up Behandlung zur Rekonstruktion der Augenbraun und des Wimpernkranzes zu übernehmen 11und 12die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären. 13Das beklagte Land beantragt, 14die Klage abzuweisen. 15Zur Begründung wiederholt und vertieft es sein Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren. Ergänzend führt es aus, die Kosten für ein Permanent-Make-up könnten nicht den im Rahmen der freien Heilfürsorge einschlägigen Leistungen zugeordnet werden. Es handele sich insbesondere nicht um eine „Versorgung mit Hilfsmitteln“, da keine sächliche medizinische Leistung vorliege. Bei der Einfärbung von Hautpartien wie der Dauerpigmentierung von Augenbrauen verlören die in den menschlichen Körper eingebrachten Farbstoffe ihre rechtliche Eigenschaft als „Sache“ im Sinne von § 90 BGB; ihnen komme keine selbstständige Bedeutung mehr zu. Auch eine „Versorgung mit Heilmitteln“ sei nicht einschlägig, da die Permanent Make-up Behandlung den in § 9 FHVOPol NRW aufgeführten Maßnahmen nicht zugeordnet werden könne. Aufgrund der ähnlichen Normstruktur zu §§ 124 Abs. 1, 107 Abs. 2 Nr. 2 SGB V könne die Rechtsprechung analog herangezogen werden, wonach es sich bei Heilmitteln um nichtärztliche medizinische Dienstleistungen in Abgrenzung zu den Sachmitteln der Hilfsmittel handele und Heilmittel zur therapeutischen Einflussnahme auf den Krankheitszustand bestimmt seien, also zu Heilzwecken oder zur Sicherung eines Heilerfolgs eingesetzt würden. Um eine derartige medizinische Leistung handele es sich jedoch bei der Pigmentierung als oberflächlicher Tätowierung nicht. Selbst bei Annahme einer Krankheit würde mit der angestrebten Dauerpigmentierung die Erkrankung nicht bekämpft werden. Die Herstellung eines vermeintlich der Norm entsprechenden Aussehens zum Zwecke der Herstellung von Autorität genüge hierfür nicht. Das Fehlen von Augenbrauen beeinträchtige überdies nicht die Verwendbarkeit der Klägerin in ihrer Eigenschaft als Polizeivollzugsbeamtin. 16Die Kammer hat den Rechtsstreit der Berichterstatterin mit Beschluss vom 9. August 2022 zur Entscheidung als Einzelrichterin übertragen. 17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen. 18Entscheidungsgründe: 19Die Kammer hat durch die Einzelrichterin entschieden, da ihr der Rechtsstreit mit Beschluss vom 9. August 2022 zur Entscheidung übertragen worden ist, § 6 VwGO. 20Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der Kosten einer Permanent Make-up Behandlung zur Rekonstruktion der Augenbraun und des Wimpernkranzes nicht zu. Der ablehnende Bescheid des beklagten Landes vom 19. Dezember 2019 und der Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2021 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin schon aus diesem Grunde nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1VwGO. 21Gemäß § 112 Abs. 2 Satz 1 LBG NRW haben Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte Anspruch auf freie Heilfürsorge, solange ihnen - wie der Klägerin - Besoldung zusteht. Nach Satz 3 umfasst die Heilfürsorge alle zu Erhaltung oder Wiederherstellung der Polizeidienstfähigkeit notwendigen und angemessenen Aufwendungen des Landes. Nach Satz 4 regelt das Nähere, insbesondere über den Umfang der freien Heilfürsorge und die Angemessenheit der Aufwendungen des Landes, das für Inneres zuständige Ministerium im Einvernehmen mit dem Finanzministerium durch Rechtsverordnung. 22Die auf dieser Grundlage erlassene FHVOPol NRW enthält in § 2 Abs. 1 Satz 3 einen in zehn Leistungstypen untergliederten Leistungskatalog. Danach umfasst der Anspruch auf freie Heilfürsorge die zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Polizeidienstfähigkeit notwendige und angemessene vorbeugende Gesundheitsfürsorge, einschließlich der Standardimpfungen gemäß aktuellem Impfkalender der ständigen Impfkommission (STIKO) und deren Auffrischungen (Nr. 1), ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie im Krankheitsfall (Nr. 2), zahnärztliche Behandlung einschließlich Zahnersatz (Nr. 3), Behandlung im Krankenhaus (Nr. 4), Behandlung in medizinischen Rehabilitationseinrichtungen (Nr. 5), Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln (Nr. 6), Versorgung mit Heilmitteln (Nr. 7), Versorgung mit Hilfsmitteln (Nr. 8), Behandlung im Ausland (Nr. 9), Vergütung von Fahrtkosten (Nr. 10). 23Diese Voraussetzungen sind im Streitfalle nicht erfüllt. Ungeachtet der Frage, ob die streitgegenständliche Permanent Make-up Behandlung zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Polizeidienstfähigkeit der Klägerin notwendig ist, unterfällt sie jedenfalls schon nicht den enumerativ aufgezählten Leistungstypen des § 2 Abs. 1 Satz 3 FHVOPol NRW. Einzig in Betracht zu ziehen sind die Versorgung mit Heilmitteln (Nr. 7) und die Versorgung mit Hilfsmitteln (Nr. 8). Denn es handelt sich bei der - ausweislich des von der Klägerin vorgelegten Kostenvoranschlags von einer Kosmetikerin durchzuführenden - Permanent Make-up Behandlung offenkundig weder um eine Leistung der Gesundheitsfürsorge (Nr. 1) noch um eine (zahn-)ärztliche Behandlung (Nrn. 2 und 3) noch um eine Behandlung im Krankenhaus oder in einer medizinischen Rehabilitationseinrichtung (Nrn. 4 und 5) noch um eine Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln (Nr. 6) oder um eine Behandlung im Ausland (Nr. 9) oder gar um die Vergütung von Fahrtkosten (Nr. 10). 24Auch als Heil- oder Hilfsmittel ist die streitgegenständliche Permanent Make-up Behandlung jedoch nicht im Rahmen der freien Heilfürsorge ersatzfähig. Dabei spricht aus den seitens des beklagten Landes angeführten Gründen bereits alles dafür, dass diese Leistungstypen im Streitfalle bereits begrifflich nicht einschlägig sind. Auch darauf kommt es jedoch nicht entscheidungserheblich an. Denn die Kostenerstattung nach der FHVOPol NRW ist für Heilmittel nur zu gewähren wenn sie vertrags- oder polizeiärztlich verordnet sind (vgl. § 9 Satz 1 FHVOPol NRW) und auch ein Anspruch auf Hilfsmittel besteht nur, wenn diese ärztlich verordnet sind (vgl. § 10 Satz 2 FHVOPol NRW). Daran fehlt es hier. Die Klägerin hat - worauf die Einzelrichterin bereits in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat - keine ärztliche Verordnung für die von ihr begehrte Permanent Make-up Behandlung vorgelegt. 25Lediglich ergänzend sei Folgendes angemerkt: 26Die Argumentation der Beteiligten hinsichtlich des Leistungsumfangs des SGB V geht ins Leere. Die Behauptung der Klägerin, Leistungen der freien Heilfürsorge seien in gleichem Umfang zu gewähren, wie jene der gesetzlichen Krankenkassen, kann in dieser Pauschalität rechtlich nicht nachvollzogen werden. Vielmehr enthält die FHVOPol NRW - wie dargelegt - eigenständige Regelungen zu den Anspruchsvoraussetzungen. Zwar bestimmt § 2 Abs. 2 FHVOPol NRW, dass sich der Umfang der in § 2 Abs. 1 FHVOPol NRW genannten Leistungen, soweit die Verordnung nichts anderes bestimmt, nach den Vorschriften des SGB V richtet. Eine dem Leistungskatalog des § 2 Abs. 1 FHVOPol NRW unterfallende Leistung steht - wie gezeigt - im Streitfalle aber gerade nicht in Rede. 27Ungeachtet des Vorstehenden ist das Gericht auch nicht zu der Überzeugung gelangt, dass die begehrte Permanent Make-up Behandlung zur Rekonstruktion der Augenbrauen und des Wimpernkranzes im Sinne von § 112 Abs. 2 Satz 3 LBG i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 3 FHVOPol NRW zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Polizeidienstfähigkeit der Klägerin notwendige ist. Mit dem Begriff der Polizeidienstfähigkeit wird darauf abgestellt, ob der Polizeivollzugsbeamte bzw. die Polizeivollzugsbeamtin zu jeder Zeit, an jedem Ort und in jeder seinem bzw. ihrem statusrechtlichen Amt entsprechenden Stellung einsetzbar ist. 28Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 – 5 C 32.15 –, juris, Rn. 30. 29Diese Einsatzfähigkeit ist bei der Klägerin zur Überzeugung des Gerichts nicht aufgrund fehlender Augenbrauen oder Wimpern eingeschränkt und würde darüber hinaus zur Überzeugung des Gerichts auch nicht durch verwischte Schminke beeinträchtigt werden. Insbesondere teilt das Gericht die Befürchtung der Klägerin nicht, fehlende oder verwischte geschminkte Augenbrauen oder Wimpern seien ihrer Autorität abträglich und würden daher die Durchsetzungsfähigkeit polizeilicher Maßnahmen gefährden. Es ist davon auszugehen, dass in aller Regel die Durchsetzungsfähigkeit polizeilicher Maßnahmen durch das Tragen einer Uniform und die damit äußerlich kundgetane Neutralität und Legitimation der Beamtin bzw. des Beamten für hoheitliche Maßnahmen sichergestellt ist. 30Vgl. zu dem Fall der Vorgabe einer "Hemdkragengrenze" für die Haarlänge von Polizisten: BVerwG, Urteil vom 2. März 2006 – 2 C 3.05 –, juris, Rn. 21 ff. 31Es ist nicht davon auszugehen, dass fehlende oder etwa verwischte Augenbrauen oder Wimpern im Falle der Klägerin geeignet sind, diese Legitimationsfunktion der Uniform nennenswert zu beeinträchtigen. Individuelle Merkmale eines Polizisten bzw. einer Polizistin sind nicht bereits dann geeignet, die Neutralitäts- und Legitimationsfunktion der Polizeiuniform zu beeinträchtigen, wenn sie die Mehrheit der Bevölkerung für die eigene Person ablehnt oder allgemein nicht für vorteilhaft hält. Vielmehr ist von einer Beeinträchtigung erst dann auszugehen, wenn der Beamte bzw. die Beamtin aufgrund des in Rede stehenden individuellen Merkmals von weiten Kreisen der Bevölkerung ausgegrenzt wird oder ihm bzw. ihr jedenfalls Vorbehalte der Art begegnen, die erwarten lassen, dass sie bei der Amtsausübung nicht ernst genommen werden oder ihnen das dabei erforderliche Vertrauen nicht entgegengebracht wird. 32Vgl. BVerwG, Urteil vom 2. März 2006 – 2 C 3.05 –, juris, Rn. 26. 33Dies ist hinsichtlich der fehlenden bzw. verwischten Augenbrauen oder Wimpern der Klägerin nicht der Fall. Zwar mag es zutreffend sein, dass es sich dabei im Einzelfall um eine Auffälligkeit handelt, die von dem jeweiligen polizeilichen Gegenüber durchaus wahrgenommen wird. Es erscheint indes fern liegend, dass Personen, die einer Polizeivollzugsbeamtin ohne oder mit verwischten Augenbrauen oder Wimpern mit Skepsis begegnen, sich deswegen ihren Anordnungen widersetzen, ihre Hinweise nicht ernst nehmen oder es ablehnen, sie in Notsituationen um Hilfe zu bitten. Die oben dargestellte, durch die Uniform herbeigefügte Legitimationswirkung sowie die ihrem Träger bzw. ihrer Trägerin verliehene Autorität werden dadurch bei lebensnaher Betrachtung nicht eingeschränkt. Hinzu tritt, dass die Klägerin nach dem Eindruck der Einzelrichterin in der mündlichen Verhandlung über ein sicheres und selbstbewusstes Auftreten verfügt und ihren Standpunkt zu vertreten weiß. Fehlende oder verwischte Augenbrauen oder Wimpern sind zur Überzeugung des Gerichts nicht geeignet, diese durch eine Vielzahl von Faktoren bewirkte Ausstrahlung nennenswert zu beeinträchtigen oder gar zu überlagern. In dieses Bild fügt sich, dass die Klägerin, nicht vorgetragen hat, dass es bei dienstlichen Einsätzen jemals gerade auf Grund ihrer fehlenden oder etwa verwischten Augenbrauen oder Wimpern zu Konflikten oder Schwierigkeiten gekommen ist. 34Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Für die Feststellung der Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren ist kein Raum, da der Klägerin ohnehin nach Kostengrundentscheidung kein Kostenerstattungsanspruch zusteht. 35Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. 36Rechtsmittelbelehrung: 37Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. 38Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 39Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. 40Die Berufung ist nur zuzulassen, 411. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 422. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 433. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 444. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 455. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. 46Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich einzureichen. 47Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen. 48Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen. 49Die Antragsschrift und die Zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. 50Beschluss: 51Der Streitwert wird auf 1.040,- Euro festgesetzt. 52Gründe: 53Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Absatz 3 Satz 1 GKG erfolgt. 54Rechtsmittelbelehrung: 55Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. 56Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 57Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 58Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt. 59Die Beschwerdeschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. 60War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
die klage wird abgewiesen. die klägerin trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. die klägerin darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des auf grund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht das beklagte land vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1
2die klägerin steht als polizeivollzugsbeamtin im dienst des beklagten landes. sie leidet an einer erkrankung, aufgrund derer ihr u.a. keine augenbrauen und wimpern wachsen. 3am 16. oktober 2019 beantragte sie bei dem beklagten land die kostenübernahme für eine permanent make-up behandlung. 4mit bescheid vom 18. dezember 2019 lehnte das beklagte land die kostenerstattung ab. zur begründung heißt es: der umfang der kostenerstattung nach der freien heilfürsorge richte sich nach dem sgb v. nach durchsicht der eingereichten unterlagen könne im falle der klägerin eine kostenübernahme der beantragten permanent make-up behandlung aus mitteln der freien heilfürsorge nicht befürwortet werden. 5gegen diesen bescheid legte die klägerin am 20. januar 2020 widerspruch ein, den sie mit schreiben vom 2. april 2020 begründete. die begehrte behandlung sei zum erhalt bzw. zur wiederherstellung ihrer polizeidienstfähigkeit notwendig, da keine bzw. eine verwischte geschminkte augenbraue von dem polizeilichen gegenüber als schwachstelle wahrgenommen und dies für ihre dienstliche tätigkeit hinderlich werden könne. sie reichte überdies einen forschungsbericht zum erscheinungsbild von polizisten ein. 6die klägerin hat am 9. oktober 2020 untätigkeitsklage erhoben. 7mit bescheid vom 19. februar 2021 hat das beklagte land den widerspruch der klägerin zurückgewiesen. der widerspruch sei zulässig, aber unbegründet. eine kostenerstattung hinsichtlich der begehrten permanent make-up behandlung sei weder nach der freien heilfürsorge noch nach einem leistungsanspruch aus dem sgb v zu erkennen. es sei davon auszugehen, dass ein permanent make-up gegenüber einem farbauftrag mit marktüblichen kosmetischen mitteln keinerlei nennenswerte vorteile biete. ferner sei ein erscheinungsbild ohne augenbrauen oder eine in ausnahmefällen verwischte augenbraue, die im übrigen durch wasserfeste schminke vermieden werden könne, für die polizeiliche tätigkeit nicht hinderlich. es sei nicht ersichtlich, dass polizeivollzugsbeamte aufgrund fehlender augenbrauen negativ in bezug auf kompetenz und vertrauenswürdigkeit wahrgenommen würden. 8zur klagebegründung trägt die klägerin im wesentlichen vor, dass die kostenerstattung für das permanent make-up im rahmen der leistungen der gesetzlichen krankenkassen zu gewähren sei und damit auch im rahmen der – im gleichen umfang gewährten – freien heilfürsorge. die behandlung sei im rahmen der freien heilfürsorge aber auch selbst dann zu übernehmen, wenn diese im rahmen der gesetzlichen krankenkassen nicht erstattungsfähig wäre. es handele sich um ein heilmittel im sinne von § 9 der verordnung über die freie heilfürsorge der polizei (fhvopol nrw), da es um eine dienstleistung gehe. mit blick auf den aspekt der entstellung sei die behandlung im übrigen von § 2 abs. 1 satz 3 nr. 1 und 2 fhvopol nrw erfasst. 9die klägerin beantragt, 10das beklagte land unter aufhebung des bescheides des polizeipräsidiums x. vom 18. dezember 2019 und des widerspruchsbescheides vom 19. februar 2021 zu verpflichten, auf ihren antrag vom 16. oktober 2019 die kosten für eine permanent make-up behandlung zur rekonstruktion der augenbraun und des wimpernkranzes zu übernehmen 11und 12die hinzuziehung eines bevollmächtigten im vorverfahren für notwendig zu erklären. 13das beklagte land beantragt, 14die klage abzuweisen. 15zur begründung wiederholt und vertieft es sein vorbringen aus dem verwaltungs- und widerspruchsverfahren. ergänzend führt es aus, die kosten für ein permanent-make-up könnten nicht den im rahmen der freien heilfürsorge einschlägigen leistungen zugeordnet werden. es handele sich insbesondere nicht um eine „versorgung mit hilfsmitteln“, da keine sächliche medizinische leistung vorliege. bei der einfärbung von hautpartien wie der dauerpigmentierung von augenbrauen verlören die in den menschlichen körper eingebrachten farbstoffe ihre rechtliche eigenschaft als „sache“ im sinne von § 90 bgb; ihnen komme keine selbstständige bedeutung mehr zu. auch eine „versorgung mit heilmitteln“ sei nicht einschlägig, da die permanent make-up behandlung den in § 9 fhvopol nrw aufgeführten maßnahmen nicht zugeordnet werden könne. aufgrund der ähnlichen normstruktur zu §§ 124 abs. 1, 107 abs. 2 nr. 2 sgb v könne die rechtsprechung analog herangezogen werden, wonach es sich bei heilmitteln um nichtärztliche medizinische dienstleistungen in abgrenzung zu den sachmitteln der hilfsmittel handele und heilmittel zur therapeutischen einflussnahme auf den krankheitszustand bestimmt seien, also zu heilzwecken oder zur sicherung eines heilerfolgs eingesetzt würden. um eine derartige medizinische leistung handele es sich jedoch bei der pigmentierung als oberflächlicher tätowierung nicht. selbst bei annahme einer krankheit würde mit der angestrebten dauerpigmentierung die erkrankung nicht bekämpft werden. die herstellung eines vermeintlich der norm entsprechenden aussehens zum zwecke der herstellung von autorität genüge hierfür nicht. das fehlen von augenbrauen beeinträchtige überdies nicht die verwendbarkeit der klägerin in ihrer eigenschaft als polizeivollzugsbeamtin. 16die kammer hat den rechtsstreit der berichterstatterin mit beschluss vom 9. august 2022 zur entscheidung als einzelrichterin übertragen. 17wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakte und den inhalt der beigezogenen verwaltungsakte bezug genommen. 18
19die kammer hat durch die einzelrichterin entschieden, da ihr der rechtsstreit mit beschluss vom 9. august 2022 zur entscheidung übertragen worden ist, § 6 vwgo. 20die klage hat in der sache keinen erfolg. der klägerin steht der geltend gemachte anspruch auf erstattung der kosten einer permanent make-up behandlung zur rekonstruktion der augenbraun und des wimpernkranzes nicht zu. der ablehnende bescheid des beklagten landes vom 19. dezember 2019 und der widerspruchsbescheid vom 18. februar 2021 sind rechtmäßig und verletzen die klägerin schon aus diesem grunde nicht in ihren rechten, § 113 abs. 5 satz 1vwgo. 21gemäß § 112 abs. 2 satz 1 lbg nrw haben polizeivollzugsbeamtinnen und polizeivollzugsbeamte anspruch auf freie heilfürsorge, solange ihnen - wie der klägerin - besoldung zusteht. nach satz 3 umfasst die heilfürsorge alle zu erhaltung oder wiederherstellung der polizeidienstfähigkeit notwendigen und angemessenen aufwendungen des landes. nach satz 4 regelt das nähere, insbesondere über den umfang der freien heilfürsorge und die angemessenheit der aufwendungen des landes, das für inneres zuständige ministerium im einvernehmen mit dem finanzministerium durch rechtsverordnung. 22die auf dieser grundlage erlassene fhvopol nrw enthält in § 2 abs. 1 satz 3 einen in zehn leistungstypen untergliederten leistungskatalog. danach umfasst der anspruch auf freie heilfürsorge die zur erhaltung oder wiederherstellung der polizeidienstfähigkeit notwendige und angemessene vorbeugende gesundheitsfürsorge, einschließlich der standardimpfungen gemäß aktuellem impfkalender der ständigen impfkommission (stiko) und deren auffrischungen (nr. 1), ärztliche behandlung einschließlich psychotherapie im krankheitsfall (nr. 2), zahnärztliche behandlung einschließlich zahnersatz (nr. 3), behandlung im krankenhaus (nr. 4), behandlung in medizinischen rehabilitationseinrichtungen (nr. 5), versorgung mit arznei- und verbandmitteln (nr. 6), versorgung mit heilmitteln (nr. 7), versorgung mit hilfsmitteln (nr. 8), behandlung im ausland (nr. 9), vergütung von fahrtkosten (nr. 10). 23diese voraussetzungen sind im streitfalle nicht erfüllt. ungeachtet der frage, ob die streitgegenständliche permanent make-up behandlung zur erhaltung oder wiederherstellung der polizeidienstfähigkeit der klägerin notwendig ist, unterfällt sie jedenfalls schon nicht den enumerativ aufgezählten leistungstypen des § 2 abs. 1 satz 3 fhvopol nrw. einzig in betracht zu ziehen sind die versorgung mit heilmitteln (nr. 7) und die versorgung mit hilfsmitteln (nr. 8). denn es handelt sich bei der - ausweislich des von der klägerin vorgelegten kostenvoranschlags von einer kosmetikerin durchzuführenden - permanent make-up behandlung offenkundig weder um eine leistung der gesundheitsfürsorge (nr. 1) noch um eine (zahn-)ärztliche behandlung (nrn. 2 und 3) noch um eine behandlung im krankenhaus oder in einer medizinischen rehabilitationseinrichtung (nrn. 4 und 5) noch um eine versorgung mit arznei- und verbandmitteln (nr. 6) oder um eine behandlung im ausland (nr. 9) oder gar um die vergütung von fahrtkosten (nr. 10). 24auch als heil- oder hilfsmittel ist die streitgegenständliche permanent make-up behandlung jedoch nicht im rahmen der freien heilfürsorge ersatzfähig. dabei spricht aus den seitens des beklagten landes angeführten gründen bereits alles dafür, dass diese leistungstypen im streitfalle bereits begrifflich nicht einschlägig sind. auch darauf kommt es jedoch nicht entscheidungserheblich an. denn die kostenerstattung nach der fhvopol nrw ist für heilmittel nur zu gewähren wenn sie vertrags- oder polizeiärztlich verordnet sind (vgl. § 9 satz 1 fhvopol nrw) und auch ein anspruch auf hilfsmittel besteht nur, wenn diese ärztlich verordnet sind (vgl. § 10 satz 2 fhvopol nrw). daran fehlt es hier. die klägerin hat - worauf die einzelrichterin bereits in der mündlichen verhandlung hingewiesen hat - keine ärztliche verordnung für die von ihr begehrte permanent make-up behandlung vorgelegt. 25lediglich ergänzend sei folgendes angemerkt: 26die argumentation der beteiligten hinsichtlich des leistungsumfangs des sgb v geht ins leere. die behauptung der klägerin, leistungen der freien heilfürsorge seien in gleichem umfang zu gewähren, wie jene der gesetzlichen krankenkassen, kann in dieser pauschalität rechtlich nicht nachvollzogen werden. vielmehr enthält die fhvopol nrw - wie dargelegt - eigenständige regelungen zu den anspruchsvoraussetzungen. zwar bestimmt § 2 abs. 2 fhvopol nrw, dass sich der umfang der in § 2 abs. 1 fhvopol nrw genannten leistungen, soweit die verordnung nichts anderes bestimmt, nach den vorschriften des sgb v richtet. eine dem leistungskatalog des § 2 abs. 1 fhvopol nrw unterfallende leistung steht - wie gezeigt - im streitfalle aber gerade nicht in rede. 27ungeachtet des vorstehenden ist das gericht auch nicht zu der überzeugung gelangt, dass die begehrte permanent make-up behandlung zur rekonstruktion der augenbrauen und des wimpernkranzes im sinne von § 112 abs. 2 satz 3 lbg i.v.m. § 2 abs. 2 satz 3 fhvopol nrw zur erhaltung oder wiederherstellung der polizeidienstfähigkeit der klägerin notwendige ist. mit dem begriff der polizeidienstfähigkeit wird darauf abgestellt, ob der polizeivollzugsbeamte bzw. die polizeivollzugsbeamtin zu jeder zeit, an jedem ort und in jeder seinem bzw. ihrem statusrechtlichen amt entsprechenden stellung einsetzbar ist. 28vgl. bverwg, urteil vom 28. april 2016 – 5 c 32.15 –, juris, rn. 30. 29diese einsatzfähigkeit ist bei der klägerin zur überzeugung des gerichts nicht aufgrund fehlender augenbrauen oder wimpern eingeschränkt und würde darüber hinaus zur überzeugung des gerichts auch nicht durch verwischte schminke beeinträchtigt werden. insbesondere teilt das gericht die befürchtung der klägerin nicht, fehlende oder verwischte geschminkte augenbrauen oder wimpern seien ihrer autorität abträglich und würden daher die durchsetzungsfähigkeit polizeilicher maßnahmen gefährden. es ist davon auszugehen, dass in aller regel die durchsetzungsfähigkeit polizeilicher maßnahmen durch das tragen einer uniform und die damit äußerlich kundgetane neutralität und legitimation der beamtin bzw. des beamten für hoheitliche maßnahmen sichergestellt ist. 30vgl. zu dem fall der vorgabe einer "hemdkragengrenze" für die haarlänge von polizisten: bverwg, urteil vom 2. märz 2006 – 2 c 3.05 –, juris, rn. 21 ff. 31es ist nicht davon auszugehen, dass fehlende oder etwa verwischte augenbrauen oder wimpern im falle der klägerin geeignet sind, diese legitimationsfunktion der uniform nennenswert zu beeinträchtigen. individuelle merkmale eines polizisten bzw. einer polizistin sind nicht bereits dann geeignet, die neutralitäts- und legitimationsfunktion der polizeiuniform zu beeinträchtigen, wenn sie die mehrheit der bevölkerung für die eigene person ablehnt oder allgemein nicht für vorteilhaft hält. vielmehr ist von einer beeinträchtigung erst dann auszugehen, wenn der beamte bzw. die beamtin aufgrund des in rede stehenden individuellen merkmals von weiten kreisen der bevölkerung ausgegrenzt wird oder ihm bzw. ihr jedenfalls vorbehalte der art begegnen, die erwarten lassen, dass sie bei der amtsausübung nicht ernst genommen werden oder ihnen das dabei erforderliche vertrauen nicht entgegengebracht wird. 32vgl. bverwg, urteil vom 2. märz 2006 – 2 c 3.05 –, juris, rn. 26. 33dies ist hinsichtlich der fehlenden bzw. verwischten augenbrauen oder wimpern der klägerin nicht der fall. zwar mag es zutreffend sein, dass es sich dabei im einzelfall um eine auffälligkeit handelt, die von dem jeweiligen polizeilichen gegenüber durchaus wahrgenommen wird. es erscheint indes fern liegend, dass personen, die einer polizeivollzugsbeamtin ohne oder mit verwischten augenbrauen oder wimpern mit skepsis begegnen, sich deswegen ihren anordnungen widersetzen, ihre hinweise nicht ernst nehmen oder es ablehnen, sie in notsituationen um hilfe zu bitten. die oben dargestellte, durch die uniform herbeigefügte legitimationswirkung sowie die ihrem träger bzw. ihrer trägerin verliehene autorität werden dadurch bei lebensnaher betrachtung nicht eingeschränkt. hinzu tritt, dass die klägerin nach dem eindruck der einzelrichterin in der mündlichen verhandlung über ein sicheres und selbstbewusstes auftreten verfügt und ihren standpunkt zu vertreten weiß. fehlende oder verwischte augenbrauen oder wimpern sind zur überzeugung des gerichts nicht geeignet, diese durch eine vielzahl von faktoren bewirkte ausstrahlung nennenswert zu beeinträchtigen oder gar zu überlagern. in dieses bild fügt sich, dass die klägerin, nicht vorgetragen hat, dass es bei dienstlichen einsätzen jemals gerade auf grund ihrer fehlenden oder etwa verwischten augenbrauen oder wimpern zu konflikten oder schwierigkeiten gekommen ist. 34die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 1 vwgo. für die feststellung der notwendigkeit der zuziehung eines bevollmächtigten für das vorverfahren ist kein raum, da der klägerin ohnehin nach kostengrundentscheidung kein kostenerstattungsanspruch zusteht. 35die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit beruht auf § 167 vwgo i.v.m. §§ 708 nr. 11, 711 zpo. 36rechtsmittelbelehrung: 37gegen dieses urteil kann innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) schriftlich die zulassung der berufung beantragt werden. der antrag muss das angefochtene urteil bezeichnen. 38auf die ab dem 1. januar 2022 unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 39innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils sind die gründe darzulegen, aus denen die berufung zuzulassen ist. 40die berufung ist nur zuzulassen, 411. wenn ernstliche zweifel an der richtigkeit des urteils bestehen, 422. wenn die rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche schwierigkeiten aufweist, 433. wenn die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat, 444. wenn das urteil von einer entscheidung des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen, des bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen senats der obersten gerichtshöfe des bundes oder des bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser abweichung beruht oder 455. wenn ein der beurteilung des berufungsgerichts unterliegender verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die entscheidung beruhen kann. 46die begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem antrag vorgelegt worden ist, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen (aegidiikirchplatz 5, 48143 münster oder postfach 6309, 48033 münster) schriftlich einzureichen. 47über den antrag entscheidet das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen. 48im berufungs- und berufungszulassungsverfahren müssen sich die beteiligten durch prozessbevollmächtigte vertreten lassen. dies gilt auch für prozesshandlungen, durch die das verfahren eingeleitet wird. die beteiligten können sich durch einen rechtsanwalt oder einen rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten hochschule eines mitgliedstaates der europäischen union, eines anderen vertragsstaates des abkommens über den europäischen wirtschaftsraum oder der schweiz, der die befähigung zum richteramt besitzt, als bevollmächtigten vertreten lassen. auf die zusätzlichen vertretungsmöglichkeiten für behörden und juristische personen des öffentlichen rechts einschließlich der von ihnen zur erfüllung ihrer öffentlichen aufgaben gebildeten zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 abs. 4 satz 4 vwgo und § 5 nr. 6 des einführungsgesetzes zum rechtsdienstleistungsgesetz – rdgeg –). darüber hinaus sind die in § 67 abs. 2 satz 2 nr. 3 bis 7 vwgo bezeichneten personen und organisationen unter den dort genannten voraussetzungen als bevollmächtigte zugelassen. 49die antragsschrift und die zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst zweifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. 50beschluss: 51der streitwert wird auf 1.040,- euro festgesetzt. 52gründe: 53die festsetzung des streitwertes ist nach § 52 absatz 3 satz 1 gkg erfolgt. 54rechtsmittelbelehrung: 55gegen den streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur niederschrift des urkundsbeamten der geschäftsstelle bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) beschwerde eingelegt werden, über die das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen in münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der zivilprozessordnung gilt entsprechend. 56auf die ab dem 1. januar 2022 unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 57die beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs monaten eingelegt wird, nachdem die entscheidung in der hauptsache rechtskraft erlangt oder das verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der streitwert später als einen monat vor ablauf dieser frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines monats nach zustellung oder formloser mitteilung des festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 58die beschwerde ist nicht gegeben, wenn der wert des beschwerdegegenstandes 200,-- euro nicht übersteigt. 59die beschwerdeschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. 60war der beschwerdeführer ohne sein verschulden verhindert, die frist einzuhalten, ist ihm auf antrag von dem gericht, das über die beschwerde zu entscheiden hat, wiedereinsetzung in den vorigen stand zu gewähren, wenn er die beschwerde binnen zwei wochen nach der beseitigung des hindernisses einlegt und die tatsachen, welche die wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. nach ablauf eines jahres, von dem ende der versäumten frist angerechnet, kann die wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
346,414
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15 K 555/20
2022-08-23T00:00:00
Urteil
Tenor Die am 2. Januar 2020 veröffentlichte Allgemeinverfügung der Beklagten vom 22. August 2019 wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 1Tatbestand: 2Die Klägerin ist Pferdebesitzerin, Freizeitreiterin und im Gemeindegebiet der Beklagten wohnhaft. 3Am 00. Dezember 2017 veröffentliche die Beklagte im Amtsblatt der Stadt ihre Allgemeinverfügung vom 27. November 2017. Danach war das "... Reiten im Wald (...) in den westlich der Bundesautobahn A 0 gelegenen Waldflächen nur auf den, nach den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung gekennzeichneten, Reitwegen erlaubt ...". 4Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Stadt habe etwa 350.000 Einwohner mit einer hohen und weiter anwachsenden Bevölkerungsdichte im innerstädtischen Bereich. Der Waldanteil betrage 30 %, wobei sich die Waldfläche in inselartigen Kleinflächen über das gesamte Stadtgebiet verteile. In den öffentlichen Wäldern habe sie angesichts einer stetigen Zunahme von Erholungssuchenden und veränderten Erholungsaktivitäten eine umfangreiche Erholungsstruktur aufgebaut. Die in ministeriellem Auftrag erstellte Studie "Freizeit- und Erholung Nutzung urbaner Wälder unter Berücksichtigung von Konflikten unterschiedlicher Freizeitnutzung untereinander und mit Biotop- und Artenschutzaspekten" aus dem Jahr 2010 ("Projektbericht") komme zu dem Ergebnis, dass die innerstädtischen Freiflächen insbesondere an Wochenenden intensiv genutzt würden. Um Konflikte zu vermeiden und die Attraktivität zu erhöhen seien bereits vor 25 Jahren städtischerseits Maßnahmen wie etwa der Bau von Reit‑ und Radwegen und die Ausweisung von Hundeauslaufgebieten ergriffen worden, um die unterschiedliche Freizeitnutzungen zu steuern, zu kanalisieren bzw. anspruchsspezifisch zu trennen. Gleichwohl gebe es ausweislich der Studie sowie nach den täglichen Erfahrungen des kommunalen Ordnungsdienstes aufgrund der weiteren Diversifizierung der Freizeitaktivitäten und ihrer zunehmenden Intensität Konflikte mit und unter den Wegenutzern. Die durch die Allgemeinverfügung getroffene Reitwegeregelung unterstütze die bisherigen Bemühungen, die Freizeitnutzung zu kanalisieren und den Ausbaustandard der Sparzierwege zu erhalten. Das Sperren einzelner Waldbereiche hätte hingegen nicht nur eine vermehrte Beschilderung zur Folge, sondern würde auch die Orientierung der Erholungssuchenden und die Nachvollziehbarkeit der unterschiedlichen Regelungen beeinträchtigen. Die Differenzierung zwischen den stark besiedelten Bereichen mit erhöhter Freizeitnutzung westlich der Bundesautobahn A 0 und dem östlich von ihr gelegenen Bereich mit lockerer Bebauung und geringem Freizeitdruck sei demgegenüber für die Betroffenen handhabbar. 5Bereits am 00. Dezember 2017 hatte der Umweltausschuss der Beklagten auf Antrag zweier Ratsfraktionen einstimmig beschlossen, die Reitwegeregelung vom 27. November 2017 solle abgeändert und so gefasst werden, dass die Reitwege im gesamten Stadtgebiet auf das nach den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung gekennzeichneten Reitwegenetz beschränkt blieben. 6Im September 2018 übersandte die Beklagte den Entwurf vom 17. August 2018 zur Änderung der Allgemeinverfügung vom 27. November 2017 nebst zugehöriger Begründung zur Stellungnahme dem Landesbetrieb X. und I. NRW (Landesbetrieb), der Forstbetriebsgemeinschaft X1. a.V. (Forstbetriebsgemeinschaft), dem Pferdesportverband S. e.V., dem Stadtverband X1. der Vereinigung der G. und –G1. in Deutschland e.V. sowie den Ortsbauernschaften X1. P. und X2. und zwei Ortsbauern. Ebenfalls zur Stellungnahme erhielten die Vorbezeichneten und der X3. NRW von der Beklagten unter dem 26. August 2019 auch den Entwurf zur Änderung der Reitwegeregelung in der Fassung vom 22. August 2019. 7Während sich die pferdesportlichen Organisationen gegen das Vorhaben aussprachen, befürwortete es die G2. . Der Landesbetrieb äußerte in seiner Stellungnahme vom 12. September 2018 zwar Bedenken gegen eine undifferenzierte Ausweitung der Allgemeinverfügung auf das gesamte Stadtgebiet, stimmte der Neuregelung aber mit der Begründung zu, dass die beabsichtigte Einschränkung des Reitverkehrs keine Verschlechterung für die von ihm zu vertretenden Schutzgüter bedeute. Unter dem 16. September 2019 erklärte er sein Einvernehmen zu der Änderungsfassung vom 22. August 2019. 8Nach Kenntnisnahme durch ihren Umweltausschuss veröffentlichte die Beklagte im städtischen Amtsblatt (Nr. 1/2020) am 2. Januar 2020 die Allgemeinverfügung vom 22. August 2019. Danach ist das "... Reiten im Wald (...) im gesamten Stadtgebiet auf den, nach den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung gekennzeichneten, Reitwegen erlaubt ...". 9In der dem Umweltausschuss vorgelegten Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, das Gebiet ihrer bevölkerungsreichen Großstadt umfasse neben einem dicht besiedelten Innenbereich große Freiraumflächen mit einem Waldanteil von 30 %. Die Wälder stellten einen wichtigen Erholungsraum für die Bevölkerung dar. Bewaldet seien nicht nur ein Großteil der Erholungsräume im Innenstadtbereich. In den Ortsrandlagen des Stadtgebietes gebe es ‑ bis auf die im Norden landwirtschaftlichen genutzten Flächen ‑ fast ausnahmslos Wald, der gut erschlossen sei. Dort vorhandene Naherholungsziele erhöhten den Druck auf diese Gebiete. Dem "Projektbericht" sei zu entnehmen, dass die städtischen Freiflächen wochentags und insbesondere am Wochenende intensiv genutzt würden. 10Die sich durch extreme Steigungsverhältnisse auszeichnende Topographie des Stadtgebiets habe gravierende Auswirkungen auf die Art und das Ausmaß der Erholungsnutzung. Abgesehen davon, dass sie sich in den in Naturschutzgebieten gelegenen Waldflächen auf das bestehende Wegenetz beschränke, nutze ein Großteil der Erholungssuchenden aus dem Wegenetz lediglich die ausgebauten Waldwirtschaftswege, weil deren Streckenführung starke Steigungen möglichst vermeide. 11Die topographischen Besonderheiten der Stadtlandschaft seien auch ursächlich dafür, dass sich unter den in den Wäldern Erholung Suchenden ein überdurchschnittlich hoher Anteil von aus ganz Nordrhein-Westfalen anreisenden Mountainbikern finde. Dies führe zu besonderen Konflikten zwischen diesen und anderen Nutzergruppen. Bei Talfahrten mit stark erhöhter Geschwindigkeit ergäben sich immer wieder durch Mountainbiker verursachte gefährliche Situationen für andere Wegenutzer. Im Wald illegal angelegte Mountainbikestrecken endeten zudem oftmals unvermittelt auf den Hauptwegen, was für deren Nutzer ebenfalls eine erhebliche Unfallgefahr begründe. Die Konfliktlage und die hieraus resultierenden Beschwerden stellten eine behördlich kaum zu bewältigende Herausforderung dar, der mit der erfolgten Ausweisung einer legalisierten Downhill-Strecke nur teilweise habe begegnet werden können. Eine Freigabe der Waldwirtschaftswege für das Reiten im Wald würde nicht nur die ohnehin schon sehr ausgeprägte Gesamtfrequentierung des Hauptwegenetzes erhöhen, da unter den Erholungssuchenden die Gruppe Reiter ‑ bei z. B. im Jahr 2018 ausgegebenen etwa 1.200 Reitplaketten ‑ zahlenmäßig stark vertreten sei, sondern auch die bereits bestehende Konfliktlage zwischen Mountainbikern und anderen Erholungssuchenden verschärfen. 12Der auf den Wäldern aufgrund ihrer Nähe zum Ballungsraum Ruhrgebiet und wegen ihrer besonders guten Erschließung lastende Erholungsdruck, der sich bedingt durch die Topographie auf wenige Hauptwege konzentriere, sowie die Intensität der Nutzung der Wälder durch Mountainbiker und Reiter erfüllten die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Reitregelung. 13Die Allgemeinverfügung verfolge das Ziel, das Reiten im Wald für Reiter und andere Erholungssuchenden möglichst konfliktarm zu gestalten. Sie diene auch der Abwehr von Gefahren, die bereits jetzt durch ein erhöhtes Aufkommen von Mountainbikern bestehe und durch das Reiten auf den stark frequentierten Hauptwegen noch verstärkt werden würde. Angesichts des gut ausgebauten Reitwegenetzes habe sich die Beschränkung der Reiter auf dessen Nutzung bereits vor der Änderung der zugrunde liegenden gesetzlichen Bestimmungen bewährt. Die getroffene Regelung sei deshalb nicht nur geeignet, das gesetzte Ziel zu erreichen, sondern hierzu auch erforderlich. 14Reitverbote in den Parkanlagen zu erlassen, wo die Erholungsnutzung gegenüber der Waldwirtschaft im Vordergrund stehe, sowie für einen Großteil der Hauptwege mit besonders starker Frequentierung durch Reiter oder andere Nutzergruppen und zudem in den Bereichen, in denen eine verstärkte Nutzung durch Mountainbiker bekannt oder aber in denen im Wegekörper Schlacke verbaut sei, die bei Staubentwicklung gesundheitsgefährdende Stoffe freisetze, verursache einen unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand. Dieser sei durch die der Verwaltung zur Verfügung stehenden Mittel nicht zu leisten. Zudem ließen sich solche Reitverbote schlecht ausschildern und seien für die Erholungssuchenden in der Örtlichkeit nur schwer nachzuvollziehen. 15Angesichts der aus Gründen der Gefahrenabwehr damit andernfalls notwendigen Sperrung einzelner Wege sei die durch die Allgemeinverfügung getroffene Maßnahme auch angemessen, da der tatsächliche Zugewinn an Reitmöglichkeiten bei einem Verzicht auf die Reitregelung und gleichzeitiger Sperrung einer Vielzahl von Wegen vergleichsweise gering ausfalle. Zudem sei Leben und die körperliche Unversehrtheit der Erholungssuchenden höher zu gewichten, als das Interesse der Reiter an einem vergrößerten Reitwegenetz. 16Die Klägerin hat 3. Februar 2020, einem Montag, Klage erhoben. 17Sie ist der Auffassung, die Reitregelung vom 22. August 2019 sei schon formell rechtswidrig, da sie nicht der Rat der Beklagten als das für eine solche Entscheidung nach dem Gemeinderecht zuständige Organ beschlossen habe. 18Auch materiell-rechtlich sei die Allgemeinverfügung rechtsfehlerhaft. 19Gemessen an den Vorgaben des BTE-Gutachtens "Problemlösungen zum derzeitigen Stand der Reitregelung in Nordrhein-Westfalen" vom November 2010 ("BTE-Gutachten") habe die Beklagte schon keinen Sachverhalt ermittelt, der im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen einen Erholungsdruck für die von der Allgemeinverfügung erfassten Waldflächen belege. Dies gelte erst recht in Anbetracht der Tatsache, dass die ursprüngliche Regelung vom 27. November 2017 das östlich der Bundesautobahn A 0 gelegene Stadtgebiet nicht eingeschlossen habe. Zudem seien in der Vergangenheit bereits Waldwirtschaftswege zum Reiten freigegeben worden, ohne dass dies zu Beeinträchtigungen oder Gefährdungen anderer Erholungssuchenden geführt habe. Solche Vorfälle seien auch ebenso wenig dokumentiert wie durch das Reiten verursachte Schäden an Wegeflächen. Der Verweis auf den "Projektbericht" und das "BTE-Gutachten" könne derartige Feststellungen nicht ersetzen. Projektbericht und Gutachten stammten jeweils aus dem Jahr 2010 und enthielten deshalb keine Aussagen zu den tatsächlichen Verhältnissen bei Erlass der Allgemeinverfügung, auf die hier maßgeblich abzustellen sei. 20Schon mangels der erforderlichen, durch die Beklagte aber nicht getroffenen Sachverhaltsfeststellungen sei die Allgemeinverfügung auch ermessensfehlerhaft. Die getroffene Regelung verkenne zudem, dass es dem Willen des Gesetzgebers widerspreche, eine Reitregelung flächendeckend für das Stadtgebiet zu erlassen, anstatt eine solche Maßnahme auf einzelne Flächen zu beschränken. Auch dürfe eine Reitregelung nicht ‑ wie die Allgemeinverfügung der Beklagten ‑ lediglich die Abwehr abstrakter oder solcher Gefahren bezwecken, die aus dem verbotswidrigen Verhalten anderer Nutzergruppen resultierten. Der Verweis auf den mit der Sperrung einzelner Wege verbundenen Verwaltungsaufwand trage die Allgemeinverfügung weder im rechtlichen Ansatz noch im Tatsächlichen, da andere Kreise und Kommunen differenzierte Reitregelungen erlassen hätten. 21Die Klägerin beantragt, 22die am 2. Januar 2020 veröffentlichte Allgemeinverfügung der Beklagten vom 22. August 2019 aufzuheben. 23Die Beklagte beantragt, 24die Klage abzuweisen. 25Sie ist der Auffassung, die angegriffene Allgemeinverfügung sei rechtmäßig. 26Die Begründung der Reitregelung vertiefend und ergänzend macht sie im Wesentlichen geltend, diese begegne in formeller Hinsicht keinen rechtlich durchgreifenden Bedenken, da ihr Erlass ein Geschäft der laufenden Verwaltung sei und deshalb nicht in die Ratszuständigkeit falle. Im Übrigen begründe der Verstoß gegen organschaftliche Zuständigkeitsbestimmungen für sich genommen auch keine klagefähige Rechtsposition. 27Materiell-rechtlich sei die Allgemeinverfügung ebenfalls rechtmäßig. 28Der Nutzungsdruck auf die Naherholungsgebiete im Stadtgebiet sei bei rechnerisch 21,5 Einwohnern und 0,7 Reitern je Hektar gegenüber den in dem "BTE-Gutachten" für den Kreis N. getroffenen Feststellungen in etwa doppelt so hoch zu veranschlagen. Ebenso wie der Kreis N. liege zudem auch das Stadtgebiet im Einzugsbereich der Großstädte des Ruhrgebiets. Die dem "Projektbericht" zu Grunde liegende Untersuchung von vier Wäldern im Stadtgebiet stütze diese Annahme und belege Konflikte zwischen den verschiedenen Nutzgruppen. Das Auftreten solcher Konflikte entspreche auch den Erfahrungen der behördlichen Mitarbeiter. 29Der unter Auswertung der vor Erlass der Allgemeinverfügung eingeholten Stellungnahmen damit hinreichend ermittelte Sachverhalt trage auch den Erlass der Reitwegeregelung. Der festgestellte Interessen‑ und Nutzungskonflikt zwischen den Reitern auf der einen Seite und anderen Erholungssuchenden sowie den Grundeigentümer auf der anderen Seite habe in Gesprächsrunden vor Erlass der Reitwegeregelung aus dem Jahr 2017 und der jetzt angegriffenen Allgemeinverfügung nicht aufgelöst werden können. Hinzu komme, dass die Frequentierung der städtischen Naherholungsgebiete in den letzten beiden Jahren erheblich zugenommen habe, was anhand der Spuren auf und außerhalb des Wegenetzes sowie der Meldungen von Bürgern , der Naturschutzwacht, sowie von Förstern und Jägern und der Beobachtungen eigener Mitarbeiter im Gelände festzustellen sei. Dies gelte auch für den Bereich östlich der Bundesautobahn A 0, weshalb dieser in die angegriffene Allgemeinverfügung einbezogen worden sei. Dass sich deren Geltung auf das gesamte Stadtgebiet erstrecke, sei auch nicht neu, sondern entspreche der Entscheidung des Stadtrates aus Anlass der im Jahr 2012 erfolgten Novellierung des Reitwegerechts. 30Im Stadtgebiet finde sich westlich und östlich des Stadtteils S1. ein Reitwegenetz mit insgesamt 30,5 km Länge, das durch die in der Straßenverkehrsordnung bzw. den naturschutzrechtlichen Vorgaben vorgesehenen Schilder ("weiße Pferd auf blauem Grund" bzw. "weißes Hufeisen") hinreichend ausgeschildert und mangels gravierender Schäden auch durchweg benutzbar sei. Hinzu komme die Möglichkeit des Reitens in der freien Landschaft. 31Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin sei es vom Zweck des Gesetzes gedeckt, mit der Reitwegeregelung neben der Abwehr von Gefahren auch andere Ziele zu verfolgen. In die getroffene Ermessensentscheidung zum Erlass der Reitwegeregelung sei deshalb auch etwa das Interesse anderer Nutzergruppen an einer ungestörten Wege Nutzung sowie das Interesse der Eigentümer an der Erhaltung der Wege gegeneinander abwägend unter Berücksichtigung der gleichberechtigten Interessen der Reiter einzustellen gewesen. Zur Schaffung geeigneter Reitmöglichkeiten sehe das Gesetz als ‑ auch kombinierbare ‑ Optionen die Freigabe von Wegen, die Beschränkung des Reitens auf ausgewiesene Wege, die Wegesperrung in Einzelfällen sowie die Ausweisung von Reitwegen vor. Im Rahmen der Abwägung sei es angesichts des hohen Anteils an Radfahrern und Mountainbikern an der Wegenutzung und der durch bedingten konkreten Gefahren legitim, das Reiten vorrangig auf ein bereits vorhandenes Reitwegenetz zu beschränken, da sich andere Nutzergruppen nicht in gleicher Weise auf ein exklusives Wegenetz verweisen ließen. Mithin sei die stadtweite Beschränkung des Reitens im Wald Teil einer abgewogenen Gesamtplanung, die den Interessen aller Nutzengruppen diene und mit den der Verwaltung zur Verfügung stehenden Mitteln auch erreicht und erhalten werden könne. Eine derartige Beschränkung, die nach einzelnen Wegen differenziere, bedeute einen unverhältnismäßig hohen, kaum zu leistenden Ermittlungs‑ und Planungsaufwand, da das hierfür erforderlichen Zahlenmaterial neu zusammengetragen werden müsste. 32Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 7. Juli 2022 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Eine eben solche Erklärung hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 25. Juli 2022 abgegeben. 33Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach‑ und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. 34Entscheidungsgründe: 35Über das Klagebegehren kann gemäß § 101 Abs. 2 VwGO im erklärten Einverständnis der Beteiligten ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden. 36Die Klage hat Erfolg. 37Das Rechtsschutzgesuch ist als Anfechtungsbegehren (§ 42 Abs. 2 Alt. 1 VwGO) zulässig. Insbesondere ist die Klägerin als im Stadtgebiet der Beklagten wohnende Freizeitreiterin klagebefugt im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO, da sie geltend machen kann, durch die mit der angegriffenen Allgemeinverfügung (§ 35 S. 2 VwVfG NRW) verfügte Beschränkung des Reitens im Wald auf bestimmte Wege in ihrem durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit verletzt zu sein. 38Die Klage ist auch begründet. Die Allgemeinverfügung der Beklagten vom 22. August 2019 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Dies steht nach Lage der Akten zur Überzeugung des Gerichts auch ohne die Notwendigkeit einer weiteren Sachverklärung fest. 39Die Allgemeinverfügung der Beklagten findet keine Stütze in der als Ermächtigungsgrundlage allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 58 Abs. 4 S. 1 des Gesetzes zum Schutz der Natur in Nordrhein-Westfalen (Landesnaturschutzgesetz – LNatSchG NRW) in der zuletzt durch das Gesetz vom 1. Februar 2022 (GV. NRW. S. 139) geänderten Fassung der Bekanntmachung vom 21. Juli 2000 (GV. NRW. S. 568). Danach können die Kreise und kreisfreien Städte in Waldflächen, die in besonderem Maße für Erholungszwecke genutzt werden, im Einvernehmen mit der Forstbehörde und nach Anhörung der betroffenen Gemeinden und Waldbesitzer und Reiterverbände durch Allgemeinverfügung das Reiten im Wald auf die nach den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung gekennzeichneten Reitwege beschränken. 40Die danach für den Erlass der angegriffenen Reitregelung maßgeblichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen liegen nicht vor. Die Allgemeinverfügung haften ‑ unter anderem ‑ formelle Fehler an, die rechtlich nicht unbeachtlich sind und deshalb zugleich auch die materielle Rechtswidrigkeit der getroffenen Maßnahme begründen. 41Der Oberbürgermeister der Beklagten war nicht befugt, die Reitregelung selbst zu treffen. 42Gemäß § 41 Abs. 1 S. 1 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Juli 1994 (GV. NW. 1994 S. 666), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 13. April 2022 (GV. NRW. S. 490), ist der Rat der Gemeinde für alle Angelegenheiten der Gemeindeverwaltung zuständig, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Abgesehen von den in § 41 Abs. 1 Satz 2 GO NRW enumerativ aufgezählten Fällen kann der Rat die Entscheidung über bestimmte Angelegenheiten auf Ausschüsse oder den Bürgermeister übertragen (§ 41 Abs. 2 Satz 1 GO NRW). Geschäfte der laufenden Verwaltung gelten im Namen des Rats als auf den Bürgermeister übertragen, soweit nicht der Rat sich, einer Bezirksvertretung oder einem Ausschuss für einen bestimmten Kreis von Geschäften oder für einen Einzelfall die Entscheidung vorbehält (§ 41 Abs. 3 GO NRW). 43Bei den „Geschäften der laufenden Verwaltung“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen verwaltungsgerichtlichen Überprüfung unterliegt. Nach gefestigter Rechtsprechung fallen die nach Regelmäßigkeit und Häufigkeit üblichen Geschäfte darunter, deren Erledigung nach feststehenden Grundsätzen „auf eingefahrenen Gleisen“ erfolgt und die für die Gemeinde unter Berücksichtigung ihrer Größe und Finanzkraft weder wirtschaftlich noch grundsätzlich von wesentlicher Bedeutung sind. 44Vgl. OVG NRW, Urteil vom 13. Mai 2019, 11 A 2057/17, juris Rdnr. 42,. 45Danach zählt zwar die Veröffentlichung der Entscheidung über den Erlass einer Reitregelung zu den Geschäften der laufenden Verwaltung, nicht aber die Entscheidung, ob ‑ und gegebenenfalls inwieweit ‑ von der Ermächtigung des § 58 Abs. 4 S. 1 LNatSchG NRW Gebrauch gemacht werden soll. 46Hierzu tendierend, aber offen gelassen: VG Gelsenkirchen, Urteil vom 11. August 2020, 6 K 857/18, juris Rdnr. 50 ff. 47Diese fällt vielmehr in die Zuständigkeit des Rates der Stadt. Eine Reitregelung gilt es weder häufig noch regelmäßig zu treffen. Sie ist eine gemäß § 58 Abs. 4 S. 1 LNatSchG NRW in das Ermessen des Entscheidungsträgers gestellte Grundsatzentscheidung über die Reitbefugnis in den Waldgebieten der Stadt, die regelmäßig Geltung für unbestimmte Zeit beansprucht und für alle Nutzer des Waldes von Bedeutung ist. Damit aber besitzt sie offensichtlich nicht nur den das Geschäft der laufenden Verwaltung bezeichnenden Bagatellcharakter. 48Dass der angegriffenen Allgemeinverfügung kein Beschluss des Rates der Beklagten zugrunde liegt, ist auch kein bloßer Verstoß gegen verwaltungsinterne Zuständigkeitsbestimmungen, mit dem sich kein Klagerecht begründen lässt. 49So aber VG Aachen, Urteil vom 8. August 2019, 5 K 1692/18, juris Rdnr. 47. 50Die Missachtung der Ratszuständigkeit ist kein formeller Fehler, der gemäß § 46 VwVfG. NRW. unbeachtlich ist. Danach kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Eben dies lässt sich angesichts des Ermessenscharakters der Entscheidung nach § 58 Abs. 4 S. 1 LNatSchG NRW nicht feststellen. Anhaltspunkte, die die Annahme auch nur nahe legen könnten, der Rat der Beklagten sei rechtlich verpflichtet gewesen, eine Reitregelung mit dem Inhalt der angegriffenen Allgemeinverfügung zu beschließen, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich. 51Das Fehlen des erforderlichen Ratsbeschlusses führt jedenfalls hier auch zur materiellen Rechtswidrigkeit der angefochtenen Allgemeinverfügung. 52Vgl. zu den Folgen eines fehlenden Ratsbeschlusses über ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften: OVG NRW, Urteil vom 13. Mai 2019, 11 A 2057/17, juris Rdnr. 54. 53Ihr haftet ein Ermessensfehler im Sinne des § 114 S. 1 VwGO an, da der Rat der Beklagten, der zur Ausübung des nach § 58 Abs. 4 S. 1 LNatSchG NRW eröffneten Ermessens berufen ist, mit Entscheidung über den Erlass der Reitregelung nicht befasst war und deshalb das ihm obliegende Ermessen auch nicht ausgeübt hat. 54Die angefochtene Allgemeinverfügung ist zudem in formeller Hinsicht auch deshalb zu beanstanden, weil ihrem Erlass kein gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 VwVfG. NRW. von Amts wegen ausreichend ermittelter Sachverhalt zu Grunde liegt. Dies hat ebenfalls deren materielle Rechtswidrigkeit zur Folge, weil die insoweit darlegungs‑ und beweispflichtige Beklagte sich nicht mit Erfolg auf einen verifizierbaren Sachverhalt berufen kann, der geeignet ist, die getroffene Reitregelung zu rechtfertigen. Dies gilt sowohl für die von ihr vertretene Rechtsauffassung, sämtliche Wälder in ihrem Stadtgebiet würden im Sinne des § 58 Abs. 4 S. 1 LNatSchG NRW in besonderem Maße für Erholungszwecke genutzt, als auch für die Gründe, die aus Sicht der Beklagten den Erlass einer Reitwegeregelung in der durch die erlassene Allgemeinverfügung ausgestalteten Form erforderlich gemacht haben. 55Ob eine Waldfläche § 58 Abs. 4 S. 1 LNatSchG NRW in besonderem Maße für Erholungszwecke genutzt werden, ist im Wege der Subsumtion in Frage kommender Sachverhalte unter die unbestimmten ‑ und damit vollständig der gerichtlichen Kontrolle unterliegenden ‑ Rechtsbegriffe "Waldfläche", "Erholungszweck" und "Nutzung in besonderem Maß" zu ermitteln. Da eine in Gestalt einer Allgemeinverfügung erlassene Reitwegeregelung angesichts der mit ihr verfügten beständigen Beschränkung des Reitens im Wald auf bestimmte Wege rechtlich als Dauerverwaltungsakt zu qualifizieren ist, ist für die Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit auf die Sach‑ und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ‑ bzw. hier der gerichtlichen Entscheidung über das Klagebegehren ‑ abzustellen. 56Der von der Beklagten aktenkundig gemachte Sachverhalt rechtfertigt die der angefochtenen Allgemeinverfügung zu Grunde liegende Annahme indes nicht, dass sämtliche Waldflächen im Stadtgebiet in gleicher Weise einem Erholungsdruck ausgesetzt sind, den der Erlass einer Reitregelung nach § 58 Abs. 4 S. 1 LNatSchG NRW voraussetzt. Offen bleiben kann, ob ‑ und gegebenenfalls hinsichtlich welcher Waldflächen ‑ die Ergebnisse des "Projektberichts" und / oder des "BTE-Gutachtens", die die Beklagte zur Begründung ihrer gegenteiligen Rechtsauffassung in Bezug genommen hat, auf Sachverhaltsfeststellungen beruhen, die Auskunft über die Erholungsnutzung einzelner Waldflächen ihres Stadtgebiets und deren Intensität enthalten. Solche Sachverhaltsfeststellungen können die hier in Rede stehende Reitregelung schon deshalb nicht tragen, weil sie angesichts ihres Alters keine hinreichend verlässliche Auskunft über die für den Erlass der Allgemeinverfügung vom 22. August 2019 maßgebliche Nutzung der Waldflächen geben können. 57Sowohl der "Projektbericht" wie auch das "BTE-Gutachten" stammen aus dem Jahr 2010 und können deshalb auch nur bis dahin getroffene tatsächlichen Feststellungen auswerten. Auf der Grundlage dieser Sachverhaltsfeststellungen, die bei Erlass der Allgemeinverfügung mindestens 9 Jahre waren und bezogen auf den hier maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung mehr als 11 Jahre alt sind, lassen sich indes keine belastbaren Aussagen über den derzeit auf den Waldflächen des Stadtgebietes lastenden Erholungsdruck treffen. Hierzu hätte es vielmehr zumindest auch aktualisierender Erhebungen durch die Beklagte bedurft. 58Gegenteiliges ist weder dem "Projektbericht" noch dem "BTE-Gutachten" zu entnehmen. So benennt etwa das BTE-Gutachten auf Seite 117 als Informationsquellen statistisches Datenmaterial zur Einwohnerdichte, bei den Reiterverbänden vorgehaltene Daten sowie Besucherzählungen und die Zählung von Reitern im Gelände, um die ‑ neben anderem ‑ zur Bestimmung von "Gebieten mit besonderen Vorgaben für das Reiten" in Betracht kommenden Kriterien "starker Erholungsdruck" und "Reitaufkommen" auszufüllen. Da das so zu gewinnende Datenmaterial naturgemäß ständigen Veränderungen unterworfen ist, lässt sich kein allgemeiner Erfahrungssatz aufstellen, demzufolge sich die Erholungsnutzung der Waldflächen im Stadtgebiet der Beklagten nach Art und Ausmaß mit Blick auf die einzelnen Nutzergruppen und / oder in der Gesamtschau seit dem Jahr 2010 nicht verändert oder gar in rechtserheblichem Umfang zugenommen hat. Damit fehlt es aber der auf den "Projektbericht" und das "BTE-Gutachten" Annahme der Beklagten, der auf den Wäldern im Stadtgebiet lastende Erholungsdruck erfülle die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Reitregelung, weil die Wälder in der Nähe zum Ballungsraum Ruhrgebiet gelegen und die dortigen Wege besonders gut erschlossen seien, sich deren Nutzung bedingt durch die Topographie auf wenige Hauptwege konzentriere und Mountainbiker und Reiter die Waldflächen und ‑ wege intensiv nutzten, an der notwendigen Tatsachengrundlage. 59Dies gilt insbesondere, soweit die Beklagte zur Rechtfertigung ihrer Allgemeinverfügung auf eine stark zugenommene Nutzung von Waldwegen und Waldflächen jenseits ausgewiesener Wege durch die Mountainbiker verweist. Die Einschätzung der Beklagten mag in der Sache zutreffen, auf einer überprüfbaren Tatsachengrundlage beruht auch diese nicht. Die zu ihrem Beleg im Wesentlichen angeführten Beobachtungen eigener Mitarbeiter oder der Bediensteten von Forst‑ und Naturschutzbehörden bzw. Waldbesitzern beruht auf deren subjektiver Wahrnehmung, die nach Lage der Akten nicht hinreichend objektiviert ist. In dem Ende Dezember 2020 von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgang (Beiakte Heft 5) finden sich etwa 20 Dokumente, die sich thematisch der Nutzung des Waldes durch Mountainbiker zuordnen lassen. Von diesen Dokumenten, die sich inhaltlich weit überwiegend mit der Nutzung des Waldes durch Mountainbiker jenseits von Wegeflächen befassen und verschiedene städtische Waldgebiete betreffen, datieren 10 aus dem Jahr 2020, 3 aus dem Jahr 2019, 5 aus dem Jahr 2018 und je eines aus den Jahren 2017 und 2016. Bei einer Fläche des Stadtgebiets von insgesamt gut 168 km², 60vgl. https://www.X1. .de/wirtschaft-stadtentwicklung/daten_fakten/index.php (letzter Aufruf 18. August 2022), 61die nach der der Allgemeinverfügung beigefügten Begründung zu etwa 30 % ‑ und damit auf ca. 50 km² ‑ mit Wald bestockt ist, lässt sich aus den vorgelegten Dokumenten angesichts der Tatsache, dass die zu Grunde liegenden Sachverhalte nicht nur ein bestimmtes Waldgebiet betreffen und sich auf einen Zeitraum von 5 Jahren verteilen, allenfalls schlussfolgern, dass einzelne Mountainbiker in den vergangenen Jahren wiederholt an vereinzelten Stellen des Stadtgebiets für ihre Freizeitaktivitäten Waldflächen illegal nutzen. Einen Erholungsdruck, der im Sinne des § 58 Abs. 4 S. 1 LNatSchG NRW auf einer bestimmten Waldfläche oder gar den Waldflächen stadtweit in besonderer Weise lastet, belegt das illegale Verhalten einzelner Mitglieder einer bestimmten Nutzergruppe des Waldes für sich genommen nicht. Nicht klärungsbedürftig ist damit, ob und inwieweit die im Jahr 2020 im Vergleich zu den Vorjahren dokumentierte Zunahme der Verstöße nicht (auch) eine Ursache in den pandemiebedingten Einschränkungen Möglichkeiten gehabt hat, Freizeit zu gestalten. 62Ein gemäß § 58 Abs. 4 S. 1 LNatSchG NRW auf den Waldflächen des Stadtgebiets der Beklagten lastender Erholungsdruck ergibt sich auch nicht mit Blick auf die Nutzung der Wälder durch Reiter, Radfahrer oder Wanderer. Während es zur Nutzung der Waldflächen durch Radfahrer oder Wanderer vollständig an tatsächlichen Feststellungen fehlt, die vorgetragen und / oder in den Verwaltungsvorgängen dokumentiert sind, ergibt sich aus den Fakten, die zu den Nutzergruppen, der Flächengröße der Stadt, der Zahl ihrer Einwohner und der Zahl der Reitpferde festgehalten sind, ebenfalls kein rechtserheblicher Erholungsdruck. Die Zahl der Einwohner der Stadt bzw. der durch die Erteilung einer Reitplakette erfassten Pferde im Stadtgebiet jeweils ins Verhältnis gesetzt zur Größe der vorhandenen Waldfläche mag insoweit indiziell bedeutsam sein, lässt für sich genommen aber keinen Rückschluss auf das Nutzungsverhalten der Einwohner bzw. Reiter und damit auf deren (potentielle) Inanspruchnahme des Wegenetzes im gesamten Waldgebiet der Stadt zu. 63Ungeachtet dessen musste sich der Beklagten die Notwendigkeit einer weiteren Sachverhaltsermittlung jedenfalls in Bezug auf den Erholungsdruck aufdrängen, der auf den östlich der Bundesautobahn A 0 gelegenen Waldflächen lastet. Schon weil sie diesen Bereich der Stadt unter Hinweis auf den dort geringen Freizeitdruck nicht in den Anwendungsbereich der Reitregelung vom 27. November 2017 aufgenommen hatte, bedurfte gerade die Ausweitung der Beschränkung der Reitbefugnis auf diesen Teil der Stadt einer expliziten, auf aktuellen Erkenntnissen beruhenden Rechtfertigung. Eine solche stellt das von Ratsfraktionen an die Verwaltung der Beklagten herangetragene Ansinnen, die von der Allgemeinverfügung vom 27. November 2017 nicht erfassten Waldflächen im Wege ihrer Änderung in den Geltungsbereich einer Bestimmung nach § 58 Abs. 4 S. 1 LNatSchG NRW aufzunehmen, offensichtlich nicht dar. Dass diesem Ansinnen ein rechtlich tragfähiger Grund im Sinne der Ermächtigungsnorm zu Grunde lag, war und ist ebenso wenig offensichtlich. Dies folgt schon aus dem Umstand, dass der Landesbetrieb in seiner Stellungnahme vom 12. September 2018 zu dem Änderungsvorhaben Bedenken gegen eine undifferenzierte Ausweitung der Allgemeinverfügung auf das gesamte Stadtgebiet geäußert hat. Dieser ‑ die Beklagte rechtlich nicht bindende ‑ Einwand einer sachverständigen Stelle hätte Anlass sein müssen, den Grund für die Bedenken zu eruieren, um ihn durch eigene (weitere) Sachverhaltsermittlungen gegebenenfalls auszuräumen. Eben dies ist nicht geschehen. 64Dass die Forderung nach einem Aufklärungsbedarf, der über die von ihr angestellten Sachverhaltsermittlungen hinausgeht, aus Sicht der Beklagten nur mit einem unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand zu erfüllen ist, entbindet sie nicht von der Pflicht, das Vorliegen der nach § 58 Abs. 4 S. 1 LNatSchG erforderlichen Eingriffsvoraussetzungen zu ermitteln und verifizierbar darzulegen. 65Der Einwand verkennt die aus dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG folgende Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht. Danach trifft die Beklagte de lege lata die Darlegungs‑ und Beweislast für das Vorliegen der durch den Gesetzgeber normierten Voraussetzungen, unter denen sie von seiner in § 58 Abs. 2 S. 1 LNatSchG NRW kodifizierten Grundsatzentscheidung, nach der das Reiten im Wald über den Gemeingebrauch an öffentlichen Verkehrsflächen hinaus zum Zwecke der Erholung auf privaten Straßen und Fahrwegen sowie auf den nach den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung gekennzeichneten Reitwegen auf eigene Gefahr gestattet ist, ausnahmsweise abweichen und ihrerseits durch eine Beschränkung der Reitbefugnis in das Recht der allgemeinen Handlungsfreit (Art. 2 Abs. 1 GG) der Adressaten der Allgemeinverfügung eingreifen darf. 66Vgl. zum Umfang der behördlichen Aufklärungspflicht auch: VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 8. Februar 2019, 6 L 1503/18, juris Rdnr. 27. 67Sollten sich behördlicherseits die tatsächlichen Voraussetzungen für ein Einschreiten nach § 58 Abs. 4 S. 1 LNatSchG NRW regelmäßig wegen eines nicht leistbaren Verwaltungsaufwandes nicht hinreichend verlässlich feststellen lassen, kann dem lediglich durch eine Änderung der gesetzlichen Grundlagen Rechnung getragen werden. 68Im Übrigen ist die Berufung der Beklagten auf einen unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand auch in der Sache jedenfalls nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Abgesehen davon, dass der Ermittlungsaufwand von der Zahl und Größe der Flächen abhängt, für die der Erlass einer Reitregelung nach § 58 Abs. 4 S. 1 LNatSchG NRW in Betracht gezogen wird, lässt sich der durch das Gebot der Sachverhaltsermittlung erforderliche Verwaltungsaufwand jedenfalls teilweilweise durch den Rückgriff auf den Erkenntnisstand anderer Behörden mindern. So ist der Kammer aus anderen Verfahren, die die Rechtmäßigkeit von Reitregelungen betrafen, bekannt, dass sich Kommunen und Kreise zwecks Bestimmung des Maßes an Erholungsnutzung von Waldflächen etwa einer von der Forstverwaltung erstellten "Waldfunktionskarte" bedienen (können), 69vgl. hierzu auch VG Gelsenkirchen vom 11. August 2020, 6 K 857/18, juris Rdnr. 81, 70deren Feststellungen als Grundlage für die Identifizierung möglicherweise von § 58 Abs. 4 S. 1 LNatSchG NRW erfasster Waldgebiete und hieran gegebenenfalls anzuknüpfender weiterer Sachverhaltsermittlungen in Betracht kommen. 71Schließlich ist die gemäß § 58 Abs. 4 S. 1 LNatSchG NRW getroffene Ermessensentscheidung auch rechtsfehlerhaft (§ 114 S. 1 VwGO), soweit sie dazu dienen soll, den Gefahren zu begegnen, die sich aus der illegalen Nutzung von Waldflächen und Waldwegen durch Mountainbiker ergeben. 72Da die Ermächtigungsgrundlage selbst den Zweck eines Einschreitens nicht einschränkt, ist die sich aus § 58 Abs. 4 S. 1 LNatSchG NRW ergebende behördliche Befugnis zum Einschreiten als Korrektiv zu der das Reiten im Wald unter den dort genannten Voraussetzungen allgemein erlaubenden Regelung des § 58 Abs. 2 S. 1 LNatSchG NRW zu verstehen. 73Vgl. Beschluss der Kammer vom 20. Juni 2018, 15 L 1007/18, juris Rdnr. 30. 74Der Erlass einer Allgemeinverfügung nach § 58 Abs. 4 S. 1 LNatSchG NRW ist deshalb kein planerisches Instrument zum Ausgleich der verschiedenen Interessen, die sich aus der unterschiedlichen Art und Weise der Nutzung von Wegeflächen in Waldgebieten durch Erholungssuchende ergeben. Sie ist vielmehr Teil des durch den Gesetzgeber diesbezüglich selbst verwirklichten Gesamtkonzepts. Die durch § 58 LNatSchG NRW getroffene Reitregelung ist nämlich nach der Gesetzesbegründung das 75"... Ergebnis einer umfassenden Abwägung der Rechte und Interessen der Grundeigentümer und Nutzungsberechtigten, der Belange der Erholungssuchenden, der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege sowie der Rechte und Interessen der Reiter gegeneinander und untereinander. In die Abwägung wurde auch die Frage nach Kontrolle und Vollzug der Vorschriften einbezogen. Das Ergebnis ist eine räumlich-differenzierte Regelung, die den Reitern unter Berücksichtigung des in Nordrhein-Westfalen unterschiedlich hohen Erholungsaufkommens grundsätzlich erweiterte Reitmöglichkeiten als bisher einräumt und zugleich den Kreisen und kreisfreien Städten als unteren Naturschutzbehörden und Kreisordnungsbehörden die Möglichkeit zur Lenkung des Reitverkehrs und zur Festlegung von Reitverboten im Einzelfall gibt und außerdem dem Grundeigentümer ein Recht auf Sperrung im Einzelfall einräumt ...". 76Gesetzentwurf der Landeregierung, LT-Drs. 16/11154, S. 170. 77Damit ermächtigt die Regelung des § 58 Abs. 4 S. 1 LNatSchG NRW entgegen der Annahme, die die Beklagte ihrer Begründung für den Erlass der ersten Reitwegeregelung vom 27. November 2017 unter anderem zu Grunde gelegt hat, auch nicht dazu, durch eine Allgemeinverfügung die Freizeitnutzung allgemein zu kanalisieren oder den Ausbaustandard der Sparzierwege zu erhalten. Wegen ihres Ausnahmecharakters einer auf § 58 Abs. 4 S. 1 LNatSchG NRW gestützten Allgemeinverfügung, der sich aus der Gesetzesbegründung und der Systematik der Regelungen in Absatz 2 und Absatz 4 des § 58 LNatSchG NRW ergibt, bedarf ihr Erlass vielmehr einer Rechtfertigung, die auf den Einzelfall bezogen ihren Anlass in der vom Gesetzgeber als Regelfall gewollten gleichberechtigten Nutzung der Waldwege durch Erholungssuchende findet. Darunter fallen jedenfalls solche Gefahren nicht, die aus der illegalen Nutzung des Waldes und seiner Wege ‑ etwa durch Mountainbiker ‑ resultieren (können). Derartigen Gefahren kann ‑ und muss gegebenenfalls ‑ durch den Einsatz sonstiger (sonder‑)ordnungsrechtlich verfügbarer Mittel begegnet werden. Dabei wird nicht außer Acht bleiben dürfen, wer die abzuwehrenden Gefahren verursacht. 78Da § 58 LNatSchG NRW die Vorstellung des Gesetzgebers zu Grunde liegt, dass im Begegnungsverkehr zwischen Reitern und anderen Erholungssuchenden in der Regel keine Konflikte zu erwarten sind, dient die in § 58 Abs. 4 S. 1 LNatSchG NRW enthaltene Ermächtigung zum Erlass von Reitwegeregelungen aber jedenfalls dem Zweck, aus Anlass von Konflikten, die entgegen der Regelannahme des § 58 Abs. 2 S. 1 LNatSchG NRW zwischen Reitern und anderen Erholungssuchenden im Einzelfall tatsächlich auftreten, den durch sie verursachten konkreten Gefahren für schützenswerte Rechtsgüter begegnen zu können. 79Vgl. Beschluss der Kammer vom 20. Juni 2018, 15 L 1007/18, juris Rdnr. 32. 80Solche Konfliktsituationen von rechtserheblicher Bedeutung sind indes weder durch die Beklagte für sämtliche ‑ oder auch nur einzelne ‑ Waldflächen des Stadtgebietes vorgetragen noch sonst ersichtlich. In den beigezogenen Verwaltungsvorgängen finden sich nur ganz vereinzelt Hinweise auf Beschwerden, die die Nutzung von Wegeflächen zu Reitzwecken betreffen. Keine der ‑ wenn überhaupt vor Ort nur verbal geführten ‑ Streitigkeiten zwischen Eigentümern bzw. anderen Nutzern von Wegeflächen und Reitern über die Frage, ob ein bestimmter Weg zu Reitzwecken genutzt werden darf, hat indes zu einer Verletzung oder auch nur einer Gefährdung für die von der Beklagten als zu schützend benannten Individualrechtsgüter Leben und Gesundheit geführt. Lediglich vorsorglich ist zudem festzustellen, dass den Verwaltungsvorgängen der Beklagten nicht entnommen werden kann, dass die (illegale) Nutzung von Waldflächen oder Waldwegen durch Mountainbiker Ursache für Konflikte zwischen Mountainbikern und Reitern gewesen ist. 81Offen bleiben kann hier schließlich, ob eine Reitwegeregelung nach dem Sinn und Zweck des § 58 Abs. 4 S. 1 LNatSchG NRW zur Abwehr solcher Gefahren erlassen werden darf, die für andere Erholungssuchende dadurch entstehen (können) sollen, dass sie Staub einatmen, der durch das Reiten aufgewirbelt wird und gesundheitsgefährdende Stoffe enthält. Als Ermessenserwägung trägt diese Überlegung die angegriffene Allgemeinverfügung schon deshalb nicht, weil die Schlacke als das nach den Angaben der Beklagten Staub verursachende Material nach Aktenlage nicht in allen von der Reitregelung erfassten Wegeflächen verbaut ist und die Beklagte die Staubentwicklung beim Reiten sowie die von dem Staub ausgehenden Gesundheitsgefahren zwar behauptet, aber nicht belegt hat. 82Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. 83Rechtsmittelbelehrung: 84Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. 85Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. 86Die Berufung ist nur zuzulassen, 871. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 882. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 893. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 904. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 915. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. 92Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich einzureichen. 93Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen. 94Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen. 95Die Antragsschrift und die Zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. 96Beschluss: 97Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt. 98Gründe: 99Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG. 100Rechtsmittelbelehrung: 101Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. 102Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 103Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 104Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt. 105Die Beschwerdeschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. 106War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
die am 2. januar 2020 veröffentlichte allgemeinverfügung der beklagten vom 22. august 2019 wird aufgehoben. die beklagte trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar.die beklagte darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des beizutreibenden betrages abwenden, wenn nicht die klägerin vor der vollstreckung sicherheit in gleicher höhe leistet. 1
2die klägerin ist pferdebesitzerin, freizeitreiterin und im gemeindegebiet der beklagten wohnhaft. 3am 00. dezember 2017 veröffentliche die beklagte im amtsblatt der stadt ihre allgemeinverfügung vom 27. november 2017. danach war das "... reiten im wald (...) in den westlich der bundesautobahn a 0 gelegenen waldflächen nur auf den, nach den vorschriften der straßenverkehrsordnung gekennzeichneten, reitwegen erlaubt ...". 4zur begründung führte sie im wesentlichen aus, die stadt habe etwa 350.000 einwohner mit einer hohen und weiter anwachsenden bevölkerungsdichte im innerstädtischen bereich. der waldanteil betrage 30 %, wobei sich die waldfläche in inselartigen kleinflächen über das gesamte stadtgebiet verteile. in den öffentlichen wäldern habe sie angesichts einer stetigen zunahme von erholungssuchenden und veränderten erholungsaktivitäten eine umfangreiche erholungsstruktur aufgebaut. die in ministeriellem auftrag erstellte studie "freizeit- und erholung nutzung urbaner wälder unter berücksichtigung von konflikten unterschiedlicher freizeitnutzung untereinander und mit biotop- und artenschutzaspekten" aus dem jahr 2010 ("projektbericht") komme zu dem ergebnis, dass die innerstädtischen freiflächen insbesondere an wochenenden intensiv genutzt würden. um konflikte zu vermeiden und die attraktivität zu erhöhen seien bereits vor 25 jahren städtischerseits maßnahmen wie etwa der bau von reit‑ und radwegen und die ausweisung von hundeauslaufgebieten ergriffen worden, um die unterschiedliche freizeitnutzungen zu steuern, zu kanalisieren bzw. anspruchsspezifisch zu trennen. gleichwohl gebe es ausweislich der studie sowie nach den täglichen erfahrungen des kommunalen ordnungsdienstes aufgrund der weiteren diversifizierung der freizeitaktivitäten und ihrer zunehmenden intensität konflikte mit und unter den wegenutzern. die durch die allgemeinverfügung getroffene reitwegeregelung unterstütze die bisherigen bemühungen, die freizeitnutzung zu kanalisieren und den ausbaustandard der sparzierwege zu erhalten. das sperren einzelner waldbereiche hätte hingegen nicht nur eine vermehrte beschilderung zur folge, sondern würde auch die orientierung der erholungssuchenden und die nachvollziehbarkeit der unterschiedlichen regelungen beeinträchtigen. die differenzierung zwischen den stark besiedelten bereichen mit erhöhter freizeitnutzung westlich der bundesautobahn a 0 und dem östlich von ihr gelegenen bereich mit lockerer bebauung und geringem freizeitdruck sei demgegenüber für die betroffenen handhabbar. 5bereits am 00. dezember 2017 hatte der umweltausschuss der beklagten auf antrag zweier ratsfraktionen einstimmig beschlossen, die reitwegeregelung vom 27. november 2017 solle abgeändert und so gefasst werden, dass die reitwege im gesamten stadtgebiet auf das nach den vorschriften der straßenverkehrsordnung gekennzeichneten reitwegenetz beschränkt blieben. 6im september 2018 übersandte die beklagte den entwurf vom 17. august 2018 zur änderung der allgemeinverfügung vom 27. november 2017 nebst zugehöriger begründung zur stellungnahme dem landesbetrieb x. und i. nrw (landesbetrieb), der forstbetriebsgemeinschaft x1. a.v. (forstbetriebsgemeinschaft), dem pferdesportverband s. e.v., dem stadtverband x1. der vereinigung der g. und –g1. in deutschland e.v. sowie den ortsbauernschaften x1. p. und x2. und zwei ortsbauern. ebenfalls zur stellungnahme erhielten die vorbezeichneten und der x3. nrw von der beklagten unter dem 26. august 2019 auch den entwurf zur änderung der reitwegeregelung in der fassung vom 22. august 2019. 7während sich die pferdesportlichen organisationen gegen das vorhaben aussprachen, befürwortete es die g2. . der landesbetrieb äußerte in seiner stellungnahme vom 12. september 2018 zwar bedenken gegen eine undifferenzierte ausweitung der allgemeinverfügung auf das gesamte stadtgebiet, stimmte der neuregelung aber mit der begründung zu, dass die beabsichtigte einschränkung des reitverkehrs keine verschlechterung für die von ihm zu vertretenden schutzgüter bedeute. unter dem 16. september 2019 erklärte er sein einvernehmen zu der änderungsfassung vom 22. august 2019. 8nach kenntnisnahme durch ihren umweltausschuss veröffentlichte die beklagte im städtischen amtsblatt (nr. 1/2020) am 2. januar 2020 die allgemeinverfügung vom 22. august 2019. danach ist das "... reiten im wald (...) im gesamten stadtgebiet auf den, nach den vorschriften der straßenverkehrsordnung gekennzeichneten, reitwegen erlaubt ...". 9in der dem umweltausschuss vorgelegten begründung führte die beklagte im wesentlichen aus, das gebiet ihrer bevölkerungsreichen großstadt umfasse neben einem dicht besiedelten innenbereich große freiraumflächen mit einem waldanteil von 30 %. die wälder stellten einen wichtigen erholungsraum für die bevölkerung dar. bewaldet seien nicht nur ein großteil der erholungsräume im innenstadtbereich. in den ortsrandlagen des stadtgebietes gebe es ‑ bis auf die im norden landwirtschaftlichen genutzten flächen ‑ fast ausnahmslos wald, der gut erschlossen sei. dort vorhandene naherholungsziele erhöhten den druck auf diese gebiete. dem "projektbericht" sei zu entnehmen, dass die städtischen freiflächen wochentags und insbesondere am wochenende intensiv genutzt würden. 10die sich durch extreme steigungsverhältnisse auszeichnende topographie des stadtgebiets habe gravierende auswirkungen auf die art und das ausmaß der erholungsnutzung. abgesehen davon, dass sie sich in den in naturschutzgebieten gelegenen waldflächen auf das bestehende wegenetz beschränke, nutze ein großteil der erholungssuchenden aus dem wegenetz lediglich die ausgebauten waldwirtschaftswege, weil deren streckenführung starke steigungen möglichst vermeide. 11die topographischen besonderheiten der stadtlandschaft seien auch ursächlich dafür, dass sich unter den in den wäldern erholung suchenden ein überdurchschnittlich hoher anteil von aus ganz nordrhein-westfalen anreisenden mountainbikern finde. dies führe zu besonderen konflikten zwischen diesen und anderen nutzergruppen. bei talfahrten mit stark erhöhter geschwindigkeit ergäben sich immer wieder durch mountainbiker verursachte gefährliche situationen für andere wegenutzer. im wald illegal angelegte mountainbikestrecken endeten zudem oftmals unvermittelt auf den hauptwegen, was für deren nutzer ebenfalls eine erhebliche unfallgefahr begründe. die konfliktlage und die hieraus resultierenden beschwerden stellten eine behördlich kaum zu bewältigende herausforderung dar, der mit der erfolgten ausweisung einer legalisierten downhill-strecke nur teilweise habe begegnet werden können. eine freigabe der waldwirtschaftswege für das reiten im wald würde nicht nur die ohnehin schon sehr ausgeprägte gesamtfrequentierung des hauptwegenetzes erhöhen, da unter den erholungssuchenden die gruppe reiter ‑ bei z. b. im jahr 2018 ausgegebenen etwa 1.200 reitplaketten ‑ zahlenmäßig stark vertreten sei, sondern auch die bereits bestehende konfliktlage zwischen mountainbikern und anderen erholungssuchenden verschärfen. 12der auf den wäldern aufgrund ihrer nähe zum ballungsraum ruhrgebiet und wegen ihrer besonders guten erschließung lastende erholungsdruck, der sich bedingt durch die topographie auf wenige hauptwege konzentriere, sowie die intensität der nutzung der wälder durch mountainbiker und reiter erfüllten die gesetzlichen voraussetzungen für den erlass einer reitregelung. 13die allgemeinverfügung verfolge das ziel, das reiten im wald für reiter und andere erholungssuchenden möglichst konfliktarm zu gestalten. sie diene auch der abwehr von gefahren, die bereits jetzt durch ein erhöhtes aufkommen von mountainbikern bestehe und durch das reiten auf den stark frequentierten hauptwegen noch verstärkt werden würde. angesichts des gut ausgebauten reitwegenetzes habe sich die beschränkung der reiter auf dessen nutzung bereits vor der änderung der zugrunde liegenden gesetzlichen bestimmungen bewährt. die getroffene regelung sei deshalb nicht nur geeignet, das gesetzte ziel zu erreichen, sondern hierzu auch erforderlich. 14reitverbote in den parkanlagen zu erlassen, wo die erholungsnutzung gegenüber der waldwirtschaft im vordergrund stehe, sowie für einen großteil der hauptwege mit besonders starker frequentierung durch reiter oder andere nutzergruppen und zudem in den bereichen, in denen eine verstärkte nutzung durch mountainbiker bekannt oder aber in denen im wegekörper schlacke verbaut sei, die bei staubentwicklung gesundheitsgefährdende stoffe freisetze, verursache einen unverhältnismäßig hohen verwaltungsaufwand. dieser sei durch die der verwaltung zur verfügung stehenden mittel nicht zu leisten. zudem ließen sich solche reitverbote schlecht ausschildern und seien für die erholungssuchenden in der örtlichkeit nur schwer nachzuvollziehen. 15angesichts der aus gründen der gefahrenabwehr damit andernfalls notwendigen sperrung einzelner wege sei die durch die allgemeinverfügung getroffene maßnahme auch angemessen, da der tatsächliche zugewinn an reitmöglichkeiten bei einem verzicht auf die reitregelung und gleichzeitiger sperrung einer vielzahl von wegen vergleichsweise gering ausfalle. zudem sei leben und die körperliche unversehrtheit der erholungssuchenden höher zu gewichten, als das interesse der reiter an einem vergrößerten reitwegenetz. 16die klägerin hat 3. februar 2020, einem montag, klage erhoben. 17sie ist der auffassung, die reitregelung vom 22. august 2019 sei schon formell rechtswidrig, da sie nicht der rat der beklagten als das für eine solche entscheidung nach dem gemeinderecht zuständige organ beschlossen habe. 18auch materiell-rechtlich sei die allgemeinverfügung rechtsfehlerhaft. 19gemessen an den vorgaben des bte-gutachtens "problemlösungen zum derzeitigen stand der reitregelung in nordrhein-westfalen" vom november 2010 ("bte-gutachten") habe die beklagte schon keinen sachverhalt ermittelt, der im sinne der gesetzlichen bestimmungen einen erholungsdruck für die von der allgemeinverfügung erfassten waldflächen belege. dies gelte erst recht in anbetracht der tatsache, dass die ursprüngliche regelung vom 27. november 2017 das östlich der bundesautobahn a 0 gelegene stadtgebiet nicht eingeschlossen habe. zudem seien in der vergangenheit bereits waldwirtschaftswege zum reiten freigegeben worden, ohne dass dies zu beeinträchtigungen oder gefährdungen anderer erholungssuchenden geführt habe. solche vorfälle seien auch ebenso wenig dokumentiert wie durch das reiten verursachte schäden an wegeflächen. der verweis auf den "projektbericht" und das "bte-gutachten" könne derartige feststellungen nicht ersetzen. projektbericht und gutachten stammten jeweils aus dem jahr 2010 und enthielten deshalb keine aussagen zu den tatsächlichen verhältnissen bei erlass der allgemeinverfügung, auf die hier maßgeblich abzustellen sei. 20schon mangels der erforderlichen, durch die beklagte aber nicht getroffenen sachverhaltsfeststellungen sei die allgemeinverfügung auch ermessensfehlerhaft. die getroffene regelung verkenne zudem, dass es dem willen des gesetzgebers widerspreche, eine reitregelung flächendeckend für das stadtgebiet zu erlassen, anstatt eine solche maßnahme auf einzelne flächen zu beschränken. auch dürfe eine reitregelung nicht ‑ wie die allgemeinverfügung der beklagten ‑ lediglich die abwehr abstrakter oder solcher gefahren bezwecken, die aus dem verbotswidrigen verhalten anderer nutzergruppen resultierten. der verweis auf den mit der sperrung einzelner wege verbundenen verwaltungsaufwand trage die allgemeinverfügung weder im rechtlichen ansatz noch im tatsächlichen, da andere kreise und kommunen differenzierte reitregelungen erlassen hätten. 21die klägerin beantragt, 22die am 2. januar 2020 veröffentlichte allgemeinverfügung der beklagten vom 22. august 2019 aufzuheben. 23die beklagte beantragt, 24die klage abzuweisen. 25sie ist der auffassung, die angegriffene allgemeinverfügung sei rechtmäßig. 26die begründung der reitregelung vertiefend und ergänzend macht sie im wesentlichen geltend, diese begegne in formeller hinsicht keinen rechtlich durchgreifenden bedenken, da ihr erlass ein geschäft der laufenden verwaltung sei und deshalb nicht in die ratszuständigkeit falle. im übrigen begründe der verstoß gegen organschaftliche zuständigkeitsbestimmungen für sich genommen auch keine klagefähige rechtsposition. 27materiell-rechtlich sei die allgemeinverfügung ebenfalls rechtmäßig. 28der nutzungsdruck auf die naherholungsgebiete im stadtgebiet sei bei rechnerisch 21,5 einwohnern und 0,7 reitern je hektar gegenüber den in dem "bte-gutachten" für den kreis n. getroffenen feststellungen in etwa doppelt so hoch zu veranschlagen. ebenso wie der kreis n. liege zudem auch das stadtgebiet im einzugsbereich der großstädte des ruhrgebiets. die dem "projektbericht" zu grunde liegende untersuchung von vier wäldern im stadtgebiet stütze diese annahme und belege konflikte zwischen den verschiedenen nutzgruppen. das auftreten solcher konflikte entspreche auch den erfahrungen der behördlichen mitarbeiter. 29der unter auswertung der vor erlass der allgemeinverfügung eingeholten stellungnahmen damit hinreichend ermittelte sachverhalt trage auch den erlass der reitwegeregelung. der festgestellte interessen‑ und nutzungskonflikt zwischen den reitern auf der einen seite und anderen erholungssuchenden sowie den grundeigentümer auf der anderen seite habe in gesprächsrunden vor erlass der reitwegeregelung aus dem jahr 2017 und der jetzt angegriffenen allgemeinverfügung nicht aufgelöst werden können. hinzu komme, dass die frequentierung der städtischen naherholungsgebiete in den letzten beiden jahren erheblich zugenommen habe, was anhand der spuren auf und außerhalb des wegenetzes sowie der meldungen von bürgern , der naturschutzwacht, sowie von förstern und jägern und der beobachtungen eigener mitarbeiter im gelände festzustellen sei. dies gelte auch für den bereich östlich der bundesautobahn a 0, weshalb dieser in die angegriffene allgemeinverfügung einbezogen worden sei. dass sich deren geltung auf das gesamte stadtgebiet erstrecke, sei auch nicht neu, sondern entspreche der entscheidung des stadtrates aus anlass der im jahr 2012 erfolgten novellierung des reitwegerechts. 30im stadtgebiet finde sich westlich und östlich des stadtteils s1. ein reitwegenetz mit insgesamt 30,5 km länge, das durch die in der straßenverkehrsordnung bzw. den naturschutzrechtlichen vorgaben vorgesehenen schilder ("weiße pferd auf blauem grund" bzw. "weißes hufeisen") hinreichend ausgeschildert und mangels gravierender schäden auch durchweg benutzbar sei. hinzu komme die möglichkeit des reitens in der freien landschaft. 31entgegen der rechtsauffassung der klägerin sei es vom zweck des gesetzes gedeckt, mit der reitwegeregelung neben der abwehr von gefahren auch andere ziele zu verfolgen. in die getroffene ermessensentscheidung zum erlass der reitwegeregelung sei deshalb auch etwa das interesse anderer nutzergruppen an einer ungestörten wege nutzung sowie das interesse der eigentümer an der erhaltung der wege gegeneinander abwägend unter berücksichtigung der gleichberechtigten interessen der reiter einzustellen gewesen. zur schaffung geeigneter reitmöglichkeiten sehe das gesetz als ‑ auch kombinierbare ‑ optionen die freigabe von wegen, die beschränkung des reitens auf ausgewiesene wege, die wegesperrung in einzelfällen sowie die ausweisung von reitwegen vor. im rahmen der abwägung sei es angesichts des hohen anteils an radfahrern und mountainbikern an der wegenutzung und der durch bedingten konkreten gefahren legitim, das reiten vorrangig auf ein bereits vorhandenes reitwegenetz zu beschränken, da sich andere nutzergruppen nicht in gleicher weise auf ein exklusives wegenetz verweisen ließen. mithin sei die stadtweite beschränkung des reitens im wald teil einer abgewogenen gesamtplanung, die den interessen aller nutzengruppen diene und mit den der verwaltung zur verfügung stehenden mitteln auch erreicht und erhalten werden könne. eine derartige beschränkung, die nach einzelnen wegen differenziere, bedeute einen unverhältnismäßig hohen, kaum zu leistenden ermittlungs‑ und planungsaufwand, da das hierfür erforderlichen zahlenmaterial neu zusammengetragen werden müsste. 32die klägerin hat mit schriftsatz vom 7. juli 2022 auf die durchführung einer mündlichen verhandlung verzichtet. eine eben solche erklärung hat die beklagte mit schriftsatz vom 25. juli 2022 abgegeben. 33wegen der weiteren einzelheiten des sach‑ und streitstandes wird ergänzend auf den inhalt der gerichtsakten und der beigezogenen verwaltungsvorgänge der beklagten bezug genommen. 34
35über das klagebegehren kann gemäß § 101 abs. 2 vwgo im erklärten einverständnis der beteiligten ohne durchführung einer mündlichen verhandlung entschieden werden. 36die klage hat erfolg. 37das rechtsschutzgesuch ist als anfechtungsbegehren (§ 42 abs. 2 alt. 1 vwgo) zulässig. insbesondere ist die klägerin als im stadtgebiet der beklagten wohnende freizeitreiterin klagebefugt im sinne des § 42 abs. 2 vwgo, da sie geltend machen kann, durch die mit der angegriffenen allgemeinverfügung (§ 35 s. 2 vwvfg nrw) verfügte beschränkung des reitens im wald auf bestimmte wege in ihrem durch art. 2 abs. 1 gg gewährleisteten recht auf allgemeine handlungsfreiheit verletzt zu sein. 38die klage ist auch begründet. die allgemeinverfügung der beklagten vom 22. august 2019 ist rechtswidrig und verletzt die klägerin in eigenen rechten (§ 113 abs. 1 s. 1 vwgo). dies steht nach lage der akten zur überzeugung des gerichts auch ohne die notwendigkeit einer weiteren sachverklärung fest. 39die allgemeinverfügung der beklagten findet keine stütze in der als ermächtigungsgrundlage allein in betracht kommenden vorschrift des § 58 abs. 4 s. 1 des gesetzes zum schutz der natur in nordrhein-westfalen (landesnaturschutzgesetz – lnatschg nrw) in der zuletzt durch das gesetz vom 1. februar 2022 (gv. nrw. s. 139) geänderten fassung der bekanntmachung vom 21. juli 2000 (gv. nrw. s. 568). danach können die kreise und kreisfreien städte in waldflächen, die in besonderem maße für erholungszwecke genutzt werden, im einvernehmen mit der forstbehörde und nach anhörung der betroffenen gemeinden und waldbesitzer und reiterverbände durch allgemeinverfügung das reiten im wald auf die nach den vorschriften der straßenverkehrsordnung gekennzeichneten reitwege beschränken. 40die danach für den erlass der angegriffenen reitregelung maßgeblichen rechtmäßigkeitsvoraussetzungen liegen nicht vor. die allgemeinverfügung haften ‑ unter anderem ‑ formelle fehler an, die rechtlich nicht unbeachtlich sind und deshalb zugleich auch die materielle rechtswidrigkeit der getroffenen maßnahme begründen. 41der oberbürgermeister der beklagten war nicht befugt, die reitregelung selbst zu treffen. 42gemäß § 41 abs. 1 s. 1 der gemeindeordnung für das land nordrhein-westfalen (go nrw) in der fassung der bekanntmachung vom 14. juli 1994 (gv. nw. 1994 s. 666), zuletzt geändert durch artikel 1 des gesetzes vom 13. april 2022 (gv. nrw. s. 490), ist der rat der gemeinde für alle angelegenheiten der gemeindeverwaltung zuständig, soweit dieses gesetz nichts anderes bestimmt. abgesehen von den in § 41 abs. 1 satz 2 go nrw enumerativ aufgezählten fällen kann der rat die entscheidung über bestimmte angelegenheiten auf ausschüsse oder den bürgermeister übertragen (§ 41 abs. 2 satz 1 go nrw). geschäfte der laufenden verwaltung gelten im namen des rats als auf den bürgermeister übertragen, soweit nicht der rat sich, einer bezirksvertretung oder einem ausschuss für einen bestimmten kreis von geschäften oder für einen einzelfall die entscheidung vorbehält (§ 41 abs. 3 go nrw). 43bei den „geschäften der laufenden verwaltung“ handelt es sich um einen unbestimmten rechtsbegriff, der der vollen verwaltungsgerichtlichen überprüfung unterliegt. nach gefestigter rechtsprechung fallen die nach regelmäßigkeit und häufigkeit üblichen geschäfte darunter, deren erledigung nach feststehenden grundsätzen „auf eingefahrenen gleisen“ erfolgt und die für die gemeinde unter berücksichtigung ihrer größe und finanzkraft weder wirtschaftlich noch grundsätzlich von wesentlicher bedeutung sind. 44vgl. ovg nrw, urteil vom 13. mai 2019, 11 a 2057/17, juris rdnr. 42,. 45danach zählt zwar die veröffentlichung der entscheidung über den erlass einer reitregelung zu den geschäften der laufenden verwaltung, nicht aber die entscheidung, ob ‑ und gegebenenfalls inwieweit ‑ von der ermächtigung des § 58 abs. 4 s. 1 lnatschg nrw gebrauch gemacht werden soll. 46hierzu tendierend, aber offen gelassen: vg gelsenkirchen, urteil vom 11. august 2020, 6 k 857/18, juris rdnr. 50 ff. 47diese fällt vielmehr in die zuständigkeit des rates der stadt. eine reitregelung gilt es weder häufig noch regelmäßig zu treffen. sie ist eine gemäß § 58 abs. 4 s. 1 lnatschg nrw in das ermessen des entscheidungsträgers gestellte grundsatzentscheidung über die reitbefugnis in den waldgebieten der stadt, die regelmäßig geltung für unbestimmte zeit beansprucht und für alle nutzer des waldes von bedeutung ist. damit aber besitzt sie offensichtlich nicht nur den das geschäft der laufenden verwaltung bezeichnenden bagatellcharakter. 48dass der angegriffenen allgemeinverfügung kein beschluss des rates der beklagten zugrunde liegt, ist auch kein bloßer verstoß gegen verwaltungsinterne zuständigkeitsbestimmungen, mit dem sich kein klagerecht begründen lässt. 49so aber vg aachen, urteil vom 8. august 2019, 5 k 1692/18, juris rdnr. 47. 50die missachtung der ratszuständigkeit ist kein formeller fehler, der gemäß § 46 vwvfg. nrw. unbeachtlich ist. danach kann die aufhebung eines verwaltungsaktes, der nicht nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden weil er unter verletzung von vorschriften über das verfahren, die form oder die örtliche zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die verletzung die entscheidung in der sache nicht beeinflusst hat. eben dies lässt sich angesichts des ermessenscharakters der entscheidung nach § 58 abs. 4 s. 1 lnatschg nrw nicht feststellen. anhaltspunkte, die die annahme auch nur nahe legen könnten, der rat der beklagten sei rechtlich verpflichtet gewesen, eine reitregelung mit dem inhalt der angegriffenen allgemeinverfügung zu beschließen, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich. 51das fehlen des erforderlichen ratsbeschlusses führt jedenfalls hier auch zur materiellen rechtswidrigkeit der angefochtenen allgemeinverfügung. 52vgl. zu den folgen eines fehlenden ratsbeschlusses über ermessenslenkende verwaltungsvorschriften: ovg nrw, urteil vom 13. mai 2019, 11 a 2057/17, juris rdnr. 54. 53ihr haftet ein ermessensfehler im sinne des § 114 s. 1 vwgo an, da der rat der beklagten, der zur ausübung des nach § 58 abs. 4 s. 1 lnatschg nrw eröffneten ermessens berufen ist, mit entscheidung über den erlass der reitregelung nicht befasst war und deshalb das ihm obliegende ermessen auch nicht ausgeübt hat. 54die angefochtene allgemeinverfügung ist zudem in formeller hinsicht auch deshalb zu beanstanden, weil ihrem erlass kein gemäß § 24 abs. 1 s. 1 vwvfg. nrw. von amts wegen ausreichend ermittelter sachverhalt zu grunde liegt. dies hat ebenfalls deren materielle rechtswidrigkeit zur folge, weil die insoweit darlegungs‑ und beweispflichtige beklagte sich nicht mit erfolg auf einen verifizierbaren sachverhalt berufen kann, der geeignet ist, die getroffene reitregelung zu rechtfertigen. dies gilt sowohl für die von ihr vertretene rechtsauffassung, sämtliche wälder in ihrem stadtgebiet würden im sinne des § 58 abs. 4 s. 1 lnatschg nrw in besonderem maße für erholungszwecke genutzt, als auch für die gründe, die aus sicht der beklagten den erlass einer reitwegeregelung in der durch die erlassene allgemeinverfügung ausgestalteten form erforderlich gemacht haben. 55ob eine waldfläche § 58 abs. 4 s. 1 lnatschg nrw in besonderem maße für erholungszwecke genutzt werden, ist im wege der subsumtion in frage kommender sachverhalte unter die unbestimmten ‑ und damit vollständig der gerichtlichen kontrolle unterliegenden ‑ rechtsbegriffe "waldfläche", "erholungszweck" und "nutzung in besonderem maß" zu ermitteln. da eine in gestalt einer allgemeinverfügung erlassene reitwegeregelung angesichts der mit ihr verfügten beständigen beschränkung des reitens im wald auf bestimmte wege rechtlich als dauerverwaltungsakt zu qualifizieren ist, ist für die beurteilung ihrer rechtmäßigkeit auf die sach‑ und rechtslage im zeitpunkt der letzten mündlichen verhandlung ‑ bzw. hier der gerichtlichen entscheidung über das klagebegehren ‑ abzustellen. 56der von der beklagten aktenkundig gemachte sachverhalt rechtfertigt die der angefochtenen allgemeinverfügung zu grunde liegende annahme indes nicht, dass sämtliche waldflächen im stadtgebiet in gleicher weise einem erholungsdruck ausgesetzt sind, den der erlass einer reitregelung nach § 58 abs. 4 s. 1 lnatschg nrw voraussetzt. offen bleiben kann, ob ‑ und gegebenenfalls hinsichtlich welcher waldflächen ‑ die ergebnisse des "projektberichts" und / oder des "bte-gutachtens", die die beklagte zur begründung ihrer gegenteiligen rechtsauffassung in bezug genommen hat, auf sachverhaltsfeststellungen beruhen, die auskunft über die erholungsnutzung einzelner waldflächen ihres stadtgebiets und deren intensität enthalten. solche sachverhaltsfeststellungen können die hier in rede stehende reitregelung schon deshalb nicht tragen, weil sie angesichts ihres alters keine hinreichend verlässliche auskunft über die für den erlass der allgemeinverfügung vom 22. august 2019 maßgebliche nutzung der waldflächen geben können. 57sowohl der "projektbericht" wie auch das "bte-gutachten" stammen aus dem jahr 2010 und können deshalb auch nur bis dahin getroffene tatsächlichen feststellungen auswerten. auf der grundlage dieser sachverhaltsfeststellungen, die bei erlass der allgemeinverfügung mindestens 9 jahre waren und bezogen auf den hier maßgeblichen zeitpunkt der gerichtlichen entscheidung mehr als 11 jahre alt sind, lassen sich indes keine belastbaren aussagen über den derzeit auf den waldflächen des stadtgebietes lastenden erholungsdruck treffen. hierzu hätte es vielmehr zumindest auch aktualisierender erhebungen durch die beklagte bedurft. 58gegenteiliges ist weder dem "projektbericht" noch dem "bte-gutachten" zu entnehmen. so benennt etwa das bte-gutachten auf seite 117 als informationsquellen statistisches datenmaterial zur einwohnerdichte, bei den reiterverbänden vorgehaltene daten sowie besucherzählungen und die zählung von reitern im gelände, um die ‑ neben anderem ‑ zur bestimmung von "gebieten mit besonderen vorgaben für das reiten" in betracht kommenden kriterien "starker erholungsdruck" und "reitaufkommen" auszufüllen. da das so zu gewinnende datenmaterial naturgemäß ständigen veränderungen unterworfen ist, lässt sich kein allgemeiner erfahrungssatz aufstellen, demzufolge sich die erholungsnutzung der waldflächen im stadtgebiet der beklagten nach art und ausmaß mit blick auf die einzelnen nutzergruppen und / oder in der gesamtschau seit dem jahr 2010 nicht verändert oder gar in rechtserheblichem umfang zugenommen hat. damit fehlt es aber der auf den "projektbericht" und das "bte-gutachten" annahme der beklagten, der auf den wäldern im stadtgebiet lastende erholungsdruck erfülle die gesetzlichen voraussetzungen für den erlass einer reitregelung, weil die wälder in der nähe zum ballungsraum ruhrgebiet gelegen und die dortigen wege besonders gut erschlossen seien, sich deren nutzung bedingt durch die topographie auf wenige hauptwege konzentriere und mountainbiker und reiter die waldflächen und ‑ wege intensiv nutzten, an der notwendigen tatsachengrundlage. 59dies gilt insbesondere, soweit die beklagte zur rechtfertigung ihrer allgemeinverfügung auf eine stark zugenommene nutzung von waldwegen und waldflächen jenseits ausgewiesener wege durch die mountainbiker verweist. die einschätzung der beklagten mag in der sache zutreffen, auf einer überprüfbaren tatsachengrundlage beruht auch diese nicht. die zu ihrem beleg im wesentlichen angeführten beobachtungen eigener mitarbeiter oder der bediensteten von forst‑ und naturschutzbehörden bzw. waldbesitzern beruht auf deren subjektiver wahrnehmung, die nach lage der akten nicht hinreichend objektiviert ist. in dem ende dezember 2020 von der beklagten vorgelegten verwaltungsvorgang (beiakte heft 5) finden sich etwa 20 dokumente, die sich thematisch der nutzung des waldes durch mountainbiker zuordnen lassen. von diesen dokumenten, die sich inhaltlich weit überwiegend mit der nutzung des waldes durch mountainbiker jenseits von wegeflächen befassen und verschiedene städtische waldgebiete betreffen, datieren 10 aus dem jahr 2020, 3 aus dem jahr 2019, 5 aus dem jahr 2018 und je eines aus den jahren 2017 und 2016. bei einer fläche des stadtgebiets von insgesamt gut 168 km², 60vgl. https://www.x1. .de/wirtschaft-stadtentwicklung/daten_fakten/index.php (letzter aufruf 18. august 2022), 61die nach der der allgemeinverfügung beigefügten begründung zu etwa 30 % ‑ und damit auf ca. 50 km² ‑ mit wald bestockt ist, lässt sich aus den vorgelegten dokumenten angesichts der tatsache, dass die zu grunde liegenden sachverhalte nicht nur ein bestimmtes waldgebiet betreffen und sich auf einen zeitraum von 5 jahren verteilen, allenfalls schlussfolgern, dass einzelne mountainbiker in den vergangenen jahren wiederholt an vereinzelten stellen des stadtgebiets für ihre freizeitaktivitäten waldflächen illegal nutzen. einen erholungsdruck, der im sinne des § 58 abs. 4 s. 1 lnatschg nrw auf einer bestimmten waldfläche oder gar den waldflächen stadtweit in besonderer weise lastet, belegt das illegale verhalten einzelner mitglieder einer bestimmten nutzergruppe des waldes für sich genommen nicht. nicht klärungsbedürftig ist damit, ob und inwieweit die im jahr 2020 im vergleich zu den vorjahren dokumentierte zunahme der verstöße nicht (auch) eine ursache in den pandemiebedingten einschränkungen möglichkeiten gehabt hat, freizeit zu gestalten. 62ein gemäß § 58 abs. 4 s. 1 lnatschg nrw auf den waldflächen des stadtgebiets der beklagten lastender erholungsdruck ergibt sich auch nicht mit blick auf die nutzung der wälder durch reiter, radfahrer oder wanderer. während es zur nutzung der waldflächen durch radfahrer oder wanderer vollständig an tatsächlichen feststellungen fehlt, die vorgetragen und / oder in den verwaltungsvorgängen dokumentiert sind, ergibt sich aus den fakten, die zu den nutzergruppen, der flächengröße der stadt, der zahl ihrer einwohner und der zahl der reitpferde festgehalten sind, ebenfalls kein rechtserheblicher erholungsdruck. die zahl der einwohner der stadt bzw. der durch die erteilung einer reitplakette erfassten pferde im stadtgebiet jeweils ins verhältnis gesetzt zur größe der vorhandenen waldfläche mag insoweit indiziell bedeutsam sein, lässt für sich genommen aber keinen rückschluss auf das nutzungsverhalten der einwohner bzw. reiter und damit auf deren (potentielle) inanspruchnahme des wegenetzes im gesamten waldgebiet der stadt zu. 63ungeachtet dessen musste sich der beklagten die notwendigkeit einer weiteren sachverhaltsermittlung jedenfalls in bezug auf den erholungsdruck aufdrängen, der auf den östlich der bundesautobahn a 0 gelegenen waldflächen lastet. schon weil sie diesen bereich der stadt unter hinweis auf den dort geringen freizeitdruck nicht in den anwendungsbereich der reitregelung vom 27. november 2017 aufgenommen hatte, bedurfte gerade die ausweitung der beschränkung der reitbefugnis auf diesen teil der stadt einer expliziten, auf aktuellen erkenntnissen beruhenden rechtfertigung. eine solche stellt das von ratsfraktionen an die verwaltung der beklagten herangetragene ansinnen, die von der allgemeinverfügung vom 27. november 2017 nicht erfassten waldflächen im wege ihrer änderung in den geltungsbereich einer bestimmung nach § 58 abs. 4 s. 1 lnatschg nrw aufzunehmen, offensichtlich nicht dar. dass diesem ansinnen ein rechtlich tragfähiger grund im sinne der ermächtigungsnorm zu grunde lag, war und ist ebenso wenig offensichtlich. dies folgt schon aus dem umstand, dass der landesbetrieb in seiner stellungnahme vom 12. september 2018 zu dem änderungsvorhaben bedenken gegen eine undifferenzierte ausweitung der allgemeinverfügung auf das gesamte stadtgebiet geäußert hat. dieser ‑ die beklagte rechtlich nicht bindende ‑ einwand einer sachverständigen stelle hätte anlass sein müssen, den grund für die bedenken zu eruieren, um ihn durch eigene (weitere) sachverhaltsermittlungen gegebenenfalls auszuräumen. eben dies ist nicht geschehen. 64dass die forderung nach einem aufklärungsbedarf, der über die von ihr angestellten sachverhaltsermittlungen hinausgeht, aus sicht der beklagten nur mit einem unverhältnismäßig hohen verwaltungsaufwand zu erfüllen ist, entbindet sie nicht von der pflicht, das vorliegen der nach § 58 abs. 4 s. 1 lnatschg erforderlichen eingriffsvoraussetzungen zu ermitteln und verifizierbar darzulegen. 65der einwand verkennt die aus dem rechtsstaatsgebot des art. 20 abs. 3 gg folgende bindung der verwaltung an gesetz und recht. danach trifft die beklagte de lege lata die darlegungs‑ und beweislast für das vorliegen der durch den gesetzgeber normierten voraussetzungen, unter denen sie von seiner in § 58 abs. 2 s. 1 lnatschg nrw kodifizierten grundsatzentscheidung, nach der das reiten im wald über den gemeingebrauch an öffentlichen verkehrsflächen hinaus zum zwecke der erholung auf privaten straßen und fahrwegen sowie auf den nach den vorschriften der straßenverkehrsordnung gekennzeichneten reitwegen auf eigene gefahr gestattet ist, ausnahmsweise abweichen und ihrerseits durch eine beschränkung der reitbefugnis in das recht der allgemeinen handlungsfreit (art. 2 abs. 1 gg) der adressaten der allgemeinverfügung eingreifen darf. 66vgl. zum umfang der behördlichen aufklärungspflicht auch: vg gelsenkirchen, beschluss vom 8. februar 2019, 6 l 1503/18, juris rdnr. 27. 67sollten sich behördlicherseits die tatsächlichen voraussetzungen für ein einschreiten nach § 58 abs. 4 s. 1 lnatschg nrw regelmäßig wegen eines nicht leistbaren verwaltungsaufwandes nicht hinreichend verlässlich feststellen lassen, kann dem lediglich durch eine änderung der gesetzlichen grundlagen rechnung getragen werden. 68im übrigen ist die berufung der beklagten auf einen unverhältnismäßig hohen verwaltungsaufwand auch in der sache jedenfalls nicht ohne weiteres nachvollziehbar. abgesehen davon, dass der ermittlungsaufwand von der zahl und größe der flächen abhängt, für die der erlass einer reitregelung nach § 58 abs. 4 s. 1 lnatschg nrw in betracht gezogen wird, lässt sich der durch das gebot der sachverhaltsermittlung erforderliche verwaltungsaufwand jedenfalls teilweilweise durch den rückgriff auf den erkenntnisstand anderer behörden mindern. so ist der kammer aus anderen verfahren, die die rechtmäßigkeit von reitregelungen betrafen, bekannt, dass sich kommunen und kreise zwecks bestimmung des maßes an erholungsnutzung von waldflächen etwa einer von der forstverwaltung erstellten "waldfunktionskarte" bedienen (können), 69vgl. hierzu auch vg gelsenkirchen vom 11. august 2020, 6 k 857/18, juris rdnr. 81, 70deren feststellungen als grundlage für die identifizierung möglicherweise von § 58 abs. 4 s. 1 lnatschg nrw erfasster waldgebiete und hieran gegebenenfalls anzuknüpfender weiterer sachverhaltsermittlungen in betracht kommen. 71schließlich ist die gemäß § 58 abs. 4 s. 1 lnatschg nrw getroffene ermessensentscheidung auch rechtsfehlerhaft (§ 114 s. 1 vwgo), soweit sie dazu dienen soll, den gefahren zu begegnen, die sich aus der illegalen nutzung von waldflächen und waldwegen durch mountainbiker ergeben. 72da die ermächtigungsgrundlage selbst den zweck eines einschreitens nicht einschränkt, ist die sich aus § 58 abs. 4 s. 1 lnatschg nrw ergebende behördliche befugnis zum einschreiten als korrektiv zu der das reiten im wald unter den dort genannten voraussetzungen allgemein erlaubenden regelung des § 58 abs. 2 s. 1 lnatschg nrw zu verstehen. 73vgl. beschluss der kammer vom 20. juni 2018, 15 l 1007/18, juris rdnr. 30. 74der erlass einer allgemeinverfügung nach § 58 abs. 4 s. 1 lnatschg nrw ist deshalb kein planerisches instrument zum ausgleich der verschiedenen interessen, die sich aus der unterschiedlichen art und weise der nutzung von wegeflächen in waldgebieten durch erholungssuchende ergeben. sie ist vielmehr teil des durch den gesetzgeber diesbezüglich selbst verwirklichten gesamtkonzepts. die durch § 58 lnatschg nrw getroffene reitregelung ist nämlich nach der gesetzesbegründung das 75"... ergebnis einer umfassenden abwägung der rechte und interessen der grundeigentümer und nutzungsberechtigten, der belange der erholungssuchenden, der ziele des naturschutzes und der landschaftspflege sowie der rechte und interessen der reiter gegeneinander und untereinander. in die abwägung wurde auch die frage nach kontrolle und vollzug der vorschriften einbezogen. das ergebnis ist eine räumlich-differenzierte regelung, die den reitern unter berücksichtigung des in nordrhein-westfalen unterschiedlich hohen erholungsaufkommens grundsätzlich erweiterte reitmöglichkeiten als bisher einräumt und zugleich den kreisen und kreisfreien städten als unteren naturschutzbehörden und kreisordnungsbehörden die möglichkeit zur lenkung des reitverkehrs und zur festlegung von reitverboten im einzelfall gibt und außerdem dem grundeigentümer ein recht auf sperrung im einzelfall einräumt ...". 76gesetzentwurf der landeregierung, lt-drs. 16/11154, s. 170. 77damit ermächtigt die regelung des § 58 abs. 4 s. 1 lnatschg nrw entgegen der annahme, die die beklagte ihrer begründung für den erlass der ersten reitwegeregelung vom 27. november 2017 unter anderem zu grunde gelegt hat, auch nicht dazu, durch eine allgemeinverfügung die freizeitnutzung allgemein zu kanalisieren oder den ausbaustandard der sparzierwege zu erhalten. wegen ihres ausnahmecharakters einer auf § 58 abs. 4 s. 1 lnatschg nrw gestützten allgemeinverfügung, der sich aus der gesetzesbegründung und der systematik der regelungen in absatz 2 und absatz 4 des § 58 lnatschg nrw ergibt, bedarf ihr erlass vielmehr einer rechtfertigung, die auf den einzelfall bezogen ihren anlass in der vom gesetzgeber als regelfall gewollten gleichberechtigten nutzung der waldwege durch erholungssuchende findet. darunter fallen jedenfalls solche gefahren nicht, die aus der illegalen nutzung des waldes und seiner wege ‑ etwa durch mountainbiker ‑ resultieren (können). derartigen gefahren kann ‑ und muss gegebenenfalls ‑ durch den einsatz sonstiger (sonder‑)ordnungsrechtlich verfügbarer mittel begegnet werden. dabei wird nicht außer acht bleiben dürfen, wer die abzuwehrenden gefahren verursacht. 78da § 58 lnatschg nrw die vorstellung des gesetzgebers zu grunde liegt, dass im begegnungsverkehr zwischen reitern und anderen erholungssuchenden in der regel keine konflikte zu erwarten sind, dient die in § 58 abs. 4 s. 1 lnatschg nrw enthaltene ermächtigung zum erlass von reitwegeregelungen aber jedenfalls dem zweck, aus anlass von konflikten, die entgegen der regelannahme des § 58 abs. 2 s. 1 lnatschg nrw zwischen reitern und anderen erholungssuchenden im einzelfall tatsächlich auftreten, den durch sie verursachten konkreten gefahren für schützenswerte rechtsgüter begegnen zu können. 79vgl. beschluss der kammer vom 20. juni 2018, 15 l 1007/18, juris rdnr. 32. 80solche konfliktsituationen von rechtserheblicher bedeutung sind indes weder durch die beklagte für sämtliche ‑ oder auch nur einzelne ‑ waldflächen des stadtgebietes vorgetragen noch sonst ersichtlich. in den beigezogenen verwaltungsvorgängen finden sich nur ganz vereinzelt hinweise auf beschwerden, die die nutzung von wegeflächen zu reitzwecken betreffen. keine der ‑ wenn überhaupt vor ort nur verbal geführten ‑ streitigkeiten zwischen eigentümern bzw. anderen nutzern von wegeflächen und reitern über die frage, ob ein bestimmter weg zu reitzwecken genutzt werden darf, hat indes zu einer verletzung oder auch nur einer gefährdung für die von der beklagten als zu schützend benannten individualrechtsgüter leben und gesundheit geführt. lediglich vorsorglich ist zudem festzustellen, dass den verwaltungsvorgängen der beklagten nicht entnommen werden kann, dass die (illegale) nutzung von waldflächen oder waldwegen durch mountainbiker ursache für konflikte zwischen mountainbikern und reitern gewesen ist. 81offen bleiben kann hier schließlich, ob eine reitwegeregelung nach dem sinn und zweck des § 58 abs. 4 s. 1 lnatschg nrw zur abwehr solcher gefahren erlassen werden darf, die für andere erholungssuchende dadurch entstehen (können) sollen, dass sie staub einatmen, der durch das reiten aufgewirbelt wird und gesundheitsgefährdende stoffe enthält. als ermessenserwägung trägt diese überlegung die angegriffene allgemeinverfügung schon deshalb nicht, weil die schlacke als das nach den angaben der beklagten staub verursachende material nach aktenlage nicht in allen von der reitregelung erfassten wegeflächen verbaut ist und die beklagte die staubentwicklung beim reiten sowie die von dem staub ausgehenden gesundheitsgefahren zwar behauptet, aber nicht belegt hat. 82die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 1 vwgo. die entscheidung zur vorläufigen vollstreckbarkeit der kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 vwgo i. v. m. den §§ 708 nr. 11, 711 zpo. 83rechtsmittelbelehrung: 84gegen dieses urteil kann innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) schriftlich die zulassung der berufung beantragt werden. der antrag muss das angefochtene urteil bezeichnen. 85auf die ab dem 1. januar 2022 unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils sind die gründe darzulegen, aus denen die berufung zuzulassen ist. 86die berufung ist nur zuzulassen, 871. wenn ernstliche zweifel an der richtigkeit des urteils bestehen, 882. wenn die rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche schwierigkeiten aufweist, 893. wenn die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat, 904. wenn das urteil von einer entscheidung des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen, des bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen senats der obersten gerichtshöfe des bundes oder des bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser abweichung beruht oder 915. wenn ein der beurteilung des berufungsgerichts unterliegender verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die entscheidung beruhen kann. 92die begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem antrag vorgelegt worden ist, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen (aegidiikirchplatz 5, 48143 münster oder postfach 6309, 48033 münster) schriftlich einzureichen. 93über den antrag entscheidet das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen. 94im berufungs- und berufungszulassungsverfahren müssen sich die beteiligten durch prozessbevollmächtigte vertreten lassen. dies gilt auch für prozesshandlungen, durch die das verfahren eingeleitet wird. die beteiligten können sich durch einen rechtsanwalt oder einen rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten hochschule eines mitgliedstaates der europäischen union, eines anderen vertragsstaates des abkommens über den europäischen wirtschaftsraum oder der schweiz, der die befähigung zum richteramt besitzt, als bevollmächtigten vertreten lassen. auf die zusätzlichen vertretungsmöglichkeiten für behörden und juristische personen des öffentlichen rechts einschließlich der von ihnen zur erfüllung ihrer öffentlichen aufgaben gebildeten zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 abs. 4 satz 4 vwgo und § 5 nr. 6 des einführungsgesetzes zum rechtsdienstleistungsgesetz – rdgeg –). darüber hinaus sind die in § 67 abs. 2 satz 2 nr. 3 bis 7 vwgo bezeichneten personen und organisationen unter den dort genannten voraussetzungen als bevollmächtigte zugelassen. 95die antragsschrift und die zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. 96beschluss: 97der wert des streitgegenstandes wird auf 5.000,00 euro festgesetzt. 98gründe: 99die streitwertfestsetzung beruht auf § 52 abs. 2 gkg. 100rechtsmittelbelehrung: 101gegen den streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur niederschrift des urkundsbeamten der geschäftsstelle bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) beschwerde eingelegt werden, über die das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen in münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der zivilprozessordnung gilt entsprechend. 102auf die ab dem 1. januar 2022 unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 103die beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs monaten eingelegt wird, nachdem die entscheidung in der hauptsache rechtskraft erlangt oder das verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der streitwert später als einen monat vor ablauf dieser frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines monats nach zustellung oder formloser mitteilung des festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 104die beschwerde ist nicht gegeben, wenn der wert des beschwerdegegenstandes 200,-- euro nicht übersteigt. 105die beschwerdeschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. 106war der beschwerdeführer ohne sein verschulden verhindert, die frist einzuhalten, ist ihm auf antrag von dem gericht, das über die beschwerde zu entscheiden hat, wiedereinsetzung in den vorigen stand zu gewähren, wenn er die beschwerde binnen zwei wochen nach der beseitigung des hindernisses einlegt und die tatsachen, welche die wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. nach ablauf eines jahres, von dem ende der versäumten frist angerechnet, kann die wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
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10 A 1242/20
2022-08-19T00:00:00
Urteil
Tenor Das angefochtene Urteil wird geändert. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin den von ihr unter dem 26. August 2014 beantragten bauplanungsrechtlichen Vorbescheid für die Erweiterung des Lebensmitteldiscountmarktes auf dem Grundstück D. Straße 136 in S. (Gemarkung S1., Flur 441, Flurstück 1348) zu erteilen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 von Hundert des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 von Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Revision wird nicht zugelassen. 1Tatbestand: 2Die Klägerin begehrt die Erteilung eines bauplanungsrechtlichen Vorbescheids für die Erweiterung eines Lebensmitteldiscountmarktes auf dem Grundstück D. Straße 136 (Gemarkung S1., Flur 441, Flurstück 1348). (im Folgenden: Vorhaben beziehungsweise Vorhabengrundstück). 3In der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks befinden sich neben mehreren Wohngebäuden und Gewerbebetrieben unter anderem ein Lebensmittelmarkt mit Vollsortiment (N.), ein weiterer Lebensmitteldiscountmarkt (O.) sowie ein Getränkemarkt. Diese Märkte und der Markt auf dem Vorhabengrundstück werden im Folgenden als Standort D. Straße bezeichnet. 4Am 18. September 2007 erteilte die Beklagte der Klägerin die Baugenehmigung zur Errichtung eines Lebensmitteldiscountmarktes auf dem Vorhabengrundstück, welche sie in der Folgezeit umsetzte. Nach der Baugenehmigung vom 18. September 2007 beträgt die Verkaufsfläche 822 qm. 5Die Klägerin stellte am 26. August 2014 den Antrag auf Erteilung eines bauplanungsrechtlichen Vorbescheids zur beabsichtigten Erweiterung des bestehenden Marktes. Die genaue Fragestellung zum Vorbescheid lautete: „Ist eine Vergrößerung der Verkaufsfläche durch Erweiterungen des Markts auf beiden Giebelseiten planungsrechtlich zulässig?“. Nach den Antragsunterlagen soll die Verkaufsfläche von 837,97 qm auf 1.271,07 qm und damit um 433,10 qm vergrößert werden. 6Mit Bescheid vom 22. Dezember 2014, zugestellt am 24. Dezember 2014, stellte die Beklagte die Bauvoranfrage der Klägerin gemäß § 15 Abs. 1 BauGB bis zum 23. Dezember 2015 zurück. 7Die Klägerin hat am 30. Dezember 2014 Klage erhoben. Sie habe einen Anspruch auf Erteilung des beantragten bauplanungsrechtlichen Vorbescheids. Der Anwendung des § 34 Abs. 3 BauGB stehe bereits entgegen, dass es sich bei dem Standort D. Straße selbst um einen zentralen Versorgungsbereich handele. 8Bei dem in dem Einzelhandelskonzept so bezeichneten Nahversorgungszentrum B.-straße (im Folgenden: Standort B.-straße) handele es sich in Wahrheit nicht um einen zentralen Versorgungsbereich in Form eines Nahversorgungszentrums. Es sei auszuschließen, dass sich das Vorhaben im Falle seiner Verwirklichung negativ auf die dort ansässigen Einzelhandelsbetriebe auswirken werde. Am Standort D. Straße gebe es bereits mehrere Einzelhandelsbetriebe mit einer Verkaufsfläche von insgesamt rund 6.095 qm, wovon mindestens 5.000 qm auf den Lebensmitteleinzelhandel entfielen. Das Vorhaben habe hieran im Falle seiner Verwirklichung einen Anteil von maximal 9 %. Bei einem derart geringfügigen Anwachsen der vorhandenen Verkaufsfläche seien städtebaulich erhebliche negative Auswirkungen auf die Einzelhandelsbetriebe am Standort B.‑straße auszuschließen. Dies gelte umso mehr deshalb, weil die vorgesehene Erweiterung der Verkaufsfläche des Marktes auf dem Vorhabengrundstück in erster Linie dessen kundenfreundlicher Gestaltung durch eine Verbreiterung der Gänge zwischen den Regalen, durch eine Umgestaltung der Regale und durch ähnliche Maßnahmen diene und nicht etwa einer Erweiterung des dort bisher angebotenen Warensortiments. 9Aus der von ihr vorgelegten Verträglichkeitsanalyse des Büros T. + I. vom 7. Februar 2020 (im Folgenden: Verträglichkeitsanalyse) ergebe sich, dass durch eine Verwirklichung des Vorhabens keine absehbaren schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche im Sinne von § 34 Abs. 3 BGB zu befürchten seien. Nach der Verträglichkeitsanalyse sei mit einer Umsatzumverteilung zu Lasten des Lebensmitteldiscountmarktes am Standort B.-straße im Sortimentsbereich Nahrungs- und Genussmittel in Höhe von 200.000 Euro beziehungsweise 7 % zu rechnen. Dies führe nicht dazu, dass der Markt geschlossen werde und könne daher den vermeintlichen zentralen Versorgungsbereich B.-straße nicht schädigen. 10Die Klägerin hat beantragt, 11die Beklagte zu verpflichten, ihr den mit Formularantrag vom 26. August 2014 beantragten bauplanungsrechtlichen Vorbescheid für die Erweiterung des M-Markts D. Straße 136 in S1. (Gemarkung S1., Flur 441, Flurstück 1348) zu erteilen. 12Die Beklagte hat beantragt, 13die Klage abzuweisen. 14Zur Begründung hat sie vorgetragen: Die Klägerin plane die Erweiterung eines bereits großflächigen Einzelhandelsbetriebs, der gemäß § 11 Abs. 3 BauNVO lediglich in Kern- oder Sondergebieten zulässig sei. Das Vorhaben widerspreche insgesamt den Zielen des Einzelhandelskonzepts und insbesondere dem Anliegen, den darin festgelegten zentralen Versorgungsbereich B.-straße zu schützen. Es gehe bei dem Vorhaben auch nicht nur um eine marginale Erweiterung der Verkaufsfläche des vorhandenen Marktes, sondern um eine Erweiterung um 50 %. Dass diese Erweiterung lediglich einer Verbreiterung der Gänge und einer Umgestaltungen der Regale dienen solle, sei schwer nachzuvollziehen. Die geplante Erweiterung der Verkaufsfläche würde weiter Kaufkraft zu Lasten der im zentralen Versorgungsbereich B.-straße verbliebenen Einzelhandelsbetriebe abziehen, der durch die Schließung des dort früher betriebenen Lebensmittelmarktes mit Vollsortiment (F.) bereits an Attraktivität eingebüßt habe. 15Weder könnte die Attraktivität des zentralen Versorgungsbereichs B.-straße erhalten werden noch sei dort mit der Ansiedlung neuer Betriebe zu rechnen, wenn das Vorhaben realisiert würde. Die Behauptung der Klägerin, der zentrale Versorgungsbereich B.-straße sei im Hinblick auf die Verkaufsfläche von „lediglich“ 1.040 qm nicht als ein solcher zu qualifizieren, sei falsch. Ein zentraler Versorgungsbereich zeichne sich nicht zuletzt durch die Vielfalt des Warenangebots aus. Wie sich aus dem Einzelhandelskonzept ergebe, würden in dem zentralen Versorgungsbereich B.-straße als Hauptwarengruppen neben Nahrungs- und Genussmitteln auch Drogerie- und Parfümartikel, Kosmetika, pharmazeutische Artikel, Zeitungen und Zeitschriften sowie Artikel aus dem Bereich Papier, Bürobedarf und Schreibwaren angeboten. Hinzu kämen Angebote wie etwa medizinische Versorgung, Gastronomie und einzelhandelsnahe Dienstleistungen, die kennzeichnend seien für einen zentralen Versorgungsbereich. 16Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 11. Februar 2020 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die Erteilung des begehrten Vorbescheids. Von dem Vorhaben gingen im Falle seiner Verwirklichung schädliche Auswirkungen im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB auf das Nahversorgungszentrum B.-straße aus, das drohe durch das Vorhaben weiter geschädigt zu werden. Werde das Vorhaben verwirklicht, sei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu erwarten, dass die Funktionsfähigkeit des Nahversorgungszentrums B.-straße nachhaltig und in beachtlichem Ausmaß beeinträchtigt und gestört werde. Die Klägerin wolle die Verkaufsfläche ihres Lebensmitteldiscountmarktes um circa 50 % vergrößern, was dessen Attraktivität steigern und durch die dadurch bewirkte Umorientierung der Kunden den zentralen Versorgungsbereich B.-straße zusätzlich nachhaltig schwächen dürfte. 17Den bei Verwirklichung des Vorhabens eintretenden Kaufkraftschwund könne der Markt im Nahversorgungszentrum nicht kompensieren. Insoweit wiege es besonders schwer, dass die Märkte am Standort D. Straße alle weniger als 700 m von dem Nahversorgungszentrum entfernt lägen und damit ihre aus der näheren Umgebung stammende Kundschaft im Wesentlichen aus dem unmittelbaren Einzugsbereich des dortigen Marktes generierten. Dies habe bereits in der Vergangenheit zu erheblichen nachteiligen Veränderungen in dem Nahversorgungszentrum geführt, das als vorgeschädigt zu qualifizieren sei. Dass es dort derzeit keinen Leerstand gebe, spreche ebenso wenig gegen die Gefahr einer weiteren Schwächung des zentralen Versorgungsbereichs wie die Verträglichkeitsanalyse, wonach sich der dortige Markt auf den Wettbewerb mit den Märkten am Standort D. Straße eingestellt habe und die geplante Verkaufsflächenerweiterung absehbar keine nachhaltige Störung der Funktionsfähigkeit des Versorgungsauftrags insgesamt oder hinsichtlich einzelner Branchen induziere. 18Bei dem Markt im Nahversorgungszentrum B.-straße handele es sich zudem wegen seiner das Zentrum dominierenden Größe um einen Magnetbetrieb. Er habe maßgebliche Bedeutung für die Funktionsfähigkeit des zentralen Versorgungsbereichs, da er dort der einzige Magnetbetrieb sei und die anderen Einzelhandelsgeschäfte ihre kleinteiligen Sortimente auf nur kleinen Verkaufsflächen anböten. Bei einer Aufgabe des Magnetbetriebs wäre auch deren Fortbestand erheblich gefährdet. 19Zur Begründung der von dem Senat zugelassenen Berufung trägt die Klägerin ergänzend vor: 20Die Kritik der Beklagten, die Verträglichkeitsanalyse habe das Einzelhandelskonzept 2019 nicht berücksichtigt, gehe ins Leere, weil Einzelhandelskonzepte im Rahmen einer Beurteilung nach § 34 Abs. 3 BauGB weder verbindlich noch aussagekräftig seien. Die Verträglichkeitsanalyse habe die tatsächlichen Zusammenhänge hinsichtlich des Einzelhandels im Untersuchungsraum korrekt erfasst und zur Grundlage der Prognose gemacht. Der von der Beklagten hervorgehobene Vergleich der Verkaufsfläche des Vorhabens mit den Verkaufsflächen der Einzelhandelsbetriebe im so genannten Nahversorgungszentrum B.-straße sei für die Prognose nicht allein maßgeblich. Zudem sei bei der Erweiterung der Verkaufsfläche eines bestehenden Einzelhandelsbetriebs zu berücksichtigen, dass sich etwaige konkurrierende Betriebe auf die bisherige Situation eingestellt haben könnten, sodass sich eine geringfügige Erweiterung der Verkaufsfläche nicht auf die Umsatzverteilung auswirke. Eine nähere Begründung, aus welchem Grund hier abweichend von der Verträglichkeitsanalyse durch das Vorhaben schädliche Auswirkungen auf einen zentralen Versorgungsbereich zu erwarten sein könnten, bleibe die Beklagte schuldig. Ihre Kritik an der Berechnung der Umsatzumverteilungsquote überzeuge nicht. Die von ihr angesprochenen Rundungsdifferenzen könnten nicht zu der von ihr genannten Umverteilungsquote von 10,42 % führen. Für mögliche städtebauliche Auswirkungen sei hier der Umsatz, der mit Nahrungs- und Genussmitteln im angeblichen zentralen Versorgungsbereich erwirtschaftet werde, die maßgebliche Bezugsgröße. Dieser sei für den Standort B.-straße mit 3,5 Mio Euro anzusetzen. Setze man diesen Betrag ins Verhältnis zu der von der Beklagten für möglich gehalten Umverteilung von circa 250.000 Euro, ergebe sich lediglich eine Umsatzumverteilungsquote von 7,1 %. Die Überschneidung der Einzugsbereiche des Marktes am Standort B.‑straße und ihres eigenen Marktes spreche nicht maßgeblich dafür, dass mit der Verwirklichung des Vorhabens schädliche Auswirkungen auf den vermeintlichen zentralen Versorgungsbereich B.-straße verbunden seien. Ihr eigener Markt habe ein gegenüber dem Markt am Standort B.-straße erweitertes Einzugsgebiet und profitiere wegen der Strahlkraft des Standortes D. Straße wesentlich von Umsätzen aus dem gesamten Stadtgebiet. Das angebliche Nahversorgungszentrum B.-straße sei auch nicht als vorgeschädigt zu qualifizieren. Es gebe dort weiterhin einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb als Magnetbetrieb. Dass sich dieser Magnetbetrieb wegen der bestehenden Wettbewerbssituation in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinde und vorgeschädigt sei, sei nicht zu erkennen. Er habe sich vielmehr nach der Aufgabe des dortigen Lebensmittelmarktes mit Vollsortiment durch einen Umzug in dessen Betriebsräume neu aufgestellt, habe seine Verkaufsfläche vergrößert und einen marktgängigen Auftritt. Der Vorwurf der Beklagten, die Verträglichkeitsanalyse stelle die mit den übrigen Märkten am Standort D. Straße verbundenen Synergieeffekte nicht in die Bewertung ein, sei nicht nachvollziehbar. 21Die Klägerin beantragt, 22das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, ihr den von ihr unter dem 26. August 2014 beantragten bauplanungsrechtlichen Vorbescheid für die Erweiterung des Lebensmitteldiscountmarktes auf dem Grundstück D. Straße 136 in S1. (Gemarkung S1., Flur 441, Flurstück 1348) zu erteilen. 23Die Beklagte beantragt, 24die Berufung zurückzuweisen, 25hilfsweise durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis darüber zu erheben, dass 26- die in der Verträglichkeitsanalyse des Gutachterbüros T.+I. vom 7. Februar 2020 dargelegten absatzwirtschaftlichen Auswirkungen – insbesondere die prognostizierten „Umsatzumverteilungen Nahrungs- und Genussmittel“ – unzutreffend und/oder methodisch falsch ermittelt worden sind, 27- bei Realisierung des Vorhabens bei methodisch korrekter Ermittlung der Umsatzumverteilung und Unterlassen etwaiger Rundungen der ermittelten Werte zu Lasten des zentralen Versorgungsbereichs B.-straße eine über 200.000 Euro beziehungsweise über 7 % hinausgehende Umsatzumverteilung zu erwarten ist, 28- eine Vorschädigung des zentralen Versorgungsbereichs B.-straße insbesondere durch die Aufgabe des vormalig dort ansässigen F.-Aktiv-Marktes anzunehmen ist, 29- der O-Markt als „Magnetbetrieb“ des zentralen Versorgungsbereichs B.-straße durch das Vorhaben der Klägerin in seinem Fortbestand gefährdet ist. 30Sie hält das Vorhaben für bauplanungsrechtlich unzulässig. Die Verträglichkeitsanalyse berücksichtige nicht in dem gebotenen Maße die konkreten Umstände des Einzelfalls. Hierzu zählten unter anderem deutlich unterschiedliche Verkaufsflächen, die geringe Entfernung zwischen dem Vorhabengrundstück und dem Nahversorgungszentrum B.-straße sowie dessen Vorschädigung nach Aufgabe eines dort früher betriebenen Lebensmittelmarktes mit Vollsortiment. 31In dem aktuellen Einzelhandelskonzept 2019, dass die Verträglichkeitsanalyse scheinbar unberücksichtigt gelassen habe, werde deutlich darauf hingewiesen, dass die Einzelhandelsbetriebe am Standort D. Straße bereits jetzt einen starken Wettbewerbsdruck auf das Nahversorgungszentrum B.-straße ausübten. Dessen Funktionsfähigkeit dürfe nicht weiter beeinträchtigt werden. Der Standort D. Straße sei vor diesem Hintergrund nicht weiterzuentwickeln. Er habe Einfluss auf die Einzelhandelsstruktur im Nahversorgungszentrum genommen. 32Die in der Verträglichkeitsanalyse prognostizierte Umsatzumverteilung in Höhe von 7 % zu Lasten des Nahversorgungszentrums könne unter den hier gegebenen Umständen zu schädlichen Auswirkungen auf dieses Zentrum führen. Nach der Verträglichkeitsanalyse bleibe unklar, welche handelsspezifische Fachliteratur bei ihrer Erstellung ausgewertet worden sei. Insbesondere könnten schon die Rundungen, die bei den im Rahmen der Verträglichkeitsanalyse angestellten Berechnungen vorgenommen worden seien, das Ergebnis maßgeblich verfälschen, sodass auch eine Umsatzumverteilung von 10,42 % möglich sei. Die deutliche Überschneidung der Einzugsgebiete des Marktes im Nahversorgungszentrum und des Marktes der Klägerin stehe zudem in deutlichem Widerspruch zu der insoweit unschlüssigen Prognose, es sei nur ein Kaufkraftabfluss von 7 % zu erwarten. 33Insbesondere der als Magnetbetrieb fungierende Lebensmitteldiscountmarkt im Nahversorgungszentrum sei erheblich in seiner Existenz gefährdet. Das Einzelhandelskonzept 2019 habe die Sicherung und Stärkung dieses Marktes als wesentlichen Frequenzbringer für das Nahversorgungszentrum empfohlen. Er habe als einziger Betrieb, der die Nahversorgung mit Lebensmitteln sicherstelle, für die Bewohner des Baugebiets R. eine wesentliche Versorgungsfunktion. Hinzu komme, dass bei dem verhältnismäßig kleinen und schon jetzt nicht sehr stark frequentierten Nahversorgungszentrum B.-straße dem Magnetbetrieb eine im Verhältnis zu Magnetbetrieben in größeren Versorgungsbereichen wesentlich bedeutendere Rolle zukomme. 34Das Gutachterbüro T.+I. habe noch in den Jahren 2011 und 2012 das Einzelhandelskonzept erstellt und darin empfohlen, den Standort D. Straße nicht weiterzuentwickeln. Die nunmehr davon abweichende Verträglichkeitsanalyse widerspreche diesen Empfehlungen, zumal es 2011 noch einen Lebensmittelmarkt mit Vollsortiment in dem Nahversorgungszentrum B.-straße gegeben habe. 35Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Beiakten Heft 1 bis 9) Bezug genommen. 36Entscheidungsgründe: 37Die Berufung der Klägerin hat Erfolg. 38Die Klage ist begründet. 39Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung des begehrten bauplanungsrechtlichen Vorbescheids. Dem Vorhaben stehen öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegen (§§ 77 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4, 74 Abs. 1 BauO NRW). 40Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit ist nach § 34 BauGB zu beurteilen. Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ein Bauvorhaben nach der Art der baulichen Nutzung zulässig, wenn es sich insoweit in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. 41Das Vorhaben erfüllt diese Voraussetzungen. 42Die nähere Umgebung ist für jedes der in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB genannten Merkmale gesondert zu ermitteln, weil diese jeweils eine Prägung mit ganz unterschiedlicher Reichweite und Gewichtung entfalten können. Für das hier in Rede stehende Merkmal der Art der baulichen Nutzung ist die nähere Umgebung im Regelfall weiter zu bemessen als beispielsweise hinsichtlich des Merkmals der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, und der Bauweise. Sie erstreckt sich so weit, wie sie den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst und sich die Ausführung des Bauvorhabens auf sie auswirken kann. 43Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1978 – 4 C 9.77 –, BRS 33 Nr. 36; OVG NRW, Urteil vom 25. Februar 2000 – 10 A 5152/97 –. 44Nach den vorgelegten Verwaltungsvorgängen, dem Kartenmaterial und den verfügbaren Luftbildern gehört zur näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks jedenfalls die Bebauung des Nachbargrundstücks mit einem großflächigen Lebensmittelmarkt. Die im weiteren Umfeld vorhandene Bebauung lässt sich nach der Art der baulichen Nutzung keinem faktischen Baugebiet im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB in Verbindung mit den §§ 2 bis 9 BauNVO zuordnen, sodass die nähere Umgebung des Vorhabengrundstücks als eine sogenannte Gemengelage zu betrachten ist, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat. 45Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung hier also keinem der in der Baunutzungsverordnung bezeichneten Baugebiete und ist die Zulässigkeit der Errichtung oder Änderung eines großflächigen Einzelhandelsbetriebs deshalb nach § 34 Abs. 1 und 3 BauGB zu beurteilen, gilt die Vermutungsregel des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO weder unmittelbar noch kraft gesetzlicher Verweisung. 46Vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Februar 2009 – 4 B 3.09 –, juris, Rn. 9. 47Das Vorhaben fügt sich als großflächiger Einzelhandelsbetrieb nach der Art seiner Nutzung in die als Gemengelage zu qualifizierende nähere Umgebung ein. Er liegt innerhalb des durch die vorhandene Bebauung und Nutzung vorgegebenen Rahmens. Sowohl der vorhandene Lebensmitteldiscountmarkt der Klägerin als auch der auf dem Nachbargrundstück betriebene Lebensmittelmarkt sind großflächige Einzelhandelsbetriebe. 48Dem Vorhaben steht auch nicht § 34 Abs. 3 BauGB entgegen, weil nicht davon auszugehen ist, dass von dem Vorhaben schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sind. 49Ziel des § 34 Abs. 3 BauGB ist die Vermeidung städtebaulich nachteiliger Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche. Solche Auswirkungen sind anzunehmen, wenn sie dazu führen, dass zentrale Versorgungsbereiche ihren Versorgungsauftrag generell oder hinsichtlich einzelner Branchen nicht mehr in substantieller Weise wahrnehmen können, weil sie etwa bereits geschädigt sind und durch die Zulassung weiterer, bei isolierter Betrachtung jeweils unbedenklicher Vorhaben einen vollständigen Funktionsverlust erleiden können. Aber auch dann, wenn kein vollständiger Funktionsverlust des jeweils zu betrachtenden Versorgungsbereichs droht, wird er, wenn er bereits geschädigt ist, von § 34 Abs. 3 BauGB insoweit geschützt, als ihm eine Erholung nicht durch die Zulassung von Vorhaben an anderer Stelle, die seine bereits eingetretene Schädigung verstärken würden, erschwert oder unmöglich gemacht werden soll. 50Vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Januar 2017 – 4 B 43.16 –, juris, Rn. 1, m.w.N.; OVG NRW, Urteil vom 29. Oktober 2018 – 10 A 1403/16 –, juris, Rn. 126 ff. 51Das Gericht hat zur möglichen Feststellung schädlicher Auswirkungen eines Vorhabens auf zentrale Versorgungsbereiche eine Prognoseentscheidung zu treffen und dabei alle Umstände des jeweiligen Einzelfalls in den Blick zu nehmen. Dazu zählen insbesondere der voraussichtliche vorhabenbedingte Kaufkraftabfluss, den der zentrale Versorgungsbereich verkraften muss, ein Vergleich der Verkaufsfläche des Vorhabens mit den einschlägigen Verkaufsflächen im zentralen Versorgungsbereich, die Entfernung zwischen dem Vorhabengrundstück und den mit dem Vorhaben konkurrierenden Einzelhandelsbetrieben im zentralen Versorgungsbereich sowie die Bedeutung dort gegebenenfalls vorhandener „Magnetbetriebe“ und deren mögliche Schwächung durch das Vorhaben. Die Bejahung schädlicher Auswirkungen auf einen zentralen Versorgungsbereich setzt aber zumindest voraus, dass die Betriebsaufgabe eines dortigen „Magnetbetriebs“ hinreichend wahrscheinlich ist. Ist nach gutachterlichen Feststellungen die Gefährdung des Bestandes eines in dem maßgeblichen zentralen Versorgungsbereich vorhandenen „Magnetbetriebs“ nur eine entfernt liegende Möglichkeit, sind keine Tatsachen dargelegt, die den Prognoseschluss rechtfertigen könnten, dass von einem Vorhaben im Falle seiner Verwirklichung schädliche Auswirkungen für den zentralen Versorgungsbereich zu erwarten sind. 52Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – 4 C 2.08 –, BRS 74 Nr. 97, Beschluss vom 12. Februar 2009 – 4 B 3.09 –, juris, Rn. 9; OVG NRW, Urteile vom 29. November 2016 – 10 A 55/15 –, juris, Rn. 56 ff., vom 1. Juli 2009 – 10 A 2350/07 –, juris, Rn. 84, vom 1. Februar 2010 – 7 A 1635/07 –, juris, Rn. 97, und vom 15. Februar 2012 – 10 A 1770/09 –, juris, Rn. 68 ff. 53Nach diesen Grundsätzen sind hier bei der gebotenen umfassenden Bewertung der städtebaulich relevanten Umstände durch die Verwirklichung des Vorhabens keine beachtlichen Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit des Nahversorgungszentrums B.-straße zu erwarten. 54Danach wäre hier nur dann mit derartigen Beeinträchtigungen zu rechnen, wenn die Verwirklichung des Vorhabens den Betrieb des Lebensmitteldiscountmarktes im Nahversorgungszentrum hinreichend wahrscheinlich gefährden würde. Einer im Verwaltungsverfahren geäußerten entsprechenden Befürchtung der Beklagten, die sie im Wesentlichen auf einen Vergleich der Verkaufsfläche dieses Marktes mit den Verkaufsflächen der Lebensmittelmärkte am Standort D. Straße, auf die geringe Entfernung dieser Märkte von dem Nahversorgungszentrum und auf die Überschneidung der jeweiligen Einzugsbereiche im Hinblick auf die sogenannte Mantelbevölkerung gestützt hat, ist die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren mit einer ausführlichen gutachterlichen Verträglichkeitsanalyse entgegengetreten. 55Nach dieser Verträglichkeitsanalyse würde die Verwirklichung des Vorhabens nur zu Umsatzumverteilungen im Sortimentsbereich Nahrungs- und Genussmittel in Höhe von maximal rund 200.000 Euro beziehungsweise rund 7 % zu Lasten der einschlägigen Einzelhandelsbetriebe in dem Nahversorgungszentrum B.-straße führen, die den dortigen systemgleichen Lebensmitteldiscountmarkt zwar nachteilig tangieren, aber nicht in seinem Bestand gefährden würde. 56Diese Annahme der Gutachter ist für den Senat plausibel. Sie haben in ihre Prognose eingestellt, dass der Markt im Nahversorgungszentrum B.-straße einer der zu den Märkten am Standort D. Straße nächstgelegenen Lebensmitteldiscountmärkte sei und sich sein Einzugsgebiet angesichts dieser Nähe deutlich mit dem des Vorhabens überschneide. Andererseits heben sie nachvollziehbar hervor, dass der Markt im Nahversorgungszentrum wegen seiner Lage inmitten des Wohngebiets am R. von einer nennenswerten Mantelbevölkerung profitiere, deren Nahversorgung er diene. Er sei für O.-Märkte überdurchschnittlich mit Verkaufsflächen ausgestattet und auch sonst marktgängig aufgestellt. Eine vorhabenbedingte Schließung des Marktes oder seine Umstrukturierung seien insbesondere angesichts der im weiteren Umfeld bereits gegebenen Wettbewerbssituation nicht zu erwarten. Er konkurriere nur in geringerem Maße mit den Märkten am Standort D. Straße und sei auf die unmittelbare Nahversorgung ausgerichtet. Diese Einschätzung erscheint angesichts der bereits von dem Verwaltungsgericht aufgezeigten erheblich unterschiedlichen Verkaufsflächenausstattungen und der auf der Hand liegenden Attraktivität des Standortes D. Straße, der durch seine verkehrsgünstige Lage und die Agglomeration verschiedener Anbieter insbesondere Kunden anzieht, die mit dem Auto zum Einkaufen fahren, ohne weiteres nachvollziehbar. 57Die im Berufungsverfahren ergänzten Einwände der Beklagten gegen die Verträglichkeitsanalyse führen zu keiner anderen Bewertung. Ihre Kritik, diese berücksichtige nicht in dem gebotenen Maße die konkreten Umstände des Einzelfalls, überzeugt nicht. Unabhängig davon, dass die Beklagte selbst das Vorliegen schädlicher Auswirkungen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hat, 58vgl. OVG NRW, Urteile vom 29. Oktober 2018 – 10 A 1403/16 –, juris, Rn. 128, und vom 13. Juni 2007 – 10 A 2439/06 –, juris, Rn. 69, 59und es dafür nicht genügt, eine gutachterlicher Stellungnahme wie die Verträglichkeitsanalyse, die zu einem gegenteiligen Ergebnis kommt, in Frage zu stellen, bieten ihre diesbezüglichen Beanstandungen keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, dass eine vorhabenbedingte Betriebsaufgabe des Lebensmitteldiscountmarktes im Nahversorgungszentrum B.-straße ernsthaft zu erwarten sein könnte. Die mehrfach hervorgehobenen Unterschiede hinsichtlich der Größe der Verkaufsflächen im Nahversorgungszentrum und am Standort D. Straße, die geringe Entfernung des Vorhabengrundstücks von dem Nahversorgungszentrum sowie die Aufgabe des dort früher ansässigen Lebensmittelmarktes mit Vollsortiment haben die Gutachter der Verträglichkeitsanalyse bereits in ihre Bewertung einfließen lassen. 60Dass – wie die Beklagte unter Hinweis auf die Fortschreibung des Einzelhandelskonzept aus dem Jahre 2019 – geltend macht, die Märkte am Standort D. Straße bereits jetzt einen starken Wettbewerbsdruck auf das Nahversorgungszentrum B.-straße, das nach der Aufgabe des früher dort vorhandenen Lebensmittelmarktes an Attraktivität verloren hat, ausüben, steht außer Frage. Auch die Gutachter sehen, dass dem Lebensmitteldiscountmarkt in dem Nahversorgungszentrum als einzigem fußläufig erreichbaren Nahversorger inmitten des Baugebiets am R. eine wesentliche Versorgungsfunktion für dessen Bewohner zukommt, schließen jedoch daraus, dass sich an seiner Ausrichtung eben auf diese unmittelbare Nahversorgung und an seiner Wettbewerbsfähigkeit durch eine Verwirklichung des Vorhabens Wesentliches ändern würde. Soweit das Einzelhandelskonzept 2019 die Sicherung und Stärkung dieses Lebensmitteldiscountmarktes als wesentlichen „Magnetbetrieb“ für das Zentrum empfiehlt, hätte dies der Beklagten Anlass bieten können, planerische Maßnahme zur Sicherung und Stärkung des Nahversorgungszentrums B.-straße auf den Weg zu bringen. Dies ist jedoch nicht geschehen. Die Auffassung der Beklagten, die von ihr zitierte Passage des Einzelhandelskonzepts könne die Annahme rechtfertigen, dass von einer Erweiterung eines Einzelhandelsbetriebs am Standort D. Straße in jedem Fall schädliche Auswirkungen im Sinne § 34 Abs. 3 BauGB auf das Nahversorgungszentrum zu erwarten seien, geht jedenfalls fehl. Entsprechendes gilt auch, soweit die Beklagte dem Gutachterbüro T.+I. vorhält, es habe noch in den Jahren 2011 und 2012 in dem von ihm erstellten Einzelhandelskonzept empfohlen, den Standort D. Straße nicht weiterzuentwickeln beziehungsweise eine Weiterentwicklung restriktiv zu behandeln. Diese Aussage verhält sich ebenfalls nicht zu den Voraussetzungen, die konkret vorliegen müssten, um schädliche Auswirkungen auf das Nahversorgungszentrum B.-straße für den Fall der Verwirklichung des Vorhabens vorhersagen zu können. 61Nach alledem bleibt der Vortrag der Beklagten, die in der Verträglichkeitsanalyse prognostizierte Umsatzumverteilung in Höhe von 7 % zu Lasten des Nahversorgungszentrums B.-straße könne unter den hier gegebenen Umständen zu schädlichen Auswirkungen auf diesen zentralen Versorgungsbereich führen, eine bloße spekulative Behauptung. Ihrer Kritik, die bei den Berechnungen in der Auswirkungsanalyse vorgenommenen Rundungen könnten das Ergebnis der Analyse maßgeblich verfälscht haben, sodass auch eine Umsatzumverteilung von 10,42 % denkbar sei, liegt eine eigene fehlerhafte Berechnung zugrunde, wie die Klägerin im Einzelnen ausgeführt hat. 62Der Senat hatte schließlich auch keine Veranlassung, den hilfsweise gestellten Beweisanträgen nachzugehen. Es bedarf insoweit keiner abschließenden Entscheidung, ob sie auf eine unzulässige Ausforschung gerichtet sind, weil die Einwände der Beklagten gegen die Verträglichkeitsanalyse, wie oben ausgeführt, keine Anhaltspunkte dafür bieten, die gutachterlichen Feststellungen in dieser Verträglichkeitsanalyse in Frage zu stellen. 63Jedenfalls sieht der Senat in Ausübung seines Ermessens gemäß § 98 VwGO in Verbindung mit § 412 ZPO von der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens ab. 64Vgl. in diesem Zusammenhang etwa BVerwG, Beschlüsse vom 26. Juni 2020 – 7 BN 3.19 –, juris, Rn. 6, vom 5. März 2019 – 4 BN 18.18 –, juris, Rn. 16, vom 17. Februar 2015 – 4 B 53.14 –, juris, Rn. 19, vom 26. Februar 2008 – 2 B 122.07 –, juris, Rn. 29 f., vom 4. Januar 2007 – 10 B 20.06 –, juris, Rn. 12, vom 13. März 1992 – 4 B 39.92 –, juris Rn. 5, und vom 18. Januar 1989 – 2 B 177.88 –, juris, Rn. 3, jeweils mit weiteren Nachweisen. 65Die vorliegende Verträglichkeitsanalyse erscheint objektiv geeignet, dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen zu vermitteln. Die Beklagte hat nicht aufgezeigt, dass sie erkennbare Mängel enthält, von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht oder unlösbare Widersprüche aufweist. Eine Verpflichtung des Gerichts, zusätzlich zu einem vorliegenden Gutachten oder einer sonstigen gutachterlichen Stellungnahme weitere Gutachten einzuholen oder sonst zu ermitteln, besteht nicht allein deshalb, weil ein Beteiligter die bisher vorliegenden Erkenntnisquellen im Ergebnis für unzutreffend hält. Auch die allgemeinen Ausführungen der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung zu einer höheren Flächenproduktivität des Vorhabens als sie in der Verträglichkeitsanalyse zugrunde gelegt worden sei oder zur demographischen Entwicklung der Bevölkerung des Baugebiets R. geben hierfür keinen konkreten Anlass. 66Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. 67Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 ff. ZPO. 68Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
das angefochtene urteil wird geändert. die beklagte wird verpflichtet, der klägerin den von ihr unter dem 26. august 2014 beantragten bauplanungsrechtlichen vorbescheid für die erweiterung des lebensmitteldiscountmarktes auf dem grundstück d. straße 136 in s. (gemarkung s1., flur 441, flurstück 1348) zu erteilen. die beklagte trägt die kosten des verfahrens in beiden rechtszügen. das urteil ist hinsichtlich der kosten vorläufig vollstreckbar. die beklagte darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 von hundert des auf grund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht die klägerin vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 von hundert des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. die revision wird nicht zugelassen. 1
2die klägerin begehrt die erteilung eines bauplanungsrechtlichen vorbescheids für die erweiterung eines lebensmitteldiscountmarktes auf dem grundstück d. straße 136 (gemarkung s1., flur 441, flurstück 1348). (im folgenden: vorhaben beziehungsweise vorhabengrundstück). 3in der näheren umgebung des vorhabengrundstücks befinden sich neben mehreren wohngebäuden und gewerbebetrieben unter anderem ein lebensmittelmarkt mit vollsortiment (n.), ein weiterer lebensmitteldiscountmarkt (o.) sowie ein getränkemarkt. diese märkte und der markt auf dem vorhabengrundstück werden im folgenden als standort d. straße bezeichnet. 4am 18. september 2007 erteilte die beklagte der klägerin die baugenehmigung zur errichtung eines lebensmitteldiscountmarktes auf dem vorhabengrundstück, welche sie in der folgezeit umsetzte. nach der baugenehmigung vom 18. september 2007 beträgt die verkaufsfläche 822 qm. 5die klägerin stellte am 26. august 2014 den antrag auf erteilung eines bauplanungsrechtlichen vorbescheids zur beabsichtigten erweiterung des bestehenden marktes. die genaue fragestellung zum vorbescheid lautete: „ist eine vergrößerung der verkaufsfläche durch erweiterungen des markts auf beiden giebelseiten planungsrechtlich zulässig?“. nach den antragsunterlagen soll die verkaufsfläche von 837,97 qm auf 1.271,07 qm und damit um 433,10 qm vergrößert werden. 6mit bescheid vom 22. dezember 2014, zugestellt am 24. dezember 2014, stellte die beklagte die bauvoranfrage der klägerin gemäß § 15 abs. 1 baugb bis zum 23. dezember 2015 zurück. 7die klägerin hat am 30. dezember 2014 klage erhoben. sie habe einen anspruch auf erteilung des beantragten bauplanungsrechtlichen vorbescheids. der anwendung des § 34 abs. 3 baugb stehe bereits entgegen, dass es sich bei dem standort d. straße selbst um einen zentralen versorgungsbereich handele. 8bei dem in dem einzelhandelskonzept so bezeichneten nahversorgungszentrum b.-straße (im folgenden: standort b.-straße) handele es sich in wahrheit nicht um einen zentralen versorgungsbereich in form eines nahversorgungszentrums. es sei auszuschließen, dass sich das vorhaben im falle seiner verwirklichung negativ auf die dort ansässigen einzelhandelsbetriebe auswirken werde. am standort d. straße gebe es bereits mehrere einzelhandelsbetriebe mit einer verkaufsfläche von insgesamt rund 6.095 qm, wovon mindestens 5.000 qm auf den lebensmitteleinzelhandel entfielen. das vorhaben habe hieran im falle seiner verwirklichung einen anteil von maximal 9 %. bei einem derart geringfügigen anwachsen der vorhandenen verkaufsfläche seien städtebaulich erhebliche negative auswirkungen auf die einzelhandelsbetriebe am standort b.‑straße auszuschließen. dies gelte umso mehr deshalb, weil die vorgesehene erweiterung der verkaufsfläche des marktes auf dem vorhabengrundstück in erster linie dessen kundenfreundlicher gestaltung durch eine verbreiterung der gänge zwischen den regalen, durch eine umgestaltung der regale und durch ähnliche maßnahmen diene und nicht etwa einer erweiterung des dort bisher angebotenen warensortiments. 9aus der von ihr vorgelegten verträglichkeitsanalyse des büros t. + i. vom 7. februar 2020 (im folgenden: verträglichkeitsanalyse) ergebe sich, dass durch eine verwirklichung des vorhabens keine absehbaren schädlichen auswirkungen auf zentrale versorgungsbereiche im sinne von § 34 abs. 3 bgb zu befürchten seien. nach der verträglichkeitsanalyse sei mit einer umsatzumverteilung zu lasten des lebensmitteldiscountmarktes am standort b.-straße im sortimentsbereich nahrungs- und genussmittel in höhe von 200.000 euro beziehungsweise 7 % zu rechnen. dies führe nicht dazu, dass der markt geschlossen werde und könne daher den vermeintlichen zentralen versorgungsbereich b.-straße nicht schädigen. 10die klägerin hat beantragt, 11die beklagte zu verpflichten, ihr den mit formularantrag vom 26. august 2014 beantragten bauplanungsrechtlichen vorbescheid für die erweiterung des m-markts d. straße 136 in s1. (gemarkung s1., flur 441, flurstück 1348) zu erteilen. 12die beklagte hat beantragt, 13die klage abzuweisen. 14zur begründung hat sie vorgetragen: die klägerin plane die erweiterung eines bereits großflächigen einzelhandelsbetriebs, der gemäß § 11 abs. 3 baunvo lediglich in kern- oder sondergebieten zulässig sei. das vorhaben widerspreche insgesamt den zielen des einzelhandelskonzepts und insbesondere dem anliegen, den darin festgelegten zentralen versorgungsbereich b.-straße zu schützen. es gehe bei dem vorhaben auch nicht nur um eine marginale erweiterung der verkaufsfläche des vorhandenen marktes, sondern um eine erweiterung um 50 %. dass diese erweiterung lediglich einer verbreiterung der gänge und einer umgestaltungen der regale dienen solle, sei schwer nachzuvollziehen. die geplante erweiterung der verkaufsfläche würde weiter kaufkraft zu lasten der im zentralen versorgungsbereich b.-straße verbliebenen einzelhandelsbetriebe abziehen, der durch die schließung des dort früher betriebenen lebensmittelmarktes mit vollsortiment (f.) bereits an attraktivität eingebüßt habe. 15weder könnte die attraktivität des zentralen versorgungsbereichs b.-straße erhalten werden noch sei dort mit der ansiedlung neuer betriebe zu rechnen, wenn das vorhaben realisiert würde. die behauptung der klägerin, der zentrale versorgungsbereich b.-straße sei im hinblick auf die verkaufsfläche von „lediglich“ 1.040 qm nicht als ein solcher zu qualifizieren, sei falsch. ein zentraler versorgungsbereich zeichne sich nicht zuletzt durch die vielfalt des warenangebots aus. wie sich aus dem einzelhandelskonzept ergebe, würden in dem zentralen versorgungsbereich b.-straße als hauptwarengruppen neben nahrungs- und genussmitteln auch drogerie- und parfümartikel, kosmetika, pharmazeutische artikel, zeitungen und zeitschriften sowie artikel aus dem bereich papier, bürobedarf und schreibwaren angeboten. hinzu kämen angebote wie etwa medizinische versorgung, gastronomie und einzelhandelsnahe dienstleistungen, die kennzeichnend seien für einen zentralen versorgungsbereich. 16das verwaltungsgericht hat die klage mit urteil vom 11. februar 2020 abgewiesen. die klägerin habe keinen anspruch auf die erteilung des begehrten vorbescheids. von dem vorhaben gingen im falle seiner verwirklichung schädliche auswirkungen im sinne des § 34 abs. 3 baugb auf das nahversorgungszentrum b.-straße aus, das drohe durch das vorhaben weiter geschädigt zu werden. werde das vorhaben verwirklicht, sei unter berücksichtigung aller umstände des einzelfalls zu erwarten, dass die funktionsfähigkeit des nahversorgungszentrums b.-straße nachhaltig und in beachtlichem ausmaß beeinträchtigt und gestört werde. die klägerin wolle die verkaufsfläche ihres lebensmitteldiscountmarktes um circa 50 % vergrößern, was dessen attraktivität steigern und durch die dadurch bewirkte umorientierung der kunden den zentralen versorgungsbereich b.-straße zusätzlich nachhaltig schwächen dürfte. 17den bei verwirklichung des vorhabens eintretenden kaufkraftschwund könne der markt im nahversorgungszentrum nicht kompensieren. insoweit wiege es besonders schwer, dass die märkte am standort d. straße alle weniger als 700 m von dem nahversorgungszentrum entfernt lägen und damit ihre aus der näheren umgebung stammende kundschaft im wesentlichen aus dem unmittelbaren einzugsbereich des dortigen marktes generierten. dies habe bereits in der vergangenheit zu erheblichen nachteiligen veränderungen in dem nahversorgungszentrum geführt, das als vorgeschädigt zu qualifizieren sei. dass es dort derzeit keinen leerstand gebe, spreche ebenso wenig gegen die gefahr einer weiteren schwächung des zentralen versorgungsbereichs wie die verträglichkeitsanalyse, wonach sich der dortige markt auf den wettbewerb mit den märkten am standort d. straße eingestellt habe und die geplante verkaufsflächenerweiterung absehbar keine nachhaltige störung der funktionsfähigkeit des versorgungsauftrags insgesamt oder hinsichtlich einzelner branchen induziere. 18bei dem markt im nahversorgungszentrum b.-straße handele es sich zudem wegen seiner das zentrum dominierenden größe um einen magnetbetrieb. er habe maßgebliche bedeutung für die funktionsfähigkeit des zentralen versorgungsbereichs, da er dort der einzige magnetbetrieb sei und die anderen einzelhandelsgeschäfte ihre kleinteiligen sortimente auf nur kleinen verkaufsflächen anböten. bei einer aufgabe des magnetbetriebs wäre auch deren fortbestand erheblich gefährdet. 19zur begründung der von dem senat zugelassenen berufung trägt die klägerin ergänzend vor: 20die kritik der beklagten, die verträglichkeitsanalyse habe das einzelhandelskonzept 2019 nicht berücksichtigt, gehe ins leere, weil einzelhandelskonzepte im rahmen einer beurteilung nach § 34 abs. 3 baugb weder verbindlich noch aussagekräftig seien. die verträglichkeitsanalyse habe die tatsächlichen zusammenhänge hinsichtlich des einzelhandels im untersuchungsraum korrekt erfasst und zur grundlage der prognose gemacht. der von der beklagten hervorgehobene vergleich der verkaufsfläche des vorhabens mit den verkaufsflächen der einzelhandelsbetriebe im so genannten nahversorgungszentrum b.-straße sei für die prognose nicht allein maßgeblich. zudem sei bei der erweiterung der verkaufsfläche eines bestehenden einzelhandelsbetriebs zu berücksichtigen, dass sich etwaige konkurrierende betriebe auf die bisherige situation eingestellt haben könnten, sodass sich eine geringfügige erweiterung der verkaufsfläche nicht auf die umsatzverteilung auswirke. eine nähere begründung, aus welchem grund hier abweichend von der verträglichkeitsanalyse durch das vorhaben schädliche auswirkungen auf einen zentralen versorgungsbereich zu erwarten sein könnten, bleibe die beklagte schuldig. ihre kritik an der berechnung der umsatzumverteilungsquote überzeuge nicht. die von ihr angesprochenen rundungsdifferenzen könnten nicht zu der von ihr genannten umverteilungsquote von 10,42 % führen. für mögliche städtebauliche auswirkungen sei hier der umsatz, der mit nahrungs- und genussmitteln im angeblichen zentralen versorgungsbereich erwirtschaftet werde, die maßgebliche bezugsgröße. dieser sei für den standort b.-straße mit 3,5 mio euro anzusetzen. setze man diesen betrag ins verhältnis zu der von der beklagten für möglich gehalten umverteilung von circa 250.000 euro, ergebe sich lediglich eine umsatzumverteilungsquote von 7,1 %. die überschneidung der einzugsbereiche des marktes am standort b.‑straße und ihres eigenen marktes spreche nicht maßgeblich dafür, dass mit der verwirklichung des vorhabens schädliche auswirkungen auf den vermeintlichen zentralen versorgungsbereich b.-straße verbunden seien. ihr eigener markt habe ein gegenüber dem markt am standort b.-straße erweitertes einzugsgebiet und profitiere wegen der strahlkraft des standortes d. straße wesentlich von umsätzen aus dem gesamten stadtgebiet. das angebliche nahversorgungszentrum b.-straße sei auch nicht als vorgeschädigt zu qualifizieren. es gebe dort weiterhin einen großflächigen einzelhandelsbetrieb als magnetbetrieb. dass sich dieser magnetbetrieb wegen der bestehenden wettbewerbssituation in wirtschaftlichen schwierigkeiten befinde und vorgeschädigt sei, sei nicht zu erkennen. er habe sich vielmehr nach der aufgabe des dortigen lebensmittelmarktes mit vollsortiment durch einen umzug in dessen betriebsräume neu aufgestellt, habe seine verkaufsfläche vergrößert und einen marktgängigen auftritt. der vorwurf der beklagten, die verträglichkeitsanalyse stelle die mit den übrigen märkten am standort d. straße verbundenen synergieeffekte nicht in die bewertung ein, sei nicht nachvollziehbar. 21die klägerin beantragt, 22das angefochtene urteil zu ändern und die beklagte zu verpflichten, ihr den von ihr unter dem 26. august 2014 beantragten bauplanungsrechtlichen vorbescheid für die erweiterung des lebensmitteldiscountmarktes auf dem grundstück d. straße 136 in s1. (gemarkung s1., flur 441, flurstück 1348) zu erteilen. 23die beklagte beantragt, 24die berufung zurückzuweisen, 25hilfsweise durch einholung eines sachverständigengutachtens beweis darüber zu erheben, dass 26- die in der verträglichkeitsanalyse des gutachterbüros t.+i. vom 7. februar 2020 dargelegten absatzwirtschaftlichen auswirkungen – insbesondere die prognostizierten „umsatzumverteilungen nahrungs- und genussmittel“ – unzutreffend und/oder methodisch falsch ermittelt worden sind, 27- bei realisierung des vorhabens bei methodisch korrekter ermittlung der umsatzumverteilung und unterlassen etwaiger rundungen der ermittelten werte zu lasten des zentralen versorgungsbereichs b.-straße eine über 200.000 euro beziehungsweise über 7 % hinausgehende umsatzumverteilung zu erwarten ist, 28- eine vorschädigung des zentralen versorgungsbereichs b.-straße insbesondere durch die aufgabe des vormalig dort ansässigen f.-aktiv-marktes anzunehmen ist, 29- der o-markt als „magnetbetrieb“ des zentralen versorgungsbereichs b.-straße durch das vorhaben der klägerin in seinem fortbestand gefährdet ist. 30sie hält das vorhaben für bauplanungsrechtlich unzulässig. die verträglichkeitsanalyse berücksichtige nicht in dem gebotenen maße die konkreten umstände des einzelfalls. hierzu zählten unter anderem deutlich unterschiedliche verkaufsflächen, die geringe entfernung zwischen dem vorhabengrundstück und dem nahversorgungszentrum b.-straße sowie dessen vorschädigung nach aufgabe eines dort früher betriebenen lebensmittelmarktes mit vollsortiment. 31in dem aktuellen einzelhandelskonzept 2019, dass die verträglichkeitsanalyse scheinbar unberücksichtigt gelassen habe, werde deutlich darauf hingewiesen, dass die einzelhandelsbetriebe am standort d. straße bereits jetzt einen starken wettbewerbsdruck auf das nahversorgungszentrum b.-straße ausübten. dessen funktionsfähigkeit dürfe nicht weiter beeinträchtigt werden. der standort d. straße sei vor diesem hintergrund nicht weiterzuentwickeln. er habe einfluss auf die einzelhandelsstruktur im nahversorgungszentrum genommen. 32die in der verträglichkeitsanalyse prognostizierte umsatzumverteilung in höhe von 7 % zu lasten des nahversorgungszentrums könne unter den hier gegebenen umständen zu schädlichen auswirkungen auf dieses zentrum führen. nach der verträglichkeitsanalyse bleibe unklar, welche handelsspezifische fachliteratur bei ihrer erstellung ausgewertet worden sei. insbesondere könnten schon die rundungen, die bei den im rahmen der verträglichkeitsanalyse angestellten berechnungen vorgenommen worden seien, das ergebnis maßgeblich verfälschen, sodass auch eine umsatzumverteilung von 10,42 % möglich sei. die deutliche überschneidung der einzugsgebiete des marktes im nahversorgungszentrum und des marktes der klägerin stehe zudem in deutlichem widerspruch zu der insoweit unschlüssigen prognose, es sei nur ein kaufkraftabfluss von 7 % zu erwarten. 33insbesondere der als magnetbetrieb fungierende lebensmitteldiscountmarkt im nahversorgungszentrum sei erheblich in seiner existenz gefährdet. das einzelhandelskonzept 2019 habe die sicherung und stärkung dieses marktes als wesentlichen frequenzbringer für das nahversorgungszentrum empfohlen. er habe als einziger betrieb, der die nahversorgung mit lebensmitteln sicherstelle, für die bewohner des baugebiets r. eine wesentliche versorgungsfunktion. hinzu komme, dass bei dem verhältnismäßig kleinen und schon jetzt nicht sehr stark frequentierten nahversorgungszentrum b.-straße dem magnetbetrieb eine im verhältnis zu magnetbetrieben in größeren versorgungsbereichen wesentlich bedeutendere rolle zukomme. 34das gutachterbüro t.+i. habe noch in den jahren 2011 und 2012 das einzelhandelskonzept erstellt und darin empfohlen, den standort d. straße nicht weiterzuentwickeln. die nunmehr davon abweichende verträglichkeitsanalyse widerspreche diesen empfehlungen, zumal es 2011 noch einen lebensmittelmarkt mit vollsortiment in dem nahversorgungszentrum b.-straße gegeben habe. 35wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakte sowie der beigezogenen verwaltungsvorgänge der beklagten (beiakten heft 1 bis 9) bezug genommen. 36
37die berufung der klägerin hat erfolg. 38die klage ist begründet. 39die klägerin hat einen anspruch auf erteilung des begehrten bauplanungsrechtlichen vorbescheids. dem vorhaben stehen öffentlich-rechtliche vorschriften nicht entgegen (§§ 77 abs. 1 satz 1 und satz 4, 74 abs. 1 bauo nrw). 40die bauplanungsrechtliche zulässigkeit ist nach § 34 baugb zu beurteilen. gemäß § 34 abs. 1 satz 1 baugb ist ein bauvorhaben nach der art der baulichen nutzung zulässig, wenn es sich insoweit in die eigenart der näheren umgebung einfügt. 41das vorhaben erfüllt diese voraussetzungen. 42die nähere umgebung ist für jedes der in § 34 abs. 1 satz 1 baugb genannten merkmale gesondert zu ermitteln, weil diese jeweils eine prägung mit ganz unterschiedlicher reichweite und gewichtung entfalten können. für das hier in rede stehende merkmal der art der baulichen nutzung ist die nähere umgebung im regelfall weiter zu bemessen als beispielsweise hinsichtlich des merkmals der grundstücksfläche, die überbaut werden soll, und der bauweise. sie erstreckt sich so weit, wie sie den bodenrechtlichen charakter des baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst und sich die ausführung des bauvorhabens auf sie auswirken kann. 43vgl. bverwg, urteil vom 26. mai 1978 – 4 c 9.77 –, brs 33 nr. 36; ovg nrw, urteil vom 25. februar 2000 – 10 a 5152/97 –. 44nach den vorgelegten verwaltungsvorgängen, dem kartenmaterial und den verfügbaren luftbildern gehört zur näheren umgebung des vorhabengrundstücks jedenfalls die bebauung des nachbargrundstücks mit einem großflächigen lebensmittelmarkt. die im weiteren umfeld vorhandene bebauung lässt sich nach der art der baulichen nutzung keinem faktischen baugebiet im sinne des § 34 abs. 2 baugb in verbindung mit den §§ 2 bis 9 baunvo zuordnen, sodass die nähere umgebung des vorhabengrundstücks als eine sogenannte gemengelage zu betrachten ist, wie das verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat. 45entspricht die eigenart der näheren umgebung hier also keinem der in der baunutzungsverordnung bezeichneten baugebiete und ist die zulässigkeit der errichtung oder änderung eines großflächigen einzelhandelsbetriebs deshalb nach § 34 abs. 1 und 3 baugb zu beurteilen, gilt die vermutungsregel des § 11 abs. 3 satz 3 baunvo weder unmittelbar noch kraft gesetzlicher verweisung. 46vgl. bverwg, beschluss vom 12. februar 2009 – 4 b 3.09 –, juris, rn. 9. 47das vorhaben fügt sich als großflächiger einzelhandelsbetrieb nach der art seiner nutzung in die als gemengelage zu qualifizierende nähere umgebung ein. er liegt innerhalb des durch die vorhandene bebauung und nutzung vorgegebenen rahmens. sowohl der vorhandene lebensmitteldiscountmarkt der klägerin als auch der auf dem nachbargrundstück betriebene lebensmittelmarkt sind großflächige einzelhandelsbetriebe. 48dem vorhaben steht auch nicht § 34 abs. 3 baugb entgegen, weil nicht davon auszugehen ist, dass von dem vorhaben schädlichen auswirkungen auf zentrale versorgungsbereiche in der gemeinde oder in anderen gemeinden zu erwarten sind. 49ziel des § 34 abs. 3 baugb ist die vermeidung städtebaulich nachteiliger auswirkungen auf zentrale versorgungsbereiche. solche auswirkungen sind anzunehmen, wenn sie dazu führen, dass zentrale versorgungsbereiche ihren versorgungsauftrag generell oder hinsichtlich einzelner branchen nicht mehr in substantieller weise wahrnehmen können, weil sie etwa bereits geschädigt sind und durch die zulassung weiterer, bei isolierter betrachtung jeweils unbedenklicher vorhaben einen vollständigen funktionsverlust erleiden können. aber auch dann, wenn kein vollständiger funktionsverlust des jeweils zu betrachtenden versorgungsbereichs droht, wird er, wenn er bereits geschädigt ist, von § 34 abs. 3 baugb insoweit geschützt, als ihm eine erholung nicht durch die zulassung von vorhaben an anderer stelle, die seine bereits eingetretene schädigung verstärken würden, erschwert oder unmöglich gemacht werden soll. 50vgl. bverwg, beschluss vom 12. januar 2017 – 4 b 43.16 –, juris, rn. 1, m.w.n.; ovg nrw, urteil vom 29. oktober 2018 – 10 a 1403/16 –, juris, rn. 126 ff. 51das gericht hat zur möglichen feststellung schädlicher auswirkungen eines vorhabens auf zentrale versorgungsbereiche eine prognoseentscheidung zu treffen und dabei alle umstände des jeweiligen einzelfalls in den blick zu nehmen. dazu zählen insbesondere der voraussichtliche vorhabenbedingte kaufkraftabfluss, den der zentrale versorgungsbereich verkraften muss, ein vergleich der verkaufsfläche des vorhabens mit den einschlägigen verkaufsflächen im zentralen versorgungsbereich, die entfernung zwischen dem vorhabengrundstück und den mit dem vorhaben konkurrierenden einzelhandelsbetrieben im zentralen versorgungsbereich sowie die bedeutung dort gegebenenfalls vorhandener „magnetbetriebe“ und deren mögliche schwächung durch das vorhaben. die bejahung schädlicher auswirkungen auf einen zentralen versorgungsbereich setzt aber zumindest voraus, dass die betriebsaufgabe eines dortigen „magnetbetriebs“ hinreichend wahrscheinlich ist. ist nach gutachterlichen feststellungen die gefährdung des bestandes eines in dem maßgeblichen zentralen versorgungsbereich vorhandenen „magnetbetriebs“ nur eine entfernt liegende möglichkeit, sind keine tatsachen dargelegt, die den prognoseschluss rechtfertigen könnten, dass von einem vorhaben im falle seiner verwirklichung schädliche auswirkungen für den zentralen versorgungsbereich zu erwarten sind. 52vgl. bverwg, urteil vom 17. dezember 2009 – 4 c 2.08 –, brs 74 nr. 97, beschluss vom 12. februar 2009 – 4 b 3.09 –, juris, rn. 9; ovg nrw, urteile vom 29. november 2016 – 10 a 55/15 –, juris, rn. 56 ff., vom 1. juli 2009 – 10 a 2350/07 –, juris, rn. 84, vom 1. februar 2010 – 7 a 1635/07 –, juris, rn. 97, und vom 15. februar 2012 – 10 a 1770/09 –, juris, rn. 68 ff. 53nach diesen grundsätzen sind hier bei der gebotenen umfassenden bewertung der städtebaulich relevanten umstände durch die verwirklichung des vorhabens keine beachtlichen beeinträchtigungen der funktionsfähigkeit des nahversorgungszentrums b.-straße zu erwarten. 54danach wäre hier nur dann mit derartigen beeinträchtigungen zu rechnen, wenn die verwirklichung des vorhabens den betrieb des lebensmitteldiscountmarktes im nahversorgungszentrum hinreichend wahrscheinlich gefährden würde. einer im verwaltungsverfahren geäußerten entsprechenden befürchtung der beklagten, die sie im wesentlichen auf einen vergleich der verkaufsfläche dieses marktes mit den verkaufsflächen der lebensmittelmärkte am standort d. straße, auf die geringe entfernung dieser märkte von dem nahversorgungszentrum und auf die überschneidung der jeweiligen einzugsbereiche im hinblick auf die sogenannte mantelbevölkerung gestützt hat, ist die klägerin im erstinstanzlichen verfahren mit einer ausführlichen gutachterlichen verträglichkeitsanalyse entgegengetreten. 55nach dieser verträglichkeitsanalyse würde die verwirklichung des vorhabens nur zu umsatzumverteilungen im sortimentsbereich nahrungs- und genussmittel in höhe von maximal rund 200.000 euro beziehungsweise rund 7 % zu lasten der einschlägigen einzelhandelsbetriebe in dem nahversorgungszentrum b.-straße führen, die den dortigen systemgleichen lebensmitteldiscountmarkt zwar nachteilig tangieren, aber nicht in seinem bestand gefährden würde. 56diese annahme der gutachter ist für den senat plausibel. sie haben in ihre prognose eingestellt, dass der markt im nahversorgungszentrum b.-straße einer der zu den märkten am standort d. straße nächstgelegenen lebensmitteldiscountmärkte sei und sich sein einzugsgebiet angesichts dieser nähe deutlich mit dem des vorhabens überschneide. andererseits heben sie nachvollziehbar hervor, dass der markt im nahversorgungszentrum wegen seiner lage inmitten des wohngebiets am r. von einer nennenswerten mantelbevölkerung profitiere, deren nahversorgung er diene. er sei für o.-märkte überdurchschnittlich mit verkaufsflächen ausgestattet und auch sonst marktgängig aufgestellt. eine vorhabenbedingte schließung des marktes oder seine umstrukturierung seien insbesondere angesichts der im weiteren umfeld bereits gegebenen wettbewerbssituation nicht zu erwarten. er konkurriere nur in geringerem maße mit den märkten am standort d. straße und sei auf die unmittelbare nahversorgung ausgerichtet. diese einschätzung erscheint angesichts der bereits von dem verwaltungsgericht aufgezeigten erheblich unterschiedlichen verkaufsflächenausstattungen und der auf der hand liegenden attraktivität des standortes d. straße, der durch seine verkehrsgünstige lage und die agglomeration verschiedener anbieter insbesondere kunden anzieht, die mit dem auto zum einkaufen fahren, ohne weiteres nachvollziehbar. 57die im berufungsverfahren ergänzten einwände der beklagten gegen die verträglichkeitsanalyse führen zu keiner anderen bewertung. ihre kritik, diese berücksichtige nicht in dem gebotenen maße die konkreten umstände des einzelfalls, überzeugt nicht. unabhängig davon, dass die beklagte selbst das vorliegen schädlicher auswirkungen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hat, 58vgl. ovg nrw, urteile vom 29. oktober 2018 – 10 a 1403/16 –, juris, rn. 128, und vom 13. juni 2007 – 10 a 2439/06 –, juris, rn. 69, 59und es dafür nicht genügt, eine gutachterlicher stellungnahme wie die verträglichkeitsanalyse, die zu einem gegenteiligen ergebnis kommt, in frage zu stellen, bieten ihre diesbezüglichen beanstandungen keine durchgreifenden anhaltspunkte dafür, dass eine vorhabenbedingte betriebsaufgabe des lebensmitteldiscountmarktes im nahversorgungszentrum b.-straße ernsthaft zu erwarten sein könnte. die mehrfach hervorgehobenen unterschiede hinsichtlich der größe der verkaufsflächen im nahversorgungszentrum und am standort d. straße, die geringe entfernung des vorhabengrundstücks von dem nahversorgungszentrum sowie die aufgabe des dort früher ansässigen lebensmittelmarktes mit vollsortiment haben die gutachter der verträglichkeitsanalyse bereits in ihre bewertung einfließen lassen. 60dass – wie die beklagte unter hinweis auf die fortschreibung des einzelhandelskonzept aus dem jahre 2019 – geltend macht, die märkte am standort d. straße bereits jetzt einen starken wettbewerbsdruck auf das nahversorgungszentrum b.-straße, das nach der aufgabe des früher dort vorhandenen lebensmittelmarktes an attraktivität verloren hat, ausüben, steht außer frage. auch die gutachter sehen, dass dem lebensmitteldiscountmarkt in dem nahversorgungszentrum als einzigem fußläufig erreichbaren nahversorger inmitten des baugebiets am r. eine wesentliche versorgungsfunktion für dessen bewohner zukommt, schließen jedoch daraus, dass sich an seiner ausrichtung eben auf diese unmittelbare nahversorgung und an seiner wettbewerbsfähigkeit durch eine verwirklichung des vorhabens wesentliches ändern würde. soweit das einzelhandelskonzept 2019 die sicherung und stärkung dieses lebensmitteldiscountmarktes als wesentlichen „magnetbetrieb“ für das zentrum empfiehlt, hätte dies der beklagten anlass bieten können, planerische maßnahme zur sicherung und stärkung des nahversorgungszentrums b.-straße auf den weg zu bringen. dies ist jedoch nicht geschehen. die auffassung der beklagten, die von ihr zitierte passage des einzelhandelskonzepts könne die annahme rechtfertigen, dass von einer erweiterung eines einzelhandelsbetriebs am standort d. straße in jedem fall schädliche auswirkungen im sinne § 34 abs. 3 baugb auf das nahversorgungszentrum zu erwarten seien, geht jedenfalls fehl. entsprechendes gilt auch, soweit die beklagte dem gutachterbüro t.+i. vorhält, es habe noch in den jahren 2011 und 2012 in dem von ihm erstellten einzelhandelskonzept empfohlen, den standort d. straße nicht weiterzuentwickeln beziehungsweise eine weiterentwicklung restriktiv zu behandeln. diese aussage verhält sich ebenfalls nicht zu den voraussetzungen, die konkret vorliegen müssten, um schädliche auswirkungen auf das nahversorgungszentrum b.-straße für den fall der verwirklichung des vorhabens vorhersagen zu können. 61nach alledem bleibt der vortrag der beklagten, die in der verträglichkeitsanalyse prognostizierte umsatzumverteilung in höhe von 7 % zu lasten des nahversorgungszentrums b.-straße könne unter den hier gegebenen umständen zu schädlichen auswirkungen auf diesen zentralen versorgungsbereich führen, eine bloße spekulative behauptung. ihrer kritik, die bei den berechnungen in der auswirkungsanalyse vorgenommenen rundungen könnten das ergebnis der analyse maßgeblich verfälscht haben, sodass auch eine umsatzumverteilung von 10,42 % denkbar sei, liegt eine eigene fehlerhafte berechnung zugrunde, wie die klägerin im einzelnen ausgeführt hat. 62der senat hatte schließlich auch keine veranlassung, den hilfsweise gestellten beweisanträgen nachzugehen. es bedarf insoweit keiner abschließenden entscheidung, ob sie auf eine unzulässige ausforschung gerichtet sind, weil die einwände der beklagten gegen die verträglichkeitsanalyse, wie oben ausgeführt, keine anhaltspunkte dafür bieten, die gutachterlichen feststellungen in dieser verträglichkeitsanalyse in frage zu stellen. 63jedenfalls sieht der senat in ausübung seines ermessens gemäß § 98 vwgo in verbindung mit § 412 zpo von der einholung eines weiteren sachverständigengutachtens ab. 64vgl. in diesem zusammenhang etwa bverwg, beschlüsse vom 26. juni 2020 – 7 bn 3.19 –, juris, rn. 6, vom 5. märz 2019 – 4 bn 18.18 –, juris, rn. 16, vom 17. februar 2015 – 4 b 53.14 –, juris, rn. 19, vom 26. februar 2008 – 2 b 122.07 –, juris, rn. 29 f., vom 4. januar 2007 – 10 b 20.06 –, juris, rn. 12, vom 13. märz 1992 – 4 b 39.92 –, juris rn. 5, und vom 18. januar 1989 – 2 b 177.88 –, juris, rn. 3, jeweils mit weiteren nachweisen. 65die vorliegende verträglichkeitsanalyse erscheint objektiv geeignet, dem senat die für die richterliche überzeugungsbildung notwendigen sachlichen grundlagen zu vermitteln. die beklagte hat nicht aufgezeigt, dass sie erkennbare mängel enthält, von unzutreffenden tatsächlichen voraussetzungen ausgeht oder unlösbare widersprüche aufweist. eine verpflichtung des gerichts, zusätzlich zu einem vorliegenden gutachten oder einer sonstigen gutachterlichen stellungnahme weitere gutachten einzuholen oder sonst zu ermitteln, besteht nicht allein deshalb, weil ein beteiligter die bisher vorliegenden erkenntnisquellen im ergebnis für unzutreffend hält. auch die allgemeinen ausführungen der vertreter der beklagten in der mündlichen verhandlung zu einer höheren flächenproduktivität des vorhabens als sie in der verträglichkeitsanalyse zugrunde gelegt worden sei oder zur demographischen entwicklung der bevölkerung des baugebiets r. geben hierfür keinen konkreten anlass. 66die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 1 vwgo. 67die entscheidung zur vorläufigen vollstreckbarkeit beruht auf § 167 vwgo in verbindung mit den §§ 708 ff. zpo. 68die revision ist nicht zuzulassen, weil die voraussetzungen des § 132 abs. 2 vwgo nicht vorliegen.
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10 D 9/20.NE
2022-08-19T00:00:00
Urteil
Tenor Der Bebauungsplan Nr. – Nördlich H.‑straße – der Stadt E. ist unwirksam. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 von Hundert des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Antragsteller vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 von Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Revision wird nicht zugelassen. 1Tatbestand: 2Der Antragsteller wendet sich gegen den Bebauungsplan Nr. – Nördlich H.‑straße – der Antragsgegnerin (im Folgenden: Bebauungsplan). Er ist Eigentümer der im südöstlichen Bereich des Plangebiets gelegenen Grundstücke H.‑straße 67 und 69, die unter anderem für eine Tankstelle mit 24-Stunden-Betrieb, einen Lackier- und Karosseriebetrieb, eine Textilreinigung und Büros genutzt werden. 3Das circa 10,4 ha große Plangebiet liegt im Südosten des Stadtgebiets an der Grenze zu F. Der Geltungsbereich des Bebauungsplans wird im Norden durch den Weg I. begrenzt, an den sich landwirtschaftlich genutzte Flächen anschließen. Nordwestlich des Plangebiets liegt eine Schule und weiter westlich eine Kleingartenanlage. Im Süden stößt das Plangebiet an die H.‑straße und im Osten an die F1. Straße. Östlich der F1. Straße steht, den Grundstücken des Antragstellers quasi gegenüber, die Wasserburg „Haus V.“. 4Das Plangebiet wurde zuletzt im Wesentlichen als Zentrallager und Logistikstandort mit großflächigen Lagerhallen, Verkehrsflächen und einem siebengeschossigen Büro- und Verwaltungsgebäude genutzt. 2010 wurden diese Nutzungen aufgegeben und die Gebäude wurden 2017 abgerissen. Ebenfalls abgerissen wurde ein dreigeschossiges Büro- und Geschäftshaus mit einem eingeschossigen Lager- und Werkstattgebäude, das auf dem Grundstück H.‑straße 71 gestanden hatte. 5Mit dem Bebauungsplan soll nach dem Ergebnis eines städtebaulichen Wettbewerbs mit Öffentlichkeitsbeteiligung der Stadtteil V. insbesondere als Wohnstandort gestärkt und der Siedlungsbestand sinnvoll ergänzt werden, indem die Errichtung von Wohngebäuden mit insgesamt maximal 375 Wohneinheiten ermöglicht wird. 6Die städtebauliche Grundstruktur basiert entsprechend dem Ergebnis des städtebaulichen Wettbewerbs auf vier von Süden nach Norden streifenartig angeordneten Baufeldern. In diesen Baufeldern sind entlang der inneren Erschließungsstraßen Gebäudezeilen mit nach Süden orientierten Fassaden vorgesehen, während an den westlichen und östlichen Rändern Gebäuderiegel die Baufelder begrenzen. Geplant sind drei durch mehrstöckige Wohnhäuser und durch eine kompakte Bebauung mit Einfamilienhäusern geprägte blockartige Baukomplexe, die als WA 1, WA 2, WA 3 sowie MI bezeichnet sind. Die Wohngebiete WA 1-3 sollen im jeweiligen Blockinnenbereich großzügige Garten- und Wohnhöfe erhalten, die durch ein Wegesystem verbunden werden. Nach Norden hin soll die blockartige Struktur durch ein Baufeld mit Einzel- und Doppelhäusern aufgelockert werden. Durch das für das Grundstück H.‑straße 71 festgesetzte Mischgebiet soll ein städtebaulich verträglicher Übergang zwischen dem westlich davon geplanten Wohngebiet und den Gewerbebetrieben auf den Grundstücken des Antragstellers erreicht werden. 7Der Rat beschloss in seiner Sitzung am 28. November 2019 den Bebauungsplan als Satzung. Der Satzungsbeschluss wurde am 29. Dezember 2019 öffentlich bekannt gemacht. 8Am 3. Februar 2020 hat der Antragsteller den Normenkontrollantrag gestellt und am 21. April 2020 um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Den Eilantrag hat der Senat mit Beschluss vom 25. Juni 2020 – 10 B 519/20.NE – abgelehnt. 9Zur Begründung seines Normenkontrollantrags trägt der Antragsteller vor: Für Nr. 2.1 Abs. 1 der textlichen Festsetzungen fehle eine Ermächtigungsgrundlage. Nach der Festsetzung seien im WA 1, WA 2 und WA 3 sowie im Mischgebiet bei der Berechnung der Geschossflächenzahl (GFZ) sämtliche Flächen aller oberirdischen Geschosse anzurechnen. Dies stehe im Widerspruch zu § 20 Abs. 3 Satz 1 BauNVO. Satz 2 dieser Bestimmung erlaube zwar weitergehende Festsetzungen zur Anrechnung von Flächen auf die GFZ, die nicht in Vollgeschossen lägen, erlaube insoweit aber nur die Anrechnung von Flächen von Aufenthaltsräumen einschließlich der zu ihnen gehörenden Umfassungswände. Nach der Planbegründung habe der Rat mit der Festsetzung Nr. 2.1 Abs. 1 der geänderten Definition des Begriffs „Vollgeschoss“ in der nordrhein-westfälischen Bauordnung Rechnung tragen wollen, um die Umsetzung des Wettbewerbsergebnisses, das Grundlage des Bebauungsplans sei, zu sichern. Der Vortrag der Antragsgegnerin, mit der Festsetzung sei selbstverständlich nur dasjenige gewollt, was die Ermächtigungsgrundlage erlaube, sei fernliegend, denn eine Festsetzung eines Bebauungsplans, für die es keine Ermächtigungsgrundlage gebe, dürfe nicht in Form einer geltungserhaltenden Reduktion so ausgelegt werden, dass sie entgegen ihrem Wortlaut den Vorgaben einer einschlägigen Ermächtigungsgrundlage entspreche. Die besagte Festsetzung gehöre zu den Grundzügen der Planung, sodass davon auszugehen sei, dass der Rat den Bebauungsplan ohne sie nicht beschlossen hätte. 10Auch für weitere textliche Festsetzungen unter Nr. 2.2 zur maximal zulässigen Zahl von Geschossen, die keine Vollgeschosse seien, und zur Begrenzung der Grundfläche der jeweils obersten Geschosse sowie zur Lage ihrer Außenwände fehle eine Ermächtigungsgrundlage. Es handele sich dabei nicht etwa, wie die Antragsgegnerin vortrage, um gestalterische Festsetzungen. Gegen ein solches Verständnis spreche schon, dass unter Nr. 2 der textlichen Festsetzungen das Maß der baulichen Nutzung geregelt sei. Als Ermächtigungsgrundlage sei auf der Planurkunde zwar auch § 89 Abs. 1 Nr. 1 BauO NRW ergänzend erwähnt, doch gestatte diese Vorschrift nur die Festlegung besonderer Anforderungen an die äußere Gestaltung baulicher Anlagen zur Erhaltung und Gestaltung von Ortsbildern. Die fraglichen Festsetzungen regelten indessen nicht die äußere Gestalt des jeweils obersten Geschosses oder gar des gesamten Gebäudes, sondern vorrangig das maximal zulässige Flächenmaß eines Geschosses im Verhältnis zu dem Flächenmaß des darunterliegenden Geschosses. Eine bestimmte äußere Gestaltung sei damit nicht vorgegeben, da es dem Bauherrn letztlich freigestellt sei, wie er dieses maximale Flächenmaß einhalte. Für die Unzulässigkeit der Festsetzungen als Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung spreche schließlich auch ihr von der Antragsgegnerin selbst erläuterter Hintergrund. 11Die Festsetzung der Lärmschutzwand zum Schutz der Wohnnutzung im südlichen Baufenster des WA 5 sei unbestimmt, soweit diese in ihrem Abschnitt C-D auf die geplante Geländehöhe abfallen solle, denn es sei unklar, was damit genau gemeint sei. Mit diesem Bestimmtheitsmangel sei zugleich auch ein Abwägungsfehler verbunden, denn der Rat sei zu Unrecht davon ausgegangen, mit der unbestimmten Festsetzung einen ausreichenden Beitrag zur Konfliktbewältigung geleistet zu haben. 12Die textliche Festsetzung Nr. 9.3.2 zur vorgegebenen Reihenfolge der Bebauung sei ebenfalls unbestimmt. Es sei unklar, welches das in der Festsetzung genannte „östliche Gebäude“ und die „nach Osten ausgerichteten Fenster“ im WA 1.2 sein sollten. 13Auch die textliche Festsetzung Nr. 9.5 zu möglichen Abweichungen von dem Lärmschutzkonzept sei widersprüchlich und unbestimmt. Ein Sachverständiger für den Schallschutz habe nicht zu beurteilen, ob ein bestimmter geografischer Punkt im Zusammenhang mit einer bestimmten Emissionsquelle ein Immissionsort sei. Die Festlegung der maßgeblichen Immissionsorte erfordere vielmehr eine juristische Bewertung. Der Rat hätte die denkbaren Maßnahmen, die verhindern würden, dass eine Fassade trotz der darin eingebauten Fenster, die sich öffnen ließen, nicht als Immissionsort zu betrachten sei, konkret benennen und begutachten müssen. Da er dies nicht getan habe, sei völlig offen, mit welchen Maßnahmen der Konflikt zwischen der lärmverursachenden Nutzung im Gewerbegebiet und der insoweit schutzbedürftigen zugelassenen Wohnbebauung auf der Baugenehmigungsebene bewältigt werden solle. Welche Konfliktlösungen auf der Grundlage der TA-Lärm überhaupt denkbar seien, erläutere die Planbegründung nicht. Eine Verlagerung der Konfliktbewältigung auf nachfolgende Baugenehmigungsverfahren sei mithin nicht zulässig. 14Auch soweit die textliche Festsetzung Nr. 9.5 die Möglichkeit einräume, im Mischgebiet auf den Ausschluss von Fenstern, die sich öffnen ließen, zu verzichten, wenn sie Aufenthaltsräume belichteten, die zu einer gewerblichen Nutzung gehörten, sei sie fehlerhaft. 15Hinsichtlich der Ermittlung des auf die Wohnbebauung einwirkenden Gewerbelärms liege ein Abwägungsfehler vor, da der von den künftigen gewerblichen Nutzungen im Mischgebiet verursachte Lärm mit dem Argument, diese Nutzungen seien als wohnverträglich einzustufen, gar nicht berücksichtigt worden sei. Diese Argumentation greife zu kurz. 16Seine, des Antragstellers, Belange und die Belange der auf seinen Grundstücken ansässigen Gewerbetriebe seien hinsichtlich des Fortbestandes der bisherigen Nutzungsmöglichkeiten nicht zutreffend erfasst und gewürdigt worden. Die Annahme, dass die besagten Gewerbebetriebe wegen der in ihrer Umgebung bereits vorhandenen Wohnbebauung ohnehin keine Entwicklungsmöglichkeiten mehr gehabt hätten, sei falsch. Die mit dem Bebauungsplan zugelassene Wohnbebauung rücke von Norden und Westen an die Gewerbegrundstücke heran, während die Wohnbebauung an der H.‑straße sich südlich davon befinde. Der neuen Wohnbebauung habe der Rat zudem das Schutzniveau eines Allgemeinen Wohngebiets verliehen, während sich die bisherige Wohnbebauung lediglich auf das Schutzniveau eines Mischgebiets berufen könne. 17Der Antragsteller beantragt, 18den Bebauungsplan Nr. – Nördlich H.‑straße der Antragsgegnerin für unwirksam zu erklären. 19Die Antragsgegnerin beantragt, 20den Antrag abzulehnen. 21Zur Begründung trägt sie vor: 22Nr. 2.1. der textlichen Festsetzungen sei wirksam. Dem Wortlaut der Festsetzung lasse sich entnehmen, dass (auch) die Geschossfläche der jeweils obersten Geschosse bei der Berechnung der GFZ zu berücksichtigen sei. Die Festsetzung treffe keine explizite Aussage dazu, auf welche Weise diese Berücksichtigung erfolgen solle. Dies ergebe aber ihre Auslegung anhand der Aufstellungsvorgänge und der sonstigen das Planverfahren betreffenden Dokumente. Für die Art und Weise der Berechnung gebe es eindeutige Vorgaben. Für die jeweils obersten Geschosse, die keine Vollgeschosse seien, finde § 20 Abs. 3 Satz 2 BauNVO Anwendung. Dem Plangeber sei ein Gestaltungsspielraum eingeräumt, der hier zur Umsetzung der aus gestalterischen Gründen angestrebten Begrenzung des Bauvolumens genutzt worden sei. Somit bleibe lediglich zu prüfen, ob durch Anwendung der allgemeinen Auslegungsregeln eindeutig bestimmt werden könne, in welchem nach § 20 Abs. 3 Satz 2 BauNVO möglichen Umfang die Fläche von Geschossen, die keine Vollgeschosse seien – hier: die Flächen der jeweils obersten Geschosse – bei der Berechnung der GFZ zu berücksichtigen sei. Die Auslegung führe zu dem eindeutigen Ergebnis, dass eine Berücksichtigung der Fläche von Geschossen, die nicht Vollgeschosse seien, in dem nach § 20 Abs. 3 Satz 2 BauNVO größtmöglichen Maß erfolgen solle, um den in der Planbegründung ausgeführten Zielen zu entsprechen. 23Die von dem Antragsteller für richtig gehaltene Auslegung einer über die Vorgaben des § 20 Abs. 3 Satz 2 BauNVO hinausgehenden Berücksichtigung der jeweils obersten Geschosse bei der Berechnung der GFZ folge weder aus dem Wortlaut noch aus der Systematik der besagten Festsetzung und – wegen der Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz – auch nicht aus ihrer Zielsetzung. Durch die Bezugnahme auf § 20 BauNVO, das heiße auch auf Abs. 3 der Vorschrift, sei klargestellt, auf welche Weise die jeweils obersten Geschosse, soweit es sich dabei nicht um Vollgeschosse handele, bei der Berechnung der GFZ zu berücksichtigen seien. 24Sie, die Antragsgegnerin, habe bereits – rein vorsorglich – rechnerisch ermitteln lassen, dass die vom Rat angestrebte Sicherung der gewollten städtebaulichen Struktur auch im Hinblick auf die Gestaltung der Gebäude wegen des engen Rahmens, der sich aus dem Zusammenspiel der GRZ, der Zahl der zulässigen Vollgeschosse und der maximalen Gebäudehöhe ergebe, auch ohne die textliche Festsetzung Nr. 2.1. Abs. 1 gegeben sei, sodass eine Unwirksamkeit dieser Festsetzung nicht die Unwirksamkeit des Bebauungsplans insgesamt zur Folge hätte. 25Nr. 2.2 der textlichen Festsetzungen sei keine Festsetzung zum Maß der baulichen Nutzung. Sie finde ihre Ermächtigungsgrundlage vielmehr in § 9 Abs. 4 BauGB in Verbindung mit § 89 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 BauO NRW als örtliche Bauvorschrift zur Regelung des äußeren Erscheinungsbildes. Die Festsetzung verfolge einzig und allein das Ziel, die Realisierung des städtebaulichen Wettbewerbsergebnisses zu gewährleisten. Dass gestalterische, auf örtlichen Baubestimmungen beruhende Festsetzungen Überschneidungen mit bauplanungsrechtlichen Festsetzungsmöglichkeiten aufwiesen, sei nicht ausgeschlossen. 26Unter anderem habe das Bundesverwaltungsgericht in einem Beschluss vom 29. August 2017 – 4 B 30.17 – klargestellt, dass der Festsetzungskatalog des § 9 Abs. 1 BauGB mit Blick auf einen Sachverhalt, der mit den Instrumenten des Bauplanungsrechts geregelt werden könne, keine Sperrwirkung hinsichtlich einer bauordnungsrechtlichen Regelung entfalte, die sich im Ergebnis wie eine bauplanungsrechtliche Festsetzung auswirke. Für die Abgrenzung zwischen bauplanungsrechtlichen Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung und Gestaltungsvorschriften, die auf örtlichen Bauvorschriften beruhten, komme es auf Sinn und Zweck beziehungsweise auf den Schwerpunkt des planerischen Willens an. Danach bestehe kein Zweifel, dass die Festsetzung zur Begrenzung der Zahl der Geschosse, die keine Vollgeschosse seien, gestalterischer Art sei. 27Die gestalterische textliche Festsetzung der Nr. 2.2.1 stehe auch nicht im Widerspruch zu den soeben genannten anderen Festsetzungen des Bebauungsplans. Insbesondere decke sie sich mit den Maßfestsetzungen im Sinne von § 16 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO zur jeweils zulässigen Höhe der Gebäude. Auch insoweit könne eine Unwirksamkeit der Festsetzung nicht zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans insgesamt führen. 28Die Nrn. 2.2.2 bis 2.2.8 der textlichen Festsetzungen enthielten Regelungen zur Ausgestaltung des jeweils obersten Geschosses, soweit es kein Vollgeschoss sei. Durch die Festsetzung der maximal zulässigen Grundfläche im Verhältnis zu der Grundfläche des darunterliegenden Geschosses habe der Rat lediglich ausgeschlossen, dass das jeweils oberste Geschoss als Vollgeschoss im Sinne von § 2 Abs. 6 BauO NRW gebaut werde. Es handele sich weder um eine Regelung zu den Vollgeschossen noch um eine eigenständige Definition des Vollgeschosses. Die Festsetzungen seien ebenfalls örtliche Bauvorschriften zur Gestaltung baulicher Anlagen im Sinne von § 9 Abs. 4 BauGB in Verbindung mit § 89 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 BauO NRW. Die Festsetzungen zu der zulässigen Grundfläche des jeweils obersten Geschosses und dessen Abstand von der darunter liegenden Gebäudekante beträfen das äußere Erscheinungsbild des jeweiligen Gebäudes. Die Vorgaben hätten ihren unmittelbaren Grund in dem im Wettbewerb prämierten städtebaulichen Konzept. Dieses in einem Rahmenplan fortgeführte Konzept liege dem Bebauungsplan zugrunde. Sinn und Zweck sämtlicher Festsetzungen zu den jeweils obersten Geschossen sei die Beibehaltung dieses städtebaulichen Konzepts und damit eine gestalterische Absicht. 29Die Ausnahmeregelung in Nr. 9.5 Abs. 2 der textlichen Festsetzungen genüge den Bestimmtheitsanforderungen. Die Festsetzung erlaube eine Ausnahme im Sinne von § 31 Abs. 1 BauGB von den Vorgaben der unter Nr. 9.4 getroffenen Festsetzung. Die Festsetzungen seien nicht in sich widersprüchlich. Die von dem Antragsteller in diesem Zusammenhang zitierte Rechtsprechung betreffe einen anderen Sachverhalt. Hier sei eindeutig ein Regel-/Ausnahmeverhältnis festgesetzt. 30Auch der Einwand des Antragstellers, dass unklar bleibe, unter welchen Voraussetzungen Fenster, die geöffnet werden könnten, in Fassaden zulässig seien, verkenne den Regelungsgehalt der Nr. 9.5 Abs. 2 der textlichen Festsetzungen. Die Regelung ermögliche nicht die ausnahmsweise Zulassung solcher Fenster, wenn bestimmte Lärmpegel eingehalten würden. Voraussetzung für die ausnahmsweise Zulassung solcher Fenster sei vielmehr, dass der zu betrachtende Lärm nicht auf die fragliche Fassade einwirke. Auch bei Erteilung einer entsprechenden Ausnahme sei ausgeschlossen, dass die fragliche Fassade bei einer schalltechnischen Untersuchung als Immissionsort in Betracht komme. 31Der Antragsteller verkenne auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahme nach Nr. 9.5 Abs. 2 der textlichen Festsetzungen. Danach könne nur dann von den Lärmschutzfestsetzungen abgewichen werden, wenn sichergestellt sei und durch einen Sachverständigen für den Schallschutz nachgewiesen werde, dass durch die Abweichung keine zusätzlichen Immissionsorte im Sinne der TA Lärm zu betrachten seien. 32Grundlage für die Bewertung sei die TA Lärm. Hierbei handele es sich um eine rechtliche, eindeutige und objektive Grundlage. Ob die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahme vorlägen, prüfe die Baugenehmigungsbehörde. Das zusätzliche Erfordernis eines Sachverständigengutachtens solle das fachliche Fundament der Ausnahmeentscheidung stützen. Die Regelung stelle darüber hinaus keine unzulässige Konfliktverlagerung dar, sondern sei Ausdruck des Grundsatzes der planerischen Zurückhaltung. Die sich bei der Entscheidung über die Erteilung einer Ausnahme stellenden Fragen könnten adäquat auf der Ebene des jeweiligen Baugenehmigungsverfahrens beantwortet werden. Darüber hinaus handele es sich nicht um eine Konfliktverlagerung, sondern um eine alternative Konfliktlösung, die unter bestimmten Voraussetzungen an die Stelle der Konfliktlösung in Nr. 9.4 der textlichen Festsetzungen gesetzt werden könne. 33Auch die Ausnahmeregelung in Nr. 9.5 Abs. 3 der textlichen Festsetzungen sei nicht offensichtlich fehlerhaft. In Räumen für Büronutzungen oder für sonstige gewerbliche Nutzungen, deren Anspruch auf Schutz vor Lärm in der Nacht nicht höher sei als am Tag, seien Fenster, die geöffnet werden könnten, zulässig, sofern hierzu in der jeweiligen Baugenehmigung eine verbindliche Regelung als Nebenbestimmung getroffen werde, um gesunde Arbeitsverhältnisse sicherzustellen. 34Wenn im nachgelagerten Baugenehmigungsverfahren jeweils sichergestellt werde, dass in den fraglichen Räumen zur Nachtzeit keine schutzwürdige Nutzung stattfinde und tagsüber die Immissionsrichtwerte der TA Lärm eingehalten würden, bestehe kein Grund, dem jeweiligen Bauherrn den Einbau von Fenstern, die geöffnet werden könnten, oder die Errichtung sonstiger Anlagen, die als Immissionsorte nach der TA Lärm in Betracht kämen, zu verweigern. Die Schutzziele der TA Lärm würden in einem solchen System erfüllt, ohne dass es – wie der Antragsteller vortrage – zu einer Relativierung des Schutzniveaus der TA Lärm komme. Die Untersagung der Nutzung des Gebäudes zur Nachtzeit durch eine entsprechende Auflage in der Baugenehmigung wirke faktisch dahingehend, dass seine Fassaden in der Nachtzeit – mangels irgendeiner schutzwürdigen Nutzung – nicht als maßgebliche Immissionsorte nach der TA Lärm zu betrachten seien. 35Die Unwirksamkeit der Ausnahmeregelungen hätte jedenfalls keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit des Bebauungsplans insgesamt. 36Der Bebauungsplan beruhe auch nicht auf einer fehlerhaften Abwägung. Insbesondere seien die Lärmschutzbelange der Planbetroffenen nicht fehlerhaft ermittelt und abgewogen worden. 37Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten 10 D 9/20.NE und 10 B 519/20.NE sowie der beigezogenen Aufstellungsvorgänge (Beiakten Hefte 1 bis 7) Bezug genommen. 38Entscheidungsgründe: 39Der Antrag hat Erfolg. 40Er ist zulässig. 41Der Antragsteller ist als Eigentümer eines im Plangebiet gelegenen Grundstücks nach § 47 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. 42Der Antrag ist auch begründet. 43Einzelne Festsetzungen des Bebauungsplans beruhen auf Rechtsfehlern, die zu seiner Unwirksamkeit insgesamt führen. 44Nr. 2.1 Abs. 1 der textlichen Festsetzung ist mangels Ermächtigungsgrundlage unwirksam. Sie beruht nicht auf § 20 Abs. 3 Satz 2 BauNVO, wonach im Bebauungsplan festgesetzt werden kann, dass die Flächen von Aufenthaltsräumen in anderen Geschossen einschließlich der zu ihnen gehörenden Umfassungswände ganz oder teilweise mitzurechnen oder ausnahmsweise nicht mitzurechnen sind. Die Festsetzung geht über diese Ermächtigung hinaus, weil sie pauschal und ohne Einschränkungen sämtliche Geschossflächen aller oberirdischen Geschosse einbezieht, also auch die nicht für Aufenthaltsräume und ihre Umfassungswände bestimmten Flächen von Geschossen, die nicht Vollgeschosse sind. 45Die Auffassung der Antragsgegnerin, eine Auslegung dieser Festsetzung führe zu dem eindeutigen Ergebnis, dass eine Berücksichtigung der Fläche von Geschossen, die nicht Vollgeschosse seien, nur in dem nach § 20 Abs. 3 Satz 2 BauNVO größtmöglichen Maß erfolgen solle, um den in der Planbegründung ausgeführten Zielen zu entsprechen, findet weder im Wortlaut der Festsetzung noch in der Planbegründung einen Anhalt. 46Auch die textlichen Festsetzungen unter Nr. 2.2 zur maximal zulässigen Zahl von Geschossen, die nicht Vollgeschosse sind, und zur Ausgestaltung des jeweils obersten Geschosses sind mangels Ermächtigungsgrundlage unwirksam. 47Sie lassen sich nicht auf § 16 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO stützen, wovon offenbar auch die Antragsgegnerin ausgeht. Die Vorschrift ermöglicht lediglich eine Festsetzung zur Zahl der Vollgeschosse. Weitere planerische Festsetzungen sind in diesem Zusammenhang weder vorgesehen noch angesichts des abschließenden Charakters der Regelung möglich. Vielmehr ist der Begriff des Vollgeschosses ausdrücklich der Definition durch landesrechtliche Vorschriften überlassen (§ 20 Abs. 1 BauNVO). Durch diese Verweisung auf das Landesrecht hat der Verordnungsgeber den Gemeinden, soweit das Bundesrecht reicht, jede abändernde bauplanerische Festsetzung versagt. 48Vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Juli 1991 – 4 NB 22.91 –, juris, Rn. 8; OVG NRW, Beschluss vom 29. März 2006 – 10 B 1908/05.NE –, juris, Rn. 11 f. 49Die Festsetzungen unter Nr. 2.2 finden ihre Rechtsgrundlage auch nicht in § 89 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 Satz 1 BauO NRW. 50Das Bauordnungsrecht lässt danach Festsetzungen in Bebauungsplänen nur als besondere Anforderungen an die äußere Gestaltung baulicher Anlagen zur Erhaltung und Gestaltung von Ortsbildern zu. Darum geht es hier nicht. 51Die Festsetzungen unter Nr. 2.2 betreffen nicht die äußere Gestalt des jeweils obersten Geschosses oder des gesamten Gebäudes, sondern begrenzen die Zahl der Geschosse, die keine Vollgeschosse sind, und bestimmen insbesondere das Flächenmaß des jeweils obersten Geschosses im Verhältnis zu dem Flächenmaß des darunterliegenden Geschosses. 52Dem Landesgesetzgeber ist die Regelung des Bauordnungsrechts vorbehalten. Hierzu zählt nicht bloß die Abwehr von Gefahren, die der Allgemeinheit oder dem Einzelnen von baulichen Anlagen drohen. Das Bauordnungsrecht darf, soweit dies im Rahmen einer Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zulässig ist, auch zur Wahrung ästhetischer Belange nutzbar gemacht werden. Dies schließt neben der Abwehr von Verunstaltungen eine positive Gestaltungspflege ein. Den Gemeinden ist es auf landesrechtlicher Grundlage unbenommen, über die äußere Gestaltung einzelner baulicher Anlagen das örtliche Erscheinungsbild insgesamt zu beeinflussen, etwa durch Vorschriften, die es ermöglichen, ein Orts- oder Straßenbild je nach den gestalterischen Vorstellungen der jeweiligen Gemeinde zu erhalten oder umzugestalten. Regelungen, die der Gesetzgebungskompetenz der Länder entzogen sind, können dagegen nicht Gegenstand örtlicher Bauvorschriften sein. Dies gilt auch im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung, soweit der Bundesgesetzgeber von seiner Kompetenz verfassungsgemäßen Gebrauch gemacht hat (Art. 72 GG). Hierzu gehört beispielsweise das Bodenrecht im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG, das der Bundesgesetzgeber insbesondere im Baugesetzbuch kodifiziert hat. Dieses Gesetz regelt die rechtlichen Beziehungen zum Grund und Boden und bestimmt, in welcher Weise der jeweilige Eigentümer sein Grundstück nutzen darf. Nicht zuletzt über die Vorschriften, die die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die Bauweise und die überbaubare Grundstücksfläche betreffen, leistet auch das Städtebaurecht als Teil des Bodenrechts einen Beitrag zur Gestaltung des Ortsbildes (§ 1 Abs. 5 Satz 2, § 34 Abs. 1 Satz 2 und § 35 Abs. 3 BauGB). Das städtebauliche Instrumentarium reicht unter diesem Blickwinkel indes nur soweit, wie das Baugesetzbuch entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet. Zur bodenrechtlichen Gestaltung des Ortsbildes steht der Gemeinde der in § 9 Abs. 1 BauGB abschließend umschriebene Festsetzungskatalog zur Verfügung. Gestaltungsvorschriften, die hierüber hinausgehen, ohne den Grund und Boden unmittelbar zum Gegenstand rechtlicher Ordnung zu haben, stehen dem landesrechtlichen Bauordnungsrecht offen. 53Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Juli 1997 – 4 NB 15.97 –, juris, Rn. 3. 54Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Senat keine Zweifel, dass die Regelungen in den textlichen Festsetzungen unter Nr. 2.2 bodenrechtlicher Natur sind und ihrem sachlichen Gehalt nach nicht dem Bauordnungsrecht zugeordnet werden können. 55Dafür, dass dies auch der Rat so gesehen hat, spricht bereits, dass die Festsetzungen auf der Planurkunde bei den Regelungen zum Maß der baulichen Nutzung stehen. Auch nach der Planbegründung steht außer Frage, dass die besagten Festsetzungen bodenrechtlichen Charakter haben. Auf Seite 104 f. sind sie dort unter 4.7.2 „Geschossflächenzahl (GFZ), oberste Geschosse“ erläutert und danach durch den Wunsch motiviert, das im städtebaulichen Wettbewerb prämierte Konzept, das dem Bebauungsplan zugrunde liegt, umzusetzen. Das Konzept sehe aus „städtebaulichen Gründen“ oberste Geschosse vor, die abhängig von der jeweiligen „städtebaulichen Situation“ von den Außenwänden der darunter liegenden Geschosse ganz oder in Teilen zurücksprängen. Insoweit verfolge der Bebauungsplan das Ziel, nach der Änderung des Begriffs des Vollgeschosses in der Bauordnung Nordrhein-Westfalen, die Art und den Umfang der obersten Geschosse, die keine Vollgeschosse seien, eindeutig zu bestimmen und deren Grundflächen bei der Berechnung der GFZ zu berücksichtigen. So solle die „städtebauliche Struktur“ dem Ergebnis des städtebaulichen Wettbewerbs entsprechend ermöglicht und gestalterisch gesichert sowie die Geschossfläche im Plangebiet gesteuert beziehungsweise begrenzt werden. Dazu heißt es in der Planbegründung unter anderem, dass die festgesetzten Rücksprünge der Außenwände des jeweiligen obersten Geschosses von den Außenwänden des jeweils darunter liegenden Geschosses „auf die städtebauliche Situation“ Bezug nähmen, um die neue Bebauung in den Bestand einzubinden, verträgliche Übergänge zu schaffen und gut nutzbare Terrassen für die Wohnungen in den obersten Geschossen zu ermöglichen. Weiter ist die Rede von der Sicherung der Art der Bebauung und des sich hierdurch ergebenden räumlichen Gefüges in den geplanten Wohnstraßen. 56Auch nach dem Verlauf des Aufstellungsverfahrens und dem Inhalt der Planbegründung ist offenkundig, dass der Rat, nachdem er erkannt hatte, dass weder das Baugesetzbuch noch die Baunutzungsverordnung eine Ermächtigungsgrundlage für die in Rede stehenden Festsetzungen bieten, versucht hat, im Gewande bauordnungsrechtlicher Gestaltungsvorschriften bodenrechtliche Regelungen zu treffen. Dies folgt nicht nur aus der zitierten Planbegründung und daraus, dass er die bauordnungsrechtliche Ermächtigungsgrundlage nachträglich in den Abschnitt der auf der Planurkunde aufgedruckten textlichen Festsetzungen eingefügt hat, der das Maß der baulichen Nutzung betrifft, sondern auch daraus, dass die eigentlichen gestalterischen Festsetzungen unter anderem zur Dachgestaltung auf der Planurkunde in einem eigenen Abschnitt stehen und in der Planbegründung ausdrücklich als solche auf den Seiten 183 ff. erläutert sind. 57Ohne Erfolg verweist die Antragsgegnerin demgegenüber auf einzelne Formulierungen in der Plangebegründung, in denen von „gestalterisch zu sichern“ oder von „mit den obersten Geschossen beabsichtigten architektonischen Qualitäten“ die Rede ist. Einzelne gestalterische Aspekte, die mit den textlichen Festsetzungen unter Nr. 2.2 im Ergebnis verbunden sein mögen, lassen den wie oben aufgezeigt eigentlichen bodenrechtlichen Bezug dieser Festsetzungen nicht entfallen. Wie bereits das Bundesverwaltungsgericht in dem zitierten Beschluss ausgeführt hat, kann auch das Städtebaurecht einen gewissen Beitrag zur Gestaltung des Ortsbildes leisten. 58Jedenfalls die Unwirksamkeit der textlichen Festsetzungen unter Nr. 2.2 führt zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans insgesamt. 59Die Unwirksamkeit einzelner Festsetzungen eines Bebauungsplans führt nur dann nicht zu seiner Unwirksamkeit insgesamt, wenn die übrigen Festsetzungen für sich betrachtet noch eine den Anforderungen des § 1 BauGB gerecht werdende sinnvolle städtebauliche Ordnung bewirken können und wenn zusätzlich der Rat nach seinem im Planverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch einen Bebauungsplan dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte. 60Vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. März 1993 – 4 BN 10.91 –, BRS 55 Nr. 30. 61Zwar mag der Bebauungsplan auch ohne die Festsetzungen unter Nr. 2.2 noch eine städtebauliche Ordnung bewirken, doch lässt sich nicht feststellen, dass der Rat einen Bebauungsplan auch ohne sie beschlossen hätte. Sie gehören zu den Grundzügen der Planung, was letztlich auch die Ausführungen der Antragsgegnerin im Normenkontrollverfahren zur Umsetzung des Ergebnisses des städtebaulichen Wettbewerbs bestätigen. 62Im Übrigen merkt der Senat für ein etwaiges Heilungsverfahren an: 63Zweifelhaft erscheint bereits, ob die Festsetzung Nr. 9.1 wirksam ist, soweit dort allgemein von technischen Vorkehrungen die Rede ist, die entsprechend der jeweils bei Einreichung des Bauantrags als technische Baubestimmung dann gültigen baurechtlich eingeführten Fassung der DIN 4109 vorzusehen sind. 64Soweit mit dieser Festsetzungen künftige Fassungen der DIN 4109 zum geltenden Satzungsrecht erhoben werden sollen, bestehen nicht nur unter dem Gesichtspunkt rechtsstaatlicher Publizität von Normen Bedenken. Weder der Rat noch ein Normadressat weiß oder kann erkennen, welche technischen Vorkehrungen künftig einmal von dieser Festsetzung erfasst sein könnten. 65Die Festsetzung Nr. 9.3.1 zur Höhe der Lärmschutzwand zum Schutz der Wohnnutzung im südlichen Baufenster des WA 5 ist nicht unbestimmt, obwohl der Rat lediglich ihre Mindesthöhe festgesetzt hat. Der Senat hält hierzu an seinen Ausführungen im Beschluss vom 25. Juni 2020 – 10 B 519/20.NE – im Wesentlichen fest. Soweit das Fehlen einer Festsetzung zur maximal zulässigen Höhe theoretisch die Errichtung einer Lärmschutzwand zulässt, deren Höhe die festgesetzte Mindesthöhe von 6,0 m deutlich übersteigt, ist dies bei näherer Betrachtung kein Aspekt der Bestimmtheit, sondern betrifft die Abwägung, weil eine Überschreitung der Mindesthöhe die Nutzung der angrenzenden Grundstücke, etwa durch Schattenwurf, stärker negativ beeinflussen könnte. Allerdings ist mit einer solchen deutlich höheren Lärmschutzwand bei realistischer Betrachtung tatsächlich nicht zu rechnen, denn die Errichtung von Lärmschutzwänden verursacht abhängig von ihrer Höhe und Länge erhebliche Kosten, sodass es ausgeschlossen erscheint, dass hier die künftige Lärmschutzwand die für den Lärmschutz gebotene Mindesthöhe wesentlich überschreiten wird. Auch die Bedenken hinsichtlich der Bestimmtheit des Höhenverlaufs der Lärmschutzwand zwischen den in der Planurkunde dargestellten Punkten C und D teilt der Senat nicht. Anhand der jeweils festgesetzten Mindesthöhen für den Anfangs- und den Endpunkt des fraglichen Wandabschnitts und unter Berücksichtigung der Beschreibung in der textlichen Festsetzung Nr. 9.3.1, wonach der Wandabschnitt von der festgelegten Mindesthöhe auf die geplante Geländehöhe „abfallen“ muss, lässt sich der Höhenverlauf der Lärmschutzwand in diesem Wandabschnitt noch hinreichend klar abschätzen, zumal die Planung und Ausführung der übrigen Bebauung nicht unmittelbar von dem genauen Höhenverlauf abhängig sind. Die Festlegung des konkreten Neigungswinkels oder der konkreten Neigungswinkel der Oberkante des Wandabschnitts bei einer gestuften Gestaltung kann insoweit der Baugenehmigung vorbehalten bleiben, zumal das schalltechnische Gutachten, auf dessen Vorschlag die Festsetzung der Lärmschutzwand zurückzuführen ist, davon ausgeht, dass die Wand in dem fraglichen Bereich linear abfällt. Gleichwohl ist der Antragsgegnerin anzuraten, bei einer eventuellen Heilung der aufgezeigten Fehler des Bebauungsplans auch die Festsetzungen zu der Lärmschutzwand nochmals in den Blick zu nehmen. 66Die auf § 9 Abs. 2 BauGB gestützte textliche Festsetzung Nr. 9.3.2 dürfte hinreichend bestimmt sein, weil sich deren Inhalt – wie der Senat ebenfalls in dem zitierten Eilbeschluss ausgeführt hat – ohne Weiteres im Wege der Auslegung ermitteln lässt. Soweit in der Festsetzung von dem östlichen Gebäude des WA 1.2 und von den darin nach Osten ausgerichteten Aufenthaltsräumen die Rede ist, kann nach der Lage der festgesetzten Baufenster im WA 1.2 und des angrenzenden Mischgebiets sowie der als Auslegungshilfe heranzuziehenden Begründung des Bebauungsplans und des dort ausdrücklich in Bezug genommenen schalltechnischen Gutachtens nicht zweifelhaft sein, dass insoweit die Bebauung im östlichen Baufenster des WA 1.2 und die Aufenthaltsräume mit Fenstern in der den Lärmquellen auf dem Grundstück des Antragstellers zugewandten östlichen Fassade des geplanten Baukörpers gemeint sind. Entsprechendes gilt für die ebenfalls noch hinreichend klare Formulierung: „Bebauung, entlang der Südost- und Südwestseite der überbaubaren Grundstücksfläche, die parallel zur H.‑straße liegt“. Bei sachbezogener Betrachtung erschließt sich, dass damit – wie die Antragsgegnerin dargelegt hat – der straßenseitige Riegel des L-förmigen Baufeldes im festgesetzten Mischgebiet angesprochen ist. 67Auch die Kritik, dass die Festsetzungen unter Nr. 9.5 zu Abweichungen von dem Lärmschutzkonzept widersprüchlich und unbestimmt seien, überzeugt nicht. 68Der Antragsteller wendet sich gegen die textliche Festsetzung Nr. 9.5 Abs. 2, wonach von den Lärmschutzfestsetzungen in Nr. 9.4 Sätze 1 und 2 abgewichen werden kann, wenn sichergestellt und durch Sachverständige für Schallschutz nachgewiesen wird, dass in den unter Nr. 9.4 definierten Bereichen keine Immissionsorte im Sinne der TA Lärm entstehen. Nach der Planbegründung soll die Regelung die spätere Berücksichtigung etwaiger neuer bautechnischer Entwicklungen ermöglichen. Die Antragsgegnerin versteht die Festsetzung dementsprechend so, dass für bauliche Konstruktionen an einer Fassade, die bei einer Beurteilung nach der TA Lärm nicht die Voraussetzungen für die Annahme eines dort gelegenen Immissionsortes erfüllten, eine Ausnahme in Betracht kommen solle. Deshalb trifft der Einwand, diese Festsetzung sei widersprüchlich, weil sie die nach Nr. 9.4 der textlichen Festsetzungen ausgeschlossenen Fenster, die geöffnet werden könnten, wieder zulasse, so nicht zu. 69Die textliche Festsetzung Nr. 9.5 Abs. 3, wonach von den Lärmschutzfestsetzungen in Nr. 9.4. Abs. 2 insoweit abgewichen werden kann, als ausnahmsweise Fenster, die sich öffnen lassen, und sonstige Öffnungen in Büroräumen und sonstigen schutzbedürftigen Arbeitsräumen zugelassen werden können, wenn in der für das Gebäude erteilten Baugenehmigung verbindliche Nebenbestimmungen einen für gesunde Arbeitsverhältnisse ausreichenden Schallschutz sicherstellen, dürfte wirksam sein. 70Die Regelung basiert auf der Annahme, dass dort der maßgebliche Immissionsrichtwert für Mischgebiete nach den gutachterlichen Feststellungen tagsüber eingehalten wird. Vor diesem Hintergrund will der Rat lediglich für Räume, in denen Nutzungen stattfinden sollen, die keinen erhöhten Schutz für die Nachtzeit benötigen, den Einbau von Fenstern, die geöffnet werden können, und von sonstigen Öffnungen als eine Ausnahme etwa als Ergebnis einer Sonderfallprüfung entsprechend Nr. 3.2.2 der TA Lärm ermöglichen. 71Der Einwand des Antragstellers, die TA Lärm sei als normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen insoweit abschließend, als sie bestimmten Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend der daraus abgeleiteten Schutzbedürftigkeit der in dem jeweiligen Gebiet zulässigen Nutzungen bestimmte Immissionsrichtwerte zuweise und das Verfahren zur Ermittlung und Beurteilung der in dem Gebiet zu erwartenden Geräuschimmissionen vorschreibe, überzeugt nicht. Weist der Bauherr in einem konkreten Genehmigungsverfahren nach, dass der aus der TA Lärm abgeleitete Schutzanspruch der zur Genehmigung gestellten Nutzung gewährleistet ist, weil diese Nutzung zu der allein kritischen Nachtzeit gar nicht stattfindet, ist die Erteilung einer entsprechenden Baugenehmigung auf der Grundlage der Ausnahmeregelung nicht zu beanstanden. 72Das von dem Antragsteller insoweit zitierte Urteil des OVG NRW vom 30. Januar 2018 – 2 D 102/14.NE –, juris, Rn. 188 ff., betrifft eine andere Fallgestaltung. Im Übrigen heißt es in dem zitierten Urteil unter Rn. 201, dass es eine andere Frage sei, ob insbesondere für Büroräume im Einzelfall eine Sonderfallprüfung nach Nr. 3.2.2 angezeigt sein und dabei festgestellt werden könne, dass sie auch nachts nur den ihnen für die Tagzeit zukommenden Schutzanspruch hätten. 73Vgl. auch Kuchler, Immissionsschutzrechtlicher Schutzanspruch von Büroräumen zur Nachtzeit, jurisPR-UmwR 5/2019, Anm. 3 m.w.N. 74Der Bebauungsplan beruht wohl auch nicht auf beachtlichen Fehlern bei der nach § 1 Abs. 7 BauGB gebotenen Abwägung. 75Gemäß § 1 Abs. 7 BauGB sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Das Abwägungsgebot umfasst als Verfahrensnorm das Gebot zur Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials (§ 2 Abs. 3 BauGB) und stellt inhaltlich Anforderungen an den Abwägungsvorgang und an das Abwägungsergebnis. Es ist verletzt, wenn eine sachgerechte Abwägung überhaupt nicht stattfindet, wenn in die Abwägung Belange nicht eingestellt werden, die nach Lage der Dinge hätten eingestellt werden müssen, wenn die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens ist dem Abwägungserfordernis genügt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde im Widerstreit verschiedener Belange für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung des anderen Belangs entscheidet. 76Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. September 2015 – 10 D 82/13.NE –, juris, Rn. 30. 77Der von dem Antragsteller geltend gemachte Abwägungsmangel im Hinblick auf eine unzureichende Ermittlung möglicher Gewerbelärmimmissionen im Plangebiet erscheint unter Berücksichtigung der konkreten Umstände der Planung fernliegend. Der Antragsteller macht geltend, der Rat habe nicht berücksichtigt, dass zu den Immissionen aus dem Gewerbegebiet auch solche aus dem Mischgebiet hinzutreten könnten. Der Senat teilt die Einschätzung der Antragsgegnerin, dass der im festgesetzten Mischgebiet künftig zulässigerweise erzeugte Gewerbelärm eine Erhöhung der Lärmimmissionswerte in den angrenzenden Wohngebieten vermutlich nicht bewirken wird. Im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses hatte der Rat keinerlei konkrete Kenntnisse über künftige gewerbliche Nutzungen im Mischgebiet. Solche künftigen Nutzungen müssen entsprechend der festgesetzten Gebietsart wohnverträglich sein. Sollten bei der geplanten Ansiedlung eines Gewerbebetriebs etwa wegen einer Zusammenrechnung des mit dem Betrieb verbundenen Lärms und des aus dem Gewerbegebiet stammenden Lärms insoweit Zweifel aufkommen, könnte ein etwaig zu erwartender immissionsschutzrechtlicher Konflikt im Baugenehmigungsverfahren gelöst werden. Dass dies nicht möglich sein könnte, vermag der Senat nicht zu erkennen. 78Im Übrigen macht der Antragsteller zu Unrecht geltend, der Rat habe nicht berücksichtigt, dass den Gewerbebetrieben auf seinem Grundstück die Möglichkeit genommen werde, lärmtechnische Optimierungen der Betriebsabläufe vorzunehmen, um gegebenenfalls die von dort ausgehende Immissionsbelastung für die Wohnbebauung südlich der H.‑straße zu verringern. Es bestehen nach dem bisherigen Sach- und Streitstand, nachdem der Betrieb offenbar mehrere Jahrzehnte ohne Beanstandungen geblieben ist, schon keine Anhaltspunkte für die geltend gemachte Gefahr betriebseinschränkender Anordnungen wegen der auf den angesprochenen Wohngrundstücken verursachten Immissionen. Im Übrigen hält der Senat die Verlagerung betrieblicher Tätigkeiten auf dem Grundstück des Antragstellers aus den bereits in der Antragserwiderung dargelegten Erwägungen für vage und unrealistisch, sodass sie bei der Abwägungsentscheidung nicht berücksichtigt zu werden brauchten. 79Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. 80Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. 81Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
der bebauungsplan nr. – nördlich h.‑straße – der stadt e. ist unwirksam. die antragsgegnerin trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist hinsichtlich der kosten vorläufig vollstreckbar. die antragsgegnerin darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 von hundert des auf grund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht der antragsteller vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 von hundert des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. die revision wird nicht zugelassen. 1
2der antragsteller wendet sich gegen den bebauungsplan nr. – nördlich h.‑straße – der antragsgegnerin (im folgenden: bebauungsplan). er ist eigentümer der im südöstlichen bereich des plangebiets gelegenen grundstücke h.‑straße 67 und 69, die unter anderem für eine tankstelle mit 24-stunden-betrieb, einen lackier- und karosseriebetrieb, eine textilreinigung und büros genutzt werden. 3das circa 10,4 ha große plangebiet liegt im südosten des stadtgebiets an der grenze zu f. der geltungsbereich des bebauungsplans wird im norden durch den weg i. begrenzt, an den sich landwirtschaftlich genutzte flächen anschließen. nordwestlich des plangebiets liegt eine schule und weiter westlich eine kleingartenanlage. im süden stößt das plangebiet an die h.‑straße und im osten an die f1. straße. östlich der f1. straße steht, den grundstücken des antragstellers quasi gegenüber, die wasserburg „haus v.“. 4das plangebiet wurde zuletzt im wesentlichen als zentrallager und logistikstandort mit großflächigen lagerhallen, verkehrsflächen und einem siebengeschossigen büro- und verwaltungsgebäude genutzt. 2010 wurden diese nutzungen aufgegeben und die gebäude wurden 2017 abgerissen. ebenfalls abgerissen wurde ein dreigeschossiges büro- und geschäftshaus mit einem eingeschossigen lager- und werkstattgebäude, das auf dem grundstück h.‑straße 71 gestanden hatte. 5mit dem bebauungsplan soll nach dem ergebnis eines städtebaulichen wettbewerbs mit öffentlichkeitsbeteiligung der stadtteil v. insbesondere als wohnstandort gestärkt und der siedlungsbestand sinnvoll ergänzt werden, indem die errichtung von wohngebäuden mit insgesamt maximal 375 wohneinheiten ermöglicht wird. 6die städtebauliche grundstruktur basiert entsprechend dem ergebnis des städtebaulichen wettbewerbs auf vier von süden nach norden streifenartig angeordneten baufeldern. in diesen baufeldern sind entlang der inneren erschließungsstraßen gebäudezeilen mit nach süden orientierten fassaden vorgesehen, während an den westlichen und östlichen rändern gebäuderiegel die baufelder begrenzen. geplant sind drei durch mehrstöckige wohnhäuser und durch eine kompakte bebauung mit einfamilienhäusern geprägte blockartige baukomplexe, die als wa 1, wa 2, wa 3 sowie mi bezeichnet sind. die wohngebiete wa 1-3 sollen im jeweiligen blockinnenbereich großzügige garten- und wohnhöfe erhalten, die durch ein wegesystem verbunden werden. nach norden hin soll die blockartige struktur durch ein baufeld mit einzel- und doppelhäusern aufgelockert werden. durch das für das grundstück h.‑straße 71 festgesetzte mischgebiet soll ein städtebaulich verträglicher übergang zwischen dem westlich davon geplanten wohngebiet und den gewerbebetrieben auf den grundstücken des antragstellers erreicht werden. 7der rat beschloss in seiner sitzung am 28. november 2019 den bebauungsplan als satzung. der satzungsbeschluss wurde am 29. dezember 2019 öffentlich bekannt gemacht. 8am 3. februar 2020 hat der antragsteller den normenkontrollantrag gestellt und am 21. april 2020 um die gewährung vorläufigen rechtsschutzes nachgesucht. den eilantrag hat der senat mit beschluss vom 25. juni 2020 – 10 b 519/20.ne – abgelehnt. 9zur begründung seines normenkontrollantrags trägt der antragsteller vor: für nr. 2.1 abs. 1 der textlichen festsetzungen fehle eine ermächtigungsgrundlage. nach der festsetzung seien im wa 1, wa 2 und wa 3 sowie im mischgebiet bei der berechnung der geschossflächenzahl (gfz) sämtliche flächen aller oberirdischen geschosse anzurechnen. dies stehe im widerspruch zu § 20 abs. 3 satz 1 baunvo. satz 2 dieser bestimmung erlaube zwar weitergehende festsetzungen zur anrechnung von flächen auf die gfz, die nicht in vollgeschossen lägen, erlaube insoweit aber nur die anrechnung von flächen von aufenthaltsräumen einschließlich der zu ihnen gehörenden umfassungswände. nach der planbegründung habe der rat mit der festsetzung nr. 2.1 abs. 1 der geänderten definition des begriffs „vollgeschoss“ in der nordrhein-westfälischen bauordnung rechnung tragen wollen, um die umsetzung des wettbewerbsergebnisses, das grundlage des bebauungsplans sei, zu sichern. der vortrag der antragsgegnerin, mit der festsetzung sei selbstverständlich nur dasjenige gewollt, was die ermächtigungsgrundlage erlaube, sei fernliegend, denn eine festsetzung eines bebauungsplans, für die es keine ermächtigungsgrundlage gebe, dürfe nicht in form einer geltungserhaltenden reduktion so ausgelegt werden, dass sie entgegen ihrem wortlaut den vorgaben einer einschlägigen ermächtigungsgrundlage entspreche. die besagte festsetzung gehöre zu den grundzügen der planung, sodass davon auszugehen sei, dass der rat den bebauungsplan ohne sie nicht beschlossen hätte. 10auch für weitere textliche festsetzungen unter nr. 2.2 zur maximal zulässigen zahl von geschossen, die keine vollgeschosse seien, und zur begrenzung der grundfläche der jeweils obersten geschosse sowie zur lage ihrer außenwände fehle eine ermächtigungsgrundlage. es handele sich dabei nicht etwa, wie die antragsgegnerin vortrage, um gestalterische festsetzungen. gegen ein solches verständnis spreche schon, dass unter nr. 2 der textlichen festsetzungen das maß der baulichen nutzung geregelt sei. als ermächtigungsgrundlage sei auf der planurkunde zwar auch § 89 abs. 1 nr. 1 bauo nrw ergänzend erwähnt, doch gestatte diese vorschrift nur die festlegung besonderer anforderungen an die äußere gestaltung baulicher anlagen zur erhaltung und gestaltung von ortsbildern. die fraglichen festsetzungen regelten indessen nicht die äußere gestalt des jeweils obersten geschosses oder gar des gesamten gebäudes, sondern vorrangig das maximal zulässige flächenmaß eines geschosses im verhältnis zu dem flächenmaß des darunterliegenden geschosses. eine bestimmte äußere gestaltung sei damit nicht vorgegeben, da es dem bauherrn letztlich freigestellt sei, wie er dieses maximale flächenmaß einhalte. für die unzulässigkeit der festsetzungen als festsetzungen zum maß der baulichen nutzung spreche schließlich auch ihr von der antragsgegnerin selbst erläuterter hintergrund. 11die festsetzung der lärmschutzwand zum schutz der wohnnutzung im südlichen baufenster des wa 5 sei unbestimmt, soweit diese in ihrem abschnitt c-d auf die geplante geländehöhe abfallen solle, denn es sei unklar, was damit genau gemeint sei. mit diesem bestimmtheitsmangel sei zugleich auch ein abwägungsfehler verbunden, denn der rat sei zu unrecht davon ausgegangen, mit der unbestimmten festsetzung einen ausreichenden beitrag zur konfliktbewältigung geleistet zu haben. 12die textliche festsetzung nr. 9.3.2 zur vorgegebenen reihenfolge der bebauung sei ebenfalls unbestimmt. es sei unklar, welches das in der festsetzung genannte „östliche gebäude“ und die „nach osten ausgerichteten fenster“ im wa 1.2 sein sollten. 13auch die textliche festsetzung nr. 9.5 zu möglichen abweichungen von dem lärmschutzkonzept sei widersprüchlich und unbestimmt. ein sachverständiger für den schallschutz habe nicht zu beurteilen, ob ein bestimmter geografischer punkt im zusammenhang mit einer bestimmten emissionsquelle ein immissionsort sei. die festlegung der maßgeblichen immissionsorte erfordere vielmehr eine juristische bewertung. der rat hätte die denkbaren maßnahmen, die verhindern würden, dass eine fassade trotz der darin eingebauten fenster, die sich öffnen ließen, nicht als immissionsort zu betrachten sei, konkret benennen und begutachten müssen. da er dies nicht getan habe, sei völlig offen, mit welchen maßnahmen der konflikt zwischen der lärmverursachenden nutzung im gewerbegebiet und der insoweit schutzbedürftigen zugelassenen wohnbebauung auf der baugenehmigungsebene bewältigt werden solle. welche konfliktlösungen auf der grundlage der ta-lärm überhaupt denkbar seien, erläutere die planbegründung nicht. eine verlagerung der konfliktbewältigung auf nachfolgende baugenehmigungsverfahren sei mithin nicht zulässig. 14auch soweit die textliche festsetzung nr. 9.5 die möglichkeit einräume, im mischgebiet auf den ausschluss von fenstern, die sich öffnen ließen, zu verzichten, wenn sie aufenthaltsräume belichteten, die zu einer gewerblichen nutzung gehörten, sei sie fehlerhaft. 15hinsichtlich der ermittlung des auf die wohnbebauung einwirkenden gewerbelärms liege ein abwägungsfehler vor, da der von den künftigen gewerblichen nutzungen im mischgebiet verursachte lärm mit dem argument, diese nutzungen seien als wohnverträglich einzustufen, gar nicht berücksichtigt worden sei. diese argumentation greife zu kurz. 16seine, des antragstellers, belange und die belange der auf seinen grundstücken ansässigen gewerbetriebe seien hinsichtlich des fortbestandes der bisherigen nutzungsmöglichkeiten nicht zutreffend erfasst und gewürdigt worden. die annahme, dass die besagten gewerbebetriebe wegen der in ihrer umgebung bereits vorhandenen wohnbebauung ohnehin keine entwicklungsmöglichkeiten mehr gehabt hätten, sei falsch. die mit dem bebauungsplan zugelassene wohnbebauung rücke von norden und westen an die gewerbegrundstücke heran, während die wohnbebauung an der h.‑straße sich südlich davon befinde. der neuen wohnbebauung habe der rat zudem das schutzniveau eines allgemeinen wohngebiets verliehen, während sich die bisherige wohnbebauung lediglich auf das schutzniveau eines mischgebiets berufen könne. 17der antragsteller beantragt, 18den bebauungsplan nr. – nördlich h.‑straße der antragsgegnerin für unwirksam zu erklären. 19die antragsgegnerin beantragt, 20den antrag abzulehnen. 21zur begründung trägt sie vor: 22nr. 2.1. der textlichen festsetzungen sei wirksam. dem wortlaut der festsetzung lasse sich entnehmen, dass (auch) die geschossfläche der jeweils obersten geschosse bei der berechnung der gfz zu berücksichtigen sei. die festsetzung treffe keine explizite aussage dazu, auf welche weise diese berücksichtigung erfolgen solle. dies ergebe aber ihre auslegung anhand der aufstellungsvorgänge und der sonstigen das planverfahren betreffenden dokumente. für die art und weise der berechnung gebe es eindeutige vorgaben. für die jeweils obersten geschosse, die keine vollgeschosse seien, finde § 20 abs. 3 satz 2 baunvo anwendung. dem plangeber sei ein gestaltungsspielraum eingeräumt, der hier zur umsetzung der aus gestalterischen gründen angestrebten begrenzung des bauvolumens genutzt worden sei. somit bleibe lediglich zu prüfen, ob durch anwendung der allgemeinen auslegungsregeln eindeutig bestimmt werden könne, in welchem nach § 20 abs. 3 satz 2 baunvo möglichen umfang die fläche von geschossen, die keine vollgeschosse seien – hier: die flächen der jeweils obersten geschosse – bei der berechnung der gfz zu berücksichtigen sei. die auslegung führe zu dem eindeutigen ergebnis, dass eine berücksichtigung der fläche von geschossen, die nicht vollgeschosse seien, in dem nach § 20 abs. 3 satz 2 baunvo größtmöglichen maß erfolgen solle, um den in der planbegründung ausgeführten zielen zu entsprechen. 23die von dem antragsteller für richtig gehaltene auslegung einer über die vorgaben des § 20 abs. 3 satz 2 baunvo hinausgehenden berücksichtigung der jeweils obersten geschosse bei der berechnung der gfz folge weder aus dem wortlaut noch aus der systematik der besagten festsetzung und – wegen der bindung der verwaltung an recht und gesetz – auch nicht aus ihrer zielsetzung. durch die bezugnahme auf § 20 baunvo, das heiße auch auf abs. 3 der vorschrift, sei klargestellt, auf welche weise die jeweils obersten geschosse, soweit es sich dabei nicht um vollgeschosse handele, bei der berechnung der gfz zu berücksichtigen seien. 24sie, die antragsgegnerin, habe bereits – rein vorsorglich – rechnerisch ermitteln lassen, dass die vom rat angestrebte sicherung der gewollten städtebaulichen struktur auch im hinblick auf die gestaltung der gebäude wegen des engen rahmens, der sich aus dem zusammenspiel der grz, der zahl der zulässigen vollgeschosse und der maximalen gebäudehöhe ergebe, auch ohne die textliche festsetzung nr. 2.1. abs. 1 gegeben sei, sodass eine unwirksamkeit dieser festsetzung nicht die unwirksamkeit des bebauungsplans insgesamt zur folge hätte. 25nr. 2.2 der textlichen festsetzungen sei keine festsetzung zum maß der baulichen nutzung. sie finde ihre ermächtigungsgrundlage vielmehr in § 9 abs. 4 baugb in verbindung mit § 89 abs. 1 nr. 1, abs. 2 satz 1 bauo nrw als örtliche bauvorschrift zur regelung des äußeren erscheinungsbildes. die festsetzung verfolge einzig und allein das ziel, die realisierung des städtebaulichen wettbewerbsergebnisses zu gewährleisten. dass gestalterische, auf örtlichen baubestimmungen beruhende festsetzungen überschneidungen mit bauplanungsrechtlichen festsetzungsmöglichkeiten aufwiesen, sei nicht ausgeschlossen. 26unter anderem habe das bundesverwaltungsgericht in einem beschluss vom 29. august 2017 – 4 b 30.17 – klargestellt, dass der festsetzungskatalog des § 9 abs. 1 baugb mit blick auf einen sachverhalt, der mit den instrumenten des bauplanungsrechts geregelt werden könne, keine sperrwirkung hinsichtlich einer bauordnungsrechtlichen regelung entfalte, die sich im ergebnis wie eine bauplanungsrechtliche festsetzung auswirke. für die abgrenzung zwischen bauplanungsrechtlichen festsetzungen zum maß der baulichen nutzung und gestaltungsvorschriften, die auf örtlichen bauvorschriften beruhten, komme es auf sinn und zweck beziehungsweise auf den schwerpunkt des planerischen willens an. danach bestehe kein zweifel, dass die festsetzung zur begrenzung der zahl der geschosse, die keine vollgeschosse seien, gestalterischer art sei. 27die gestalterische textliche festsetzung der nr. 2.2.1 stehe auch nicht im widerspruch zu den soeben genannten anderen festsetzungen des bebauungsplans. insbesondere decke sie sich mit den maßfestsetzungen im sinne von § 16 abs. 2 nr. 4 baunvo zur jeweils zulässigen höhe der gebäude. auch insoweit könne eine unwirksamkeit der festsetzung nicht zur unwirksamkeit des bebauungsplans insgesamt führen. 28die nrn. 2.2.2 bis 2.2.8 der textlichen festsetzungen enthielten regelungen zur ausgestaltung des jeweils obersten geschosses, soweit es kein vollgeschoss sei. durch die festsetzung der maximal zulässigen grundfläche im verhältnis zu der grundfläche des darunterliegenden geschosses habe der rat lediglich ausgeschlossen, dass das jeweils oberste geschoss als vollgeschoss im sinne von § 2 abs. 6 bauo nrw gebaut werde. es handele sich weder um eine regelung zu den vollgeschossen noch um eine eigenständige definition des vollgeschosses. die festsetzungen seien ebenfalls örtliche bauvorschriften zur gestaltung baulicher anlagen im sinne von § 9 abs. 4 baugb in verbindung mit § 89 abs. 1 nr. 1, abs. 2 satz 1 bauo nrw. die festsetzungen zu der zulässigen grundfläche des jeweils obersten geschosses und dessen abstand von der darunter liegenden gebäudekante beträfen das äußere erscheinungsbild des jeweiligen gebäudes. die vorgaben hätten ihren unmittelbaren grund in dem im wettbewerb prämierten städtebaulichen konzept. dieses in einem rahmenplan fortgeführte konzept liege dem bebauungsplan zugrunde. sinn und zweck sämtlicher festsetzungen zu den jeweils obersten geschossen sei die beibehaltung dieses städtebaulichen konzepts und damit eine gestalterische absicht. 29die ausnahmeregelung in nr. 9.5 abs. 2 der textlichen festsetzungen genüge den bestimmtheitsanforderungen. die festsetzung erlaube eine ausnahme im sinne von § 31 abs. 1 baugb von den vorgaben der unter nr. 9.4 getroffenen festsetzung. die festsetzungen seien nicht in sich widersprüchlich. die von dem antragsteller in diesem zusammenhang zitierte rechtsprechung betreffe einen anderen sachverhalt. hier sei eindeutig ein regel-/ausnahmeverhältnis festgesetzt. 30auch der einwand des antragstellers, dass unklar bleibe, unter welchen voraussetzungen fenster, die geöffnet werden könnten, in fassaden zulässig seien, verkenne den regelungsgehalt der nr. 9.5 abs. 2 der textlichen festsetzungen. die regelung ermögliche nicht die ausnahmsweise zulassung solcher fenster, wenn bestimmte lärmpegel eingehalten würden. voraussetzung für die ausnahmsweise zulassung solcher fenster sei vielmehr, dass der zu betrachtende lärm nicht auf die fragliche fassade einwirke. auch bei erteilung einer entsprechenden ausnahme sei ausgeschlossen, dass die fragliche fassade bei einer schalltechnischen untersuchung als immissionsort in betracht komme. 31der antragsteller verkenne auch die voraussetzungen für die erteilung einer ausnahme nach nr. 9.5 abs. 2 der textlichen festsetzungen. danach könne nur dann von den lärmschutzfestsetzungen abgewichen werden, wenn sichergestellt sei und durch einen sachverständigen für den schallschutz nachgewiesen werde, dass durch die abweichung keine zusätzlichen immissionsorte im sinne der ta lärm zu betrachten seien. 32grundlage für die bewertung sei die ta lärm. hierbei handele es sich um eine rechtliche, eindeutige und objektive grundlage. ob die voraussetzungen für die erteilung einer ausnahme vorlägen, prüfe die baugenehmigungsbehörde. das zusätzliche erfordernis eines sachverständigengutachtens solle das fachliche fundament der ausnahmeentscheidung stützen. die regelung stelle darüber hinaus keine unzulässige konfliktverlagerung dar, sondern sei ausdruck des grundsatzes der planerischen zurückhaltung. die sich bei der entscheidung über die erteilung einer ausnahme stellenden fragen könnten adäquat auf der ebene des jeweiligen baugenehmigungsverfahrens beantwortet werden. darüber hinaus handele es sich nicht um eine konfliktverlagerung, sondern um eine alternative konfliktlösung, die unter bestimmten voraussetzungen an die stelle der konfliktlösung in nr. 9.4 der textlichen festsetzungen gesetzt werden könne. 33auch die ausnahmeregelung in nr. 9.5 abs. 3 der textlichen festsetzungen sei nicht offensichtlich fehlerhaft. in räumen für büronutzungen oder für sonstige gewerbliche nutzungen, deren anspruch auf schutz vor lärm in der nacht nicht höher sei als am tag, seien fenster, die geöffnet werden könnten, zulässig, sofern hierzu in der jeweiligen baugenehmigung eine verbindliche regelung als nebenbestimmung getroffen werde, um gesunde arbeitsverhältnisse sicherzustellen. 34wenn im nachgelagerten baugenehmigungsverfahren jeweils sichergestellt werde, dass in den fraglichen räumen zur nachtzeit keine schutzwürdige nutzung stattfinde und tagsüber die immissionsrichtwerte der ta lärm eingehalten würden, bestehe kein grund, dem jeweiligen bauherrn den einbau von fenstern, die geöffnet werden könnten, oder die errichtung sonstiger anlagen, die als immissionsorte nach der ta lärm in betracht kämen, zu verweigern. die schutzziele der ta lärm würden in einem solchen system erfüllt, ohne dass es – wie der antragsteller vortrage – zu einer relativierung des schutzniveaus der ta lärm komme. die untersagung der nutzung des gebäudes zur nachtzeit durch eine entsprechende auflage in der baugenehmigung wirke faktisch dahingehend, dass seine fassaden in der nachtzeit – mangels irgendeiner schutzwürdigen nutzung – nicht als maßgebliche immissionsorte nach der ta lärm zu betrachten seien. 35die unwirksamkeit der ausnahmeregelungen hätte jedenfalls keine auswirkungen auf die wirksamkeit des bebauungsplans insgesamt. 36der bebauungsplan beruhe auch nicht auf einer fehlerhaften abwägung. insbesondere seien die lärmschutzbelange der planbetroffenen nicht fehlerhaft ermittelt und abgewogen worden. 37wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstands wird auf den inhalt der gerichtsakten 10 d 9/20.ne und 10 b 519/20.ne sowie der beigezogenen aufstellungsvorgänge (beiakten hefte 1 bis 7) bezug genommen. 38
39der antrag hat erfolg. 40er ist zulässig. 41der antragsteller ist als eigentümer eines im plangebiet gelegenen grundstücks nach § 47 abs. 2 vwgo antragsbefugt. 42der antrag ist auch begründet. 43einzelne festsetzungen des bebauungsplans beruhen auf rechtsfehlern, die zu seiner unwirksamkeit insgesamt führen. 44nr. 2.1 abs. 1 der textlichen festsetzung ist mangels ermächtigungsgrundlage unwirksam. sie beruht nicht auf § 20 abs. 3 satz 2 baunvo, wonach im bebauungsplan festgesetzt werden kann, dass die flächen von aufenthaltsräumen in anderen geschossen einschließlich der zu ihnen gehörenden umfassungswände ganz oder teilweise mitzurechnen oder ausnahmsweise nicht mitzurechnen sind. die festsetzung geht über diese ermächtigung hinaus, weil sie pauschal und ohne einschränkungen sämtliche geschossflächen aller oberirdischen geschosse einbezieht, also auch die nicht für aufenthaltsräume und ihre umfassungswände bestimmten flächen von geschossen, die nicht vollgeschosse sind. 45die auffassung der antragsgegnerin, eine auslegung dieser festsetzung führe zu dem eindeutigen ergebnis, dass eine berücksichtigung der fläche von geschossen, die nicht vollgeschosse seien, nur in dem nach § 20 abs. 3 satz 2 baunvo größtmöglichen maß erfolgen solle, um den in der planbegründung ausgeführten zielen zu entsprechen, findet weder im wortlaut der festsetzung noch in der planbegründung einen anhalt. 46auch die textlichen festsetzungen unter nr. 2.2 zur maximal zulässigen zahl von geschossen, die nicht vollgeschosse sind, und zur ausgestaltung des jeweils obersten geschosses sind mangels ermächtigungsgrundlage unwirksam. 47sie lassen sich nicht auf § 16 abs. 2 nr. 3 baunvo stützen, wovon offenbar auch die antragsgegnerin ausgeht. die vorschrift ermöglicht lediglich eine festsetzung zur zahl der vollgeschosse. weitere planerische festsetzungen sind in diesem zusammenhang weder vorgesehen noch angesichts des abschließenden charakters der regelung möglich. vielmehr ist der begriff des vollgeschosses ausdrücklich der definition durch landesrechtliche vorschriften überlassen (§ 20 abs. 1 baunvo). durch diese verweisung auf das landesrecht hat der verordnungsgeber den gemeinden, soweit das bundesrecht reicht, jede abändernde bauplanerische festsetzung versagt. 48vgl. bverwg, beschluss vom 5. juli 1991 – 4 nb 22.91 –, juris, rn. 8; ovg nrw, beschluss vom 29. märz 2006 – 10 b 1908/05.ne –, juris, rn. 11 f. 49die festsetzungen unter nr. 2.2 finden ihre rechtsgrundlage auch nicht in § 89 abs. 1 nr. 1 und abs. 3 satz 1 bauo nrw. 50das bauordnungsrecht lässt danach festsetzungen in bebauungsplänen nur als besondere anforderungen an die äußere gestaltung baulicher anlagen zur erhaltung und gestaltung von ortsbildern zu. darum geht es hier nicht. 51die festsetzungen unter nr. 2.2 betreffen nicht die äußere gestalt des jeweils obersten geschosses oder des gesamten gebäudes, sondern begrenzen die zahl der geschosse, die keine vollgeschosse sind, und bestimmen insbesondere das flächenmaß des jeweils obersten geschosses im verhältnis zu dem flächenmaß des darunterliegenden geschosses. 52dem landesgesetzgeber ist die regelung des bauordnungsrechts vorbehalten. hierzu zählt nicht bloß die abwehr von gefahren, die der allgemeinheit oder dem einzelnen von baulichen anlagen drohen. das bauordnungsrecht darf, soweit dies im rahmen einer inhalts- und schrankenbestimmung im sinne des art. 14 abs. 1 satz 2 gg zulässig ist, auch zur wahrung ästhetischer belange nutzbar gemacht werden. dies schließt neben der abwehr von verunstaltungen eine positive gestaltungspflege ein. den gemeinden ist es auf landesrechtlicher grundlage unbenommen, über die äußere gestaltung einzelner baulicher anlagen das örtliche erscheinungsbild insgesamt zu beeinflussen, etwa durch vorschriften, die es ermöglichen, ein orts- oder straßenbild je nach den gestalterischen vorstellungen der jeweiligen gemeinde zu erhalten oder umzugestalten. regelungen, die der gesetzgebungskompetenz der länder entzogen sind, können dagegen nicht gegenstand örtlicher bauvorschriften sein. dies gilt auch im bereich der konkurrierenden gesetzgebung, soweit der bundesgesetzgeber von seiner kompetenz verfassungsgemäßen gebrauch gemacht hat (art. 72 gg). hierzu gehört beispielsweise das bodenrecht im sinne des art. 74 abs. 1 nr. 18 gg, das der bundesgesetzgeber insbesondere im baugesetzbuch kodifiziert hat. dieses gesetz regelt die rechtlichen beziehungen zum grund und boden und bestimmt, in welcher weise der jeweilige eigentümer sein grundstück nutzen darf. nicht zuletzt über die vorschriften, die die art und das maß der baulichen nutzung, die bauweise und die überbaubare grundstücksfläche betreffen, leistet auch das städtebaurecht als teil des bodenrechts einen beitrag zur gestaltung des ortsbildes (§ 1 abs. 5 satz 2, § 34 abs. 1 satz 2 und § 35 abs. 3 baugb). das städtebauliche instrumentarium reicht unter diesem blickwinkel indes nur soweit, wie das baugesetzbuch entsprechende gestaltungsmöglichkeiten eröffnet. zur bodenrechtlichen gestaltung des ortsbildes steht der gemeinde der in § 9 abs. 1 baugb abschließend umschriebene festsetzungskatalog zur verfügung. gestaltungsvorschriften, die hierüber hinausgehen, ohne den grund und boden unmittelbar zum gegenstand rechtlicher ordnung zu haben, stehen dem landesrechtlichen bauordnungsrecht offen. 53vgl. bverwg, beschluss vom 10. juli 1997 – 4 nb 15.97 –, juris, rn. 3. 54ausgehend von diesen grundsätzen hat der senat keine zweifel, dass die regelungen in den textlichen festsetzungen unter nr. 2.2 bodenrechtlicher natur sind und ihrem sachlichen gehalt nach nicht dem bauordnungsrecht zugeordnet werden können. 55dafür, dass dies auch der rat so gesehen hat, spricht bereits, dass die festsetzungen auf der planurkunde bei den regelungen zum maß der baulichen nutzung stehen. auch nach der planbegründung steht außer frage, dass die besagten festsetzungen bodenrechtlichen charakter haben. auf seite 104 f. sind sie dort unter 4.7.2 „geschossflächenzahl (gfz), oberste geschosse“ erläutert und danach durch den wunsch motiviert, das im städtebaulichen wettbewerb prämierte konzept, das dem bebauungsplan zugrunde liegt, umzusetzen. das konzept sehe aus „städtebaulichen gründen“ oberste geschosse vor, die abhängig von der jeweiligen „städtebaulichen situation“ von den außenwänden der darunter liegenden geschosse ganz oder in teilen zurücksprängen. insoweit verfolge der bebauungsplan das ziel, nach der änderung des begriffs des vollgeschosses in der bauordnung nordrhein-westfalen, die art und den umfang der obersten geschosse, die keine vollgeschosse seien, eindeutig zu bestimmen und deren grundflächen bei der berechnung der gfz zu berücksichtigen. so solle die „städtebauliche struktur“ dem ergebnis des städtebaulichen wettbewerbs entsprechend ermöglicht und gestalterisch gesichert sowie die geschossfläche im plangebiet gesteuert beziehungsweise begrenzt werden. dazu heißt es in der planbegründung unter anderem, dass die festgesetzten rücksprünge der außenwände des jeweiligen obersten geschosses von den außenwänden des jeweils darunter liegenden geschosses „auf die städtebauliche situation“ bezug nähmen, um die neue bebauung in den bestand einzubinden, verträgliche übergänge zu schaffen und gut nutzbare terrassen für die wohnungen in den obersten geschossen zu ermöglichen. weiter ist die rede von der sicherung der art der bebauung und des sich hierdurch ergebenden räumlichen gefüges in den geplanten wohnstraßen. 56auch nach dem verlauf des aufstellungsverfahrens und dem inhalt der planbegründung ist offenkundig, dass der rat, nachdem er erkannt hatte, dass weder das baugesetzbuch noch die baunutzungsverordnung eine ermächtigungsgrundlage für die in rede stehenden festsetzungen bieten, versucht hat, im gewande bauordnungsrechtlicher gestaltungsvorschriften bodenrechtliche regelungen zu treffen. dies folgt nicht nur aus der zitierten planbegründung und daraus, dass er die bauordnungsrechtliche ermächtigungsgrundlage nachträglich in den abschnitt der auf der planurkunde aufgedruckten textlichen festsetzungen eingefügt hat, der das maß der baulichen nutzung betrifft, sondern auch daraus, dass die eigentlichen gestalterischen festsetzungen unter anderem zur dachgestaltung auf der planurkunde in einem eigenen abschnitt stehen und in der planbegründung ausdrücklich als solche auf den seiten 183 ff. erläutert sind. 57ohne erfolg verweist die antragsgegnerin demgegenüber auf einzelne formulierungen in der plangebegründung, in denen von „gestalterisch zu sichern“ oder von „mit den obersten geschossen beabsichtigten architektonischen qualitäten“ die rede ist. einzelne gestalterische aspekte, die mit den textlichen festsetzungen unter nr. 2.2 im ergebnis verbunden sein mögen, lassen den wie oben aufgezeigt eigentlichen bodenrechtlichen bezug dieser festsetzungen nicht entfallen. wie bereits das bundesverwaltungsgericht in dem zitierten beschluss ausgeführt hat, kann auch das städtebaurecht einen gewissen beitrag zur gestaltung des ortsbildes leisten. 58jedenfalls die unwirksamkeit der textlichen festsetzungen unter nr. 2.2 führt zur unwirksamkeit des bebauungsplans insgesamt. 59die unwirksamkeit einzelner festsetzungen eines bebauungsplans führt nur dann nicht zu seiner unwirksamkeit insgesamt, wenn die übrigen festsetzungen für sich betrachtet noch eine den anforderungen des § 1 baugb gerecht werdende sinnvolle städtebauliche ordnung bewirken können und wenn zusätzlich der rat nach seinem im planverfahren zum ausdruck gekommenen willen im zweifel auch einen bebauungsplan dieses eingeschränkten inhalts beschlossen hätte. 60vgl. bverwg, beschluss vom 29. märz 1993 – 4 bn 10.91 –, brs 55 nr. 30. 61zwar mag der bebauungsplan auch ohne die festsetzungen unter nr. 2.2 noch eine städtebauliche ordnung bewirken, doch lässt sich nicht feststellen, dass der rat einen bebauungsplan auch ohne sie beschlossen hätte. sie gehören zu den grundzügen der planung, was letztlich auch die ausführungen der antragsgegnerin im normenkontrollverfahren zur umsetzung des ergebnisses des städtebaulichen wettbewerbs bestätigen. 62im übrigen merkt der senat für ein etwaiges heilungsverfahren an: 63zweifelhaft erscheint bereits, ob die festsetzung nr. 9.1 wirksam ist, soweit dort allgemein von technischen vorkehrungen die rede ist, die entsprechend der jeweils bei einreichung des bauantrags als technische baubestimmung dann gültigen baurechtlich eingeführten fassung der din 4109 vorzusehen sind. 64soweit mit dieser festsetzungen künftige fassungen der din 4109 zum geltenden satzungsrecht erhoben werden sollen, bestehen nicht nur unter dem gesichtspunkt rechtsstaatlicher publizität von normen bedenken. weder der rat noch ein normadressat weiß oder kann erkennen, welche technischen vorkehrungen künftig einmal von dieser festsetzung erfasst sein könnten. 65die festsetzung nr. 9.3.1 zur höhe der lärmschutzwand zum schutz der wohnnutzung im südlichen baufenster des wa 5 ist nicht unbestimmt, obwohl der rat lediglich ihre mindesthöhe festgesetzt hat. der senat hält hierzu an seinen ausführungen im beschluss vom 25. juni 2020 – 10 b 519/20.ne – im wesentlichen fest. soweit das fehlen einer festsetzung zur maximal zulässigen höhe theoretisch die errichtung einer lärmschutzwand zulässt, deren höhe die festgesetzte mindesthöhe von 6,0 m deutlich übersteigt, ist dies bei näherer betrachtung kein aspekt der bestimmtheit, sondern betrifft die abwägung, weil eine überschreitung der mindesthöhe die nutzung der angrenzenden grundstücke, etwa durch schattenwurf, stärker negativ beeinflussen könnte. allerdings ist mit einer solchen deutlich höheren lärmschutzwand bei realistischer betrachtung tatsächlich nicht zu rechnen, denn die errichtung von lärmschutzwänden verursacht abhängig von ihrer höhe und länge erhebliche kosten, sodass es ausgeschlossen erscheint, dass hier die künftige lärmschutzwand die für den lärmschutz gebotene mindesthöhe wesentlich überschreiten wird. auch die bedenken hinsichtlich der bestimmtheit des höhenverlaufs der lärmschutzwand zwischen den in der planurkunde dargestellten punkten c und d teilt der senat nicht. anhand der jeweils festgesetzten mindesthöhen für den anfangs- und den endpunkt des fraglichen wandabschnitts und unter berücksichtigung der beschreibung in der textlichen festsetzung nr. 9.3.1, wonach der wandabschnitt von der festgelegten mindesthöhe auf die geplante geländehöhe „abfallen“ muss, lässt sich der höhenverlauf der lärmschutzwand in diesem wandabschnitt noch hinreichend klar abschätzen, zumal die planung und ausführung der übrigen bebauung nicht unmittelbar von dem genauen höhenverlauf abhängig sind. die festlegung des konkreten neigungswinkels oder der konkreten neigungswinkel der oberkante des wandabschnitts bei einer gestuften gestaltung kann insoweit der baugenehmigung vorbehalten bleiben, zumal das schalltechnische gutachten, auf dessen vorschlag die festsetzung der lärmschutzwand zurückzuführen ist, davon ausgeht, dass die wand in dem fraglichen bereich linear abfällt. gleichwohl ist der antragsgegnerin anzuraten, bei einer eventuellen heilung der aufgezeigten fehler des bebauungsplans auch die festsetzungen zu der lärmschutzwand nochmals in den blick zu nehmen. 66die auf § 9 abs. 2 baugb gestützte textliche festsetzung nr. 9.3.2 dürfte hinreichend bestimmt sein, weil sich deren inhalt – wie der senat ebenfalls in dem zitierten eilbeschluss ausgeführt hat – ohne weiteres im wege der auslegung ermitteln lässt. soweit in der festsetzung von dem östlichen gebäude des wa 1.2 und von den darin nach osten ausgerichteten aufenthaltsräumen die rede ist, kann nach der lage der festgesetzten baufenster im wa 1.2 und des angrenzenden mischgebiets sowie der als auslegungshilfe heranzuziehenden begründung des bebauungsplans und des dort ausdrücklich in bezug genommenen schalltechnischen gutachtens nicht zweifelhaft sein, dass insoweit die bebauung im östlichen baufenster des wa 1.2 und die aufenthaltsräume mit fenstern in der den lärmquellen auf dem grundstück des antragstellers zugewandten östlichen fassade des geplanten baukörpers gemeint sind. entsprechendes gilt für die ebenfalls noch hinreichend klare formulierung: „bebauung, entlang der südost- und südwestseite der überbaubaren grundstücksfläche, die parallel zur h.‑straße liegt“. bei sachbezogener betrachtung erschließt sich, dass damit – wie die antragsgegnerin dargelegt hat – der straßenseitige riegel des l-förmigen baufeldes im festgesetzten mischgebiet angesprochen ist. 67auch die kritik, dass die festsetzungen unter nr. 9.5 zu abweichungen von dem lärmschutzkonzept widersprüchlich und unbestimmt seien, überzeugt nicht. 68der antragsteller wendet sich gegen die textliche festsetzung nr. 9.5 abs. 2, wonach von den lärmschutzfestsetzungen in nr. 9.4 sätze 1 und 2 abgewichen werden kann, wenn sichergestellt und durch sachverständige für schallschutz nachgewiesen wird, dass in den unter nr. 9.4 definierten bereichen keine immissionsorte im sinne der ta lärm entstehen. nach der planbegründung soll die regelung die spätere berücksichtigung etwaiger neuer bautechnischer entwicklungen ermöglichen. die antragsgegnerin versteht die festsetzung dementsprechend so, dass für bauliche konstruktionen an einer fassade, die bei einer beurteilung nach der ta lärm nicht die voraussetzungen für die annahme eines dort gelegenen immissionsortes erfüllten, eine ausnahme in betracht kommen solle. deshalb trifft der einwand, diese festsetzung sei widersprüchlich, weil sie die nach nr. 9.4 der textlichen festsetzungen ausgeschlossenen fenster, die geöffnet werden könnten, wieder zulasse, so nicht zu. 69die textliche festsetzung nr. 9.5 abs. 3, wonach von den lärmschutzfestsetzungen in nr. 9.4. abs. 2 insoweit abgewichen werden kann, als ausnahmsweise fenster, die sich öffnen lassen, und sonstige öffnungen in büroräumen und sonstigen schutzbedürftigen arbeitsräumen zugelassen werden können, wenn in der für das gebäude erteilten baugenehmigung verbindliche nebenbestimmungen einen für gesunde arbeitsverhältnisse ausreichenden schallschutz sicherstellen, dürfte wirksam sein. 70die regelung basiert auf der annahme, dass dort der maßgebliche immissionsrichtwert für mischgebiete nach den gutachterlichen feststellungen tagsüber eingehalten wird. vor diesem hintergrund will der rat lediglich für räume, in denen nutzungen stattfinden sollen, die keinen erhöhten schutz für die nachtzeit benötigen, den einbau von fenstern, die geöffnet werden können, und von sonstigen öffnungen als eine ausnahme etwa als ergebnis einer sonderfallprüfung entsprechend nr. 3.2.2 der ta lärm ermöglichen. 71der einwand des antragstellers, die ta lärm sei als normative konkretisierung des gesetzlichen maßstabs für die schädlichkeit von geräuschen insoweit abschließend, als sie bestimmten gebietsarten und tageszeiten entsprechend der daraus abgeleiteten schutzbedürftigkeit der in dem jeweiligen gebiet zulässigen nutzungen bestimmte immissionsrichtwerte zuweise und das verfahren zur ermittlung und beurteilung der in dem gebiet zu erwartenden geräuschimmissionen vorschreibe, überzeugt nicht. weist der bauherr in einem konkreten genehmigungsverfahren nach, dass der aus der ta lärm abgeleitete schutzanspruch der zur genehmigung gestellten nutzung gewährleistet ist, weil diese nutzung zu der allein kritischen nachtzeit gar nicht stattfindet, ist die erteilung einer entsprechenden baugenehmigung auf der grundlage der ausnahmeregelung nicht zu beanstanden. 72das von dem antragsteller insoweit zitierte urteil des ovg nrw vom 30. januar 2018 – 2 d 102/14.ne –, juris, rn. 188 ff., betrifft eine andere fallgestaltung. im übrigen heißt es in dem zitierten urteil unter rn. 201, dass es eine andere frage sei, ob insbesondere für büroräume im einzelfall eine sonderfallprüfung nach nr. 3.2.2 angezeigt sein und dabei festgestellt werden könne, dass sie auch nachts nur den ihnen für die tagzeit zukommenden schutzanspruch hätten. 73vgl. auch kuchler, immissionsschutzrechtlicher schutzanspruch von büroräumen zur nachtzeit, jurispr-umwr 5/2019, anm. 3 m.w.n. 74der bebauungsplan beruht wohl auch nicht auf beachtlichen fehlern bei der nach § 1 abs. 7 baugb gebotenen abwägung. 75gemäß § 1 abs. 7 baugb sind die öffentlichen und privaten belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. das abwägungsgebot umfasst als verfahrensnorm das gebot zur ermittlung und bewertung des abwägungsmaterials (§ 2 abs. 3 baugb) und stellt inhaltlich anforderungen an den abwägungsvorgang und an das abwägungsergebnis. es ist verletzt, wenn eine sachgerechte abwägung überhaupt nicht stattfindet, wenn in die abwägung belange nicht eingestellt werden, die nach lage der dinge hätten eingestellt werden müssen, wenn die bedeutung der betroffenen belange verkannt oder wenn der ausgleich zwischen den von der planung berührten belangen in einer weise vorgenommen wird, die zur objektiven gewichtigkeit einzelner belange außer verhältnis steht. innerhalb des so gezogenen rahmens ist dem abwägungserfordernis genügt, wenn sich die zur planung berufene gemeinde im widerstreit verschiedener belange für die bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die zurückstellung des anderen belangs entscheidet. 76vgl. ovg nrw, urteil vom 22. september 2015 – 10 d 82/13.ne –, juris, rn. 30. 77der von dem antragsteller geltend gemachte abwägungsmangel im hinblick auf eine unzureichende ermittlung möglicher gewerbelärmimmissionen im plangebiet erscheint unter berücksichtigung der konkreten umstände der planung fernliegend. der antragsteller macht geltend, der rat habe nicht berücksichtigt, dass zu den immissionen aus dem gewerbegebiet auch solche aus dem mischgebiet hinzutreten könnten. der senat teilt die einschätzung der antragsgegnerin, dass der im festgesetzten mischgebiet künftig zulässigerweise erzeugte gewerbelärm eine erhöhung der lärmimmissionswerte in den angrenzenden wohngebieten vermutlich nicht bewirken wird. im zeitpunkt des satzungsbeschlusses hatte der rat keinerlei konkrete kenntnisse über künftige gewerbliche nutzungen im mischgebiet. solche künftigen nutzungen müssen entsprechend der festgesetzten gebietsart wohnverträglich sein. sollten bei der geplanten ansiedlung eines gewerbebetriebs etwa wegen einer zusammenrechnung des mit dem betrieb verbundenen lärms und des aus dem gewerbegebiet stammenden lärms insoweit zweifel aufkommen, könnte ein etwaig zu erwartender immissionsschutzrechtlicher konflikt im baugenehmigungsverfahren gelöst werden. dass dies nicht möglich sein könnte, vermag der senat nicht zu erkennen. 78im übrigen macht der antragsteller zu unrecht geltend, der rat habe nicht berücksichtigt, dass den gewerbebetrieben auf seinem grundstück die möglichkeit genommen werde, lärmtechnische optimierungen der betriebsabläufe vorzunehmen, um gegebenenfalls die von dort ausgehende immissionsbelastung für die wohnbebauung südlich der h.‑straße zu verringern. es bestehen nach dem bisherigen sach- und streitstand, nachdem der betrieb offenbar mehrere jahrzehnte ohne beanstandungen geblieben ist, schon keine anhaltspunkte für die geltend gemachte gefahr betriebseinschränkender anordnungen wegen der auf den angesprochenen wohngrundstücken verursachten immissionen. im übrigen hält der senat die verlagerung betrieblicher tätigkeiten auf dem grundstück des antragstellers aus den bereits in der antragserwiderung dargelegten erwägungen für vage und unrealistisch, sodass sie bei der abwägungsentscheidung nicht berücksichtigt zu werden brauchten. 79die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 1 vwgo. 80die entscheidung zur vorläufigen vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 vwgo in verbindung mit den §§ 708 nr. 10, 711 zpo. 81die revision ist nicht zuzulassen, da die voraussetzungen des § 132 abs. 2 vwgo nicht vorliegen.
346,624
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3 O 67/19
2022-08-18T00:00:00
Urteil
Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. 1Tatbestand: 2Der Kläger begehrt von den Beklagten Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 00.00.0000 in H. 3Der Wagen des Klägers – so sein Vortrag, ein B mit dem amtlichen Kennzeichen …, war im Bereich der L-Straße/M-Straße gegen 01:00 Uhr an dem oben genannten Tag auf einem Parkplatz abgestellt. Die Parkbuchten verlaufen rechtwinklig zur Straße. Der Zeuge C befand sich als Fahrer in diesem Wagen. Der Beklagte zu 1) befuhr mit seinem Wagen, einem W mit dem amtlichen Kennzeichen …, der bei der Beklagten zu 2) versichert ist, die M-Straße in südlicher Richtung und bog nach rechts in die L-Straße ein, um dort auf dem Parkplatz zu parken. Sodann geriet er seitlich in die rechte Flanke des klägerischen Fahrzeugs. 4Die Polizei verwarnte den Beklagten zu 1). Dieser räumte vor Ort das Geschehen ein. Gegenüber der Beklagten zu 2) gab er im Rahmen der Schadensanzeige an, dass er die Kontrolle über seinen Wagen verloren habe und deshalb in das andere Auto gefahren sei. 5Der Kläger ließ den Schaden an seinem Fahrzeug begutachten. Der Sachverständige ermittelte Nettoreparaturkosten in Höhe von 9.719,31 €, einen Wiederbeschaffungswert in Höhe von 6.800,00 € sowie einen Restwert in Höhe von 1.000,00 € (brutto). Für die Wiederbeschaffungsdauer setzte der Gutachter 12 Kalendertage an bei einem Nutzungsausfall in Höhe von 74,00 €/Tag. Für die Begutachtung stellte er dem Kläger einen Betrag in Höhe von 949,62 € in Rechnung. Den Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten trat der Kläger am selben Tag an den Gutachter ab. 6Der Kläger veräußerte das Fahrzeug für 1.200,00 €. Er forderte die Beklagte zu 2) mit Fristsetzung bis zum 31.01.2019 erfolglos zur Regulierung auf. 7Der Kläger behauptet, dass er den Wagen am 15.09.2018 bei dem Zeugen L1 aus M1 zu einem Preis von 3.800 € erworben habe. Er habe sich von seiner Sozialhilfe über einen Zeitraum von zweieinhalb bis drei Jahren einen Betrag in Höhe von 4.500,00 € bis 4.800,00 € zusammengespart und hiervon den Kaufpreis in bar bezahlt. Der Wagen sei ihm an diesem Tag übergeben worden. Seinen alten Wagen habe er wegen des bestehenden Wasserverlusts und des dadurch bedingten Temperaturanstieges verkaufen wollen. Im Rahmen der mündlichen Anhörung vom 25.03.2021 behauptet er zunächst, dass ihm bezüglich des hier in Rede stehenden Wagens der Verkäufer mitgeteilt habe, dass der Wagen mangelbehaftet sei und Wasser verliere verbunden mit einem Temperaturanstieg – er den Wagen aber trotzdem so gekauft habe. In der erneuten mündlichen Anhörung vom 22.06.2021 behauptet er hingegen, dass ihn der Verkäufer zwar über die Reparaturbedürftigkeit des Wagens in formiert habe – nicht hingegen über den Wasserverlust gesprochen habe. 8Der Kläger beantragt, 9die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 6.726,00 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.02.2019 zu zahlen; 10die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihn von den Kosten des Gutachtens des B1, I-Straße …, … H1, vom 22.10.2018 über den Betrag von 949,62 €, Gutachten-Nr. … freizustellen 11die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten von 729,23 € freizustellen. 12Die Beklagten beantragen, 13die Klage abzuweisen. 14Die Beklagte zu 2) behauptet, der Unfall sei manipuliert. Hierfür spreche, dass die Haftungsfrage vermeintlich klar und eindeutig sei. Auch das sofortige Einräumen des Unfallgeschehens durch den Beklagten zu 1) gegenüber den Polizeibeamten spreche dafür. Überdies soll sich der Unfall zur Nachtzeit ereignet haben, einer Zeit, zu der üblicherweise nicht mit unbeteiligten Zeugen zu rechnen sei. Die Angaben des Beklagte zu 1) gegenüber der Beklagten zu 2), zu diesem Zeitpunkt einen Freund besuchen zu wollen, seien nicht überzeugend. Die Unfallschilderung als solche erfolge nur in groben Zügen, was ebenfalls für eine Manipulation spreche. Für eine Manipulation spreche zudem, dass der Wagen ins Ausland verkauft worden und damit eine Begutachtung unmöglich sei. Auf Seiten des Beklagten zu 1) sei auch ein „typisches“ Fahrzeug zum Einsatz gekommen mit einer Laufleistung von 256.000 km, welches nur 7 Wochen vor dem Unfallereignis bei der Beklagten zu 2) bei einer Selbstbeteiligung in Höhe von 300 € vollkaskoversichert worden sei. 15Das Gericht hat die Parteien persönlich angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen L1 und C sowie Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der persönlichen Anhörung, der Beweisaufnahme sowie des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 25.03. und 22.06.2021 sowie auf das Gutachten vom 14.03.2022 verwiesen. 16Entscheidungsgründe: 17Die Klage ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. 18Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 6.726,00 € gem. §§ 7, 18 StVG i.V.m. § 115 VVG, § 1 PflVG. 19Dabei scheitert der Anspruch nicht bereits an der von der Beklagten zu 2) bestrittenen Eigentümerstellung des Klägers bezüglich des geschädigten Pkw. Nach der persönlichen Anhörung des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 25.03.2021 sowie der Vernehmung des Zeugen L1 – ebenfalls am 25.03.2021 – ist das Gericht überzeugt davon, dass der Kläger an diesem Tag Eigentümer des Wagens geworden ist. Sowohl der Kläger als auch der Zeuge L1 haben im Wesentlichen übereinstimmend angegeben, dass der Kläger den Wagen bezahlt und sie zu diesem Zwecke gemeinsam nach H1 mit dem streitgegenständlichen Wagen gefahren sind. Soweit der Sohn des Klägers, der Zeuge C, an den Verhandlungen beteiligt gewesen ist und etwa Unterlagen ausgefüllt hat, hat der Kläger dies plausibel mit seiner fehlenden Kenntnis der deutschen (Schrift-)Sprache erklärt. 20Hingegen ist das Gericht unter Berücksichtigung der Angaben der Parteien im Rahmen der persönlichen Anhörung sowie der durchgeführten Beweisaufnahme in der Gesamtschau davon überzeugt, dass es sich bei dem in Rede stehenden Unfallereignis um einen „manipulierten Unfall“ handelt und somit keine Ersatzpflicht besteht. Für die Behauptung, dass sich der Unfall wie vorgetragen ereignet hat, trägt der Kläger die Beweislast. Bestehen Zweifel am Ablauf des behaupteten Geschehens, geht dies zu seinen Lasten (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 22.01.2016 – Az. 26 U 164/15 m.w.N.). Diesen Beweis ist dem Kläger nicht erbracht. 21Nach ständiger Rechtsprechung kann eine einverständliche Herbeiführung eines Unfalls aufgrund von Indizien festgestellt werden, die im Wege einer Gesamtschau zu überprüfen sind. Dabei geht es nicht um eine mathematisch genaue Sicherheit, es reicht vielmehr aus, wenn die vorliegenden Indizien in ihrer Gesamtschau nach der Lebenserfahrung den Schluss zulassen, dass der Unfall auf einer Verabredung beruht und der Geschädigte mit der Beschädigung seines Fahrzeugs einverstanden war. Dabei genügt ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, d.h. ein für einen vernünftigen, die Lebensverhältnisse klar überschauenden Menschen so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit, dass er Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie mathematisch lückenlos auszuschließen. Demnach ist eine Häufung der für eine Manipulation sprechenden Beweisanzeichen und Indizien geeignet, die Überzeugung des Gerichts zu begründen, ein gestellter Unfall liege vor (vgl. OLG Frankfurt NJW-RR 2007, 603 m.w.N.; OLG Hamm Urt. v. 22.03.2000 - 13 U 144/99, VersR 2001, 1127). 22Indizien, die für ein manipuliertes Unfallereignis sprechen, sind u.a., dass sich der Unfall in einer Verkehrssituation ereignet, bei der im Nachhinein kein Streit über die Haftungsfrage aufkommt – mithin eine klare Haftungslage zu Lasten des Schädigers besteht (vgl. KG Berlin, Beschl. v. 09.03.2011 – Az. 22 U 10/11). Ebenso kann das sofortige Einräumen des Unfallgeschehens und somit der Schadensverursachung ein Indiz für eine Manipulation darstellen (vgl. OLG Köln in R+S 2010, 192-194). Zudem spricht für ein manipuliertes Unfallereignis, wenn sich der Unfall zu einer Zeit ereignet, in der typischerweise nicht mit unbeteiligten Zeugen zu rechnen bzw. anderweitiger Verkehr zu erwarten ist (OLG Köln Urt. v. 22.06.2017 – Az. 8 U 19/16). Darüber hinaus ist eine grobe Schilderung des Unfalls ein Indiz dafür, dass sich der Unfall nicht in der vorgetragenen Weise abgespielt hat (vgl. OLG Hamm Beschl. v. 24.06.2016 – Az. 9 U 28/16). Schließlich ist ein gewichtiges Indiz für eine Unfallmanipulation, wenn sich die Schäden am Unfallfahrzeug technisch nicht mit den von den Parteien vorgetragenen verschiedenen Unfallversionen in Einklang bringen lassen (vgl. OLG Hamm aaO.). 23Insbesondere aufgrund der Angaben des Klägers zum Fahrzeugerwerb sowie Schilderung des Beklagten zu 1) hinsichtlich des Unfalls und des Ergebnisses der Begutachtung durch die Sachverständige ist das Gericht von der Manipulation des streitgegenständlichen Unfallereignisses überzeugt. 24Das Gericht ist nach der Anhörung des Klägers überzeugt davon, dass dieser den Wagen ausschließlich für den hier in Rede stehenden Unfall erworben hat. Im Rahmen seiner persönlichen Anhörung hat er den konkreten Fahrzeugerwerb nicht plausibel erläutern können. So hat er bei seiner persönlichen Anhörung am 21.03.2021 angegeben, dass er sich einen neuen Wagen habe kaufen wollen, weil sein altes Fahrzeug unter einem Wasserverlust leide, was zu einem Temperaturanstieg führe – mithin schädlich für das Fahrzeug ist. Der Verkäufer, der Zeuge L1, habe ihn während des Verkaufsgesprächs für den hiesigen Wagen darauf hingewiesen, dass dieser dasselbe Problem aufweise – nämlich Wasserverlust und dadurch bedingter Temperaturanstieg. Er – der Kläger – habe das Fahrzeug aber so gekauft. Aus Sicht des Gerichts und nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist es absolut nicht nachvollziehbar, einen neuen Wagen zu erwerben mit demselben Problem wie der alte, wenn man diesen – den alten – doch gerade deshalb verkaufen will – so der Kläger im Rahmen seiner Anhörung. 25Bei seiner erneuten Anhörung am 22.06.2021 hat der Kläger hingegen vorgetragen, dass ihn der Zeuge L1 doch nicht über den Wasserverlust aufgeklärt habe – jedoch über die Reparaturbedürftigkeit des Wagens. Auch diese Angaben des Klägers, die in eindeutigem und nicht näher begründetem Widerspruch zu seiner Darstellung bei dem ersten Verhandlungstermin stehen, sind aus Sicht des Gerichts nicht plausibel, um einen anderen Grund des Fahrzeugerwerbs zu erklären als die Verwendung für den hiesigen Unfall. In dem Verhandlungstermin vom 21.03.2021 hat der Kläger dargestellt, dass er sich einen Betrag in Höhe von 4.500,00 – 4.800,00 € über einen Zeitraum von zweieinhalb bis drei Jahren von seiner Sozialhilfe angespart und hiervon den Kaufpreis in Höhe von 3.800,00 € gezahlt haben will. Selbst wenn der Zeuge L1 den Kläger nicht über den Wasserverlust haben sollte, was dieser bei seiner Vernehmung sowohl hinsichtlich dieses Defekts als auch der weiteren Mängel bekundet hat, ist der Erwerb dieses Fahrzeugs unter Berücksichtigung der finanziellen Situation des Klägers nicht nachvollziehbar. Unterstellt, dass der alte Wagen lediglich an Wasserverlust gelitten hat, macht es wirtschaftlich überhaupt keinen Sinn, einen neuen Wagen mit erheblichen reparaturbedürftigen Mängel zu erwerben, deren Behebung in finanzieller Hinsicht überhaupt nicht realisierbar ist unter Zugrundlegung des Sozialhilfebezugs des Klägers. Das Gericht verkennt hierbei nicht, dass der Zeuge L1 auch ein erhebliches Eigeninteresse daran hat, eine Aufklärung des Klägers über vorliegende Mängel zu bekunden, um einer etwaigen Sachmängelhaftung zu entgehen. Es kann jedoch dahinstehen, ob der Zeuge L1 den Kläger umfassend aufgeklärt hat. Denn jedenfalls nach seinem eigenen Vortrag hat er ihn entweder über den Wasserverlust des Wagens aufgeklärt oder die Reparaturbedürftigkeit des Wagens, was zu keiner als der vom Gericht oben dargestellten Schlussfolgerung als Grund für den Fahrzeug führt. 26Weiteres Indiz für eine vorliegende Unfallmanipulation ist, dass sich der Unfall zur Nachtzeit ereignet hat – mithin keine anderen Zeugen vorhanden waren. Zudem ist der Beklagte zu 1) nach dem von dem Kläger vorgetragen Unfallhergang allein für diesen verantwortlich und trägt somit zu 100 % des entstandenen Schaden. Der Beklagte zu 1) hat das Unfallgeschehen vor Ort gegenüber der Polizei auch eingeräumt, was ebenfalls für die Manipulation spricht. Hinzu kommt, dass der Kläger den Wagen erst kurz vor dem Unfall angeschafft und der Beklagte zu 1) seinen Wagen erst kurze Zeit vor dem Unfallereignis bei der Beklagten zu 2) vollkaskoversichert hat. 27Schließlich ist das Gericht aufgrund des Gutachtens der Sachverständigen davon überzeugt, dass sich der Unfall nicht in der vorgetragenen Weise abgespielt hat – insbesondere der Beklagte zu 1) unrichtige Angaben zu dem Unfallhergang gemacht hat. Während dieser im Rahmen der Schadensmeldung gegenüber der Beklagten zu 2) angegeben, dass er die Kontrolle über seinen Wagen verloren habe, hat er bei seiner persönlichen Anhörung in der Verhandlung am 22.06.2021 hingegen behauptet, dass er sich mit einem Freund auf diesem Parkplatz verabredet und versucht habe, einzuparken. Das sich bereits auf dem Parkplatz befindlich Fahrzeug habe sich dann bewegt – er noch gebremst. Im weiteren Verlauf der Anhörung hat er angegeben, nicht mehr genau sagen zu können, ob sich der Wagen bewegt hat oder nicht. Abgesehen davon, dass der Beklagte zu 1) mit keinem Wort einen irgendwie gearteten Kontrollverlust über sein Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt dargestellt hat, hat die Sachverständige überzeugend und nachvollziehbar in ihrem Gutachten dargelegt, dass die durch das Unfallereignis an dem klägerischen Wagen entstandenen Schäden nicht mit dem von dem Beklagten zu 1) beschriebenen Einparkvorgang in Einklang zu bringen sind. Im Rahmen eines Einparkvorgangs seien – so die Sachverständige überzeugend – Schäden zu beobachten aufgrund eines Anstoß mit einer für das Einparken üblichen Geschwindigkeit von etwa 5 km/h. Die von ihr anhand der einzig zur Verfügung stehenden Fotos festgestellten und in sämtlichen Bereichen kompatiblen Schäden mit dem vorgetragenen Unfallereignis lassen jedoch einen Rückschluss auf eine Kollisionsgeschwindigkeit von etwa 20 km/h schließen, was nicht mit einem Einparkvorgang in Einklang zu bringen sei. 28Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aufgrund der Alternativbetrachtungen der Sachverständigen am Ende des Gutachtens unter Zugrundlegung des ursprünglich von dem Beklagten zu 1) gegenüber der Beklagten zu 2) vorgetragenen Kontrollverlustes. Abgesehen davon, dass der Beklagte zu 1) bereits bei der Schadensmeldung keinerlei konkrete Angaben über die Art des Kontrollverlust gemacht hat, wäre bei einem „bloßen“ Verlust der Kontrolle über das Lenkrad ebenfalls von eine dem Einparken typischen Geschwindigkeit in Höhe von 5 km/h auszugehen, die die Sachverständige hier gerade nicht festgestellt hat. Bezüglich der zweiten von der Sachverständigen angenommenen Variante zur Begründung der hohen Kollisionsgeschwindigkeit – nämlich der Verwechselung von Gas- und Bremspedal – fehlt es zum einen an einem entsprechenden Vortrag des Beklagten zu 1). Zum anderen hat er bei der persönlichen Anhörung ausdrücklich dargestellt, dass er noch „gebremst“ habe und somit gerade keine Verwechselung der beiden Pedale stattgefunden hat. Schließlich hat der Beklagte zu 1) auch nicht plausibel erklären können, aus welchem Grund er auf diesem Parkplatz gewesen ist. Wenngleich er angegeben hat, eine Freund besuchen und sich verabschieden zu wollen, folgt das Gericht diesen Angaben nicht. Im Rahmen seiner persönlichen Anhörung hat er dargestellt, dass er diesen Freund noch aus Kroatien kenne - beide gemeinsam zur Schule gegangen seien, und der Freund mangels Erwerbsaussicht wieder zurück nach Kroatien gehe und sich vorher von ihm verabschieden wolle. Zum einen ist es nicht nachvollziehbar, dass der Beklagte zu 1) abgesehen von dem Namen des nunmehr in Kroatien lebenden Freundes keinerlei Angaben zu dessen Adresse oder dem Standort der Wohnung machen konnte - er wisse es nicht. Wenn aber beide - den Beklagten zu 1) und den Freund - offenbar eine langjährige Freundschaft/ Bekanntschaft verbindet, ist es absolut nicht nachvollziehbar, warum der Beklagte zu 1) keine Kenntnis von der Adresse oder mindestens der Lage der Wohnung hat. Zum anderen hat der Beklagte zu 1) auch die Zeit des Treffens nicht nachvollziehbar darstellen können. Im Rahmen seiner Anhörung hat er angegeben, dass dieser Freund ihn abends gegen 08:00 Uhr angerufen habe und sich von ihm verabschieden wolle. Ein weiteres Mal habe der Freund etwa eine Stunde später angerufen. Er sei dann etwa um 10:30 Uhr (abends) losgefahren und benötige für die Strecke etwa eine halbe Stunde. Einen Grund dafür, warum er bereits um gegen 23:00 Uhr in der Gegend der späteren Unfallstelle gewesen sein muss - seine Angaben unterstellt, sich der Unfall unstreitig jedoch gegen 01:00 Uhr ereignet hat, hat er nicht erklären können und lässt aus Sicht des Gerichts nur den Schluss zu, dass der beklagte zu 1) gerade nicht verabredet gewesen und ausschließlich zur Herbeiführung des Unfalls zu der oben genannten Örtlichkeit gefahren ist. 29Die Entscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO. 30Der Streitwert wird auf bis 8.000,00 € festgesetzt.
die klage wird abgewiesen. die kosten des rechtsstreits trägt der kläger. das urteil ist vorläufig vollstreckbar. der kläger kann die vollstreckung durch die beklagten durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages abwenden, wenn nicht die beklagten vor der vollstreckung sicherheit in gleicher höhe leisten. 1
2der kläger begehrt von den beklagten schadensersatz aus einem verkehrsunfall vom 00.00.0000 in h. 3der wagen des klägers – so sein vortrag, ein b mit dem amtlichen kennzeichen …, war im bereich der l-straße/m-straße gegen 01:00 uhr an dem oben genannten tag auf einem parkplatz abgestellt. die parkbuchten verlaufen rechtwinklig zur straße. der zeuge c befand sich als fahrer in diesem wagen. der beklagte zu 1) befuhr mit seinem wagen, einem w mit dem amtlichen kennzeichen …, der bei der beklagten zu 2) versichert ist, die m-straße in südlicher richtung und bog nach rechts in die l-straße ein, um dort auf dem parkplatz zu parken. sodann geriet er seitlich in die rechte flanke des klägerischen fahrzeugs. 4die polizei verwarnte den beklagten zu 1). dieser räumte vor ort das geschehen ein. gegenüber der beklagten zu 2) gab er im rahmen der schadensanzeige an, dass er die kontrolle über seinen wagen verloren habe und deshalb in das andere auto gefahren sei. 5der kläger ließ den schaden an seinem fahrzeug begutachten. der sachverständige ermittelte nettoreparaturkosten in höhe von 9.719,31 €, einen wiederbeschaffungswert in höhe von 6.800,00 € sowie einen restwert in höhe von 1.000,00 € (brutto). für die wiederbeschaffungsdauer setzte der gutachter 12 kalendertage an bei einem nutzungsausfall in höhe von 74,00 €/tag. für die begutachtung stellte er dem kläger einen betrag in höhe von 949,62 € in rechnung. den anspruch auf erstattung der sachverständigenkosten trat der kläger am selben tag an den gutachter ab. 6der kläger veräußerte das fahrzeug für 1.200,00 €. er forderte die beklagte zu 2) mit fristsetzung bis zum 31.01.2019 erfolglos zur regulierung auf. 7der kläger behauptet, dass er den wagen am 15.09.2018 bei dem zeugen l1 aus m1 zu einem preis von 3.800 € erworben habe. er habe sich von seiner sozialhilfe über einen zeitraum von zweieinhalb bis drei jahren einen betrag in höhe von 4.500,00 € bis 4.800,00 € zusammengespart und hiervon den kaufpreis in bar bezahlt. der wagen sei ihm an diesem tag übergeben worden. seinen alten wagen habe er wegen des bestehenden wasserverlusts und des dadurch bedingten temperaturanstieges verkaufen wollen. im rahmen der mündlichen anhörung vom 25.03.2021 behauptet er zunächst, dass ihm bezüglich des hier in rede stehenden wagens der verkäufer mitgeteilt habe, dass der wagen mangelbehaftet sei und wasser verliere verbunden mit einem temperaturanstieg – er den wagen aber trotzdem so gekauft habe. in der erneuten mündlichen anhörung vom 22.06.2021 behauptet er hingegen, dass ihn der verkäufer zwar über die reparaturbedürftigkeit des wagens in formiert habe – nicht hingegen über den wasserverlust gesprochen habe. 8der kläger beantragt, 9die beklagten als gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 6.726,00 € nebst 5 % zinsen über dem basiszinssatz der ezb seit dem 01.02.2019 zu zahlen; 10die beklagten als gesamtschuldner zu verurteilen, ihn von den kosten des gutachtens des b1, i-straße …, … h1, vom 22.10.2018 über den betrag von 949,62 €, gutachten-nr. … freizustellen 11die beklagten werden als gesamtschuldner verurteilt, den kläger von vorgerichtlichen rechtsverfolgungskosten von 729,23 € freizustellen. 12die beklagten beantragen, 13die klage abzuweisen. 14die beklagte zu 2) behauptet, der unfall sei manipuliert. hierfür spreche, dass die haftungsfrage vermeintlich klar und eindeutig sei. auch das sofortige einräumen des unfallgeschehens durch den beklagten zu 1) gegenüber den polizeibeamten spreche dafür. überdies soll sich der unfall zur nachtzeit ereignet haben, einer zeit, zu der üblicherweise nicht mit unbeteiligten zeugen zu rechnen sei. die angaben des beklagte zu 1) gegenüber der beklagten zu 2), zu diesem zeitpunkt einen freund besuchen zu wollen, seien nicht überzeugend. die unfallschilderung als solche erfolge nur in groben zügen, was ebenfalls für eine manipulation spreche. für eine manipulation spreche zudem, dass der wagen ins ausland verkauft worden und damit eine begutachtung unmöglich sei. auf seiten des beklagten zu 1) sei auch ein „typisches“ fahrzeug zum einsatz gekommen mit einer laufleistung von 256.000 km, welches nur 7 wochen vor dem unfallereignis bei der beklagten zu 2) bei einer selbstbeteiligung in höhe von 300 € vollkaskoversichert worden sei. 15das gericht hat die parteien persönlich angehört und beweis erhoben durch vernehmung der zeugen l1 und c sowie einholung eines sachverständigengutachtens. wegen des ergebnisses der persönlichen anhörung, der beweisaufnahme sowie des weiteren sach- und streitstandes wird auf die protokolle der mündlichen verhandlung vom 25.03. und 22.06.2021 sowie auf das gutachten vom 14.03.2022 verwiesen. 16
17die klage ist zulässig, hat jedoch in der sache keinen erfolg. 18der kläger hat gegen die beklagten keinen anspruch auf schadensersatz in höhe von 6.726,00 € gem. §§ 7, 18 stvg i.v.m. § 115 vvg, § 1 pflvg. 19dabei scheitert der anspruch nicht bereits an der von der beklagten zu 2) bestrittenen eigentümerstellung des klägers bezüglich des geschädigten pkw. nach der persönlichen anhörung des klägers im rahmen der mündlichen verhandlung am 25.03.2021 sowie der vernehmung des zeugen l1 – ebenfalls am 25.03.2021 – ist das gericht überzeugt davon, dass der kläger an diesem tag eigentümer des wagens geworden ist. sowohl der kläger als auch der zeuge l1 haben im wesentlichen übereinstimmend angegeben, dass der kläger den wagen bezahlt und sie zu diesem zwecke gemeinsam nach h1 mit dem streitgegenständlichen wagen gefahren sind. soweit der sohn des klägers, der zeuge c, an den verhandlungen beteiligt gewesen ist und etwa unterlagen ausgefüllt hat, hat der kläger dies plausibel mit seiner fehlenden kenntnis der deutschen (schrift-)sprache erklärt. 20hingegen ist das gericht unter berücksichtigung der angaben der parteien im rahmen der persönlichen anhörung sowie der durchgeführten beweisaufnahme in der gesamtschau davon überzeugt, dass es sich bei dem in rede stehenden unfallereignis um einen „manipulierten unfall“ handelt und somit keine ersatzpflicht besteht. für die behauptung, dass sich der unfall wie vorgetragen ereignet hat, trägt der kläger die beweislast. bestehen zweifel am ablauf des behaupteten geschehens, geht dies zu seinen lasten (vgl. olg hamm, beschl. v. 22.01.2016 – az. 26 u 164/15 m.w.n.). diesen beweis ist dem kläger nicht erbracht. 21nach ständiger rechtsprechung kann eine einverständliche herbeiführung eines unfalls aufgrund von indizien festgestellt werden, die im wege einer gesamtschau zu überprüfen sind. dabei geht es nicht um eine mathematisch genaue sicherheit, es reicht vielmehr aus, wenn die vorliegenden indizien in ihrer gesamtschau nach der lebenserfahrung den schluss zulassen, dass der unfall auf einer verabredung beruht und der geschädigte mit der beschädigung seines fahrzeugs einverstanden war. dabei genügt ein für das praktische leben brauchbarer grad von gewissheit, d.h. ein für einen vernünftigen, die lebensverhältnisse klar überschauenden menschen so hoher grad von wahrscheinlichkeit, dass er zweifeln schweigen gebietet, ohne sie mathematisch lückenlos auszuschließen. demnach ist eine häufung der für eine manipulation sprechenden beweisanzeichen und indizien geeignet, die überzeugung des gerichts zu begründen, ein gestellter unfall liege vor (vgl. olg frankfurt njw-rr 2007, 603 m.w.n.; olg hamm urt. v. 22.03.2000 - 13 u 144/99, versr 2001, 1127). 22indizien, die für ein manipuliertes unfallereignis sprechen, sind u.a., dass sich der unfall in einer verkehrssituation ereignet, bei der im nachhinein kein streit über die haftungsfrage aufkommt – mithin eine klare haftungslage zu lasten des schädigers besteht (vgl. kg berlin, beschl. v. 09.03.2011 – az. 22 u 10/11). ebenso kann das sofortige einräumen des unfallgeschehens und somit der schadensverursachung ein indiz für eine manipulation darstellen (vgl. olg köln in r+s 2010, 192-194). zudem spricht für ein manipuliertes unfallereignis, wenn sich der unfall zu einer zeit ereignet, in der typischerweise nicht mit unbeteiligten zeugen zu rechnen bzw. anderweitiger verkehr zu erwarten ist (olg köln urt. v. 22.06.2017 – az. 8 u 19/16). darüber hinaus ist eine grobe schilderung des unfalls ein indiz dafür, dass sich der unfall nicht in der vorgetragenen weise abgespielt hat (vgl. olg hamm beschl. v. 24.06.2016 – az. 9 u 28/16). schließlich ist ein gewichtiges indiz für eine unfallmanipulation, wenn sich die schäden am unfallfahrzeug technisch nicht mit den von den parteien vorgetragenen verschiedenen unfallversionen in einklang bringen lassen (vgl. olg hamm aao.). 23insbesondere aufgrund der angaben des klägers zum fahrzeugerwerb sowie schilderung des beklagten zu 1) hinsichtlich des unfalls und des ergebnisses der begutachtung durch die sachverständige ist das gericht von der manipulation des streitgegenständlichen unfallereignisses überzeugt. 24das gericht ist nach der anhörung des klägers überzeugt davon, dass dieser den wagen ausschließlich für den hier in rede stehenden unfall erworben hat. im rahmen seiner persönlichen anhörung hat er den konkreten fahrzeugerwerb nicht plausibel erläutern können. so hat er bei seiner persönlichen anhörung am 21.03.2021 angegeben, dass er sich einen neuen wagen habe kaufen wollen, weil sein altes fahrzeug unter einem wasserverlust leide, was zu einem temperaturanstieg führe – mithin schädlich für das fahrzeug ist. der verkäufer, der zeuge l1, habe ihn während des verkaufsgesprächs für den hiesigen wagen darauf hingewiesen, dass dieser dasselbe problem aufweise – nämlich wasserverlust und dadurch bedingter temperaturanstieg. er – der kläger – habe das fahrzeug aber so gekauft. aus sicht des gerichts und nach der allgemeinen lebenserfahrung ist es absolut nicht nachvollziehbar, einen neuen wagen zu erwerben mit demselben problem wie der alte, wenn man diesen – den alten – doch gerade deshalb verkaufen will – so der kläger im rahmen seiner anhörung. 25bei seiner erneuten anhörung am 22.06.2021 hat der kläger hingegen vorgetragen, dass ihn der zeuge l1 doch nicht über den wasserverlust aufgeklärt habe – jedoch über die reparaturbedürftigkeit des wagens. auch diese angaben des klägers, die in eindeutigem und nicht näher begründetem widerspruch zu seiner darstellung bei dem ersten verhandlungstermin stehen, sind aus sicht des gerichts nicht plausibel, um einen anderen grund des fahrzeugerwerbs zu erklären als die verwendung für den hiesigen unfall. in dem verhandlungstermin vom 21.03.2021 hat der kläger dargestellt, dass er sich einen betrag in höhe von 4.500,00 – 4.800,00 € über einen zeitraum von zweieinhalb bis drei jahren von seiner sozialhilfe angespart und hiervon den kaufpreis in höhe von 3.800,00 € gezahlt haben will. selbst wenn der zeuge l1 den kläger nicht über den wasserverlust haben sollte, was dieser bei seiner vernehmung sowohl hinsichtlich dieses defekts als auch der weiteren mängel bekundet hat, ist der erwerb dieses fahrzeugs unter berücksichtigung der finanziellen situation des klägers nicht nachvollziehbar. unterstellt, dass der alte wagen lediglich an wasserverlust gelitten hat, macht es wirtschaftlich überhaupt keinen sinn, einen neuen wagen mit erheblichen reparaturbedürftigen mängel zu erwerben, deren behebung in finanzieller hinsicht überhaupt nicht realisierbar ist unter zugrundlegung des sozialhilfebezugs des klägers. das gericht verkennt hierbei nicht, dass der zeuge l1 auch ein erhebliches eigeninteresse daran hat, eine aufklärung des klägers über vorliegende mängel zu bekunden, um einer etwaigen sachmängelhaftung zu entgehen. es kann jedoch dahinstehen, ob der zeuge l1 den kläger umfassend aufgeklärt hat. denn jedenfalls nach seinem eigenen vortrag hat er ihn entweder über den wasserverlust des wagens aufgeklärt oder die reparaturbedürftigkeit des wagens, was zu keiner als der vom gericht oben dargestellten schlussfolgerung als grund für den fahrzeug führt. 26weiteres indiz für eine vorliegende unfallmanipulation ist, dass sich der unfall zur nachtzeit ereignet hat – mithin keine anderen zeugen vorhanden waren. zudem ist der beklagte zu 1) nach dem von dem kläger vorgetragen unfallhergang allein für diesen verantwortlich und trägt somit zu 100 % des entstandenen schaden. der beklagte zu 1) hat das unfallgeschehen vor ort gegenüber der polizei auch eingeräumt, was ebenfalls für die manipulation spricht. hinzu kommt, dass der kläger den wagen erst kurz vor dem unfall angeschafft und der beklagte zu 1) seinen wagen erst kurze zeit vor dem unfallereignis bei der beklagten zu 2) vollkaskoversichert hat. 27schließlich ist das gericht aufgrund des gutachtens der sachverständigen davon überzeugt, dass sich der unfall nicht in der vorgetragenen weise abgespielt hat – insbesondere der beklagte zu 1) unrichtige angaben zu dem unfallhergang gemacht hat. während dieser im rahmen der schadensmeldung gegenüber der beklagten zu 2) angegeben, dass er die kontrolle über seinen wagen verloren habe, hat er bei seiner persönlichen anhörung in der verhandlung am 22.06.2021 hingegen behauptet, dass er sich mit einem freund auf diesem parkplatz verabredet und versucht habe, einzuparken. das sich bereits auf dem parkplatz befindlich fahrzeug habe sich dann bewegt – er noch gebremst. im weiteren verlauf der anhörung hat er angegeben, nicht mehr genau sagen zu können, ob sich der wagen bewegt hat oder nicht. abgesehen davon, dass der beklagte zu 1) mit keinem wort einen irgendwie gearteten kontrollverlust über sein fahrzeug zu diesem zeitpunkt dargestellt hat, hat die sachverständige überzeugend und nachvollziehbar in ihrem gutachten dargelegt, dass die durch das unfallereignis an dem klägerischen wagen entstandenen schäden nicht mit dem von dem beklagten zu 1) beschriebenen einparkvorgang in einklang zu bringen sind. im rahmen eines einparkvorgangs seien – so die sachverständige überzeugend – schäden zu beobachten aufgrund eines anstoß mit einer für das einparken üblichen geschwindigkeit von etwa 5 km/h. die von ihr anhand der einzig zur verfügung stehenden fotos festgestellten und in sämtlichen bereichen kompatiblen schäden mit dem vorgetragenen unfallereignis lassen jedoch einen rückschluss auf eine kollisionsgeschwindigkeit von etwa 20 km/h schließen, was nicht mit einem einparkvorgang in einklang zu bringen sei. 28eine andere beurteilung ergibt sich auch nicht aufgrund der alternativbetrachtungen der sachverständigen am ende des gutachtens unter zugrundlegung des ursprünglich von dem beklagten zu 1) gegenüber der beklagten zu 2) vorgetragenen kontrollverlustes. abgesehen davon, dass der beklagte zu 1) bereits bei der schadensmeldung keinerlei konkrete angaben über die art des kontrollverlust gemacht hat, wäre bei einem „bloßen“ verlust der kontrolle über das lenkrad ebenfalls von eine dem einparken typischen geschwindigkeit in höhe von 5 km/h auszugehen, die die sachverständige hier gerade nicht festgestellt hat. bezüglich der zweiten von der sachverständigen angenommenen variante zur begründung der hohen kollisionsgeschwindigkeit – nämlich der verwechselung von gas- und bremspedal – fehlt es zum einen an einem entsprechenden vortrag des beklagten zu 1). zum anderen hat er bei der persönlichen anhörung ausdrücklich dargestellt, dass er noch „gebremst“ habe und somit gerade keine verwechselung der beiden pedale stattgefunden hat. schließlich hat der beklagte zu 1) auch nicht plausibel erklären können, aus welchem grund er auf diesem parkplatz gewesen ist. wenngleich er angegeben hat, eine freund besuchen und sich verabschieden zu wollen, folgt das gericht diesen angaben nicht. im rahmen seiner persönlichen anhörung hat er dargestellt, dass er diesen freund noch aus kroatien kenne - beide gemeinsam zur schule gegangen seien, und der freund mangels erwerbsaussicht wieder zurück nach kroatien gehe und sich vorher von ihm verabschieden wolle. zum einen ist es nicht nachvollziehbar, dass der beklagte zu 1) abgesehen von dem namen des nunmehr in kroatien lebenden freundes keinerlei angaben zu dessen adresse oder dem standort der wohnung machen konnte - er wisse es nicht. wenn aber beide - den beklagten zu 1) und den freund - offenbar eine langjährige freundschaft/ bekanntschaft verbindet, ist es absolut nicht nachvollziehbar, warum der beklagte zu 1) keine kenntnis von der adresse oder mindestens der lage der wohnung hat. zum anderen hat der beklagte zu 1) auch die zeit des treffens nicht nachvollziehbar darstellen können. im rahmen seiner anhörung hat er angegeben, dass dieser freund ihn abends gegen 08:00 uhr angerufen habe und sich von ihm verabschieden wolle. ein weiteres mal habe der freund etwa eine stunde später angerufen. er sei dann etwa um 10:30 uhr (abends) losgefahren und benötige für die strecke etwa eine halbe stunde. einen grund dafür, warum er bereits um gegen 23:00 uhr in der gegend der späteren unfallstelle gewesen sein muss - seine angaben unterstellt, sich der unfall unstreitig jedoch gegen 01:00 uhr ereignet hat, hat er nicht erklären können und lässt aus sicht des gerichts nur den schluss zu, dass der beklagte zu 1) gerade nicht verabredet gewesen und ausschließlich zur herbeiführung des unfalls zu der oben genannten örtlichkeit gefahren ist. 29die entscheidungen über die kosten und die vorläufige vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 91 abs. 1, 708 nr. 11, 711 zpo. 30der streitwert wird auf bis 8.000,00 € festgesetzt.
346,625
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6 K 4791/20
2022-08-16T00:00:00
Urteil
Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen trägt die Klägerin. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Die Klägerin ist Eigentümerin der Grundstücke Im T. …/… (H. H1. , G. …, G1. …, …, …, …, …, …, …) in E. . Die insgesamt mehrere Hektar großen Grundstücke, an die sich im T1. die Autobahn A 2 und im P. der E. -F. -Kanal anschließen, sind mit mehreren größeren Hallen und Silos sowie einem Bürogebäude bebaut. Darüber hinaus verfügen sie über große befestigte Freiflächen, die unter anderem zum Abstellen und Rangieren von Sattelzügen genutzt werden. Für diese sind eine zentrale Einfahrt zwischen den beiden Gebäudekomplexen und eine zentrale Ausfahrt im nordöstlichen Bereich – jeweils mit Fahrzeugwaage – vorhanden. Die Grundstücke werden seit Jahrzehnten von der mit der Klägerin verbundenen G2. . H2. GmbH & Co KG genutzt, die hier eine Produktionsstätte von und einen Großhandel mit Baustoffen betreibt und über ca. vierzig eigene Sattelzüge verfügt. Etwa 30% des Transportvolumens werden zudem durch fremde Lkw abgewickelt. Auch der nordöstlich der genannten Grundstücke befindliche „Hafen H1. “ wird von der G2. . H2. GmbH und Co KG als Pächterin genutzt. 3Der Beigeladene ist Eigentümer der Grundstücke Im T. …(H. H1. , G. …, G1. …, …). Auf diesen – durch eine Vereinigungsbaulast verbundenen – Grundstücken steht eine Halle auf, die teilweise als Fitnessstudio, teilweise als Lager eines Versandhandels für Fitnessgeräte (I. T2. G3. GmbH) genutzt wird. Während sich auf der Westseite der Halle die Stellplätze und der Eingang zum Fitnessstudio befinden, verfügt die östliche Außenwand des Gebäudes über ein Tor, das der Anlieferung des mit Hochregalen ausgestatteten Lagerbereichs dient. Davor befindet sich eine rund 500 qm große befestigte Fläche. 4Die genannten Grundstücke der Beteiligten sind über die in diesem Bereich etwa dreieinhalb bis fünf Meter breite Straße „Im T. “ an die nordwestlich verlaufende Straße „L. “ angebunden. Die Straße „Im T. “ setzt sich südöstlich der Grundstücke der Klägerin fort, hat hier allerdings einen noch geringeren Querschnitt und Ausbauzustand. 5Ein Bebauungsplan existiert für den fraglichen Bereich nicht; der Flächennutzungsplan stellt „gewerbliche Baufläche“ dar. 6Weitere Einzelheiten sind dem nachfolgenden Kartenausschnitt zu entnehmen: 7In der Oroiginalentschediung befindet sich hier eine Skizze. 8Die auf dem Grundstück des Beigeladenen aufstehende Halle wurde auf der Grundlage einer Baugenehmigung vom 11. August 1994 („Errichtung einer Badmintonhalle mit Sauna, Cafeteria und Nebenräumen“) errichtet. Mit Bescheid vom 14. Okober 2006 wurden der Umbau der Halle zu einem „Sport- und Gesundheitszentrum“ und die teilweise Nutzungsänderung der Badmintonfläche in „Umkleide- und Fitnessbereich“ genehmigt. Eine weitere Änderungsgenehmigung vom 7. September 2012 betraf Änderungen der einzelnen Sportflächen; die Nutzung des Obergeschosses wurde offenbar vorläufig aufgegeben. 9Im November 2015 stellte der Beigeladene bei der Beklagten einen Bauantrag für die Nutzungsänderung von Teilen des Erdgeschosses der Halle zur Lagerfläche und für die Aktivierung der Obergeschossfläche der Halle. Zur Erläuterung führte er aus, Teile des Erdgeschosses sollten künftig als Lager genutzt werden; der entsprechende Teil des Sportstudios ziehe in das Obergeschoss. In dem Lager sollten Messebaumaterialien und Schuhe untergebracht werden. Die Ein-/Auslagerung der Schuhe erfolge ca. zweimal am Tag; diejenige der Messebaumaterialien ca. viermal im Jahr. ( Angaben zur Art der Fahrzeuge wurden nicht gemacht). Unter dem 14. März 2017 wurde die Baugenehmigung (61/5-2-042803) antragsgemäß erteilt. Für den 10. Dezember 2019 zeigte der Beigeladene die abschließende Fertigstellung des Bauvorhabes an. 10Am 19. Dezember 2019 sprach ein von der Klägerin beauftragter Rechtsanwalt bei der Bauaufsichtsbehörde vor und erklärte, auf dem östlichen Ende des Grundstücks des Beigeladenen verkehrten vermehrt Sattelschlepper, die teilweise auf dem Betriebsgrundstück der H2. wendeten oder hielten. Unter dem 21. Januar 2020 wandte der betreffende Rechtsanwalt sich noch einmal schriftlich an die Behörde, konkretisierte seinen Vortrag betreffend die Verkehrsprobleme und forderte ein behördliches Einschreiten, namentlich die Untersagung der Anfahrt des Nachbargrundstücks mit Schwerlastverkehr. Mit E-Mail vom 27. Januar 2020 ergänzte der Geschäftsführer der H2. GmbH & Co KG diesen Vortrag und erklärte, die Zustände seien unhaltbar; sie beeinträchtigten den Betrieb der H2. und gefährdeten die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer. Da die Fläche östlich der Halle des Beigeladenen begrenzt sei, benötigten die Fahrer oftmals mehrere Minuten, um ihre Sattelschlepper auf das Grundstück zu fahren; währenddessen sei die Straße „Im T. “ blockiert. Die Fahrzeuge hielten teilweise auf dem Betriebsgrundstück der H2. , insbesondere wenn die Anlieferungsfläche des Beigeladenen noch durch andere LKW belegt sei. Der Beigeladene erklärte in einer E-Mail an die Behörde vom 30. Januar 2020, er sei mit dem Nachbarn und mehreren Ämtern im Gespräch, um eine Lösung, etwa durch Erweiterung der Zufahrt, zu finden. 11Im Februar 2020 teilte der Architekt des Beigeladenen der Beklagten mit, es gebe „zum Nutzungsänderungsantrag […] einen neuen Mieter“, es handele sich nun um das Lager eines Handels mit Fitnessgeräten. In einer zugleich vorgelegten neuen Betriebsbeschreibung wurde die Betriebszeit mit „werktags 6 bis 19 Uhr“ und der Lieferverkehr pro Tag mit „1 x 40 to LKW, 4 x 20 to LKW, 5 x 3,5 to LKW“ angegeben. Die Beklagte legte diese Mitteilung als Antrag auf Nachtragsgenehmigung aus und forderte in der Folgezeit mehrfach Unterlagen nach. Unter dem 5. Mai 2020 forderte sie den Beigeladenen im Rahmen einer „Mängelmitteilung“ unter anderem auf, einen qualifizierten Lageplan mit Darstellung der geplanten Grundstückszufahrt und der für die Anlieferung mit 20- und 40-Tonnern erforderlichen Schleppkurven vorzulegen. 12Der Beigeladene bemühte sich parallel um die Zustimmung der Behörden, namentlich der unteren Wasserbehörde, zur Verbreiterung der Einfahrt auf die in Rede stehende Anlieferungsfläche. Die untere Wasserbehörde erteilte im Oktober 2020 eine Plangenehmigung für die Verrohrung des im Bereich der geplanten Zufahrtsverbreiterung verlaufenden „T3.------grabens “ (gegen Freilegung dieses Gewässers an anderer Stelle). Schließlich legte der Beigeladene der Bauaufsichtsbehörde einen Lageplan vor, in dem die um sieben auf 21,3 m verbreiterte Einfahrt dargestellt ist. 13Unter dem 12. Januar 2021 erteilte die Beklagte eine „Nachtragsgenehmigung“ für das geänderte Vorhaben des Beigeladenen. 14Bereits am 15. Dezember 2020 hat die Klägerin Klage gegen die Baugenehmigung vom 14. März 2017 erhoben, die sie am 28. Januar 2021 auf die vorgenannte Nachtragsgenehmigung erstreckt hat. 15Am 30. April 2021 hat die Klägerin unter Hinweis auf aus ihrer Sicht unzumutbare Zustände im Zusammenhang mit dem Anlieferungsverkehr einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt (6 L 619/21). In diesem Verfahren hat der Berichterstatter am 13. September 2021 einen Ortstermin durchgeführt und angeregt, die Anlieferung im östlichen Bereich der Halle des Beigeladenen im Rahmen einer Nachtrags- bzw. Änderungsgenehmigung durch konkretisierende Nebenbestimmungen klarer zu regeln und zu untersuchen, ob ein Anfahren der fraglichen Anlieferungsfläche mit Gliederzügen überhaupt möglich ist. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist später zurückgenommen worden. 16Am 1. Oktober 2021 hat der Beigeladene einen entsprechenden Antrag auf Erteilung einer Nachtragsgenehmigung gestellt. Diese ist unter dem 25. Januar 2022 von der Beklagten erteilt worden. Mit der Nachtragsgenehmigung ist eine durch den Beigeladenen erstellte „Erläuterung zur Steuerung der verkehrlichen Anlieferung und Abholung von Waren und Gütern“ zum zwingenden Bestandteil der Baugenehmigung gemacht worden. Dieses Konzept sieht vor, dass vier konkrete Flächen als Abstellflächen zum Entladen der verschiedenen Fahrzeuge auf dem Grundstück markiert und für die Anlieferung vorgegeben werden. In einer Neufassung der Betriebsbeschreibung ist die Betriebszeit nun mit „werktags 6 bis 22 Uhr“ angegeben und der Lieferverkehr ist wie folgt konkretisiert: „pro Tag ca.: 2 x 18,74m LKW / 4 x 16,5m LKW / 3 x 8,90m LKW / 1 x 7,50m LKW“. Schleppkurven, die den Fahrweg zu den beiden größeren Abstellflächen darstellen, sind durch Grünstempelung zum Bestandteil der Baugenehmigung gemacht worden. 17Nachdem die Klägerin in der Folgezeit Kritik an der erteilten Nachtragsbaugenehmigung geübt hatte, hat die Beklagte unter dem 7. Juni 2022 eine weitere Nachtragsgenehmigung erteilt. Deren Gegenstand ist eine erneute Neufassung der Betriebsbeschreibung, in welcher das „ca.“ vor der Angabe der verschiedenen Lieferfahrzeuge entfernt worden ist. Zudem sind einige Schleppkurvenpläne nochmals geringfügig korrigiert worden. 18Die Klägerin hält an ihrer Klage auch in Ansehung der erteilten Nachtragsgenehmigungen fest und trägt vor: 19Bei der Genehmigung vom 12. Januar 2021 handele es sich nicht um eine „Nachtragsgenehmigung“, sondern um eine selbständige Baugenehmigung, die ein „aliud“ zum Gegenstand habe. Der von der neuen Genehmigung erfasste Fahrzeugverkehr habe völlig andere Dimensionen als der ursprünglich angegebene. Schon deshalb werfe die Änderung die Frage der Genehmigungsfähigkeit neu auf. Zudem seien auch umfangreiche Änderungen im Gebäudeinneren vorgenommen worden. 20Die dem Beigeladenen genehmigte Nutzung sei rücksichtslos und damit rechtswidrig. Die Erschließungssituation verschlechtere sich in für sie unzumutbarer Weise. 21Ihr Betriebsgelände könne nur über die schmale, einspurige Straße Im T. angefahren werden. Sie sei auf die uneingeschränkte Nutzbarkeit dieser Straße angewiesen, da sie die Baumaterialien überwiegend „just in time“ auf den Baustellen anliefern müsse und Verzögerungen zu Vertragsstrafen führten. 22Seit Dezember 2019 komme es regelmäßig zu Problemen im Zusammenhang mit der Nutzung der Straße Im T. . Große Lkw (Sattelschlepper und Gliederzüge) könnten die Anlieferungsfläche des Beigeladenen nicht anfahren, ohne die öffentliche Straße zu blockieren und ihr Grundstück in Anspruch zu nehmen. Denn die zum Rangieren vorhandene Fläche sei vor allem bei größeren Sattel- und Gliederzügen zu klein, zumal es keine Wendemöglichkeit gebe. Wenn diese Fahrzeuge mit der Rückseite an das im vorderen Drittel der Halle befindliche Tor heranführen, stünden sie mit dem Führerhaus auf der öffentlichen Straße. Die Anlieferungsfläche sei in der Vergangenheit außerdem zeitweise mit Containern vollgestellt gewesen. Werde ein Lkw entladen, müsse ein zweiter auf der Straße warten und versperre diese, da es keine Wartemöglichkeit gebe. Gegenüber der Einfahrt zum Betriebsgrundstück der H2. sei die öffentliche Verkehrsfläche überdies ein wenig aufgeweitet; diese Aufweitung benötigtenbenötigten ihre Fahrzeuge, um zwischen ihrer Einfahrt und der Zufahrt am Hafen zu pendeln. Auch diese Aufweitung werde durch anliefernde Lkw blockiert. Zudem gehe von den Blockaden eine erhebliche Gefahr für unbeteiligte Verkehrsteilnehmer wie Radfahrer und andere Anlieger aus. 23Es sei ihr nicht zuzumuten, ihr eigenes wohldurchdachtes Verkehrskonzept mit einer einzigen, überwachten Zufahrt wegen des verkehrsordnungswidrigen Verhaltens des Nachbarbetriebes zu verändern. Ebenso wenig sei ihr zuzumuten, mittels täglich neuer zivilrechtlicher Verfahren gegen fremde, häufig ausländische Fahrer ihre Rechte durchzusetzen. Vielmehr habe der Beigeladene den Betrieb durch ein realistisches Anlieferungskonzept so zu organisieren, dass ihr Grundstück und die Befahrbarkeit der öffentlichen Erschließungsstraße nicht belastet würden. 24Die im Januar und Juni 2022 erteilten Nachtragsgenehmigungen änderten ändertenan den Problemen nichts. Denn die dargestellten Schleppkurven seien fahrerisch unrealistisch. Der Stellplatz P3 könne zudem nicht unabhängig von den Schleppkurven der Lkw benutzt werden. Ob er in der zweiten Nachtragsgenehmigung überhaupt noch vorgesehen sei, sei unklar; insoweit seien die beiden Nachtragsgenehmigungen widersprüchlich. Ferner könnten die Fahrzeuge in den vorgesehenen Abstellpositionen gar nicht entladen werden, wenn eine Entladung fahrzeug- oder ladegutbedingt nur zur Seite möglich sei. Außerdem ändertänderten en die vorgesehenen Abstellpositionen nichts daran, dass wartende Lkw die öffentliche Verkehrsfläche blockieren würden, wenn die Anlieferungsfläche besetzt sei. Die vorgesehene Warteposition auf der öffentlichen Verkehrsfläche im Bereich der Einfahrt sei nicht akzeptabel. Auch sei in dem vorliegenden Konzept nicht festgelegt, wann und für wie lange welche Fahrzeuge die Fläche anfahren. Es sei nicht einmal klar, ob es sich bei den in der Betriebsbeschreibung angegebenen Fahrzeugzahlen um Maximal- oder Durchschnittsangaben handele. Die Anzahl der das Grundstück anfahrenden kleineren Fahrzeuge sei ohnehin nicht limitiert, was ebenfalls problematisch sei. Es sei auch nicht vorgegeben, dass die Stellplätze nicht als Lagerfläche benutzt werden dürften. Angezeigt sei, dass eine einzige ausreichend dimensionierte Abstellfläche auf dem Grundstück des Beigeladenen festgelegt und durch entsprechende Organisationsmaßnahmen Sorge dafür getragen werde, dass weitere Lkw nicht in die Straße Im T. einfahren, solange die Entladefläche blockiert sei. 25Die Klägerin hat zahlreiche Fotos sowie die Stellungnahme eines Ingenieurbüros vorgelegt, um die Probleme im Zusammenhang mit der Anlieferung zu belegen. 26Die Klägerin beantragt, 27die Nutzungsänderungsgenehmigung vom 12. Januar 2021 in der Fassung der Nachtragsgenehmigungen vom 25. Januar 2022 und 7. Juni 2022 aufzuheben. 28Die Beklagte beantragt, 29die Klage abzuweisen. 30Sie meint, die Klage sei unbegründet. Das Erfordernis einer gesicherten Erschließung sei nicht nachbarschützend. Zudem bestünden aus Sicht der Straßenverwaltung keine Bedenken gegen das Vorhaben. Die Schleppkurven seien aus Sicht ihres Tiefbauamtes ausreichend. Dass die vier Stellplätze unabhängig voneinander angefahren werden können, sei nicht erforderlich, da es um die Belieferung eines einzigen Betriebes gehe, die entsprechend abgestimmt werden könne. Die Straßenverkehrsordnung enthalte kein Verbot des Rangierens auf öffentlichen Verkehrsflächen. Rangiervorgänge gehörten würden vielmehr zum üblichen und erwartbaren Verkehrsgeschehengehören . Jeder habe sich im Straßenverkehr so zu verhalten, dass andere nicht geschädigt, gefährdet oder belästigt würden. Dass der öffentliche Verkehr nicht immer ganz reibungslos und störungsfrei laufe, sei heutzutage nicht ungewöhnlich und hinzunehmen. Auch mit dem durch die Nachtragsgenehmigungen zugelassenen Verkehr sei das Bauvorhaben durch die Straße Im T. ausreichend erschlossen. Eine das Rücksichtnahmegebot verletzende Überlastung der Straße sei nicht gegeben. Dass die Straße bislang praktisch exklusiv durch die Klägerin genutzt worden sei, führe zu keinem anderen Ergebnis, denn darauf bestehe kein Anspruch. Die Klägerin verfüge im Übrigen über drei voneinander unabhängige Zufahrten auf ihr Grundstück. 31Der Beigeladene stellt keinen Antrag. 32Er trägt vor, die Situation habe sich durch die von ihm vorgenommene Verbreiterung der Zufahrt deutlich verbessert. Die Verteilung der Fahrzeugankünfte werde systematisch durch seine Mieterin gesteuert. Wegen der Unberechenbarkeit der Verkehrsverhältnisse und der Abfertigung in den Häfen gebe es aber keine Garantie für eine bestimmte Ankunftszeit. Dass zwei große Fahrzeuge gleichzeitig die Halle anführen, sei selten. Es sei im Übrigen normal, dass es ab und zu zu wechselseitigen Engpässen im öffentlichen Verkehrsraum kommen könne. Auch von Fahrzeugen, die das Betriebsgelände der H2. anführen, gingen manchmal Störungen des Verkehrs auf der öffentlichen Straße und ihres Betriebsgrundstücks aus, z.B. weil die Lastzüge vor dem geschlossenen Tor warteten oder Fahrer die Straße Im T. trotz absoluten Halteverbots zum Übernachten nutzten. 33Auch der Beigeladene hat Fotos vorgelegt, um die zuletzt genannten Umstände zu belegen. 34Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden und des Eilverfahrens (6 L 619/21) sowie auf den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen. 35Entscheidungsgründe: 36Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. 371. 38Die Klage ist mit dem gestellten Antrag zulässig. 39Dass die Klägerin sich isoliert gegen die als „Nachtragsgenehmigung“ bezeichnete Baugenehmigung vom 12. Januar 2021 (in der Fassung der beiden inzwischen erteilten Nachträge) wendet, begegnet keinen Bedenken, weil es sich bei dieser Genehmigung nicht um eine Nachtragsgenehmigung im Sinne einer unselbständigen Ergänzung der Ausgangsbaugenehmigung aus dem Jahre 2017, sondern um eine selbständige Baugenehmigung handelt, die ein anderes als das ursprünglich genehmigte Vorhaben („aliud“) zum Gegenstand hat. 40Mit einer Nachtragsgenehmigung werden (nur) kleinere, modifizierende Änderungen eines bereits genehmigten Vorhabens zugelassen, die das Gesamtvorhaben in seinen Grundzügen nicht wesentlich berühren und in seinem Wesen nicht verändern. Demgegenüber liegt ein „aliud“ vor, wenn sich das neue Vorhaben in Bezug auf baurechtlich relevante Kriterien von dem ursprünglich genehmigten unterscheidet. Ein solcher relevanter Unterschied zwischen dem genehmigten und dem abgewandelten Bauvorhaben ist immer schon dann anzunehmen, wenn sich für das abgewandelte Vorhaben die Frage der Genehmigungsfähigkeit wegen geänderter tatsächlicher oder rechtlicher Voraussetzungen insgesamt neu stellt, also eine erneute Überprüfung der materiellen Zulassungskriterien erforderlich ist. 41Vgl. etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 4. Mai 2004 - 10 A 1476/04 -, juris (Rn. 7), und vom 13. Dezember 2012 - 2 B 1250/12 -, juris (Rn. 15); Hüwelmeier, in: BeckOK BauordnungsR NRW, 11. Edition 2022, § 74 Rn. 95 m.w.N. 42Vorliegend war mit der Ausgangsbaugenehmigung vom 14. März 2017 ein Vorhaben genehmigt worden, bei dem die Nutzung der Halle des Beigeladenen als Fitnessstudio weiterhin im Vordergrund stand und lediglich die Nutzung eines Teils des Erdgeschosses als Lagerfläche (für Messebaumaterialien und Schuhe) hinzukam. Insoweit war nur ein überschaubarer Lieferverkehr zu erwarten. Art und Umfang des Fahrzeugverkehrs waren zwar nicht konkret festgeschrieben. Da die „Messebaumaterialien“ lediglich viermal im Jahr an- oder abtransportiert werden sollten, Schuhe ein begrenztes Ladevolumen haben und sich bei einer Betriebszeit von 8 bis 17 Uhr und einer Besetzung mit einem einzigen Beschäftigten faktische Grenzen ergeben, konnte aber kein übermäßiger Lagergutumschlag mit entsprechendem Lastwagenverkehr erwartet werden. Dem gegenüber ist die Lagerfläche in den Bauvorlagen zur Genehmigung vom 12. Januar 2021 nochmals vergrößert worden und es findet ein Versandhandel (mit Fitnessgeräten) statt, der erheblichen Lieferverkehr – auch mit teilweise großen Lkw – mit sich bringt. Die Betriebsbeschreibung zur Baugenehmigung vom 12. Januar 2021 nennt eine Betriebszeit von 6 bis 19 Uhr und eine Zahl von vier Beschäftigten (im Nachtrag von Juni 2022 erweitert auf 6 bis 22 Uhr und zehn Beschäftigte). Dies geht über eine kleine, modifizierende Änderung hinaus und wirft die Frage nach der Zulässigkeit der Nutzung – auch im Verhältnis zu dem Nachbarbetrieb – neu auf. 43Die hinsichtlich der Baugenehmigung vom 12. Januar 2021 in Lauf gesetzte Klagefrist hat die Klägerin gewahrt, indem sie den Bescheid fristgerecht in das vorliegende Klageverfahren einbezogen hat. 442. 45Die Klage ist indes unbegründet. 46Die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 12. Januar 2021 in der Fassung der Nachträge vom 25. Januar und vom 7. Juni 2022 sowie der Modifikationen in der mündlichen Verhandlung ist hinsichtlich nachbarschützender Vorschriften rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). 47Ein Nachbar kann nur dann erfolgreich gegen die einem Dritten erteilte Baugenehmigung vorgehen, wenn diese gegen nachbarschützende Vorschriften des öffentlichen Bauplanungs- oder Bauordnungsrechts verstößt und eine Befreiung von diesen Vorschriften nicht vorliegt oder unter Berücksichtigung nachbarlicher Belange nicht hätte erteilt werden dürfen. Ob das Vorhaben objektiv, d. h. hinsichtlich derjenigen Vorschriften, die nicht nachbarschützend sind, rechtmäßig ist, ist dagegen im Nachbarverfahren unerheblich. 48Vorliegend stellen sich ausschließlich Fragen, die mit dem durch das Bauvorhaben hervorgerufenen Kraftfahrzeugverkehr zusammenhängen. Sonstige im Nachbarstreit relevante Punkte, welche die Rechtmäßigkeit der erteilten Baugenehmigung in Frage stellen könnten, sind weder vorgetragen worden noch ersichtlich. 49Ob die in § 34 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB) enthaltene Voraussetzung einer gesicherten bauplanungsrechtlichen Erschließung und die in § 4 Abs. 1 Bauordnung (BauO) NRW 2018 enthaltene Voraussetzung einer gesicherten bauordnungsrechtlichen Erschließung erfüllt sind, braucht nicht im Einzelnen geprüft zu werden, weil beide Normen insoweit nicht nachbarschützend sind. 50Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2010 - 4 B 19.10 -, juris (Rn. 3); OVG NRW, Beschlüsse vom 8. Februar 2005 - 10 B 1876/04 -, juris (Rn. 11), und vom 12. Januar 2015 - 2 B 1386/14 -, juris (Rn. 17). 51Sowohl die bauplanungsrechtliche als auch die bauordnungsrechtliche Erschließung dürften im Übrigen nach Lage der Dinge gegeben sein. 52Die auf der Grundlage von § 34 BauGB erteilte Baugenehmigung ist auch nicht mit Blick auf das Gebot hinreichender Bestimmtheit und das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot in nachbarrechtsrelevanter Weise rechtswidrig. 53Das Bestimmtheitsgebot des § 37 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) NRW in seiner nachbarrechtlichen Ausprägung verlangt, dass sich der Baugenehmigung und den genehmigten Bauvorlagen mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen lässt, dass nur eine solche Nutzung erlaubt ist, die Nachbarrechte nicht beeinträchtigen kann. Ist eine Baugenehmigung in dieser Hinsicht inhaltlich nicht hinreichend bestimmt, führt dies zu einem Abwehrrecht des Nachbarn, wenn sich die Unbestimmtheit gerade auf solche Merkmale des Vorhabens bezieht, deren genaue Festlegung erforderlich ist, um eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften auszuschließen und wenn die insoweit mangelhafte Baugenehmigung aufgrund dessen ein Vorhaben zulässt, von dem der Nachbar konkret unzumutbare Auswirkungen zu befürchten hat. Wie weit das nachbarrechtliche Bestimmtheitserfordernis im Einzelnen reicht, beurteilt sich nach dem jeweils anzuwendenden materiellen Recht. 54Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Mai 2013 - 2 A 3009/11 -, juris (Rn. 41); VG Gelsenkirchen, Urteil vom 28. August 2012 - 6 K 3756/09 -, juris (Rn. 48 ff.), und Beschluss vom 15. September 2014 - 9 L 1232/14 -, juris (Rn. 64 ff.). 55Die Baugenehmigung darf also nicht Merkmale des Vorhabens unreglementiert lassen, deren Regelung es nach Lage der Dinge zwingend bedarf, um den genehmigten Betrieb nachbarrechtskonform auszugestalten. 56Materiell-rechtlich ist vorliegend das in der Tatbestandsvoraussetzung des „Einfügens“ in § 34 Abs. 1 BauGB enthaltene Gebot der Rücksichtnahme zu berücksichtigen. Das Gebot der Rücksichtnahme soll angesichts der gegenseitigen Verflechtungen der baulichen Situation benachbarter Grundstücke einen angemessenen planungsrechtlichen Ausgleich schaffen, der einerseits dem Bauherrn ermöglicht, was von seiner Interessenlage her verständlich und unabweisbar ist und andererseits dem Nachbarn erspart, was an Belästigungen und Nachteilen für ihn unzumutbar ist. Die Beachtung des Rücksichtnahmegebots soll gewährleisten, Nutzungen, die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, einander so zuzuordnen, dass Konflikte möglichst vermieden werden. Die sich daraus ergebenden Anforderungen sind im Einzelfall festzustellen, wobei die konkreten Umstände zu würdigen, insbesondere die gegenläufigen Interessen des Bauherrn und des Nachbarn in Anwendung des Maßstabs der planungsrechtlichen Zumutbarkeit gegeneinander abzuwägen sind. Dabei kann desto mehr an Rücksichtnahme verlangt werden, je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung dessen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt; umgekehrt braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, desto weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und unabweisbarer die von ihm mit dem Bauvorhaben verfolgten Interessen sind. 57Vgl. nur BVerwG, Urteile vom 25. Februar 1977 - 4 C 22.75 -, BVerwGE 52, 122 ff., vom 18. Mai 1995 - 4 C 20.94 -, BVerwGE 98, 235 ff., und vom 29. November 2012 - 4 C 8.11 -, BVerwGE 145, 145 ff.; Uechtritz, Das baurechtliche Rücksichtnahmegebot: Konkretisierung durch Fallgruppenbildung, DVBl. 2016, 90 ff., mit weiteren Nachweisen. 58Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kann auch dann zu bejahen sein, wenn sich die Erschließungssituation eines Nachbargrundstücks durch die vorhabenbedingte Überlastung einer (auch) das Nachbargrundstück erschließenden öffentlichen Straße oder durch unkontrollierten Parksuchverkehr erheblich verschlechtert und die entstehende Gesamtbelastung infolgedessen bei Abwägung aller Belange unzumutbar ist. 59Vgl. OVG NRW, Urteile vom 19. April 2010 - 7 A 2362/07 -, juris (Rn. 96), vom 15. Mai 2013 - 2 A 3009/11 -, juris (Rn. 47), und vom 14. Juni 2019 - 7 A 2387/17 -, juris (Rn. 79); VG Köln, Urteil vom 22. November 2013 - 11 K 6258/12 -, juris (Rn. 54); VG Münster, Urteil vom 3. Februar 2022 - 2 K 3210/19 -, juris (Rn. 67); eingehend auch Stürmer/Wolff, Drittschützende Wirkung des Rücksichtnahmegebots bei unzumutbarer Verschlechterung der Erschließung, BauR 2021, 1551 ff., mit weiteren Nachweisen. 60Zu berücksichtigen ist allerdings, dass ein Bauvorhaben, das den sonstigen Vorgaben des Bauplanungs- und des Bauordnungsrechts genügt, nur ausnahmsweise gegen das Rücksichtnahmegebot verstößt. Ist ein mit Fahrzeugverkehr verbundener Gewerbebetrieb seiner Art nach auf einem Baugrundstück planungsrechtlich zulässig, so sind auch die mit dem Betrieb verbundenen Belästigungen der Umgebung grundsätzlich hinzunehmen. 61Im Einzelfall kann es aber erforderlich sein, den durch ein Bauvorhaben auf der öffentlichen Straße hervorgerufenen Verkehr zu und von dem Vorhabengrundstück hinreichend effektiv zu steuern, um für die Anlieger unzumutbare Verkehrs- und Erschließungsverhältnisse durch überbordende Beanspruchung des öffentlichen Straßenraums zu vermeiden. 62Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Mai 2013 - 2 A 3009/11 -, juris (Rn. 43). 63Bei der Bewertung der Zumutbarkeit einer entsprechenden Verschlechterung der Erschließungssituation ist zu bedenken, dass das Grundstückseigentum zwar ein Recht zur bestimmungsgemäßen Nutzung des Grundstücks, nicht aber ein Recht auf bevorzugte Nutzung des angrenzenden öffentlichen Straßenraums und auch kein Recht darauf verschafft, dass die bisherige Verkehrssituation unverändert bleibt, sich also insbesondere nicht verschlechtert. 64Vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 5. März 2014 - 2 M 164/13 -, juris (Rn. 48); VG München, Urteil vom 26. Februar 2018 - M 8 K 16.2434 -, juris (Rn. 136). 65Ferner ist im Blick zu behalten, dass ein rechtswidriges Verhalten Dritter – also bei einem Gewerbebetrieb etwa ein straßenverkehrsrechtlich unzulässiges Verhalten der Fahrer von Liefer- oder Kundenfahrzeugen – nicht ohne weiteres dem Bauherrn oder Betreiber zuzurechnen ist und einem solchen Verhalten grundsätzlich mit den Mitteln des Ordnungsrechts zu begegnen ist. 66Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. März 2018 - 7 A 320/17 -, juris (Rn. 8); BayVGH, Beschluss vom 8. Januar 2019 - 9 CS 17.2482 -, juris (Rn. 21). 67Das Verhalten Dritter ist dem Bauvorhaben jedoch dann zuzurechnen und bei der Prüfung zu berücksichtigen, wenn mit dem Auftreten derartiger Störungen bei objektivierter und typisierter Betrachtungsweise von vornherein konkret zu rechnen ist. 68Vgl. VG Köln, Beschluss vom 1. Februar 2012 - 2 L 1915/11 -, juris (Rn. 22); in anderem Kontext auch VG Gelsenkirchen, Urteil vom 11. August 2020 - 6 K 3783/18 -, juris (Rn. 53), m.w.N. 69Die Möglichkeit, den An- und Abfahrtverkehr gegebenenfalls nach Aufnahme der Nutzung durch straßenverkehrsrechtliche Anordnungen zu regeln, ist bei der Prüfung eines Bauantrags außer Betracht zu lassen. Denn die Baugenehmigung bescheinigt, dass das zur Genehmigung gestellte Vorhaben mit öffentlich-rechtlichen Vorschriften übereinstimmt und zur Betriebsaufnahme freigegeben ist. Anders als ein Bebauungsplan kann sie nicht mit dem Mittel der Konfliktverlagerung auf spätere Zulassungsebenen arbeiten. Sie muss die durch sie hervorgerufenen Konflikte abschließend bewältigen und darf nicht in nachbarrechtsrelevanten Problemlagen darauf setzen, diese würden eventuell durch spätere Verwaltungsentscheidungen gelöst. 70Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Mai 2013 - 2 A 3009/11 -, juris (Rn. 55). 71Bedarf es nach alledem im Einzelfall organisatorischer Vorkehrungen zur Vermeidung von unzumutbaren Verkehrs- und Erschließungsverhältnissen, sind diese in der Baugenehmigung konkret festzuschreiben. 72Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14. Juni 2019 - 7 A 2387/17 -, juris (Rn. 79). 73Gemessen an diesen Grundsätzen hält die Kammer das genehmigte Vorhaben des Beigeladenen (nach den vorgenommenen Ergänzungen und Modifikationen der Baugenehmigung) nicht für in nachbarrechtsrelevanter Weise unbestimmt oder rücksichtslos. 74Nicht zu verkennen ist, dass der genehmigte Betrieb für die Klägerin mit Belästigungen verbunden sein kann. Denn auch wenn der Lieferverkehr der Mieterin des Beigeladenen in der durch das nun vorliegende Konzept festgeschriebenen Weise abgewickelt wird, ist er mit nicht unerheblichem Lkw-Verkehr auf der nur mäßig dimensionierten und ausgebauten Straße „Im T. “ verbunden. Dass es hier zu gelegentlichen Begegnungen der Fahrzeuge beider Betriebe auch auf demjenigen Abschnitt der Straße kommt, welcher keinen Begegnungsverkehr erlaubt, ist zu erwarten. Ebenfalls zu erwarten ist, dass Sattelschlepper und Gliederzüge, welche die nunmehr vorgesehenen Be- und Entladepositionen auf der recht engen Anlieferungsfläche anfahren, die Straße durch Rangiervorgänge kurzzeitig blockieren. 75Nach Auffassung der Kammer gehen die absehbaren Belästigungen bei genehmigungsgemäßer Nutzung aber nicht über das Maß hinaus, das der Klägerin als Grundstücksnachbarin in einer gewerblich geprägten Umgebung zuzumuten ist. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang auch, dass das Betriebsgrundstück der G2. . H2. hinsichtlich seiner Erschließung in gewissem Umfang situationsvorbelastet ist. Denn die für die Zufahrt zu dem Baustoffhandel der G2. . H2. entscheidende Straße „Im T. “, welche das Betriebsgrundstück mit der nächsten größeren Straße verbindet, ist – wie bereits angemerkt – seit jeher nur mäßig dimensioniert und ausgebaut. Insbesondere in dem zwischen den Hallen gelegenen Teilstück ist die Straße teilweise nicht mehr als dreieinhalb bis vier Meter breit und lässt Begegnungsverkehr mit größeren Fahrzeugen demgemäß nicht zu. Die Klägerin hat ihren Betrieb dennoch auf diese öffentliche Straße hin organisiert. Aufgrund der beiden Fahrzeugwaagen können Sattelschlepper nur an den beiden vorgesehenen Stellen auf das Betriebsgrundstück und von diesem herunterfahren. Sie können also nicht an anderer Stelle – z.B. weiter westlich im Bereich des Mitarbeiterparkplatzes – auf- bzw. abfahren. Bei einem Teil der Auslieferungen fahren die frisch beladenen Lastzüge von der Lkw-Ausfahrt auf die öffentliche Straße, um dann unmittelbar wieder auf das Betriebsgrundstück einzubiegen und dort bis zur Auslieferung der Ware abgestellt zu werden; dieses „Karussell“ findet gerade im Bereich vor der Be- und Entladefläche der Mieterin des Beigeladenen statt. Dass aufgrund der vorstehend geschilderten Abläufe und der Termingebundenheit des Geschäfts der Klägerin jede Blockade der Straße „Im T. “ misslich ist, ist nachvollziehbar. Es führt allerdings nicht dazu, dass andere Verkehrsteilnehmer die öffentliche Straße nicht mehr in gewöhnlichem Umfang nutzen dürfen; die Klägerin hat insoweit – trotz ihrer langjährigen Tätigkeit an diesem Standort – kein Recht auf eine vorrangige Nutzung der öffentlichen Straße. 76Da der Betrieb seiner Mieterin mit nicht unerheblichem Lkw-Verkehr verbunden ist und die für die Be- und Entladevorgänge vorhandene Fläche auf dem Grundstück des Beigeladenen begrenzt ist, war es allerdings geboten, durch entsprechende Regelungen in der Baugenehmigung sicherzustellen, dass die Straße „Im T. “ nicht regelmäßig selbst als Teil der Be- und Entladefläche missbraucht wird, beispielsweise indem Fahrzeuge bei Belegung der Fläche östlich der Halle auf der Straße be- bzw. entladen werden oder indem Sattelschlepper so abgestellt werden, dass das Heck im Bereich des Hallentores, die Zugmaschine aber auf der Straße steht. Denn der Beigeladene hat selbstverständlich kein Recht, die Enge auf dem östlich der Halle gelegenen Teil des Grundstücks dadurch zu kompensieren, dass er die öffentliche Straße zu einem Teil der Betriebsfläche macht und damit ihre Nutzung durch andere Anlieger beschränkt; auch er und seine Mieterin dürfen die öffentliche Straße nur in gewöhnlichem Umfang benutzen. 77Derartige Regelungen sind infolge der beiden Nachtragsgenehmigungen vom 25. Januar 2022 und vom 7. Juni 2022 sowie der (dem Beigeladenen gegenüber bestandskräftigen) Modifikationen in der mündlichen Verhandlung nun in der Baugenehmigung enthalten: 78Dies gilt zunächst für die Zahl der im Zusammenhang mit dem Betrieb der Mieterin des Beigeladenen zugelassenen Fahrzeuge. Der Beigeladene hat in der nunmehr vorliegenden und allein maßgeblichen Fassung der Betriebsbeschreibung zehn Lkw der Größe nach aufgeführt, die täglich auf der fraglichen Fläche östlich der Halle be- oder entladen werden. Durch die Entfernung des Zusatzes „ca.“ und die Klarstellung in der mündlichen Verhandlung steht nun unzweifelhaft fest, dass es sich hier um eine Festschreibung der maximal zulässigen Zahl an Fahrzeugen handelt. Insbesondere wird dem durch das Anlieferungskonzept des Beigeladenen hervorgerufenen Eindruck entgegengewirkt, dass neben den zehn Lkw unter Umständen noch eine größere Zahl von „Sprintern“, Pritschenwagen, Pkw mit Anhänger etc. zu erwarten ist. Die Beklagte hat durch ihre entsprechende Erklärung in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass derartige kleinere Fahrzeuge nur anstelle der größeren Lkw, nicht aber zusätzlich zu diesen verwendet werden dürfen, um Waren der Mieterin an- oder auszuliefern. Bei Einhaltung dieser Maximalbegrenzung auf täglich zehn Fahrzeuge innerhalb einer Betriebszeit von 16 Stunden ist zu erwarten, dass die Zahl der das Grundstück gleichzeitg anfahrenden Lieferfahrzeuge in aller Regel klein sein wird, auch wenn sich die zeitliche Abfolge der Ankunft der einzelnen Fahrzeuge häufig nicht exakt steuern lässt, wie der Beigeladene in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar erläutert hat. 79Die Baugenehmigung schreibt in ihrer jetzigen Fassung ferner eindeutig vor, dass die Be- und Entladevorgänge auf dem Grundstück des Beigeladenen und nicht auf der öffentlichen Straße stattzufinden haben. Um dies sicherzustellen, müssen insbesondere für die langen Lkw entsprechende Flächen auf dem Grundstück markiert werden mit dem Ziel, den ständig wechselnden Fahrern Orientierung bei der Anfahrt des Grundstücks zu bieten. Selbst wenn im Einzelfall mehrere (große) Fahrzeuge zugleich das Lager der Mieterin des Beigeladenen anfahren, müssen sie bei ihrer Be- bzw. Entladung vollständig auf dem Grundstück, dürfen also nicht teilweise auf der Straße stehen. Diese klare Vorgabe schafft zugleich einen erheblichen Anreiz für die Mieterin des Beigeladenen, in ihrem betrieblichen Alltag darauf hinzuwirken, dass die Lieferfahrzeuge die fragliche Fläche auch tatsächlich anfahren können, dass diese also insbesondere nicht regelmäßig mit Gegenständen vollgestellt ist, wenn die Ankunft eines (größeren) Fahrzeugs bevorsteht. Die von der Klägerin für geboten gehaltene strikte Vorgabe, den Bereich der Be- und Entladepositionen sowie der Schleppkurven zu jeder Zeit vollständig frei zu halten, hielte die Kammer demgegenüber für einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Betriebsabläufe der Mieterin des Beigeladenen. Denn diese hat ein nachvollziehbares Interesse daran, bei der bevorstehenden Ankunft eines Abholers gegebenenfalls die kommissionierte Ware bereits auf der Außenfläche bereitzustellen. Ähnliches gilt für die bevorstehende Ankunft eines Entsorgungsfahrzeugs. Dass die für die Be- und Entladung der Lieferfahrzeuge erforderlichen Flächen nicht durch die Privatfahrzeuge der Mitarbeiter blockiert werden, ist durch die in der mündlichen Verhandlung hinzugefügte Nebenbestimmung sichergestellt, der zufolge die Mitarbeiter westlich der Halle zu parken haben. 80Der Klägerin gegenüber unzumutbar wäre es ohne Zweifel, wenn die mit der Baugenehmigung für den Betrieb zugelassenen Sattelschlepper und Gliederzüge die Be- und Entladefläche der Mieterin des Beigeladenen nur unter Inanspruchnahme des Grundstücks der Klägerin anfahren könnten. Dies ist jedoch nicht der Fall. Während die zunächst vorgelegten und zum Gegenstand der Nachtragsgenehmigung vom 25. Januar 2022 gemachten Schleppkurven erkennbar mangelhaft waren, belegen die nunmehr vorgelegten und mit der Nachtragsgegnehmigung vom 7. Juni 2022 „grüngestempelten“ Schleppkurven, dass auch die Sattelschlepper und Gliederzüge das Baugrundstück und die (teilweise neuen) Be- und Entladepositionen ohne Inanspruchnahme des Grundstücks der Klägerin anfahren können. Die Klägerin ist den neuen, durch ein fachlich einschlägiges Ingenieurbüro erstellten und vom Tiefbauamt der Beklagten geprüften Schleppkurvenplänen auch nicht mehr substantiiert entgegen getreten. Dass der mit den Schleppkurven beschriebene Fahrweg durchaus anspruchsvoll ist und es gelegentlich zu Korrekturen beim Rangieren kommen wird, ist nicht in Abrede zu stellen. Dass die öffentliche Straße aus diesem Grunde zeitlich in einem Maße in Anspruch genommen wird, das zu einer Verletzung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots führt, vermag die Kammer aber nicht festzustellen. 81Zur Nachbarrechtswidrigkeit der Baugenehmigung führt auch nicht der Einwand der Klägerin, bei gleichzeitiger Ankunft zweier Sattel- oder Gliederzüge könne ein Be- und Entladen aus Platzgründen nicht stattfinden. Die Kammer geht davon aus, dass es möglich ist, zumindest das eine Fahrzeug durch entsprechendes Vorziehen auf der Anlieferungsfläche zu be- bzw. entladen, während das andere Fahrzeug in der vorgesehenen Abstellposition wartet. Durch die klare Vorgabe, dass kein Teil des Fahrzeugs beim Be- oder Entladen auf der öffentlichen Straße stehen darf, ist jedenfalls den Rechten der Klägerin in hinreichender Weise Rechnung getragen. Aus ähnlichen Gründen hält die Kammer es auch für unschädlich, dass nach dem Konzept in Verbindung mit den Erläuterungen des Beigeladenen nicht ausgeschlossen ist, dass auch bei einer Belegung der vorgesehenen Be- und Entladepositionen P1 bis P3 kleinere Fahrzeuge zusätzlich auf dem vorderen Teil der Fläche abgestellt werden, obwohl der kleinere Stellplatz im südwestlichen Bereich der Fläche auf den jetzt maßgeblichen Schleppkurven nicht mehr dargestellt ist. Rechte der Klägerin werden insoweit nicht verletzt, wenn das Be- und Entladen – wie ausdrücklich vorgeschrieben – auf dem Grundstück stattfindet. Im Übrigen dürften bei einer Beschränkung auf zehn Fahzeuge am Tag eher selten mehr als drei Fahrzeuge gleichzeitig den Betrieb der Mieterin des Beigeladenen anfahren. 82Das im Anlieferungskonzept vorgesehene, zwischen den Beteiligten umstrittene Halten eines Fahrzeugs auf der neu asphaltierten Fläche vor der Einfahrt des Grundstücks des Beigeladenen ist lediglich für den Fall vorgesehen, dass ein dritter Sattel- oder Gliederzug eintrifft und auch hier nur insoweit, als es dem Fahrer erlaubt sein soll, das Fahrzeug abzustellen, um sich nach dem weiteren Vorgehen zu erkundigen. Bei einer zugelassenen Zahl von vier derartigen Lastwagen pro Tag dürfte diese Situation allerdings selten eintreten. Außerdem bleiben die auf der öffentlichen Straße geltenden Vorgaben der Straßenverkehrsordnung (StVO) von der Baugenehmigung selbstverständlich unberührt. Sollte ein drittes großes Fahrzeug an der in Rede stehenden Stelle halten und zugleich ein Fahrzeug der G2. . H2. von P. kommend die Einfahrt zum Baustoffhandel anfahren, so dürfte der Fahrer des haltenden Fahrzeugs schon gemäß § 1 StVO gehalten sein, dem Fahrzeug der G2. . H2. ein Ausholen zu ermöglichen, indem er sein Fahrzeug entsprechend versetzt. Angesichts des Umstands, dass diese Konstellation nur sehr selten einzutreten verspricht, vermag dieses Problem nicht zur Rücksichtslosigkeit der Baugenehmigung zu führen. 83Bei alldem ist im Übrigen zu bedenken, dass der Beigeladene und seine Mieterin einen Anspruch auf Gleichbehandlung durch die Bauaufsichtsbehörde haben. Bei nicht wenigen Gewerbebetrieben – vermutlich auch bei der G2. . H2. – sind die Fahrwege der Kunden-, Liefer- und Betriebsfahrzeuge gar nicht oder jedenfalls nicht metergenau in der Baugenehmigung festgeschrieben. Bei der Mieterin des Beigeladenen besteht zwar – wie oben aufgezeigt – wegen der Beschränktheit des Platzangebots auf der Fläche östlich der Halle grundsätzlich das Bedürfnis nach einer Regelung des Fahrzeugverkehrs. Ihr selbst für seltene Ausnahmefälle minutiöse Vorgaben in der Baugenehmigung zu machen, erscheint aber überzogen. 843. 85Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, da dieser keinen Antrag gestellt und sich damit gemäß § 154 Abs. 3 VwGO seinerseits keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat. 86Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11 und 711 Zivilprozessordnung. 87Rechtsmittelbelehrung: 88Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn 891. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 902. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 913. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 924. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 935. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. 94Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, zu beantragen. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich einzureichen. 95Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 96Im Berufungsverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO.
die klage wird abgewiesen. die kosten des verfahrens mit ausnahme der außergerichtlichen kosten des beigeladenen trägt die klägerin. das urteil ist hinsichtlich der kosten vorläufig vollstreckbar. der klägerin wird nachgelassen, die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abzuwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1
2die klägerin ist eigentümerin der grundstücke im t. …/… (h. h1. , g. …, g1. …, …, …, …, …, …, …) in e. . die insgesamt mehrere hektar großen grundstücke, an die sich im t1. die autobahn a 2 und im p. der e. -f. -kanal anschließen, sind mit mehreren größeren hallen und silos sowie einem bürogebäude bebaut. darüber hinaus verfügen sie über große befestigte freiflächen, die unter anderem zum abstellen und rangieren von sattelzügen genutzt werden. für diese sind eine zentrale einfahrt zwischen den beiden gebäudekomplexen und eine zentrale ausfahrt im nordöstlichen bereich – jeweils mit fahrzeugwaage – vorhanden. die grundstücke werden seit jahrzehnten von der mit der klägerin verbundenen g2. . h2. gmbh & co kg genutzt, die hier eine produktionsstätte von und einen großhandel mit baustoffen betreibt und über ca. vierzig eigene sattelzüge verfügt. etwa 30% des transportvolumens werden zudem durch fremde lkw abgewickelt. auch der nordöstlich der genannten grundstücke befindliche „hafen h1. “ wird von der g2. . h2. gmbh und co kg als pächterin genutzt. 3der beigeladene ist eigentümer der grundstücke im t. …(h. h1. , g. …, g1. …, …). auf diesen – durch eine vereinigungsbaulast verbundenen – grundstücken steht eine halle auf, die teilweise als fitnessstudio, teilweise als lager eines versandhandels für fitnessgeräte (i. t2. g3. gmbh) genutzt wird. während sich auf der westseite der halle die stellplätze und der eingang zum fitnessstudio befinden, verfügt die östliche außenwand des gebäudes über ein tor, das der anlieferung des mit hochregalen ausgestatteten lagerbereichs dient. davor befindet sich eine rund 500 qm große befestigte fläche. 4die genannten grundstücke der beteiligten sind über die in diesem bereich etwa dreieinhalb bis fünf meter breite straße „im t. “ an die nordwestlich verlaufende straße „l. “ angebunden. die straße „im t. “ setzt sich südöstlich der grundstücke der klägerin fort, hat hier allerdings einen noch geringeren querschnitt und ausbauzustand. 5ein bebauungsplan existiert für den fraglichen bereich nicht; der flächennutzungsplan stellt „gewerbliche baufläche“ dar. 6weitere einzelheiten sind dem nachfolgenden kartenausschnitt zu entnehmen: 7in der oroiginalentschediung befindet sich hier eine skizze. 8die auf dem grundstück des beigeladenen aufstehende halle wurde auf der grundlage einer baugenehmigung vom 11. august 1994 („errichtung einer badmintonhalle mit sauna, cafeteria und nebenräumen“) errichtet. mit bescheid vom 14. okober 2006 wurden der umbau der halle zu einem „sport- und gesundheitszentrum“ und die teilweise nutzungsänderung der badmintonfläche in „umkleide- und fitnessbereich“ genehmigt. eine weitere änderungsgenehmigung vom 7. september 2012 betraf änderungen der einzelnen sportflächen; die nutzung des obergeschosses wurde offenbar vorläufig aufgegeben. 9im november 2015 stellte der beigeladene bei der beklagten einen bauantrag für die nutzungsänderung von teilen des erdgeschosses der halle zur lagerfläche und für die aktivierung der obergeschossfläche der halle. zur erläuterung führte er aus, teile des erdgeschosses sollten künftig als lager genutzt werden; der entsprechende teil des sportstudios ziehe in das obergeschoss. in dem lager sollten messebaumaterialien und schuhe untergebracht werden. die ein-/auslagerung der schuhe erfolge ca. zweimal am tag; diejenige der messebaumaterialien ca. viermal im jahr. ( angaben zur art der fahrzeuge wurden nicht gemacht). unter dem 14. märz 2017 wurde die baugenehmigung (61/5-2-042803) antragsgemäß erteilt. für den 10. dezember 2019 zeigte der beigeladene die abschließende fertigstellung des bauvorhabes an. 10am 19. dezember 2019 sprach ein von der klägerin beauftragter rechtsanwalt bei der bauaufsichtsbehörde vor und erklärte, auf dem östlichen ende des grundstücks des beigeladenen verkehrten vermehrt sattelschlepper, die teilweise auf dem betriebsgrundstück der h2. wendeten oder hielten. unter dem 21. januar 2020 wandte der betreffende rechtsanwalt sich noch einmal schriftlich an die behörde, konkretisierte seinen vortrag betreffend die verkehrsprobleme und forderte ein behördliches einschreiten, namentlich die untersagung der anfahrt des nachbargrundstücks mit schwerlastverkehr. mit e-mail vom 27. januar 2020 ergänzte der geschäftsführer der h2. gmbh & co kg diesen vortrag und erklärte, die zustände seien unhaltbar; sie beeinträchtigten den betrieb der h2. und gefährdeten die sicherheit der verkehrsteilnehmer. da die fläche östlich der halle des beigeladenen begrenzt sei, benötigten die fahrer oftmals mehrere minuten, um ihre sattelschlepper auf das grundstück zu fahren; währenddessen sei die straße „im t. “ blockiert. die fahrzeuge hielten teilweise auf dem betriebsgrundstück der h2. , insbesondere wenn die anlieferungsfläche des beigeladenen noch durch andere lkw belegt sei. der beigeladene erklärte in einer e-mail an die behörde vom 30. januar 2020, er sei mit dem nachbarn und mehreren ämtern im gespräch, um eine lösung, etwa durch erweiterung der zufahrt, zu finden. 11im februar 2020 teilte der architekt des beigeladenen der beklagten mit, es gebe „zum nutzungsänderungsantrag […] einen neuen mieter“, es handele sich nun um das lager eines handels mit fitnessgeräten. in einer zugleich vorgelegten neuen betriebsbeschreibung wurde die betriebszeit mit „werktags 6 bis 19 uhr“ und der lieferverkehr pro tag mit „1 x 40 to lkw, 4 x 20 to lkw, 5 x 3,5 to lkw“ angegeben. die beklagte legte diese mitteilung als antrag auf nachtragsgenehmigung aus und forderte in der folgezeit mehrfach unterlagen nach. unter dem 5. mai 2020 forderte sie den beigeladenen im rahmen einer „mängelmitteilung“ unter anderem auf, einen qualifizierten lageplan mit darstellung der geplanten grundstückszufahrt und der für die anlieferung mit 20- und 40-tonnern erforderlichen schleppkurven vorzulegen. 12der beigeladene bemühte sich parallel um die zustimmung der behörden, namentlich der unteren wasserbehörde, zur verbreiterung der einfahrt auf die in rede stehende anlieferungsfläche. die untere wasserbehörde erteilte im oktober 2020 eine plangenehmigung für die verrohrung des im bereich der geplanten zufahrtsverbreiterung verlaufenden „t3.------grabens “ (gegen freilegung dieses gewässers an anderer stelle). schließlich legte der beigeladene der bauaufsichtsbehörde einen lageplan vor, in dem die um sieben auf 21,3 m verbreiterte einfahrt dargestellt ist. 13unter dem 12. januar 2021 erteilte die beklagte eine „nachtragsgenehmigung“ für das geänderte vorhaben des beigeladenen. 14bereits am 15. dezember 2020 hat die klägerin klage gegen die baugenehmigung vom 14. märz 2017 erhoben, die sie am 28. januar 2021 auf die vorgenannte nachtragsgenehmigung erstreckt hat. 15am 30. april 2021 hat die klägerin unter hinweis auf aus ihrer sicht unzumutbare zustände im zusammenhang mit dem anlieferungsverkehr einen antrag auf gewährung vorläufigen rechtsschutzes gestellt (6 l 619/21). in diesem verfahren hat der berichterstatter am 13. september 2021 einen ortstermin durchgeführt und angeregt, die anlieferung im östlichen bereich der halle des beigeladenen im rahmen einer nachtrags- bzw. änderungsgenehmigung durch konkretisierende nebenbestimmungen klarer zu regeln und zu untersuchen, ob ein anfahren der fraglichen anlieferungsfläche mit gliederzügen überhaupt möglich ist. der antrag auf gewährung vorläufigen rechtsschutzes ist später zurückgenommen worden. 16am 1. oktober 2021 hat der beigeladene einen entsprechenden antrag auf erteilung einer nachtragsgenehmigung gestellt. diese ist unter dem 25. januar 2022 von der beklagten erteilt worden. mit der nachtragsgenehmigung ist eine durch den beigeladenen erstellte „erläuterung zur steuerung der verkehrlichen anlieferung und abholung von waren und gütern“ zum zwingenden bestandteil der baugenehmigung gemacht worden. dieses konzept sieht vor, dass vier konkrete flächen als abstellflächen zum entladen der verschiedenen fahrzeuge auf dem grundstück markiert und für die anlieferung vorgegeben werden. in einer neufassung der betriebsbeschreibung ist die betriebszeit nun mit „werktags 6 bis 22 uhr“ angegeben und der lieferverkehr ist wie folgt konkretisiert: „pro tag ca.: 2 x 18,74m lkw / 4 x 16,5m lkw / 3 x 8,90m lkw / 1 x 7,50m lkw“. schleppkurven, die den fahrweg zu den beiden größeren abstellflächen darstellen, sind durch grünstempelung zum bestandteil der baugenehmigung gemacht worden. 17nachdem die klägerin in der folgezeit kritik an der erteilten nachtragsbaugenehmigung geübt hatte, hat die beklagte unter dem 7. juni 2022 eine weitere nachtragsgenehmigung erteilt. deren gegenstand ist eine erneute neufassung der betriebsbeschreibung, in welcher das „ca.“ vor der angabe der verschiedenen lieferfahrzeuge entfernt worden ist. zudem sind einige schleppkurvenpläne nochmals geringfügig korrigiert worden. 18die klägerin hält an ihrer klage auch in ansehung der erteilten nachtragsgenehmigungen fest und trägt vor: 19bei der genehmigung vom 12. januar 2021 handele es sich nicht um eine „nachtragsgenehmigung“, sondern um eine selbständige baugenehmigung, die ein „aliud“ zum gegenstand habe. der von der neuen genehmigung erfasste fahrzeugverkehr habe völlig andere dimensionen als der ursprünglich angegebene. schon deshalb werfe die änderung die frage der genehmigungsfähigkeit neu auf. zudem seien auch umfangreiche änderungen im gebäudeinneren vorgenommen worden. 20die dem beigeladenen genehmigte nutzung sei rücksichtslos und damit rechtswidrig. die erschließungssituation verschlechtere sich in für sie unzumutbarer weise. 21ihr betriebsgelände könne nur über die schmale, einspurige straße im t. angefahren werden. sie sei auf die uneingeschränkte nutzbarkeit dieser straße angewiesen, da sie die baumaterialien überwiegend „just in time“ auf den baustellen anliefern müsse und verzögerungen zu vertragsstrafen führten. 22seit dezember 2019 komme es regelmäßig zu problemen im zusammenhang mit der nutzung der straße im t. . große lkw (sattelschlepper und gliederzüge) könnten die anlieferungsfläche des beigeladenen nicht anfahren, ohne die öffentliche straße zu blockieren und ihr grundstück in anspruch zu nehmen. denn die zum rangieren vorhandene fläche sei vor allem bei größeren sattel- und gliederzügen zu klein, zumal es keine wendemöglichkeit gebe. wenn diese fahrzeuge mit der rückseite an das im vorderen drittel der halle befindliche tor heranführen, stünden sie mit dem führerhaus auf der öffentlichen straße. die anlieferungsfläche sei in der vergangenheit außerdem zeitweise mit containern vollgestellt gewesen. werde ein lkw entladen, müsse ein zweiter auf der straße warten und versperre diese, da es keine wartemöglichkeit gebe. gegenüber der einfahrt zum betriebsgrundstück der h2. sei die öffentliche verkehrsfläche überdies ein wenig aufgeweitet; diese aufweitung benötigtenbenötigten ihre fahrzeuge, um zwischen ihrer einfahrt und der zufahrt am hafen zu pendeln. auch diese aufweitung werde durch anliefernde lkw blockiert. zudem gehe von den blockaden eine erhebliche gefahr für unbeteiligte verkehrsteilnehmer wie radfahrer und andere anlieger aus. 23es sei ihr nicht zuzumuten, ihr eigenes wohldurchdachtes verkehrskonzept mit einer einzigen, überwachten zufahrt wegen des verkehrsordnungswidrigen verhaltens des nachbarbetriebes zu verändern. ebenso wenig sei ihr zuzumuten, mittels täglich neuer zivilrechtlicher verfahren gegen fremde, häufig ausländische fahrer ihre rechte durchzusetzen. vielmehr habe der beigeladene den betrieb durch ein realistisches anlieferungskonzept so zu organisieren, dass ihr grundstück und die befahrbarkeit der öffentlichen erschließungsstraße nicht belastet würden. 24die im januar und juni 2022 erteilten nachtragsgenehmigungen änderten ändertenan den problemen nichts. denn die dargestellten schleppkurven seien fahrerisch unrealistisch. der stellplatz p3 könne zudem nicht unabhängig von den schleppkurven der lkw benutzt werden. ob er in der zweiten nachtragsgenehmigung überhaupt noch vorgesehen sei, sei unklar; insoweit seien die beiden nachtragsgenehmigungen widersprüchlich. ferner könnten die fahrzeuge in den vorgesehenen abstellpositionen gar nicht entladen werden, wenn eine entladung fahrzeug- oder ladegutbedingt nur zur seite möglich sei. außerdem ändertänderten en die vorgesehenen abstellpositionen nichts daran, dass wartende lkw die öffentliche verkehrsfläche blockieren würden, wenn die anlieferungsfläche besetzt sei. die vorgesehene warteposition auf der öffentlichen verkehrsfläche im bereich der einfahrt sei nicht akzeptabel. auch sei in dem vorliegenden konzept nicht festgelegt, wann und für wie lange welche fahrzeuge die fläche anfahren. es sei nicht einmal klar, ob es sich bei den in der betriebsbeschreibung angegebenen fahrzeugzahlen um maximal- oder durchschnittsangaben handele. die anzahl der das grundstück anfahrenden kleineren fahrzeuge sei ohnehin nicht limitiert, was ebenfalls problematisch sei. es sei auch nicht vorgegeben, dass die stellplätze nicht als lagerfläche benutzt werden dürften. angezeigt sei, dass eine einzige ausreichend dimensionierte abstellfläche auf dem grundstück des beigeladenen festgelegt und durch entsprechende organisationsmaßnahmen sorge dafür getragen werde, dass weitere lkw nicht in die straße im t. einfahren, solange die entladefläche blockiert sei. 25die klägerin hat zahlreiche fotos sowie die stellungnahme eines ingenieurbüros vorgelegt, um die probleme im zusammenhang mit der anlieferung zu belegen. 26die klägerin beantragt, 27die nutzungsänderungsgenehmigung vom 12. januar 2021 in der fassung der nachtragsgenehmigungen vom 25. januar 2022 und 7. juni 2022 aufzuheben. 28die beklagte beantragt, 29die klage abzuweisen. 30sie meint, die klage sei unbegründet. das erfordernis einer gesicherten erschließung sei nicht nachbarschützend. zudem bestünden aus sicht der straßenverwaltung keine bedenken gegen das vorhaben. die schleppkurven seien aus sicht ihres tiefbauamtes ausreichend. dass die vier stellplätze unabhängig voneinander angefahren werden können, sei nicht erforderlich, da es um die belieferung eines einzigen betriebes gehe, die entsprechend abgestimmt werden könne. die straßenverkehrsordnung enthalte kein verbot des rangierens auf öffentlichen verkehrsflächen. rangiervorgänge gehörten würden vielmehr zum üblichen und erwartbaren verkehrsgeschehengehören . jeder habe sich im straßenverkehr so zu verhalten, dass andere nicht geschädigt, gefährdet oder belästigt würden. dass der öffentliche verkehr nicht immer ganz reibungslos und störungsfrei laufe, sei heutzutage nicht ungewöhnlich und hinzunehmen. auch mit dem durch die nachtragsgenehmigungen zugelassenen verkehr sei das bauvorhaben durch die straße im t. ausreichend erschlossen. eine das rücksichtnahmegebot verletzende überlastung der straße sei nicht gegeben. dass die straße bislang praktisch exklusiv durch die klägerin genutzt worden sei, führe zu keinem anderen ergebnis, denn darauf bestehe kein anspruch. die klägerin verfüge im übrigen über drei voneinander unabhängige zufahrten auf ihr grundstück. 31der beigeladene stellt keinen antrag. 32er trägt vor, die situation habe sich durch die von ihm vorgenommene verbreiterung der zufahrt deutlich verbessert. die verteilung der fahrzeugankünfte werde systematisch durch seine mieterin gesteuert. wegen der unberechenbarkeit der verkehrsverhältnisse und der abfertigung in den häfen gebe es aber keine garantie für eine bestimmte ankunftszeit. dass zwei große fahrzeuge gleichzeitig die halle anführen, sei selten. es sei im übrigen normal, dass es ab und zu zu wechselseitigen engpässen im öffentlichen verkehrsraum kommen könne. auch von fahrzeugen, die das betriebsgelände der h2. anführen, gingen manchmal störungen des verkehrs auf der öffentlichen straße und ihres betriebsgrundstücks aus, z.b. weil die lastzüge vor dem geschlossenen tor warteten oder fahrer die straße im t. trotz absoluten halteverbots zum übernachten nutzten. 33auch der beigeladene hat fotos vorgelegt, um die zuletzt genannten umstände zu belegen. 34wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakten des vorliegenden und des eilverfahrens (6 l 619/21) sowie auf den der beigezogenen verwaltungsvorgänge der beklagten ergänzend bezug genommen. 35
36die klage ist zulässig, aber unbegründet. 371. 38die klage ist mit dem gestellten antrag zulässig. 39dass die klägerin sich isoliert gegen die als „nachtragsgenehmigung“ bezeichnete baugenehmigung vom 12. januar 2021 (in der fassung der beiden inzwischen erteilten nachträge) wendet, begegnet keinen bedenken, weil es sich bei dieser genehmigung nicht um eine nachtragsgenehmigung im sinne einer unselbständigen ergänzung der ausgangsbaugenehmigung aus dem jahre 2017, sondern um eine selbständige baugenehmigung handelt, die ein anderes als das ursprünglich genehmigte vorhaben („aliud“) zum gegenstand hat. 40mit einer nachtragsgenehmigung werden (nur) kleinere, modifizierende änderungen eines bereits genehmigten vorhabens zugelassen, die das gesamtvorhaben in seinen grundzügen nicht wesentlich berühren und in seinem wesen nicht verändern. demgegenüber liegt ein „aliud“ vor, wenn sich das neue vorhaben in bezug auf baurechtlich relevante kriterien von dem ursprünglich genehmigten unterscheidet. ein solcher relevanter unterschied zwischen dem genehmigten und dem abgewandelten bauvorhaben ist immer schon dann anzunehmen, wenn sich für das abgewandelte vorhaben die frage der genehmigungsfähigkeit wegen geänderter tatsächlicher oder rechtlicher voraussetzungen insgesamt neu stellt, also eine erneute überprüfung der materiellen zulassungskriterien erforderlich ist. 41vgl. etwa ovg nrw, beschlüsse vom 4. mai 2004 - 10 a 1476/04 -, juris (rn. 7), und vom 13. dezember 2012 - 2 b 1250/12 -, juris (rn. 15); hüwelmeier, in: beckok bauordnungsr nrw, 11. edition 2022, § 74 rn. 95 m.w.n. 42vorliegend war mit der ausgangsbaugenehmigung vom 14. märz 2017 ein vorhaben genehmigt worden, bei dem die nutzung der halle des beigeladenen als fitnessstudio weiterhin im vordergrund stand und lediglich die nutzung eines teils des erdgeschosses als lagerfläche (für messebaumaterialien und schuhe) hinzukam. insoweit war nur ein überschaubarer lieferverkehr zu erwarten. art und umfang des fahrzeugverkehrs waren zwar nicht konkret festgeschrieben. da die „messebaumaterialien“ lediglich viermal im jahr an- oder abtransportiert werden sollten, schuhe ein begrenztes ladevolumen haben und sich bei einer betriebszeit von 8 bis 17 uhr und einer besetzung mit einem einzigen beschäftigten faktische grenzen ergeben, konnte aber kein übermäßiger lagergutumschlag mit entsprechendem lastwagenverkehr erwartet werden. dem gegenüber ist die lagerfläche in den bauvorlagen zur genehmigung vom 12. januar 2021 nochmals vergrößert worden und es findet ein versandhandel (mit fitnessgeräten) statt, der erheblichen lieferverkehr – auch mit teilweise großen lkw – mit sich bringt. die betriebsbeschreibung zur baugenehmigung vom 12. januar 2021 nennt eine betriebszeit von 6 bis 19 uhr und eine zahl von vier beschäftigten (im nachtrag von juni 2022 erweitert auf 6 bis 22 uhr und zehn beschäftigte). dies geht über eine kleine, modifizierende änderung hinaus und wirft die frage nach der zulässigkeit der nutzung – auch im verhältnis zu dem nachbarbetrieb – neu auf. 43die hinsichtlich der baugenehmigung vom 12. januar 2021 in lauf gesetzte klagefrist hat die klägerin gewahrt, indem sie den bescheid fristgerecht in das vorliegende klageverfahren einbezogen hat. 442. 45die klage ist indes unbegründet. 46die dem beigeladenen erteilte baugenehmigung vom 12. januar 2021 in der fassung der nachträge vom 25. januar und vom 7. juni 2022 sowie der modifikationen in der mündlichen verhandlung ist hinsichtlich nachbarschützender vorschriften rechtmäßig und verletzt die klägerin nicht in ihren rechten, § 113 abs. 1 s. 1 verwaltungsgerichtsordnung (vwgo). 47ein nachbar kann nur dann erfolgreich gegen die einem dritten erteilte baugenehmigung vorgehen, wenn diese gegen nachbarschützende vorschriften des öffentlichen bauplanungs- oder bauordnungsrechts verstößt und eine befreiung von diesen vorschriften nicht vorliegt oder unter berücksichtigung nachbarlicher belange nicht hätte erteilt werden dürfen. ob das vorhaben objektiv, d. h. hinsichtlich derjenigen vorschriften, die nicht nachbarschützend sind, rechtmäßig ist, ist dagegen im nachbarverfahren unerheblich. 48vorliegend stellen sich ausschließlich fragen, die mit dem durch das bauvorhaben hervorgerufenen kraftfahrzeugverkehr zusammenhängen. sonstige im nachbarstreit relevante punkte, welche die rechtmäßigkeit der erteilten baugenehmigung in frage stellen könnten, sind weder vorgetragen worden noch ersichtlich. 49ob die in § 34 abs. 1 baugesetzbuch (baugb) enthaltene voraussetzung einer gesicherten bauplanungsrechtlichen erschließung und die in § 4 abs. 1 bauordnung (bauo) nrw 2018 enthaltene voraussetzung einer gesicherten bauordnungsrechtlichen erschließung erfüllt sind, braucht nicht im einzelnen geprüft zu werden, weil beide normen insoweit nicht nachbarschützend sind. 50vgl. bverwg, beschluss vom 28. juli 2010 - 4 b 19.10 -, juris (rn. 3); ovg nrw, beschlüsse vom 8. februar 2005 - 10 b 1876/04 -, juris (rn. 11), und vom 12. januar 2015 - 2 b 1386/14 -, juris (rn. 17). 51sowohl die bauplanungsrechtliche als auch die bauordnungsrechtliche erschließung dürften im übrigen nach lage der dinge gegeben sein. 52die auf der grundlage von § 34 baugb erteilte baugenehmigung ist auch nicht mit blick auf das gebot hinreichender bestimmtheit und das bauplanungsrechtliche rücksichtnahmegebot in nachbarrechtsrelevanter weise rechtswidrig. 53das bestimmtheitsgebot des § 37 abs. 1 verwaltungsverfahrensgesetz (vwvfg) nrw in seiner nachbarrechtlichen ausprägung verlangt, dass sich der baugenehmigung und den genehmigten bauvorlagen mit der erforderlichen sicherheit entnehmen lässt, dass nur eine solche nutzung erlaubt ist, die nachbarrechte nicht beeinträchtigen kann. ist eine baugenehmigung in dieser hinsicht inhaltlich nicht hinreichend bestimmt, führt dies zu einem abwehrrecht des nachbarn, wenn sich die unbestimmtheit gerade auf solche merkmale des vorhabens bezieht, deren genaue festlegung erforderlich ist, um eine verletzung nachbarschützender vorschriften auszuschließen und wenn die insoweit mangelhafte baugenehmigung aufgrund dessen ein vorhaben zulässt, von dem der nachbar konkret unzumutbare auswirkungen zu befürchten hat. wie weit das nachbarrechtliche bestimmtheitserfordernis im einzelnen reicht, beurteilt sich nach dem jeweils anzuwendenden materiellen recht. 54vgl. ovg nrw, urteil vom 15. mai 2013 - 2 a 3009/11 -, juris (rn. 41); vg gelsenkirchen, urteil vom 28. august 2012 - 6 k 3756/09 -, juris (rn. 48 ff.), und beschluss vom 15. september 2014 - 9 l 1232/14 -, juris (rn. 64 ff.). 55die baugenehmigung darf also nicht merkmale des vorhabens unreglementiert lassen, deren regelung es nach lage der dinge zwingend bedarf, um den genehmigten betrieb nachbarrechtskonform auszugestalten. 56materiell-rechtlich ist vorliegend das in der tatbestandsvoraussetzung des „einfügens“ in § 34 abs. 1 baugb enthaltene gebot der rücksichtnahme zu berücksichtigen. das gebot der rücksichtnahme soll angesichts der gegenseitigen verflechtungen der baulichen situation benachbarter grundstücke einen angemessenen planungsrechtlichen ausgleich schaffen, der einerseits dem bauherrn ermöglicht, was von seiner interessenlage her verständlich und unabweisbar ist und andererseits dem nachbarn erspart, was an belästigungen und nachteilen für ihn unzumutbar ist. die beachtung des rücksichtnahmegebots soll gewährleisten, nutzungen, die geeignet sind, spannungen und störungen hervorzurufen, einander so zuzuordnen, dass konflikte möglichst vermieden werden. die sich daraus ergebenden anforderungen sind im einzelfall festzustellen, wobei die konkreten umstände zu würdigen, insbesondere die gegenläufigen interessen des bauherrn und des nachbarn in anwendung des maßstabs der planungsrechtlichen zumutbarkeit gegeneinander abzuwägen sind. dabei kann desto mehr an rücksichtnahme verlangt werden, je empfindlicher und schutzwürdiger die stellung dessen ist, dem die rücksichtnahme im gegebenen zusammenhang zugutekommt; umgekehrt braucht derjenige, der das vorhaben verwirklichen will, desto weniger rücksicht zu nehmen, je verständlicher und unabweisbarer die von ihm mit dem bauvorhaben verfolgten interessen sind. 57vgl. nur bverwg, urteile vom 25. februar 1977 - 4 c 22.75 -, bverwge 52, 122 ff., vom 18. mai 1995 - 4 c 20.94 -, bverwge 98, 235 ff., und vom 29. november 2012 - 4 c 8.11 -, bverwge 145, 145 ff.; uechtritz, das baurechtliche rücksichtnahmegebot: konkretisierung durch fallgruppenbildung, dvbl. 2016, 90 ff., mit weiteren nachweisen. 58ein verstoß gegen das rücksichtnahmegebot kann auch dann zu bejahen sein, wenn sich die erschließungssituation eines nachbargrundstücks durch die vorhabenbedingte überlastung einer (auch) das nachbargrundstück erschließenden öffentlichen straße oder durch unkontrollierten parksuchverkehr erheblich verschlechtert und die entstehende gesamtbelastung infolgedessen bei abwägung aller belange unzumutbar ist. 59vgl. ovg nrw, urteile vom 19. april 2010 - 7 a 2362/07 -, juris (rn. 96), vom 15. mai 2013 - 2 a 3009/11 -, juris (rn. 47), und vom 14. juni 2019 - 7 a 2387/17 -, juris (rn. 79); vg köln, urteil vom 22. november 2013 - 11 k 6258/12 -, juris (rn. 54); vg münster, urteil vom 3. februar 2022 - 2 k 3210/19 -, juris (rn. 67); eingehend auch stürmer/wolff, drittschützende wirkung des rücksichtnahmegebots bei unzumutbarer verschlechterung der erschließung, baur 2021, 1551 ff., mit weiteren nachweisen. 60zu berücksichtigen ist allerdings, dass ein bauvorhaben, das den sonstigen vorgaben des bauplanungs- und des bauordnungsrechts genügt, nur ausnahmsweise gegen das rücksichtnahmegebot verstößt. ist ein mit fahrzeugverkehr verbundener gewerbebetrieb seiner art nach auf einem baugrundstück planungsrechtlich zulässig, so sind auch die mit dem betrieb verbundenen belästigungen der umgebung grundsätzlich hinzunehmen. 61im einzelfall kann es aber erforderlich sein, den durch ein bauvorhaben auf der öffentlichen straße hervorgerufenen verkehr zu und von dem vorhabengrundstück hinreichend effektiv zu steuern, um für die anlieger unzumutbare verkehrs- und erschließungsverhältnisse durch überbordende beanspruchung des öffentlichen straßenraums zu vermeiden. 62vgl. ovg nrw, urteil vom 15. mai 2013 - 2 a 3009/11 -, juris (rn. 43). 63bei der bewertung der zumutbarkeit einer entsprechenden verschlechterung der erschließungssituation ist zu bedenken, dass das grundstückseigentum zwar ein recht zur bestimmungsgemäßen nutzung des grundstücks, nicht aber ein recht auf bevorzugte nutzung des angrenzenden öffentlichen straßenraums und auch kein recht darauf verschafft, dass die bisherige verkehrssituation unverändert bleibt, sich also insbesondere nicht verschlechtert. 64vgl. ovg sachsen-anhalt, beschluss vom 5. märz 2014 - 2 m 164/13 -, juris (rn. 48); vg münchen, urteil vom 26. februar 2018 - m 8 k 16.2434 -, juris (rn. 136). 65ferner ist im blick zu behalten, dass ein rechtswidriges verhalten dritter – also bei einem gewerbebetrieb etwa ein straßenverkehrsrechtlich unzulässiges verhalten der fahrer von liefer- oder kundenfahrzeugen – nicht ohne weiteres dem bauherrn oder betreiber zuzurechnen ist und einem solchen verhalten grundsätzlich mit den mitteln des ordnungsrechts zu begegnen ist. 66vgl. ovg nrw, beschluss vom 29. märz 2018 - 7 a 320/17 -, juris (rn. 8); bayvgh, beschluss vom 8. januar 2019 - 9 cs 17.2482 -, juris (rn. 21). 67das verhalten dritter ist dem bauvorhaben jedoch dann zuzurechnen und bei der prüfung zu berücksichtigen, wenn mit dem auftreten derartiger störungen bei objektivierter und typisierter betrachtungsweise von vornherein konkret zu rechnen ist. 68vgl. vg köln, beschluss vom 1. februar 2012 - 2 l 1915/11 -, juris (rn. 22); in anderem kontext auch vg gelsenkirchen, urteil vom 11. august 2020 - 6 k 3783/18 -, juris (rn. 53), m.w.n. 69die möglichkeit, den an- und abfahrtverkehr gegebenenfalls nach aufnahme der nutzung durch straßenverkehrsrechtliche anordnungen zu regeln, ist bei der prüfung eines bauantrags außer betracht zu lassen. denn die baugenehmigung bescheinigt, dass das zur genehmigung gestellte vorhaben mit öffentlich-rechtlichen vorschriften übereinstimmt und zur betriebsaufnahme freigegeben ist. anders als ein bebauungsplan kann sie nicht mit dem mittel der konfliktverlagerung auf spätere zulassungsebenen arbeiten. sie muss die durch sie hervorgerufenen konflikte abschließend bewältigen und darf nicht in nachbarrechtsrelevanten problemlagen darauf setzen, diese würden eventuell durch spätere verwaltungsentscheidungen gelöst. 70vgl. ovg nrw, urteil vom 15. mai 2013 - 2 a 3009/11 -, juris (rn. 55). 71bedarf es nach alledem im einzelfall organisatorischer vorkehrungen zur vermeidung von unzumutbaren verkehrs- und erschließungsverhältnissen, sind diese in der baugenehmigung konkret festzuschreiben. 72vgl. ovg nrw, urteil vom 14. juni 2019 - 7 a 2387/17 -, juris (rn. 79). 73gemessen an diesen grundsätzen hält die kammer das genehmigte vorhaben des beigeladenen (nach den vorgenommenen ergänzungen und modifikationen der baugenehmigung) nicht für in nachbarrechtsrelevanter weise unbestimmt oder rücksichtslos. 74nicht zu verkennen ist, dass der genehmigte betrieb für die klägerin mit belästigungen verbunden sein kann. denn auch wenn der lieferverkehr der mieterin des beigeladenen in der durch das nun vorliegende konzept festgeschriebenen weise abgewickelt wird, ist er mit nicht unerheblichem lkw-verkehr auf der nur mäßig dimensionierten und ausgebauten straße „im t. “ verbunden. dass es hier zu gelegentlichen begegnungen der fahrzeuge beider betriebe auch auf demjenigen abschnitt der straße kommt, welcher keinen begegnungsverkehr erlaubt, ist zu erwarten. ebenfalls zu erwarten ist, dass sattelschlepper und gliederzüge, welche die nunmehr vorgesehenen be- und entladepositionen auf der recht engen anlieferungsfläche anfahren, die straße durch rangiervorgänge kurzzeitig blockieren. 75nach auffassung der kammer gehen die absehbaren belästigungen bei genehmigungsgemäßer nutzung aber nicht über das maß hinaus, das der klägerin als grundstücksnachbarin in einer gewerblich geprägten umgebung zuzumuten ist. zu bedenken ist in diesem zusammenhang auch, dass das betriebsgrundstück der g2. . h2. hinsichtlich seiner erschließung in gewissem umfang situationsvorbelastet ist. denn die für die zufahrt zu dem baustoffhandel der g2. . h2. entscheidende straße „im t. “, welche das betriebsgrundstück mit der nächsten größeren straße verbindet, ist – wie bereits angemerkt – seit jeher nur mäßig dimensioniert und ausgebaut. insbesondere in dem zwischen den hallen gelegenen teilstück ist die straße teilweise nicht mehr als dreieinhalb bis vier meter breit und lässt begegnungsverkehr mit größeren fahrzeugen demgemäß nicht zu. die klägerin hat ihren betrieb dennoch auf diese öffentliche straße hin organisiert. aufgrund der beiden fahrzeugwaagen können sattelschlepper nur an den beiden vorgesehenen stellen auf das betriebsgrundstück und von diesem herunterfahren. sie können also nicht an anderer stelle – z.b. weiter westlich im bereich des mitarbeiterparkplatzes – auf- bzw. abfahren. bei einem teil der auslieferungen fahren die frisch beladenen lastzüge von der lkw-ausfahrt auf die öffentliche straße, um dann unmittelbar wieder auf das betriebsgrundstück einzubiegen und dort bis zur auslieferung der ware abgestellt zu werden; dieses „karussell“ findet gerade im bereich vor der be- und entladefläche der mieterin des beigeladenen statt. dass aufgrund der vorstehend geschilderten abläufe und der termingebundenheit des geschäfts der klägerin jede blockade der straße „im t. “ misslich ist, ist nachvollziehbar. es führt allerdings nicht dazu, dass andere verkehrsteilnehmer die öffentliche straße nicht mehr in gewöhnlichem umfang nutzen dürfen; die klägerin hat insoweit – trotz ihrer langjährigen tätigkeit an diesem standort – kein recht auf eine vorrangige nutzung der öffentlichen straße. 76da der betrieb seiner mieterin mit nicht unerheblichem lkw-verkehr verbunden ist und die für die be- und entladevorgänge vorhandene fläche auf dem grundstück des beigeladenen begrenzt ist, war es allerdings geboten, durch entsprechende regelungen in der baugenehmigung sicherzustellen, dass die straße „im t. “ nicht regelmäßig selbst als teil der be- und entladefläche missbraucht wird, beispielsweise indem fahrzeuge bei belegung der fläche östlich der halle auf der straße be- bzw. entladen werden oder indem sattelschlepper so abgestellt werden, dass das heck im bereich des hallentores, die zugmaschine aber auf der straße steht. denn der beigeladene hat selbstverständlich kein recht, die enge auf dem östlich der halle gelegenen teil des grundstücks dadurch zu kompensieren, dass er die öffentliche straße zu einem teil der betriebsfläche macht und damit ihre nutzung durch andere anlieger beschränkt; auch er und seine mieterin dürfen die öffentliche straße nur in gewöhnlichem umfang benutzen. 77derartige regelungen sind infolge der beiden nachtragsgenehmigungen vom 25. januar 2022 und vom 7. juni 2022 sowie der (dem beigeladenen gegenüber bestandskräftigen) modifikationen in der mündlichen verhandlung nun in der baugenehmigung enthalten: 78dies gilt zunächst für die zahl der im zusammenhang mit dem betrieb der mieterin des beigeladenen zugelassenen fahrzeuge. der beigeladene hat in der nunmehr vorliegenden und allein maßgeblichen fassung der betriebsbeschreibung zehn lkw der größe nach aufgeführt, die täglich auf der fraglichen fläche östlich der halle be- oder entladen werden. durch die entfernung des zusatzes „ca.“ und die klarstellung in der mündlichen verhandlung steht nun unzweifelhaft fest, dass es sich hier um eine festschreibung der maximal zulässigen zahl an fahrzeugen handelt. insbesondere wird dem durch das anlieferungskonzept des beigeladenen hervorgerufenen eindruck entgegengewirkt, dass neben den zehn lkw unter umständen noch eine größere zahl von „sprintern“, pritschenwagen, pkw mit anhänger etc. zu erwarten ist. die beklagte hat durch ihre entsprechende erklärung in der mündlichen verhandlung klargestellt, dass derartige kleinere fahrzeuge nur anstelle der größeren lkw, nicht aber zusätzlich zu diesen verwendet werden dürfen, um waren der mieterin an- oder auszuliefern. bei einhaltung dieser maximalbegrenzung auf täglich zehn fahrzeuge innerhalb einer betriebszeit von 16 stunden ist zu erwarten, dass die zahl der das grundstück gleichzeitg anfahrenden lieferfahrzeuge in aller regel klein sein wird, auch wenn sich die zeitliche abfolge der ankunft der einzelnen fahrzeuge häufig nicht exakt steuern lässt, wie der beigeladene in der mündlichen verhandlung nachvollziehbar erläutert hat. 79die baugenehmigung schreibt in ihrer jetzigen fassung ferner eindeutig vor, dass die be- und entladevorgänge auf dem grundstück des beigeladenen und nicht auf der öffentlichen straße stattzufinden haben. um dies sicherzustellen, müssen insbesondere für die langen lkw entsprechende flächen auf dem grundstück markiert werden mit dem ziel, den ständig wechselnden fahrern orientierung bei der anfahrt des grundstücks zu bieten. selbst wenn im einzelfall mehrere (große) fahrzeuge zugleich das lager der mieterin des beigeladenen anfahren, müssen sie bei ihrer be- bzw. entladung vollständig auf dem grundstück, dürfen also nicht teilweise auf der straße stehen. diese klare vorgabe schafft zugleich einen erheblichen anreiz für die mieterin des beigeladenen, in ihrem betrieblichen alltag darauf hinzuwirken, dass die lieferfahrzeuge die fragliche fläche auch tatsächlich anfahren können, dass diese also insbesondere nicht regelmäßig mit gegenständen vollgestellt ist, wenn die ankunft eines (größeren) fahrzeugs bevorsteht. die von der klägerin für geboten gehaltene strikte vorgabe, den bereich der be- und entladepositionen sowie der schleppkurven zu jeder zeit vollständig frei zu halten, hielte die kammer demgegenüber für einen unverhältnismäßigen eingriff in die betriebsabläufe der mieterin des beigeladenen. denn diese hat ein nachvollziehbares interesse daran, bei der bevorstehenden ankunft eines abholers gegebenenfalls die kommissionierte ware bereits auf der außenfläche bereitzustellen. ähnliches gilt für die bevorstehende ankunft eines entsorgungsfahrzeugs. dass die für die be- und entladung der lieferfahrzeuge erforderlichen flächen nicht durch die privatfahrzeuge der mitarbeiter blockiert werden, ist durch die in der mündlichen verhandlung hinzugefügte nebenbestimmung sichergestellt, der zufolge die mitarbeiter westlich der halle zu parken haben. 80der klägerin gegenüber unzumutbar wäre es ohne zweifel, wenn die mit der baugenehmigung für den betrieb zugelassenen sattelschlepper und gliederzüge die be- und entladefläche der mieterin des beigeladenen nur unter inanspruchnahme des grundstücks der klägerin anfahren könnten. dies ist jedoch nicht der fall. während die zunächst vorgelegten und zum gegenstand der nachtragsgenehmigung vom 25. januar 2022 gemachten schleppkurven erkennbar mangelhaft waren, belegen die nunmehr vorgelegten und mit der nachtragsgegnehmigung vom 7. juni 2022 „grüngestempelten“ schleppkurven, dass auch die sattelschlepper und gliederzüge das baugrundstück und die (teilweise neuen) be- und entladepositionen ohne inanspruchnahme des grundstücks der klägerin anfahren können. die klägerin ist den neuen, durch ein fachlich einschlägiges ingenieurbüro erstellten und vom tiefbauamt der beklagten geprüften schleppkurvenplänen auch nicht mehr substantiiert entgegen getreten. dass der mit den schleppkurven beschriebene fahrweg durchaus anspruchsvoll ist und es gelegentlich zu korrekturen beim rangieren kommen wird, ist nicht in abrede zu stellen. dass die öffentliche straße aus diesem grunde zeitlich in einem maße in anspruch genommen wird, das zu einer verletzung des bauplanungsrechtlichen rücksichtnahmegebots führt, vermag die kammer aber nicht festzustellen. 81zur nachbarrechtswidrigkeit der baugenehmigung führt auch nicht der einwand der klägerin, bei gleichzeitiger ankunft zweier sattel- oder gliederzüge könne ein be- und entladen aus platzgründen nicht stattfinden. die kammer geht davon aus, dass es möglich ist, zumindest das eine fahrzeug durch entsprechendes vorziehen auf der anlieferungsfläche zu be- bzw. entladen, während das andere fahrzeug in der vorgesehenen abstellposition wartet. durch die klare vorgabe, dass kein teil des fahrzeugs beim be- oder entladen auf der öffentlichen straße stehen darf, ist jedenfalls den rechten der klägerin in hinreichender weise rechnung getragen. aus ähnlichen gründen hält die kammer es auch für unschädlich, dass nach dem konzept in verbindung mit den erläuterungen des beigeladenen nicht ausgeschlossen ist, dass auch bei einer belegung der vorgesehenen be- und entladepositionen p1 bis p3 kleinere fahrzeuge zusätzlich auf dem vorderen teil der fläche abgestellt werden, obwohl der kleinere stellplatz im südwestlichen bereich der fläche auf den jetzt maßgeblichen schleppkurven nicht mehr dargestellt ist. rechte der klägerin werden insoweit nicht verletzt, wenn das be- und entladen – wie ausdrücklich vorgeschrieben – auf dem grundstück stattfindet. im übrigen dürften bei einer beschränkung auf zehn fahzeuge am tag eher selten mehr als drei fahrzeuge gleichzeitig den betrieb der mieterin des beigeladenen anfahren. 82das im anlieferungskonzept vorgesehene, zwischen den beteiligten umstrittene halten eines fahrzeugs auf der neu asphaltierten fläche vor der einfahrt des grundstücks des beigeladenen ist lediglich für den fall vorgesehen, dass ein dritter sattel- oder gliederzug eintrifft und auch hier nur insoweit, als es dem fahrer erlaubt sein soll, das fahrzeug abzustellen, um sich nach dem weiteren vorgehen zu erkundigen. bei einer zugelassenen zahl von vier derartigen lastwagen pro tag dürfte diese situation allerdings selten eintreten. außerdem bleiben die auf der öffentlichen straße geltenden vorgaben der straßenverkehrsordnung (stvo) von der baugenehmigung selbstverständlich unberührt. sollte ein drittes großes fahrzeug an der in rede stehenden stelle halten und zugleich ein fahrzeug der g2. . h2. von p. kommend die einfahrt zum baustoffhandel anfahren, so dürfte der fahrer des haltenden fahrzeugs schon gemäß § 1 stvo gehalten sein, dem fahrzeug der g2. . h2. ein ausholen zu ermöglichen, indem er sein fahrzeug entsprechend versetzt. angesichts des umstands, dass diese konstellation nur sehr selten einzutreten verspricht, vermag dieses problem nicht zur rücksichtslosigkeit der baugenehmigung zu führen. 83bei alldem ist im übrigen zu bedenken, dass der beigeladene und seine mieterin einen anspruch auf gleichbehandlung durch die bauaufsichtsbehörde haben. bei nicht wenigen gewerbebetrieben – vermutlich auch bei der g2. . h2. – sind die fahrwege der kunden-, liefer- und betriebsfahrzeuge gar nicht oder jedenfalls nicht metergenau in der baugenehmigung festgeschrieben. bei der mieterin des beigeladenen besteht zwar – wie oben aufgezeigt – wegen der beschränktheit des platzangebots auf der fläche östlich der halle grundsätzlich das bedürfnis nach einer regelung des fahrzeugverkehrs. ihr selbst für seltene ausnahmefälle minutiöse vorgaben in der baugenehmigung zu machen, erscheint aber überzogen. 843. 85die kostenentscheidung folgt aus §§ 154 abs. 1, 162 abs. 3 vwgo. es entspricht nicht der billigkeit, der klägerin auch die außergerichtlichen kosten des beigeladenen aufzuerlegen, da dieser keinen antrag gestellt und sich damit gemäß § 154 abs. 3 vwgo seinerseits keinem kostenrisiko ausgesetzt hat. 86die entscheidung über die vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167 vwgo, 708 nr. 11 und 711 zivilprozessordnung. 87rechtsmittelbelehrung: 88gegen dieses urteil steht den beteiligten die berufung an das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. die berufung ist nur zuzulassen, wenn 891. ernstliche zweifel an der richtigkeit des urteils bestehen, 902. die rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche schwierigkeiten aufweist, 913. die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat, 924. das urteil von einer entscheidung des oberverwaltungsgerichts, des bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen senats der obersten gerichtshöfe des bundes oder des bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser abweichung beruht oder 935. ein der beurteilung des berufungsgerichts unterliegender verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die entscheidung beruhen kann. 94die zulassung der berufung ist innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils schriftlich bei dem verwaltungsgericht gelsenkirchen, bahnhofsvorplatz 3, 45879 gelsenkirchen, zu beantragen. der antrag muss das angefochtene urteil bezeichnen. innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils sind die gründe darzulegen, aus denen die berufung zuzulassen ist. die begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem antrag vorgelegt worden ist, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen, aegidiikirchplatz 5, 48143 münster, schriftlich einzureichen. 95auf die unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung von schriftstücken als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 96im berufungsverfahren muss sich jeder beteiligte durch einen prozessbevollmächtigten vertreten lassen. dies gilt auch für den antrag auf zulassung der berufung. der kreis der als prozessbevollmächtigte zugelassenen personen und organisationen bestimmt sich nach § 67 abs. 4 vwgo.
346,449
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20 K 393/22
2022-08-16T00:00:00
Urteil
Tenor Der Bescheid der Bezirksregierung Düsseldorf vom 18. Dezember 2021 wird aufgehoben. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Berufung gegen das Urteil wird zugelassen. 1Tatbestand: 2Der Kläger betreibt ein Schnellrestaurant. 3Mitte März 2020 gerieten insbesondere kleine Unternehmen und Selbstständige durch verschiedene infektionsschutzrechtliche Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie („harter Lockdown“) in wirtschaftliche Notlage. So musste auch der Kläger sein Restaurant zeitweilig schließen. 4Als Reaktion hierauf schuf der Bund das Programm „Soforthilfe für Kleinstunternehmen und Soloselbstständige“, um betroffenen Unternehmen und Selbstständigen kurzfristig Finanzhilfen bereitzustellen. 5Das damalige Bundesministerium für Wirtschaft und Energie veröffentlichte hierzu unter anderem Eckpunkte vom 23. März 2020, 6vgl. https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Pressemitteilungen/Finanzpolitik/2020/03/2020-03-23-pm-Soforthilfefond-download.pdf?__blob=publicationFile&v=3, 7und Kurzfakten vom 30. März 2020, 8vgl. https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/J-L/kurzfakten-corona-soforthilfen.pdf?__blob=publicationFile&v=12. 9Das beklagte Land beschloss, das Programm des Bundes in vollem Umfang an die vorgesehenen Zielgruppen weiterzuleiten und erweiterte das Bundesprogramm um die Empfängergruppen mit bis zu 50 Beschäftigten. Beide Maßnahmen wurden in der „NRW-Soforthilfe 2020“ gebündelt. Die federführende Verantwortung lag hierbei bei dem Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen. Auf dessen Internetpräsenz waren sog. FAQ in verschiedenen Fassungen unter dem Link https://wirtschaft.nrw.de/nrw-soforthilfe-2020 abrufbar. Bezüglich des genauen Inhalts wird auf die vom Beklagten im Verfahren 20 K 7488/20 übersandten Anlagen B5 bis B19 verwiesen. 10Der Kläger stellte seinen Antrag am 30. März 2020 und verwendete hierfür das online vom Beklagten bereitgestellte Formular „Antrag auf Gewährung einer Soforthilfe für von der Corona-Krise 03/2020 besonders geschädigte Unternehmen und Angehörige Freier Berufe einschließlich Soloselbstständige aus dem Soforthilfeprogramm des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen sowie dem Bundesprogramm „Soforthilfe für Kleinstunternehmer und Soloselbstständige“ („NRW-Soforthilfe 2020“)“. 11Im Antragsformular hieß es unter Ziffer 5.: 12„Die Soforthilfe wird als Billigkeitsleistung auf der Grundlage der Regelung zur vorübergehenden Gewährung geringfügiger Beihilfen im Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19 („Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020“) zur Überwindung der existenzbedrohenden Wirtschaftslage bzw. des Liquiditätsengpasses gewährt.“ 13Unter Ziffer 6.1 versicherte der Kläger: „Falls nicht anders angegeben, sind die Kriterien auf den Zeitpunkt der Antragstellung zu beziehen. Ich versichere, dass meine wirtschaftliche Tätigkeit durch die Corona-Krise wesentlich beeinträchtigt ist, da entweder 14- mehr als die Hälfte der Aufträge aus der Zeit vor dem 1. März durch die Corona-Krise weggefallen ist oder 15- die Umsätze gegenüber dem Vorjahresmonat mehr als halbiert sind (Gründungen: Vormonat) oder 16- die Umsatzerzielungsmöglichkeiten durch eine behördliche Auflage im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie massiv eingeschränkt wurden oder 17- die vorhandenen, Mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen Zahlungsverpflichtungen des Unternehmens zu erfüllen (z.B. Mieten, Kredite für Betriebsräume, Leasingraten).“ 18Unter Ziffer 6.2 versicherte der Kläger: 19„Ich versichere, dass die in Nr. 1.1. benannten Antragsvoraussetzungen sämtlich vorliegen und ein Liquiditätsengpass nicht bereits vor dem 1. März bestanden hat.“ 20Unter Ziffer 6.11 versicherte der Kläger: 21„Mir ist bekannt, dass ich den Zuschuss als Billigkeitsleistung erhalte und im Falle einer Überkompensation (Entschädigungs-, Versicherungsleistungen, andere Fördermaßnahmen) die erhaltene Soforthilfe zurückzahlen muss.“ 22Mit Bescheid vom 30. März 2020 bewilligte die Bezirksregierung Düsseldorf dem Kläger auf seinen Antrag eine Soforthilfe in Höhe von 9.000,00 Euro. Der Betrag wurde kurze Zeit später in voller Höhe ausgezahlt. In dem Bescheid, der nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, heißt es auszugsweise: 231. Bewilligung 24Auf Ihren o. g. Antrag bewillige ich gemäß § 53 LHO i. V. m. dem Programm zur Gewährung von Soforthilfen aus dem Bundesprogramm „Corona-Soforthilfen für Kleinstunternehmen und Selbständige“ und dem ergänzenden Landesprogramm „NRWSoforthilfe 2020“ eine Soforthilfe i. H. v. 9.000,00 € (in Worten: neuntausend Euro) als einmalige Pauschale. 25Diese wird überwiesen auf die von Ihnen angegebene Bankverbindung (XX). Bei der Soforthilfe handelt es sich um eine Kleinbeihilfe gemäß der Regelung zur vorübergehenden Gewährung geringfügiger Beihilfen im Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19 („Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020"). 262. Zweckbindung 27Die Soforthilfe erfolgt ausschließlich zur Milderung der finanziellen Notlagen des betroffenen Unternehmens bzw. des Selbstständigen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie als Einmalzahlung für einen Bewilligungszeitraum von drei Monaten ab Antragstellung. Die Soforthilfe dient insbesondere zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen, die seit dem 1. März 2020 in Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie entstanden sind. Nicht umfasst sind vor dem 1. März 2020 entstandene wirtschaftliche Schwierigkeiten bzw. Liquiditätsengpässe. 28II. Nebenbestimmungen 29Die Soforthilfe wird unter folgenden Nebenbestimmungen gewährt: 30311. Dem Bescheid liegt eine Anzahl von 00 Beschäftigten (Vollzeitäquivalenten) zugrunde. 322. Grundlage und Bestandteil des Bescheides ist Ihr Antrag vom 30.3.2020. 333. Sollten Sie am Ende des dreimonatigen Bewilligungszeitraums feststellen, dass diese Finanzhilfe höher ist als Ihr Umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter Kosten (z.B. Mietminderung) und Sie die Mittel nicht (vollständig) zur Sicherung Ihrer wirtschaftlichen Existenz bzw. Ausgleich Ihres Liquiditätsengpasses benötigen, sind die zu viel gezahlten Mittel auf das Konto der Landeskasse XX unter Angabe des auf Seite 1 dieses Bescheides genannten Aktenzeichens zurückzuzahlen. 34Der zurück erstattete Betrag ist nicht steuerpflichtig. 35Am 31. Mai 2020 wurden die „Richtlinien des Landes zur Gewährung von Soforthilfen für gewerbliche Kleinunternehmen, Selbstständige und Angehörige freier Berufe, die infolge der Sars-CoV-2-Pandemie in ihrer Existenz gefährdet sind“ als Runderlass des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie (Az. VB 5 - 2020) – im Folgenden: Richtlinie – erlassen und traten laut Ziffer 9. mit Wirkung vom 27. März 2020 in Kraft. 36Unter dem 3. Juli 2020, 5. Oktober 2020, 2. Dezember 2020 sowie 14. Juni 2021 versandte der Beklagte an sämtliche Antragsteller Emails, in denen er auf die Notwendigkeit zur Durchführung eines Rückmeldeverfahrens, den hierfür bereitgestellten Vordruck sowie die hierbei nach seiner Auffassung geltenden Regelungen und Fristen hinwies. 37Am 21. Oktober 2021 füllte der Kläger das vom Beklagten online bereitgestellte “Rückmelde-Formular ermittelter Liquiditätsengpass NRW-Soforthilfe 2020“ aus. Der Kläger wählte hierin als Förderzeitraum die Zeit vom 1. März 2020 bis 31. Mai 2020. Nach Eingabe seiner vom Formular abgefragten Einnahmen und Ausgaben in diesem Berechnungszeitraum ergab sich, dass der Kläger im Monat März einen Liquiditätsengpass in Höhe von 00 Euro, im Monat April einen Liquiditätsengpass in Höhe von 00 Euro sowie im Monat Mai einen Einnahmenüberschuss in Höhe von 00 Euro (Zeile 24) und damit insgesamt einen Liquiditätsengpass von 0 Euro im Förderzeitraum (Zeile 25) hatte; zu seinen Gunsten wurde lediglich ein fiktiver Unternehmerlohn in Höhe von 2.000,00 Euro angesetzt sei. Hieraus ergab sich ein Rückzahlungsbetrag in Höhe von 7.000,00 Euro. 38Unter dem 18. Dezember 2021 erließ die Bezirksregierung Düsseldorf gegenüber dem Kläger einen Schlussbescheid mit folgendem Tenor: 39401. Es wird ein Liquiditätsengpass in Höhe von 2.000 Euro festgestellt. 412. Die Höhe der Soforthilfe wird auf 2.000 Euro festgesetzt. 423. Der überzahlte Betrag in Höhe von 7.000 Euro ist bis zum 31. Oktober 2022 auf das Konto der Landeshauptkasse (Bezirksregierung Düsseldorf) IBAN XX unter Angabe des oben genannten Aktenzeichens zurückzuerstatten. 434. Dieser Bescheid ergeht kostenfrei. 44Zur Begründung führte die Bezirksregierung aus, der Kläger habe am 21. Oktober 2022 einen tatsächlichen Liquiditätsengpass in Höhe von 2.000,00 Euro gemeldet. Die Feststellung des Liquiditätsengpasses und die Festsetzung der Soforthilfe beruhten auf § 53 Landeshaushaltsordnung NRW (LHO) i.V.m. der Regelung zur vorübergehenden Gewährung geringfügiger Beihilfen im Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit dem Ausbruch von Sars-CoV-2 („Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020"), der Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bund und dem Land Nordrhein-Westfalen über die „Corona-Soforthilfen insbesondere für kleine Unternehmen und Solo-Selbstständige" vom 1. April 2020 einschließlich der dazu erlassenen Vollzugshinweise sowie den „Richtlinien des Landes zur Gewährung von Soforthilfen für gewerbliche Kleinunternehmen, Selbstständige und Angehörige freier Berufe, die infolge der Sars-CoV-2-Pandemie in ihrer Existenz gefährdet sind“ („NRW-Soforthilfe 2020“) vom 31. Mai 2020. Nach Ziffern 3.1, 3.2, 5.2 und 5.3 der Richtlinie sei die NRW-Soforthilfe 2020 antragsberechtigten Leistungsempfängern, die die Antragsvoraussetzungen erfüllt hätten, zunächst in voller Höhe gewährt worden. Die endgültige Festsetzung habe nach Meldung der Berechnung der Höhe des Liquiditätsengpasses zu erfolgen. Ergebe sich dabei, dass der vorläufig vollständig gezahlte Soforthilfebetrag nicht oder nur teilweise vom Liquiditätsengpass abgedeckt sei, werde die Soforthilfe nur in Höhe des Liquiditätsengpasses gewährt; anderenfalls sei die vorläufige Zahlung endgültig. Die Rückforderung des überzahlten Differenzbetrages beruhe auf § 49a Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) i.V.m. Ziffer 5.3 der Richtlinie und der Ziffer II. 3. des Bewilligungsbescheides. § 49a Abs. 1 VwVfG NRW werde entsprechend angewendet, wenn ein Verwaltungsakt, der eine Leistung zunächst nur vorläufig bewilligt habe, rückwirkend durch einen anderen Verwaltungsakt teilweise ersetzt werde, der die Leistung endgültig in geringerer Höhe festsetze. 45Der Kläger hat am 14. Januar 2022 Klage erhoben. 46Zur Begründung führt er aus, er habe zwar im Erfassungszeitraum per Saldo keinen Liquiditätsengpass im Sinne von Ziffer 5.3 der Richtlinie gehabt, weil er die Umsatzausfälle während des Lockdowns mit Umsätzen nach dem Lockdown habe ausgleichen können. Bei dem Schlussbescheid handele es sich jedoch um den teilweisen Widerruf des ursprünglichen Bewilligungsbescheids vom 30. März 2020, in dem die Soforthilfe auf 9.000,00 Euro festgesetzt worden sei. An der Qualifikation als Widerruf ändere sich insbesondere auch nichts dadurch, dass der angefochtene Bescheid als „Schlussbescheid“ bezeichnet werde. Dies suggeriere zwar, dass die Bewilligung der Soforthilfe zunächst nur vorläufig erfolgt sei und von vornherein klar gewesen sei, dass über die letztliche Berechtigung zur Soforthilfe erst später abschließend, eben in einem Schlussbescheid habe befunden werden sollen. Ein solcher genereller Vorläufigkeitscharakter ergebe sich aus dem Bewilligungsbescheid aber nicht. Wörter wie „vorläufig“, „Obergrenze“ oder „Höchstbetrag“ oder auch nur gleichbedeutende Wörter oder Formulierungen suche man im Text des Bewilligungsbescheides vergeblich. Ebenso wenig lasse sich der Ziffer II.3 des Bewilligungsbescheids ein genereller Vorläufigkeitsvorbehalt entnehmen. Im Gegenteil habe er davon ausgehen dürfen, dass er die Soforthilfe bei Einhaltung dieser Nebenbestimmungen sicher habe behalten dürfen. Die Voraussetzungen für einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 VwVfG NRW seien in Bezug auf den Bewilligungsbescheid nicht gegeben. Insbesondere sei der Widerruf nicht im Bewilligungsbescheid vorbehalten worden. Dort habe es in Ziffer II.3. gerade nur geheißen, dass er die Soforthilfe zurückzahlen müsse, wenn sich am Ende des dreimonatigen Bewilligungszeitraums herausstelle, dass die Soforthilfe höher sei als sein Umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter Kosten und er die Mittel nicht vollständig zur Sicherung seiner wirtschaftlichen Existenz bzw. seines Liquiditätsengpasses benötigt habe. Die Soforthilfe von 9.000,00 Euro sei jedoch nicht höher als sein während des Lockdowns erlittener Umsatzausfall abzüglich eingesparter Kosten gewesen. Seine Umsätze von März bis Mai 2019 hätten 00 Euro betragen, die Umsätze von März bis Mai 2020 00 Euro, woraus sich ein Umsatzrückgang von 00 Euro ergebe. Dieser Umsatzausfall sei auch nicht durch ersparte Aufwendungen kompensiert worden. Ersparte Aufwendungen hätten das Betriebsergebnis erhöht, der sich aus Umsatz minus Kosten ergebe. Das Betriebsergebnis von März bis Mai 2019 habe 00 Euro betragen, das Betriebsergebnis von März bis Mai 2020 00 Euro, woraus sich ein Rückgang des Betriebsergebnisses von 00 Euro ergebe. Da die Voraussetzung des Umsatzausfalls in Ziffer II.3. des Bewilligungsbescheids durch ein „und“ mit der weiteren Voraussetzung für eine Rückforderung, dass er die Mittel nicht vollständig zur Sicherung seiner wirtschaftlichen Existenz bzw. seines Liquiditätsengpasses benötigt habe, verbunden gewesen sei, komme es nach dem Bewilligungsbescheid allein auf die Frage, ob und inwieweit er einen Liquiditätsengpass erlitten habe, schon gar nicht an. Hinzu komme, dass das Erfordernis, dass die Soforthilfe nicht höher sein dürfe als der Liquiditätsengpass in einem dreimonatigen Erfassungszeitraum, erst nach Beantragung der Soforthilfe und deren Bewilligung in Form der Richtlinie erstmals aufgestellt worden sei. 47Der Kläger beantragt, 48den Bescheid der Bezirksregierung Düsseldorf vom 18. Dezember 2021 aufzuheben. 49Der Beklagte beantragt, 50die Klage abzuweisen. 51Zur Begründung trägt er vor, der vom Kläger im Rahmen der Rückmeldung angegebene tatsächliche Liquiditätsengpass betrage 2.000,00 Euro. Demensprechend sei ein Liquiditätsengpass in dieser Höhe festgestellt, die Soforthilfe in dieser Höhe festgesetzt und der überschießende Betrag in Höhe von 7.000,00 Euro zurückgefordert worden. 52Für die im vorliegenden Verfahren in Rede stehenden Rechtsfragen sei von entscheidender Bedeutung, dass die NRW-Soforthilfe 2020 nicht nur eines von mehreren staatlichen Hilfsangeboten zur Abmilderung der beträchtlichen negativen ökonomischen Folgen der Corona-Pandemie, sondern vielmehr die allererste, unbürokratische und unverzügliche Liquiditätshilfe – eben eine Soforthilfe – gewesen sei. Über die Internetpräsenz des ehemaligen Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie NRW habe sich jeder Betroffene im Vorfeld der Antragstellung umfassend über den Zweck der NRW-Soforthilfe 2020 und die Antragsberechtigung informieren können. Hierdurch habe jedem Antragsteller unmissverständlich klar werden müssen, dass die NRW-Soforthilfe 2020 der Sicherstellung der Finanzierung von Verbindlichkeiten für fortlaufende erwerbsmäßige Sach- und Finanzausgaben gedient habe und jeder Hilfeempfänger nach Ende des Bewilligungszeitraums verpflichtet gewesen sei, seinen tatsächlichen Liquiditätsengpass zu berechnen und zu viel erhaltene Mittel zurückzuzahlen. 53Bei der ursprünglichen Bewilligung habe es sich um die nur vorläufige positive Bescheidung des Antrages zur NRW-Soforthilfe 2020 gehandelt, die erst durch die Festsetzung der tatsächlichen Höhe der Antragsberechtigung aufgrund des später ermittelten Liquiditätsengpasses endgültig verbindlich beschieden worden sei. Begründung und Berechtigung für die vorläufige Bescheidung sei die Ungewissheit über die zu treffende endgültige Entscheidung, namentlich die konkrete Höhe der zu gewährenden Soforthilfe anhand des nachträglich zu ermittelnden, konkreten Liquiditätsengpasses im maßgeblichen Bewilligungszeitraum gewesen. Hiernach sei der Bewilligungsbescheid zwingend auf eine Ergänzung durch einen weiteren Verwaltungsakt angelegt gewesen, durch den die Zuwendung erst abschließend habe geregelt werden sollen. Dieser sei in Form des Schlussbescheids ergangen. Die Vorläufigkeit und Notwendigkeit eines Schlussbescheides hätten sich ohne weiteres aus den Ziffern 5.2 und 5.3 der Richtlinie sowie der Nebenbestimmung II.3. des Bewilligungsbescheides ergeben. Eindeutig ablesbar seien sie aber auch aus den Kurzfakten zum Bundesprogramm. Hintergrund sei, dass Nordrhein-Westfalen sich bei der Umsetzung des Bundesprogramms im Gegensatz zu allen anderen Bundesländern dafür entschieden habe, zunächst den Förderhöchstbetrag als Pauschale auszuzahlen, um Verzögerungen bei der Auszahlung zu vermeiden. Dies habe ein Rückmeldeverfahren unabdingbar gemacht, in welchem der individuelle Liquiditätsengpass ermittelt und die tatsächliche Förderhöhe habe festgestellt werden müssen. Dabei komme es an dieser Stelle überhaupt noch nicht darauf an, ob sich die Höhe der tatsächlich zustehenden Soforthilfe aus einem tatsächlich vorhandenen Liquiditätsengpass oder aus einem tatsächlich vorhandenen Umsatzausfall berechne. Denn jedenfalls habe jedem Empfänger durch die Nebenbestimmung II.3. des Bewilligungsbescheides offensichtlich klar sein müssen, dass aus den tatsächlichen Entwicklungen eine jedenfalls teilweise Rückzahlungspflicht entstehen könne, man die erhaltene Soforthilfe also nicht unbedingt, jedenfalls nicht unbedingt in voller Höhe werde behalten können. Mit dem Bewilligungsbescheid sei lediglich über die grundsätzliche Antragsberechtigung entschieden worden, jedoch noch nicht abschließend über die Höhe der Soforthilfe. Da der Bewilligungsbescheid eine vorläufige Regelung treffe und sich somit eine endgültige Regelung vorbehalten habe, habe die Bewilligungsbehörde diesen durch die endgültige Regelung im Schlussbescheid ersetzen können, ohne insoweit an die Einschränkungen der §§ 48, 49 VwVfG NRW gebunden zu sein. 54Rechtsgrundlage für den Schlussbescheid sei dementsprechend § 53 LHO i.V.m. dem Bundesprogramm „Soforthilfen für Kleinstunternehmen und Soloselbstständige“ (Corona Soforthilfeprogramm des Bundes), der dazu ergangenen Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bund und dem beklagten Land über die Corona Soforthilfen und die erst nach Erlass der Bewilligungsbescheide am 31. Mai 2020 mit Wirkung vom 27. März 2020 in Kraft getretene Richtlinie. Die Höhe der tatsächlich zustehenden Soforthilfe und damit korrespondierend die Höhe einer Rückzahlungspflicht bestimme sich in Konkretisierung der Nebenbestimmung II.3. des Bewilligungsbescheides nach den Vorgaben der Richtlinie. Dem stehe insbesondere nicht der Erlass der Richtlinie am 31. Mai 2020 mit Wirkung zum 27. März 2020 entgegen. Denn die Richtlinie sei als ministerieller Runderlass eine bloße interne Verwaltungsvorschrift, die allein dazu gedient habe, eine dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung zu gewährleisten. Als eben solche Verwaltungsvorschrift habe die Richtlinie für ihre Wirksamkeit grundsätzlich nicht einmal veröffentlicht werden müssen. Zudem habe sie der Ermessenslenkung bei Erlass der Schlussbescheide gedient, welche durchweg erst nach dem 31. Mai 2020 erlassen worden seien. 55Der Schlussbescheid sei formell rechtmäßig, insbesondere liege keine Verletzung der Anhörungspflicht gem. § 28 Abs. 1 VwVfG NRW vor, da gem. § 28 Abs. 2 Nr. 4 Varianten 2 und 3 VwVfG NRW von einer Anhörung habe abgesehen werden dürfen. Die abschließend festzusetzende Soforthilfe habe sich rechnerisch aus den von den Antragstellern im Rahmen des Rückmeldeverfahrens zu tätigenden Angaben ergeben. Solche Fälle seien zu Hunderten aufgetreten und die Entscheidungsfindung bei den Schlussbescheiden sei partiell automatisiert, d.h. softwaregesteuert, erfolgt. Die Antragsteller hätten entsprechend Ziffer 5.3 der Richtlinie die Rückmeldung digital vorlegen müssen. Sofern der vom Antragsteller hierbei angegebene Liquiditätsengpass niedriger als die erfolgte Auszahlung gewesen sei, sei durch das System automatisch ein entsprechender Schlussbescheid generiert worden. Ungeachtet dessen wäre selbst eine Verletzung der Anhörungspflicht im vorliegenden Fall nach § 46 VwVfG NRW unbeachtlich, da dies die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst habe. Ihm habe in den Fällen, in denen der Liquiditätsengpass letztlich niedriger gewesen sei als die vorläufig gewährte Billigkeitsleistung, aufgrund des Gleichbehandlungsgebotes keine Entscheidungsfreiheit zugestanden. 56Der Schlussbescheid sei auch materiell rechtmäßig. Die Voraussetzungen für die Gewährung der Soforthilfe hätten nur in der im Schlussbescheid angegebenen Höhe vorgelegen. Nach Ziffer 5.3 der Richtlinie werde die NRW-Soforthilfe maximal in Höhe des Liquiditätsengpasses gewährt. Der Liquiditätsengpass ergebe sich aus der Differenz zwischen den tatsächlichen fortlaufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb und den tatsächlich laufenden, erwerbsmäßigen Sach- und Finanzausgaben im dreimonatigen Erfassungszeitraum. Der Erfassungszeitraum beginne grundsätzlich mit dem Tag der Antragstellung und entspreche dem Bewilligungszeitraum. Die Ermittlung und Prüfung des bei einem Antragsteller entstandenen Liquiditätsengpasses erfolge am Ende des Erfassungs- bzw. Bewilligungszeitraums. Die NRW-Soforthilfe 2020 diene nach Ziffer 1.1 der Richtlinie der Sicherung der wirtschaftlichen Existenz von Unternehmen und damit ausschließlich zur Deckung der laufenden betrieblichen Sach- und Finanzaufwendungen des Unternehmens. Hierauf weise auch Ziffer 2. des Bewilligungsbescheides noch einmal hin. Dies ergebe auch eine Gesamtschau der beschlossenen Maßnahmen zur Unterstützung von Unternehmen – Kurzarbeitergeld und Erleichterung der Prüfungsvoraussetzung für die Gewährung von ALG II. In Abgrenzung zur NRW-Soforthilfe 2020 solle etwa das Gehalt von Mitarbeitern durch das Kurzarbeitergeld gewährt und für den persönlichen Lebensunterhalt ALG II beantragt werden. Private finanzielle Schwierigkeiten würden demnach allein aufgefangen durch Sozialleistungen nach dem SGB. Dieser Sinn und Zweck der NRW-Soforthilfe 2020 ergebe sich bereits aus der Formulierung im Antragsformular unter Ziffer 6.1, vierter Spiegelstrich: „Ich versichere, dass meine wirtschaftliche Tätigkeit durch die Corona-Krise wesentlich beeinträchtigt ist, da entweder (...) - die vorhandenen Mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen Zahlungsverpflichtungen des Unternehmens zu erfüllen (z. B. Mieten, Kredite für Betriebsräume, Leasingraten).“ Dieser Sinn und Zweck der Soforthilfe ergebe sich auch eindeutig aus den FAQ sowie den Eckpunkten und Kurzfakten zum Bundesprogramm. Sinn und Zweck der NRW-Soforthilfe 2020 sei also entgegen der Ansicht des Klägers weder, sämtliche Umsatz- und Einnahmeverluste der Unternehmen auszugleichen, noch die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der Unternehmen zu verhindern und erst recht nicht, private Existenzen zu sichern. 57Ermessen habe der Bezirksregierung Düsseldorf beim Erlass des Schlussbescheides aufgrund der Bindungswirkung der Richtlinie nicht zugestanden. 58Der Rechtmäßigkeit des Schlussbescheides stehe schließlich kein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers entgegen. Es liege vielmehr gerade im Wesen der Vorläufigkeit, dass ein Vertrauen auf die Endgültigkeit der Regelung nicht entstehen könne. Gegen einen bestehenden Vertrauensschutz des Klägers spreche zudem, dass ihm in Ansehung der Ziffer 5.3 der Richtlinie der Soforthilfe NRW sowie der Nebenbestimmung II.3. des Bewilligungsbescheides habe bewusst sein müssen, dass er die NRW-Soforthilfe nur insofern werde behalten dürfen, als dass seine tatsächlichen fortlaufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb die tatsächlich laufenden, erwerbsmäßigen Sach- und Finanzausgaben im Bewilligungszeitraum überstiegen. 59Das Verfahren 20 K 7488/20 ist beigezogen worden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen. 60Entscheidungsgründe: 61Die Klage hat Erfolg. 62A. Die bei sachgerechter Auslegung des Klagebegehrens als Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 Halbs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässige Klage ist begründet. 63Der Schlussbescheid der Bezirksregierung Düsseldorf vom 18. Dezember 2021 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). 64I. Der Schlussbescheid vom 18. Dezember 2021 ist rechtswidrig. 651. Die in Ziffer 3. des angegriffenen Bescheides ausgesprochene Rückforderung eines Betrages von 7.000,00 Euro kann nicht auf § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW gestützt werden. Danach sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt für die Vergangenheit zurückgenommen oder widerrufen worden oder infolge des Eintritts einer auflösenden Bedingung unwirksam geworden ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. 66a. Eine Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 30. März 2020 gemäß § 48 Abs. 1 VwVfG NRW ist ersichtlich nicht gegeben. Die Bezirksregierung Düsseldorf hat den Bewilligungsbescheid jedoch auch nicht durch den Erlass des angefochtenen Schlussbescheides mit Wirkung für die Vergangenheit teilweise widerrufen. Die – hier allein in Betracht kommenden – Voraussetzungen des § 49 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 VwVfG NRW sind nicht erfüllt. 67aa. Die Bezirksregierung Düsseldorf hat den Erlass des Schlussbescheides nicht damit begründet, der Kläger habe die erhaltene Leistung (teilweise) nicht für den in dem Bewilligungsbescheid bestimmten Zweck verwendet (§ 49 Abs. 3 Nr. 1 VwVfG NRW). Der Schlussbescheid verhält sich vielmehr zu der Frage, in welcher Höhe bei dem Kläger ein Liquiditätsengpass auf der Grundlage seiner Angaben festzustellen sei. Über die Interpretation des Begriffs des Liquiditätsengpasses streiten die Beteiligten. Der Vorwurf einer nicht zweckgerechten Verwendung der erhaltenen Zuwendung ist den Regelungen des Schlussbescheides allerdings nicht zu entnehmen. 68bb. Mit dem Bewilligungsbescheid ist auch keine Auflage im Sinne von § 49 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG NRW verbunden, die der Begünstigte nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat. Eine Auflage ist eine Bestimmung, durch die dem Begünstigten ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird (§ 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG NRW). Zwar zielt die Nebenbestimmung II.3. auf eine Handlungsverpflichtung des Zuwendungsempfängers ab. Mit ihr wird dem Adressaten des Bescheides – hier dem Kläger – eine Prüfungspflicht auferlegt: Sollte er am Ende des dreimonatigen Bewilligungszeitraums feststellen, „dass diese Finanzhilfe höher ist als Ihr Umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter Kosten (z.B. Mietminderung) und Sie die Mittel nicht (vollständig) zur Sicherung Ihrer wirtschaftlichen Existenz bzw. Ausgleich Ihres Liquiditätsengpasses benötigen, sind die zu viel gezahlten Mittel […] zurückzuzahlen“. Der Schlussbescheid enthält aber nicht den Vorwurf, der Kläger sei dieser aus dem Bewilligungsbescheid resultierenden Pflicht nicht oder nicht fristgerecht nachgekommen. Vielmehr geht die Behörde davon aus, dass der Kläger Angaben zur Höhe des Liquiditätsengpasses gemacht hat, auf Grund derer sie sich zur Teilrückforderung des gewährten Betrages berechtigt sieht. Da die Voraussetzungen für einen Widerruf mithin insoweit nicht vorliegen, kann dahinstehen, ob es sich bei der in Ziffer II.3. getroffenen Regelung um eine Auflage i.S.d. § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG NRW in Abgrenzung zu einer Bedingung oder einer Inhaltsbestimmung handelt. 69b. Schließlich folgt eine Erstattungspflicht des Klägers auch nicht daraus, dass der Bewilligungsbescheid vom 30. März 2020 infolge des Eintritts einer auflösenden Bedingung unwirksam geworden ist (§ 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW). Eine solche Bedingung i.S.d. § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG NRW, nach der der Wegfall einer Vergünstigung von dem ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhängt, enthält der Bewilligungsbescheid nicht. 70Unter den Begriff des Ereignisses fallen von der Außenwelt wahrnehmbare Handlungen, Erklärungen oder Geschehnisse, nicht hingegen nur zur Gedankenwelt eines Beteiligten gehörende Vorstellungen. Als Ereignis kommt lediglich ein rein tatsächlicher Vorgang in Betracht, der sinnlich wahrnehmbar und dem Beweis zugänglich ist, ohne dass es für seine Bejahung noch einer rechtlichen Wertung bedürfte. Darauf, ob die rechtliche Wertung einfach oder schwierig ist, kommt es nicht an. Da das künftige ungewisse Ereignis kraft Gesetzes ohne weiteren Zwischenschritt einen Rechtsverlust oder einen Rechtsgewinn herbeiführt, muss sein Eintritt auch aus Gründen der Rechtssicherheit für alle Beteiligten – für den Adressaten des Bescheids, für die Behörde und ggf. für Dritte – gleichermaßen ohne Weiteres erfassbar sein, 71vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2019 – 10 C 5.17, juris; BVerwG, Urteil vom 16. Juni 2015 ‒ 10 C 15.14 –, juris; OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2020 – 4 A 436/17 –, juris; OVG NRW, Beschluss vom 14. Juni 2018 ‒ 4 A 1781/15 ‒, juris. 72Bei der Nebenbestimmung II.3. handelt es sich nicht um eine Bedingung in diesem Sinne. In ihr wird kein zur automatischen Unwirksamkeit des Bewilligungsbescheides führendes Ereignis benannt. Die vom Zuwendungsempfänger am Ende des Bewilligungszeitraumes zu treffende Beurteilung, ob die Finanzhilfe höher ist als der Umsatzausfall, lässt sich nur durch eine Berechnung anhand betriebswirtschaftlicher Auswertungen durchführen; sie mag aus Sicht der Bewilligungsbehörde korrekt oder aber fehlerhaft durchgeführt worden sein. Jedenfalls bedarf es einer Bewertung, die einen Automatismus zwischen dem Eintritt eines künftigen Ereignisses und der Unwirksamkeit des Zuwendungsbescheides im Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG NRW ausschließt. 732. Als Ermächtigungsgrundlage für das Erstattungsverlangen der Bezirksregierung Düsseldorf kommt § 49a Abs. 1 VwVfG NRW in entsprechender Anwendung in Betracht. Die Vorschrift ist analog anzuwenden, wenn ein Verwaltungsakt, der eine Billigkeitsleistung zunächst nur vorläufig bewilligt hat, rückwirkend durch einen anderen Verwaltungsakt ersetzt wird, der die Leistung endgültig in geringerer Höhe festsetzt. Der Empfänger muss eine hiernach zu viel erhaltene Leistung erstatten, 74vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2009 – 3 C 7/09 –, juris; OVG NRW, Beschluss vom 14. Dezember 2020 – 4 A 1992/16 –, juris; OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2020 – 4 A 436/17 –, juris; VGH Kassel, Urteil vom 13. Mai 2014 – 9 A 2289/12 –, BeckRS 2014, 53405; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl. 2021, § 49 Rn. 4. 75Die Voraussetzungen des § 49a Abs. 1 VwVfG NRW analog liegen indes nicht vor. 76Selbst unterstellt, die Bezirksregierung Düsseldorf hätte die zu erstattende Forderung endgültig in Form eines Schlussbescheides festsetzen können, da sie mit Bescheid vom 30. März 2020 die Zuwendung lediglich vorläufig bewilligt hätte, hätte sie bei Erlass des Schlussbescheides dennoch rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Soforthilfe nur noch 2.000,00 Euro beträgt. Denn die Festsetzungen in Ziffern 1. und 2. des Schlussbescheides sind rechtswidrig. Daraus folgt auch die Rechtswidrigkeit der Erstattungsforderung in Ziffer 3. 77a. Zu Gunsten der Bezirksregierung Düsseldorf kann unterstellt werden, dass das Subventionsverhältnis in der Weise geregelt war, dass zunächst vorläufig durch Bescheid vom 30. März 2020 eine Soforthilfe in Höhe von 9.000,00 Euro bewilligt und ausgezahlt wurde, deren endgültige genaue Höhe von der ungewissen Entwicklung des Unternehmens des Antragstellers während des dreimonatigen Bewilligungszeitraums abhing. Der Bewilligungsbescheid wäre in diesem Fall darauf angelegt gewesen, die Höhe der Zuwendung nicht definitiv zu regeln, sondern diese zunächst vorläufig zu gewähren und abschließend erst später festzusetzen. Dies wäre durch Erlass des sog. Schlussbescheides geschehen. Damit hätte sich die Bezirksregierung Düsseldorf der Handlungsform des sog. vorläufigen Verwaltungsaktes bedient, die für den Sachbereich des Subventionsrechts durch die höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung anerkannt ist, 78vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2009 – 3 C 7/09 –, juris m.w.N; BVerwG, Urteil vom 14. April 1983 – 3 C 8/82 –, juris; OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2020 – 4 A 436/17 –, juris; OVG NRW, Urteil vom 28. September 1990 – 15 A 708/88 –, juris. 79Eine Billigkeitsleistung kann unter dem Vorbehalt einer späteren definitiven Entscheidung bewilligt werden, wenn und soweit eine bestehende Ungewissheit hierfür einen sachlichen Grund gibt. Der Vorbehalt einer späteren endgültigen Entscheidung bewirkt, dass die Behörde die einstweilige Regelung im Ausgangsbescheid durch die endgültige Regelung im Schlussbescheid ersetzen kann, ohne insoweit an die Einschränkungen der §§ 48, 49 VwVfG NRW gebunden zu sein, 80vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2009 – 3 C 7/09 –, juris m.w.N; BVerwG, Urteil vom 14. April 1983 – 3 C 8/82 –, juris. 81Die vorläufige Regelung verliert mit dem Erlass der endgültigen Festsetzung ihre Wirksamkeit (vgl. § 43 Abs. 2 VwVfG NRW), 82vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2009 – 3 C 7/09 –, juris; OVG NRW, Urteil vom 28. September 1990 – 15 A 708/88 –, juris. 83Das Bestehen einer Ungewissheit rechtfertigt die Existenz des vorläufigen Verwaltungsaktes sowie den damit einhergehenden Widerspruch zwischen der dem Verwaltungsakt immanenten Bestandskraft und dem mit der Vorläufigkeit verbundenen flexiblen Element. In einer solchen Konstellation stellt der vorläufige Verwaltungsakt einen angemessenen Ausgleich zwischen den rechtsstaatlichen Anforderungen an das Verwaltungsverfahren und dem Gebot der Effektivität des Verwaltungshandelns dar, indem trotz verbleibender Unsicherheiten bereits zu einem frühen Zeitpunkt zugunsten des Bürgers entschieden werden kann, 84vgl. Schwarz, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 35 Rn. 27 ff. m.w.N. 85Die Vorläufigkeit muss sich dabei nicht auf den gesamten Bescheid beziehen, sondern kann und muss gegebenenfalls auf einzelne Aspekte beschränkt werden. Auch wenn die Behörde einen unter Vorbehalt gestellten Verwaltungsakt später durch einen abschließenden Bescheid ersetzt, so kommt doch eine inhaltlich abweichende Regelung im Schlussbescheid – außer in den Fällen der §§ 48, 49 VwVfG NRW – nur in Betracht, wenn sie aus den Gründen ergeht, wegen derer die frühere Regelung unter Vorbehalt gestellt wurde. Welche Elemente eines Zuwendungsbescheides vorläufig sind und welche Inhalte bereits eine gesicherte Rechtsposition vermitteln, ist durch – am Empfängerhorizont orientierte – Auslegung zu ermitteln. Jenen – nicht mit Vorbehalt versehenen – Teil des Zuwendungsbescheides kann die Behörde nur unter Beachtung der §§ 48, 49 VwVfG NRW aufheben, 86vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2009 – 3 C 7/09 –, juris; OVG NRW, Beschluss vom 14. Dezember 2020 – 4 A 1992/16 –, juris; OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2020 – 4 A 436/17 –, juris; OVG NRW, Beschluss vom 23. Juni 2017 – 4 A 2078/15 –, juris; Schwarz, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 35 Rn. 35 m.w.N. 87Neben einer die Vorläufigkeit der Regelung rechtfertigenden Unsicherheit ist Voraussetzung für einen Vorbehalt, dass die Vorläufigkeit und ihr Umfang im Verwaltungsakt selbst zum Ausdruck kommen, 88vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 35 Rn. 248; OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2020 – 4 A 436/17 –, juris; OVG NRW, Urteil vom 28. September 1990 – 15 A 708/88 –, juris. 89Das Vorliegen dieser Voraussetzungen kann hinsichtlich der Festsetzung der genauen Höhe der Soforthilfe zu Gunsten der Bezirksregierung Düsseldorf unterstellt werden. Diesbezüglich kann angenommen werden, es habe bei Erlass des Bewilligungsbescheides eine Ungewissheit, die den Erlass einer lediglich vorläufigen Regelung rechtfertigte, bestanden. Demgegenüber wurden zu anderen Fragen ersichtlich bereits abschließende Regelungen getroffen. 90Der Bewilligungsbescheid vom 30. März 2020 kann bei verständiger Würdigung so ausgelegt werden, dass er dem Kläger hinsichtlich der Zuwendung dem Grunde nach eine gesicherte Rechtsposition vermitteln wollte. Dies folgt aus den Formulierungen in Ziffern 2. und 3. des Bescheides ebenso wie aus den Umständen des Antragsverfahrens. Grundsätzlich berechtigt, eine Zuwendung zu erhalten, waren jene Antragsteller, deren wirtschaftliche Tätigkeit durch die Corona-Pandemie bereits wesentlich beeinträchtigt war. Unter Ziffer 6.1 des Antragsformulars mussten die Antragsteller versichern, dass ihre „wirtschaftliche Tätigkeit durch die Corona-Krise wesentlich beeinträchtigt“ war, da entweder 91- „mehr als die Hälfte der Aufträge aus der Zeit vor dem 1. März durch die Corona-Krise weggefallen ist oder 92- die Umsätze gegenüber dem Vorjahresmonat mehr als halbiert sind (Gründungen: Vormonat) oder 93- die Umsatzerzielungsmöglichkeiten durch eine behördliche Auflage im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie massiv eingeschränkt wurden oder 94- die vorhandenen Mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen Zahlungsverpflichtungen des Unternehmens zu erfüllen (z.B. Mieten, Kredite für Betriebsräume, Leasingraten).“ 95Die grundsätzliche Antragsberechtigung setzte damit – für jeden Antragsteller erkennbar –diesen zum Zeitpunkt der Bewilligung bereits sicher feststellbaren Umstand voraus. Hieran knüpfen die Regelungen in Ziffern 2. und 3. des Bewilligungsbescheides an, mit denen die Bezirksregierung Düsseldorf darauf abgestellt hat, dass die Soforthilfe der Milderung bzw. Kompensation der „unmittelbar durch die Corona-Pandemie ausgelösten wirtschaftlichen Engpässe“ (Ziffer 3.), „der finanziellen Notlagen“ bzw. „der Überbrückung von Liquiditätsengpässen, die seit dem 1. März 2020 im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie entstanden sind“ (Ziffer 2.), dient. Da diese Voraussetzungen im Falle des Klägers im Grundsatz erfüllt waren, erhielt er durch den Bescheid vom 30. März 2020 die Soforthilfe dem Grunde nach vorbehaltlos. 96Weitere Gesichtspunkte unterlagen ebenfalls keinem Vorbehalt, wie etwa die Anzahl der im Unternehmen Beschäftigten (Nebenbestimmung II.1.) oder gewisse in den Nebenbestimmungen II.4. bis 8. geregelte Modalitäten. 97Demgegenüber kann der Bescheid hinsichtlich der Höhe der Soforthilfe und damit des Behaltendürfens des Gesamtbetrages so verstanden werden, dass er unter dem Vorbehalt einer späteren endgültigen Entscheidung stand. Dieser Vorbehalt betrifft die Regelung unter Ziffer 1., mit der die Bewilligung eines Betrages von 9.000,00 Euro ausgesprochen wurde. Dass sich weder in Ziffer 1. noch an anderer Stelle des Bescheides die Worte „Vorbehalt“, „vorläufig“ oder dergleichen finden, steht der Annahme einer vorläufigen Regelung nicht zwingend entgegen. Denn die Formulierung der in Ziffer 1. getroffenen Regelung, die Umstände des Antragsverfahrens sowie der Zusammenhang mit dem Inhalt der Nebenbestimmung II.3. ermöglichen auch ohne explizite Wortwahl eine Deutung, wonach der Zuwendungsbetrag unter dem Vorbehalt einer späteren Entscheidung gewährt wurde. Die Nebenbestimmung II.3. enthielt folgende Regelung: „Sollten Sie am Ende des dreimonatigen Bewilligungszeitraums feststellen, dass diese Finanzhilfe höher ist als Ihr Umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter Kosten (z.B. Mietminderung) und Sie die Mittel nicht (vollständig) zur Sicherung Ihrer wirtschaftlichen Existenz bzw. Ausgleich Ihres Liquiditätsengpasses benötigen, sind die zu viel gezahlten Mittel […] zurückzuzahlen.“ Damit wurde die endgültige Höhe der unter Ziffer 1. bewilligten Soforthilfe von einer zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses unbekannten Größe, die erst am Ende des dreimonatigen Bewilligungszeitraums feststand, abhängig gemacht. Die Vorläufigkeit der Regelung bezüglich der Höhe der Soforthilfe kam auch in Ziffer 1. ansatzweise zum Ausdruck. Dort hieß es, dass eine Soforthilfe in Höhe von 9.000,00 Euro als „einmalige Pauschale“ gewährt werde. Im Gesamtkontext konnte diese Formulierung zumindest auch so verstanden werden, dass zunächst ein Betrag in toto gezahlt wurde, dessen endgültige, genaue Höhe zu einem späteren Zeitpunkt bestimmt werden musste. Denn in Ziffer 1. wurde klargestellt, dass die Bewilligung aufgrund des Programms zur Gewährung von Soforthilfen aus dem Bundesprogramm „Soforthilfen für Kleinstunternehmen und Selbstständige“ und dem ergänzenden Landesprogramm „NRW-Soforthilfe 2020“ erfolge. In den vom damaligen Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hierzu online veröffentlichten Kurzfakten vom 30. März 2020 ging aus der Antwort zu der Frage, „Wie wird hinterher geprüft, ob nicht eine „Überkompensation“ vorlag?“, hervor, dass es bei der Antragstellung auf einen „voraussichtlichen Liquiditätsengpass“ ankam, welcher später mit den tatsächlichen Zahlen des Unternehmens abzugleichen sei. Zudem enthielt auch die Nebenbestimmung in Ziffer II.3. des Bewilligungsbescheides den Hinweis auf das am Ende des Bewilligungszeitraums durchzuführende Rückmeldeverfahren, welches eine Rückzahlungspflicht zur Folge haben könne. 98Dass die Bezirksregierung Düsseldorf selbst von einer vorläufigen Bewilligung der Finanzhilfe ausging, hat schließlich in der Begründung des Rückforderungsverlangens in Ziffer II.3. der Gründe des Schlussbescheides ihren Ausdruck gefunden. Dort hat sich die Behörde auf eine entsprechende Anwendung von § 49a Abs. 1 VwVfG NRW unter Heranziehung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur vorläufigen Bewilligung einer Leistung berufen sowie darauf hingewiesen, dass die Leistung wegen des zunächst noch unbekannten Liquiditätsengpasses zunächst nur vorläufig bewilligt worden sei und der Schlussbescheid den vorläufigen Bescheid „hinsichtlich der Höhe des Soforthilfe-Betrages“ ersetze. 99Kann somit einerseits bezüglich der Höhe der Zuwendung unterstellt werden, diese sei unter Vorbehalt gestellt worden, so hat die Bezirksregierung Düsseldorf aber andererseits mit der Ausgestaltung der Nebenbestimmung II.3. des Bewilligungsbescheides zu erkennen gegeben, welche Parameter sie einer späteren Berechnung des Förderbetrages zugrunde legen wollte. Diese Vorgaben „Finanzhilfe höher […] als Ihr Umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter Kosten“, „Mittel nicht vollständig zur Sicherung Ihrer wirtschaftlichen Existenz bzw. Ausgleich Ihres Liquiditätsengpasses benötigen“ schränken, ebenso wie die in Ziffer 2. bezeichnete Zweckbindung, ihrerseits die Vorläufigkeit des Bescheides wieder ein, indem die endgültige Regelung sich an diesen zu orientieren hat. Unabhängig davon, wie diese zu verstehen sind, hat die Behörde mit ihnen bereits Berechnungsgrößen für die endgültige Höhe der Soforthilfe bzw. für das Bestehen einer Rückzahlungsverpflichtung aufgestellt. An diesen selbst geschaffenen Vorgaben muss sie – und damit das beklagte Land – sich festhalten lassen; etwaige Fehler gehen zu ihren Lasten, weil die Behörde es zu jenem Zeitpunkt in der Hand gehabt hat, eine andere Regelung zu treffen, wie dies offenbar in anderen Bundesländern geschehen ist. Nach welchen Parametern man die endgültige Berechnung des Förderbetrages später durchführen wollte, hing auch nicht von einem zum Zeitpunkt des Erlasses des Bewilligungsbescheides noch unbekannten und daher eine vorläufige Regelung rechtfertigendem Umstand ab, sondern war allein Gegenstand einer politischen Entscheidung, die zu diesem Zeitpunkt schon getroffen werden konnte und mit der Formulierung des Bewilligungsbescheides auch bereits getroffen wurde. 100b. Die Entscheidung der Bezirksregierung Düsseldorf, im Schlussbescheid einen Liquiditätsengpass in Höhe von 2.000,00 Euro festzustellen (Ziffer 1.), die Soforthilfe in dieser Höhe festzusetzen (Ziffer 2.) und ihre Bewertung, dass „die Voraussetzungen für die […] Höhe […] der Billigkeitsleitung nicht mehr vorliegen oder eine Überkompensation eingetreten“ und diese Überkompensation von 7.000,00 Euro zurückzuzahlen ist (so ausdrücklich die Gründe des angegriffenen Schlussbescheides, S. 3 Ziffer II.3.), erweist sich selbst bei der vorgenannten Annahme der teilweisen Vorläufigkeit des Bewilligungsbescheides als rechtsfehlerhaft. Denn sie beruht auf einem Verständnis von den Begriffen des Liquiditätsengpasses bzw. der Überkompensation, die im insoweit maßgeblichen und endgültige Vorgaben treffenden Bewilligungsbescheid keine Grundlage finden. Aus diesem Grunde konnte der Schlussbescheid den Bewilligungsbescheid insoweit nicht rechtmäßigerweise ersetzen. 101aa. Die bereits endgültigen Vorgaben im Bewilligungsbescheid zu den Parametern der späteren Berechnung des Förderbetrages sind für die Rechtmäßigkeit des Schlussbescheides maßgeblich. 102Die Zuwendung wurde dem Kläger nicht auf Grund eines Gesetzes oder anderer Rechtsnormen gewährt, aus denen sich eine unmittelbare Bindung für den Beklagten und unmittelbare Rechtsansprüche für den Kläger ergäben. Vielmehr wurde der Bewilligungsbescheid nach Maßgabe des Programms zur Gewährung von Soforthilfen aus dem Bundesprogramm „Soforthilfen für Kleinstunternehmen und Selbstständige" und dem ergänzenden Landesprogramm „NRW-Soforthilfe 2020“ erlassen (vgl. insoweit auch den Kopf sowohl des Bewilligungs- als auch des Schlussbescheides). Bei diesen – wie auch bei der später erlassenen Richtlinie vom 31. Mai 2020 – handelt es sich um Verwaltungsvorschriften, die grundsätzlich nur dazu bestimmt sind, für die Verteilung von Billigkeitsleistungen Maßstäbe zu setzen und das Ermessen der für die Verteilung der jeweiligen Leistungen bestimmten Stellen zu lenken. Nach gefestigter verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung begründen Verwaltungsvorschriften nicht wie Gesetzes- und Rechtsvorschriften bereits durch ihr Vorhandensein subjektive Rechte. Sie unterliegen daher auch keiner eigenständigen richterlichen Auslegung wie Rechtsnormen, 103vgl. BVerwG, Urteil vom 8. April 1997 – 3 C 6/95 –, juris; BVerwG, Urteil vom 2. Februar 1995 – 2 C 19/94 –, juris; OVG NRW, Beschluss vom 12. August 2016 – 15 A 1822/15 –, juris; OVG Lüneburg, Urteil vom 23. Januar 2014 – 8 LA 144/13 –, juris. 104Allerdings vermögen Verwaltungsvorschriften über die ihnen zunächst nur innewohnende interne Bindung hinaus in Verbindung mit dem grundgesetzlichen Gleichheitsgebot (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz – GG) sowie dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Gebot des Vertrauensschutzes (Art. 20 Abs. 1 GG) eine anspruchsbegründende Außenwirkung im Verhältnis zum Bürger zu eröffnen. Jeder Anspruchsteller hat dann einen Anspruch darauf, entsprechend den aufgestellten Richtlinien behandelt zu werden. Entscheidend ist, wie die zuständigen Behörden die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt ihrer Entscheidung in ständiger Praxis gehandhabt haben und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz (Artikel 3 Abs. 1 GG) gebunden sind, 105vgl. BVerwG, Urteil vom 8. April 1997 – 3 C 6/95 –, juris; BVerwG, Urteil vom 23. April 2003 – 3 C 25/02 –, juris; OVG NRW, Beschluss vom 12. August 2016 – 15 A 1822/15 –, juris. 106Der tatsächlichen Verwaltungspraxis im Entscheidungszeitpunkt kommt damit entscheidende Bedeutung zu. Wenn sich die Behörde an ihre Verwaltungsvorschriften hält, ist sie daher durch das Gleichbehandlungsgebot verpflichtet, dies auch weiterhin zu tun, sofern nicht sachliche Gründe im Einzelfall eine Abweichung rechtfertigen oder gar gebieten. Weicht sie hingegen generell von den Verwaltungsvorschriften ab, so verlieren diese insoweit ihre ermessensbindende Wirkung; ob das Verwaltungshandeln mit dem Gleichbehandlungsgebot vereinbar ist, beurteilt sich dann nur nach der tatsächlichen Verwaltungspraxis im Entscheidungszeitpunkt, 107vgl. BVerwG, Urteil vom 25. April 2012 – 8 C 18/11 –, juris; vgl. zur Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung aus dem Zuwendungsrecht auf Billigkeitsleistungen: VG Würzburg, Urteil vom 3. August 2020 – W 8 K 20.743 –, juris; VG München, Beschluss vom 25. Juni 2020 – M 31 K 20.2261 –, juris. 108Nach ihrer Entscheidung, mithin nach Erlass des Zuwendungsbescheides, kann die Bewilligungsbehörde die darin verwandten Begrifflichkeiten nicht mehr frei auslegen. Der Bescheid hat insoweit Fakten geschaffen, über die sie sich nicht mehr nach Ermessen hinwegsetzen kann. Der Zuwendungsempfänger muss sich auf die im Antragsverfahren gleichmäßig ausgeübte Verwaltungspraxis und den Inhalt des Bewilligungsbescheides einstellen können, 109vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. März 2018 – 4 A 182/16 –, juris; OVG NRW, Beschluss vom 11. Juni 2016 – 4 A 1983/13 –, juris; vorgehend erkennende Kammer, Urteil vom 17. Juli 2013 – 20 K 7520/12 – juris. 110Die im Bewilligungsbescheid vom 30. März 2020 zum Ausdruck gekommene Verwaltungspraxis ist demnach maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des ihn (teilweise) ersetzenden Schlussbescheides vom 18. Dezember 2021. Das bedeutet zugleich, dass nach seinem Erlass in Kraft getretene Regelwerke oder spätere Informationen, die von jenen bis zum Erlasszeitpunkt abweichen, nicht zu berücksichtigen sind. Dem steht nicht entgegen, dass der Bescheid die oben beschriebenen vorläufigen Elemente enthält. Die Vorläufigkeit bezieht sich, wie dargelegt, auf die Höhe der Zuwendung, die im jeweiligen Einzelfall erst zu einem späteren Zeitpunkt endgültig berechnet werden sollte. Welche Maßgaben für diese Berechnung gelten sollten, war jedoch Bestandteil der Verwaltungspraxis im Antragsverfahren und bei Erlass der Bewilligungsbescheide und fand Eingang in die in sämtlichen Bescheiden verwendeten Formulierungen in Ziffern 2. und 3. sowie II.3. Deren Verständnis – ausgerichtet am objektiven Empfängerhorizont – ist mithin ausschlaggebend für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Schlussbescheides. Nur hinsichtlich der aufgrund dieser Berechnungsmodalitäten zu ermittelnden Höhe – nicht bezüglich der Parameter selbst – stand der Ausgangsbescheid unter dem Vorbehalt der Ersetzung durch den Schlussbescheid. Den nicht unter Vorbehalt gestellten Teil des Bewilligungsbescheides kann die Behörde nur unter den Voraussetzungen der §§ 48 ff. VwVfG NRW aufheben, weil er mit seiner Bekanntgabe Bindungswirkung entfaltet hat. 111Das vom Beklagten herangezogene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. April 1997, 112– 3 C 6/95 –, juris, 113rechtfertigt keine abweichende Sichtweise. Der dort entschiedene Fall unterscheidet sich von dem hier streitgegenständlichen insbesondere dadurch, dass der Zuwendungsbescheid erst nach Inkrafttreten der geänderten Richtlinie erlassen wurde. Die Frage, ob der dortige Kläger, der jahrelang Zuschüsse nach Maßgabe der vorherigen Richtlinie erhalten hatte, sich auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen konnte, stellt sich hier nicht. Denn der Bewilligungsbescheid vom 30. März 2020 wurde auf der Grundlage einer bestimmten Verwaltungspraxis erlassen, die die Bezirksregierung Düsseldorf gegenüber allen Leistungsempfängern gleichermaßen ausgeübt hatte. Von dieser Verwaltungspraxis hätte eine Richtlinie nur bis zum maßgeblichen Zeitpunkt des vertrauensbildenden Bewilligungsbescheides abweichen können und damit ihrerseits eine (neue oder veränderte) Verwaltungshandhabung begründen können. 114bb. Legt man die danach maßgeblichen endgültigen Vorgaben im Bewilligungsbescheid zu den Parametern der späteren Berechnung des Förderbetrages nach dem objektiven Empfängerhorizont aus, sind die Festsetzungen zum Liquiditätsengpass und zur Höhe der Soforthilfe in den Ziffern 1. und 2. des Schlussbescheides sowie die Begründung hierzu gemessen an diesen Vorgaben materiell rechtswidrig. Die Bezirksregierung Düsseldorf hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass ein Liquiditätsengpass von 2.000,00 Euro vorliegt und die Soforthilfe nur noch 2.000,00 Euro beträgt. 115(1) Im Hinblick auf die materielle Rechtswidrigkeit dieser Regelungen kann die formelle Rechtmäßigkeit des Bescheides, insbesondere die Erforderlichkeit einer Anhörung gem. § 28 Abs. 1 VwVfG NRW, dahinstehen. 116(2) Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Bewilligungsbescheides richtete die Bezirksregierung Düsseldorf – wie dargelegt – ihre Verwaltungspraxis an dem Programm zur Gewährung von Soforthilfen aus dem Bundesprogramm „Soforthilfen für Kleinstunternehmen und Selbstständige" und dem ergänzenden Landesprogramm „NRW-Soforthilfe 2020“ aus. Die Richtlinien des Landes NRW „zur Gewährung von Soforthilfen für gewerbliche Kleinunternehmen, Selbstständige und Angehörige Freier Berufe, die infolge der Sars-CoV-2-Pandemie in ihrer Existenz gefährdet sind (NRW-Soforthilfe 2020)“ vom 31. Mai 2020 waren noch nicht in der Welt. Gleiches gilt für die vom Beklagten unter dem 3. Juli 2020, 5. Oktober 2020, 2. Dezember 2020 sowie 14. Juni 2021 versandten Emails an sämtliche Antragsteller. Im Verwaltungsverfahren vor Erlass des Zuwendungsbescheides stellte das beklagte Land (und ebenso der Bund) den Antragstellern – auch dem Kläger – eine Vielzahl von online abrufbaren Hinweisen, insbesondere die sog. FAQ, bereit. Diese spiegeln die Verwaltungspraxis des Beklagten bzw. der Bezirksregierung Düsseldorf als Bewilligungsbehörde des Landes wider. Diese Verwaltungspraxis lässt sich wie folgt zusammenfassen: Versicherte ein Anspruchsteller, dass seine wirtschaftliche Tätigkeit durch die Corona-Krise wesentlich beeinträchtigt war, erhielt er eine (vorläufige) Pauschale in einer Höhe, die von der Anzahl der bei ihm Beschäftigten abhing; hatte er – wie der Kläger – bis einschließlich fünf Beschäftigte, erhielt er 9.000,00 Euro. Wie das Land die „wesentliche Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Tätigkeit“ definierte, ließ sich an den oben wiedergegebenen Voraussetzungen im Antragsformular (dortige Ziffer 6.1) ablesen. Antragsteller, die – wie der Kläger – erklärten, diese Voraussetzungen zu erfüllen, erhielten (bei Vorliegen der weiteren Erfordernisse) einen Zuwendungsbescheid. In diesem wurde ebenfalls auf das Bestehen einer finanziellen Notlage, die Überbrückung von Liquiditätsengpässen bzw. die Kompensation der wirtschaftlichen Engpässe abgestellt, ohne diese genau zu umschreiben. Namentlich in Ziffer 2. wurde die Zweckbindung der Soforthilfe so beschrieben, dass sie „zur Milderung der finanziellen Notlage“ „als Einmalzahlung für einen Bewilligungszeitraum von drei Monaten ab Antragstellung“ erfolge und „insbesondere zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen“ diene. Der Nebenbestimmung II.3. konnten die Anspruchsteller einen Anhaltspunkt dafür entnehmen, nach welchen Maßgaben die mit dieser Zweckbindung erhaltene Soforthilfe zurückzuzahlen sei. Diese stellte zwei kumulative („und“) Voraussetzungen für eine Rückzahlungspflicht am Ende des dreimonatigen Bewilligungszeitraums auf: 117- Die Finanzhilfe war höher als der Umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter Kosten. 118- Die Mittel wurden nicht (vollständig) zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenz bzw. Ausgleich des Liquiditätsengpasses benötigt. 119Im Einzelnen: 120Die Bezirksregierung Düsseldorf hat ihre Vergabepraxis auch auf das Bundesprogramm „Corona-Soforthilfen für Kleinstunternehmen und Selbständige“ gestützt. Potentiellen Anspruchsberechtigten standen hierzu sog. Kurzfakten zur Verfügung, in denen es u.a. heißt (Stand 30. März 2020): S. 1 Ziffer 2: „Die Soforthilfe dient der Sicherung der wirtschaftlichen Existenz der Unternehmen und zur Überbrückung von akuten Liquiditätsengpässen.“ Ziffer 7: „Eine Kumulierung mit anderen Hilfen […] ist grundsätzlich möglich. Eine Überkompensation ist aber zurückzuzahlen.“ S. 2: „Wie wird hinterher geprüft, ob nicht eine Überkompensation vorliegt? […] Der Antragsteller legt bei der Angabe, in welcher Höhe er die Billigkeitsleitung beantragt, seinen voraussichtlichen Liquiditätsengpass zugrunde. Dieser wird auf der Basis seines voraussichtlichen Umsatzes sowie des betrieblichen Sach- und Finanzaufwands für die drei auf die Antragstellung folgenden Monate ermittelt. Sofern die Soforthilfe wie beantragt bewilligt wird und später festgestellt wird, dass der Sach- und Finanzaufwand des Unternehmens oder die tatsächliche Umsatzeinbuße doch geringer war, ist das Unternehmen zu einer Rückzahlung des überzahlten Betrags verpflichtet. Auch durch die Kombination von mehreren Hilfsprogrammen kann es zu einer Überkompensation kommen.“ 121An mehreren Stellen werden die Formulierungen „wirtschaftliche Existenz“ sowie „Liquiditätsengpass“ gebraucht (auch auf S. 1 Ziffer 3 und S. 2), ohne dass diese definiert würden. Bei der Beantwortung der Frage, wie geprüft werde, ob eine „Überkompensation“ vorliege, wird explizit eine Umsatzeinbuße zur Voraussetzung für eine Rückerstattungsspflicht gemacht. 122Das beklagte Land hat dieses Bundesprogramm erweitert und das Landesprogramm „NRW-Soforthilfe 2020“ ins Leben gerufen. Hierzu stellte es Antragstellern auf der Internetpräsenz des damaligen Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie NRW Hinweise und FAQ zur Verfügung. 123In den FAQ 1 vom 25. März 2020 hieß es für die Anspruchsvoraussetzungen zu der Frage, „Was wird gefördert?“: „Die Unternehmen sollen bei der Sicherung ihrer wirtschaftlichen Existenz und Überbrückung von akuten Finanzierungsengpässen, u.a. für laufende Betriebskosten wie Mieten, Kredite für Betriebsräume, Leasingraten u.ä. sowie den Erhalt von Arbeitsplätzen durch einen Zuschuss unterstützt werden. […] Voraussetzung: erhebliche Finanzierungsengpässe und wirtschaftliche Schwierigkeiten in Folge von Corona. Dies wird angenommen wenn, 124- sich für den Monat, in dem der Antrag gestellt wird, Umsatz- bzw. Honorarrückgang von mindestens 50 Prozent verglichen mit dem durchschnittlichen monatlichen Umsatz (bezogen auf den aktuellen und die zwei vorangegangenen Monate) im Vorjahr ergibt [….] oder 125- der Betrieb auf behördliche Anordnung wegen der Corona-Krise geschlossen wurde oder 126- die vorhandenen Mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen Verbindlichkeiten des Unternehmens (bspw. Mieten, Kredite für Betriebskosten, Leasingraten) zu zahlen (=Finanzierungsengpass).“ 127In den FAQ 2 vom 26. März 2020 wurden die Voraussetzungen um eine vierte Möglichkeit zum Auftragseinbruch ergänzt und wie folgt umformuliert: 128- „mehr als die Hälfte der Aufträge aus der Zeit vor dem 1. März durch die Corona-Krise weggefallen sind […] oder 129- sich für den Monat, in dem der Antrag gestellt wird, Umsatz- bzw. Honorarrückgang von mindestens 50 Prozent verglichen mit dem durchschnittlichen monatlichen Umsatz (bezogen auf den aktuellen und die zwei vorangegangenen Monate) im Vorjahr ergibt. [….] oder 130- der Umsatz durch eine behördliche Auflage im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie massiv eingeschränkt wurde oder 131- die vorhandenen Mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen Verbindlichkeiten des Unternehmens (bspw. Mieten, Kredite für Betriebskosten, Leasingraten) zu zahlen (= Finanzierungsengpass).“ 132In den FAQ 3 (Datum nach Anlage B2 unbekannt; Datum der Speicherung: 25. März 2020) wurden die Voraussetzungen dann im Wesentlichen unverändert final umformuliert: 133- „mehr als die Hälfte der Aufträge aus der Zeit vor dem 1. März durch die Corona-Krise weggefallen ist […] oder 134- die Umsätze gegenüber dem Vorjahresmonat mehr als halbiert sind (für einen noch im März oder April gestellten Antrag werden die Umsätze im März 2020 gegenüber dem Monat März 2019 zugrunde gelegt). Kann der Vorjahresmonat nicht herangezogen werden (z.B. bei Gründungen), gilt der Vormonat. oder 135- die Möglichkeiten den Umsatz zu erzielen durch eine behördliche Auflage im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie massiv eingeschränkt wurde oder 136- die vorhandenen Mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen Verbindlichkeiten des Unternehmens (bspw. Mieten, Kredite für Betriebskosten, Leasingraten) zu zahlen (=Finanzierungsengpass).“ 137Diese Spiegelstrich-Voraussetzungen mündeten fast wortgleich in das Antragsformular, das die Antragsteller – so auch der Kläger – online einreichen mussten. Von einem Liquiditätsengpass ist an keiner Stelle die Rede, geschweige denn, dass er definiert würde. Vielmehr wird durchgängig der Begriff „Finanzierungsengpass“ verwendet. Dieser war – gemessen an den zum Antragszeitpunkt feststehenden Zahlen eines Antragstellers – Bedingung für das Entstehen eines Anspruchs. Zwar entspricht der vierte Spiegelstrich der Anspruchsvoraussetzungen „die vorhandenen Mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen Verbindlichkeiten des Unternehmens (bspw. Mieten, Kredite für Betriebskosten, Leasingraten) zu zahlen“ im Wesentlichen der späteren Definition des Liquiditätsengpasses in Ziffer 5.3 Abs. 2 der Richtlinie. In den FAQ war dieser Spiegelstrich jedoch lediglich als eine von vier alternativen Möglichkeiten („oder“) vorgesehen, um die Anspruchsberechtigung zu begründen. 138Zu den Fragen „Wird geprüft, ob dem Antragsteller die Hilfe auch wirklich zugestanden hat und wenn nein, muss die Hilfe ggfls. zurückgezahlt werden?“ und „Wird immer der Maximalbetrag ausgezahlt?“ und „Wie ist eine Überkompensation definiert?“ wurden folgende Antworten gegeben: 139- „Wird geprüft, ob dem Antragsteller die Hilfe auch wirklich zugestanden hat und wenn nein, muss die Hilfe ggfls. zurückgezahlt werden? 140Der Antragsteller versichert im Formular, dass er alle Angaben nach bestem Wissen und Gewissen und wahrheitsgetreu gemacht hat. Falsche Angaben, die zu einer unberechtigten Inanspruchnahme der Leistung führen, sind Subventionsbetrug. Die Leistung muss dann nicht nur zurückgeführt werden, es kann dann zu einer strafrechtlichen Verfolgung kommen. […] Der Zuschuss wird als sogenannte Billigkeitsleistung ausgezahlt. Auch im Falle einer Überkompensation (z.B. durch Versicherungsleistung oder andere Fördermaßnahmen) muss die erhaltene Soforthilfe zurückgezahlt werden. Stellt sich am Ende der Bezugszeit von drei Monaten heraus, dass der Antragsteller mehr erhalten hat, als sein Schaden war, ist er gehalten, das überschüssige Geld zurückzuzahlen. Hierauf wird noch einmal separat im Bescheid hingewiesen.“ 141- „Wird immer der Maximalbetrag ausgezahlt? 142Ja. Die Zuschüsse sind nach Mitarbeiterzahl gestaffelt. Innerhalb der entsprechenden Staffelung erhalten Sie den vollen Betrag. Bis zu 5 Mitarbeiter 9.000 Euro, bei bis zu 10 Mitarbeitern 15.000 Euro und bei bis zu 50 Mitarbeitern 25.000 Euro. Bei Überkompensation sind die Beträge zurückzuzahlen (s.o.). Entsprechende Hinweise und die Kontonummer für die Rückzahlung zuviel erhaltener Soforthilfen enthält der Bewilligungsbescheid.“ 143- „Wie ist eine Überkompensation definiert?“ 144In der Fassung 2 (vom 26. März 2020): „Eine Überkompensation entsteht dann, wenn der Antragsteller mehr Zuwendungen erhält, als erforderlich wären, um den Finanzierungsengpass zu beseitigen.“ 145Ab der Fassung 3 (Datum nach Anlage B2 unbekannt; Datum der Speicherung: 25. März 2020): „Eine Überkompensation entsteht dann, wenn der Antragsteller mehr Zuwendungen erhält, als sein tatsächlich eingetretener Schaden – also insbesondere der durch die Corona-Krise eingetretene Umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter Kosten (z.B. Mietminderung) ist. Eine Überkompensation ist nach der dreimonatigen Förderphase zurückzuerstatten.“ 146In Abgrenzung zu den anspruchsbegründenden Voraussetzungen, die einen Finanzierungsengpass erforderten, wurde für die Rückzahlungspflicht am Ende des Bewilligungszeitraums auf eine „Überkompensation“ – gemessen an den dann erst feststehenden Zahlen aus dem Bewilligungszeitraum – abgestellt. Als Beispiele für eine solche nannten die FAQ „z.B. durch Versicherungsleistung oder andere Fördermaßnahmen“. Nach der ab Fassung 3 der FAQ (Datum nach Anlage B2 unbekannt; Datum der Speicherung: 25. März 2020; FAQ 4 datiert vom 28. März 2020) unverändert geltenden Definition in den FAQ tritt eine Überkompensation ein, wenn der Antragsteller mehr Zuwendungen erhalten hat, als sein tatsächlich eingetretener Schaden, also insbesondere der durch die Corona-Krise eingetretene Umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter Kosten (z.B. Mietminderung), ist. Auch hier wird maßgeblich auf einen Umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter Kosten abgestellt. Der Begriff des „Liquiditätsengpasses“ fällt in diesem Zusammenhang in den FAQ nicht. 147Schließlich enthält der Bewilligungsbescheid – wie erwähnt – in Ziffer 2. (Zweckbindung) die Formulierungen „zur Milderung der finanziellen Notlage“ und „insbesondere zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen“. Aus der Nebenbestimmung II.3. ergaben sich zwei kumulative Voraussetzungen für eine Rückzahlungspflicht am Ende des dreimonatigen Bewilligungszeitraums, nämlich dass die „Finanzhilfe höher ist als Ihr Umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter Kosten (z.B. Mietminderung) und Sie die Mittel nicht (vollständig) zur Sicherung Ihrer wirtschaftlichen Existenz bzw. Ausgleich Ihres Liquiditätsengpasses benötigen“. Der Ausdruck „Überkompensation“ findet sich im Bescheid nicht; welche Bedeutung dem Begriff „Liquiditätsengpass“ zukommen soll, wird nicht umschrieben. Die Nebenbestimmung II.3. gab den maßgeblichen Anhaltspunkt dafür, wie die Zuwendungsempfänger später ihre Rückmeldung durchführen sollten; aus ihr ergab sich auch der Umfang der Vorläufigkeit des Verwaltungsaktes; hier wurden die Berechnungsmodalitäten für die spätere Feststellung einer – an dieser Stelle nicht so genannten – Überkompensation festgelegt. Wenn sie auch mehr als missverständlich formuliert ist, so konnten die Bescheidadressaten – auch der Kläger – ihr immerhin entnehmen, dass eine Rückzahlungspflicht bereits dann ausgeschlossen sein sollte, wenn der Umsatzausfall die Finanzhilfe überstieg. Insoweit korrelierte die Bestimmung mit den FAQ. Wie die zweite Voraussetzung zu verstehen ist, die die Bezeichnungen „wirtschaftliche Existenz“ und „Liquiditätsengpass“ aufnimmt, wird weder aus sich heraus noch im Kontext mit dem übrigen Inhalt des Bescheides deutlich. Vielmehr lag für einen durchschnittlichen Antragsteller nach der Lektüre der FAQ und der ersten Voraussetzung der Nebenbestimmung II.3. nahe, dass eine Verpflichtung zur Rückzahlung der zunächst erhaltenen Soforthilfe dann in Betracht kam, wenn er am Ende des dreimonatigen Bewilligungszeitraums feststellte, dass seine tatsächliche Umsatzeinbuße doch geringer war als zunächst angenommen. Mit anderen Worten, dass Maßstab für eine Erstattungspflicht eine „Überkompensation“ war, die im Wesentlichen von Umsatzeinbußen und ersparten Aufwendungen abhing. 148Festzuhalten ist mithin, dass die Verwaltungspraxis des beklagten Landes bzw. der Bezirksregierung Düsseldorf bis zum Erlass der jeweiligen Bewilligungsbescheide durch eine Vielzahl von Informationen gekennzeichnet war, die aus sich heraus entweder nicht ohne Weiteres verständlich waren oder jedenfalls keinen eindeutigen – schon gar nicht begrifflich erläuterten – Hinweis auf die Voraussetzungen für eine spätere Rückzahlungspflicht gaben. Nachvollziehbar für die Anspruchsteller war immerhin, dass sich die anspruchsbegründenden Voraussetzungen von jenen des späteren Rückmeldeverfahrens unterschieden. Unter welchen Bedingungen es zu einer Rückerstattung kommen würde, blieb aber weitgehend unklar. Das gilt namentlich für den den Schlusspunkt des Zuwendungsverfahrens setzenden Bewilligungsbescheid. Hier (in der Nebenbestimmung II.3.) wie auch in den den Antragstellern zuvor zur Verfügung gestellten Informationen wird eher der Eindruck erweckt, es komme darauf an, wie sich der Umfang der Umsatzeinbußen im dreimonatigen Bewilligungszeitraum gestalten werde. Werde die Soforthilfe höher sein als der Umsatzausfall (abzüglich eingesparter Kosten), so dürften die zu viel erhaltenen Mittel nicht behalten werden. Dies wird zum Teil auch als „Überkompensation“ bezeichnet. Soweit der Begriff „Liquiditätsengpass“ überhaupt gebraucht wird – im Antragsformular findet er sich nicht –, wird nicht deutlich, was unter ihm zu verstehen ist. Dass ihm ein Verständnis im Sinne der Anforderungen der späteren Richtlinie beizulegen wäre, ist weder den FAQ noch dem Bewilligungsbescheid aus der Sicht eines durchschnittlichen Adressaten zu entnehmen. Soweit in der Nebenbestimmung II.3. auf einen Liquiditätsengpass abgestellt wird, handelt es sich lediglich um eine zweite Voraussetzung für eine Rückerstattungspflicht. Mit anderen Worten: Die Rückzahlungspflicht wird hiernach nicht ausgelöst, wenn bereits die erste Bedingung nicht erfüllt ist, wenn also die Finanzhilfe nicht höher ist als der Umsatzausfall. Liegt die erste Voraussetzung vor, ist die zweite zu prüfen. Jedoch bleibt auch hier völlig unklar, was unter Liquiditätsengpass zu verstehen und wie dieser zu berechnen ist. Solche Unklarheiten gehen zu Lasten der Behörde, 149vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1983 – 7 C 70/80 –, juris; VG Hamburg, Urteil vom 14. März 2020 – 17 K 4793/21 –, juris; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwvfG, 9. Auflage 2018, § 35 Rn. 80 m.w.N.; von Alemann/Scheffczyk, in: Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, Stand: 1. Januar 2022, § 35 Rn. 46 m.w.N. 150Im Kontext mit den Gegebenheiten des Verwaltungsverfahrens durfte der Kläger davon ausgehen, die Soforthilfe nur dann (teilweise) erstatten zu müssen, wenn er am Ende des dreimonatigen Bewilligungszeitraumes feststellte, dass die Zuwendung höher war als der Umsatzausfall (abzüglich eingesparter Kosten), wenn also eine Überkompensation in diesem Sinne vorlag. Da seine Umsatzeinbuße unstreitig die Höhe der Soforthilfe von 9.000,00 Euro überstieg, durfte er annehmen, die Mittel behalten zu dürfen. Wäre dies nicht der Fall gewesen, wäre nach dem oben Gesagten allerdings im Dunkeln geblieben, wann die Voraussetzungen der zweiten Alternative der Nebenbestimmung II.3. vorgelegen hätten. Denn – wie bereits ausgeführt – wurde im Bewilligungsverfahren der Begriff des „Liquiditätsengpasses“ nicht definiert. Lediglich der ähnliche Begriff des „Finanzierungsengpasses“ wurde im Bewilligungsverfahren definiert, allerdings nur im Rahmen der vier alternativ erfüllbaren Anspruchsvoraussetzungen und gemessen an den bei Antragstellung feststehenden wirtschaftlichen Zahlen der Antragsteller. Eine Übertragung dieser Definition auf eine Rückzahlungspflicht am Ende des Bewilligungszeitraumes gemessen an den dann feststehenden wirtschaftlichen Zahlen der Antragsteller aus diesem Bewilligungszeitraum macht keinen Sinn bzw. ist zumindest nicht aus sich heraus verständlich. Eine solche missverständliche Fassung der Nebenbestimmung II.3. geht – wie ebenfalls bereits ausgeführt – nicht zu Lasten des Klägers. 151Dass die Bezirksregierung Düsseldorf dem Schlussbescheid vom 18. Dezember 2021 nicht die beschriebenen – wenngleich missverständlichen – Parameter für die Berechnung einer etwaigen Rückzahlungspflicht zugrunde gelegt hat, führt dazu, dass der Schlussbescheid (insoweit) den Bewilligungsbescheid nicht ersetzen kann. Werden die Regelungen des Schlussbescheides mit jenen des Bewilligungsbescheides abgeglichen, ist ersichtlich, dass diesen ein anderes Verständnis der Rückzahlungsbedingungen immanent ist, als es sich aus dem auf der Basis der Förderpraxis ergangenen Bewilligungsbescheid ergibt. Im Schlussbescheid ist nur noch von einem „Liquiditätsengpass“ die Rede (insbesondere in der Überschrift, im Eingangssatz, in Ziffer 1. sowie mehrfach in der Begründung); die Formulierungen „finanzielle Notlage“, „wirtschaftliche Engpässe“ o.ä. wurden nicht aufgenommen. In den Gründen unter II.3. findet sich der Ausdruck der „Überkompensation“, die 7.000,00 Euro betrage. Das Verständnis des Begriffs des Liquiditätsengpasses im Schlussbescheid beruht auf der Definition der zu diesem Zeitpunkt bereits erlassenen Richtlinie des Landes. Erstmals wird dort präzise umschrieben, dass der Liquiditätsengpass sich aus der Differenz zwischen den tatsächlichen fortlaufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb und den tatsächlichen laufenden, erwerbsmäßigen Sach- und Finanzausgaben (ohne Personalaufwand) unter Berücksichtigung eingesparter Kosten im Erfassungszeitraum ergibt (Ziffer 5.3. Abs. 2). Dieses Verständnis ließ sich den Umständen des Antragsverfahrens nicht entnehmen, auch nicht dem Bewilligungsbescheid selbst. Nach den vorstehenden Ausführungen ist nicht maßgeblich, wie die den Antragstellern zum Zeitpunkt des Erlasses der Bewilligungsbescheide noch nicht bekannten Bestimmungen der Richtlinie lauteten. Diese Vorschriften wären im vorliegenden rechtlichen Zusammenhang allenfalls dann relevant, wenn ihr Wortlaut mit dem Verwaltungshandeln und den Begrifflichkeiten des Erstbescheides übereinstimmte. Da er indes von der Verwaltungspraxis abweicht, kommt es auf die Praxis, nicht auf die Ausgestaltung der Verwaltungsvorschrift an. Dies gilt auch deshalb, weil die Bewilligungsbehörde gegenüber den Zuwendungsempfängern im Ausgangsbescheid nicht zum Ausdruck gebracht hat, dass die Modalitäten der Rückzahlung von einer noch zu erlassenen Richtlinie abhängen sollten. 152Beruhten die im angegriffenen Schlussbescheid getroffenen Festsetzungen zum Liquiditätsengpass, zur Höhe der Soforthilfe und zur Höhe der Rückzahlungspflicht somit auf einer Berechnungsmethode, die nicht mit der – zum maßgeblichen Erlasszeitpunkt des Bewilligungsbescheides bestehenden – Verwaltungspraxis korrelierte, führt dies – unabhängig von der tatsächlichen Umsatzentwicklung des Klägers im Bewilligungszeitraum – zur Rechtswidrigkeit des Schlussbescheides. 153II. Aus der Rechtswidrigkeit der für den Kläger nachteiligen Bestimmungen des Schlussbescheides folgt die Rechtsverletzung des Klägers, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. 154B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 und 2 Zivilprozessordnung. 155C. Die Berufung ist von Amts wegen gem. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen. Da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, liegen die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vor. 156Rechtsmittelbelehrung: 157Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich Berufung eingelegt werden. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen. 158Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 159Die Berufung ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich einzureichen. 160Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). 161Im Berufungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen. 162Die Berufungsschrift und die Berufungsbegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. 163 164Beschluss: 165Der Streitwert wird auf 7.000,00 Euro festgesetzt. 166Gründe: 167Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 3 GKG erfolgt. 168Rechtsmittelbelehrung: 169Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. 170Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 171Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 172Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt. 173Die Beschwerdeschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. 174War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. 175
der bescheid der bezirksregierung düsseldorf vom 18. dezember 2021 wird aufgehoben. der beklagte trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar gegen sicherheitsleistung in höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden betrages. die berufung gegen das urteil wird zugelassen. 1
2der kläger betreibt ein schnellrestaurant. 3mitte märz 2020 gerieten insbesondere kleine unternehmen und selbstständige durch verschiedene infektionsschutzrechtliche maßnahmen zur eindämmung der coronapandemie („harter lockdown“) in wirtschaftliche notlage. so musste auch der kläger sein restaurant zeitweilig schließen. 4als reaktion hierauf schuf der bund das programm „soforthilfe für kleinstunternehmen und soloselbstständige“, um betroffenen unternehmen und selbstständigen kurzfristig finanzhilfen bereitzustellen. 5das damalige bundesministerium für wirtschaft und energie veröffentlichte hierzu unter anderem eckpunkte vom 23. märz 2020, 6vgl. https://www.bundesfinanzministerium.de/content/de/pressemitteilungen/finanzpolitik/2020/03/2020-03-23-pm-soforthilfefond-download.pdf?__blob=publicationfile&v=3, 7und kurzfakten vom 30. märz 2020, 8vgl. https://www.bmwi.de/redaktion/de/downloads/j-l/kurzfakten-corona-soforthilfen.pdf?__blob=publicationfile&v=12. 9das beklagte land beschloss, das programm des bundes in vollem umfang an die vorgesehenen zielgruppen weiterzuleiten und erweiterte das bundesprogramm um die empfängergruppen mit bis zu 50 beschäftigten. beide maßnahmen wurden in der „nrw-soforthilfe 2020“ gebündelt. die federführende verantwortung lag hierbei bei dem ministerium für wirtschaft, innovation, digitalisierung und energie des landes nordrhein-westfalen. auf dessen internetpräsenz waren sog. faq in verschiedenen fassungen unter dem link https://wirtschaft.nrw.de/nrw-soforthilfe-2020 abrufbar. bezüglich des genauen inhalts wird auf die vom beklagten im verfahren 20 k 7488/20 übersandten anlagen b5 bis b19 verwiesen. 10der kläger stellte seinen antrag am 30. märz 2020 und verwendete hierfür das online vom beklagten bereitgestellte formular „antrag auf gewährung einer soforthilfe für von der corona-krise 03/2020 besonders geschädigte unternehmen und angehörige freier berufe einschließlich soloselbstständige aus dem soforthilfeprogramm des ministeriums für wirtschaft, innovation, digitalisierung und energie des landes nordrhein-westfalen sowie dem bundesprogramm „soforthilfe für kleinstunternehmer und soloselbstständige“ („nrw-soforthilfe 2020“)“. 11im antragsformular hieß es unter ziffer 5.: 12„die soforthilfe wird als billigkeitsleistung auf der grundlage der regelung zur vorübergehenden gewährung geringfügiger beihilfen im geltungsbereich der bundesrepublik deutschland im zusammenhang mit dem ausbruch von covid-19 („bundesregelung kleinbeihilfen 2020“) zur überwindung der existenzbedrohenden wirtschaftslage bzw. des liquiditätsengpasses gewährt.“ 13unter ziffer 6.1 versicherte der kläger: „falls nicht anders angegeben, sind die kriterien auf den zeitpunkt der antragstellung zu beziehen. ich versichere, dass meine wirtschaftliche tätigkeit durch die corona-krise wesentlich beeinträchtigt ist, da entweder 14- mehr als die hälfte der aufträge aus der zeit vor dem 1. märz durch die corona-krise weggefallen ist oder 15- die umsätze gegenüber dem vorjahresmonat mehr als halbiert sind (gründungen: vormonat) oder 16- die umsatzerzielungsmöglichkeiten durch eine behördliche auflage im zusammenhang mit der covid-19-pandemie massiv eingeschränkt wurden oder 17- die vorhandenen, mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen zahlungsverpflichtungen des unternehmens zu erfüllen (z.b. mieten, kredite für betriebsräume, leasingraten).“ 18unter ziffer 6.2 versicherte der kläger: 19„ich versichere, dass die in nr. 1.1. benannten antragsvoraussetzungen sämtlich vorliegen und ein liquiditätsengpass nicht bereits vor dem 1. märz bestanden hat.“ 20unter ziffer 6.11 versicherte der kläger: 21„mir ist bekannt, dass ich den zuschuss als billigkeitsleistung erhalte und im falle einer überkompensation (entschädigungs-, versicherungsleistungen, andere fördermaßnahmen) die erhaltene soforthilfe zurückzahlen muss.“ 22mit bescheid vom 30. märz 2020 bewilligte die bezirksregierung düsseldorf dem kläger auf seinen antrag eine soforthilfe in höhe von 9.000,00 euro. der betrag wurde kurze zeit später in voller höhe ausgezahlt. in dem bescheid, der nicht mit einer rechtsbehelfsbelehrung versehen war, heißt es auszugsweise: 231. bewilligung 24auf ihren o. g. antrag bewillige ich gemäß § 53 lho i. v. m. dem programm zur gewährung von soforthilfen aus dem bundesprogramm „corona-soforthilfen für kleinstunternehmen und selbständige“ und dem ergänzenden landesprogramm „nrwsoforthilfe 2020“ eine soforthilfe i. h. v. 9.000,00 € (in worten: neuntausend euro) als einmalige pauschale. 25diese wird überwiesen auf die von ihnen angegebene bankverbindung (xx). bei der soforthilfe handelt es sich um eine kleinbeihilfe gemäß der regelung zur vorübergehenden gewährung geringfügiger beihilfen im geltungsbereich der bundesrepublik deutschland im zusammenhang mit dem ausbruch von covid-19 („bundesregelung kleinbeihilfen 2020"). 262. zweckbindung 27die soforthilfe erfolgt ausschließlich zur milderung der finanziellen notlagen des betroffenen unternehmens bzw. des selbstständigen im zusammenhang mit der covid-19-pandemie als einmalzahlung für einen bewilligungszeitraum von drei monaten ab antragstellung. die soforthilfe dient insbesondere zur überbrückung von liquiditätsengpässen, die seit dem 1. märz 2020 in zusammenhang mit der covid-19-pandemie entstanden sind. nicht umfasst sind vor dem 1. märz 2020 entstandene wirtschaftliche schwierigkeiten bzw. liquiditätsengpässe. 28ii. nebenbestimmungen 29die soforthilfe wird unter folgenden nebenbestimmungen gewährt: 30311. dem bescheid liegt eine anzahl von 00 beschäftigten (vollzeitäquivalenten) zugrunde. 322. grundlage und bestandteil des bescheides ist ihr antrag vom 30.3.2020. 333. sollten sie am ende des dreimonatigen bewilligungszeitraums feststellen, dass diese finanzhilfe höher ist als ihr umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter kosten (z.b. mietminderung) und sie die mittel nicht (vollständig) zur sicherung ihrer wirtschaftlichen existenz bzw. ausgleich ihres liquiditätsengpasses benötigen, sind die zu viel gezahlten mittel auf das konto der landeskasse xx unter angabe des auf seite 1 dieses bescheides genannten aktenzeichens zurückzuzahlen. 34der zurück erstattete betrag ist nicht steuerpflichtig. 35am 31. mai 2020 wurden die „richtlinien des landes zur gewährung von soforthilfen für gewerbliche kleinunternehmen, selbstständige und angehörige freier berufe, die infolge der sars-cov-2-pandemie in ihrer existenz gefährdet sind“ als runderlass des ministeriums für wirtschaft, innovation, digitalisierung und energie (az. vb 5 - 2020) – im folgenden: richtlinie – erlassen und traten laut ziffer 9. mit wirkung vom 27. märz 2020 in kraft. 36unter dem 3. juli 2020, 5. oktober 2020, 2. dezember 2020 sowie 14. juni 2021 versandte der beklagte an sämtliche antragsteller emails, in denen er auf die notwendigkeit zur durchführung eines rückmeldeverfahrens, den hierfür bereitgestellten vordruck sowie die hierbei nach seiner auffassung geltenden regelungen und fristen hinwies. 37am 21. oktober 2021 füllte der kläger das vom beklagten online bereitgestellte “rückmelde-formular ermittelter liquiditätsengpass nrw-soforthilfe 2020“ aus. der kläger wählte hierin als förderzeitraum die zeit vom 1. märz 2020 bis 31. mai 2020. nach eingabe seiner vom formular abgefragten einnahmen und ausgaben in diesem berechnungszeitraum ergab sich, dass der kläger im monat märz einen liquiditätsengpass in höhe von 00 euro, im monat april einen liquiditätsengpass in höhe von 00 euro sowie im monat mai einen einnahmenüberschuss in höhe von 00 euro (zeile 24) und damit insgesamt einen liquiditätsengpass von 0 euro im förderzeitraum (zeile 25) hatte; zu seinen gunsten wurde lediglich ein fiktiver unternehmerlohn in höhe von 2.000,00 euro angesetzt sei. hieraus ergab sich ein rückzahlungsbetrag in höhe von 7.000,00 euro. 38unter dem 18. dezember 2021 erließ die bezirksregierung düsseldorf gegenüber dem kläger einen schlussbescheid mit folgendem tenor: 39401. es wird ein liquiditätsengpass in höhe von 2.000 euro festgestellt. 412. die höhe der soforthilfe wird auf 2.000 euro festgesetzt. 423. der überzahlte betrag in höhe von 7.000 euro ist bis zum 31. oktober 2022 auf das konto der landeshauptkasse (bezirksregierung düsseldorf) iban xx unter angabe des oben genannten aktenzeichens zurückzuerstatten. 434. dieser bescheid ergeht kostenfrei. 44zur begründung führte die bezirksregierung aus, der kläger habe am 21. oktober 2022 einen tatsächlichen liquiditätsengpass in höhe von 2.000,00 euro gemeldet. die feststellung des liquiditätsengpasses und die festsetzung der soforthilfe beruhten auf § 53 landeshaushaltsordnung nrw (lho) i.v.m. der regelung zur vorübergehenden gewährung geringfügiger beihilfen im geltungsbereich der bundesrepublik deutschland im zusammenhang mit dem ausbruch von sars-cov-2 („bundesregelung kleinbeihilfen 2020"), der verwaltungsvereinbarung zwischen dem bund und dem land nordrhein-westfalen über die „corona-soforthilfen insbesondere für kleine unternehmen und solo-selbstständige" vom 1. april 2020 einschließlich der dazu erlassenen vollzugshinweise sowie den „richtlinien des landes zur gewährung von soforthilfen für gewerbliche kleinunternehmen, selbstständige und angehörige freier berufe, die infolge der sars-cov-2-pandemie in ihrer existenz gefährdet sind“ („nrw-soforthilfe 2020“) vom 31. mai 2020. nach ziffern 3.1, 3.2, 5.2 und 5.3 der richtlinie sei die nrw-soforthilfe 2020 antragsberechtigten leistungsempfängern, die die antragsvoraussetzungen erfüllt hätten, zunächst in voller höhe gewährt worden. die endgültige festsetzung habe nach meldung der berechnung der höhe des liquiditätsengpasses zu erfolgen. ergebe sich dabei, dass der vorläufig vollständig gezahlte soforthilfebetrag nicht oder nur teilweise vom liquiditätsengpass abgedeckt sei, werde die soforthilfe nur in höhe des liquiditätsengpasses gewährt; anderenfalls sei die vorläufige zahlung endgültig. die rückforderung des überzahlten differenzbetrages beruhe auf § 49a abs. 1 satz 1 verwaltungsverfahrensgesetz für das land nordrhein-westfalen (vwvfg nrw) i.v.m. ziffer 5.3 der richtlinie und der ziffer ii. 3. des bewilligungsbescheides. § 49a abs. 1 vwvfg nrw werde entsprechend angewendet, wenn ein verwaltungsakt, der eine leistung zunächst nur vorläufig bewilligt habe, rückwirkend durch einen anderen verwaltungsakt teilweise ersetzt werde, der die leistung endgültig in geringerer höhe festsetze. 45der kläger hat am 14. januar 2022 klage erhoben. 46zur begründung führt er aus, er habe zwar im erfassungszeitraum per saldo keinen liquiditätsengpass im sinne von ziffer 5.3 der richtlinie gehabt, weil er die umsatzausfälle während des lockdowns mit umsätzen nach dem lockdown habe ausgleichen können. bei dem schlussbescheid handele es sich jedoch um den teilweisen widerruf des ursprünglichen bewilligungsbescheids vom 30. märz 2020, in dem die soforthilfe auf 9.000,00 euro festgesetzt worden sei. an der qualifikation als widerruf ändere sich insbesondere auch nichts dadurch, dass der angefochtene bescheid als „schlussbescheid“ bezeichnet werde. dies suggeriere zwar, dass die bewilligung der soforthilfe zunächst nur vorläufig erfolgt sei und von vornherein klar gewesen sei, dass über die letztliche berechtigung zur soforthilfe erst später abschließend, eben in einem schlussbescheid habe befunden werden sollen. ein solcher genereller vorläufigkeitscharakter ergebe sich aus dem bewilligungsbescheid aber nicht. wörter wie „vorläufig“, „obergrenze“ oder „höchstbetrag“ oder auch nur gleichbedeutende wörter oder formulierungen suche man im text des bewilligungsbescheides vergeblich. ebenso wenig lasse sich der ziffer ii.3 des bewilligungsbescheids ein genereller vorläufigkeitsvorbehalt entnehmen. im gegenteil habe er davon ausgehen dürfen, dass er die soforthilfe bei einhaltung dieser nebenbestimmungen sicher habe behalten dürfen. die voraussetzungen für einen widerruf nach § 49 abs. 2 vwvfg nrw seien in bezug auf den bewilligungsbescheid nicht gegeben. insbesondere sei der widerruf nicht im bewilligungsbescheid vorbehalten worden. dort habe es in ziffer ii.3. gerade nur geheißen, dass er die soforthilfe zurückzahlen müsse, wenn sich am ende des dreimonatigen bewilligungszeitraums herausstelle, dass die soforthilfe höher sei als sein umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter kosten und er die mittel nicht vollständig zur sicherung seiner wirtschaftlichen existenz bzw. seines liquiditätsengpasses benötigt habe. die soforthilfe von 9.000,00 euro sei jedoch nicht höher als sein während des lockdowns erlittener umsatzausfall abzüglich eingesparter kosten gewesen. seine umsätze von märz bis mai 2019 hätten 00 euro betragen, die umsätze von märz bis mai 2020 00 euro, woraus sich ein umsatzrückgang von 00 euro ergebe. dieser umsatzausfall sei auch nicht durch ersparte aufwendungen kompensiert worden. ersparte aufwendungen hätten das betriebsergebnis erhöht, der sich aus umsatz minus kosten ergebe. das betriebsergebnis von märz bis mai 2019 habe 00 euro betragen, das betriebsergebnis von märz bis mai 2020 00 euro, woraus sich ein rückgang des betriebsergebnisses von 00 euro ergebe. da die voraussetzung des umsatzausfalls in ziffer ii.3. des bewilligungsbescheids durch ein „und“ mit der weiteren voraussetzung für eine rückforderung, dass er die mittel nicht vollständig zur sicherung seiner wirtschaftlichen existenz bzw. seines liquiditätsengpasses benötigt habe, verbunden gewesen sei, komme es nach dem bewilligungsbescheid allein auf die frage, ob und inwieweit er einen liquiditätsengpass erlitten habe, schon gar nicht an. hinzu komme, dass das erfordernis, dass die soforthilfe nicht höher sein dürfe als der liquiditätsengpass in einem dreimonatigen erfassungszeitraum, erst nach beantragung der soforthilfe und deren bewilligung in form der richtlinie erstmals aufgestellt worden sei. 47der kläger beantragt, 48den bescheid der bezirksregierung düsseldorf vom 18. dezember 2021 aufzuheben. 49der beklagte beantragt, 50die klage abzuweisen. 51zur begründung trägt er vor, der vom kläger im rahmen der rückmeldung angegebene tatsächliche liquiditätsengpass betrage 2.000,00 euro. demensprechend sei ein liquiditätsengpass in dieser höhe festgestellt, die soforthilfe in dieser höhe festgesetzt und der überschießende betrag in höhe von 7.000,00 euro zurückgefordert worden. 52für die im vorliegenden verfahren in rede stehenden rechtsfragen sei von entscheidender bedeutung, dass die nrw-soforthilfe 2020 nicht nur eines von mehreren staatlichen hilfsangeboten zur abmilderung der beträchtlichen negativen ökonomischen folgen der corona-pandemie, sondern vielmehr die allererste, unbürokratische und unverzügliche liquiditätshilfe – eben eine soforthilfe – gewesen sei. über die internetpräsenz des ehemaligen ministeriums für wirtschaft, innovation, digitalisierung und energie nrw habe sich jeder betroffene im vorfeld der antragstellung umfassend über den zweck der nrw-soforthilfe 2020 und die antragsberechtigung informieren können. hierdurch habe jedem antragsteller unmissverständlich klar werden müssen, dass die nrw-soforthilfe 2020 der sicherstellung der finanzierung von verbindlichkeiten für fortlaufende erwerbsmäßige sach- und finanzausgaben gedient habe und jeder hilfeempfänger nach ende des bewilligungszeitraums verpflichtet gewesen sei, seinen tatsächlichen liquiditätsengpass zu berechnen und zu viel erhaltene mittel zurückzuzahlen. 53bei der ursprünglichen bewilligung habe es sich um die nur vorläufige positive bescheidung des antrages zur nrw-soforthilfe 2020 gehandelt, die erst durch die festsetzung der tatsächlichen höhe der antragsberechtigung aufgrund des später ermittelten liquiditätsengpasses endgültig verbindlich beschieden worden sei. begründung und berechtigung für die vorläufige bescheidung sei die ungewissheit über die zu treffende endgültige entscheidung, namentlich die konkrete höhe der zu gewährenden soforthilfe anhand des nachträglich zu ermittelnden, konkreten liquiditätsengpasses im maßgeblichen bewilligungszeitraum gewesen. hiernach sei der bewilligungsbescheid zwingend auf eine ergänzung durch einen weiteren verwaltungsakt angelegt gewesen, durch den die zuwendung erst abschließend habe geregelt werden sollen. dieser sei in form des schlussbescheids ergangen. die vorläufigkeit und notwendigkeit eines schlussbescheides hätten sich ohne weiteres aus den ziffern 5.2 und 5.3 der richtlinie sowie der nebenbestimmung ii.3. des bewilligungsbescheides ergeben. eindeutig ablesbar seien sie aber auch aus den kurzfakten zum bundesprogramm. hintergrund sei, dass nordrhein-westfalen sich bei der umsetzung des bundesprogramms im gegensatz zu allen anderen bundesländern dafür entschieden habe, zunächst den förderhöchstbetrag als pauschale auszuzahlen, um verzögerungen bei der auszahlung zu vermeiden. dies habe ein rückmeldeverfahren unabdingbar gemacht, in welchem der individuelle liquiditätsengpass ermittelt und die tatsächliche förderhöhe habe festgestellt werden müssen. dabei komme es an dieser stelle überhaupt noch nicht darauf an, ob sich die höhe der tatsächlich zustehenden soforthilfe aus einem tatsächlich vorhandenen liquiditätsengpass oder aus einem tatsächlich vorhandenen umsatzausfall berechne. denn jedenfalls habe jedem empfänger durch die nebenbestimmung ii.3. des bewilligungsbescheides offensichtlich klar sein müssen, dass aus den tatsächlichen entwicklungen eine jedenfalls teilweise rückzahlungspflicht entstehen könne, man die erhaltene soforthilfe also nicht unbedingt, jedenfalls nicht unbedingt in voller höhe werde behalten können. mit dem bewilligungsbescheid sei lediglich über die grundsätzliche antragsberechtigung entschieden worden, jedoch noch nicht abschließend über die höhe der soforthilfe. da der bewilligungsbescheid eine vorläufige regelung treffe und sich somit eine endgültige regelung vorbehalten habe, habe die bewilligungsbehörde diesen durch die endgültige regelung im schlussbescheid ersetzen können, ohne insoweit an die einschränkungen der §§ 48, 49 vwvfg nrw gebunden zu sein. 54rechtsgrundlage für den schlussbescheid sei dementsprechend § 53 lho i.v.m. dem bundesprogramm „soforthilfen für kleinstunternehmen und soloselbstständige“ (corona soforthilfeprogramm des bundes), der dazu ergangenen verwaltungsvereinbarung zwischen dem bund und dem beklagten land über die corona soforthilfen und die erst nach erlass der bewilligungsbescheide am 31. mai 2020 mit wirkung vom 27. märz 2020 in kraft getretene richtlinie. die höhe der tatsächlich zustehenden soforthilfe und damit korrespondierend die höhe einer rückzahlungspflicht bestimme sich in konkretisierung der nebenbestimmung ii.3. des bewilligungsbescheides nach den vorgaben der richtlinie. dem stehe insbesondere nicht der erlass der richtlinie am 31. mai 2020 mit wirkung zum 27. märz 2020 entgegen. denn die richtlinie sei als ministerieller runderlass eine bloße interne verwaltungsvorschrift, die allein dazu gedient habe, eine dem gleichheitsgrundsatz entsprechende ermessensausübung zu gewährleisten. als eben solche verwaltungsvorschrift habe die richtlinie für ihre wirksamkeit grundsätzlich nicht einmal veröffentlicht werden müssen. zudem habe sie der ermessenslenkung bei erlass der schlussbescheide gedient, welche durchweg erst nach dem 31. mai 2020 erlassen worden seien. 55der schlussbescheid sei formell rechtmäßig, insbesondere liege keine verletzung der anhörungspflicht gem. § 28 abs. 1 vwvfg nrw vor, da gem. § 28 abs. 2 nr. 4 varianten 2 und 3 vwvfg nrw von einer anhörung habe abgesehen werden dürfen. die abschließend festzusetzende soforthilfe habe sich rechnerisch aus den von den antragstellern im rahmen des rückmeldeverfahrens zu tätigenden angaben ergeben. solche fälle seien zu hunderten aufgetreten und die entscheidungsfindung bei den schlussbescheiden sei partiell automatisiert, d.h. softwaregesteuert, erfolgt. die antragsteller hätten entsprechend ziffer 5.3 der richtlinie die rückmeldung digital vorlegen müssen. sofern der vom antragsteller hierbei angegebene liquiditätsengpass niedriger als die erfolgte auszahlung gewesen sei, sei durch das system automatisch ein entsprechender schlussbescheid generiert worden. ungeachtet dessen wäre selbst eine verletzung der anhörungspflicht im vorliegenden fall nach § 46 vwvfg nrw unbeachtlich, da dies die entscheidung in der sache nicht beeinflusst habe. ihm habe in den fällen, in denen der liquiditätsengpass letztlich niedriger gewesen sei als die vorläufig gewährte billigkeitsleistung, aufgrund des gleichbehandlungsgebotes keine entscheidungsfreiheit zugestanden. 56der schlussbescheid sei auch materiell rechtmäßig. die voraussetzungen für die gewährung der soforthilfe hätten nur in der im schlussbescheid angegebenen höhe vorgelegen. nach ziffer 5.3 der richtlinie werde die nrw-soforthilfe maximal in höhe des liquiditätsengpasses gewährt. der liquiditätsengpass ergebe sich aus der differenz zwischen den tatsächlichen fortlaufenden einnahmen aus dem geschäftsbetrieb und den tatsächlich laufenden, erwerbsmäßigen sach- und finanzausgaben im dreimonatigen erfassungszeitraum. der erfassungszeitraum beginne grundsätzlich mit dem tag der antragstellung und entspreche dem bewilligungszeitraum. die ermittlung und prüfung des bei einem antragsteller entstandenen liquiditätsengpasses erfolge am ende des erfassungs- bzw. bewilligungszeitraums. die nrw-soforthilfe 2020 diene nach ziffer 1.1 der richtlinie der sicherung der wirtschaftlichen existenz von unternehmen und damit ausschließlich zur deckung der laufenden betrieblichen sach- und finanzaufwendungen des unternehmens. hierauf weise auch ziffer 2. des bewilligungsbescheides noch einmal hin. dies ergebe auch eine gesamtschau der beschlossenen maßnahmen zur unterstützung von unternehmen – kurzarbeitergeld und erleichterung der prüfungsvoraussetzung für die gewährung von alg ii. in abgrenzung zur nrw-soforthilfe 2020 solle etwa das gehalt von mitarbeitern durch das kurzarbeitergeld gewährt und für den persönlichen lebensunterhalt alg ii beantragt werden. private finanzielle schwierigkeiten würden demnach allein aufgefangen durch sozialleistungen nach dem sgb. dieser sinn und zweck der nrw-soforthilfe 2020 ergebe sich bereits aus der formulierung im antragsformular unter ziffer 6.1, vierter spiegelstrich: „ich versichere, dass meine wirtschaftliche tätigkeit durch die corona-krise wesentlich beeinträchtigt ist, da entweder (...) - die vorhandenen mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen zahlungsverpflichtungen des unternehmens zu erfüllen (z. b. mieten, kredite für betriebsräume, leasingraten).“ dieser sinn und zweck der soforthilfe ergebe sich auch eindeutig aus den faq sowie den eckpunkten und kurzfakten zum bundesprogramm. sinn und zweck der nrw-soforthilfe 2020 sei also entgegen der ansicht des klägers weder, sämtliche umsatz- und einnahmeverluste der unternehmen auszugleichen, noch die überschuldung oder zahlungsunfähigkeit der unternehmen zu verhindern und erst recht nicht, private existenzen zu sichern. 57ermessen habe der bezirksregierung düsseldorf beim erlass des schlussbescheides aufgrund der bindungswirkung der richtlinie nicht zugestanden. 58der rechtmäßigkeit des schlussbescheides stehe schließlich kein schutzwürdiges vertrauen des klägers entgegen. es liege vielmehr gerade im wesen der vorläufigkeit, dass ein vertrauen auf die endgültigkeit der regelung nicht entstehen könne. gegen einen bestehenden vertrauensschutz des klägers spreche zudem, dass ihm in ansehung der ziffer 5.3 der richtlinie der soforthilfe nrw sowie der nebenbestimmung ii.3. des bewilligungsbescheides habe bewusst sein müssen, dass er die nrw-soforthilfe nur insofern werde behalten dürfen, als dass seine tatsächlichen fortlaufenden einnahmen aus dem geschäftsbetrieb die tatsächlich laufenden, erwerbsmäßigen sach- und finanzausgaben im bewilligungszeitraum überstiegen. 59das verfahren 20 k 7488/20 ist beigezogen worden. wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakten sowie der beigezogenen verwaltungsvorgänge ergänzend bezug genommen. 60
61die klage hat erfolg. 62a. die bei sachgerechter auslegung des klagebegehrens als anfechtungsklage gem. § 42 abs. 1 halbs. 1 verwaltungsgerichtsordnung (vwgo) zulässige klage ist begründet. 63der schlussbescheid der bezirksregierung düsseldorf vom 18. dezember 2021 ist rechtswidrig und verletzt den kläger in seinen rechten (§ 113 abs. 1 satz 1 vwgo). 64i. der schlussbescheid vom 18. dezember 2021 ist rechtswidrig. 651. die in ziffer 3. des angegriffenen bescheides ausgesprochene rückforderung eines betrages von 7.000,00 euro kann nicht auf § 49a abs. 1 satz 1 vwvfg nrw gestützt werden. danach sind bereits erbrachte leistungen zu erstatten, soweit ein verwaltungsakt für die vergangenheit zurückgenommen oder widerrufen worden oder infolge des eintritts einer auflösenden bedingung unwirksam geworden ist. diese voraussetzungen liegen nicht vor. 66a. eine rücknahme des bewilligungsbescheides vom 30. märz 2020 gemäß § 48 abs. 1 vwvfg nrw ist ersichtlich nicht gegeben. die bezirksregierung düsseldorf hat den bewilligungsbescheid jedoch auch nicht durch den erlass des angefochtenen schlussbescheides mit wirkung für die vergangenheit teilweise widerrufen. die – hier allein in betracht kommenden – voraussetzungen des § 49 abs. 3 nr. 1 oder nr. 2 vwvfg nrw sind nicht erfüllt. 67aa. die bezirksregierung düsseldorf hat den erlass des schlussbescheides nicht damit begründet, der kläger habe die erhaltene leistung (teilweise) nicht für den in dem bewilligungsbescheid bestimmten zweck verwendet (§ 49 abs. 3 nr. 1 vwvfg nrw). der schlussbescheid verhält sich vielmehr zu der frage, in welcher höhe bei dem kläger ein liquiditätsengpass auf der grundlage seiner angaben festzustellen sei. über die interpretation des begriffs des liquiditätsengpasses streiten die beteiligten. der vorwurf einer nicht zweckgerechten verwendung der erhaltenen zuwendung ist den regelungen des schlussbescheides allerdings nicht zu entnehmen. 68bb. mit dem bewilligungsbescheid ist auch keine auflage im sinne von § 49 abs. 3 nr. 2 vwvfg nrw verbunden, die der begünstigte nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten frist erfüllt hat. eine auflage ist eine bestimmung, durch die dem begünstigten ein tun, dulden oder unterlassen vorgeschrieben wird (§ 36 abs. 2 nr. 4 vwvfg nrw). zwar zielt die nebenbestimmung ii.3. auf eine handlungsverpflichtung des zuwendungsempfängers ab. mit ihr wird dem adressaten des bescheides – hier dem kläger – eine prüfungspflicht auferlegt: sollte er am ende des dreimonatigen bewilligungszeitraums feststellen, „dass diese finanzhilfe höher ist als ihr umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter kosten (z.b. mietminderung) und sie die mittel nicht (vollständig) zur sicherung ihrer wirtschaftlichen existenz bzw. ausgleich ihres liquiditätsengpasses benötigen, sind die zu viel gezahlten mittel […] zurückzuzahlen“. der schlussbescheid enthält aber nicht den vorwurf, der kläger sei dieser aus dem bewilligungsbescheid resultierenden pflicht nicht oder nicht fristgerecht nachgekommen. vielmehr geht die behörde davon aus, dass der kläger angaben zur höhe des liquiditätsengpasses gemacht hat, auf grund derer sie sich zur teilrückforderung des gewährten betrages berechtigt sieht. da die voraussetzungen für einen widerruf mithin insoweit nicht vorliegen, kann dahinstehen, ob es sich bei der in ziffer ii.3. getroffenen regelung um eine auflage i.s.d. § 36 abs. 2 nr. 4 vwvfg nrw in abgrenzung zu einer bedingung oder einer inhaltsbestimmung handelt. 69b. schließlich folgt eine erstattungspflicht des klägers auch nicht daraus, dass der bewilligungsbescheid vom 30. märz 2020 infolge des eintritts einer auflösenden bedingung unwirksam geworden ist (§ 49a abs. 1 satz 1 vwvfg nrw). eine solche bedingung i.s.d. § 36 abs. 2 nr. 2 vwvfg nrw, nach der der wegfall einer vergünstigung von dem ungewissen eintritt eines zukünftigen ereignisses abhängt, enthält der bewilligungsbescheid nicht. 70unter den begriff des ereignisses fallen von der außenwelt wahrnehmbare handlungen, erklärungen oder geschehnisse, nicht hingegen nur zur gedankenwelt eines beteiligten gehörende vorstellungen. als ereignis kommt lediglich ein rein tatsächlicher vorgang in betracht, der sinnlich wahrnehmbar und dem beweis zugänglich ist, ohne dass es für seine bejahung noch einer rechtlichen wertung bedürfte. darauf, ob die rechtliche wertung einfach oder schwierig ist, kommt es nicht an. da das künftige ungewisse ereignis kraft gesetzes ohne weiteren zwischenschritt einen rechtsverlust oder einen rechtsgewinn herbeiführt, muss sein eintritt auch aus gründen der rechtssicherheit für alle beteiligten – für den adressaten des bescheids, für die behörde und ggf. für dritte – gleichermaßen ohne weiteres erfassbar sein, 71vgl. bverwg, urteil vom 23. januar 2019 – 10 c 5.17, juris; bverwg, urteil vom 16. juni 2015 ‒ 10 c 15.14 –, juris; ovg nrw, urteil vom 17. juni 2020 – 4 a 436/17 –, juris; ovg nrw, beschluss vom 14. juni 2018 ‒ 4 a 1781/15 ‒, juris. 72bei der nebenbestimmung ii.3. handelt es sich nicht um eine bedingung in diesem sinne. in ihr wird kein zur automatischen unwirksamkeit des bewilligungsbescheides führendes ereignis benannt. die vom zuwendungsempfänger am ende des bewilligungszeitraumes zu treffende beurteilung, ob die finanzhilfe höher ist als der umsatzausfall, lässt sich nur durch eine berechnung anhand betriebswirtschaftlicher auswertungen durchführen; sie mag aus sicht der bewilligungsbehörde korrekt oder aber fehlerhaft durchgeführt worden sein. jedenfalls bedarf es einer bewertung, die einen automatismus zwischen dem eintritt eines künftigen ereignisses und der unwirksamkeit des zuwendungsbescheides im sinne des § 36 abs. 2 nr. 2 vwvfg nrw ausschließt. 732. als ermächtigungsgrundlage für das erstattungsverlangen der bezirksregierung düsseldorf kommt § 49a abs. 1 vwvfg nrw in entsprechender anwendung in betracht. die vorschrift ist analog anzuwenden, wenn ein verwaltungsakt, der eine billigkeitsleistung zunächst nur vorläufig bewilligt hat, rückwirkend durch einen anderen verwaltungsakt ersetzt wird, der die leistung endgültig in geringerer höhe festsetzt. der empfänger muss eine hiernach zu viel erhaltene leistung erstatten, 74vgl. bverwg, urteil vom 19. november 2009 – 3 c 7/09 –, juris; ovg nrw, beschluss vom 14. dezember 2020 – 4 a 1992/16 –, juris; ovg nrw, urteil vom 17. juni 2020 – 4 a 436/17 –, juris; vgh kassel, urteil vom 13. mai 2014 – 9 a 2289/12 –, beckrs 2014, 53405; ramsauer, in: kopp/ramsauer, vwvfg, 22. aufl. 2021, § 49 rn. 4. 75die voraussetzungen des § 49a abs. 1 vwvfg nrw analog liegen indes nicht vor. 76selbst unterstellt, die bezirksregierung düsseldorf hätte die zu erstattende forderung endgültig in form eines schlussbescheides festsetzen können, da sie mit bescheid vom 30. märz 2020 die zuwendung lediglich vorläufig bewilligt hätte, hätte sie bei erlass des schlussbescheides dennoch rechtsfehlerhaft angenommen, dass die soforthilfe nur noch 2.000,00 euro beträgt. denn die festsetzungen in ziffern 1. und 2. des schlussbescheides sind rechtswidrig. daraus folgt auch die rechtswidrigkeit der erstattungsforderung in ziffer 3. 77a. zu gunsten der bezirksregierung düsseldorf kann unterstellt werden, dass das subventionsverhältnis in der weise geregelt war, dass zunächst vorläufig durch bescheid vom 30. märz 2020 eine soforthilfe in höhe von 9.000,00 euro bewilligt und ausgezahlt wurde, deren endgültige genaue höhe von der ungewissen entwicklung des unternehmens des antragstellers während des dreimonatigen bewilligungszeitraums abhing. der bewilligungsbescheid wäre in diesem fall darauf angelegt gewesen, die höhe der zuwendung nicht definitiv zu regeln, sondern diese zunächst vorläufig zu gewähren und abschließend erst später festzusetzen. dies wäre durch erlass des sog. schlussbescheides geschehen. damit hätte sich die bezirksregierung düsseldorf der handlungsform des sog. vorläufigen verwaltungsaktes bedient, die für den sachbereich des subventionsrechts durch die höchst- und obergerichtliche rechtsprechung anerkannt ist, 78vgl. bverwg, urteil vom 19. november 2009 – 3 c 7/09 –, juris m.w.n; bverwg, urteil vom 14. april 1983 – 3 c 8/82 –, juris; ovg nrw, urteil vom 17. juni 2020 – 4 a 436/17 –, juris; ovg nrw, urteil vom 28. september 1990 – 15 a 708/88 –, juris. 79eine billigkeitsleistung kann unter dem vorbehalt einer späteren definitiven entscheidung bewilligt werden, wenn und soweit eine bestehende ungewissheit hierfür einen sachlichen grund gibt. der vorbehalt einer späteren endgültigen entscheidung bewirkt, dass die behörde die einstweilige regelung im ausgangsbescheid durch die endgültige regelung im schlussbescheid ersetzen kann, ohne insoweit an die einschränkungen der §§ 48, 49 vwvfg nrw gebunden zu sein, 80vgl. bverwg, urteil vom 19. november 2009 – 3 c 7/09 –, juris m.w.n; bverwg, urteil vom 14. april 1983 – 3 c 8/82 –, juris. 81die vorläufige regelung verliert mit dem erlass der endgültigen festsetzung ihre wirksamkeit (vgl. § 43 abs. 2 vwvfg nrw), 82vgl. bverwg, urteil vom 19. november 2009 – 3 c 7/09 –, juris; ovg nrw, urteil vom 28. september 1990 – 15 a 708/88 –, juris. 83das bestehen einer ungewissheit rechtfertigt die existenz des vorläufigen verwaltungsaktes sowie den damit einhergehenden widerspruch zwischen der dem verwaltungsakt immanenten bestandskraft und dem mit der vorläufigkeit verbundenen flexiblen element. in einer solchen konstellation stellt der vorläufige verwaltungsakt einen angemessenen ausgleich zwischen den rechtsstaatlichen anforderungen an das verwaltungsverfahren und dem gebot der effektivität des verwaltungshandelns dar, indem trotz verbleibender unsicherheiten bereits zu einem frühen zeitpunkt zugunsten des bürgers entschieden werden kann, 84vgl. schwarz, in: fehling/kastner/störmer, verwaltungsrecht, 5. aufl. 2021, § 35 rn. 27 ff. m.w.n. 85die vorläufigkeit muss sich dabei nicht auf den gesamten bescheid beziehen, sondern kann und muss gegebenenfalls auf einzelne aspekte beschränkt werden. auch wenn die behörde einen unter vorbehalt gestellten verwaltungsakt später durch einen abschließenden bescheid ersetzt, so kommt doch eine inhaltlich abweichende regelung im schlussbescheid – außer in den fällen der §§ 48, 49 vwvfg nrw – nur in betracht, wenn sie aus den gründen ergeht, wegen derer die frühere regelung unter vorbehalt gestellt wurde. welche elemente eines zuwendungsbescheides vorläufig sind und welche inhalte bereits eine gesicherte rechtsposition vermitteln, ist durch – am empfängerhorizont orientierte – auslegung zu ermitteln. jenen – nicht mit vorbehalt versehenen – teil des zuwendungsbescheides kann die behörde nur unter beachtung der §§ 48, 49 vwvfg nrw aufheben, 86vgl. bverwg, urteil vom 19. november 2009 – 3 c 7/09 –, juris; ovg nrw, beschluss vom 14. dezember 2020 – 4 a 1992/16 –, juris; ovg nrw, urteil vom 17. juni 2020 – 4 a 436/17 –, juris; ovg nrw, beschluss vom 23. juni 2017 – 4 a 2078/15 –, juris; schwarz, in: fehling/kastner/störmer, verwaltungsrecht, 5. aufl. 2021, § 35 rn. 35 m.w.n. 87neben einer die vorläufigkeit der regelung rechtfertigenden unsicherheit ist voraussetzung für einen vorbehalt, dass die vorläufigkeit und ihr umfang im verwaltungsakt selbst zum ausdruck kommen, 88vgl. stelkens, in: stelkens/bonk/sachs, vwvfg, 9. aufl. 2018, § 35 rn. 248; ovg nrw, urteil vom 17. juni 2020 – 4 a 436/17 –, juris; ovg nrw, urteil vom 28. september 1990 – 15 a 708/88 –, juris. 89das vorliegen dieser voraussetzungen kann hinsichtlich der festsetzung der genauen höhe der soforthilfe zu gunsten der bezirksregierung düsseldorf unterstellt werden. diesbezüglich kann angenommen werden, es habe bei erlass des bewilligungsbescheides eine ungewissheit, die den erlass einer lediglich vorläufigen regelung rechtfertigte, bestanden. demgegenüber wurden zu anderen fragen ersichtlich bereits abschließende regelungen getroffen. 90der bewilligungsbescheid vom 30. märz 2020 kann bei verständiger würdigung so ausgelegt werden, dass er dem kläger hinsichtlich der zuwendung dem grunde nach eine gesicherte rechtsposition vermitteln wollte. dies folgt aus den formulierungen in ziffern 2. und 3. des bescheides ebenso wie aus den umständen des antragsverfahrens. grundsätzlich berechtigt, eine zuwendung zu erhalten, waren jene antragsteller, deren wirtschaftliche tätigkeit durch die corona-pandemie bereits wesentlich beeinträchtigt war. unter ziffer 6.1 des antragsformulars mussten die antragsteller versichern, dass ihre „wirtschaftliche tätigkeit durch die corona-krise wesentlich beeinträchtigt“ war, da entweder 91- „mehr als die hälfte der aufträge aus der zeit vor dem 1. märz durch die corona-krise weggefallen ist oder 92- die umsätze gegenüber dem vorjahresmonat mehr als halbiert sind (gründungen: vormonat) oder 93- die umsatzerzielungsmöglichkeiten durch eine behördliche auflage im zusammenhang mit der covid-19-pandemie massiv eingeschränkt wurden oder 94- die vorhandenen mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen zahlungsverpflichtungen des unternehmens zu erfüllen (z.b. mieten, kredite für betriebsräume, leasingraten).“ 95die grundsätzliche antragsberechtigung setzte damit – für jeden antragsteller erkennbar –diesen zum zeitpunkt der bewilligung bereits sicher feststellbaren umstand voraus. hieran knüpfen die regelungen in ziffern 2. und 3. des bewilligungsbescheides an, mit denen die bezirksregierung düsseldorf darauf abgestellt hat, dass die soforthilfe der milderung bzw. kompensation der „unmittelbar durch die corona-pandemie ausgelösten wirtschaftlichen engpässe“ (ziffer 3.), „der finanziellen notlagen“ bzw. „der überbrückung von liquiditätsengpässen, die seit dem 1. märz 2020 im zusammenhang mit der covid-19-pandemie entstanden sind“ (ziffer 2.), dient. da diese voraussetzungen im falle des klägers im grundsatz erfüllt waren, erhielt er durch den bescheid vom 30. märz 2020 die soforthilfe dem grunde nach vorbehaltlos. 96weitere gesichtspunkte unterlagen ebenfalls keinem vorbehalt, wie etwa die anzahl der im unternehmen beschäftigten (nebenbestimmung ii.1.) oder gewisse in den nebenbestimmungen ii.4. bis 8. geregelte modalitäten. 97demgegenüber kann der bescheid hinsichtlich der höhe der soforthilfe und damit des behaltendürfens des gesamtbetrages so verstanden werden, dass er unter dem vorbehalt einer späteren endgültigen entscheidung stand. dieser vorbehalt betrifft die regelung unter ziffer 1., mit der die bewilligung eines betrages von 9.000,00 euro ausgesprochen wurde. dass sich weder in ziffer 1. noch an anderer stelle des bescheides die worte „vorbehalt“, „vorläufig“ oder dergleichen finden, steht der annahme einer vorläufigen regelung nicht zwingend entgegen. denn die formulierung der in ziffer 1. getroffenen regelung, die umstände des antragsverfahrens sowie der zusammenhang mit dem inhalt der nebenbestimmung ii.3. ermöglichen auch ohne explizite wortwahl eine deutung, wonach der zuwendungsbetrag unter dem vorbehalt einer späteren entscheidung gewährt wurde. die nebenbestimmung ii.3. enthielt folgende regelung: „sollten sie am ende des dreimonatigen bewilligungszeitraums feststellen, dass diese finanzhilfe höher ist als ihr umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter kosten (z.b. mietminderung) und sie die mittel nicht (vollständig) zur sicherung ihrer wirtschaftlichen existenz bzw. ausgleich ihres liquiditätsengpasses benötigen, sind die zu viel gezahlten mittel […] zurückzuzahlen.“ damit wurde die endgültige höhe der unter ziffer 1. bewilligten soforthilfe von einer zum zeitpunkt des bescheiderlasses unbekannten größe, die erst am ende des dreimonatigen bewilligungszeitraums feststand, abhängig gemacht. die vorläufigkeit der regelung bezüglich der höhe der soforthilfe kam auch in ziffer 1. ansatzweise zum ausdruck. dort hieß es, dass eine soforthilfe in höhe von 9.000,00 euro als „einmalige pauschale“ gewährt werde. im gesamtkontext konnte diese formulierung zumindest auch so verstanden werden, dass zunächst ein betrag in toto gezahlt wurde, dessen endgültige, genaue höhe zu einem späteren zeitpunkt bestimmt werden musste. denn in ziffer 1. wurde klargestellt, dass die bewilligung aufgrund des programms zur gewährung von soforthilfen aus dem bundesprogramm „soforthilfen für kleinstunternehmen und selbstständige“ und dem ergänzenden landesprogramm „nrw-soforthilfe 2020“ erfolge. in den vom damaligen bundesministerium für wirtschaft und energie hierzu online veröffentlichten kurzfakten vom 30. märz 2020 ging aus der antwort zu der frage, „wie wird hinterher geprüft, ob nicht eine „überkompensation“ vorlag?“, hervor, dass es bei der antragstellung auf einen „voraussichtlichen liquiditätsengpass“ ankam, welcher später mit den tatsächlichen zahlen des unternehmens abzugleichen sei. zudem enthielt auch die nebenbestimmung in ziffer ii.3. des bewilligungsbescheides den hinweis auf das am ende des bewilligungszeitraums durchzuführende rückmeldeverfahren, welches eine rückzahlungspflicht zur folge haben könne. 98dass die bezirksregierung düsseldorf selbst von einer vorläufigen bewilligung der finanzhilfe ausging, hat schließlich in der begründung des rückforderungsverlangens in ziffer ii.3. der gründe des schlussbescheides ihren ausdruck gefunden. dort hat sich die behörde auf eine entsprechende anwendung von § 49a abs. 1 vwvfg nrw unter heranziehung der rechtsprechung des bundesverwaltungsgerichts zur vorläufigen bewilligung einer leistung berufen sowie darauf hingewiesen, dass die leistung wegen des zunächst noch unbekannten liquiditätsengpasses zunächst nur vorläufig bewilligt worden sei und der schlussbescheid den vorläufigen bescheid „hinsichtlich der höhe des soforthilfe-betrages“ ersetze. 99kann somit einerseits bezüglich der höhe der zuwendung unterstellt werden, diese sei unter vorbehalt gestellt worden, so hat die bezirksregierung düsseldorf aber andererseits mit der ausgestaltung der nebenbestimmung ii.3. des bewilligungsbescheides zu erkennen gegeben, welche parameter sie einer späteren berechnung des förderbetrages zugrunde legen wollte. diese vorgaben „finanzhilfe höher […] als ihr umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter kosten“, „mittel nicht vollständig zur sicherung ihrer wirtschaftlichen existenz bzw. ausgleich ihres liquiditätsengpasses benötigen“ schränken, ebenso wie die in ziffer 2. bezeichnete zweckbindung, ihrerseits die vorläufigkeit des bescheides wieder ein, indem die endgültige regelung sich an diesen zu orientieren hat. unabhängig davon, wie diese zu verstehen sind, hat die behörde mit ihnen bereits berechnungsgrößen für die endgültige höhe der soforthilfe bzw. für das bestehen einer rückzahlungsverpflichtung aufgestellt. an diesen selbst geschaffenen vorgaben muss sie – und damit das beklagte land – sich festhalten lassen; etwaige fehler gehen zu ihren lasten, weil die behörde es zu jenem zeitpunkt in der hand gehabt hat, eine andere regelung zu treffen, wie dies offenbar in anderen bundesländern geschehen ist. nach welchen parametern man die endgültige berechnung des förderbetrages später durchführen wollte, hing auch nicht von einem zum zeitpunkt des erlasses des bewilligungsbescheides noch unbekannten und daher eine vorläufige regelung rechtfertigendem umstand ab, sondern war allein gegenstand einer politischen entscheidung, die zu diesem zeitpunkt schon getroffen werden konnte und mit der formulierung des bewilligungsbescheides auch bereits getroffen wurde. 100b. die entscheidung der bezirksregierung düsseldorf, im schlussbescheid einen liquiditätsengpass in höhe von 2.000,00 euro festzustellen (ziffer 1.), die soforthilfe in dieser höhe festzusetzen (ziffer 2.) und ihre bewertung, dass „die voraussetzungen für die […] höhe […] der billigkeitsleitung nicht mehr vorliegen oder eine überkompensation eingetreten“ und diese überkompensation von 7.000,00 euro zurückzuzahlen ist (so ausdrücklich die gründe des angegriffenen schlussbescheides, s. 3 ziffer ii.3.), erweist sich selbst bei der vorgenannten annahme der teilweisen vorläufigkeit des bewilligungsbescheides als rechtsfehlerhaft. denn sie beruht auf einem verständnis von den begriffen des liquiditätsengpasses bzw. der überkompensation, die im insoweit maßgeblichen und endgültige vorgaben treffenden bewilligungsbescheid keine grundlage finden. aus diesem grunde konnte der schlussbescheid den bewilligungsbescheid insoweit nicht rechtmäßigerweise ersetzen. 101aa. die bereits endgültigen vorgaben im bewilligungsbescheid zu den parametern der späteren berechnung des förderbetrages sind für die rechtmäßigkeit des schlussbescheides maßgeblich. 102die zuwendung wurde dem kläger nicht auf grund eines gesetzes oder anderer rechtsnormen gewährt, aus denen sich eine unmittelbare bindung für den beklagten und unmittelbare rechtsansprüche für den kläger ergäben. vielmehr wurde der bewilligungsbescheid nach maßgabe des programms zur gewährung von soforthilfen aus dem bundesprogramm „soforthilfen für kleinstunternehmen und selbstständige" und dem ergänzenden landesprogramm „nrw-soforthilfe 2020“ erlassen (vgl. insoweit auch den kopf sowohl des bewilligungs- als auch des schlussbescheides). bei diesen – wie auch bei der später erlassenen richtlinie vom 31. mai 2020 – handelt es sich um verwaltungsvorschriften, die grundsätzlich nur dazu bestimmt sind, für die verteilung von billigkeitsleistungen maßstäbe zu setzen und das ermessen der für die verteilung der jeweiligen leistungen bestimmten stellen zu lenken. nach gefestigter verwaltungsgerichtlicher rechtsprechung begründen verwaltungsvorschriften nicht wie gesetzes- und rechtsvorschriften bereits durch ihr vorhandensein subjektive rechte. sie unterliegen daher auch keiner eigenständigen richterlichen auslegung wie rechtsnormen, 103vgl. bverwg, urteil vom 8. april 1997 – 3 c 6/95 –, juris; bverwg, urteil vom 2. februar 1995 – 2 c 19/94 –, juris; ovg nrw, beschluss vom 12. august 2016 – 15 a 1822/15 –, juris; ovg lüneburg, urteil vom 23. januar 2014 – 8 la 144/13 –, juris. 104allerdings vermögen verwaltungsvorschriften über die ihnen zunächst nur innewohnende interne bindung hinaus in verbindung mit dem grundgesetzlichen gleichheitsgebot (art. 3 abs. 1 grundgesetz – gg) sowie dem im rechtsstaatsprinzip verankerten gebot des vertrauensschutzes (art. 20 abs. 1 gg) eine anspruchsbegründende außenwirkung im verhältnis zum bürger zu eröffnen. jeder anspruchsteller hat dann einen anspruch darauf, entsprechend den aufgestellten richtlinien behandelt zu werden. entscheidend ist, wie die zuständigen behörden die verwaltungsvorschrift im maßgeblichen zeitpunkt ihrer entscheidung in ständiger praxis gehandhabt haben und in welchem umfang sie infolgedessen durch den gleichheitssatz (artikel 3 abs. 1 gg) gebunden sind, 105vgl. bverwg, urteil vom 8. april 1997 – 3 c 6/95 –, juris; bverwg, urteil vom 23. april 2003 – 3 c 25/02 –, juris; ovg nrw, beschluss vom 12. august 2016 – 15 a 1822/15 –, juris. 106der tatsächlichen verwaltungspraxis im entscheidungszeitpunkt kommt damit entscheidende bedeutung zu. wenn sich die behörde an ihre verwaltungsvorschriften hält, ist sie daher durch das gleichbehandlungsgebot verpflichtet, dies auch weiterhin zu tun, sofern nicht sachliche gründe im einzelfall eine abweichung rechtfertigen oder gar gebieten. weicht sie hingegen generell von den verwaltungsvorschriften ab, so verlieren diese insoweit ihre ermessensbindende wirkung; ob das verwaltungshandeln mit dem gleichbehandlungsgebot vereinbar ist, beurteilt sich dann nur nach der tatsächlichen verwaltungspraxis im entscheidungszeitpunkt, 107vgl. bverwg, urteil vom 25. april 2012 – 8 c 18/11 –, juris; vgl. zur übertragbarkeit dieser rechtsprechung aus dem zuwendungsrecht auf billigkeitsleistungen: vg würzburg, urteil vom 3. august 2020 – w 8 k 20.743 –, juris; vg münchen, beschluss vom 25. juni 2020 – m 31 k 20.2261 –, juris. 108nach ihrer entscheidung, mithin nach erlass des zuwendungsbescheides, kann die bewilligungsbehörde die darin verwandten begrifflichkeiten nicht mehr frei auslegen. der bescheid hat insoweit fakten geschaffen, über die sie sich nicht mehr nach ermessen hinwegsetzen kann. der zuwendungsempfänger muss sich auf die im antragsverfahren gleichmäßig ausgeübte verwaltungspraxis und den inhalt des bewilligungsbescheides einstellen können, 109vgl. ovg nrw, beschluss vom 8. märz 2018 – 4 a 182/16 –, juris; ovg nrw, beschluss vom 11. juni 2016 – 4 a 1983/13 –, juris; vorgehend erkennende kammer, urteil vom 17. juli 2013 – 20 k 7520/12 – juris. 110die im bewilligungsbescheid vom 30. märz 2020 zum ausdruck gekommene verwaltungspraxis ist demnach maßgeblich für die beurteilung der rechtmäßigkeit des ihn (teilweise) ersetzenden schlussbescheides vom 18. dezember 2021. das bedeutet zugleich, dass nach seinem erlass in kraft getretene regelwerke oder spätere informationen, die von jenen bis zum erlasszeitpunkt abweichen, nicht zu berücksichtigen sind. dem steht nicht entgegen, dass der bescheid die oben beschriebenen vorläufigen elemente enthält. die vorläufigkeit bezieht sich, wie dargelegt, auf die höhe der zuwendung, die im jeweiligen einzelfall erst zu einem späteren zeitpunkt endgültig berechnet werden sollte. welche maßgaben für diese berechnung gelten sollten, war jedoch bestandteil der verwaltungspraxis im antragsverfahren und bei erlass der bewilligungsbescheide und fand eingang in die in sämtlichen bescheiden verwendeten formulierungen in ziffern 2. und 3. sowie ii.3. deren verständnis – ausgerichtet am objektiven empfängerhorizont – ist mithin ausschlaggebend für die rechtmäßigkeit des angefochtenen schlussbescheides. nur hinsichtlich der aufgrund dieser berechnungsmodalitäten zu ermittelnden höhe – nicht bezüglich der parameter selbst – stand der ausgangsbescheid unter dem vorbehalt der ersetzung durch den schlussbescheid. den nicht unter vorbehalt gestellten teil des bewilligungsbescheides kann die behörde nur unter den voraussetzungen der §§ 48 ff. vwvfg nrw aufheben, weil er mit seiner bekanntgabe bindungswirkung entfaltet hat. 111das vom beklagten herangezogene urteil des bundesverwaltungsgerichts vom 8. april 1997, 112– 3 c 6/95 –, juris, 113rechtfertigt keine abweichende sichtweise. der dort entschiedene fall unterscheidet sich von dem hier streitgegenständlichen insbesondere dadurch, dass der zuwendungsbescheid erst nach inkrafttreten der geänderten richtlinie erlassen wurde. die frage, ob der dortige kläger, der jahrelang zuschüsse nach maßgabe der vorherigen richtlinie erhalten hatte, sich auf den grundsatz des vertrauensschutzes berufen konnte, stellt sich hier nicht. denn der bewilligungsbescheid vom 30. märz 2020 wurde auf der grundlage einer bestimmten verwaltungspraxis erlassen, die die bezirksregierung düsseldorf gegenüber allen leistungsempfängern gleichermaßen ausgeübt hatte. von dieser verwaltungspraxis hätte eine richtlinie nur bis zum maßgeblichen zeitpunkt des vertrauensbildenden bewilligungsbescheides abweichen können und damit ihrerseits eine (neue oder veränderte) verwaltungshandhabung begründen können. 114bb. legt man die danach maßgeblichen endgültigen vorgaben im bewilligungsbescheid zu den parametern der späteren berechnung des förderbetrages nach dem objektiven empfängerhorizont aus, sind die festsetzungen zum liquiditätsengpass und zur höhe der soforthilfe in den ziffern 1. und 2. des schlussbescheides sowie die begründung hierzu gemessen an diesen vorgaben materiell rechtswidrig. die bezirksregierung düsseldorf hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass ein liquiditätsengpass von 2.000,00 euro vorliegt und die soforthilfe nur noch 2.000,00 euro beträgt. 115(1) im hinblick auf die materielle rechtswidrigkeit dieser regelungen kann die formelle rechtmäßigkeit des bescheides, insbesondere die erforderlichkeit einer anhörung gem. § 28 abs. 1 vwvfg nrw, dahinstehen. 116(2) zum maßgeblichen zeitpunkt des erlasses des bewilligungsbescheides richtete die bezirksregierung düsseldorf – wie dargelegt – ihre verwaltungspraxis an dem programm zur gewährung von soforthilfen aus dem bundesprogramm „soforthilfen für kleinstunternehmen und selbstständige" und dem ergänzenden landesprogramm „nrw-soforthilfe 2020“ aus. die richtlinien des landes nrw „zur gewährung von soforthilfen für gewerbliche kleinunternehmen, selbstständige und angehörige freier berufe, die infolge der sars-cov-2-pandemie in ihrer existenz gefährdet sind (nrw-soforthilfe 2020)“ vom 31. mai 2020 waren noch nicht in der welt. gleiches gilt für die vom beklagten unter dem 3. juli 2020, 5. oktober 2020, 2. dezember 2020 sowie 14. juni 2021 versandten emails an sämtliche antragsteller. im verwaltungsverfahren vor erlass des zuwendungsbescheides stellte das beklagte land (und ebenso der bund) den antragstellern – auch dem kläger – eine vielzahl von online abrufbaren hinweisen, insbesondere die sog. faq, bereit. diese spiegeln die verwaltungspraxis des beklagten bzw. der bezirksregierung düsseldorf als bewilligungsbehörde des landes wider. diese verwaltungspraxis lässt sich wie folgt zusammenfassen: versicherte ein anspruchsteller, dass seine wirtschaftliche tätigkeit durch die corona-krise wesentlich beeinträchtigt war, erhielt er eine (vorläufige) pauschale in einer höhe, die von der anzahl der bei ihm beschäftigten abhing; hatte er – wie der kläger – bis einschließlich fünf beschäftigte, erhielt er 9.000,00 euro. wie das land die „wesentliche beeinträchtigung der wirtschaftlichen tätigkeit“ definierte, ließ sich an den oben wiedergegebenen voraussetzungen im antragsformular (dortige ziffer 6.1) ablesen. antragsteller, die – wie der kläger – erklärten, diese voraussetzungen zu erfüllen, erhielten (bei vorliegen der weiteren erfordernisse) einen zuwendungsbescheid. in diesem wurde ebenfalls auf das bestehen einer finanziellen notlage, die überbrückung von liquiditätsengpässen bzw. die kompensation der wirtschaftlichen engpässe abgestellt, ohne diese genau zu umschreiben. namentlich in ziffer 2. wurde die zweckbindung der soforthilfe so beschrieben, dass sie „zur milderung der finanziellen notlage“ „als einmalzahlung für einen bewilligungszeitraum von drei monaten ab antragstellung“ erfolge und „insbesondere zur überbrückung von liquiditätsengpässen“ diene. der nebenbestimmung ii.3. konnten die anspruchsteller einen anhaltspunkt dafür entnehmen, nach welchen maßgaben die mit dieser zweckbindung erhaltene soforthilfe zurückzuzahlen sei. diese stellte zwei kumulative („und“) voraussetzungen für eine rückzahlungspflicht am ende des dreimonatigen bewilligungszeitraums auf: 117- die finanzhilfe war höher als der umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter kosten. 118- die mittel wurden nicht (vollständig) zur sicherung der wirtschaftlichen existenz bzw. ausgleich des liquiditätsengpasses benötigt. 119im einzelnen: 120die bezirksregierung düsseldorf hat ihre vergabepraxis auch auf das bundesprogramm „corona-soforthilfen für kleinstunternehmen und selbständige“ gestützt. potentiellen anspruchsberechtigten standen hierzu sog. kurzfakten zur verfügung, in denen es u.a. heißt (stand 30. märz 2020): s. 1 ziffer 2: „die soforthilfe dient der sicherung der wirtschaftlichen existenz der unternehmen und zur überbrückung von akuten liquiditätsengpässen.“ ziffer 7: „eine kumulierung mit anderen hilfen […] ist grundsätzlich möglich. eine überkompensation ist aber zurückzuzahlen.“ s. 2: „wie wird hinterher geprüft, ob nicht eine überkompensation vorliegt? […] der antragsteller legt bei der angabe, in welcher höhe er die billigkeitsleitung beantragt, seinen voraussichtlichen liquiditätsengpass zugrunde. dieser wird auf der basis seines voraussichtlichen umsatzes sowie des betrieblichen sach- und finanzaufwands für die drei auf die antragstellung folgenden monate ermittelt. sofern die soforthilfe wie beantragt bewilligt wird und später festgestellt wird, dass der sach- und finanzaufwand des unternehmens oder die tatsächliche umsatzeinbuße doch geringer war, ist das unternehmen zu einer rückzahlung des überzahlten betrags verpflichtet. auch durch die kombination von mehreren hilfsprogrammen kann es zu einer überkompensation kommen.“ 121an mehreren stellen werden die formulierungen „wirtschaftliche existenz“ sowie „liquiditätsengpass“ gebraucht (auch auf s. 1 ziffer 3 und s. 2), ohne dass diese definiert würden. bei der beantwortung der frage, wie geprüft werde, ob eine „überkompensation“ vorliege, wird explizit eine umsatzeinbuße zur voraussetzung für eine rückerstattungsspflicht gemacht. 122das beklagte land hat dieses bundesprogramm erweitert und das landesprogramm „nrw-soforthilfe 2020“ ins leben gerufen. hierzu stellte es antragstellern auf der internetpräsenz des damaligen ministeriums für wirtschaft, innovation, digitalisierung und energie nrw hinweise und faq zur verfügung. 123in den faq 1 vom 25. märz 2020 hieß es für die anspruchsvoraussetzungen zu der frage, „was wird gefördert?“: „die unternehmen sollen bei der sicherung ihrer wirtschaftlichen existenz und überbrückung von akuten finanzierungsengpässen, u.a. für laufende betriebskosten wie mieten, kredite für betriebsräume, leasingraten u.ä. sowie den erhalt von arbeitsplätzen durch einen zuschuss unterstützt werden. […] voraussetzung: erhebliche finanzierungsengpässe und wirtschaftliche schwierigkeiten in folge von corona. dies wird angenommen wenn, 124- sich für den monat, in dem der antrag gestellt wird, umsatz- bzw. honorarrückgang von mindestens 50 prozent verglichen mit dem durchschnittlichen monatlichen umsatz (bezogen auf den aktuellen und die zwei vorangegangenen monate) im vorjahr ergibt [….] oder 125- der betrieb auf behördliche anordnung wegen der corona-krise geschlossen wurde oder 126- die vorhandenen mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen verbindlichkeiten des unternehmens (bspw. mieten, kredite für betriebskosten, leasingraten) zu zahlen (=finanzierungsengpass).“ 127in den faq 2 vom 26. märz 2020 wurden die voraussetzungen um eine vierte möglichkeit zum auftragseinbruch ergänzt und wie folgt umformuliert: 128- „mehr als die hälfte der aufträge aus der zeit vor dem 1. märz durch die corona-krise weggefallen sind […] oder 129- sich für den monat, in dem der antrag gestellt wird, umsatz- bzw. honorarrückgang von mindestens 50 prozent verglichen mit dem durchschnittlichen monatlichen umsatz (bezogen auf den aktuellen und die zwei vorangegangenen monate) im vorjahr ergibt. [….] oder 130- der umsatz durch eine behördliche auflage im zusammenhang mit der covid-19-pandemie massiv eingeschränkt wurde oder 131- die vorhandenen mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen verbindlichkeiten des unternehmens (bspw. mieten, kredite für betriebskosten, leasingraten) zu zahlen (= finanzierungsengpass).“ 132in den faq 3 (datum nach anlage b2 unbekannt; datum der speicherung: 25. märz 2020) wurden die voraussetzungen dann im wesentlichen unverändert final umformuliert: 133- „mehr als die hälfte der aufträge aus der zeit vor dem 1. märz durch die corona-krise weggefallen ist […] oder 134- die umsätze gegenüber dem vorjahresmonat mehr als halbiert sind (für einen noch im märz oder april gestellten antrag werden die umsätze im märz 2020 gegenüber dem monat märz 2019 zugrunde gelegt). kann der vorjahresmonat nicht herangezogen werden (z.b. bei gründungen), gilt der vormonat. oder 135- die möglichkeiten den umsatz zu erzielen durch eine behördliche auflage im zusammenhang mit der covid-19-pandemie massiv eingeschränkt wurde oder 136- die vorhandenen mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen verbindlichkeiten des unternehmens (bspw. mieten, kredite für betriebskosten, leasingraten) zu zahlen (=finanzierungsengpass).“ 137diese spiegelstrich-voraussetzungen mündeten fast wortgleich in das antragsformular, das die antragsteller – so auch der kläger – online einreichen mussten. von einem liquiditätsengpass ist an keiner stelle die rede, geschweige denn, dass er definiert würde. vielmehr wird durchgängig der begriff „finanzierungsengpass“ verwendet. dieser war – gemessen an den zum antragszeitpunkt feststehenden zahlen eines antragstellers – bedingung für das entstehen eines anspruchs. zwar entspricht der vierte spiegelstrich der anspruchsvoraussetzungen „die vorhandenen mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen verbindlichkeiten des unternehmens (bspw. mieten, kredite für betriebskosten, leasingraten) zu zahlen“ im wesentlichen der späteren definition des liquiditätsengpasses in ziffer 5.3 abs. 2 der richtlinie. in den faq war dieser spiegelstrich jedoch lediglich als eine von vier alternativen möglichkeiten („oder“) vorgesehen, um die anspruchsberechtigung zu begründen. 138zu den fragen „wird geprüft, ob dem antragsteller die hilfe auch wirklich zugestanden hat und wenn nein, muss die hilfe ggfls. zurückgezahlt werden?“ und „wird immer der maximalbetrag ausgezahlt?“ und „wie ist eine überkompensation definiert?“ wurden folgende antworten gegeben: 139- „wird geprüft, ob dem antragsteller die hilfe auch wirklich zugestanden hat und wenn nein, muss die hilfe ggfls. zurückgezahlt werden? 140der antragsteller versichert im formular, dass er alle angaben nach bestem wissen und gewissen und wahrheitsgetreu gemacht hat. falsche angaben, die zu einer unberechtigten inanspruchnahme der leistung führen, sind subventionsbetrug. die leistung muss dann nicht nur zurückgeführt werden, es kann dann zu einer strafrechtlichen verfolgung kommen. […] der zuschuss wird als sogenannte billigkeitsleistung ausgezahlt. auch im falle einer überkompensation (z.b. durch versicherungsleistung oder andere fördermaßnahmen) muss die erhaltene soforthilfe zurückgezahlt werden. stellt sich am ende der bezugszeit von drei monaten heraus, dass der antragsteller mehr erhalten hat, als sein schaden war, ist er gehalten, das überschüssige geld zurückzuzahlen. hierauf wird noch einmal separat im bescheid hingewiesen.“ 141- „wird immer der maximalbetrag ausgezahlt? 142ja. die zuschüsse sind nach mitarbeiterzahl gestaffelt. innerhalb der entsprechenden staffelung erhalten sie den vollen betrag. bis zu 5 mitarbeiter 9.000 euro, bei bis zu 10 mitarbeitern 15.000 euro und bei bis zu 50 mitarbeitern 25.000 euro. bei überkompensation sind die beträge zurückzuzahlen (s.o.). entsprechende hinweise und die kontonummer für die rückzahlung zuviel erhaltener soforthilfen enthält der bewilligungsbescheid.“ 143- „wie ist eine überkompensation definiert?“ 144in der fassung 2 (vom 26. märz 2020): „eine überkompensation entsteht dann, wenn der antragsteller mehr zuwendungen erhält, als erforderlich wären, um den finanzierungsengpass zu beseitigen.“ 145ab der fassung 3 (datum nach anlage b2 unbekannt; datum der speicherung: 25. märz 2020): „eine überkompensation entsteht dann, wenn der antragsteller mehr zuwendungen erhält, als sein tatsächlich eingetretener schaden – also insbesondere der durch die corona-krise eingetretene umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter kosten (z.b. mietminderung) ist. eine überkompensation ist nach der dreimonatigen förderphase zurückzuerstatten.“ 146in abgrenzung zu den anspruchsbegründenden voraussetzungen, die einen finanzierungsengpass erforderten, wurde für die rückzahlungspflicht am ende des bewilligungszeitraums auf eine „überkompensation“ – gemessen an den dann erst feststehenden zahlen aus dem bewilligungszeitraum – abgestellt. als beispiele für eine solche nannten die faq „z.b. durch versicherungsleistung oder andere fördermaßnahmen“. nach der ab fassung 3 der faq (datum nach anlage b2 unbekannt; datum der speicherung: 25. märz 2020; faq 4 datiert vom 28. märz 2020) unverändert geltenden definition in den faq tritt eine überkompensation ein, wenn der antragsteller mehr zuwendungen erhalten hat, als sein tatsächlich eingetretener schaden, also insbesondere der durch die corona-krise eingetretene umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter kosten (z.b. mietminderung), ist. auch hier wird maßgeblich auf einen umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter kosten abgestellt. der begriff des „liquiditätsengpasses“ fällt in diesem zusammenhang in den faq nicht. 147schließlich enthält der bewilligungsbescheid – wie erwähnt – in ziffer 2. (zweckbindung) die formulierungen „zur milderung der finanziellen notlage“ und „insbesondere zur überbrückung von liquiditätsengpässen“. aus der nebenbestimmung ii.3. ergaben sich zwei kumulative voraussetzungen für eine rückzahlungspflicht am ende des dreimonatigen bewilligungszeitraums, nämlich dass die „finanzhilfe höher ist als ihr umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter kosten (z.b. mietminderung) und sie die mittel nicht (vollständig) zur sicherung ihrer wirtschaftlichen existenz bzw. ausgleich ihres liquiditätsengpasses benötigen“. der ausdruck „überkompensation“ findet sich im bescheid nicht; welche bedeutung dem begriff „liquiditätsengpass“ zukommen soll, wird nicht umschrieben. die nebenbestimmung ii.3. gab den maßgeblichen anhaltspunkt dafür, wie die zuwendungsempfänger später ihre rückmeldung durchführen sollten; aus ihr ergab sich auch der umfang der vorläufigkeit des verwaltungsaktes; hier wurden die berechnungsmodalitäten für die spätere feststellung einer – an dieser stelle nicht so genannten – überkompensation festgelegt. wenn sie auch mehr als missverständlich formuliert ist, so konnten die bescheidadressaten – auch der kläger – ihr immerhin entnehmen, dass eine rückzahlungspflicht bereits dann ausgeschlossen sein sollte, wenn der umsatzausfall die finanzhilfe überstieg. insoweit korrelierte die bestimmung mit den faq. wie die zweite voraussetzung zu verstehen ist, die die bezeichnungen „wirtschaftliche existenz“ und „liquiditätsengpass“ aufnimmt, wird weder aus sich heraus noch im kontext mit dem übrigen inhalt des bescheides deutlich. vielmehr lag für einen durchschnittlichen antragsteller nach der lektüre der faq und der ersten voraussetzung der nebenbestimmung ii.3. nahe, dass eine verpflichtung zur rückzahlung der zunächst erhaltenen soforthilfe dann in betracht kam, wenn er am ende des dreimonatigen bewilligungszeitraums feststellte, dass seine tatsächliche umsatzeinbuße doch geringer war als zunächst angenommen. mit anderen worten, dass maßstab für eine erstattungspflicht eine „überkompensation“ war, die im wesentlichen von umsatzeinbußen und ersparten aufwendungen abhing. 148festzuhalten ist mithin, dass die verwaltungspraxis des beklagten landes bzw. der bezirksregierung düsseldorf bis zum erlass der jeweiligen bewilligungsbescheide durch eine vielzahl von informationen gekennzeichnet war, die aus sich heraus entweder nicht ohne weiteres verständlich waren oder jedenfalls keinen eindeutigen – schon gar nicht begrifflich erläuterten – hinweis auf die voraussetzungen für eine spätere rückzahlungspflicht gaben. nachvollziehbar für die anspruchsteller war immerhin, dass sich die anspruchsbegründenden voraussetzungen von jenen des späteren rückmeldeverfahrens unterschieden. unter welchen bedingungen es zu einer rückerstattung kommen würde, blieb aber weitgehend unklar. das gilt namentlich für den den schlusspunkt des zuwendungsverfahrens setzenden bewilligungsbescheid. hier (in der nebenbestimmung ii.3.) wie auch in den den antragstellern zuvor zur verfügung gestellten informationen wird eher der eindruck erweckt, es komme darauf an, wie sich der umfang der umsatzeinbußen im dreimonatigen bewilligungszeitraum gestalten werde. werde die soforthilfe höher sein als der umsatzausfall (abzüglich eingesparter kosten), so dürften die zu viel erhaltenen mittel nicht behalten werden. dies wird zum teil auch als „überkompensation“ bezeichnet. soweit der begriff „liquiditätsengpass“ überhaupt gebraucht wird – im antragsformular findet er sich nicht –, wird nicht deutlich, was unter ihm zu verstehen ist. dass ihm ein verständnis im sinne der anforderungen der späteren richtlinie beizulegen wäre, ist weder den faq noch dem bewilligungsbescheid aus der sicht eines durchschnittlichen adressaten zu entnehmen. soweit in der nebenbestimmung ii.3. auf einen liquiditätsengpass abgestellt wird, handelt es sich lediglich um eine zweite voraussetzung für eine rückerstattungspflicht. mit anderen worten: die rückzahlungspflicht wird hiernach nicht ausgelöst, wenn bereits die erste bedingung nicht erfüllt ist, wenn also die finanzhilfe nicht höher ist als der umsatzausfall. liegt die erste voraussetzung vor, ist die zweite zu prüfen. jedoch bleibt auch hier völlig unklar, was unter liquiditätsengpass zu verstehen und wie dieser zu berechnen ist. solche unklarheiten gehen zu lasten der behörde, 149vgl. bverwg, urteil vom 11. februar 1983 – 7 c 70/80 –, juris; vg hamburg, urteil vom 14. märz 2020 – 17 k 4793/21 –, juris; stelkens, in: stelkens/bonk/sachs, vwvfg, 9. auflage 2018, § 35 rn. 80 m.w.n.; von alemann/scheffczyk, in: bader/ronellenfitsch, vwvfg, stand: 1. januar 2022, § 35 rn. 46 m.w.n. 150im kontext mit den gegebenheiten des verwaltungsverfahrens durfte der kläger davon ausgehen, die soforthilfe nur dann (teilweise) erstatten zu müssen, wenn er am ende des dreimonatigen bewilligungszeitraumes feststellte, dass die zuwendung höher war als der umsatzausfall (abzüglich eingesparter kosten), wenn also eine überkompensation in diesem sinne vorlag. da seine umsatzeinbuße unstreitig die höhe der soforthilfe von 9.000,00 euro überstieg, durfte er annehmen, die mittel behalten zu dürfen. wäre dies nicht der fall gewesen, wäre nach dem oben gesagten allerdings im dunkeln geblieben, wann die voraussetzungen der zweiten alternative der nebenbestimmung ii.3. vorgelegen hätten. denn – wie bereits ausgeführt – wurde im bewilligungsverfahren der begriff des „liquiditätsengpasses“ nicht definiert. lediglich der ähnliche begriff des „finanzierungsengpasses“ wurde im bewilligungsverfahren definiert, allerdings nur im rahmen der vier alternativ erfüllbaren anspruchsvoraussetzungen und gemessen an den bei antragstellung feststehenden wirtschaftlichen zahlen der antragsteller. eine übertragung dieser definition auf eine rückzahlungspflicht am ende des bewilligungszeitraumes gemessen an den dann feststehenden wirtschaftlichen zahlen der antragsteller aus diesem bewilligungszeitraum macht keinen sinn bzw. ist zumindest nicht aus sich heraus verständlich. eine solche missverständliche fassung der nebenbestimmung ii.3. geht – wie ebenfalls bereits ausgeführt – nicht zu lasten des klägers. 151dass die bezirksregierung düsseldorf dem schlussbescheid vom 18. dezember 2021 nicht die beschriebenen – wenngleich missverständlichen – parameter für die berechnung einer etwaigen rückzahlungspflicht zugrunde gelegt hat, führt dazu, dass der schlussbescheid (insoweit) den bewilligungsbescheid nicht ersetzen kann. werden die regelungen des schlussbescheides mit jenen des bewilligungsbescheides abgeglichen, ist ersichtlich, dass diesen ein anderes verständnis der rückzahlungsbedingungen immanent ist, als es sich aus dem auf der basis der förderpraxis ergangenen bewilligungsbescheid ergibt. im schlussbescheid ist nur noch von einem „liquiditätsengpass“ die rede (insbesondere in der überschrift, im eingangssatz, in ziffer 1. sowie mehrfach in der begründung); die formulierungen „finanzielle notlage“, „wirtschaftliche engpässe“ o.ä. wurden nicht aufgenommen. in den gründen unter ii.3. findet sich der ausdruck der „überkompensation“, die 7.000,00 euro betrage. das verständnis des begriffs des liquiditätsengpasses im schlussbescheid beruht auf der definition der zu diesem zeitpunkt bereits erlassenen richtlinie des landes. erstmals wird dort präzise umschrieben, dass der liquiditätsengpass sich aus der differenz zwischen den tatsächlichen fortlaufenden einnahmen aus dem geschäftsbetrieb und den tatsächlichen laufenden, erwerbsmäßigen sach- und finanzausgaben (ohne personalaufwand) unter berücksichtigung eingesparter kosten im erfassungszeitraum ergibt (ziffer 5.3. abs. 2). dieses verständnis ließ sich den umständen des antragsverfahrens nicht entnehmen, auch nicht dem bewilligungsbescheid selbst. nach den vorstehenden ausführungen ist nicht maßgeblich, wie die den antragstellern zum zeitpunkt des erlasses der bewilligungsbescheide noch nicht bekannten bestimmungen der richtlinie lauteten. diese vorschriften wären im vorliegenden rechtlichen zusammenhang allenfalls dann relevant, wenn ihr wortlaut mit dem verwaltungshandeln und den begrifflichkeiten des erstbescheides übereinstimmte. da er indes von der verwaltungspraxis abweicht, kommt es auf die praxis, nicht auf die ausgestaltung der verwaltungsvorschrift an. dies gilt auch deshalb, weil die bewilligungsbehörde gegenüber den zuwendungsempfängern im ausgangsbescheid nicht zum ausdruck gebracht hat, dass die modalitäten der rückzahlung von einer noch zu erlassenen richtlinie abhängen sollten. 152beruhten die im angegriffenen schlussbescheid getroffenen festsetzungen zum liquiditätsengpass, zur höhe der soforthilfe und zur höhe der rückzahlungspflicht somit auf einer berechnungsmethode, die nicht mit der – zum maßgeblichen erlasszeitpunkt des bewilligungsbescheides bestehenden – verwaltungspraxis korrelierte, führt dies – unabhängig von der tatsächlichen umsatzentwicklung des klägers im bewilligungszeitraum – zur rechtswidrigkeit des schlussbescheides. 153ii. aus der rechtswidrigkeit der für den kläger nachteiligen bestimmungen des schlussbescheides folgt die rechtsverletzung des klägers, § 113 abs. 1 satz 1 vwgo. 154b. die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 1 vwgo, die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit auf § 167 abs. 1 satz 1 und abs. 2 vwgo i.v.m. § 709 satz 1 und 2 zivilprozessordnung. 155c. die berufung ist von amts wegen gem. § 124a abs. 1 satz 1 vwgo zuzulassen. da die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat, liegen die voraussetzungen des § 124 abs. 2 nr. 3 vwgo vor. 156rechtsmittelbelehrung: 157gegen dieses urteil kann innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) schriftlich berufung eingelegt werden. die berufung muss das angefochtene urteil bezeichnen. 158auf die ab dem 1. januar 2022 unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 159die berufung ist innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils zu begründen. die begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der einlegung der berufung erfolgt, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen (aegidiikirchplatz 5, 48143 münster oder postfach 6309, 48033 münster) schriftlich einzureichen. 160die begründungsfrist kann auf einen vor ihrem ablauf gestellten antrag von dem vorsitzenden des senats verlängert werden. die begründung muss einen bestimmten antrag enthalten sowie die im einzelnen anzuführenden gründe der anfechtung (berufungsgründe). 161im berufungsverfahren müssen sich die beteiligten durch prozessbevollmächtigte vertreten lassen. dies gilt auch für prozesshandlungen, durch die das verfahren eingeleitet wird. die beteiligten können sich durch einen rechtsanwalt oder einen rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten hochschule eines mitgliedstaates der europäischen union, eines anderen vertragsstaates des abkommens über den europäischen wirtschaftsraum oder der schweiz, der die befähigung zum richteramt besitzt, als bevollmächtigten vertreten lassen. auf die zusätzlichen vertretungsmöglichkeiten für behörden und juristische personen des öffentlichen rechts einschließlich der von ihnen zur erfüllung ihrer öffentlichen aufgaben gebildeten zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 abs. 4 satz 4 vwgo und § 5 nr. 6 des einführungsgesetzes zum rechtsdienstleistungsgesetz – rdgeg –). darüber hinaus sind die in § 67 abs. 2 satz 2 nr. 3 bis 7 vwgo bezeichneten personen und organisationen unter den dort genannten voraussetzungen als bevollmächtigte zugelassen. 162die berufungsschrift und die berufungsbegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. 163 164beschluss: 165der streitwert wird auf 7.000,00 euro festgesetzt. 166gründe: 167die festsetzung des streitwertes ist nach § 52 abs. 3 gkg erfolgt. 168rechtsmittelbelehrung: 169gegen den streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur niederschrift des urkundsbeamten der geschäftsstelle bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) beschwerde eingelegt werden, über die das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen in münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der zivilprozessordnung gilt entsprechend. 170auf die ab dem 1. januar 2022 unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 171die beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs monaten eingelegt wird, nachdem die entscheidung in der hauptsache rechtskraft erlangt oder das verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der streitwert später als einen monat vor ablauf dieser frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines monats nach zustellung oder formloser mitteilung des festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 172die beschwerde ist nicht gegeben, wenn der wert des beschwerdegegenstandes 200,-- euro nicht übersteigt. 173die beschwerdeschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. 174war der beschwerdeführer ohne sein verschulden verhindert, die frist einzuhalten, ist ihm auf antrag von dem gericht, das über die beschwerde zu entscheiden hat, wiedereinsetzung in den vorigen stand zu gewähren, wenn er die beschwerde binnen zwei wochen nach der beseitigung des hindernisses einlegt und die tatsachen, welche die wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. nach ablauf eines jahres, von dem ende der versäumten frist angerechnet, kann die wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. 175
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20 K 217/21
2022-08-16T00:00:00
Urteil
Tenor Der Bescheid der Bezirksregierung Düsseldorf vom 11. Dezember 2020 wird aufgehoben. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Berufung gegen das Urteil wird zugelassen. 1Tatbestand: 2Die Klägerin betreibt als Soloselbstständige ein Kosmetikstudio. 3Mitte März 2020 gerieten insbesondere kleine Unternehmen und Selbstständige durch verschiedene infektionsschutzrechtliche Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie („harter Lockdown“) in wirtschaftliche Notlage. So musste der Betrieb der Klägerin vom 22. März 2020 bis zum 7. Mai 2020 vollständig schließen und konnte er ab dem 8. Mai 2020 nur unter Auflagen wieder geöffnet werden. 4Als Reaktion hierauf schuf der Bund das Programm „Soforthilfe für Kleinstunternehmen und Soloselbstständige“, um betroffenen Unternehmen und Selbstständigen kurzfristig Finanzhilfen bereitzustellen. 5Das damalige Bundesministerium für Wirtschaft und Energie veröffentlichte hierzu unter anderem Eckpunkte vom 23. März 2020, 6vgl. https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Pressemitteilungen/Finanzpolitik/2020/03/2020-03-23-pm-Soforthilfefond-download.pdf?__blob=publicationFile&v=3, 7und Kurzfakten vom 30. März 2020, 8vgl. https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/J-L/kurzfakten-corona-soforthilfen.pdf?__blob=publicationFile&v=12. 9Das beklagte Land beschloss, das Programm des Bundes in vollem Umfang an die vorgesehenen Zielgruppen weiterzuleiten und erweiterte das Bundesprogramm um die Empfängergruppen mit bis zu 50 Beschäftigten. Beide Maßnahmen wurden in der „NRW-Soforthilfe 2020“ gebündelt. Die federführende Verantwortung lag hierbei bei dem Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen. Auf dessen Internetpräsenz waren sog. FAQ in verschiedenen Fassungen unter dem Link https://wirtschaft.nrw.de/nrw-soforthilfe-2020 abrufbar. Bezüglich des genauen Inhalts wird auf die vom Beklagten im Verfahren 20 K 7488/20 übersandten Anlagen B5 bis B19 verwiesen. 10Die Klägerin stellte ihren Antrag am 1. April 2020 und verwendete hierfür das online vom Beklagten bereitgestellte Formular „Antrag auf Gewährung einer Soforthilfe für von der Corona-Krise 03/2020 besonders geschädigte Unternehmen und Angehörige Freier Berufe einschließlich Soloselbstständige aus dem Soforthilfeprogramm des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen sowie dem Bundesprogramm „Soforthilfe für Kleinstunternehmer und Soloselbstständige“ („NRW-Soforthilfe 2020“)“. 11Im Antragsformular hieß es unter Ziffer 5.: 12„Die Soforthilfe wird als Billigkeitsleistung auf der Grundlage der Regelung zur vorübergehenden Gewährung geringfügiger Beihilfen im Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19 („Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020“) zur Überwindung der existenzbedrohenden Wirtschaftslage bzw. des Liquiditätsengpasses gewährt.“ 13Unter Ziffer 6.1 versicherte die Klägerin: „Falls nicht anders angegeben, sind die Kriterien auf den Zeitpunkt der Antragstellung zu beziehen. Ich versichere, dass meine wirtschaftliche Tätigkeit durch die Corona-Krise wesentlich beeinträchtigt ist, da entweder 14- mehr als die Hälfte der Aufträge aus der Zeit vor dem 1. März durch die Corona-Krise weggefallen ist oder 15- die Umsätze gegenüber dem Vorjahresmonat mehr als halbiert sind (Gründungen: Vormonat) oder 16- die Umsatzerzielungsmöglichkeiten durch eine behördliche Auflage im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie massiv eingeschränkt wurden oder 17- die vorhandenen, Mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen Zahlungsverpflichtungen des Unternehmens zu erfüllen (z.B. Mieten, Kredite für Betriebsräume, Leasingraten).“ 18Unter Ziffer 6.2 versicherte die Klägerin: 19„Ich versichere, dass die in Nr. 1.1. benannten Antragsvoraussetzungen sämtlich vorliegen und ein Liquiditätsengpass nicht bereits vor dem 1. März bestanden hat.“ 20Unter Ziffer 6.11 versicherte die Klägerin: 21„Mir ist bekannt, dass ich den Zuschuss als Billigkeitsleistung erhalte und im Falle einer Überkompensation (Entschädigungs-, Versicherungsleistungen, andere Fördermaßnahmen) die erhaltene Soforthilfe zurückzahlen muss.“ 22Mit Bescheid vom 1. April 2020 bewilligte die Bezirksregierung Düsseldorf der Klägerin auf ihren Antrag eine Soforthilfe in Höhe von 9.000,00 Euro. Der Betrag wurde kurze Zeit später in voller Höhe ausgezahlt. In dem Bescheid, der nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, heißt es auszugsweise: 23 24 25Am 31. Mai 2020 wurden die „Richtlinien des Landes zur Gewährung von Soforthilfen für gewerbliche Kleinunternehmen, Selbstständige und Angehörige freier Berufe, die infolge der Sars-CoV-2-Pandemie in ihrer Existenz gefährdet sind“ als Runderlass des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie (Az. VB 5 - 2020) – im Folgenden: Richtlinie – erlassen und traten laut Ziffer 9. mit Wirkung vom 27. März 2020 in Kraft. 26Unter dem 3. Juli 2020, 5. Oktober 2020, 2. Dezember 2020 sowie 14. Juni 2021 versandte der Beklagte an sämtliche Antragsteller Emails, in denen er auf die Notwendigkeit zur Durchführung eines Rückmeldeverfahrens, den hierfür bereitgestellten Vordruck sowie die hierbei nach seiner Auffassung geltenden Regelungen und Fristen hinwies. 27Bereits am 11. Dezember 2020 füllte die Klägerin das vom Beklagten online bereitgestellte “Rückmelde-Formular ermittelter Liquiditätsengpass NRW-Soforthilfe 2020“ aus. Die Klägerin musste hierin als Förderzeitraum die Zeit vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 auswählen. Nach Eingabe ihrer vom Formular abgefragten Einnahmen und Ausgaben in diesem Berechnungszeitraum ergab sich, dass die Klägerin im Monat April einen Liquiditätsengpass in Höhe von 00 Euro, im Monat Mai einen Liquiditätsengpass in Höhe von 00 Euro und im Monat Juni einen Einnahmenüberschuss in Höhe von 00 Euro (Zeile 24) und damit insgesamt einen Liquiditätsengpass von 98,00 Euro im Förderzeitraum (Zeile 25) hatte; zu ihren Gunsten wurde ein fiktiver Unternehmerlohn in Höhe von 2.000,00 Euro angesetzt. Hieraus ergab sich ein Rückzahlungsbetrag in Höhe von 6.902,00 Euro. 28Unter dem 11. Dezember 2020 erließ die Bezirksregierung Düsseldorf gegenüber der Klägerin einen Schlussbescheid mit folgendem Tenor: 29 30Zur Begründung führte die Bezirksregierung aus, die Klägerin habe am 11. Dezember 2020 einen tatsächlichen Liquiditätsengpass in Höhe von 2.098,00 Euro gemeldet. Die Feststellung des Liquiditätsengpasses und die Festsetzung der Soforthilfe beruhten auf § 53 Landeshaushaltsordnung NRW (LHO) i.V.m. der Regelung zur vorübergehenden Gewährung geringfügiger Beihilfen im Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit dem Ausbruch von Sars-CoV-2 („Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020"), der Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bund und dem Land Nordrhein-Westfalen über die „Corona-Soforthilfen insbesondere für kleine Unternehmen und Solo-Selbstständige" vom 1. April 2020 einschließlich der dazu erlassenen Vollzugshinweise sowie den „Richtlinien des Landes zur Gewährung von Soforthilfen für gewerbliche Kleinunternehmen, Selbstständige und Angehörige freier Berufe, die infolge der Sars-CoV-2-Pandemie in ihrer Existenz gefährdet sind“ („NRW-Soforthilfe 2020“) vom 31. Mai 2020. Nach Ziffern 3.1, 3.2, 5.2 und 5.3 der Richtlinie sei die NRW-Soforthilfe 2020 antragsberechtigten Leistungsempfängern, die die Antragsvoraussetzungen erfüllt hätten, zunächst in voller Höhe gewährt worden. Die endgültige Festsetzung habe nach Meldung der Berechnung der Höhe des Liquiditätsengpasses zu erfolgen. Ergebe sich dabei, dass der vorläufig vollständig gezahlte Soforthilfebetrag nicht oder nur teilweise vom Liquiditätsengpass abgedeckt sei, werde die Soforthilfe nur in Höhe des Liquiditätsengpasses gewährt; anderenfalls sei die vorläufige Zahlung endgültig. Die Rückforderung des überzahlten Differenzbetrages beruhe auf § 49a Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) i.V.m. Ziffer 5.3 der Richtlinie und der Ziffer II. 3. des Bewilligungsbescheides. § 49a Abs. 1 VwVfG NRW werde entsprechend angewendet, wenn ein Verwaltungsakt, der eine Leistung zunächst nur vorläufig bewilligt habe, rückwirkend durch einen anderen Verwaltungsakt teilweise ersetzt werde, der die Leistung endgültig in geringerer Höhe festsetze. 31Die Klägerin hat am 14. Januar 2021 Klage erhoben. 32Zur Begründung führt sie aus, aufgrund der Untersagung ihres Betriebes seien ihr vor allem in den Monaten März bis Mai 2020 Umsatzeinbußen entstanden. Aufgrund ihrer Antragstellung am 1. April 2020 sei bei der Rückmeldung aber nur der Zeitraum von April bis Juni 2020 berücksichtigt worden. Wäre in dem Rückmeldeformular der Zeitraum März bis Mai 2020 abgefragt worden, wäre ihr Liquiditätsengpass um 00 Euro höher ausgefallen. Sie selbst habe auch versucht, noch im März 2020 die Soforthilfe zu beantragen, aber sie habe das Antragformular – wohl wegen einer Überlastung des Servers des Ministeriums – nicht absenden können. Sie habe sich deshalb nach Rücksprache mit ihrem Steuerberater dazu entschieden, den Antrag erst am 1. April 2020 zu stellen, zumal von Seiten des Landes nur eine Antragsfist bis zum 31. Mai 2020 genannt worden sei und der damalige Wirtschaftsminister in einer Pressemitteilung des Ministeriums appelliert habe, den Antrag, wenn nicht unmittelbar benötigt, erst in ein paar Wochen zu stellen. Durch diese Vorgehensweise habe der Beklagte seine bei der Gewährung von Billigkeitsleistungen zu beachtende Gleichbehandlungspflicht verletzt. Der Beklagte habe nachträglich eine Ausschlussfrist bestimmt und Antragsteller, die ihren Antrag vor dem 1. April 2022 gestellt hätten, anders als diejenigen behandelt, die ihren Antrag danach gestellt hätten, obwohl er vorher den Eindruck vermittelt habe, es bestehe keine Eile bei der Antragstellung. Zumindest hätte der Beklagte im Rahmen seiner umfassend zur Verfügung gestellten Informationen aufgrund seiner aus dem Rechtsstaatsprinzip entspringenden Pflicht zur Transparenz über die konkreten Auswirkungen des Datums der Antragstellung informieren müssen. Zudem sei bei Antragstellung nicht prognostizierbar gewesen, welcher Erfassungszeitraum der günstigste sein würde. Deswegen dürfe der Zeitpunkt der Antragstellung auch nicht maßgeblich sein. Ihre Umsatzentwicklung in den Jahren 2019 und 2020 ergebe sich aus den von ihr übersandten betriebswirtschaftlichen Auswertungen. Diese zeigten, dass auch ihr Umsatzausfall im Bewilligungszeitraum von April bis Juni 2020 jedenfalls die ihr gewährte Soforthilfe überstiegen habe. 33Die Klägerin beantragt, 34den Bescheid der Bezirksregierung Düsseldorf vom 11. Dezember 2020 aufzuheben. 35Der Beklagte beantragt, 36die Klage abzuweisen. 37Zur Begründung trägt er vor, der von der Klägerin im Rahmen der Rückmeldung angegebene tatsächliche Liquiditätsengpass betrage 2.098,00 Euro. Demensprechend sei ein Liquiditätsengpass in dieser Höhe festgestellt, die Soforthilfe in dieser Höhe festgesetzt und der überschießende Betrag in Höhe von 6.902,00 Euro zurückgefordert worden. 38Für die im vorliegenden Verfahren in Rede stehenden Rechtsfragen sei von entscheidender Bedeutung, dass die NRW-Soforthilfe 2020 nicht nur eines von mehreren staatlichen Hilfsangeboten zur Abmilderung der beträchtlichen negativen ökonomischen Folgen der Corona-Pandemie, sondern vielmehr die allererste, unbürokratische und unverzügliche Liquiditätshilfe – eben eine Soforthilfe – gewesen sei. Über die Internetpräsenz des ehemaligen Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie NRW habe sich jeder Betroffene im Vorfeld der Antragstellung umfassend über den Zweck der NRW-Soforthilfe 2020 und die Antragsberechtigung informieren können. Hierdurch habe jedem Antragsteller unmissverständlich klar werden müssen, dass die NRW-Soforthilfe 2020 der Sicherstellung der Finanzierung von Verbindlichkeiten für fortlaufende erwerbsmäßige Sach- und Finanzausgaben gedient habe und jeder Hilfeempfänger nach Ende des Bewilligungszeitraums verpflichtet gewesen sei, seinen tatsächlichen Liquiditätsengpass zu berechnen und zu viel erhaltene Mittel zurückzuzahlen. 39Bei der ursprünglichen Bewilligung habe es sich um die nur vorläufige positive Bescheidung des Antrages zur NRW-Soforthilfe 2020 gehandelt, die erst durch die Festsetzung der tatsächlichen Höhe der Antragsberechtigung aufgrund des später ermittelten Liquiditätsengpasses endgültig verbindlich beschieden worden sei. Begründung und Berechtigung für die vorläufige Bescheidung sei die Ungewissheit über die zu treffende endgültige Entscheidung, namentlich die konkrete Höhe der zu gewährenden Soforthilfe anhand des nachträglich zu ermittelnden, konkreten Liquiditätsengpasses im maßgeblichen Bewilligungszeitraum gewesen. Hiernach sei der Bewilligungsbescheid zwingend auf eine Ergänzung durch einen weiteren Verwaltungsakt angelegt gewesen, durch den die Zuwendung erst abschließend habe geregelt werden sollen. Dieser sei in Form des Schlussbescheids ergangen. Die Vorläufigkeit und Notwendigkeit eines Schlussbescheides hätten sich ohne weiteres aus den Ziffern 5.2 und 5.3 der Richtlinie sowie der Nebenbestimmung II.3. des Bewilligungsbescheides ergeben. Eindeutig ablesbar seien sie aber auch aus den Kurzfakten zum Bundesprogramm. Hintergrund sei, dass Nordrhein-Westfalen sich bei der Umsetzung des Bundesprogramms im Gegensatz zu allen anderen Bundesländern dafür entschieden habe, zunächst den Förderhöchstbetrag als Pauschale auszuzahlen, um Verzögerungen bei der Auszahlung zu vermeiden. Dies habe ein Rückmeldeverfahren unabdingbar gemacht, in welchem der individuelle Liquiditätsengpass ermittelt und die tatsächliche Förderhöhe habe festgestellt werden müssen. Dabei komme es an dieser Stelle überhaupt noch nicht darauf an, ob sich die Höhe der tatsächlich zustehenden Soforthilfe aus einem tatsächlich vorhandenen Liquiditätsengpass oder aus einem tatsächlich vorhandenen Umsatzausfall berechne. Denn jedenfalls habe jedem Empfänger durch die Nebenbestimmung II.3. des Bewilligungsbescheides offensichtlich klar sein müssen, dass aus den tatsächlichen Entwicklungen eine jedenfalls teilweise Rückzahlungspflicht entstehen könne, man die erhaltene Soforthilfe also nicht unbedingt, jedenfalls nicht unbedingt in voller Höhe werde behalten können. Mit dem Bewilligungsbescheid sei lediglich über die grundsätzliche Antragsberechtigung entschieden worden, jedoch noch nicht abschließend über die Höhe der Soforthilfe. Da der Bewilligungsbescheid eine vorläufige Regelung treffe und sich somit eine endgültige Regelung vorbehalten habe, habe die Bewilligungsbehörde diesen durch die endgültige Regelung im Schlussbescheid ersetzen können, ohne insoweit an die Einschränkungen der §§ 48, 49 VwVfG NRW gebunden zu sein. 40Rechtsgrundlage für den Schlussbescheid sei dementsprechend § 53 LHO i.V.m. dem Bundesprogramm „Soforthilfen für Kleinstunternehmen und Soloselbstständige“ (Corona Soforthilfeprogramm des Bundes), der dazu ergangenen Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bund und dem beklagten Land über die Corona Soforthilfen und die erst nach Erlass der Bewilligungsbescheide am 31. Mai 2020 mit Wirkung vom 27. März 2020 in Kraft getretene Richtlinie. Die Höhe der tatsächlich zustehenden Soforthilfe und damit korrespondierend die Höhe einer Rückzahlungspflicht bestimme sich in Konkretisierung der Nebenbestimmung II.3. des Bewilligungsbescheides nach den Vorgaben der Richtlinie. Dem stehe insbesondere nicht der Erlass der Richtlinie am 31. Mai 2020 mit Wirkung zum 27. März 2020 entgegen. Denn die Richtlinie sei als ministerieller Runderlass eine bloße interne Verwaltungsvorschrift, die allein dazu gedient habe, eine dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung zu gewährleisten. Als eben solche Verwaltungsvorschrift habe die Richtlinie für ihre Wirksamkeit grundsätzlich nicht einmal veröffentlicht werden müssen. Zudem habe sie der Ermessenslenkung bei Erlass der Schlussbescheide gedient, welche durchweg erst nach dem 31. Mai 2020 erlassen worden seien. 41Der Schlussbescheid sei formell rechtmäßig, insbesondere liege keine Verletzung der Anhörungspflicht gem. § 28 Abs. 1 VwVfG NRW vor, da gem. § 28 Abs. 2 Nr. 4 Varianten 2 und 3 VwVfG NRW von einer Anhörung habe abgesehen werden dürfen. Die abschließend festzusetzende Soforthilfe habe sich rechnerisch aus den von den Antragstellern im Rahmen des Rückmeldeverfahrens zu tätigenden Angaben ergeben. Solche Fälle seien zu Hunderten aufgetreten und die Entscheidungsfindung bei den Schlussbescheiden sei partiell automatisiert, d.h. softwaregesteuert, erfolgt. Die Antragsteller hätten entsprechend Ziffer 5.3 der Richtlinie die Rückmeldung digital vorlegen müssen. Sofern der vom Antragsteller hierbei angegebene Liquiditätsengpass niedriger als die erfolgte Auszahlung gewesen sei, sei durch das System automatisch ein entsprechender Schlussbescheid generiert worden. Ungeachtet dessen wäre selbst eine Verletzung der Anhörungspflicht im vorliegenden Fall nach § 46 VwVfG NRW unbeachtlich, da dies die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst habe. Ihm habe in den Fällen, in denen der Liquiditätsengpass letztlich niedriger gewesen sei als die vorläufig gewährte Billigkeitsleistung, aufgrund des Gleichbehandlungsgebotes keine Entscheidungsfreiheit zugestanden. 42Der Schlussbescheid sei auch materiell rechtmäßig. Die Voraussetzungen für die Gewährung der Soforthilfe hätten nur in der im Schlussbescheid angegebenen Höhe vorgelegen. Nach Ziffer 5.3 der Richtlinie werde die NRW-Soforthilfe maximal in Höhe des Liquiditätsengpasses gewährt. Der Liquiditätsengpass ergebe sich aus der Differenz zwischen den tatsächlichen fortlaufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb und den tatsächlich laufenden, erwerbsmäßigen Sach- und Finanzausgaben im dreimonatigen Erfassungszeitraum. Der Erfassungszeitraum beginne grundsätzlich mit dem Tag der Antragstellung und entspreche dem Bewilligungszeitraum. Wahlweise könne der Beginn des dreimonatigen Erfassungszeitraums auf den ersten Tag des Monats der Antragstellung vorgezogen oder auf den ersten Tag des Folgemonats verschoben werden. Durch ihr Antragsdatum am 1. April 2020 habe die Klägerin also einen Bewilligungszeitraum vom 1. April 2020 bis zum 30. Juni 2020 oder vom 1. Mai 2020 bis zum 31. Juli 2020 wählen können, nicht aber einen Zeitraum vom 1. März 2020 bis zum 31. Mai 2020, der den betriebswirtschaftlich für die Klägerin vergleichsweise schlechten Monat März 2020 mitberücksichtige. Der Klägerin habe es freigestanden, bereits im März 2020 ihren Antrag zu stellen. Technische Schwierigkeiten, weshalb sie dies nicht getan habe, seien nicht nachvollziehbar vorgetragen worden. Es entspreche nicht der Lebenswirklichkeit, dass eine von der Klägerin behauptete Überlastung der Server des Ministeriums über Tage hinweg angedauert habe. Dies werde auch dadurch widerlegt, dass es anderen Antragstellern durchaus gelungen sei, im März einen entsprechenden Antrag zu stellen. Ungeachtet dessen sei die in Ziffer 5.3 der Richtlinie getroffene Regelung nicht zu beanstanden. Das beklagte Land sei bei der Ausgestaltung der Richtlinie frei darin gewesen, Regelungen zu treffen, wonach die Bestimmung des Erfassungszeitraums vom Datum der Antragstellung abhängig gewesen sei. Diese Regelung sei weder unsachgemäß noch willkürlich. Nichts anderes ergebe sich aus den Pressemitteilungen des Ministeriums. Denn hierin sei lediglich zutreffend darauf hingewiesen worden, dass eine Antragstellung bis zum 31. Mai 2020 erfolgen könne. Wenn die Klägerin verlange, das beklagten Land habe früher darüber informieren müssen, welche konkreten Auswirkungen der Zeitpunkt der Antragstellung habe, liege hierin eine betriebswirtschaftliche Beratung, die im Rahmen eines freiwilligen Zuwendungsprogrammes nicht erwartet werden könne. Es liege in der Natur der Sache, dass diese Bestimmungen bei über 400.000 Anträgen auf NRW-Soforthilfe 2020 nicht in jedem Fall zu einem aus Sicht des Antragstellers optimalen Ergebnis führten. 43Die NRW-Soforthilfe 2020 diene nach Ziffer 1.1 der Richtlinie der Sicherung der wirtschaftlichen Existenz von Unternehmen und damit ausschließlich zur Deckung der laufenden betrieblichen Sach- und Finanzaufwendungen des Unternehmens. Hierauf weise auch Ziffer 2. des Bewilligungsbescheides noch einmal hin. Dies ergebe auch eine Gesamtschau der beschlossenen Maßnahmen zur Unterstützung von Unternehmen – Kurzarbeitergeld und Erleichterung der Prüfungsvoraussetzung für die Gewährung von ALG II. In Abgrenzung zur NRW-Soforthilfe 2020 solle etwa das Gehalt von Mitarbeitern durch das Kurzarbeitergeld gewährt und für den persönlichen Lebensunterhalt ALG II beantragt werden. Private finanzielle Schwierigkeiten würden demnach allein aufgefangen durch Sozialleistungen nach dem SGB. Dieser Sinn und Zweck der NRW-Soforthilfe 2020 ergebe sich bereits aus der Formulierung im Antragsformular unter Ziffer 6.1, vierter Spiegelstrich: „Ich versichere, dass meine wirtschaftliche Tätigkeit durch die Corona-Krise wesentlich beeinträchtigt ist, da entweder (...) - die vorhandenen Mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen Zahlungsverpflichtungen des Unternehmens zu erfüllen (z. B. Mieten, Kredite für Betriebsräume, Leasingraten).“ Dieser Sinn und Zweck der Soforthilfe ergebe sich auch eindeutig aus den FAQ sowie den Eckpunkten und Kurzfakten zum Bundesprogramm. Sinn und Zweck der NRW-Soforthilfe 2020 sei also entgegen der Ansicht der Klägerin weder, sämtliche Umsatz- und Einnahmeverluste der Unternehmen auszugleichen, noch die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der Unternehmen zu verhindern und erst recht nicht, private Existenzen zu sichern. 44Ermessen habe der Bezirksregierung Düsseldorf beim Erlass des Schlussbescheides aufgrund der Bindungswirkung der Richtlinie nicht zugestanden. 45Der Rechtmäßigkeit des Schlussbescheides stehe schließlich kein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin entgegen. Es liege vielmehr gerade im Wesen der Vorläufigkeit, dass ein Vertrauen auf die Endgültigkeit der Regelung nicht entstehen könne. Gegen einen bestehenden Vertrauensschutz der Klägerin spreche zudem, dass ihr in Ansehung der Ziffer 5.3 der Richtlinie der Soforthilfe NRW sowie der Nebenbestimmung II.3. des Bewilligungsbescheides habe bewusst sein müssen, dass sie die NRW-Soforthilfe nur insofern werde behalten dürfen, als dass ihre tatsächlichen fortlaufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb die tatsächlich laufenden, erwerbsmäßigen Sach- und Finanzausgaben im Bewilligungszeitraum überstiegen. 46Das Verfahren 20 K 7488/20 ist beigezogen worden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen. 47Entscheidungsgründe: 48Die Klage hat Erfolg. 49A. Die bei sachgerechter Auslegung des Klagebegehrens als Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 Halbs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässige Klage ist begründet. 50Der Schlussbescheid der Bezirksregierung Düsseldorf vom 11. Dezember 2020 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). 51I. Der Schlussbescheid vom 11. Dezember 2020 ist rechtswidrig. 521. Die in Ziffer 3. des angegriffenen Bescheides ausgesprochene Rückforderung eines Betrages von 6.902,00 Euro kann nicht auf § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW gestützt werden. Danach sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt für die Vergangenheit zurückgenommen oder widerrufen worden oder infolge des Eintritts einer auflösenden Bedingung unwirksam geworden ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. 53a. Eine Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 1. April 2020 gemäß § 48 Abs. 1 VwVfG NRW ist ersichtlich nicht gegeben. Die Bezirksregierung Düsseldorf hat den Bewilligungsbescheid jedoch auch nicht durch den Erlass des angefochtenen Schlussbescheides mit Wirkung für die Vergangenheit teilweise widerrufen. Die – hier allein in Betracht kommenden – Voraussetzungen des § 49 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 VwVfG NRW sind nicht erfüllt. 54aa. Die Bezirksregierung Düsseldorf hat den Erlass des Schlussbescheides nicht damit begründet, die Klägerin habe die erhaltene Leistung (teilweise) nicht für den in dem Bewilligungsbescheid bestimmten Zweck verwendet (§ 49 Abs. 3 Nr. 1 VwVfG NRW). Der Schlussbescheid verhält sich vielmehr zu der Frage, in welcher Höhe bei der Klägerin ein Liquiditätsengpass auf der Grundlage seiner Angaben festzustellen sei. Über die Interpretation des Begriffs des Liquiditätsengpasses streiten die Beteiligten. Der Vorwurf einer nicht zweckgerechten Verwendung der erhaltenen Zuwendung ist den Regelungen des Schlussbescheides allerdings nicht zu entnehmen. 55bb. Mit dem Bewilligungsbescheid ist auch keine Auflage im Sinne von § 49 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG NRW verbunden, die der Begünstigte nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat. Eine Auflage ist eine Bestimmung, durch die dem Begünstigten ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird (§ 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG NRW). Zwar zielt die Nebenbestimmung II.3. auf eine Handlungsverpflichtung des Zuwendungsempfängers ab. Mit ihr wird dem Adressaten des Bescheides – hier der Klägerin – eine Prüfungspflicht auferlegt: Sollte sie am Ende des dreimonatigen Bewilligungszeitraums feststellen, „dass diese Finanzhilfe höher ist als Ihr Umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter Kosten (z.B. Mietminderung) und Sie die Mittel nicht (vollständig) zur Sicherung Ihrer wirtschaftlichen Existenz bzw. Ausgleich Ihres Liquiditätsengpasses benötigen, sind die zu viel gezahlten Mittel […] zurückzuzahlen“. Der Schlussbescheid enthält aber nicht den Vorwurf, die Klägerin sei dieser aus dem Bewilligungsbescheid resultierenden Pflicht nicht oder nicht fristgerecht nachgekommen. Vielmehr geht die Behörde davon aus, dass die Klägerin Angaben zur Höhe des Liquiditätsengpasses gemacht hat, auf Grund derer sie sich zur Teilrückforderung des gewährten Betrages berechtigt sieht. Da die Voraussetzungen für einen Widerruf mithin insoweit nicht vorliegen, kann dahinstehen, ob es sich bei der in Ziffer II.3. getroffenen Regelung um eine Auflage i.S.d. § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG NRW in Abgrenzung zu einer Bedingung oder einer Inhaltsbestimmung handelt. 56b. Schließlich folgt eine Erstattungspflicht der Klägerin auch nicht daraus, dass der Bewilligungsbescheid vom 1. April 2020 infolge des Eintritts einer auflösenden Bedingung unwirksam geworden ist (§ 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW). Eine solche Bedingung i.S.d. § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG NRW, nach der der Wegfall einer Vergünstigung von dem ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhängt, enthält der Bewilligungsbescheid nicht. 57Unter den Begriff des Ereignisses fallen von der Außenwelt wahrnehmbare Handlungen, Erklärungen oder Geschehnisse, nicht hingegen nur zur Gedankenwelt eines Beteiligten gehörende Vorstellungen. Als Ereignis kommt lediglich ein rein tatsächlicher Vorgang in Betracht, der sinnlich wahrnehmbar und dem Beweis zugänglich ist, ohne dass es für seine Bejahung noch einer rechtlichen Wertung bedürfte. Darauf, ob die rechtliche Wertung einfach oder schwierig ist, kommt es nicht an. Da das künftige ungewisse Ereignis kraft Gesetzes ohne weiteren Zwischenschritt einen Rechtsverlust oder einen Rechtsgewinn herbeiführt, muss sein Eintritt auch aus Gründen der Rechtssicherheit für alle Beteiligten – für den Adressaten des Bescheids, für die Behörde und ggf. für Dritte – gleichermaßen ohne Weiteres erfassbar sein, 58vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2019 – 10 C 5.17, juris; BVerwG, Urteil vom 16. Juni 2015 ‒ 10 C 15.14 –, juris; OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2020 – 4 A 436/17 –, juris; OVG NRW, Beschluss vom 14. Juni 2018 ‒ 4 A 1781/15 ‒, juris. 59Bei der Nebenbestimmung II.3. handelt es sich nicht um eine Bedingung in diesem Sinne. In ihr wird kein zur automatischen Unwirksamkeit des Bewilligungsbescheides führendes Ereignis benannt. Die vom Zuwendungsempfänger am Ende des Bewilligungszeitraumes zu treffende Beurteilung, ob die Finanzhilfe höher ist als der Umsatzausfall, lässt sich nur durch eine Berechnung anhand betriebswirtschaftlicher Auswertungen durchführen; sie mag aus Sicht der Bewilligungsbehörde korrekt oder aber fehlerhaft durchgeführt worden sein. Jedenfalls bedarf es einer Bewertung, die einen Automatismus zwischen dem Eintritt eines künftigen Ereignisses und der Unwirksamkeit des Zuwendungsbescheides im Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG NRW ausschließt. 602. Als Ermächtigungsgrundlage für das Erstattungsverlangen der Bezirksregierung Düsseldorf kommt § 49a Abs. 1 VwVfG NRW in entsprechender Anwendung in Betracht. Die Vorschrift ist analog anzuwenden, wenn ein Verwaltungsakt, der eine Billigkeitsleistung zunächst nur vorläufig bewilligt hat, rückwirkend durch einen anderen Verwaltungsakt ersetzt wird, der die Leistung endgültig in geringerer Höhe festsetzt. Der Empfänger muss eine hiernach zu viel erhaltene Leistung erstatten, 61vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2009 – 3 C 7/09 –, juris; OVG NRW, Beschluss vom 14. Dezember 2020 – 4 A 1992/16 –, juris; OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2020 – 4 A 436/17 –, juris; VGH Kassel, Urteil vom 13. Mai 2014 – 9 A 2289/12 –, BeckRS 2014, 53405; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl. 2021, § 49 Rn. 4. 62Die Voraussetzungen des § 49a Abs. 1 VwVfG NRW analog liegen indes nicht vor. 63Selbst unterstellt, die Bezirksregierung Düsseldorf hätte die zu erstattende Forderung endgültig in Form eines Schlussbescheides festsetzen können, da sie mit Bescheid vom 1. April 2020 die Zuwendung lediglich vorläufig bewilligt hätte, hätte sie bei Erlass des Schlussbescheides dennoch rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Soforthilfe nur noch 2.098,00 Euro beträgt. Denn die Festsetzungen in Ziffern 1. und 2. des Schlussbescheides sind rechtswidrig. Daraus folgt auch die Rechtswidrigkeit der Erstattungsforderung in Ziffer 3. 64a. Zu Gunsten der Bezirksregierung Düsseldorf kann unterstellt werden, dass das Subventionsverhältnis in der Weise geregelt war, dass zunächst vorläufig durch Bescheid vom 1. April 2020 eine Soforthilfe in Höhe von 9.000,00 Euro bewilligt und ausgezahlt wurde, deren endgültige genaue Höhe von der ungewissen Entwicklung des Unternehmens des Antragstellers während des dreimonatigen Bewilligungszeitraums abhing. Der Bewilligungsbescheid wäre in diesem Fall darauf angelegt gewesen, die Höhe der Zuwendung nicht definitiv zu regeln, sondern diese zunächst vorläufig zu gewähren und abschließend erst später festzusetzen. Dies wäre durch Erlass des sog. Schlussbescheides geschehen. Damit hätte sich die Bezirksregierung Düsseldorf der Handlungsform des sog. vorläufigen Verwaltungsaktes bedient, die für den Sachbereich des Subventionsrechts durch die höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung anerkannt ist, 65vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2009 – 3 C 7/09 –, juris m.w.N; BVerwG, Urteil vom 14. April 1983 – 3 C 8/82 –, juris; OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2020 – 4 A 436/17 –, juris; OVG NRW, Urteil vom 28. September 1990 – 15 A 708/88 –, juris. 66Eine Billigkeitsleistung kann unter dem Vorbehalt einer späteren definitiven Entscheidung bewilligt werden, wenn und soweit eine bestehende Ungewissheit hierfür einen sachlichen Grund gibt. Der Vorbehalt einer späteren endgültigen Entscheidung bewirkt, dass die Behörde die einstweilige Regelung im Ausgangsbescheid durch die endgültige Regelung im Schlussbescheid ersetzen kann, ohne insoweit an die Einschränkungen der §§ 48, 49 VwVfG NRW gebunden zu sein, 67vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2009 – 3 C 7/09 –, juris m.w.N; BVerwG, Urteil vom 14. April 1983 – 3 C 8/82 –, juris. 68Die vorläufige Regelung verliert mit dem Erlass der endgültigen Festsetzung ihre Wirksamkeit (vgl. § 43 Abs. 2 VwVfG NRW), 69vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2009 – 3 C 7/09 –, juris; OVG NRW, Urteil vom 28. September 1990 – 15 A 708/88 –, juris. 70Das Bestehen einer Ungewissheit rechtfertigt die Existenz des vorläufigen Verwaltungsaktes sowie den damit einhergehenden Widerspruch zwischen der dem Verwaltungsakt immanenten Bestandskraft und dem mit der Vorläufigkeit verbundenen flexiblen Element. In einer solchen Konstellation stellt der vorläufige Verwaltungsakt einen angemessenen Ausgleich zwischen den rechtsstaatlichen Anforderungen an das Verwaltungsverfahren und dem Gebot der Effektivität des Verwaltungshandelns dar, indem trotz verbleibender Unsicherheiten bereits zu einem frühen Zeitpunkt zugunsten des Bürgers entschieden werden kann, 71vgl. Schwarz, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 35 Rn. 27 ff. m.w.N. 72Die Vorläufigkeit muss sich dabei nicht auf den gesamten Bescheid beziehen, sondern kann und muss gegebenenfalls auf einzelne Aspekte beschränkt werden. Auch wenn die Behörde einen unter Vorbehalt gestellten Verwaltungsakt später durch einen abschließenden Bescheid ersetzt, so kommt doch eine inhaltlich abweichende Regelung im Schlussbescheid – außer in den Fällen der §§ 48, 49 VwVfG NRW – nur in Betracht, wenn sie aus den Gründen ergeht, wegen derer die frühere Regelung unter Vorbehalt gestellt wurde. Welche Elemente eines Zuwendungsbescheides vorläufig sind und welche Inhalte bereits eine gesicherte Rechtsposition vermitteln, ist durch – am Empfängerhorizont orientierte – Auslegung zu ermitteln. Jenen – nicht mit Vorbehalt versehenen – Teil des Zuwendungsbescheides kann die Behörde nur unter Beachtung der §§ 48, 49 VwVfG NRW aufheben, 73vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2009 – 3 C 7/09 –, juris; OVG NRW, Beschluss vom 14. Dezember 2020 – 4 A 1992/16 –, juris; OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2020 – 4 A 436/17 –, juris; OVG NRW, Beschluss vom 23. Juni 2017 – 4 A 2078/15 –, juris; Schwarz, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 35 Rn. 35 m.w.N. 74Neben einer die Vorläufigkeit der Regelung rechtfertigenden Unsicherheit ist Voraussetzung für einen Vorbehalt, dass die Vorläufigkeit und ihr Umfang im Verwaltungsakt selbst zum Ausdruck kommen, 75vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 35 Rn. 248; OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2020 – 4 A 436/17 –, juris; OVG NRW, Urteil vom 28. September 1990 – 15 A 708/88 –, juris. 76Das Vorliegen dieser Voraussetzungen kann hinsichtlich der Festsetzung der genauen Höhe der Soforthilfe zu Gunsten der Bezirksregierung Düsseldorf unterstellt werden. Diesbezüglich kann angenommen werden, es habe bei Erlass des Bewilligungsbescheides eine Ungewissheit, die den Erlass einer lediglich vorläufigen Regelung rechtfertigte, bestanden. Demgegenüber wurden zu anderen Fragen ersichtlich bereits abschließende Regelungen getroffen. 77Der Bewilligungsbescheid vom 1. April 2020 kann bei verständiger Würdigung so ausgelegt werden, dass er der Klägerin hinsichtlich der Zuwendung dem Grunde nach eine gesicherte Rechtsposition vermitteln wollte. Dies folgt aus den Formulierungen in Ziffern 2. und 3. des Bescheides ebenso wie aus den Umständen des Antragsverfahrens. Grundsätzlich berechtigt, eine Zuwendung zu erhalten, waren jene Antragsteller, deren wirtschaftliche Tätigkeit durch die Corona-Pandemie bereits wesentlich beeinträchtigt war. Unter Ziffer 6.1 des Antragsformulars mussten die Antragsteller versichern, dass ihre „wirtschaftliche Tätigkeit durch die Corona-Krise wesentlich beeinträchtigt“ war, da entweder 78- „mehr als die Hälfte der Aufträge aus der Zeit vor dem 1. März durch die Corona-Krise weggefallen ist oder 79- die Umsätze gegenüber dem Vorjahresmonat mehr als halbiert sind (Gründungen: Vormonat) oder 80- die Umsatzerzielungsmöglichkeiten durch eine behördliche Auflage im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie massiv eingeschränkt wurden oder 81- die vorhandenen Mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen Zahlungsverpflichtungen des Unternehmens zu erfüllen (z.B. Mieten, Kredite für Betriebsräume, Leasingraten).“ 82Die grundsätzliche Antragsberechtigung setzte damit – für jeden Antragsteller erkennbar –diesen zum Zeitpunkt der Bewilligung bereits sicher feststellbaren Umstand voraus. Hieran knüpfen die Regelungen in Ziffern 2. und 3. des Bewilligungsbescheides an, mit denen die Bezirksregierung Düsseldorf darauf abgestellt hat, dass die Soforthilfe der Milderung bzw. Kompensation der „unmittelbar durch die Corona-Pandemie ausgelösten wirtschaftlichen Engpässe“ (Ziffer 3.), „der finanziellen Notlagen“ bzw. „der Überbrückung von Liquiditätsengpässen, die seit dem 1. März 2020 im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie entstanden sind“ (Ziffer 2.), dient. Da diese Voraussetzungen im Falle der Klägerin im Grundsatz erfüllt waren, erhielt sie durch den Bescheid vom 1. April 2020 die Soforthilfe dem Grunde nach vorbehaltlos. 83Weitere Gesichtspunkte unterlagen ebenfalls keinem Vorbehalt, wie etwa die Anzahl der im Unternehmen Beschäftigten (Nebenbestimmung II.1.) oder gewisse in den Nebenbestimmungen II.4. bis 8. geregelte Modalitäten. 84Demgegenüber kann der Bescheid hinsichtlich der Höhe der Soforthilfe und damit des Behaltendürfens des Gesamtbetrages so verstanden werden, dass er unter dem Vorbehalt einer späteren endgültigen Entscheidung stand. Dieser Vorbehalt betrifft die Regelung unter Ziffer 1., mit der die Bewilligung eines Betrages von 9.000,00 Euro ausgesprochen wurde. Dass sich weder in Ziffer 1. noch an anderer Stelle des Bescheides die Worte „Vorbehalt“, „vorläufig“ oder dergleichen finden, steht der Annahme einer vorläufigen Regelung nicht zwingend entgegen. Denn die Formulierung der in Ziffer 1. getroffenen Regelung, die Umstände des Antragsverfahrens sowie der Zusammenhang mit dem Inhalt der Nebenbestimmung II.3. ermöglichen auch ohne explizite Wortwahl eine Deutung, wonach der Zuwendungsbetrag unter dem Vorbehalt einer späteren Entscheidung gewährt wurde. Die Nebenbestimmung II.3. enthielt folgende Regelung: „Sollten Sie am Ende des dreimonatigen Bewilligungszeitraums feststellen, dass diese Finanzhilfe höher ist als Ihr Umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter Kosten (z.B. Mietminderung) und Sie die Mittel nicht (vollständig) zur Sicherung Ihrer wirtschaftlichen Existenz bzw. Ausgleich Ihres Liquiditätsengpasses benötigen, sind die zu viel gezahlten Mittel […] zurückzuzahlen.“ Damit wurde die endgültige Höhe der unter Ziffer 1. bewilligten Soforthilfe von einer zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses unbekannten Größe, die erst am Ende des dreimonatigen Bewilligungszeitraums feststand, abhängig gemacht. Die Vorläufigkeit der Regelung bezüglich der Höhe der Soforthilfe kam auch in Ziffer 1. ansatzweise zum Ausdruck. Dort hieß es, dass eine Soforthilfe in Höhe von 9.000,00 Euro als „einmalige Pauschale“ gewährt werde. Im Gesamtkontext konnte diese Formulierung zumindest auch so verstanden werden, dass zunächst ein Betrag in toto gezahlt wurde, dessen endgültige, genaue Höhe zu einem späteren Zeitpunkt bestimmt werden musste. Denn in Ziffer 1. wurde klargestellt, dass die Bewilligung aufgrund des Programms zur Gewährung von Soforthilfen aus dem Bundesprogramm „Soforthilfen für Kleinstunternehmen und Selbstständige“ und dem ergänzenden Landesprogramm „NRW-Soforthilfe 2020“ erfolge. In den vom damaligen Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hierzu online veröffentlichten Kurzfakten vom 30. März 2020 ging aus der Antwort zu der Frage, „Wie wird hinterher geprüft, ob nicht eine „Überkompensation“ vorlag?“, hervor, dass es bei der Antragstellung auf einen „voraussichtlichen Liquiditätsengpass“ ankam, welcher später mit den tatsächlichen Zahlen des Unternehmens abzugleichen sei. Zudem enthielt auch die Nebenbestimmung in Ziffer II.3. des Bewilligungsbescheides den Hinweis auf das am Ende des Bewilligungszeitraums durchzuführende Rückmeldeverfahren, welches eine Rückzahlungspflicht zur Folge haben könne. 85Dass die Bezirksregierung Düsseldorf selbst von einer vorläufigen Bewilligung der Finanzhilfe ausging, hat schließlich in der Begründung des Rückforderungsverlangens in Ziffer II.3. der Gründe des Schlussbescheides ihren Ausdruck gefunden. Dort hat sich die Behörde auf eine entsprechende Anwendung von § 49a Abs. 1 VwVfG NRW unter Heranziehung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur vorläufigen Bewilligung einer Leistung berufen sowie darauf hingewiesen, dass die Leistung wegen des zunächst noch unbekannten Liquiditätsengpasses zunächst nur vorläufig bewilligt worden sei und der Schlussbescheid den vorläufigen Bescheid „hinsichtlich der Höhe des Soforthilfe-Betrages“ ersetze. 86Kann somit einerseits bezüglich der Höhe der Zuwendung unterstellt werden, diese sei unter Vorbehalt gestellt worden, so hat die Bezirksregierung Düsseldorf aber andererseits mit der Ausgestaltung der Nebenbestimmung II.3. des Bewilligungsbescheides zu erkennen gegeben, welche Parameter sie einer späteren Berechnung des Förderbetrages zugrunde legen wollte. Diese Vorgaben „Finanzhilfe höher […] als Ihr Umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter Kosten“, „Mittel nicht vollständig zur Sicherung Ihrer wirtschaftlichen Existenz bzw. Ausgleich Ihres Liquiditätsengpasses benötigen“ schränken, ebenso wie die in Ziffer 2. bezeichnete Zweckbindung, ihrerseits die Vorläufigkeit des Bescheides wieder ein, indem die endgültige Regelung sich an diesen zu orientieren hat. Unabhängig davon, wie diese zu verstehen sind, hat die Behörde mit ihnen bereits Berechnungsgrößen für die endgültige Höhe der Soforthilfe bzw. für das Bestehen einer Rückzahlungsverpflichtung aufgestellt. An diesen selbst geschaffenen Vorgaben muss sie – und damit das beklagte Land – sich festhalten lassen; etwaige Fehler gehen zu ihren Lasten, weil die Behörde es zu jenem Zeitpunkt in der Hand gehabt hat, eine andere Regelung zu treffen, wie dies offenbar in anderen Bundesländern geschehen ist. Nach welchen Parametern man die endgültige Berechnung des Förderbetrages später durchführen wollte, hing auch nicht von einem zum Zeitpunkt des Erlasses des Bewilligungsbescheides noch unbekannten und daher eine vorläufige Regelung rechtfertigendem Umstand ab, sondern war allein Gegenstand einer politischen Entscheidung, die zu diesem Zeitpunkt schon getroffen werden konnte und mit der Formulierung des Bewilligungsbescheides auch bereits getroffen wurde. 87b. Die Entscheidung der Bezirksregierung Düsseldorf, im Schlussbescheid einen Liquiditätsengpass in Höhe von 2.098,00 Euro festzustellen (Ziffer 1.), die Soforthilfe in dieser Höhe festzusetzen (Ziffer 2.) und ihre Bewertung, dass „die Voraussetzungen für die […] Höhe […] der Billigkeitsleitung nicht mehr vorliegen oder eine Überkompensation eingetreten“ und diese Überkompensation von 6.902,00 Euro zurückzuzahlen ist (so ausdrücklich die Gründe des angegriffenen Schlussbescheides, S. 3 Ziffer II.3.), erweist sich selbst bei der vorgenannten Annahme der teilweisen Vorläufigkeit des Bewilligungsbescheides als rechtsfehlerhaft. Denn sie beruht auf einem Verständnis von den Begriffen des Liquiditätsengpasses bzw. der Überkompensation, die im insoweit maßgeblichen und endgültige Vorgaben treffenden Bewilligungsbescheid keine Grundlage finden. Aus diesem Grunde konnte der Schlussbescheid den Bewilligungsbescheid insoweit nicht rechtmäßigerweise ersetzen. 88aa. Die bereits endgültigen Vorgaben im Bewilligungsbescheid zu den Parametern der späteren Berechnung des Förderbetrages sind für die Rechtmäßigkeit des Schlussbescheides maßgeblich. 89Die Zuwendung wurde der Klägerin nicht auf Grund eines Gesetzes oder anderer Rechtsnormen gewährt, aus denen sich eine unmittelbare Bindung für den Beklagten und unmittelbare Rechtsansprüche für die Klägerin ergäben. Vielmehr wurde der Bewilligungsbescheid nach Maßgabe des Programms zur Gewährung von Soforthilfen aus dem Bundesprogramm „Soforthilfen für Kleinstunternehmen und Selbstständige" und dem ergänzenden Landesprogramm „NRW-Soforthilfe 2020“ erlassen (vgl. insoweit auch den Kopf sowohl des Bewilligungs- als auch des Schlussbescheides). Bei diesen – wie auch bei der später erlassenen Richtlinie vom 31. Mai 2020 – handelt es sich um Verwaltungsvorschriften, die grundsätzlich nur dazu bestimmt sind, für die Verteilung von Billigkeitsleistungen Maßstäbe zu setzen und das Ermessen der für die Verteilung der jeweiligen Leistungen bestimmten Stellen zu lenken. Nach gefestigter verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung begründen Verwaltungsvorschriften nicht wie Gesetzes- und Rechtsvorschriften bereits durch ihr Vorhandensein subjektive Rechte. Sie unterliegen daher auch keiner eigenständigen richterlichen Auslegung wie Rechtsnormen, 90vgl. BVerwG, Urteil vom 8. April 1997 – 3 C 6/95 –, juris; BVerwG, Urteil vom 2. Februar 1995 – 2 C 19/94 –, juris; OVG NRW, Beschluss vom 12. August 2016 – 15 A 1822/15 –, juris; OVG Lüneburg, Urteil vom 23. Januar 2014 – 8 LA 144/13 –, juris. 91Allerdings vermögen Verwaltungsvorschriften über die ihnen zunächst nur innewohnende interne Bindung hinaus in Verbindung mit dem grundgesetzlichen Gleichheitsgebot (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz – GG) sowie dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Gebot des Vertrauensschutzes (Art. 20 Abs. 1 GG) eine anspruchsbegründende Außenwirkung im Verhältnis zum Bürger zu eröffnen. Jeder Anspruchsteller hat dann einen Anspruch darauf, entsprechend den aufgestellten Richtlinien behandelt zu werden. Entscheidend ist, wie die zuständigen Behörden die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt ihrer Entscheidung in ständiger Praxis gehandhabt haben und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz (Artikel 3 Abs. 1 GG) gebunden sind, 92vgl. BVerwG, Urteil vom 8. April 1997 – 3 C 6/95 –, juris; BVerwG, Urteil vom 23. April 2003 – 3 C 25/02 –, juris; OVG NRW, Beschluss vom 12. August 2016 – 15 A 1822/15 –, juris. 93Der tatsächlichen Verwaltungspraxis im Entscheidungszeitpunkt kommt damit entscheidende Bedeutung zu. Wenn sich die Behörde an ihre Verwaltungsvorschriften hält, ist sie daher durch das Gleichbehandlungsgebot verpflichtet, dies auch weiterhin zu tun, sofern nicht sachliche Gründe im Einzelfall eine Abweichung rechtfertigen oder gar gebieten. Weicht sie hingegen generell von den Verwaltungsvorschriften ab, so verlieren diese insoweit ihre ermessensbindende Wirkung; ob das Verwaltungshandeln mit dem Gleichbehandlungsgebot vereinbar ist, beurteilt sich dann nur nach der tatsächlichen Verwaltungspraxis im Entscheidungszeitpunkt, 94vgl. BVerwG, Urteil vom 25. April 2012 – 8 C 18/11 –, juris; vgl. zur Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung aus dem Zuwendungsrecht auf Billigkeitsleistungen: VG Würzburg, Urteil vom 3. August 2020 – W 8 K 20.743 –, juris; VG München, Beschluss vom 25. Juni 2020 – M 31 K 20.2261 –, juris. 95Nach ihrer Entscheidung, mithin nach Erlass des Zuwendungsbescheides, kann die Bewilligungsbehörde die darin verwandten Begrifflichkeiten nicht mehr frei auslegen. Der Bescheid hat insoweit Fakten geschaffen, über die sie sich nicht mehr nach Ermessen hinwegsetzen kann. Der Zuwendungsempfänger muss sich auf die im Antragsverfahren gleichmäßig ausgeübte Verwaltungspraxis und den Inhalt des Bewilligungsbescheides einstellen können, 96vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. März 2018 – 4 A 182/16 –, juris; OVG NRW, Beschluss vom 11. Juni 2016 – 4 A 1983/13 –, juris; vorgehend erkennende Kammer, Urteil vom 17. Juli 2013 – 20 K 7520/12 – juris. 97Die im Bewilligungsbescheid vom 1. April 2020 zum Ausdruck gekommene Verwaltungspraxis ist demnach maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des ihn (teilweise) ersetzenden Schlussbescheides vom 11. Dezember 2020. Das bedeutet zugleich, dass nach seinem Erlass in Kraft getretene Regelwerke oder spätere Informationen, die von jenen bis zum Erlasszeitpunkt abweichen, nicht zu berücksichtigen sind. Dem steht nicht entgegen, dass der Bescheid die oben beschriebenen vorläufigen Elemente enthält. Die Vorläufigkeit bezieht sich, wie dargelegt, auf die Höhe der Zuwendung, die im jeweiligen Einzelfall erst zu einem späteren Zeitpunkt endgültig berechnet werden sollte. Welche Maßgaben für diese Berechnung gelten sollten, war jedoch Bestandteil der Verwaltungspraxis im Antragsverfahren und bei Erlass der Bewilligungsbescheide und fand Eingang in die in sämtlichen Bescheiden verwendeten Formulierungen in Ziffern 2. und 3. sowie II.3. Deren Verständnis – ausgerichtet am objektiven Empfängerhorizont – ist mithin ausschlaggebend für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Schlussbescheides. Nur hinsichtlich der aufgrund dieser Berechnungsmodalitäten zu ermittelnden Höhe – nicht bezüglich der Parameter selbst – stand der Ausgangsbescheid unter dem Vorbehalt der Ersetzung durch den Schlussbescheid. Den nicht unter Vorbehalt gestellten Teil des Bewilligungsbescheides kann die Behörde nur unter den Voraussetzungen der §§ 48 ff. VwVfG NRW aufheben, weil er mit seiner Bekanntgabe Bindungswirkung entfaltet hat. 98Das vom Beklagten herangezogene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. April 1997, 99– 3 C 6/95 –, juris, 100rechtfertigt keine abweichende Sichtweise. Der dort entschiedene Fall unterscheidet sich von dem hier streitgegenständlichen insbesondere dadurch, dass der Zuwendungsbescheid erst nach Inkrafttreten der geänderten Richtlinie erlassen wurde. Die Frage, ob der dortige Kläger, der jahrelang Zuschüsse nach Maßgabe der vorherigen Richtlinie erhalten hatte, sich auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen konnte, stellt sich hier nicht. Denn der Bewilligungsbescheid vom 1. April 2020 wurde auf der Grundlage einer bestimmten Verwaltungspraxis erlassen, die die Bezirksregierung Düsseldorf gegenüber allen Leistungsempfängern gleichermaßen ausgeübt hatte. Von dieser Verwaltungspraxis hätte eine Richtlinie nur bis zum maßgeblichen Zeitpunkt des vertrauensbildenden Bewilligungsbescheides abweichen können und damit ihrerseits eine (neue oder veränderte) Verwaltungshandhabung begründen können. 101bb. Legt man die danach maßgeblichen endgültigen Vorgaben im Bewilligungsbescheid zu den Parametern der späteren Berechnung des Förderbetrages nach dem objektiven Empfängerhorizont aus, sind die Festsetzungen zum Liquiditätsengpass und zur Höhe der Soforthilfe in den Ziffern 1. und 2. des Schlussbescheides sowie die Begründung hierzu gemessen an diesen Vorgaben materiell rechtswidrig. Die Bezirksregierung Düsseldorf hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass ein Liquiditätsengpass von 2.098,00 Euro vorliegt und die Soforthilfe nur noch 2.098,00 Euro beträgt. 102(1) Im Hinblick auf die materielle Rechtswidrigkeit dieser Regelungen kann die formelle Rechtmäßigkeit des Bescheides, insbesondere die Erforderlichkeit einer Anhörung gem. § 28 Abs. 1 VwVfG NRW, dahinstehen. 103(2) Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Bewilligungsbescheides richtete die Bezirksregierung Düsseldorf – wie dargelegt – ihre Verwaltungspraxis an dem Programm zur Gewährung von Soforthilfen aus dem Bundesprogramm „Soforthilfen für Kleinstunternehmen und Selbstständige" und dem ergänzenden Landesprogramm „NRW-Soforthilfe 2020“ aus. Die Richtlinien des Landes NRW „zur Gewährung von Soforthilfen für gewerbliche Kleinunternehmen, Selbstständige und Angehörige Freier Berufe, die infolge der Sars-CoV-2-Pandemie in ihrer Existenz gefährdet sind (NRW-Soforthilfe 2020)“ vom 31. Mai 2020 waren noch nicht in der Welt. Gleiches gilt für die vom Beklagten unter dem 3. Juli 2020, 5. Oktober 2020, 2. Dezember 2020 sowie 14. Juni 2021 versandten Emails an sämtliche Antragsteller. Im Verwaltungsverfahren vor Erlass des Zuwendungsbescheides stellte das beklagte Land (und ebenso der Bund) den Antragstellern – auch der Klägerin – eine Vielzahl von online abrufbaren Hinweisen, insbesondere die sog. FAQ, bereit. Diese spiegeln die Verwaltungspraxis des Beklagten bzw. der Bezirksregierung Düsseldorf als Bewilligungsbehörde des Landes wider. Diese Verwaltungspraxis lässt sich wie folgt zusammenfassen: Versicherte ein Anspruchsteller, dass seine wirtschaftliche Tätigkeit durch die Corona-Krise wesentlich beeinträchtigt war, erhielt er eine (vorläufige) Pauschale in einer Höhe, die von der Anzahl der bei ihm Beschäftigten abhing; hatte er – wie die Klägerin – bis einschließlich fünf Beschäftigte, erhielt er 9.000,00 Euro. Wie das Land die „wesentliche Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Tätigkeit“ definierte, ließ sich an den oben wiedergegebenen Voraussetzungen im Antragsformular (dortige Ziffer 6.1) ablesen. Antragsteller, die – wie die Klägerin – erklärten, diese Voraussetzungen zu erfüllen, erhielten (bei Vorliegen der weiteren Erfordernisse) einen Zuwendungsbescheid. In diesem wurde ebenfalls auf das Bestehen einer finanziellen Notlage, die Überbrückung von Liquiditätsengpässen bzw. die Kompensation der wirtschaftlichen Engpässe abgestellt, ohne diese genau zu umschreiben. Namentlich in Ziffer 2. wurde die Zweckbindung der Soforthilfe so beschrieben, dass sie „zur Milderung der finanziellen Notlage“ „als Einmalzahlung für einen Bewilligungszeitraum von drei Monaten ab Antragstellung“ erfolge und „insbesondere zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen“ diene. Der Nebenbestimmung II.3. konnten die Anspruchsteller einen Anhaltspunkt dafür entnehmen, nach welchen Maßgaben die mit dieser Zweckbindung erhaltene Soforthilfe zurückzuzahlen sei. Diese stellte zwei kumulative („und“) Voraussetzungen für eine Rückzahlungspflicht am Ende des dreimonatigen Bewilligungszeitraums auf: 104- Die Finanzhilfe war höher als der Umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter Kosten. 105- Die Mittel wurden nicht (vollständig) zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenz bzw. Ausgleich des Liquiditätsengpasses benötigt. 106Im Einzelnen: 107Die Bezirksregierung Düsseldorf hat ihre Vergabepraxis auch auf das Bundesprogramm „Corona-Soforthilfen für Kleinstunternehmen und Selbständige“ gestützt. Potentiellen Anspruchsberechtigten standen hierzu sog. Kurzfakten zur Verfügung, in denen es u.a. heißt (Stand 30. März 2020): S. 1 Ziffer 2: „Die Soforthilfe dient der Sicherung der wirtschaftlichen Existenz der Unternehmen und zur Überbrückung von akuten Liquiditätsengpässen.“ Ziffer 7: „Eine Kumulierung mit anderen Hilfen […] ist grundsätzlich möglich. Eine Überkompensation ist aber zurückzuzahlen.“ S. 2: „Wie wird hinterher geprüft, ob nicht eine Überkompensation vorliegt? […] Der Antragsteller legt bei der Angabe, in welcher Höhe er die Billigkeitsleitung beantragt, seinen voraussichtlichen Liquiditätsengpass zugrunde. Dieser wird auf der Basis seines voraussichtlichen Umsatzes sowie des betrieblichen Sach- und Finanzaufwands für die drei auf die Antragstellung folgenden Monate ermittelt. Sofern die Soforthilfe wie beantragt bewilligt wird und später festgestellt wird, dass der Sach- und Finanzaufwand des Unternehmens oder die tatsächliche Umsatzeinbuße doch geringer war, ist das Unternehmen zu einer Rückzahlung des überzahlten Betrags verpflichtet. Auch durch die Kombination von mehreren Hilfsprogrammen kann es zu einer Überkompensation kommen.“ 108An mehreren Stellen werden die Formulierungen „wirtschaftliche Existenz“ sowie „Liquiditätsengpass“ gebraucht (auch auf S. 1 Ziffer 3 und S. 2), ohne dass diese definiert würden. Bei der Beantwortung der Frage, wie geprüft werde, ob eine „Überkompensation“ vorliege, wird explizit eine Umsatzeinbuße zur Voraussetzung für eine Rückerstattungsspflicht gemacht. 109Das beklagte Land hat dieses Bundesprogramm erweitert und das Landesprogramm „NRW-Soforthilfe 2020“ ins Leben gerufen. Hierzu stellte es Antragstellern auf der Internetpräsenz des damaligen Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie NRW Hinweise und FAQ zur Verfügung. 110In den FAQ 1 vom 25. März 2020 hieß es für die Anspruchsvoraussetzungen zu der Frage, „Was wird gefördert?“: „Die Unternehmen sollen bei der Sicherung ihrer wirtschaftlichen Existenz und Überbrückung von akuten Finanzierungsengpässen, u.a. für laufende Betriebskosten wie Mieten, Kredite für Betriebsräume, Leasingraten u.ä. sowie den Erhalt von Arbeitsplätzen durch einen Zuschuss unterstützt werden. […] Voraussetzung: erhebliche Finanzierungsengpässe und wirtschaftliche Schwierigkeiten in Folge von Corona. Dies wird angenommen wenn, 111- sich für den Monat, in dem der Antrag gestellt wird, Umsatz- bzw. Honorarrückgang von mindestens 50 Prozent verglichen mit dem durchschnittlichen monatlichen Umsatz (bezogen auf den aktuellen und die zwei vorangegangenen Monate) im Vorjahr ergibt [….] oder 112- der Betrieb auf behördliche Anordnung wegen der Corona-Krise geschlossen wurde oder 113- die vorhandenen Mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen Verbindlichkeiten des Unternehmens (bspw. Mieten, Kredite für Betriebskosten, Leasingraten) zu zahlen (=Finanzierungsengpass).“ 114In den FAQ 2 vom 26. März 2020 wurden die Voraussetzungen um eine vierte Möglichkeit zum Auftragseinbruch ergänzt und wie folgt umformuliert: 115- „mehr als die Hälfte der Aufträge aus der Zeit vor dem 1. März durch die Corona-Krise weggefallen sind […] oder 116- sich für den Monat, in dem der Antrag gestellt wird, Umsatz- bzw. Honorarrückgang von mindestens 50 Prozent verglichen mit dem durchschnittlichen monatlichen Umsatz (bezogen auf den aktuellen und die zwei vorangegangenen Monate) im Vorjahr ergibt. [….] oder 117- der Umsatz durch eine behördliche Auflage im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie massiv eingeschränkt wurde oder 118- die vorhandenen Mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen Verbindlichkeiten des Unternehmens (bspw. Mieten, Kredite für Betriebskosten, Leasingraten) zu zahlen (= Finanzierungsengpass).“ 119In den FAQ 3 (Datum nach Anlage B2 unbekannt; Datum der Speicherung: 25. März 2020) wurden die Voraussetzungen dann im Wesentlichen unverändert final umformuliert: 120- „mehr als die Hälfte der Aufträge aus der Zeit vor dem 1. März durch die Corona-Krise weggefallen ist […] oder 121- die Umsätze gegenüber dem Vorjahresmonat mehr als halbiert sind (für einen noch im März oder April gestellten Antrag werden die Umsätze im März 2020 gegenüber dem Monat März 2019 zugrunde gelegt). Kann der Vorjahresmonat nicht herangezogen werden (z.B. bei Gründungen), gilt der Vormonat. oder 122- die Möglichkeiten den Umsatz zu erzielen durch eine behördliche Auflage im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie massiv eingeschränkt wurde oder 123- die vorhandenen Mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen Verbindlichkeiten des Unternehmens (bspw. Mieten, Kredite für Betriebskosten, Leasingraten) zu zahlen (=Finanzierungsengpass).“ 124Diese Spiegelstrich-Voraussetzungen mündeten fast wortgleich in das Antragsformular, das die Antragsteller – so auch die Klägerin – online einreichen mussten. Von einem Liquiditätsengpass ist an keiner Stelle die Rede, geschweige denn, dass er definiert würde. Vielmehr wird durchgängig der Begriff „Finanzierungsengpass“ verwendet. Dieser war – gemessen an den zum Antragszeitpunkt feststehenden Zahlen eines Antragstellers – Bedingung für das Entstehen eines Anspruchs. Zwar entspricht der vierte Spiegelstrich der Anspruchsvoraussetzungen „die vorhandenen Mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen Verbindlichkeiten des Unternehmens (bspw. Mieten, Kredite für Betriebskosten, Leasingraten) zu zahlen“ im Wesentlichen der späteren Definition des Liquiditätsengpasses in Ziffer 5.3 Abs. 2 der Richtlinie. In den FAQ war dieser Spiegelstrich jedoch lediglich als eine von vier alternativen Möglichkeiten („oder“) vorgesehen, um die Anspruchsberechtigung zu begründen. 125Zu den Fragen „Wird geprüft, ob dem Antragsteller die Hilfe auch wirklich zugestanden hat und wenn nein, muss die Hilfe ggfls. zurückgezahlt werden?“ und „Wird immer der Maximalbetrag ausgezahlt?“ und „Wie ist eine Überkompensation definiert?“ wurden folgende Antworten gegeben: 126- „Wird geprüft, ob dem Antragsteller die Hilfe auch wirklich zugestanden hat und wenn nein, muss die Hilfe ggfls. zurückgezahlt werden? 127Der Antragsteller versichert im Formular, dass er alle Angaben nach bestem Wissen und Gewissen und wahrheitsgetreu gemacht hat. Falsche Angaben, die zu einer unberechtigten Inanspruchnahme der Leistung führen, sind Subventionsbetrug. Die Leistung muss dann nicht nur zurückgeführt werden, es kann dann zu einer strafrechtlichen Verfolgung kommen. […] Der Zuschuss wird als sogenannte Billigkeitsleistung ausgezahlt. Auch im Falle einer Überkompensation (z.B. durch Versicherungsleistung oder andere Fördermaßnahmen) muss die erhaltene Soforthilfe zurückgezahlt werden. Stellt sich am Ende der Bezugszeit von drei Monaten heraus, dass der Antragsteller mehr erhalten hat, als sein Schaden war, ist er gehalten, das überschüssige Geld zurückzuzahlen. Hierauf wird noch einmal separat im Bescheid hingewiesen.“ 128- „Wird immer der Maximalbetrag ausgezahlt? 129Ja. Die Zuschüsse sind nach Mitarbeiterzahl gestaffelt. Innerhalb der entsprechenden Staffelung erhalten Sie den vollen Betrag. Bis zu 5 Mitarbeiter 9.000 Euro, bei bis zu 10 Mitarbeitern 15.000 Euro und bei bis zu 50 Mitarbeitern 25.000 Euro. Bei Überkompensation sind die Beträge zurückzuzahlen (s.o.). Entsprechende Hinweise und die Kontonummer für die Rückzahlung zuviel erhaltener Soforthilfen enthält der Bewilligungsbescheid.“ 130- „Wie ist eine Überkompensation definiert?“ 131In der Fassung 2 (vom 26. März 2020): „Eine Überkompensation entsteht dann, wenn der Antragsteller mehr Zuwendungen erhält, als erforderlich wären, um den Finanzierungsengpass zu beseitigen.“ 132Ab der Fassung 3 (Datum nach Anlage B2 unbekannt; Datum der Speicherung: 25. März 2020): „Eine Überkompensation entsteht dann, wenn der Antragsteller mehr Zuwendungen erhält, als sein tatsächlich eingetretener Schaden – also insbesondere der durch die Corona-Krise eingetretene Umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter Kosten (z.B. Mietminderung) ist. Eine Überkompensation ist nach der dreimonatigen Förderphase zurückzuerstatten.“ 133In Abgrenzung zu den anspruchsbegründenden Voraussetzungen, die einen Finanzierungsengpass erforderten, wurde für die Rückzahlungspflicht am Ende des Bewilligungszeitraums auf eine „Überkompensation“ – gemessen an den dann erst feststehenden Zahlen aus dem Bewilligungszeitraum – abgestellt. Als Beispiele für eine solche nannten die FAQ „z.B. durch Versicherungsleistung oder andere Fördermaßnahmen“. Nach der ab Fassung 3 der FAQ (Datum nach Anlage B2 unbekannt; Datum der Speicherung: 25. März 2020; FAQ 4 datiert vom 28. März 2020) unverändert geltenden Definition in den FAQ tritt eine Überkompensation ein, wenn der Antragsteller mehr Zuwendungen erhalten hat, als sein tatsächlich eingetretener Schaden, also insbesondere der durch die Corona-Krise eingetretene Umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter Kosten (z.B. Mietminderung), ist. Auch hier wird maßgeblich auf einen Umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter Kosten abgestellt. Der Begriff des „Liquiditätsengpasses“ fällt in diesem Zusammenhang in den FAQ nicht. 134Schließlich enthält der Bewilligungsbescheid – wie erwähnt – in Ziffer 2. (Zweckbindung) die Formulierungen „zur Milderung der finanziellen Notlage“ und „insbesondere zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen“. Aus der Nebenbestimmung II.3. ergaben sich zwei kumulative Voraussetzungen für eine Rückzahlungspflicht am Ende des dreimonatigen Bewilligungszeitraums, nämlich dass die „Finanzhilfe höher ist als Ihr Umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter Kosten (z.B. Mietminderung) und Sie die Mittel nicht (vollständig) zur Sicherung Ihrer wirtschaftlichen Existenz bzw. Ausgleich Ihres Liquiditätsengpasses benötigen“. Der Ausdruck „Überkompensation“ findet sich im Bescheid nicht; welche Bedeutung dem Begriff „Liquiditätsengpass“ zukommen soll, wird nicht umschrieben. Die Nebenbestimmung II.3. gab den maßgeblichen Anhaltspunkt dafür, wie die Zuwendungsempfänger später ihre Rückmeldung durchführen sollten; aus ihr ergab sich auch der Umfang der Vorläufigkeit des Verwaltungsaktes; hier wurden die Berechnungsmodalitäten für die spätere Feststellung einer – an dieser Stelle nicht so genannten – Überkompensation festgelegt. Wenn sie auch mehr als missverständlich formuliert ist, so konnten die Bescheidadressaten – auch die Klägerin – ihr immerhin entnehmen, dass eine Rückzahlungspflicht bereits dann ausgeschlossen sein sollte, wenn der Umsatzausfall die Finanzhilfe überstieg. Insoweit korrelierte die Bestimmung mit den FAQ. Wie die zweite Voraussetzung zu verstehen ist, die die Bezeichnungen „wirtschaftliche Existenz“ und „Liquiditätsengpass“ aufnimmt, wird weder aus sich heraus noch im Kontext mit dem übrigen Inhalt des Bescheides deutlich. Vielmehr lag für einen durchschnittlichen Antragsteller nach der Lektüre der FAQ und der ersten Voraussetzung der Nebenbestimmung II.3. nahe, dass eine Verpflichtung zur Rückzahlung der zunächst erhaltenen Soforthilfe dann in Betracht kam, wenn er am Ende des dreimonatigen Bewilligungszeitraums feststellte, dass seine tatsächliche Umsatzeinbuße doch geringer war als zunächst angenommen. Mit anderen Worten, dass Maßstab für eine Erstattungspflicht eine „Überkompensation“ war, die im Wesentlichen von Umsatzeinbußen und ersparten Aufwendungen abhing. 135Festzuhalten ist mithin, dass die Verwaltungspraxis des beklagten Landes bzw. der Bezirksregierung Düsseldorf bis zum Erlass der jeweiligen Bewilligungsbescheide durch eine Vielzahl von Informationen gekennzeichnet war, die aus sich heraus entweder nicht ohne Weiteres verständlich waren oder jedenfalls keinen eindeutigen – schon gar nicht begrifflich erläuterten – Hinweis auf die Voraussetzungen für eine spätere Rückzahlungspflicht gaben. Nachvollziehbar für die Anspruchsteller war immerhin, dass sich die anspruchsbegründenden Voraussetzungen von jenen des späteren Rückmeldeverfahrens unterschieden. Unter welchen Bedingungen es zu einer Rückerstattung kommen würde, blieb aber weitgehend unklar. Das gilt namentlich für den den Schlusspunkt des Zuwendungsverfahrens setzenden Bewilligungsbescheid. Hier (in der Nebenbestimmung II.3.) wie auch in den den Antragstellern zuvor zur Verfügung gestellten Informationen wird eher der Eindruck erweckt, es komme darauf an, wie sich der Umfang der Umsatzeinbußen im dreimonatigen Bewilligungszeitraum gestalten werde. Werde die Soforthilfe höher sein als der Umsatzausfall (abzüglich eingesparter Kosten), so dürften die zu viel erhaltenen Mittel nicht behalten werden. Dies wird zum Teil auch als „Überkompensation“ bezeichnet. Soweit der Begriff „Liquiditätsengpass“ überhaupt gebraucht wird – im Antragsformular findet er sich nicht –, wird nicht deutlich, was unter ihm zu verstehen ist. Dass ihm ein Verständnis im Sinne der Anforderungen der späteren Richtlinie beizulegen wäre, ist weder den FAQ noch dem Bewilligungsbescheid aus der Sicht eines durchschnittlichen Adressaten zu entnehmen. Soweit in der Nebenbestimmung II.3. auf einen Liquiditätsengpass abgestellt wird, handelt es sich lediglich um eine zweite Voraussetzung für eine Rückerstattungspflicht. Mit anderen Worten: Die Rückzahlungspflicht wird hiernach nicht ausgelöst, wenn bereits die erste Bedingung nicht erfüllt ist, wenn also die Finanzhilfe nicht höher ist als der Umsatzausfall. Liegt die erste Voraussetzung vor, ist die zweite zu prüfen. Jedoch bleibt auch hier völlig unklar, was unter Liquiditätsengpass zu verstehen und wie dieser zu berechnen ist. Solche Unklarheiten gehen zu Lasten der Behörde, 136vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1983 – 7 C 70/80 –, juris; VG Hamburg, Urteil vom 14. März 2020 – 17 K 4793/21 –, juris; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwvfG, 9. Auflage 2018, § 35 Rn. 80 m.w.N.; von Alemann/Scheffczyk, in: Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, Stand: 1. Januar 2022, § 35 Rn. 46 m.w.N. 137Im Kontext mit den Gegebenheiten des Verwaltungsverfahrens durfte die Klägerin davon ausgehen, die Soforthilfe nur dann (teilweise) erstatten zu müssen, wenn sie am Ende des dreimonatigen Bewilligungszeitraumes feststellte, dass die Zuwendung höher war als der Umsatzausfall (abzüglich eingesparter Kosten), wenn also eine Überkompensation in diesem Sinne vorlag. Da ihre Umsatzeinbuße unstreitig die Höhe der Soforthilfe von 9.000,00 Euro überstieg, durfte sie annehmen, die Mittel behalten zu dürfen. Wäre dies nicht der Fall gewesen, wäre nach dem oben Gesagten allerdings im Dunkeln geblieben, wann die Voraussetzungen der zweiten Alternative der Nebenbestimmung II.3. vorgelegen hätten. Denn – wie bereits ausgeführt – wurde im Bewilligungsverfahren der Begriff des „Liquiditätsengpasses“ nicht definiert. Lediglich der ähnliche Begriff des „Finanzierungsengpasses“ wurde im Bewilligungsverfahren definiert, allerdings nur im Rahmen der vier alternativ erfüllbaren Anspruchsvoraussetzungen und gemessen an den bei Antragstellung feststehenden wirtschaftlichen Zahlen der Antragsteller. Eine Übertragung dieser Definition auf eine Rückzahlungspflicht am Ende des Bewilligungszeitraumes gemessen an den dann feststehenden wirtschaftlichen Zahlen der Antragsteller aus diesem Bewilligungszeitraum macht keinen Sinn bzw. ist zumindest nicht aus sich heraus verständlich. Eine solche missverständliche Fassung der Nebenbestimmung II.3. geht – wie ebenfalls bereits ausgeführt – nicht zu Lasten der Klägerin. 138Dass die Bezirksregierung Düsseldorf dem Schlussbescheid vom 6. Dezember 2020 nicht die beschriebenen – wenngleich missverständlichen – Parameter für die Berechnung einer etwaigen Rückzahlungspflicht zugrunde gelegt hat, führt dazu, dass der Schlussbescheid (insoweit) den Bewilligungsbescheid nicht ersetzen kann. Werden die Regelungen des Schlussbescheides mit jenen des Bewilligungsbescheides abgeglichen, ist ersichtlich, dass diesen ein anderes Verständnis der Rückzahlungsbedingungen immanent ist, als es sich aus dem auf der Basis der Förderpraxis ergangenen Bewilligungsbescheid ergibt. Im Schlussbescheid ist nur noch von einem „Liquiditätsengpass“ die Rede (insbesondere in der Überschrift, im Eingangssatz, in Ziffer 1. sowie mehrfach in der Begründung); die Formulierungen „finanzielle Notlage“, „wirtschaftliche Engpässe“ o.ä. wurden nicht aufgenommen. In den Gründen unter II.3. findet sich der Ausdruck der „Überkompensation“, die 6.902,00 Euro betrage. Das Verständnis des Begriffs des Liquiditätsengpasses im Schlussbescheid beruht auf der Definition der zu diesem Zeitpunkt bereits erlassenen Richtlinie des Landes. Erstmals wird dort präzise umschrieben, dass der Liquiditätsengpass sich aus der Differenz zwischen den tatsächlichen fortlaufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb und den tatsächlichen laufenden, erwerbsmäßigen Sach- und Finanzausgaben (ohne Personalaufwand) unter Berücksichtigung eingesparter Kosten im Erfassungszeitraum ergibt (Ziffer 5.3. Abs. 2). Dieses Verständnis ließ sich den Umständen des Antragsverfahrens nicht entnehmen, auch nicht dem Bewilligungsbescheid selbst. Nach den vorstehenden Ausführungen ist nicht maßgeblich, wie die den Antragstellern zum Zeitpunkt des Erlasses der Bewilligungsbescheide noch nicht bekannten Bestimmungen der Richtlinie lauteten. Diese Vorschriften wären im vorliegenden rechtlichen Zusammenhang allenfalls dann relevant, wenn ihr Wortlaut mit dem Verwaltungshandeln und den Begrifflichkeiten des Erstbescheides übereinstimmte. Da er indes von der Verwaltungspraxis abweicht, kommt es auf die Praxis, nicht auf die Ausgestaltung der Verwaltungsvorschrift an. Dies gilt auch deshalb, weil die Bewilligungsbehörde gegenüber den Zuwendungsempfängern im Ausgangsbescheid nicht zum Ausdruck gebracht hat, dass die Modalitäten der Rückzahlung von einer noch zu erlassenen Richtlinie abhängen sollten. 139Beruhten die im angegriffenen Schlussbescheid getroffenen Festsetzungen zum Liquiditätsengpass, zur Höhe der Soforthilfe und zur Höhe der Rückzahlungspflicht somit auf einer Berechnungsmethode, die nicht mit der – zum maßgeblichen Erlasszeitpunkt des Bewilligungsbescheides bestehenden – Verwaltungspraxis korrelierte, führt dies – unabhängig von der tatsächlichen Umsatzentwicklung der Klägerin im Bewilligungszeitraum – zur Rechtswidrigkeit des Schlussbescheides. 140II. Aus der Rechtswidrigkeit der für die Klägerin nachteiligen Bestimmungen des Schlussbescheides folgt die Rechtsverletzung der Klägerin, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. 141B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 und 2 Zivilprozessordnung. 142C. Die Berufung ist von Amts wegen gem. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen. Da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, liegen die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vor. 143Rechtsmittelbelehrung: 144Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich Berufung eingelegt werden. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen. 145Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 146Die Berufung ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich einzureichen. 147Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). 148Im Berufungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen. 149Die Berufungsschrift und die Berufungsbegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. 150 151Beschluss: 152Der Streitwert wird auf 6.902,00 Euro festgesetzt. 153Gründe: 154Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 3 GKG erfolgt. 155Rechtsmittelbelehrung: 156Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. 157Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 158Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 159Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt. 160Die Beschwerdeschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. 161War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. 162
der bescheid der bezirksregierung düsseldorf vom 11. dezember 2020 wird aufgehoben. der beklagte trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar gegen sicherheitsleistung in höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden betrages. die berufung gegen das urteil wird zugelassen. 1
2die klägerin betreibt als soloselbstständige ein kosmetikstudio. 3mitte märz 2020 gerieten insbesondere kleine unternehmen und selbstständige durch verschiedene infektionsschutzrechtliche maßnahmen zur eindämmung der coronapandemie („harter lockdown“) in wirtschaftliche notlage. so musste der betrieb der klägerin vom 22. märz 2020 bis zum 7. mai 2020 vollständig schließen und konnte er ab dem 8. mai 2020 nur unter auflagen wieder geöffnet werden. 4als reaktion hierauf schuf der bund das programm „soforthilfe für kleinstunternehmen und soloselbstständige“, um betroffenen unternehmen und selbstständigen kurzfristig finanzhilfen bereitzustellen. 5das damalige bundesministerium für wirtschaft und energie veröffentlichte hierzu unter anderem eckpunkte vom 23. märz 2020, 6vgl. https://www.bundesfinanzministerium.de/content/de/pressemitteilungen/finanzpolitik/2020/03/2020-03-23-pm-soforthilfefond-download.pdf?__blob=publicationfile&v=3, 7und kurzfakten vom 30. märz 2020, 8vgl. https://www.bmwi.de/redaktion/de/downloads/j-l/kurzfakten-corona-soforthilfen.pdf?__blob=publicationfile&v=12. 9das beklagte land beschloss, das programm des bundes in vollem umfang an die vorgesehenen zielgruppen weiterzuleiten und erweiterte das bundesprogramm um die empfängergruppen mit bis zu 50 beschäftigten. beide maßnahmen wurden in der „nrw-soforthilfe 2020“ gebündelt. die federführende verantwortung lag hierbei bei dem ministerium für wirtschaft, innovation, digitalisierung und energie des landes nordrhein-westfalen. auf dessen internetpräsenz waren sog. faq in verschiedenen fassungen unter dem link https://wirtschaft.nrw.de/nrw-soforthilfe-2020 abrufbar. bezüglich des genauen inhalts wird auf die vom beklagten im verfahren 20 k 7488/20 übersandten anlagen b5 bis b19 verwiesen. 10die klägerin stellte ihren antrag am 1. april 2020 und verwendete hierfür das online vom beklagten bereitgestellte formular „antrag auf gewährung einer soforthilfe für von der corona-krise 03/2020 besonders geschädigte unternehmen und angehörige freier berufe einschließlich soloselbstständige aus dem soforthilfeprogramm des ministeriums für wirtschaft, innovation, digitalisierung und energie des landes nordrhein-westfalen sowie dem bundesprogramm „soforthilfe für kleinstunternehmer und soloselbstständige“ („nrw-soforthilfe 2020“)“. 11im antragsformular hieß es unter ziffer 5.: 12„die soforthilfe wird als billigkeitsleistung auf der grundlage der regelung zur vorübergehenden gewährung geringfügiger beihilfen im geltungsbereich der bundesrepublik deutschland im zusammenhang mit dem ausbruch von covid-19 („bundesregelung kleinbeihilfen 2020“) zur überwindung der existenzbedrohenden wirtschaftslage bzw. des liquiditätsengpasses gewährt.“ 13unter ziffer 6.1 versicherte die klägerin: „falls nicht anders angegeben, sind die kriterien auf den zeitpunkt der antragstellung zu beziehen. ich versichere, dass meine wirtschaftliche tätigkeit durch die corona-krise wesentlich beeinträchtigt ist, da entweder 14- mehr als die hälfte der aufträge aus der zeit vor dem 1. märz durch die corona-krise weggefallen ist oder 15- die umsätze gegenüber dem vorjahresmonat mehr als halbiert sind (gründungen: vormonat) oder 16- die umsatzerzielungsmöglichkeiten durch eine behördliche auflage im zusammenhang mit der covid-19-pandemie massiv eingeschränkt wurden oder 17- die vorhandenen, mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen zahlungsverpflichtungen des unternehmens zu erfüllen (z.b. mieten, kredite für betriebsräume, leasingraten).“ 18unter ziffer 6.2 versicherte die klägerin: 19„ich versichere, dass die in nr. 1.1. benannten antragsvoraussetzungen sämtlich vorliegen und ein liquiditätsengpass nicht bereits vor dem 1. märz bestanden hat.“ 20unter ziffer 6.11 versicherte die klägerin: 21„mir ist bekannt, dass ich den zuschuss als billigkeitsleistung erhalte und im falle einer überkompensation (entschädigungs-, versicherungsleistungen, andere fördermaßnahmen) die erhaltene soforthilfe zurückzahlen muss.“ 22mit bescheid vom 1. april 2020 bewilligte die bezirksregierung düsseldorf der klägerin auf ihren antrag eine soforthilfe in höhe von 9.000,00 euro. der betrag wurde kurze zeit später in voller höhe ausgezahlt. in dem bescheid, der nicht mit einer rechtsbehelfsbelehrung versehen war, heißt es auszugsweise: 23 24 25am 31. mai 2020 wurden die „richtlinien des landes zur gewährung von soforthilfen für gewerbliche kleinunternehmen, selbstständige und angehörige freier berufe, die infolge der sars-cov-2-pandemie in ihrer existenz gefährdet sind“ als runderlass des ministeriums für wirtschaft, innovation, digitalisierung und energie (az. vb 5 - 2020) – im folgenden: richtlinie – erlassen und traten laut ziffer 9. mit wirkung vom 27. märz 2020 in kraft. 26unter dem 3. juli 2020, 5. oktober 2020, 2. dezember 2020 sowie 14. juni 2021 versandte der beklagte an sämtliche antragsteller emails, in denen er auf die notwendigkeit zur durchführung eines rückmeldeverfahrens, den hierfür bereitgestellten vordruck sowie die hierbei nach seiner auffassung geltenden regelungen und fristen hinwies. 27bereits am 11. dezember 2020 füllte die klägerin das vom beklagten online bereitgestellte “rückmelde-formular ermittelter liquiditätsengpass nrw-soforthilfe 2020“ aus. die klägerin musste hierin als förderzeitraum die zeit vom 1. april 2020 bis 30. juni 2020 auswählen. nach eingabe ihrer vom formular abgefragten einnahmen und ausgaben in diesem berechnungszeitraum ergab sich, dass die klägerin im monat april einen liquiditätsengpass in höhe von 00 euro, im monat mai einen liquiditätsengpass in höhe von 00 euro und im monat juni einen einnahmenüberschuss in höhe von 00 euro (zeile 24) und damit insgesamt einen liquiditätsengpass von 98,00 euro im förderzeitraum (zeile 25) hatte; zu ihren gunsten wurde ein fiktiver unternehmerlohn in höhe von 2.000,00 euro angesetzt. hieraus ergab sich ein rückzahlungsbetrag in höhe von 6.902,00 euro. 28unter dem 11. dezember 2020 erließ die bezirksregierung düsseldorf gegenüber der klägerin einen schlussbescheid mit folgendem tenor: 29 30zur begründung führte die bezirksregierung aus, die klägerin habe am 11. dezember 2020 einen tatsächlichen liquiditätsengpass in höhe von 2.098,00 euro gemeldet. die feststellung des liquiditätsengpasses und die festsetzung der soforthilfe beruhten auf § 53 landeshaushaltsordnung nrw (lho) i.v.m. der regelung zur vorübergehenden gewährung geringfügiger beihilfen im geltungsbereich der bundesrepublik deutschland im zusammenhang mit dem ausbruch von sars-cov-2 („bundesregelung kleinbeihilfen 2020"), der verwaltungsvereinbarung zwischen dem bund und dem land nordrhein-westfalen über die „corona-soforthilfen insbesondere für kleine unternehmen und solo-selbstständige" vom 1. april 2020 einschließlich der dazu erlassenen vollzugshinweise sowie den „richtlinien des landes zur gewährung von soforthilfen für gewerbliche kleinunternehmen, selbstständige und angehörige freier berufe, die infolge der sars-cov-2-pandemie in ihrer existenz gefährdet sind“ („nrw-soforthilfe 2020“) vom 31. mai 2020. nach ziffern 3.1, 3.2, 5.2 und 5.3 der richtlinie sei die nrw-soforthilfe 2020 antragsberechtigten leistungsempfängern, die die antragsvoraussetzungen erfüllt hätten, zunächst in voller höhe gewährt worden. die endgültige festsetzung habe nach meldung der berechnung der höhe des liquiditätsengpasses zu erfolgen. ergebe sich dabei, dass der vorläufig vollständig gezahlte soforthilfebetrag nicht oder nur teilweise vom liquiditätsengpass abgedeckt sei, werde die soforthilfe nur in höhe des liquiditätsengpasses gewährt; anderenfalls sei die vorläufige zahlung endgültig. die rückforderung des überzahlten differenzbetrages beruhe auf § 49a abs. 1 satz 1 verwaltungsverfahrensgesetz für das land nordrhein-westfalen (vwvfg nrw) i.v.m. ziffer 5.3 der richtlinie und der ziffer ii. 3. des bewilligungsbescheides. § 49a abs. 1 vwvfg nrw werde entsprechend angewendet, wenn ein verwaltungsakt, der eine leistung zunächst nur vorläufig bewilligt habe, rückwirkend durch einen anderen verwaltungsakt teilweise ersetzt werde, der die leistung endgültig in geringerer höhe festsetze. 31die klägerin hat am 14. januar 2021 klage erhoben. 32zur begründung führt sie aus, aufgrund der untersagung ihres betriebes seien ihr vor allem in den monaten märz bis mai 2020 umsatzeinbußen entstanden. aufgrund ihrer antragstellung am 1. april 2020 sei bei der rückmeldung aber nur der zeitraum von april bis juni 2020 berücksichtigt worden. wäre in dem rückmeldeformular der zeitraum märz bis mai 2020 abgefragt worden, wäre ihr liquiditätsengpass um 00 euro höher ausgefallen. sie selbst habe auch versucht, noch im märz 2020 die soforthilfe zu beantragen, aber sie habe das antragformular – wohl wegen einer überlastung des servers des ministeriums – nicht absenden können. sie habe sich deshalb nach rücksprache mit ihrem steuerberater dazu entschieden, den antrag erst am 1. april 2020 zu stellen, zumal von seiten des landes nur eine antragsfist bis zum 31. mai 2020 genannt worden sei und der damalige wirtschaftsminister in einer pressemitteilung des ministeriums appelliert habe, den antrag, wenn nicht unmittelbar benötigt, erst in ein paar wochen zu stellen. durch diese vorgehensweise habe der beklagte seine bei der gewährung von billigkeitsleistungen zu beachtende gleichbehandlungspflicht verletzt. der beklagte habe nachträglich eine ausschlussfrist bestimmt und antragsteller, die ihren antrag vor dem 1. april 2022 gestellt hätten, anders als diejenigen behandelt, die ihren antrag danach gestellt hätten, obwohl er vorher den eindruck vermittelt habe, es bestehe keine eile bei der antragstellung. zumindest hätte der beklagte im rahmen seiner umfassend zur verfügung gestellten informationen aufgrund seiner aus dem rechtsstaatsprinzip entspringenden pflicht zur transparenz über die konkreten auswirkungen des datums der antragstellung informieren müssen. zudem sei bei antragstellung nicht prognostizierbar gewesen, welcher erfassungszeitraum der günstigste sein würde. deswegen dürfe der zeitpunkt der antragstellung auch nicht maßgeblich sein. ihre umsatzentwicklung in den jahren 2019 und 2020 ergebe sich aus den von ihr übersandten betriebswirtschaftlichen auswertungen. diese zeigten, dass auch ihr umsatzausfall im bewilligungszeitraum von april bis juni 2020 jedenfalls die ihr gewährte soforthilfe überstiegen habe. 33die klägerin beantragt, 34den bescheid der bezirksregierung düsseldorf vom 11. dezember 2020 aufzuheben. 35der beklagte beantragt, 36die klage abzuweisen. 37zur begründung trägt er vor, der von der klägerin im rahmen der rückmeldung angegebene tatsächliche liquiditätsengpass betrage 2.098,00 euro. demensprechend sei ein liquiditätsengpass in dieser höhe festgestellt, die soforthilfe in dieser höhe festgesetzt und der überschießende betrag in höhe von 6.902,00 euro zurückgefordert worden. 38für die im vorliegenden verfahren in rede stehenden rechtsfragen sei von entscheidender bedeutung, dass die nrw-soforthilfe 2020 nicht nur eines von mehreren staatlichen hilfsangeboten zur abmilderung der beträchtlichen negativen ökonomischen folgen der corona-pandemie, sondern vielmehr die allererste, unbürokratische und unverzügliche liquiditätshilfe – eben eine soforthilfe – gewesen sei. über die internetpräsenz des ehemaligen ministeriums für wirtschaft, innovation, digitalisierung und energie nrw habe sich jeder betroffene im vorfeld der antragstellung umfassend über den zweck der nrw-soforthilfe 2020 und die antragsberechtigung informieren können. hierdurch habe jedem antragsteller unmissverständlich klar werden müssen, dass die nrw-soforthilfe 2020 der sicherstellung der finanzierung von verbindlichkeiten für fortlaufende erwerbsmäßige sach- und finanzausgaben gedient habe und jeder hilfeempfänger nach ende des bewilligungszeitraums verpflichtet gewesen sei, seinen tatsächlichen liquiditätsengpass zu berechnen und zu viel erhaltene mittel zurückzuzahlen. 39bei der ursprünglichen bewilligung habe es sich um die nur vorläufige positive bescheidung des antrages zur nrw-soforthilfe 2020 gehandelt, die erst durch die festsetzung der tatsächlichen höhe der antragsberechtigung aufgrund des später ermittelten liquiditätsengpasses endgültig verbindlich beschieden worden sei. begründung und berechtigung für die vorläufige bescheidung sei die ungewissheit über die zu treffende endgültige entscheidung, namentlich die konkrete höhe der zu gewährenden soforthilfe anhand des nachträglich zu ermittelnden, konkreten liquiditätsengpasses im maßgeblichen bewilligungszeitraum gewesen. hiernach sei der bewilligungsbescheid zwingend auf eine ergänzung durch einen weiteren verwaltungsakt angelegt gewesen, durch den die zuwendung erst abschließend habe geregelt werden sollen. dieser sei in form des schlussbescheids ergangen. die vorläufigkeit und notwendigkeit eines schlussbescheides hätten sich ohne weiteres aus den ziffern 5.2 und 5.3 der richtlinie sowie der nebenbestimmung ii.3. des bewilligungsbescheides ergeben. eindeutig ablesbar seien sie aber auch aus den kurzfakten zum bundesprogramm. hintergrund sei, dass nordrhein-westfalen sich bei der umsetzung des bundesprogramms im gegensatz zu allen anderen bundesländern dafür entschieden habe, zunächst den förderhöchstbetrag als pauschale auszuzahlen, um verzögerungen bei der auszahlung zu vermeiden. dies habe ein rückmeldeverfahren unabdingbar gemacht, in welchem der individuelle liquiditätsengpass ermittelt und die tatsächliche förderhöhe habe festgestellt werden müssen. dabei komme es an dieser stelle überhaupt noch nicht darauf an, ob sich die höhe der tatsächlich zustehenden soforthilfe aus einem tatsächlich vorhandenen liquiditätsengpass oder aus einem tatsächlich vorhandenen umsatzausfall berechne. denn jedenfalls habe jedem empfänger durch die nebenbestimmung ii.3. des bewilligungsbescheides offensichtlich klar sein müssen, dass aus den tatsächlichen entwicklungen eine jedenfalls teilweise rückzahlungspflicht entstehen könne, man die erhaltene soforthilfe also nicht unbedingt, jedenfalls nicht unbedingt in voller höhe werde behalten können. mit dem bewilligungsbescheid sei lediglich über die grundsätzliche antragsberechtigung entschieden worden, jedoch noch nicht abschließend über die höhe der soforthilfe. da der bewilligungsbescheid eine vorläufige regelung treffe und sich somit eine endgültige regelung vorbehalten habe, habe die bewilligungsbehörde diesen durch die endgültige regelung im schlussbescheid ersetzen können, ohne insoweit an die einschränkungen der §§ 48, 49 vwvfg nrw gebunden zu sein. 40rechtsgrundlage für den schlussbescheid sei dementsprechend § 53 lho i.v.m. dem bundesprogramm „soforthilfen für kleinstunternehmen und soloselbstständige“ (corona soforthilfeprogramm des bundes), der dazu ergangenen verwaltungsvereinbarung zwischen dem bund und dem beklagten land über die corona soforthilfen und die erst nach erlass der bewilligungsbescheide am 31. mai 2020 mit wirkung vom 27. märz 2020 in kraft getretene richtlinie. die höhe der tatsächlich zustehenden soforthilfe und damit korrespondierend die höhe einer rückzahlungspflicht bestimme sich in konkretisierung der nebenbestimmung ii.3. des bewilligungsbescheides nach den vorgaben der richtlinie. dem stehe insbesondere nicht der erlass der richtlinie am 31. mai 2020 mit wirkung zum 27. märz 2020 entgegen. denn die richtlinie sei als ministerieller runderlass eine bloße interne verwaltungsvorschrift, die allein dazu gedient habe, eine dem gleichheitsgrundsatz entsprechende ermessensausübung zu gewährleisten. als eben solche verwaltungsvorschrift habe die richtlinie für ihre wirksamkeit grundsätzlich nicht einmal veröffentlicht werden müssen. zudem habe sie der ermessenslenkung bei erlass der schlussbescheide gedient, welche durchweg erst nach dem 31. mai 2020 erlassen worden seien. 41der schlussbescheid sei formell rechtmäßig, insbesondere liege keine verletzung der anhörungspflicht gem. § 28 abs. 1 vwvfg nrw vor, da gem. § 28 abs. 2 nr. 4 varianten 2 und 3 vwvfg nrw von einer anhörung habe abgesehen werden dürfen. die abschließend festzusetzende soforthilfe habe sich rechnerisch aus den von den antragstellern im rahmen des rückmeldeverfahrens zu tätigenden angaben ergeben. solche fälle seien zu hunderten aufgetreten und die entscheidungsfindung bei den schlussbescheiden sei partiell automatisiert, d.h. softwaregesteuert, erfolgt. die antragsteller hätten entsprechend ziffer 5.3 der richtlinie die rückmeldung digital vorlegen müssen. sofern der vom antragsteller hierbei angegebene liquiditätsengpass niedriger als die erfolgte auszahlung gewesen sei, sei durch das system automatisch ein entsprechender schlussbescheid generiert worden. ungeachtet dessen wäre selbst eine verletzung der anhörungspflicht im vorliegenden fall nach § 46 vwvfg nrw unbeachtlich, da dies die entscheidung in der sache nicht beeinflusst habe. ihm habe in den fällen, in denen der liquiditätsengpass letztlich niedriger gewesen sei als die vorläufig gewährte billigkeitsleistung, aufgrund des gleichbehandlungsgebotes keine entscheidungsfreiheit zugestanden. 42der schlussbescheid sei auch materiell rechtmäßig. die voraussetzungen für die gewährung der soforthilfe hätten nur in der im schlussbescheid angegebenen höhe vorgelegen. nach ziffer 5.3 der richtlinie werde die nrw-soforthilfe maximal in höhe des liquiditätsengpasses gewährt. der liquiditätsengpass ergebe sich aus der differenz zwischen den tatsächlichen fortlaufenden einnahmen aus dem geschäftsbetrieb und den tatsächlich laufenden, erwerbsmäßigen sach- und finanzausgaben im dreimonatigen erfassungszeitraum. der erfassungszeitraum beginne grundsätzlich mit dem tag der antragstellung und entspreche dem bewilligungszeitraum. wahlweise könne der beginn des dreimonatigen erfassungszeitraums auf den ersten tag des monats der antragstellung vorgezogen oder auf den ersten tag des folgemonats verschoben werden. durch ihr antragsdatum am 1. april 2020 habe die klägerin also einen bewilligungszeitraum vom 1. april 2020 bis zum 30. juni 2020 oder vom 1. mai 2020 bis zum 31. juli 2020 wählen können, nicht aber einen zeitraum vom 1. märz 2020 bis zum 31. mai 2020, der den betriebswirtschaftlich für die klägerin vergleichsweise schlechten monat märz 2020 mitberücksichtige. der klägerin habe es freigestanden, bereits im märz 2020 ihren antrag zu stellen. technische schwierigkeiten, weshalb sie dies nicht getan habe, seien nicht nachvollziehbar vorgetragen worden. es entspreche nicht der lebenswirklichkeit, dass eine von der klägerin behauptete überlastung der server des ministeriums über tage hinweg angedauert habe. dies werde auch dadurch widerlegt, dass es anderen antragstellern durchaus gelungen sei, im märz einen entsprechenden antrag zu stellen. ungeachtet dessen sei die in ziffer 5.3 der richtlinie getroffene regelung nicht zu beanstanden. das beklagte land sei bei der ausgestaltung der richtlinie frei darin gewesen, regelungen zu treffen, wonach die bestimmung des erfassungszeitraums vom datum der antragstellung abhängig gewesen sei. diese regelung sei weder unsachgemäß noch willkürlich. nichts anderes ergebe sich aus den pressemitteilungen des ministeriums. denn hierin sei lediglich zutreffend darauf hingewiesen worden, dass eine antragstellung bis zum 31. mai 2020 erfolgen könne. wenn die klägerin verlange, das beklagten land habe früher darüber informieren müssen, welche konkreten auswirkungen der zeitpunkt der antragstellung habe, liege hierin eine betriebswirtschaftliche beratung, die im rahmen eines freiwilligen zuwendungsprogrammes nicht erwartet werden könne. es liege in der natur der sache, dass diese bestimmungen bei über 400.000 anträgen auf nrw-soforthilfe 2020 nicht in jedem fall zu einem aus sicht des antragstellers optimalen ergebnis führten. 43die nrw-soforthilfe 2020 diene nach ziffer 1.1 der richtlinie der sicherung der wirtschaftlichen existenz von unternehmen und damit ausschließlich zur deckung der laufenden betrieblichen sach- und finanzaufwendungen des unternehmens. hierauf weise auch ziffer 2. des bewilligungsbescheides noch einmal hin. dies ergebe auch eine gesamtschau der beschlossenen maßnahmen zur unterstützung von unternehmen – kurzarbeitergeld und erleichterung der prüfungsvoraussetzung für die gewährung von alg ii. in abgrenzung zur nrw-soforthilfe 2020 solle etwa das gehalt von mitarbeitern durch das kurzarbeitergeld gewährt und für den persönlichen lebensunterhalt alg ii beantragt werden. private finanzielle schwierigkeiten würden demnach allein aufgefangen durch sozialleistungen nach dem sgb. dieser sinn und zweck der nrw-soforthilfe 2020 ergebe sich bereits aus der formulierung im antragsformular unter ziffer 6.1, vierter spiegelstrich: „ich versichere, dass meine wirtschaftliche tätigkeit durch die corona-krise wesentlich beeinträchtigt ist, da entweder (...) - die vorhandenen mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen zahlungsverpflichtungen des unternehmens zu erfüllen (z. b. mieten, kredite für betriebsräume, leasingraten).“ dieser sinn und zweck der soforthilfe ergebe sich auch eindeutig aus den faq sowie den eckpunkten und kurzfakten zum bundesprogramm. sinn und zweck der nrw-soforthilfe 2020 sei also entgegen der ansicht der klägerin weder, sämtliche umsatz- und einnahmeverluste der unternehmen auszugleichen, noch die überschuldung oder zahlungsunfähigkeit der unternehmen zu verhindern und erst recht nicht, private existenzen zu sichern. 44ermessen habe der bezirksregierung düsseldorf beim erlass des schlussbescheides aufgrund der bindungswirkung der richtlinie nicht zugestanden. 45der rechtmäßigkeit des schlussbescheides stehe schließlich kein schutzwürdiges vertrauen der klägerin entgegen. es liege vielmehr gerade im wesen der vorläufigkeit, dass ein vertrauen auf die endgültigkeit der regelung nicht entstehen könne. gegen einen bestehenden vertrauensschutz der klägerin spreche zudem, dass ihr in ansehung der ziffer 5.3 der richtlinie der soforthilfe nrw sowie der nebenbestimmung ii.3. des bewilligungsbescheides habe bewusst sein müssen, dass sie die nrw-soforthilfe nur insofern werde behalten dürfen, als dass ihre tatsächlichen fortlaufenden einnahmen aus dem geschäftsbetrieb die tatsächlich laufenden, erwerbsmäßigen sach- und finanzausgaben im bewilligungszeitraum überstiegen. 46das verfahren 20 k 7488/20 ist beigezogen worden. wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakten sowie der beigezogenen verwaltungsvorgänge ergänzend bezug genommen. 47
48die klage hat erfolg. 49a. die bei sachgerechter auslegung des klagebegehrens als anfechtungsklage gem. § 42 abs. 1 halbs. 1 verwaltungsgerichtsordnung (vwgo) zulässige klage ist begründet. 50der schlussbescheid der bezirksregierung düsseldorf vom 11. dezember 2020 ist rechtswidrig und verletzt die klägerin in ihren rechten (§ 113 abs. 1 satz 1 vwgo). 51i. der schlussbescheid vom 11. dezember 2020 ist rechtswidrig. 521. die in ziffer 3. des angegriffenen bescheides ausgesprochene rückforderung eines betrages von 6.902,00 euro kann nicht auf § 49a abs. 1 satz 1 vwvfg nrw gestützt werden. danach sind bereits erbrachte leistungen zu erstatten, soweit ein verwaltungsakt für die vergangenheit zurückgenommen oder widerrufen worden oder infolge des eintritts einer auflösenden bedingung unwirksam geworden ist. diese voraussetzungen liegen nicht vor. 53a. eine rücknahme des bewilligungsbescheides vom 1. april 2020 gemäß § 48 abs. 1 vwvfg nrw ist ersichtlich nicht gegeben. die bezirksregierung düsseldorf hat den bewilligungsbescheid jedoch auch nicht durch den erlass des angefochtenen schlussbescheides mit wirkung für die vergangenheit teilweise widerrufen. die – hier allein in betracht kommenden – voraussetzungen des § 49 abs. 3 nr. 1 oder nr. 2 vwvfg nrw sind nicht erfüllt. 54aa. die bezirksregierung düsseldorf hat den erlass des schlussbescheides nicht damit begründet, die klägerin habe die erhaltene leistung (teilweise) nicht für den in dem bewilligungsbescheid bestimmten zweck verwendet (§ 49 abs. 3 nr. 1 vwvfg nrw). der schlussbescheid verhält sich vielmehr zu der frage, in welcher höhe bei der klägerin ein liquiditätsengpass auf der grundlage seiner angaben festzustellen sei. über die interpretation des begriffs des liquiditätsengpasses streiten die beteiligten. der vorwurf einer nicht zweckgerechten verwendung der erhaltenen zuwendung ist den regelungen des schlussbescheides allerdings nicht zu entnehmen. 55bb. mit dem bewilligungsbescheid ist auch keine auflage im sinne von § 49 abs. 3 nr. 2 vwvfg nrw verbunden, die der begünstigte nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten frist erfüllt hat. eine auflage ist eine bestimmung, durch die dem begünstigten ein tun, dulden oder unterlassen vorgeschrieben wird (§ 36 abs. 2 nr. 4 vwvfg nrw). zwar zielt die nebenbestimmung ii.3. auf eine handlungsverpflichtung des zuwendungsempfängers ab. mit ihr wird dem adressaten des bescheides – hier der klägerin – eine prüfungspflicht auferlegt: sollte sie am ende des dreimonatigen bewilligungszeitraums feststellen, „dass diese finanzhilfe höher ist als ihr umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter kosten (z.b. mietminderung) und sie die mittel nicht (vollständig) zur sicherung ihrer wirtschaftlichen existenz bzw. ausgleich ihres liquiditätsengpasses benötigen, sind die zu viel gezahlten mittel […] zurückzuzahlen“. der schlussbescheid enthält aber nicht den vorwurf, die klägerin sei dieser aus dem bewilligungsbescheid resultierenden pflicht nicht oder nicht fristgerecht nachgekommen. vielmehr geht die behörde davon aus, dass die klägerin angaben zur höhe des liquiditätsengpasses gemacht hat, auf grund derer sie sich zur teilrückforderung des gewährten betrages berechtigt sieht. da die voraussetzungen für einen widerruf mithin insoweit nicht vorliegen, kann dahinstehen, ob es sich bei der in ziffer ii.3. getroffenen regelung um eine auflage i.s.d. § 36 abs. 2 nr. 4 vwvfg nrw in abgrenzung zu einer bedingung oder einer inhaltsbestimmung handelt. 56b. schließlich folgt eine erstattungspflicht der klägerin auch nicht daraus, dass der bewilligungsbescheid vom 1. april 2020 infolge des eintritts einer auflösenden bedingung unwirksam geworden ist (§ 49a abs. 1 satz 1 vwvfg nrw). eine solche bedingung i.s.d. § 36 abs. 2 nr. 2 vwvfg nrw, nach der der wegfall einer vergünstigung von dem ungewissen eintritt eines zukünftigen ereignisses abhängt, enthält der bewilligungsbescheid nicht. 57unter den begriff des ereignisses fallen von der außenwelt wahrnehmbare handlungen, erklärungen oder geschehnisse, nicht hingegen nur zur gedankenwelt eines beteiligten gehörende vorstellungen. als ereignis kommt lediglich ein rein tatsächlicher vorgang in betracht, der sinnlich wahrnehmbar und dem beweis zugänglich ist, ohne dass es für seine bejahung noch einer rechtlichen wertung bedürfte. darauf, ob die rechtliche wertung einfach oder schwierig ist, kommt es nicht an. da das künftige ungewisse ereignis kraft gesetzes ohne weiteren zwischenschritt einen rechtsverlust oder einen rechtsgewinn herbeiführt, muss sein eintritt auch aus gründen der rechtssicherheit für alle beteiligten – für den adressaten des bescheids, für die behörde und ggf. für dritte – gleichermaßen ohne weiteres erfassbar sein, 58vgl. bverwg, urteil vom 23. januar 2019 – 10 c 5.17, juris; bverwg, urteil vom 16. juni 2015 ‒ 10 c 15.14 –, juris; ovg nrw, urteil vom 17. juni 2020 – 4 a 436/17 –, juris; ovg nrw, beschluss vom 14. juni 2018 ‒ 4 a 1781/15 ‒, juris. 59bei der nebenbestimmung ii.3. handelt es sich nicht um eine bedingung in diesem sinne. in ihr wird kein zur automatischen unwirksamkeit des bewilligungsbescheides führendes ereignis benannt. die vom zuwendungsempfänger am ende des bewilligungszeitraumes zu treffende beurteilung, ob die finanzhilfe höher ist als der umsatzausfall, lässt sich nur durch eine berechnung anhand betriebswirtschaftlicher auswertungen durchführen; sie mag aus sicht der bewilligungsbehörde korrekt oder aber fehlerhaft durchgeführt worden sein. jedenfalls bedarf es einer bewertung, die einen automatismus zwischen dem eintritt eines künftigen ereignisses und der unwirksamkeit des zuwendungsbescheides im sinne des § 36 abs. 2 nr. 2 vwvfg nrw ausschließt. 602. als ermächtigungsgrundlage für das erstattungsverlangen der bezirksregierung düsseldorf kommt § 49a abs. 1 vwvfg nrw in entsprechender anwendung in betracht. die vorschrift ist analog anzuwenden, wenn ein verwaltungsakt, der eine billigkeitsleistung zunächst nur vorläufig bewilligt hat, rückwirkend durch einen anderen verwaltungsakt ersetzt wird, der die leistung endgültig in geringerer höhe festsetzt. der empfänger muss eine hiernach zu viel erhaltene leistung erstatten, 61vgl. bverwg, urteil vom 19. november 2009 – 3 c 7/09 –, juris; ovg nrw, beschluss vom 14. dezember 2020 – 4 a 1992/16 –, juris; ovg nrw, urteil vom 17. juni 2020 – 4 a 436/17 –, juris; vgh kassel, urteil vom 13. mai 2014 – 9 a 2289/12 –, beckrs 2014, 53405; ramsauer, in: kopp/ramsauer, vwvfg, 22. aufl. 2021, § 49 rn. 4. 62die voraussetzungen des § 49a abs. 1 vwvfg nrw analog liegen indes nicht vor. 63selbst unterstellt, die bezirksregierung düsseldorf hätte die zu erstattende forderung endgültig in form eines schlussbescheides festsetzen können, da sie mit bescheid vom 1. april 2020 die zuwendung lediglich vorläufig bewilligt hätte, hätte sie bei erlass des schlussbescheides dennoch rechtsfehlerhaft angenommen, dass die soforthilfe nur noch 2.098,00 euro beträgt. denn die festsetzungen in ziffern 1. und 2. des schlussbescheides sind rechtswidrig. daraus folgt auch die rechtswidrigkeit der erstattungsforderung in ziffer 3. 64a. zu gunsten der bezirksregierung düsseldorf kann unterstellt werden, dass das subventionsverhältnis in der weise geregelt war, dass zunächst vorläufig durch bescheid vom 1. april 2020 eine soforthilfe in höhe von 9.000,00 euro bewilligt und ausgezahlt wurde, deren endgültige genaue höhe von der ungewissen entwicklung des unternehmens des antragstellers während des dreimonatigen bewilligungszeitraums abhing. der bewilligungsbescheid wäre in diesem fall darauf angelegt gewesen, die höhe der zuwendung nicht definitiv zu regeln, sondern diese zunächst vorläufig zu gewähren und abschließend erst später festzusetzen. dies wäre durch erlass des sog. schlussbescheides geschehen. damit hätte sich die bezirksregierung düsseldorf der handlungsform des sog. vorläufigen verwaltungsaktes bedient, die für den sachbereich des subventionsrechts durch die höchst- und obergerichtliche rechtsprechung anerkannt ist, 65vgl. bverwg, urteil vom 19. november 2009 – 3 c 7/09 –, juris m.w.n; bverwg, urteil vom 14. april 1983 – 3 c 8/82 –, juris; ovg nrw, urteil vom 17. juni 2020 – 4 a 436/17 –, juris; ovg nrw, urteil vom 28. september 1990 – 15 a 708/88 –, juris. 66eine billigkeitsleistung kann unter dem vorbehalt einer späteren definitiven entscheidung bewilligt werden, wenn und soweit eine bestehende ungewissheit hierfür einen sachlichen grund gibt. der vorbehalt einer späteren endgültigen entscheidung bewirkt, dass die behörde die einstweilige regelung im ausgangsbescheid durch die endgültige regelung im schlussbescheid ersetzen kann, ohne insoweit an die einschränkungen der §§ 48, 49 vwvfg nrw gebunden zu sein, 67vgl. bverwg, urteil vom 19. november 2009 – 3 c 7/09 –, juris m.w.n; bverwg, urteil vom 14. april 1983 – 3 c 8/82 –, juris. 68die vorläufige regelung verliert mit dem erlass der endgültigen festsetzung ihre wirksamkeit (vgl. § 43 abs. 2 vwvfg nrw), 69vgl. bverwg, urteil vom 19. november 2009 – 3 c 7/09 –, juris; ovg nrw, urteil vom 28. september 1990 – 15 a 708/88 –, juris. 70das bestehen einer ungewissheit rechtfertigt die existenz des vorläufigen verwaltungsaktes sowie den damit einhergehenden widerspruch zwischen der dem verwaltungsakt immanenten bestandskraft und dem mit der vorläufigkeit verbundenen flexiblen element. in einer solchen konstellation stellt der vorläufige verwaltungsakt einen angemessenen ausgleich zwischen den rechtsstaatlichen anforderungen an das verwaltungsverfahren und dem gebot der effektivität des verwaltungshandelns dar, indem trotz verbleibender unsicherheiten bereits zu einem frühen zeitpunkt zugunsten des bürgers entschieden werden kann, 71vgl. schwarz, in: fehling/kastner/störmer, verwaltungsrecht, 5. aufl. 2021, § 35 rn. 27 ff. m.w.n. 72die vorläufigkeit muss sich dabei nicht auf den gesamten bescheid beziehen, sondern kann und muss gegebenenfalls auf einzelne aspekte beschränkt werden. auch wenn die behörde einen unter vorbehalt gestellten verwaltungsakt später durch einen abschließenden bescheid ersetzt, so kommt doch eine inhaltlich abweichende regelung im schlussbescheid – außer in den fällen der §§ 48, 49 vwvfg nrw – nur in betracht, wenn sie aus den gründen ergeht, wegen derer die frühere regelung unter vorbehalt gestellt wurde. welche elemente eines zuwendungsbescheides vorläufig sind und welche inhalte bereits eine gesicherte rechtsposition vermitteln, ist durch – am empfängerhorizont orientierte – auslegung zu ermitteln. jenen – nicht mit vorbehalt versehenen – teil des zuwendungsbescheides kann die behörde nur unter beachtung der §§ 48, 49 vwvfg nrw aufheben, 73vgl. bverwg, urteil vom 19. november 2009 – 3 c 7/09 –, juris; ovg nrw, beschluss vom 14. dezember 2020 – 4 a 1992/16 –, juris; ovg nrw, urteil vom 17. juni 2020 – 4 a 436/17 –, juris; ovg nrw, beschluss vom 23. juni 2017 – 4 a 2078/15 –, juris; schwarz, in: fehling/kastner/störmer, verwaltungsrecht, 5. aufl. 2021, § 35 rn. 35 m.w.n. 74neben einer die vorläufigkeit der regelung rechtfertigenden unsicherheit ist voraussetzung für einen vorbehalt, dass die vorläufigkeit und ihr umfang im verwaltungsakt selbst zum ausdruck kommen, 75vgl. stelkens, in: stelkens/bonk/sachs, vwvfg, 9. aufl. 2018, § 35 rn. 248; ovg nrw, urteil vom 17. juni 2020 – 4 a 436/17 –, juris; ovg nrw, urteil vom 28. september 1990 – 15 a 708/88 –, juris. 76das vorliegen dieser voraussetzungen kann hinsichtlich der festsetzung der genauen höhe der soforthilfe zu gunsten der bezirksregierung düsseldorf unterstellt werden. diesbezüglich kann angenommen werden, es habe bei erlass des bewilligungsbescheides eine ungewissheit, die den erlass einer lediglich vorläufigen regelung rechtfertigte, bestanden. demgegenüber wurden zu anderen fragen ersichtlich bereits abschließende regelungen getroffen. 77der bewilligungsbescheid vom 1. april 2020 kann bei verständiger würdigung so ausgelegt werden, dass er der klägerin hinsichtlich der zuwendung dem grunde nach eine gesicherte rechtsposition vermitteln wollte. dies folgt aus den formulierungen in ziffern 2. und 3. des bescheides ebenso wie aus den umständen des antragsverfahrens. grundsätzlich berechtigt, eine zuwendung zu erhalten, waren jene antragsteller, deren wirtschaftliche tätigkeit durch die corona-pandemie bereits wesentlich beeinträchtigt war. unter ziffer 6.1 des antragsformulars mussten die antragsteller versichern, dass ihre „wirtschaftliche tätigkeit durch die corona-krise wesentlich beeinträchtigt“ war, da entweder 78- „mehr als die hälfte der aufträge aus der zeit vor dem 1. märz durch die corona-krise weggefallen ist oder 79- die umsätze gegenüber dem vorjahresmonat mehr als halbiert sind (gründungen: vormonat) oder 80- die umsatzerzielungsmöglichkeiten durch eine behördliche auflage im zusammenhang mit der covid-19-pandemie massiv eingeschränkt wurden oder 81- die vorhandenen mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen zahlungsverpflichtungen des unternehmens zu erfüllen (z.b. mieten, kredite für betriebsräume, leasingraten).“ 82die grundsätzliche antragsberechtigung setzte damit – für jeden antragsteller erkennbar –diesen zum zeitpunkt der bewilligung bereits sicher feststellbaren umstand voraus. hieran knüpfen die regelungen in ziffern 2. und 3. des bewilligungsbescheides an, mit denen die bezirksregierung düsseldorf darauf abgestellt hat, dass die soforthilfe der milderung bzw. kompensation der „unmittelbar durch die corona-pandemie ausgelösten wirtschaftlichen engpässe“ (ziffer 3.), „der finanziellen notlagen“ bzw. „der überbrückung von liquiditätsengpässen, die seit dem 1. märz 2020 im zusammenhang mit der covid-19-pandemie entstanden sind“ (ziffer 2.), dient. da diese voraussetzungen im falle der klägerin im grundsatz erfüllt waren, erhielt sie durch den bescheid vom 1. april 2020 die soforthilfe dem grunde nach vorbehaltlos. 83weitere gesichtspunkte unterlagen ebenfalls keinem vorbehalt, wie etwa die anzahl der im unternehmen beschäftigten (nebenbestimmung ii.1.) oder gewisse in den nebenbestimmungen ii.4. bis 8. geregelte modalitäten. 84demgegenüber kann der bescheid hinsichtlich der höhe der soforthilfe und damit des behaltendürfens des gesamtbetrages so verstanden werden, dass er unter dem vorbehalt einer späteren endgültigen entscheidung stand. dieser vorbehalt betrifft die regelung unter ziffer 1., mit der die bewilligung eines betrages von 9.000,00 euro ausgesprochen wurde. dass sich weder in ziffer 1. noch an anderer stelle des bescheides die worte „vorbehalt“, „vorläufig“ oder dergleichen finden, steht der annahme einer vorläufigen regelung nicht zwingend entgegen. denn die formulierung der in ziffer 1. getroffenen regelung, die umstände des antragsverfahrens sowie der zusammenhang mit dem inhalt der nebenbestimmung ii.3. ermöglichen auch ohne explizite wortwahl eine deutung, wonach der zuwendungsbetrag unter dem vorbehalt einer späteren entscheidung gewährt wurde. die nebenbestimmung ii.3. enthielt folgende regelung: „sollten sie am ende des dreimonatigen bewilligungszeitraums feststellen, dass diese finanzhilfe höher ist als ihr umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter kosten (z.b. mietminderung) und sie die mittel nicht (vollständig) zur sicherung ihrer wirtschaftlichen existenz bzw. ausgleich ihres liquiditätsengpasses benötigen, sind die zu viel gezahlten mittel […] zurückzuzahlen.“ damit wurde die endgültige höhe der unter ziffer 1. bewilligten soforthilfe von einer zum zeitpunkt des bescheiderlasses unbekannten größe, die erst am ende des dreimonatigen bewilligungszeitraums feststand, abhängig gemacht. die vorläufigkeit der regelung bezüglich der höhe der soforthilfe kam auch in ziffer 1. ansatzweise zum ausdruck. dort hieß es, dass eine soforthilfe in höhe von 9.000,00 euro als „einmalige pauschale“ gewährt werde. im gesamtkontext konnte diese formulierung zumindest auch so verstanden werden, dass zunächst ein betrag in toto gezahlt wurde, dessen endgültige, genaue höhe zu einem späteren zeitpunkt bestimmt werden musste. denn in ziffer 1. wurde klargestellt, dass die bewilligung aufgrund des programms zur gewährung von soforthilfen aus dem bundesprogramm „soforthilfen für kleinstunternehmen und selbstständige“ und dem ergänzenden landesprogramm „nrw-soforthilfe 2020“ erfolge. in den vom damaligen bundesministerium für wirtschaft und energie hierzu online veröffentlichten kurzfakten vom 30. märz 2020 ging aus der antwort zu der frage, „wie wird hinterher geprüft, ob nicht eine „überkompensation“ vorlag?“, hervor, dass es bei der antragstellung auf einen „voraussichtlichen liquiditätsengpass“ ankam, welcher später mit den tatsächlichen zahlen des unternehmens abzugleichen sei. zudem enthielt auch die nebenbestimmung in ziffer ii.3. des bewilligungsbescheides den hinweis auf das am ende des bewilligungszeitraums durchzuführende rückmeldeverfahren, welches eine rückzahlungspflicht zur folge haben könne. 85dass die bezirksregierung düsseldorf selbst von einer vorläufigen bewilligung der finanzhilfe ausging, hat schließlich in der begründung des rückforderungsverlangens in ziffer ii.3. der gründe des schlussbescheides ihren ausdruck gefunden. dort hat sich die behörde auf eine entsprechende anwendung von § 49a abs. 1 vwvfg nrw unter heranziehung der rechtsprechung des bundesverwaltungsgerichts zur vorläufigen bewilligung einer leistung berufen sowie darauf hingewiesen, dass die leistung wegen des zunächst noch unbekannten liquiditätsengpasses zunächst nur vorläufig bewilligt worden sei und der schlussbescheid den vorläufigen bescheid „hinsichtlich der höhe des soforthilfe-betrages“ ersetze. 86kann somit einerseits bezüglich der höhe der zuwendung unterstellt werden, diese sei unter vorbehalt gestellt worden, so hat die bezirksregierung düsseldorf aber andererseits mit der ausgestaltung der nebenbestimmung ii.3. des bewilligungsbescheides zu erkennen gegeben, welche parameter sie einer späteren berechnung des förderbetrages zugrunde legen wollte. diese vorgaben „finanzhilfe höher […] als ihr umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter kosten“, „mittel nicht vollständig zur sicherung ihrer wirtschaftlichen existenz bzw. ausgleich ihres liquiditätsengpasses benötigen“ schränken, ebenso wie die in ziffer 2. bezeichnete zweckbindung, ihrerseits die vorläufigkeit des bescheides wieder ein, indem die endgültige regelung sich an diesen zu orientieren hat. unabhängig davon, wie diese zu verstehen sind, hat die behörde mit ihnen bereits berechnungsgrößen für die endgültige höhe der soforthilfe bzw. für das bestehen einer rückzahlungsverpflichtung aufgestellt. an diesen selbst geschaffenen vorgaben muss sie – und damit das beklagte land – sich festhalten lassen; etwaige fehler gehen zu ihren lasten, weil die behörde es zu jenem zeitpunkt in der hand gehabt hat, eine andere regelung zu treffen, wie dies offenbar in anderen bundesländern geschehen ist. nach welchen parametern man die endgültige berechnung des förderbetrages später durchführen wollte, hing auch nicht von einem zum zeitpunkt des erlasses des bewilligungsbescheides noch unbekannten und daher eine vorläufige regelung rechtfertigendem umstand ab, sondern war allein gegenstand einer politischen entscheidung, die zu diesem zeitpunkt schon getroffen werden konnte und mit der formulierung des bewilligungsbescheides auch bereits getroffen wurde. 87b. die entscheidung der bezirksregierung düsseldorf, im schlussbescheid einen liquiditätsengpass in höhe von 2.098,00 euro festzustellen (ziffer 1.), die soforthilfe in dieser höhe festzusetzen (ziffer 2.) und ihre bewertung, dass „die voraussetzungen für die […] höhe […] der billigkeitsleitung nicht mehr vorliegen oder eine überkompensation eingetreten“ und diese überkompensation von 6.902,00 euro zurückzuzahlen ist (so ausdrücklich die gründe des angegriffenen schlussbescheides, s. 3 ziffer ii.3.), erweist sich selbst bei der vorgenannten annahme der teilweisen vorläufigkeit des bewilligungsbescheides als rechtsfehlerhaft. denn sie beruht auf einem verständnis von den begriffen des liquiditätsengpasses bzw. der überkompensation, die im insoweit maßgeblichen und endgültige vorgaben treffenden bewilligungsbescheid keine grundlage finden. aus diesem grunde konnte der schlussbescheid den bewilligungsbescheid insoweit nicht rechtmäßigerweise ersetzen. 88aa. die bereits endgültigen vorgaben im bewilligungsbescheid zu den parametern der späteren berechnung des förderbetrages sind für die rechtmäßigkeit des schlussbescheides maßgeblich. 89die zuwendung wurde der klägerin nicht auf grund eines gesetzes oder anderer rechtsnormen gewährt, aus denen sich eine unmittelbare bindung für den beklagten und unmittelbare rechtsansprüche für die klägerin ergäben. vielmehr wurde der bewilligungsbescheid nach maßgabe des programms zur gewährung von soforthilfen aus dem bundesprogramm „soforthilfen für kleinstunternehmen und selbstständige" und dem ergänzenden landesprogramm „nrw-soforthilfe 2020“ erlassen (vgl. insoweit auch den kopf sowohl des bewilligungs- als auch des schlussbescheides). bei diesen – wie auch bei der später erlassenen richtlinie vom 31. mai 2020 – handelt es sich um verwaltungsvorschriften, die grundsätzlich nur dazu bestimmt sind, für die verteilung von billigkeitsleistungen maßstäbe zu setzen und das ermessen der für die verteilung der jeweiligen leistungen bestimmten stellen zu lenken. nach gefestigter verwaltungsgerichtlicher rechtsprechung begründen verwaltungsvorschriften nicht wie gesetzes- und rechtsvorschriften bereits durch ihr vorhandensein subjektive rechte. sie unterliegen daher auch keiner eigenständigen richterlichen auslegung wie rechtsnormen, 90vgl. bverwg, urteil vom 8. april 1997 – 3 c 6/95 –, juris; bverwg, urteil vom 2. februar 1995 – 2 c 19/94 –, juris; ovg nrw, beschluss vom 12. august 2016 – 15 a 1822/15 –, juris; ovg lüneburg, urteil vom 23. januar 2014 – 8 la 144/13 –, juris. 91allerdings vermögen verwaltungsvorschriften über die ihnen zunächst nur innewohnende interne bindung hinaus in verbindung mit dem grundgesetzlichen gleichheitsgebot (art. 3 abs. 1 grundgesetz – gg) sowie dem im rechtsstaatsprinzip verankerten gebot des vertrauensschutzes (art. 20 abs. 1 gg) eine anspruchsbegründende außenwirkung im verhältnis zum bürger zu eröffnen. jeder anspruchsteller hat dann einen anspruch darauf, entsprechend den aufgestellten richtlinien behandelt zu werden. entscheidend ist, wie die zuständigen behörden die verwaltungsvorschrift im maßgeblichen zeitpunkt ihrer entscheidung in ständiger praxis gehandhabt haben und in welchem umfang sie infolgedessen durch den gleichheitssatz (artikel 3 abs. 1 gg) gebunden sind, 92vgl. bverwg, urteil vom 8. april 1997 – 3 c 6/95 –, juris; bverwg, urteil vom 23. april 2003 – 3 c 25/02 –, juris; ovg nrw, beschluss vom 12. august 2016 – 15 a 1822/15 –, juris. 93der tatsächlichen verwaltungspraxis im entscheidungszeitpunkt kommt damit entscheidende bedeutung zu. wenn sich die behörde an ihre verwaltungsvorschriften hält, ist sie daher durch das gleichbehandlungsgebot verpflichtet, dies auch weiterhin zu tun, sofern nicht sachliche gründe im einzelfall eine abweichung rechtfertigen oder gar gebieten. weicht sie hingegen generell von den verwaltungsvorschriften ab, so verlieren diese insoweit ihre ermessensbindende wirkung; ob das verwaltungshandeln mit dem gleichbehandlungsgebot vereinbar ist, beurteilt sich dann nur nach der tatsächlichen verwaltungspraxis im entscheidungszeitpunkt, 94vgl. bverwg, urteil vom 25. april 2012 – 8 c 18/11 –, juris; vgl. zur übertragbarkeit dieser rechtsprechung aus dem zuwendungsrecht auf billigkeitsleistungen: vg würzburg, urteil vom 3. august 2020 – w 8 k 20.743 –, juris; vg münchen, beschluss vom 25. juni 2020 – m 31 k 20.2261 –, juris. 95nach ihrer entscheidung, mithin nach erlass des zuwendungsbescheides, kann die bewilligungsbehörde die darin verwandten begrifflichkeiten nicht mehr frei auslegen. der bescheid hat insoweit fakten geschaffen, über die sie sich nicht mehr nach ermessen hinwegsetzen kann. der zuwendungsempfänger muss sich auf die im antragsverfahren gleichmäßig ausgeübte verwaltungspraxis und den inhalt des bewilligungsbescheides einstellen können, 96vgl. ovg nrw, beschluss vom 8. märz 2018 – 4 a 182/16 –, juris; ovg nrw, beschluss vom 11. juni 2016 – 4 a 1983/13 –, juris; vorgehend erkennende kammer, urteil vom 17. juli 2013 – 20 k 7520/12 – juris. 97die im bewilligungsbescheid vom 1. april 2020 zum ausdruck gekommene verwaltungspraxis ist demnach maßgeblich für die beurteilung der rechtmäßigkeit des ihn (teilweise) ersetzenden schlussbescheides vom 11. dezember 2020. das bedeutet zugleich, dass nach seinem erlass in kraft getretene regelwerke oder spätere informationen, die von jenen bis zum erlasszeitpunkt abweichen, nicht zu berücksichtigen sind. dem steht nicht entgegen, dass der bescheid die oben beschriebenen vorläufigen elemente enthält. die vorläufigkeit bezieht sich, wie dargelegt, auf die höhe der zuwendung, die im jeweiligen einzelfall erst zu einem späteren zeitpunkt endgültig berechnet werden sollte. welche maßgaben für diese berechnung gelten sollten, war jedoch bestandteil der verwaltungspraxis im antragsverfahren und bei erlass der bewilligungsbescheide und fand eingang in die in sämtlichen bescheiden verwendeten formulierungen in ziffern 2. und 3. sowie ii.3. deren verständnis – ausgerichtet am objektiven empfängerhorizont – ist mithin ausschlaggebend für die rechtmäßigkeit des angefochtenen schlussbescheides. nur hinsichtlich der aufgrund dieser berechnungsmodalitäten zu ermittelnden höhe – nicht bezüglich der parameter selbst – stand der ausgangsbescheid unter dem vorbehalt der ersetzung durch den schlussbescheid. den nicht unter vorbehalt gestellten teil des bewilligungsbescheides kann die behörde nur unter den voraussetzungen der §§ 48 ff. vwvfg nrw aufheben, weil er mit seiner bekanntgabe bindungswirkung entfaltet hat. 98das vom beklagten herangezogene urteil des bundesverwaltungsgerichts vom 8. april 1997, 99– 3 c 6/95 –, juris, 100rechtfertigt keine abweichende sichtweise. der dort entschiedene fall unterscheidet sich von dem hier streitgegenständlichen insbesondere dadurch, dass der zuwendungsbescheid erst nach inkrafttreten der geänderten richtlinie erlassen wurde. die frage, ob der dortige kläger, der jahrelang zuschüsse nach maßgabe der vorherigen richtlinie erhalten hatte, sich auf den grundsatz des vertrauensschutzes berufen konnte, stellt sich hier nicht. denn der bewilligungsbescheid vom 1. april 2020 wurde auf der grundlage einer bestimmten verwaltungspraxis erlassen, die die bezirksregierung düsseldorf gegenüber allen leistungsempfängern gleichermaßen ausgeübt hatte. von dieser verwaltungspraxis hätte eine richtlinie nur bis zum maßgeblichen zeitpunkt des vertrauensbildenden bewilligungsbescheides abweichen können und damit ihrerseits eine (neue oder veränderte) verwaltungshandhabung begründen können. 101bb. legt man die danach maßgeblichen endgültigen vorgaben im bewilligungsbescheid zu den parametern der späteren berechnung des förderbetrages nach dem objektiven empfängerhorizont aus, sind die festsetzungen zum liquiditätsengpass und zur höhe der soforthilfe in den ziffern 1. und 2. des schlussbescheides sowie die begründung hierzu gemessen an diesen vorgaben materiell rechtswidrig. die bezirksregierung düsseldorf hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass ein liquiditätsengpass von 2.098,00 euro vorliegt und die soforthilfe nur noch 2.098,00 euro beträgt. 102(1) im hinblick auf die materielle rechtswidrigkeit dieser regelungen kann die formelle rechtmäßigkeit des bescheides, insbesondere die erforderlichkeit einer anhörung gem. § 28 abs. 1 vwvfg nrw, dahinstehen. 103(2) zum maßgeblichen zeitpunkt des erlasses des bewilligungsbescheides richtete die bezirksregierung düsseldorf – wie dargelegt – ihre verwaltungspraxis an dem programm zur gewährung von soforthilfen aus dem bundesprogramm „soforthilfen für kleinstunternehmen und selbstständige" und dem ergänzenden landesprogramm „nrw-soforthilfe 2020“ aus. die richtlinien des landes nrw „zur gewährung von soforthilfen für gewerbliche kleinunternehmen, selbstständige und angehörige freier berufe, die infolge der sars-cov-2-pandemie in ihrer existenz gefährdet sind (nrw-soforthilfe 2020)“ vom 31. mai 2020 waren noch nicht in der welt. gleiches gilt für die vom beklagten unter dem 3. juli 2020, 5. oktober 2020, 2. dezember 2020 sowie 14. juni 2021 versandten emails an sämtliche antragsteller. im verwaltungsverfahren vor erlass des zuwendungsbescheides stellte das beklagte land (und ebenso der bund) den antragstellern – auch der klägerin – eine vielzahl von online abrufbaren hinweisen, insbesondere die sog. faq, bereit. diese spiegeln die verwaltungspraxis des beklagten bzw. der bezirksregierung düsseldorf als bewilligungsbehörde des landes wider. diese verwaltungspraxis lässt sich wie folgt zusammenfassen: versicherte ein anspruchsteller, dass seine wirtschaftliche tätigkeit durch die corona-krise wesentlich beeinträchtigt war, erhielt er eine (vorläufige) pauschale in einer höhe, die von der anzahl der bei ihm beschäftigten abhing; hatte er – wie die klägerin – bis einschließlich fünf beschäftigte, erhielt er 9.000,00 euro. wie das land die „wesentliche beeinträchtigung der wirtschaftlichen tätigkeit“ definierte, ließ sich an den oben wiedergegebenen voraussetzungen im antragsformular (dortige ziffer 6.1) ablesen. antragsteller, die – wie die klägerin – erklärten, diese voraussetzungen zu erfüllen, erhielten (bei vorliegen der weiteren erfordernisse) einen zuwendungsbescheid. in diesem wurde ebenfalls auf das bestehen einer finanziellen notlage, die überbrückung von liquiditätsengpässen bzw. die kompensation der wirtschaftlichen engpässe abgestellt, ohne diese genau zu umschreiben. namentlich in ziffer 2. wurde die zweckbindung der soforthilfe so beschrieben, dass sie „zur milderung der finanziellen notlage“ „als einmalzahlung für einen bewilligungszeitraum von drei monaten ab antragstellung“ erfolge und „insbesondere zur überbrückung von liquiditätsengpässen“ diene. der nebenbestimmung ii.3. konnten die anspruchsteller einen anhaltspunkt dafür entnehmen, nach welchen maßgaben die mit dieser zweckbindung erhaltene soforthilfe zurückzuzahlen sei. diese stellte zwei kumulative („und“) voraussetzungen für eine rückzahlungspflicht am ende des dreimonatigen bewilligungszeitraums auf: 104- die finanzhilfe war höher als der umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter kosten. 105- die mittel wurden nicht (vollständig) zur sicherung der wirtschaftlichen existenz bzw. ausgleich des liquiditätsengpasses benötigt. 106im einzelnen: 107die bezirksregierung düsseldorf hat ihre vergabepraxis auch auf das bundesprogramm „corona-soforthilfen für kleinstunternehmen und selbständige“ gestützt. potentiellen anspruchsberechtigten standen hierzu sog. kurzfakten zur verfügung, in denen es u.a. heißt (stand 30. märz 2020): s. 1 ziffer 2: „die soforthilfe dient der sicherung der wirtschaftlichen existenz der unternehmen und zur überbrückung von akuten liquiditätsengpässen.“ ziffer 7: „eine kumulierung mit anderen hilfen […] ist grundsätzlich möglich. eine überkompensation ist aber zurückzuzahlen.“ s. 2: „wie wird hinterher geprüft, ob nicht eine überkompensation vorliegt? […] der antragsteller legt bei der angabe, in welcher höhe er die billigkeitsleitung beantragt, seinen voraussichtlichen liquiditätsengpass zugrunde. dieser wird auf der basis seines voraussichtlichen umsatzes sowie des betrieblichen sach- und finanzaufwands für die drei auf die antragstellung folgenden monate ermittelt. sofern die soforthilfe wie beantragt bewilligt wird und später festgestellt wird, dass der sach- und finanzaufwand des unternehmens oder die tatsächliche umsatzeinbuße doch geringer war, ist das unternehmen zu einer rückzahlung des überzahlten betrags verpflichtet. auch durch die kombination von mehreren hilfsprogrammen kann es zu einer überkompensation kommen.“ 108an mehreren stellen werden die formulierungen „wirtschaftliche existenz“ sowie „liquiditätsengpass“ gebraucht (auch auf s. 1 ziffer 3 und s. 2), ohne dass diese definiert würden. bei der beantwortung der frage, wie geprüft werde, ob eine „überkompensation“ vorliege, wird explizit eine umsatzeinbuße zur voraussetzung für eine rückerstattungsspflicht gemacht. 109das beklagte land hat dieses bundesprogramm erweitert und das landesprogramm „nrw-soforthilfe 2020“ ins leben gerufen. hierzu stellte es antragstellern auf der internetpräsenz des damaligen ministeriums für wirtschaft, innovation, digitalisierung und energie nrw hinweise und faq zur verfügung. 110in den faq 1 vom 25. märz 2020 hieß es für die anspruchsvoraussetzungen zu der frage, „was wird gefördert?“: „die unternehmen sollen bei der sicherung ihrer wirtschaftlichen existenz und überbrückung von akuten finanzierungsengpässen, u.a. für laufende betriebskosten wie mieten, kredite für betriebsräume, leasingraten u.ä. sowie den erhalt von arbeitsplätzen durch einen zuschuss unterstützt werden. […] voraussetzung: erhebliche finanzierungsengpässe und wirtschaftliche schwierigkeiten in folge von corona. dies wird angenommen wenn, 111- sich für den monat, in dem der antrag gestellt wird, umsatz- bzw. honorarrückgang von mindestens 50 prozent verglichen mit dem durchschnittlichen monatlichen umsatz (bezogen auf den aktuellen und die zwei vorangegangenen monate) im vorjahr ergibt [….] oder 112- der betrieb auf behördliche anordnung wegen der corona-krise geschlossen wurde oder 113- die vorhandenen mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen verbindlichkeiten des unternehmens (bspw. mieten, kredite für betriebskosten, leasingraten) zu zahlen (=finanzierungsengpass).“ 114in den faq 2 vom 26. märz 2020 wurden die voraussetzungen um eine vierte möglichkeit zum auftragseinbruch ergänzt und wie folgt umformuliert: 115- „mehr als die hälfte der aufträge aus der zeit vor dem 1. märz durch die corona-krise weggefallen sind […] oder 116- sich für den monat, in dem der antrag gestellt wird, umsatz- bzw. honorarrückgang von mindestens 50 prozent verglichen mit dem durchschnittlichen monatlichen umsatz (bezogen auf den aktuellen und die zwei vorangegangenen monate) im vorjahr ergibt. [….] oder 117- der umsatz durch eine behördliche auflage im zusammenhang mit der covid-19-pandemie massiv eingeschränkt wurde oder 118- die vorhandenen mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen verbindlichkeiten des unternehmens (bspw. mieten, kredite für betriebskosten, leasingraten) zu zahlen (= finanzierungsengpass).“ 119in den faq 3 (datum nach anlage b2 unbekannt; datum der speicherung: 25. märz 2020) wurden die voraussetzungen dann im wesentlichen unverändert final umformuliert: 120- „mehr als die hälfte der aufträge aus der zeit vor dem 1. märz durch die corona-krise weggefallen ist […] oder 121- die umsätze gegenüber dem vorjahresmonat mehr als halbiert sind (für einen noch im märz oder april gestellten antrag werden die umsätze im märz 2020 gegenüber dem monat märz 2019 zugrunde gelegt). kann der vorjahresmonat nicht herangezogen werden (z.b. bei gründungen), gilt der vormonat. oder 122- die möglichkeiten den umsatz zu erzielen durch eine behördliche auflage im zusammenhang mit der covid-19-pandemie massiv eingeschränkt wurde oder 123- die vorhandenen mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen verbindlichkeiten des unternehmens (bspw. mieten, kredite für betriebskosten, leasingraten) zu zahlen (=finanzierungsengpass).“ 124diese spiegelstrich-voraussetzungen mündeten fast wortgleich in das antragsformular, das die antragsteller – so auch die klägerin – online einreichen mussten. von einem liquiditätsengpass ist an keiner stelle die rede, geschweige denn, dass er definiert würde. vielmehr wird durchgängig der begriff „finanzierungsengpass“ verwendet. dieser war – gemessen an den zum antragszeitpunkt feststehenden zahlen eines antragstellers – bedingung für das entstehen eines anspruchs. zwar entspricht der vierte spiegelstrich der anspruchsvoraussetzungen „die vorhandenen mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen verbindlichkeiten des unternehmens (bspw. mieten, kredite für betriebskosten, leasingraten) zu zahlen“ im wesentlichen der späteren definition des liquiditätsengpasses in ziffer 5.3 abs. 2 der richtlinie. in den faq war dieser spiegelstrich jedoch lediglich als eine von vier alternativen möglichkeiten („oder“) vorgesehen, um die anspruchsberechtigung zu begründen. 125zu den fragen „wird geprüft, ob dem antragsteller die hilfe auch wirklich zugestanden hat und wenn nein, muss die hilfe ggfls. zurückgezahlt werden?“ und „wird immer der maximalbetrag ausgezahlt?“ und „wie ist eine überkompensation definiert?“ wurden folgende antworten gegeben: 126- „wird geprüft, ob dem antragsteller die hilfe auch wirklich zugestanden hat und wenn nein, muss die hilfe ggfls. zurückgezahlt werden? 127der antragsteller versichert im formular, dass er alle angaben nach bestem wissen und gewissen und wahrheitsgetreu gemacht hat. falsche angaben, die zu einer unberechtigten inanspruchnahme der leistung führen, sind subventionsbetrug. die leistung muss dann nicht nur zurückgeführt werden, es kann dann zu einer strafrechtlichen verfolgung kommen. […] der zuschuss wird als sogenannte billigkeitsleistung ausgezahlt. auch im falle einer überkompensation (z.b. durch versicherungsleistung oder andere fördermaßnahmen) muss die erhaltene soforthilfe zurückgezahlt werden. stellt sich am ende der bezugszeit von drei monaten heraus, dass der antragsteller mehr erhalten hat, als sein schaden war, ist er gehalten, das überschüssige geld zurückzuzahlen. hierauf wird noch einmal separat im bescheid hingewiesen.“ 128- „wird immer der maximalbetrag ausgezahlt? 129ja. die zuschüsse sind nach mitarbeiterzahl gestaffelt. innerhalb der entsprechenden staffelung erhalten sie den vollen betrag. bis zu 5 mitarbeiter 9.000 euro, bei bis zu 10 mitarbeitern 15.000 euro und bei bis zu 50 mitarbeitern 25.000 euro. bei überkompensation sind die beträge zurückzuzahlen (s.o.). entsprechende hinweise und die kontonummer für die rückzahlung zuviel erhaltener soforthilfen enthält der bewilligungsbescheid.“ 130- „wie ist eine überkompensation definiert?“ 131in der fassung 2 (vom 26. märz 2020): „eine überkompensation entsteht dann, wenn der antragsteller mehr zuwendungen erhält, als erforderlich wären, um den finanzierungsengpass zu beseitigen.“ 132ab der fassung 3 (datum nach anlage b2 unbekannt; datum der speicherung: 25. märz 2020): „eine überkompensation entsteht dann, wenn der antragsteller mehr zuwendungen erhält, als sein tatsächlich eingetretener schaden – also insbesondere der durch die corona-krise eingetretene umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter kosten (z.b. mietminderung) ist. eine überkompensation ist nach der dreimonatigen förderphase zurückzuerstatten.“ 133in abgrenzung zu den anspruchsbegründenden voraussetzungen, die einen finanzierungsengpass erforderten, wurde für die rückzahlungspflicht am ende des bewilligungszeitraums auf eine „überkompensation“ – gemessen an den dann erst feststehenden zahlen aus dem bewilligungszeitraum – abgestellt. als beispiele für eine solche nannten die faq „z.b. durch versicherungsleistung oder andere fördermaßnahmen“. nach der ab fassung 3 der faq (datum nach anlage b2 unbekannt; datum der speicherung: 25. märz 2020; faq 4 datiert vom 28. märz 2020) unverändert geltenden definition in den faq tritt eine überkompensation ein, wenn der antragsteller mehr zuwendungen erhalten hat, als sein tatsächlich eingetretener schaden, also insbesondere der durch die corona-krise eingetretene umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter kosten (z.b. mietminderung), ist. auch hier wird maßgeblich auf einen umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter kosten abgestellt. der begriff des „liquiditätsengpasses“ fällt in diesem zusammenhang in den faq nicht. 134schließlich enthält der bewilligungsbescheid – wie erwähnt – in ziffer 2. (zweckbindung) die formulierungen „zur milderung der finanziellen notlage“ und „insbesondere zur überbrückung von liquiditätsengpässen“. aus der nebenbestimmung ii.3. ergaben sich zwei kumulative voraussetzungen für eine rückzahlungspflicht am ende des dreimonatigen bewilligungszeitraums, nämlich dass die „finanzhilfe höher ist als ihr umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter kosten (z.b. mietminderung) und sie die mittel nicht (vollständig) zur sicherung ihrer wirtschaftlichen existenz bzw. ausgleich ihres liquiditätsengpasses benötigen“. der ausdruck „überkompensation“ findet sich im bescheid nicht; welche bedeutung dem begriff „liquiditätsengpass“ zukommen soll, wird nicht umschrieben. die nebenbestimmung ii.3. gab den maßgeblichen anhaltspunkt dafür, wie die zuwendungsempfänger später ihre rückmeldung durchführen sollten; aus ihr ergab sich auch der umfang der vorläufigkeit des verwaltungsaktes; hier wurden die berechnungsmodalitäten für die spätere feststellung einer – an dieser stelle nicht so genannten – überkompensation festgelegt. wenn sie auch mehr als missverständlich formuliert ist, so konnten die bescheidadressaten – auch die klägerin – ihr immerhin entnehmen, dass eine rückzahlungspflicht bereits dann ausgeschlossen sein sollte, wenn der umsatzausfall die finanzhilfe überstieg. insoweit korrelierte die bestimmung mit den faq. wie die zweite voraussetzung zu verstehen ist, die die bezeichnungen „wirtschaftliche existenz“ und „liquiditätsengpass“ aufnimmt, wird weder aus sich heraus noch im kontext mit dem übrigen inhalt des bescheides deutlich. vielmehr lag für einen durchschnittlichen antragsteller nach der lektüre der faq und der ersten voraussetzung der nebenbestimmung ii.3. nahe, dass eine verpflichtung zur rückzahlung der zunächst erhaltenen soforthilfe dann in betracht kam, wenn er am ende des dreimonatigen bewilligungszeitraums feststellte, dass seine tatsächliche umsatzeinbuße doch geringer war als zunächst angenommen. mit anderen worten, dass maßstab für eine erstattungspflicht eine „überkompensation“ war, die im wesentlichen von umsatzeinbußen und ersparten aufwendungen abhing. 135festzuhalten ist mithin, dass die verwaltungspraxis des beklagten landes bzw. der bezirksregierung düsseldorf bis zum erlass der jeweiligen bewilligungsbescheide durch eine vielzahl von informationen gekennzeichnet war, die aus sich heraus entweder nicht ohne weiteres verständlich waren oder jedenfalls keinen eindeutigen – schon gar nicht begrifflich erläuterten – hinweis auf die voraussetzungen für eine spätere rückzahlungspflicht gaben. nachvollziehbar für die anspruchsteller war immerhin, dass sich die anspruchsbegründenden voraussetzungen von jenen des späteren rückmeldeverfahrens unterschieden. unter welchen bedingungen es zu einer rückerstattung kommen würde, blieb aber weitgehend unklar. das gilt namentlich für den den schlusspunkt des zuwendungsverfahrens setzenden bewilligungsbescheid. hier (in der nebenbestimmung ii.3.) wie auch in den den antragstellern zuvor zur verfügung gestellten informationen wird eher der eindruck erweckt, es komme darauf an, wie sich der umfang der umsatzeinbußen im dreimonatigen bewilligungszeitraum gestalten werde. werde die soforthilfe höher sein als der umsatzausfall (abzüglich eingesparter kosten), so dürften die zu viel erhaltenen mittel nicht behalten werden. dies wird zum teil auch als „überkompensation“ bezeichnet. soweit der begriff „liquiditätsengpass“ überhaupt gebraucht wird – im antragsformular findet er sich nicht –, wird nicht deutlich, was unter ihm zu verstehen ist. dass ihm ein verständnis im sinne der anforderungen der späteren richtlinie beizulegen wäre, ist weder den faq noch dem bewilligungsbescheid aus der sicht eines durchschnittlichen adressaten zu entnehmen. soweit in der nebenbestimmung ii.3. auf einen liquiditätsengpass abgestellt wird, handelt es sich lediglich um eine zweite voraussetzung für eine rückerstattungspflicht. mit anderen worten: die rückzahlungspflicht wird hiernach nicht ausgelöst, wenn bereits die erste bedingung nicht erfüllt ist, wenn also die finanzhilfe nicht höher ist als der umsatzausfall. liegt die erste voraussetzung vor, ist die zweite zu prüfen. jedoch bleibt auch hier völlig unklar, was unter liquiditätsengpass zu verstehen und wie dieser zu berechnen ist. solche unklarheiten gehen zu lasten der behörde, 136vgl. bverwg, urteil vom 11. februar 1983 – 7 c 70/80 –, juris; vg hamburg, urteil vom 14. märz 2020 – 17 k 4793/21 –, juris; stelkens, in: stelkens/bonk/sachs, vwvfg, 9. auflage 2018, § 35 rn. 80 m.w.n.; von alemann/scheffczyk, in: bader/ronellenfitsch, vwvfg, stand: 1. januar 2022, § 35 rn. 46 m.w.n. 137im kontext mit den gegebenheiten des verwaltungsverfahrens durfte die klägerin davon ausgehen, die soforthilfe nur dann (teilweise) erstatten zu müssen, wenn sie am ende des dreimonatigen bewilligungszeitraumes feststellte, dass die zuwendung höher war als der umsatzausfall (abzüglich eingesparter kosten), wenn also eine überkompensation in diesem sinne vorlag. da ihre umsatzeinbuße unstreitig die höhe der soforthilfe von 9.000,00 euro überstieg, durfte sie annehmen, die mittel behalten zu dürfen. wäre dies nicht der fall gewesen, wäre nach dem oben gesagten allerdings im dunkeln geblieben, wann die voraussetzungen der zweiten alternative der nebenbestimmung ii.3. vorgelegen hätten. denn – wie bereits ausgeführt – wurde im bewilligungsverfahren der begriff des „liquiditätsengpasses“ nicht definiert. lediglich der ähnliche begriff des „finanzierungsengpasses“ wurde im bewilligungsverfahren definiert, allerdings nur im rahmen der vier alternativ erfüllbaren anspruchsvoraussetzungen und gemessen an den bei antragstellung feststehenden wirtschaftlichen zahlen der antragsteller. eine übertragung dieser definition auf eine rückzahlungspflicht am ende des bewilligungszeitraumes gemessen an den dann feststehenden wirtschaftlichen zahlen der antragsteller aus diesem bewilligungszeitraum macht keinen sinn bzw. ist zumindest nicht aus sich heraus verständlich. eine solche missverständliche fassung der nebenbestimmung ii.3. geht – wie ebenfalls bereits ausgeführt – nicht zu lasten der klägerin. 138dass die bezirksregierung düsseldorf dem schlussbescheid vom 6. dezember 2020 nicht die beschriebenen – wenngleich missverständlichen – parameter für die berechnung einer etwaigen rückzahlungspflicht zugrunde gelegt hat, führt dazu, dass der schlussbescheid (insoweit) den bewilligungsbescheid nicht ersetzen kann. werden die regelungen des schlussbescheides mit jenen des bewilligungsbescheides abgeglichen, ist ersichtlich, dass diesen ein anderes verständnis der rückzahlungsbedingungen immanent ist, als es sich aus dem auf der basis der förderpraxis ergangenen bewilligungsbescheid ergibt. im schlussbescheid ist nur noch von einem „liquiditätsengpass“ die rede (insbesondere in der überschrift, im eingangssatz, in ziffer 1. sowie mehrfach in der begründung); die formulierungen „finanzielle notlage“, „wirtschaftliche engpässe“ o.ä. wurden nicht aufgenommen. in den gründen unter ii.3. findet sich der ausdruck der „überkompensation“, die 6.902,00 euro betrage. das verständnis des begriffs des liquiditätsengpasses im schlussbescheid beruht auf der definition der zu diesem zeitpunkt bereits erlassenen richtlinie des landes. erstmals wird dort präzise umschrieben, dass der liquiditätsengpass sich aus der differenz zwischen den tatsächlichen fortlaufenden einnahmen aus dem geschäftsbetrieb und den tatsächlichen laufenden, erwerbsmäßigen sach- und finanzausgaben (ohne personalaufwand) unter berücksichtigung eingesparter kosten im erfassungszeitraum ergibt (ziffer 5.3. abs. 2). dieses verständnis ließ sich den umständen des antragsverfahrens nicht entnehmen, auch nicht dem bewilligungsbescheid selbst. nach den vorstehenden ausführungen ist nicht maßgeblich, wie die den antragstellern zum zeitpunkt des erlasses der bewilligungsbescheide noch nicht bekannten bestimmungen der richtlinie lauteten. diese vorschriften wären im vorliegenden rechtlichen zusammenhang allenfalls dann relevant, wenn ihr wortlaut mit dem verwaltungshandeln und den begrifflichkeiten des erstbescheides übereinstimmte. da er indes von der verwaltungspraxis abweicht, kommt es auf die praxis, nicht auf die ausgestaltung der verwaltungsvorschrift an. dies gilt auch deshalb, weil die bewilligungsbehörde gegenüber den zuwendungsempfängern im ausgangsbescheid nicht zum ausdruck gebracht hat, dass die modalitäten der rückzahlung von einer noch zu erlassenen richtlinie abhängen sollten. 139beruhten die im angegriffenen schlussbescheid getroffenen festsetzungen zum liquiditätsengpass, zur höhe der soforthilfe und zur höhe der rückzahlungspflicht somit auf einer berechnungsmethode, die nicht mit der – zum maßgeblichen erlasszeitpunkt des bewilligungsbescheides bestehenden – verwaltungspraxis korrelierte, führt dies – unabhängig von der tatsächlichen umsatzentwicklung der klägerin im bewilligungszeitraum – zur rechtswidrigkeit des schlussbescheides. 140ii. aus der rechtswidrigkeit der für die klägerin nachteiligen bestimmungen des schlussbescheides folgt die rechtsverletzung der klägerin, § 113 abs. 1 satz 1 vwgo. 141b. die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 1 vwgo, die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit auf § 167 abs. 1 satz 1 und abs. 2 vwgo i.v.m. § 709 satz 1 und 2 zivilprozessordnung. 142c. die berufung ist von amts wegen gem. § 124a abs. 1 satz 1 vwgo zuzulassen. da die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat, liegen die voraussetzungen des § 124 abs. 2 nr. 3 vwgo vor. 143rechtsmittelbelehrung: 144gegen dieses urteil kann innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) schriftlich berufung eingelegt werden. die berufung muss das angefochtene urteil bezeichnen. 145auf die ab dem 1. januar 2022 unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 146die berufung ist innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils zu begründen. die begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der einlegung der berufung erfolgt, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen (aegidiikirchplatz 5, 48143 münster oder postfach 6309, 48033 münster) schriftlich einzureichen. 147die begründungsfrist kann auf einen vor ihrem ablauf gestellten antrag von dem vorsitzenden des senats verlängert werden. die begründung muss einen bestimmten antrag enthalten sowie die im einzelnen anzuführenden gründe der anfechtung (berufungsgründe). 148im berufungsverfahren müssen sich die beteiligten durch prozessbevollmächtigte vertreten lassen. dies gilt auch für prozesshandlungen, durch die das verfahren eingeleitet wird. die beteiligten können sich durch einen rechtsanwalt oder einen rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten hochschule eines mitgliedstaates der europäischen union, eines anderen vertragsstaates des abkommens über den europäischen wirtschaftsraum oder der schweiz, der die befähigung zum richteramt besitzt, als bevollmächtigten vertreten lassen. auf die zusätzlichen vertretungsmöglichkeiten für behörden und juristische personen des öffentlichen rechts einschließlich der von ihnen zur erfüllung ihrer öffentlichen aufgaben gebildeten zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 abs. 4 satz 4 vwgo und § 5 nr. 6 des einführungsgesetzes zum rechtsdienstleistungsgesetz – rdgeg –). darüber hinaus sind die in § 67 abs. 2 satz 2 nr. 3 bis 7 vwgo bezeichneten personen und organisationen unter den dort genannten voraussetzungen als bevollmächtigte zugelassen. 149die berufungsschrift und die berufungsbegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. 150 151beschluss: 152der streitwert wird auf 6.902,00 euro festgesetzt. 153gründe: 154die festsetzung des streitwertes ist nach § 52 abs. 3 gkg erfolgt. 155rechtsmittelbelehrung: 156gegen den streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur niederschrift des urkundsbeamten der geschäftsstelle bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) beschwerde eingelegt werden, über die das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen in münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der zivilprozessordnung gilt entsprechend. 157auf die ab dem 1. januar 2022 unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 158die beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs monaten eingelegt wird, nachdem die entscheidung in der hauptsache rechtskraft erlangt oder das verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der streitwert später als einen monat vor ablauf dieser frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines monats nach zustellung oder formloser mitteilung des festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 159die beschwerde ist nicht gegeben, wenn der wert des beschwerdegegenstandes 200,-- euro nicht übersteigt. 160die beschwerdeschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. 161war der beschwerdeführer ohne sein verschulden verhindert, die frist einzuhalten, ist ihm auf antrag von dem gericht, das über die beschwerde zu entscheiden hat, wiedereinsetzung in den vorigen stand zu gewähren, wenn er die beschwerde binnen zwei wochen nach der beseitigung des hindernisses einlegt und die tatsachen, welche die wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. nach ablauf eines jahres, von dem ende der versäumten frist angerechnet, kann die wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. 162
346,427
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20 K 7488/20
2022-08-16T00:00:00
Urteil
Tenor Der Bescheid der Bezirksregierung Düsseldorf vom 6. Dezember 2020 wird aufgehoben. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Berufung gegen das Urteil wird zugelassen. 1Tatbestand: 2Der Kläger ist Steuerberater und erwirtschaftet den deutlich überwiegenden Teil seiner Umsätze durch Vorträge in der Aus- und Fortbildung von Steuerberatern. 3Mitte März 2020 gerieten insbesondere kleine Unternehmen und Selbstständige durch verschiedene infektionsschutzrechtliche Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie („harter Lockdown“) in wirtschaftliche Notlagen. Als Reaktion hierauf schuf der Bund das Programm „Soforthilfe für Kleinstunternehmen und Soloselbstständige“, um betroffenen Unternehmen und Selbstständigen kurzfristig Finanzhilfen bereitzustellen. 4Das damalige Bundesministerium für Wirtschaft und Energie veröffentlichte hierzu unter anderem Eckpunkte vom 23. März 2020, 5vgl. https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Pressemitteilungen/Finanzpolitik/2020/03/2020-03-23-pm-Soforthilfefond-download.pdf?__blob=publicationFile&v=3, 6und Kurzfakten vom 30. März 2020, 7vgl. https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/J-L/kurzfakten-corona-soforthilfen.pdf?__blob=publicationFile&v=12. 8Das beklagte Land beschloss, das Programm des Bundes in vollem Umfang an die vorgesehenen Zielgruppen weiterzuleiten und erweiterte das Bundesprogramm um die Empfängergruppen mit bis zu 50 Beschäftigten. Beide Maßnahmen wurden in der „NRW-Soforthilfe 2020“ gebündelt. Die federführende Verantwortung lag bei dem damaligen Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen. Auf dessen Internetpräsenz waren sog. FAQ in verschiedenen Fassungen unter dem Link https://wirtschaft.nrw.de/nrw-soforthilfe-2020 abrufbar. Bezüglich des genauen Inhalts wird auf die vom Beklagten übersandten Anlagen B5 bis B19 sowie die vom Kläger übersandten Anlagen vom 16. Juli 2021, 19. September 2021 und 18. Februar 2022 verwiesen. 9Bereits mit Email vom 26. März 2020 hatte sich der Kläger bei dem Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen nach dem Volltext der gesetzlichen Regelung zur Soforthilfe erkundigt. Mit Email des Ministeriums vom 27. März 2020 war er auf den Link https://wirtschaft.nrw.de/nrw-soforthilfe-2020 verwiesen worden, wo alle Informationen rund um das Soforthilfeprogramm zu finden seien. 10Der Kläger stellte seinen Antrag am 1. April 2020 und verwendete hierfür das online vom Beklagten bereitgestellte Formular „Antrag auf Gewährung einer Soforthilfe für von der Corona-Krise 03/2020 besonders geschädigte Unternehmen und Angehörige Freier Berufe einschließlich Soloselbstständige aus dem Soforthilfeprogramm des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen sowie dem Bundesprogramm „Soforthilfe für Kleinstunternehmer und Soloselbstständige“ („NRW-Soforthilfe 2020“)“. 11Im Antragsformular hieß es unter Ziffer 5.: 12„Die Soforthilfe wird als Billigkeitsleistung auf der Grundlage der Regelung zur vorübergehenden Gewährung geringfügiger Beihilfen im Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19 („Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020“) zur Überwindung der existenzbedrohenden Wirtschaftslage bzw. des Liquiditätsengpasses gewährt.“ 13Unter Ziffer 6.1 versicherte der Kläger: „Falls nicht anders angegeben, sind die Kriterien auf den Zeitpunkt der Antragstellung zu beziehen. Ich versichere, dass meine wirtschaftliche Tätigkeit durch die Corona-Krise wesentlich beeinträchtigt ist, da entweder 14- mehr als die Hälfte der Aufträge aus der Zeit vor dem 1. März durch die Corona-Krise weggefallen ist oder 15- die Umsätze gegenüber dem Vorjahresmonat mehr als halbiert sind (Gründungen: Vormonat) oder 16- die Umsatzerzielungsmöglichkeiten durch eine behördliche Auflage im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie massiv eingeschränkt wurden oder 17- die vorhandenen, Mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen Zahlungsverpflichtungen des Unternehmens zu erfüllen (z.B. Mieten, Kredite für Betriebsräume, Leasingraten).“ 18Unter Ziffer 6.2 versicherte der Kläger: 19„Ich versichere, dass die in Nr. 1.1. benannten Antragsvoraussetzungen sämtlich vorliegen und ein Liquiditätsengpass nicht bereits vor dem 1. März bestanden hat.“ 20Unter Ziffer 6.11 versicherte der Kläger: 21„Mir ist bekannt, dass ich den Zuschuss als Billigkeitsleistung erhalte und im Falle einer Überkompensation (Entschädigungs-, Versicherungsleistungen, andere Fördermaßnahmen) die erhaltene Soforthilfe zurückzahlen muss.“ 22Mit Bescheid vom 1. April 2020 bewilligte die Bezirksregierung Düsseldorf dem Kläger auf seinen Antrag eine Soforthilfe in Höhe von 9.000,00 Euro. Der Betrag wurde kurze Zeit später in voller Höhe ausgezahlt. In dem Bescheid, der nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, heißt es auszugsweise: 23 24 25 26Am 31. Mai 2020 wurden die „Richtlinien des Landes zur Gewährung von Soforthilfen für gewerbliche Kleinunternehmen, Selbstständige und Angehörige freier Berufe, die infolge der Sars-CoV-2-Pandemie in ihrer Existenz gefährdet sind“ als Runderlass des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie (Az. VB 5 - 2020) – im Folgenden: Richtlinie – erlassen und traten laut Ziffer 9. mit Wirkung vom 27. März 2020 in Kraft. 27Unter dem 3. Juli 2020, 5. Oktober 2020, 2. Dezember 2020 sowie 14. Juni 2021 versandte der Beklagte an sämtliche Antragsteller Emails, in denen er auf die Notwendigkeit zur Durchführung eines Rückmeldeverfahrens, den hierfür bereitgestellten Vordruck sowie die hierbei nach seiner Auffassung geltenden Regelungen und Fristen hinwies. 28Bereits am 6. Dezember 2020 füllte der Kläger das vom Beklagten online bereitgestellte „Rückmelde-Formular ermittelter Liquiditätsengpass NRW-Soforthilfe 2020“ aus. Der Kläger wählte hierin als Förderzeitraum die Zeit vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020. Nach Eingabe seiner vom Formular abgefragten Einnahmen und Ausgaben in diesem Berechnungszeitraum ergab sich, dass der Kläger im Monat April einen Einnahmenüberschuss in Höhe von 00 Euro, im Monat Mai von 00 Euro und im Monat Juni 00 Euro (Zeile 24) hatte. Ausgewiesen wurde ein Liquiditätsengpass von 0 Euro im Förderzeitraum (Zeile 25); zu seinen Gunsten wurde lediglich ein fiktiver Unternehmerlohn in Höhe von 2.000,00 Euro angesetzt. Hieraus ergab sich ein Rückzahlungsbetrag in Höhe von 7.000,00 Euro. 29Unter dem 6. Dezember 2020 erließ die Bezirksregierung Düsseldorf gegenüber dem Kläger einen Schlussbescheid mit folgendem Tenor: 30 31Zur Begründung führte die Bezirksregierung aus, der Kläger habe am 6. Dezember 2020 einen tatsächlichen Liquiditätsengpass in Höhe von 2.000,00 Euro gemeldet. Die Feststellung des Liquiditätsengpasses und die Festsetzung der Soforthilfe beruhten auf § 53 Landeshaushaltsordnung NRW (LHO) i.V.m. der Regelung zur vorübergehenden Gewährung geringfügiger Beihilfen im Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit dem Ausbruch von Sars-CoV-2 („Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020"), der Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bund und dem Land Nordrhein-Westfalen über die „Corona-Soforthilfen insbesondere für kleine Unternehmen und Solo-Selbstständige" vom 1. April 2020 einschließlich der dazu erlassenen Vollzugshinweise sowie den „Richtlinien des Landes zur Gewährung von Soforthilfen für gewerbliche Kleinunternehmen, Selbstständige und Angehörige freier Berufe, die infolge der Sars-CoV-2-Pandemie in ihrer Existenz gefährdet sind“ („NRW-Soforthilfe 2020“) vom 31. Mai 2020. Nach Ziffern 3.1, 3.2, 5.2 und 5.3 der Richtlinie sei die NRW-Soforthilfe 2020 antragsberechtigten Leistungsempfängern, die die Antragsvoraussetzungen erfüllt hätten, zunächst in voller Höhe gewährt worden. Die endgültige Festsetzung habe nach Meldung der Berechnung der Höhe des Liquiditätsengpasses zu erfolgen. Ergebe sich dabei, dass der vorläufig vollständig gezahlte Soforthilfebetrag nicht oder nur teilweise vom Liquiditätsengpass abgedeckt sei, werde die Soforthilfe nur in Höhe des Liquiditätsengpasses gewährt; anderenfalls sei die vorläufige Zahlung endgültig. Die Rückforderung des überzahlten Differenzbetrages beruhe auf § 49a Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) i.V.m. Ziffer 5.3 der Richtlinie und der Bestimmung II.3. des Bewilligungsbescheides. § 49a Abs. 1 VwVfG NRW sei entsprechend anzuwenden, weil der Bewilligungsbescheid die Soforthilfe wegen des noch unbekannten Liquiditätsengpasses zunächst vorläufig gewährt habe und durch den Schlussbescheid hinsichtlich der Höhe der Zuwendung ersetzt worden sei. 32Der Kläger hat am 14. Dezember 2020 Klage erhoben. 33Zur Begründung führt er aus, der Zuschuss sei auf der Basis von FAQ, die im Internet veröffentlicht gewesen seien und einen Finanzierungsengpass erforderten, gewährt worden. Der Finanzierungsengpass sei dort so definiert worden, dass es vier Arten von Finanzierungsengpässen gegeben habe. Hiervon habe er drei erfüllt: 34- Wegfall von mehr als der Hälfte des Auftragsbestandes: Er sei Steuerberater, erwirtschafte aber den überwiegenden Teil seiner Umsätze durch Aus- und Fortbildung von Steuerberatern. Präsenzvorträge seien im fraglichen Zeitraum nicht möglich gewesen und hätten nur in geringem Umfang ersatzweise online durchgeführt werden können. Zwar habe er die weggefallenen Aufträge durch neue ersetzt, der ursprüngliche Auftragsbestand sei aber coronabedingt entfallen. 35- Halbierung der Umsätze des Antragsmonats im Vergleich zum Vorjahresmonat: Im April 2019 habe er Umsätze von 00 Euro erzielt, im April 2020 hingegen 00 Euro. 36- Massive Einschränkung der Umsatzerzielungsmöglichkeit durch behördliche Auflagen: Seine Haupteinnahmequelle seien Seminare, Präsenzseminare seien aber untersagt worden und hätten erst nach gewisser Vorbereitungszeit zum Teil durch Online-Seminare ersetzt werden können. 37Der Bewilligungsbescheid habe sodann die Nebenbestimmung II.3. enthalten, wonach der Betrag zurückzuzahlen sei, sollte am Ende des dreimonatigen Bezugszeitraumes feststehen, dass die Billigkeitsleistung höher sei als sein Umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter Kosten (z.B. Mietminderungen) und er die Mittel nicht (vollständig) zur Sicherung seiner wirtschaftlichen Existenz bzw. zum Ausgleich seines Liquiditätsengpasses benötigt habe. Hiernach sei insbesondere ein Vergleich der Soforthilfe mit dem Umsatzausfall vorgesehen gewesen. Beide Voraussetzungen (Umsatzausfall und Benötigung der Mittel) erfülle er: 38- Umsatzausfall: Aus einem Vergleich der Umsätze in den Monaten April bis Juni in den Jahren 2019 und 2020 ergebe sich, dass sein Umsatzausfall insgesamt 00 Euro, also mehr als 9.000,00 Euro betragen habe. Hiervon abzuziehende ersparte Aufwendungen habe er im Ergebnis nicht gehabt. 39- Benötigung der Mittel: Er habe in dem Betrachtungszeitraum Betriebsausgaben von deutlich über 9.000,00 Euro getragen und den gesamten Zuschuss für Betriebsausgaben verwendet. 40Die in den Bewilligungsbescheid aufgenommene Nebenbestimmung II.3. entspreche – anders als vom Beklagten vorgetragen – auch in etwa der in den Kurzfakten zum Bundesprogramm genannten Berechnungsmethode, zumal diese wenig konkreten Kurzfakten durch die FAQ des Beklagten erläutert worden seien. 41Zu betonen sei hierbei, dass die Regelung zur Sicherung seiner wirtschaftlichen Existenz bzw. zum Ausgleich seines Liquiditätsengpasses auch nicht eindeutig formuliert sei, worauf es aber letztendlich nicht ankomme. Ferner habe der Bewilligungsbescheid unter Ziffer 2. geregelt, dass die Soforthilfe insbesondere zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen diene. Eine Begrenzung, dass damit ausschließlich Liquiditätsengpässe überbrückt werden dürften, habe der Bescheid nicht enthalten. Ferner werde unter Ziffer 2. ausgeführt, dass die Soforthilfe ausschließlich zur Milderung der finanziellen Notlagen des Selbstständigen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie erfolgen dürfe. Der hier verwendete Begriff der „finanziellen Notlage“ entspreche dem Begriff des „Finanzierungsengpasses“ aus den FAQ. 42Mit dem Schlussbescheid ändere der Beklagte das „und“ in Nebenbestimmung II.3. des Bewilligungsbescheides nun in ein „oder“. Eine Rückzahlungspflicht für den in Ziffer 5.3 der Richtlinie geregelten Fall hätten weder die FAQ noch der Bewilligungsbescheid vorgesehen und die Richtlinie habe am Tag des Erlasses des Bewilligungsbescheides noch nicht existiert. Die rückwirkende Verkündung der Richtlinie am 31. Mai 2020 mit Wirkung ab dem 27. März 2020 ändere daran nichts. Er habe auf den Inhalt des Bewilligungsbescheides vertrauen dürfen und bei Erhalt des Bewilligungsbescheides nicht mit einer Rückzahlungspflicht wegen des erst zwei Monate später geschaffenen Phänomens des „Liquiditätsengpasses", der in der Differenz zwischen Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben bestehe (also einem Verlust entspreche), rechnen müssen. 43Zur Frage des Vertrauensschutzes sei zusätzlich auszuführen, dass er nach seiner Email vom 26. März 2020 von dem Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen für alle Informationen zum Soforthilfeprogramm auf den Link https://wirtschaft.nrw.de/nrw-soforthilfe-2020 verwiesen worden sei. Eine Rückzahlungspflicht sei dort nur vorgesehen gewesen im Falle einer Überkompensation und entsprechend der Formulierung im Bewilligungsbescheid. Die dortige Definition der Überkompensation habe keinen Hinweis darauf enthalten, dass die Differenz aus Einnahmen und Ausgaben für die Höhe des Zuschusses oder für die Höhe einer Rückzahlungspflicht relevant sein könne. Zudem sei zum Zeitpunkt seiner Antragstellung in den FAQ noch die Information abrufbar gewesen: „Wofür darf der Zuschuss genutzt werden? Der Zuschuss kann genutzt werden, um finanzielle Engpässe, wie z. B. Bankkredite, Leasingraten, Mieten usw., zu bedienen. Der nach Prüfung des Antrags elektronisch übermittelte Bewilligungsbescheid, kann auch bei der Bank vorgezeigt werden. Er gilt als Nachweis, dass das Land den Zuschuss auszahlen wird. Soloselbständige im Haupterwerb beziehen ihren Lebensunterhalt aus ihrer selbstständigen Tätigkeit und müssen daher auch ihr eigenes Gehalt erwirtschaften, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Sofern der Finanzierungsengpass beim Soloselbstständigen im Haupterwerb dazu führt, dass er sein regelmäßiges Gehalt nicht mehr erwirtschaften kann, dient die Soforthilfe auch dazu, das eigene Gehalt und somit den Lebensunterhalt zu finanzieren.“ Die nun in der Richtlinie vorgesehene Begrenzung des fiktiven Gehalts auf 2.000,00 Euro für einen Zeitraum von drei Monaten sei bei seiner Antragstellung nicht absehbar gewesen und bei einem in Vollzeit tätigen Akademiker unangemessen. 44Der Bewilligungsbescheid sei auch kein vorläufiger Verwaltungsakt, da dieser als solcher nicht bezeichnet worden sei. Selbst wenn man von einem vorläufigen Verwaltungsakt ausgehe, wäre diese Vorläufigkeit auf den im Bewilligungsbescheid genannten Fall begrenzt. Der Vorbehalt dürfe sich nur auf die Aspekte beziehen, wegen derer die Regelung unter Vorbehalt gestellt worden sei. 45Der Kläger beantragt, 46den Bescheid der Bezirksregierung Düsseldorf vom 6. Dezember 2020 aufzuheben. 47Der Beklagte beantragt, 48die Klage abzuweisen. 49Zur Begründung trägt er vor, der vom Kläger im Rahmen der Rückmeldung angegebene tatsächliche Liquiditätsengpass betrage 2.000,00 Euro. Demensprechend sei ein Liquiditätsengpass in dieser Höhe festgestellt, die Soforthilfe in dieser Höhe festgesetzt und der überschießende Betrag in Höhe von 7.000,00 Euro zurückgefordert worden. 50Für die im vorliegenden Verfahren in Rede stehenden Rechtsfragen sei von entscheidender Bedeutung, dass die NRW-Soforthilfe 2020 nicht nur eines von mehreren staatlichen Hilfsangeboten zur Abmilderung der beträchtlichen negativen ökonomischen Folgen der Corona-Pandemie, sondern vielmehr die allererste, unbürokratische und unverzügliche Liquiditätshilfe – eben eine Soforthilfe – gewesen sei. Über die Internetpräsenz des ehemaligen Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie NRW habe sich jeder Betroffene im Vorfeld der Antragstellung umfassend über den Zweck der NRW-Soforthilfe 2020 und die Antragsberechtigung informieren können. Hierdurch habe jedem Antragsteller unmissverständlich klar werden müssen, dass die NRW-Soforthilfe 2020 der Sicherstellung der Finanzierung von Verbindlichkeiten für fortlaufende erwerbsmäßige Sach- und Finanzausgaben gedient habe und jeder Hilfeempfänger nach Ende des Bewilligungszeitraums verpflichtet gewesen sei, seinen tatsächlichen Liquiditätsengpass zu berechnen und zu viel erhaltene Mittel zurückzuzahlen. 51Bei der ursprünglichen Bewilligung habe es sich um die nur vorläufige positive Bescheidung des Antrages zur NRW-Soforthilfe 2020 gehandelt, die erst durch die Festsetzung der tatsächlichen Höhe der Antragsberechtigung aufgrund des später ermittelten Liquiditätsengpasses endgültig verbindlich beschieden worden sei. Begründung und Berechtigung für die vorläufige Bescheidung sei die Ungewissheit über die zu treffende endgültige Entscheidung, namentlich die konkrete Höhe der zu gewährenden Soforthilfe anhand des nachträglich zu ermittelnden, konkreten Liquiditätsengpasses im maßgeblichen Bewilligungszeitraum gewesen. Hiernach sei der Bewilligungsbescheid zwingend auf eine Ergänzung durch einen weiteren Verwaltungsakt angelegt gewesen, durch den die Zuwendung erst abschließend habe geregelt werden sollen. Dieser sei in Form des Schlussbescheids ergangen. Die Vorläufigkeit und Notwendigkeit eines Schlussbescheides hätten sich ohne weiteres aus den Ziffern 5.2 und 5.3 der Richtlinie sowie der Nebenbestimmung II.3. des Bewilligungsbescheides ergeben. Eindeutig ablesbar seien sie aber auch aus den Kurzfakten zum Bundesprogramm. Hintergrund sei, dass Nordrhein-Westfalen sich bei der Umsetzung des Bundesprogramms im Gegensatz zu allen anderen Bundesländern dafür entschieden habe, zunächst den Förderhöchstbetrag als Pauschale auszuzahlen, um Verzögerungen bei der Auszahlung zu vermeiden. Dies habe ein Rückmeldeverfahren unabdingbar gemacht, in welchem der individuelle Liquiditätsengpass ermittelt und die tatsächliche Förderhöhe habe festgestellt werden müssen. Dabei komme es an dieser Stelle überhaupt noch nicht darauf an, ob sich die Höhe der tatsächlich zustehenden Soforthilfe aus einem tatsächlich vorhandenen Liquiditätsengpass oder aus einem tatsächlich vorhandenen Umsatzausfall berechne. Denn jedenfalls habe jedem Empfänger durch die Nebenbestimmung II.3. des Bewilligungsbescheides offensichtlich klar sein müssen, dass aus den tatsächlichen Entwicklungen eine jedenfalls teilweise Rückzahlungspflicht entstehen könne, man die erhaltene Soforthilfe also nicht unbedingt, jedenfalls nicht unbedingt in voller Höhe werde behalten können. Mit dem Bewilligungsbescheid sei lediglich über die grundsätzliche Antragsberechtigung entschieden worden, jedoch noch nicht abschließend über die Höhe der Soforthilfe. Da der Bewilligungsbescheid eine vorläufige Regelung treffe und sich somit eine endgültige Regelung vorbehalten habe, habe die Bewilligungsbehörde diesen durch die endgültige Regelung im Schlussbescheid ersetzen können, ohne insoweit an die Einschränkungen der §§ 48, 49 VwVfG NRW gebunden zu sein. 52Rechtsgrundlage für den Schlussbescheid sei dementsprechend § 53 LHO i.V.m. dem Bundesprogramm „Soforthilfen für Kleinstunternehmen und Soloselbstständige“ (Corona Soforthilfeprogramm des Bundes), der dazu ergangenen Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bund und dem beklagten Land über die Corona Soforthilfen und die erst nach Erlass der Bewilligungsbescheide am 31. Mai 2020 mit Wirkung vom 27. März 2020 in Kraft getretene Richtlinie. Die Höhe der tatsächlich zustehenden Soforthilfe und damit korrespondierend die Höhe einer Rückzahlungspflicht bestimme sich in Konkretisierung der Nebenbestimmung II.3. des Bewilligungsbescheides nach den Vorgaben der Richtlinie. Dem stehe insbesondere nicht der Erlass der Richtlinie am 31. Mai 2020 mit Wirkung zum 27. März 2020 entgegen. Denn die Richtlinie sei als ministerieller Runderlass eine bloße interne Verwaltungsvorschrift, die allein dazu gedient habe, eine dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung zu gewährleisten. Als eben solche Verwaltungsvorschrift habe die Richtlinie für ihre Wirksamkeit grundsätzlich nicht einmal veröffentlicht werden müssen. Zudem habe sie der Ermessenslenkung bei Erlass der Schlussbescheide gedient, welche durchweg erst nach dem 31. Mai 2020 erlassen worden seien. 53Der Schlussbescheid sei formell rechtmäßig, insbesondere liege keine Verletzung der Anhörungspflicht gem. § 28 Abs. 1 VwVfG NRW vor, da gem. § 28 Abs. 2 Nr. 4 Varianten 2 und 3 VwVfG NRW von einer Anhörung habe abgesehen werden dürfen. Die abschließend festzusetzende Soforthilfe habe sich rechnerisch aus den von den Antragstellern im Rahmen des Rückmeldeverfahrens zu tätigenden Angaben ergeben. Solche Fälle seien zu Hunderten aufgetreten und die Entscheidungsfindung bei den Schlussbescheiden sei partiell automatisiert, d.h. softwaregesteuert, erfolgt. Die Antragsteller hätten entsprechend Ziffer 5.3 der Richtlinie die Rückmeldung digital vorlegen müssen. Sofern der vom Antragsteller hierbei angegebene Liquiditätsengpass niedriger als die erfolgte Auszahlung gewesen sei, sei durch das System automatisch ein entsprechender Schlussbescheid generiert worden. Ungeachtet dessen wäre selbst eine Verletzung der Anhörungspflicht im vorliegenden Fall nach § 46 VwVfG NRW unbeachtlich, da dies die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst habe. Ihm habe in den Fällen, in denen der Liquiditätsengpass letztlich niedriger gewesen sei als die vorläufig gewährte Billigkeitsleistung, aufgrund des Gleichbehandlungsgebotes keine Entscheidungsfreiheit zugestanden. 54Der Schlussbescheid sei auch materiell rechtmäßig. Die Voraussetzungen für die Gewährung der Soforthilfe hätten nur in der im Schlussbescheid angegebenen Höhe vorgelegen. Nach Ziffer 5.3 der Richtlinie werde die NRW-Soforthilfe maximal in Höhe des Liquiditätsengpasses gewährt. Der Liquiditätsengpass ergebe sich aus der Differenz zwischen den tatsächlichen fortlaufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb und den tatsächlich laufenden, erwerbsmäßigen Sach- und Finanzausgaben im dreimonatigen Erfassungszeitraum. Der Erfassungszeitraum beginne grundsätzlich mit dem Tag der Antragstellung und entspreche dem Bewilligungszeitraum. Die Ermittlung und Prüfung des bei einem Antragsteller entstandenen Liquiditätsengpasses erfolge am Ende des Erfassungs- bzw. Bewilligungszeitraums. Die NRW-Soforthilfe 2020 diene nach Ziffer 1.1 der Richtlinie der Sicherung der wirtschaftlichen Existenz von Unternehmen und damit ausschließlich zur Deckung der laufenden betrieblichen Sach- und Finanzaufwendungen des Unternehmens. Hierauf weise auch Ziffer 2. des Bewilligungsbescheides noch einmal hin. Dies ergebe auch eine Gesamtschau der beschlossenen Maßnahmen zur Unterstützung von Unternehmen – Kurzarbeitergeld und Erleichterung der Prüfungsvoraussetzung für die Gewährung von ALG II. In Abgrenzung zur NRW-Soforthilfe 2020 solle etwa das Gehalt von Mitarbeitern durch das Kurzarbeitergeld gewährt und für den persönlichen Lebensunterhalt ALG II beantragt werden. Private finanzielle Schwierigkeiten würden demnach allein aufgefangen durch Sozialleistungen nach dem SGB. Dieser Sinn und Zweck der NRW-Soforthilfe 2020 ergebe sich bereits aus der Formulierung im Antragsformular unter Ziffer 6.1, vierter Spiegelstrich: „Ich versichere, dass meine wirtschaftliche Tätigkeit durch die Corona-Krise wesentlich beeinträchtigt ist, da entweder (...) - die vorhandenen Mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen Zahlungsverpflichtungen des Unternehmens zu erfüllen (z. B. Mieten, Kredite für Betriebsräume, Leasingraten).“ Dieser Sinn und Zweck der Soforthilfe ergebe sich auch eindeutig aus den FAQ sowie den Eckpunkten und Kurzfakten zum Bundesprogramm. Sinn und Zweck der NRW-Soforthilfe 2020 sei also entgegen der Ansicht des Klägers weder, sämtliche Umsatz- und Einnahmeverluste der Unternehmen auszugleichen, noch die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der Unternehmen zu verhindern und erst recht nicht, private Existenzen zu sichern. 55Ermessen habe der Bezirksregierung Düsseldorf beim Erlass des Schlussbescheides aufgrund der Bindungswirkung der Richtlinie nicht zugestanden. 56Der Rechtmäßigkeit des Schlussbescheides stehe schließlich kein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers entgegen. Es liege vielmehr gerade im Wesen der Vorläufigkeit, dass ein Vertrauen auf die Endgültigkeit der Regelung nicht entstehen könne. Gegen einen bestehenden Vertrauensschutz des Klägers spreche zudem, dass ihm in Ansehung der Ziffer 5.3 der Richtlinie der Soforthilfe NRW sowie der Nebenbestimmung II.3. des Bewilligungsbescheides habe bewusst sein müssen, dass er die NRW-Soforthilfe nur insofern werde behalten dürfen, als dass seine tatsächlichen fortlaufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb die tatsächlich laufenden, erwerbsmäßigen Sach- und Finanzausgaben im Bewilligungszeitraum überstiegen. 57Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen. 58Entscheidungsgründe: 59Die Klage hat Erfolg. 60A. Die bei sachgerechter Auslegung des Klagebegehrens als Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 Halbs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässige Klage ist begründet. 61Der Schlussbescheid der Bezirksregierung Düsseldorf vom 6. Dezember 2020 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). 62I. Der Schlussbescheid vom 6. Dezember 2020 ist rechtswidrig. 631. Die in Ziffer 3. des angegriffenen Bescheides ausgesprochene Rückforderung eines Betrages von 7.000,00 Euro kann nicht auf § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW gestützt werden. Danach sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt für die Vergangenheit zurückgenommen oder widerrufen worden oder infolge des Eintritts einer auflösenden Bedingung unwirksam geworden ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. 64a. Eine Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 1. April 2020 gemäß § 48 Abs. 1 VwVfG NRW ist ersichtlich nicht gegeben. Die Bezirksregierung Düsseldorf hat den Bewilligungsbescheid jedoch auch nicht durch den Erlass des angefochtenen Schlussbescheides mit Wirkung für die Vergangenheit teilweise widerrufen. Die – hier allein in Betracht kommenden – Voraussetzungen des § 49 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 VwVfG NRW sind nicht erfüllt. 65aa. Die Bezirksregierung Düsseldorf hat den Erlass des Schlussbescheides nicht damit begründet, der Kläger habe die erhaltene Leistung (teilweise) nicht für den in dem Bewilligungsbescheid bestimmten Zweck verwendet (§ 49 Abs. 3 Nr. 1 VwVfG NRW). Der Schlussbescheid verhält sich vielmehr zu der Frage, in welcher Höhe bei dem Kläger ein Liquiditätsengpass auf der Grundlage seiner Angaben festzustellen sei. Über die Interpretation des Begriffs des Liquiditätsengpasses streiten die Beteiligten. Der Vorwurf einer nicht zweckgerechten Verwendung der erhaltenen Zuwendung ist den Regelungen des Schlussbescheides allerdings nicht zu entnehmen. 66bb. Mit dem Bewilligungsbescheid ist auch keine Auflage im Sinne von § 49 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG NRW verbunden, die der Begünstigte nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat. Eine Auflage ist eine Bestimmung, durch die dem Begünstigten ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird (§ 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG NRW). Zwar zielt die Nebenbestimmung II.3. auf eine Handlungsverpflichtung des Zuwendungsempfängers ab. Mit ihr wird dem Adressaten des Bescheides – hier dem Kläger – eine Prüfungspflicht auferlegt: Sollte er am Ende des dreimonatigen Bewilligungszeitraums feststellen, „dass diese Finanzhilfe höher ist als Ihr Umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter Kosten (z.B. Mietminderung) und Sie die Mittel nicht (vollständig) zur Sicherung Ihrer wirtschaftlichen Existenz bzw. Ausgleich Ihres Liquiditätsengpasses benötigen, sind die zu viel gezahlten Mittel […] zurückzuzahlen“. Der Schlussbescheid enthält aber nicht den Vorwurf, der Kläger sei dieser aus dem Bewilligungsbescheid resultierenden Pflicht nicht oder nicht fristgerecht nachgekommen. Vielmehr geht die Behörde davon aus, dass der Kläger Angaben zur Höhe des Liquiditätsengpasses gemacht hat, auf Grund derer sie sich zur Teilrückforderung des gewährten Betrages berechtigt sieht. Da die Voraussetzungen für einen Widerruf mithin insoweit nicht vorliegen, kann dahinstehen, ob es sich bei der in Ziffer II.3. getroffenen Regelung um eine Auflage i.S.d. § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG NRW in Abgrenzung zu einer Bedingung oder einer Inhaltsbestimmung handelt. 67b. Schließlich folgt eine Erstattungspflicht des Klägers auch nicht daraus, dass der Bewilligungsbescheid vom 1. April 2020 infolge des Eintritts einer auflösenden Bedingung unwirksam geworden ist (§ 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW). Eine solche Bedingung i.S.d. § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG NRW, nach der der Wegfall einer Vergünstigung von dem ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhängt, enthält der Bewilligungsbescheid nicht. 68Unter den Begriff des Ereignisses fallen von der Außenwelt wahrnehmbare Handlungen, Erklärungen oder Geschehnisse, nicht hingegen nur zur Gedankenwelt eines Beteiligten gehörende Vorstellungen. Als Ereignis kommt lediglich ein rein tatsächlicher Vorgang in Betracht, der sinnlich wahrnehmbar und dem Beweis zugänglich ist, ohne dass es für seine Bejahung noch einer rechtlichen Wertung bedürfte. Darauf, ob die rechtliche Wertung einfach oder schwierig ist, kommt es nicht an. Da das künftige ungewisse Ereignis kraft Gesetzes ohne weiteren Zwischenschritt einen Rechtsverlust oder einen Rechtsgewinn herbeiführt, muss sein Eintritt auch aus Gründen der Rechtssicherheit für alle Beteiligten – für den Adressaten des Bescheids, für die Behörde und ggf. für Dritte – gleichermaßen ohne Weiteres erfassbar sein, 69vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2019 – 10 C 5.17, juris; BVerwG, Urteil vom 16. Juni 2015 ‒ 10 C 15.14 –, juris; OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2020 – 4 A 436/17 –, juris; OVG NRW, Beschluss vom 14. Juni 2018 ‒ 4 A 1781/15 ‒, juris. 70Bei der Nebenbestimmung II.3. handelt es sich nicht um eine Bedingung in diesem Sinne. In ihr wird kein zur automatischen Unwirksamkeit des Bewilligungsbescheides führendes Ereignis benannt. Die vom Zuwendungsempfänger am Ende des Bewilligungszeitraumes zu treffende Beurteilung, ob die Finanzhilfe höher ist als der Umsatzausfall, lässt sich nur durch eine Berechnung anhand betriebswirtschaftlicher Auswertungen durchführen; sie mag aus Sicht der Bewilligungsbehörde korrekt oder aber fehlerhaft durchgeführt worden sein. Jedenfalls bedarf es einer Bewertung, die einen Automatismus zwischen dem Eintritt eines künftigen Ereignisses und der Unwirksamkeit des Zuwendungsbescheides im Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG NRW ausschließt. 712. Als Ermächtigungsgrundlage für das Erstattungsverlangen der Bezirksregierung Düsseldorf kommt § 49a Abs. 1 VwVfG NRW in entsprechender Anwendung in Betracht. Die Vorschrift ist analog anzuwenden, wenn ein Verwaltungsakt, der eine Billigkeitsleistung zunächst nur vorläufig bewilligt hat, rückwirkend durch einen anderen Verwaltungsakt ersetzt wird, der die Leistung endgültig in geringerer Höhe festsetzt. Der Empfänger muss eine hiernach zu viel erhaltene Leistung erstatten, 72vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2009 – 3 C 7/09 –, juris; OVG NRW, Beschluss vom 14. Dezember 2020 – 4 A 1992/16 –, juris; OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2020 – 4 A 436/17 –, juris; VGH Kassel, Urteil vom 13. Mai 2014 – 9 A 2289/12 –, BeckRS 2014, 53405; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl. 2021, § 49 Rn. 4. 73Die Voraussetzungen des § 49a Abs. 1 VwVfG NRW analog liegen indes nicht vor. 74Selbst unterstellt, die Bezirksregierung Düsseldorf hätte die zu erstattende Forderung endgültig in Form eines Schlussbescheides festsetzen können, da sie mit Bescheid vom 1. April 2020 die Zuwendung lediglich vorläufig bewilligt hätte, hätte sie bei Erlass des Schlussbescheides dennoch rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Soforthilfe nur noch 2.000,00 Euro beträgt. Denn die Festsetzungen in Ziffern 1. und 2. des Schlussbescheides sind rechtswidrig. Daraus folgt auch die Rechtswidrigkeit der Erstattungsforderung in Ziffer 3. 75a. Zu Gunsten der Bezirksregierung Düsseldorf kann unterstellt werden, dass das Subventionsverhältnis in der Weise geregelt war, dass zunächst vorläufig durch Bescheid vom 1. April 2020 eine Soforthilfe in Höhe von 9.000,00 Euro bewilligt und ausgezahlt wurde, deren endgültige genaue Höhe von der ungewissen Entwicklung des Unternehmens des Antragstellers während des dreimonatigen Bewilligungszeitraums abhing. Der Bewilligungsbescheid wäre in diesem Fall darauf angelegt gewesen, die Höhe der Zuwendung nicht definitiv zu regeln, sondern diese zunächst vorläufig zu gewähren und abschließend erst später festzusetzen. Dies wäre durch Erlass des sog. Schlussbescheides geschehen. Damit hätte sich die Bezirksregierung Düsseldorf der Handlungsform des sog. vorläufigen Verwaltungsaktes bedient, die für den Sachbereich des Subventionsrechts durch die höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung anerkannt ist, 76vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2009 – 3 C 7/09 –, juris m.w.N; BVerwG, Urteil vom 14. April 1983 – 3 C 8/82 –, juris; OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2020 – 4 A 436/17 –, juris; OVG NRW, Urteil vom 28. September 1990 – 15 A 708/88 –, juris. 77Eine Billigkeitsleistung kann unter dem Vorbehalt einer späteren definitiven Entscheidung bewilligt werden, wenn und soweit eine bestehende Ungewissheit hierfür einen sachlichen Grund gibt. Der Vorbehalt einer späteren endgültigen Entscheidung bewirkt, dass die Behörde die einstweilige Regelung im Ausgangsbescheid durch die endgültige Regelung im Schlussbescheid ersetzen kann, ohne insoweit an die Einschränkungen der §§ 48, 49 VwVfG NRW gebunden zu sein, 78vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2009 – 3 C 7/09 –, juris m.w.N; BVerwG, Urteil vom 14. April 1983 – 3 C 8/82 –, juris. 79Die vorläufige Regelung verliert mit dem Erlass der endgültigen Festsetzung ihre Wirksamkeit (vgl. § 43 Abs. 2 VwVfG NRW), 80vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2009 – 3 C 7/09 –, juris; OVG NRW, Urteil vom 28. September 1990 – 15 A 708/88 –, juris. 81Das Bestehen einer Ungewissheit rechtfertigt die Existenz des vorläufigen Verwaltungsaktes sowie den damit einhergehenden Widerspruch zwischen der dem Verwaltungsakt immanenten Bestandskraft und dem mit der Vorläufigkeit verbundenen flexiblen Element. In einer solchen Konstellation stellt der vorläufige Verwaltungsakt einen angemessenen Ausgleich zwischen den rechtsstaatlichen Anforderungen an das Verwaltungsverfahren und dem Gebot der Effektivität des Verwaltungshandelns dar, indem trotz verbleibender Unsicherheiten bereits zu einem frühen Zeitpunkt zugunsten des Bürgers entschieden werden kann, 82vgl. Schwarz, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 35 Rn. 27 ff. m.w.N. 83Die Vorläufigkeit muss sich dabei nicht auf den gesamten Bescheid beziehen, sondern kann und muss gegebenenfalls auf einzelne Aspekte beschränkt werden. Auch wenn die Behörde einen unter Vorbehalt gestellten Verwaltungsakt später durch einen abschließenden Bescheid ersetzt, so kommt doch eine inhaltlich abweichende Regelung im Schlussbescheid – außer in den Fällen der §§ 48, 49 VwVfG NRW – nur in Betracht, wenn sie aus den Gründen ergeht, wegen derer die frühere Regelung unter Vorbehalt gestellt wurde. Welche Elemente eines Zuwendungsbescheides vorläufig sind und welche Inhalte bereits eine gesicherte Rechtsposition vermitteln, ist durch – am Empfängerhorizont orientierte – Auslegung zu ermitteln. Jenen – nicht mit Vorbehalt versehenen – Teil des Zuwendungsbescheides kann die Behörde nur unter Beachtung der §§ 48, 49 VwVfG NRW aufheben, 84vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2009 – 3 C 7/09 –, juris; OVG NRW, Beschluss vom 14. Dezember 2020 – 4 A 1992/16 –, juris; OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2020 – 4 A 436/17 –, juris; OVG NRW, Beschluss vom 23. Juni 2017 – 4 A 2078/15 –, juris; Schwarz, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 35 Rn. 35 m.w.N. 85Neben einer die Vorläufigkeit der Regelung rechtfertigenden Unsicherheit ist Voraussetzung für einen Vorbehalt, dass die Vorläufigkeit und ihr Umfang im Verwaltungsakt selbst zum Ausdruck kommen, 86vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 35 Rn. 248; OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2020 – 4 A 436/17 –, juris; OVG NRW, Urteil vom 28. September 1990 – 15 A 708/88 –, juris. 87Das Vorliegen dieser Voraussetzungen kann hinsichtlich der Festsetzung der genauen Höhe der Soforthilfe zu Gunsten der Bezirksregierung Düsseldorf unterstellt werden. Diesbezüglich kann angenommen werden, es habe bei Erlass des Bewilligungsbescheides eine Ungewissheit, die den Erlass einer lediglich vorläufigen Regelung rechtfertigte, bestanden. Demgegenüber wurden zu anderen Fragen ersichtlich bereits abschließende Regelungen getroffen. 88Der Bewilligungsbescheid vom 1. April 2020 kann bei verständiger Würdigung so ausgelegt werden, dass er dem Kläger hinsichtlich der Zuwendung dem Grunde nach eine gesicherte Rechtsposition vermitteln wollte. Dies folgt aus den Formulierungen in Ziffern 2. und 3. des Bescheides ebenso wie aus den Umständen des Antragsverfahrens. Grundsätzlich berechtigt, eine Zuwendung zu erhalten, waren jene Antragsteller, deren wirtschaftliche Tätigkeit durch die Corona-Pandemie bereits wesentlich beeinträchtigt war. Unter Ziffer 6.1 des Antragsformulars mussten die Antragsteller versichern, dass ihre „wirtschaftliche Tätigkeit durch die Corona-Krise wesentlich beeinträchtigt“ war, da entweder 89- „mehr als die Hälfte der Aufträge aus der Zeit vor dem 1. März durch die Corona-Krise weggefallen ist oder 90- die Umsätze gegenüber dem Vorjahresmonat mehr als halbiert sind (Gründungen: Vormonat) oder 91- die Umsatzerzielungsmöglichkeiten durch eine behördliche Auflage im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie massiv eingeschränkt wurden oder 92- die vorhandenen Mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen Zahlungsverpflichtungen des Unternehmens zu erfüllen (z.B. Mieten, Kredite für Betriebsräume, Leasingraten).“ 93Die grundsätzliche Antragsberechtigung setzte damit – für jeden Antragsteller erkennbar –diesen zum Zeitpunkt der Bewilligung bereits sicher feststellbaren Umstand voraus. Hieran knüpfen die Regelungen in Ziffern 2. und 3. des Bewilligungsbescheides an, mit denen die Bezirksregierung Düsseldorf darauf abgestellt hat, dass die Soforthilfe der Milderung bzw. Kompensation der „unmittelbar durch die Corona-Pandemie ausgelösten wirtschaftlichen Engpässe“ (Ziffer 3.), „der finanziellen Notlagen“ bzw. „der Überbrückung von Liquiditätsengpässen, die seit dem 1. März 2020 im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie entstanden sind“ (Ziffer 2.), dient. Da diese Voraussetzungen im Falle des Klägers im Grundsatz erfüllt waren, erhielt er durch den Bescheid vom 1. April 2020 die Soforthilfe dem Grunde nach vorbehaltlos. 94Weitere Gesichtspunkte unterlagen ebenfalls keinem Vorbehalt, wie etwa die Anzahl der im Unternehmen Beschäftigten (Nebenbestimmung II.1.) oder gewisse in den Nebenbestimmungen II.4. bis 8. geregelte Modalitäten. 95Demgegenüber kann der Bescheid hinsichtlich der Höhe der Soforthilfe und damit des Behaltendürfens des Gesamtbetrages so verstanden werden, dass er unter dem Vorbehalt einer späteren endgültigen Entscheidung stand. Dieser Vorbehalt betrifft die Regelung unter Ziffer 1., mit der die Bewilligung eines Betrages von 9.000,00 Euro ausgesprochen wurde. Dass sich weder in Ziffer 1. noch an anderer Stelle des Bescheides die Worte „Vorbehalt“, „vorläufig“ oder dergleichen finden, steht der Annahme einer vorläufigen Regelung nicht zwingend entgegen. Denn die Formulierung der in Ziffer 1. getroffenen Regelung, die Umstände des Antragsverfahrens sowie der Zusammenhang mit dem Inhalt der Nebenbestimmung II.3. ermöglichen auch ohne explizite Wortwahl eine Deutung, wonach der Zuwendungsbetrag unter dem Vorbehalt einer späteren Entscheidung gewährt wurde. Die Nebenbestimmung II.3. enthielt folgende Regelung: „Sollten Sie am Ende des dreimonatigen Bewilligungszeitraums feststellen, dass diese Finanzhilfe höher ist als Ihr Umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter Kosten (z.B. Mietminderung) und Sie die Mittel nicht (vollständig) zur Sicherung Ihrer wirtschaftlichen Existenz bzw. Ausgleich Ihres Liquiditätsengpasses benötigen, sind die zu viel gezahlten Mittel […] zurückzuzahlen.“ Damit wurde die endgültige Höhe der unter Ziffer 1. bewilligten Soforthilfe von einer zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses unbekannten Größe, die erst am Ende des dreimonatigen Bewilligungszeitraums feststand, abhängig gemacht. Die Vorläufigkeit der Regelung bezüglich der Höhe der Soforthilfe kam auch in Ziffer 1. ansatzweise zum Ausdruck. Dort hieß es, dass eine Soforthilfe in Höhe von 9.000,00 Euro als „einmalige Pauschale“ gewährt werde. Im Gesamtkontext konnte diese Formulierung zumindest auch so verstanden werden, dass zunächst ein Betrag in toto gezahlt wurde, dessen endgültige, genaue Höhe zu einem späteren Zeitpunkt bestimmt werden musste. Denn in Ziffer 1. wurde klargestellt, dass die Bewilligung aufgrund des Programms zur Gewährung von Soforthilfen aus dem Bundesprogramm „Soforthilfen für Kleinstunternehmen und Selbstständige“ und dem ergänzenden Landesprogramm „NRW-Soforthilfe 2020“ erfolge. In den vom damaligen Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hierzu online veröffentlichten Kurzfakten vom 30. März 2020 ging aus der Antwort zu der Frage, „Wie wird hinterher geprüft, ob nicht eine „Überkompensation“ vorlag?“, hervor, dass es bei der Antragstellung auf einen „voraussichtlichen Liquiditätsengpass“ ankam, welcher später mit den tatsächlichen Zahlen des Unternehmens abzugleichen sei. Zudem enthielt auch die Nebenbestimmung in Ziffer II.3. des Bewilligungsbescheides den Hinweis auf das am Ende des Bewilligungszeitraums durchzuführende Rückmeldeverfahren, welches eine Rückzahlungspflicht zur Folge haben könne. 96Dass die Bezirksregierung Düsseldorf selbst von einer vorläufigen Bewilligung der Finanzhilfe ausging, hat schließlich in der Begründung des Rückforderungsverlangens in Ziffer II.3. der Gründe des Schlussbescheides ihren Ausdruck gefunden. Dort hat sich die Behörde auf eine entsprechende Anwendung von § 49a Abs. 1 VwVfG NRW unter Heranziehung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur vorläufigen Bewilligung einer Leistung berufen sowie darauf hingewiesen, dass die Leistung wegen des zunächst noch unbekannten Liquiditätsengpasses zunächst nur vorläufig bewilligt worden sei und der Schlussbescheid den vorläufigen Bescheid „hinsichtlich der Höhe des Soforthilfe-Betrages“ ersetze. 97Kann somit einerseits bezüglich der Höhe der Zuwendung unterstellt werden, diese sei unter Vorbehalt gestellt worden, so hat die Bezirksregierung Düsseldorf aber andererseits mit der Ausgestaltung der Nebenbestimmung II.3. des Bewilligungsbescheides zu erkennen gegeben, welche Parameter sie einer späteren Berechnung des Förderbetrages zugrunde legen wollte. Diese Vorgaben „Finanzhilfe höher […] als Ihr Umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter Kosten“, „Mittel nicht vollständig zur Sicherung Ihrer wirtschaftlichen Existenz bzw. Ausgleich Ihres Liquiditätsengpasses benötigen“ schränken, ebenso wie die in Ziffer 2. bezeichnete Zweckbindung, ihrerseits die Vorläufigkeit des Bescheides wieder ein, indem die endgültige Regelung sich an diesen zu orientieren hat. Unabhängig davon, wie diese zu verstehen sind, hat die Behörde mit ihnen bereits Berechnungsgrößen für die endgültige Höhe der Soforthilfe bzw. für das Bestehen einer Rückzahlungsverpflichtung aufgestellt. An diesen selbst geschaffenen Vorgaben muss sie – und damit das beklagte Land – sich festhalten lassen; etwaige Fehler gehen zu ihren Lasten, weil die Behörde es zu jenem Zeitpunkt in der Hand gehabt hat, eine andere Regelung zu treffen, wie dies offenbar in anderen Bundesländern geschehen ist. Nach welchen Parametern man die endgültige Berechnung des Förderbetrages später durchführen wollte, hing auch nicht von einem zum Zeitpunkt des Erlasses des Bewilligungsbescheides noch unbekannten und daher eine vorläufige Regelung rechtfertigendem Umstand ab, sondern war allein Gegenstand einer politischen Entscheidung, die zu diesem Zeitpunkt schon getroffen werden konnte und mit der Formulierung des Bewilligungsbescheides auch bereits getroffen wurde. 98b. Die Entscheidung der Bezirksregierung Düsseldorf, im Schlussbescheid einen Liquiditätsengpass in Höhe von 2.000,00 Euro festzustellen (Ziffer 1.), die Soforthilfe in dieser Höhe festzusetzen (Ziffer 2.) und ihre Bewertung, dass „die Voraussetzungen für die […] Höhe […] der Billigkeitsleitung nicht mehr vorliegen oder eine Überkompensation eingetreten“ und diese Überkompensation von 7.000,00 Euro zurückzuzahlen ist (so ausdrücklich die Gründe des angegriffenen Schlussbescheides, S. 3 Ziffer II.3.), erweist sich selbst bei der vorgenannten Annahme der teilweisen Vorläufigkeit des Bewilligungsbescheides als rechtsfehlerhaft. Denn sie beruht auf einem Verständnis von den Begriffen des Liquiditätsengpasses bzw. der Überkompensation, die im insoweit maßgeblichen und endgültige Vorgaben treffenden Bewilligungsbescheid keine Grundlage finden. Aus diesem Grunde konnte der Schlussbescheid den Bewilligungsbescheid insoweit nicht rechtmäßigerweise ersetzen. 99aa. Die bereits endgültigen Vorgaben im Bewilligungsbescheid zu den Parametern der späteren Berechnung des Förderbetrages sind für die Rechtmäßigkeit des Schlussbescheides maßgeblich. 100Die Zuwendung wurde dem Kläger nicht auf Grund eines Gesetzes oder anderer Rechtsnormen gewährt, aus denen sich eine unmittelbare Bindung für den Beklagten und unmittelbare Rechtsansprüche für den Kläger ergäben. Vielmehr wurde der Bewilligungsbescheid nach Maßgabe des Programms zur Gewährung von Soforthilfen aus dem Bundesprogramm „Soforthilfen für Kleinstunternehmen und Selbstständige" und dem ergänzenden Landesprogramm „NRW-Soforthilfe 2020“ erlassen (vgl. insoweit auch den Kopf sowohl des Bewilligungs- als auch des Schlussbescheides). Bei diesen – wie auch bei der später erlassenen Richtlinie vom 31. Mai 2020 – handelt es sich um Verwaltungsvorschriften, die grundsätzlich nur dazu bestimmt sind, für die Verteilung von Billigkeitsleistungen Maßstäbe zu setzen und das Ermessen der für die Verteilung der jeweiligen Leistungen bestimmten Stellen zu lenken. Nach gefestigter verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung begründen Verwaltungsvorschriften nicht wie Gesetzes- und Rechtsvorschriften bereits durch ihr Vorhandensein subjektive Rechte. Sie unterliegen daher auch keiner eigenständigen richterlichen Auslegung wie Rechtsnormen, 101vgl. BVerwG, Urteil vom 8. April 1997 – 3 C 6/95 –, juris; BVerwG, Urteil vom 2. Februar 1995 – 2 C 19/94 –, juris; OVG NRW, Beschluss vom 12. August 2016 – 15 A 1822/15 –, juris; OVG Lüneburg, Urteil vom 23. Januar 2014 – 8 LA 144/13 –, juris. 102Allerdings vermögen Verwaltungsvorschriften über die ihnen zunächst nur innewohnende interne Bindung hinaus in Verbindung mit dem grundgesetzlichen Gleichheitsgebot (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz – GG) sowie dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Gebot des Vertrauensschutzes (Art. 20 Abs. 1 GG) eine anspruchsbegründende Außenwirkung im Verhältnis zum Bürger zu eröffnen. Jeder Anspruchsteller hat dann einen Anspruch darauf, entsprechend den aufgestellten Richtlinien behandelt zu werden. Entscheidend ist, wie die zuständigen Behörden die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt ihrer Entscheidung in ständiger Praxis gehandhabt haben und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz (Artikel 3 Abs. 1 GG) gebunden sind, 103vgl. BVerwG, Urteil vom 8. April 1997 – 3 C 6/95 –, juris; BVerwG, Urteil vom 23. April 2003 – 3 C 25/02 –, juris; OVG NRW, Beschluss vom 12. August 2016 – 15 A 1822/15 –, juris. 104Der tatsächlichen Verwaltungspraxis im Entscheidungszeitpunkt kommt damit entscheidende Bedeutung zu. Wenn sich die Behörde an ihre Verwaltungsvorschriften hält, ist sie daher durch das Gleichbehandlungsgebot verpflichtet, dies auch weiterhin zu tun, sofern nicht sachliche Gründe im Einzelfall eine Abweichung rechtfertigen oder gar gebieten. Weicht sie hingegen generell von den Verwaltungsvorschriften ab, so verlieren diese insoweit ihre ermessensbindende Wirkung; ob das Verwaltungshandeln mit dem Gleichbehandlungsgebot vereinbar ist, beurteilt sich dann nur nach der tatsächlichen Verwaltungspraxis im Entscheidungszeitpunkt, 105vgl. BVerwG, Urteil vom 25. April 2012 – 8 C 18/11 –, juris; vgl. zur Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung aus dem Zuwendungsrecht auf Billigkeitsleistungen: VG Würzburg, Urteil vom 3. August 2020 – W 8 K 20.743 –, juris; VG München, Beschluss vom 25. Juni 2020 – M 31 K 20.2261 –, juris. 106Nach ihrer Entscheidung, mithin nach Erlass des Zuwendungsbescheides, kann die Bewilligungsbehörde die darin verwandten Begrifflichkeiten nicht mehr frei auslegen. Der Bescheid hat insoweit Fakten geschaffen, über die sie sich nicht mehr nach Ermessen hinwegsetzen kann. Der Zuwendungsempfänger muss sich auf die im Antragsverfahren gleichmäßig ausgeübte Verwaltungspraxis und den Inhalt des Bewilligungsbescheides einstellen können, 107vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. März 2018 – 4 A 182/16 –, juris; OVG NRW, Beschluss vom 11. Juni 2016 – 4 A 1983/13 –, juris; vorgehend erkennende Kammer, Urteil vom 17. Juli 2013 – 20 K 7520/12 – juris. 108Die im Bewilligungsbescheid vom 1. April 2020 zum Ausdruck gekommene Verwaltungspraxis ist demnach maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des ihn (teilweise) ersetzenden Schlussbescheides vom 6. Dezember 2020. Das bedeutet zugleich, dass nach seinem Erlass in Kraft getretene Regelwerke oder spätere Informationen, die von jenen bis zum Erlasszeitpunkt abweichen, nicht zu berücksichtigen sind. Dem steht nicht entgegen, dass der Bescheid die oben beschriebenen vorläufigen Elemente enthält. Die Vorläufigkeit bezieht sich, wie dargelegt, auf die Höhe der Zuwendung, die im jeweiligen Einzelfall erst zu einem späteren Zeitpunkt endgültig berechnet werden sollte. Welche Maßgaben für diese Berechnung gelten sollten, war jedoch Bestandteil der Verwaltungspraxis im Antragsverfahren und bei Erlass der Bewilligungsbescheide und fand Eingang in die in sämtlichen Bescheiden verwendeten Formulierungen in Ziffern 2. und 3. sowie II.3. Deren Verständnis – ausgerichtet am objektiven Empfängerhorizont – ist mithin ausschlaggebend für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Schlussbescheides. Nur hinsichtlich der aufgrund dieser Berechnungsmodalitäten zu ermittelnden Höhe – nicht bezüglich der Parameter selbst – stand der Ausgangsbescheid unter dem Vorbehalt der Ersetzung durch den Schlussbescheid. Den nicht unter Vorbehalt gestellten Teil des Bewilligungsbescheides kann die Behörde nur unter den Voraussetzungen der §§ 48 ff. VwVfG NRW aufheben, weil er mit seiner Bekanntgabe Bindungswirkung entfaltet hat. 109Das vom Beklagten herangezogene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. April 1997, 110– 3 C 6/95 –, juris, 111rechtfertigt keine abweichende Sichtweise. Der dort entschiedene Fall unterscheidet sich von dem hier streitgegenständlichen insbesondere dadurch, dass der Zuwendungsbescheid erst nach Inkrafttreten der geänderten Richtlinie erlassen wurde. Die Frage, ob der dortige Kläger, der jahrelang Zuschüsse nach Maßgabe der vorherigen Richtlinie erhalten hatte, sich auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen konnte, stellt sich hier nicht. Denn der Bewilligungsbescheid vom 1. April 2020 wurde auf der Grundlage einer bestimmten Verwaltungspraxis erlassen, die die Bezirksregierung Düsseldorf gegenüber allen Leistungsempfängern gleichermaßen ausgeübt hatte. Von dieser Verwaltungspraxis hätte eine Richtlinie nur bis zum maßgeblichen Zeitpunkt des vertrauensbildenden Bewilligungsbescheides abweichen können und damit ihrerseits eine (neue oder veränderte) Verwaltungshandhabung begründen können. 112bb. Legt man die danach maßgeblichen endgültigen Vorgaben im Bewilligungsbescheid zu den Parametern der späteren Berechnung des Förderbetrages nach dem objektiven Empfängerhorizont aus, sind die Festsetzungen zum Liquiditätsengpass und zur Höhe der Soforthilfe in den Ziffern 1. und 2. des Schlussbescheides sowie die Begründung hierzu gemessen an diesen Vorgaben materiell rechtswidrig. Die Bezirksregierung Düsseldorf hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass ein Liquiditätsengpass von 2.000,00 Euro vorliegt und die Soforthilfe nur noch 2.000,00 Euro beträgt. 113(1) Im Hinblick auf die materielle Rechtswidrigkeit dieser Regelungen kann die formelle Rechtmäßigkeit des Bescheides, insbesondere die Erforderlichkeit einer Anhörung gem. § 28 Abs. 1 VwVfG NRW, dahinstehen. 114(2) Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Bewilligungsbescheides richtete die Bezirksregierung Düsseldorf – wie dargelegt – ihre Verwaltungspraxis an dem Programm zur Gewährung von Soforthilfen aus dem Bundesprogramm „Soforthilfen für Kleinstunternehmen und Selbstständige" und dem ergänzenden Landesprogramm „NRW-Soforthilfe 2020“ aus. Die Richtlinien des Landes NRW „zur Gewährung von Soforthilfen für gewerbliche Kleinunternehmen, Selbstständige und Angehörige Freier Berufe, die infolge der Sars-CoV-2-Pandemie in ihrer Existenz gefährdet sind (NRW-Soforthilfe 2020)“ vom 31. Mai 2020 waren noch nicht in der Welt. Gleiches gilt für die vom Beklagten unter dem 3. Juli 2020, 5. Oktober 2020, 2. Dezember 2020 sowie 14. Juni 2021 versandten Emails an sämtliche Antragsteller. Im Verwaltungsverfahren vor Erlass des Zuwendungsbescheides stellte das beklagte Land (und ebenso der Bund) den Antragstellern – auch dem Kläger – eine Vielzahl von online abrufbaren Hinweisen, insbesondere die sog. FAQ, bereit. Diese spiegeln die Verwaltungspraxis des Beklagten bzw. der Bezirksregierung Düsseldorf als Bewilligungsbehörde des Landes wider. Diese Verwaltungspraxis lässt sich wie folgt zusammenfassen: Versicherte ein Anspruchsteller, dass seine wirtschaftliche Tätigkeit durch die Corona-Krise wesentlich beeinträchtigt war, erhielt er eine (vorläufige) Pauschale in einer Höhe, die von der Anzahl der bei ihm Beschäftigten abhing; hatte er – wie der Kläger – 00 Beschäftigte, erhielt er 9.000,00 Euro. Wie das Land die „wesentliche Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Tätigkeit“ definierte, ließ sich an den oben wiedergegebenen Voraussetzungen im Antragsformular (dortige Ziffer 6.1) ablesen. Antragsteller, die – wie der Kläger – erklärten, diese Voraussetzungen zu erfüllen, erhielten (bei Vorliegen der weiteren Erfordernisse) einen Zuwendungsbescheid. In diesem wurde ebenfalls auf das Bestehen einer finanziellen Notlage, die Überbrückung von Liquiditätsengpässen bzw. die Kompensation der wirtschaftlichen Engpässe abgestellt, ohne diese genau zu umschreiben. Namentlich in Ziffer 2. wurde die Zweckbindung der Soforthilfe so beschrieben, dass sie „zur Milderung der finanziellen Notlage“ „als Einmalzahlung für einen Bewilligungszeitraum von drei Monaten ab Antragstellung“ erfolge und „insbesondere zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen“ diene. Der Nebenbestimmung II.3. konnten die Anspruchsteller einen Anhaltspunkt dafür entnehmen, nach welchen Maßgaben die mit dieser Zweckbindung erhaltene Soforthilfe zurückzuzahlen sei. Diese stellte zwei kumulative („und“) Voraussetzungen für eine Rückzahlungspflicht am Ende des dreimonatigen Bewilligungszeitraums auf: 115- Die Finanzhilfe war höher als der Umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter Kosten. 116- Die Mittel wurden nicht (vollständig) zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenz bzw. Ausgleich des Liquiditätsengpasses benötigt. 117Im Einzelnen: 118Die Bezirksregierung Düsseldorf hat ihre Vergabepraxis auch auf das Bundesprogramm „Corona-Soforthilfen für Kleinstunternehmen und Selbständige“ gestützt. Potentiellen Anspruchsberechtigten standen hierzu sog. Kurzfakten zur Verfügung, in denen es u.a. heißt (Stand 30. März 2020): S. 1 Ziffer 2: „Die Soforthilfe dient der Sicherung der wirtschaftlichen Existenz der Unternehmen und zur Überbrückung von akuten Liquiditätsengpässen.“ Ziffer 7: „Eine Kumulierung mit anderen Hilfen […] ist grundsätzlich möglich. Eine Überkompensation ist aber zurückzuzahlen.“ S. 2: „Wie wird hinterher geprüft, ob nicht eine Überkompensation vorliegt? […] Der Antragsteller legt bei der Angabe, in welcher Höhe er die Billigkeitsleitung beantragt, seinen voraussichtlichen Liquiditätsengpass zugrunde. Dieser wird auf der Basis seines voraussichtlichen Umsatzes sowie des betrieblichen Sach- und Finanzaufwands für die drei auf die Antragstellung folgenden Monate ermittelt. Sofern die Soforthilfe wie beantragt bewilligt wird und später festgestellt wird, dass der Sach- und Finanzaufwand des Unternehmens oder die tatsächliche Umsatzeinbuße doch geringer war, ist das Unternehmen zu einer Rückzahlung des überzahlten Betrags verpflichtet. Auch durch die Kombination von mehreren Hilfsprogrammen kann es zu einer Überkompensation kommen.“ 119An mehreren Stellen werden die Formulierungen „wirtschaftliche Existenz“ sowie „Liquiditätsengpass“ gebraucht (auch auf S. 1 Ziffer 3 und S. 2), ohne dass diese definiert würden. Bei der Beantwortung der Frage, wie geprüft werde, ob eine „Überkompensation“ vorliege, wird explizit eine Umsatzeinbuße zur Voraussetzung für eine Rückerstattungsspflicht gemacht. 120Das beklagte Land hat dieses Bundesprogramm erweitert und das Landesprogramm „NRW-Soforthilfe 2020“ ins Leben gerufen. Hierzu stellte es Antragstellern auf der Internetpräsenz des damaligen Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie NRW Hinweise und FAQ zur Verfügung. 121In den FAQ 1 vom 25. März 2020 hieß es für die Anspruchsvoraussetzungen zu der Frage, „Was wird gefördert?“: „Die Unternehmen sollen bei der Sicherung ihrer wirtschaftlichen Existenz und Überbrückung von akuten Finanzierungsengpässen, u.a. für laufende Betriebskosten wie Mieten, Kredite für Betriebsräume, Leasingraten u.ä. sowie den Erhalt von Arbeitsplätzen durch einen Zuschuss unterstützt werden. […] Voraussetzung: erhebliche Finanzierungsengpässe und wirtschaftliche Schwierigkeiten in Folge von Corona. Dies wird angenommen wenn, 122- sich für den Monat, in dem der Antrag gestellt wird, Umsatz- bzw. Honorarrückgang von mindestens 50 Prozent verglichen mit dem durchschnittlichen monatlichen Umsatz (bezogen auf den aktuellen und die zwei vorangegangenen Monate) im Vorjahr ergibt [….] oder 123- der Betrieb auf behördliche Anordnung wegen der Corona-Krise geschlossen wurde oder 124- die vorhandenen Mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen Verbindlichkeiten des Unternehmens (bspw. Mieten, Kredite für Betriebskosten, Leasingraten) zu zahlen (=Finanzierungsengpass).“ 125In den FAQ 2 vom 26. März 2020 wurden die Voraussetzungen um eine vierte Möglichkeit zum Auftragseinbruch ergänzt und wie folgt umformuliert: 126- „mehr als die Hälfte der Aufträge aus der Zeit vor dem 1. März durch die Corona-Krise weggefallen sind […] oder 127- sich für den Monat, in dem der Antrag gestellt wird, Umsatz- bzw. Honorarrückgang von mindestens 50 Prozent verglichen mit dem durchschnittlichen monatlichen Umsatz (bezogen auf den aktuellen und die zwei vorangegangenen Monate) im Vorjahr ergibt. [….] oder 128- der Umsatz durch eine behördliche Auflage im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie massiv eingeschränkt wurde oder 129- die vorhandenen Mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen Verbindlichkeiten des Unternehmens (bspw. Mieten, Kredite für Betriebskosten, Leasingraten) zu zahlen (= Finanzierungsengpass).“ 130In den FAQ 3 (Datum nach Anlage B2 unbekannt; Datum der Speicherung: 25. März 2020) wurden die Voraussetzungen dann im Wesentlichen unverändert final umformuliert: 131- „mehr als die Hälfte der Aufträge aus der Zeit vor dem 1. März durch die Corona-Krise weggefallen ist […] oder 132- die Umsätze gegenüber dem Vorjahresmonat mehr als halbiert sind (für einen noch im März oder April gestellten Antrag werden die Umsätze im März 2020 gegenüber dem Monat März 2019 zugrunde gelegt). Kann der Vorjahresmonat nicht herangezogen werden (z.B. bei Gründungen), gilt der Vormonat. oder 133- die Möglichkeiten den Umsatz zu erzielen durch eine behördliche Auflage im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie massiv eingeschränkt wurde oder 134- die vorhandenen Mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen Verbindlichkeiten des Unternehmens (bspw. Mieten, Kredite für Betriebskosten, Leasingraten) zu zahlen (=Finanzierungsengpass).“ 135Diese Spiegelstrich-Voraussetzungen mündeten fast wortgleich in das Antragsformular, das die Antragsteller – so auch der Kläger – online einreichen mussten. Von einem Liquiditätsengpass ist an keiner Stelle die Rede, geschweige denn, dass er definiert würde. Vielmehr wird durchgängig der Begriff „Finanzierungsengpass“ verwendet. Dieser war – gemessen an den zum Antragszeitpunkt feststehenden Zahlen eines Antragstellers – Bedingung für das Entstehen eines Anspruchs. Zwar entspricht der vierte Spiegelstrich der Anspruchsvoraussetzungen „die vorhandenen Mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen Verbindlichkeiten des Unternehmens (bspw. Mieten, Kredite für Betriebskosten, Leasingraten) zu zahlen“ im Wesentlichen der späteren Definition des Liquiditätsengpasses in Ziffer 5.3 Abs. 2 der Richtlinie. In den FAQ war dieser Spiegelstrich jedoch lediglich als eine von vier alternativen Möglichkeiten („oder“) vorgesehen, um die Anspruchsberechtigung zu begründen. 136Zu den Fragen „Wird geprüft, ob dem Antragsteller die Hilfe auch wirklich zugestanden hat und wenn nein, muss die Hilfe ggfls. zurückgezahlt werden?“ und „Wird immer der Maximalbetrag ausgezahlt?“ und „Wie ist eine Überkompensation definiert?“ wurden folgende Antworten gegeben: 137- „Wird geprüft, ob dem Antragsteller die Hilfe auch wirklich zugestanden hat und wenn nein, muss die Hilfe ggfls. zurückgezahlt werden? 138Der Antragsteller versichert im Formular, dass er alle Angaben nach bestem Wissen und Gewissen und wahrheitsgetreu gemacht hat. Falsche Angaben, die zu einer unberechtigten Inanspruchnahme der Leistung führen, sind Subventionsbetrug. Die Leistung muss dann nicht nur zurückgeführt werden, es kann dann zu einer strafrechtlichen Verfolgung kommen. […] Der Zuschuss wird als sogenannte Billigkeitsleistung ausgezahlt. Auch im Falle einer Überkompensation (z.B. durch Versicherungsleistung oder andere Fördermaßnahmen) muss die erhaltene Soforthilfe zurückgezahlt werden. Stellt sich am Ende der Bezugszeit von drei Monaten heraus, dass der Antragsteller mehr erhalten hat, als sein Schaden war, ist er gehalten, das überschüssige Geld zurückzuzahlen. Hierauf wird noch einmal separat im Bescheid hingewiesen.“ 139- „Wird immer der Maximalbetrag ausgezahlt? 140Ja. Die Zuschüsse sind nach Mitarbeiterzahl gestaffelt. Innerhalb der entsprechenden Staffelung erhalten Sie den vollen Betrag. Bis zu 5 Mitarbeiter 9.000 Euro, bei bis zu 10 Mitarbeitern 15.000 Euro und bei bis zu 50 Mitarbeitern 25.000 Euro. Bei Überkompensation sind die Beträge zurückzuzahlen (s.o.). Entsprechende Hinweise und die Kontonummer für die Rückzahlung zuviel erhaltener Soforthilfen enthält der Bewilligungsbescheid.“ 141- „Wie ist eine Überkompensation definiert?“ 142In der Fassung 2 (vom 26. März 2020): „Eine Überkompensation entsteht dann, wenn der Antragsteller mehr Zuwendungen erhält, als erforderlich wären, um den Finanzierungsengpass zu beseitigen.“ 143Ab der Fassung 3 (Datum nach Anlage B2 unbekannt; Datum der Speicherung: 25. März 2020): „Eine Überkompensation entsteht dann, wenn der Antragsteller mehr Zuwendungen erhält, als sein tatsächlich eingetretener Schaden – also insbesondere der durch die Corona-Krise eingetretene Umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter Kosten (z.B. Mietminderung) ist. Eine Überkompensation ist nach der dreimonatigen Förderphase zurückzuerstatten.“ 144In Abgrenzung zu den anspruchsbegründenden Voraussetzungen, die einen Finanzierungsengpass erforderten, wurde für die Rückzahlungspflicht am Ende des Bewilligungszeitraums auf eine „Überkompensation“ – gemessen an den dann erst feststehenden Zahlen aus dem Bewilligungszeitraum – abgestellt. Als Beispiele für eine solche nannten die FAQ „z.B. durch Versicherungsleistung oder andere Fördermaßnahmen“. Nach der ab Fassung 3 der FAQ (Datum nach Anlage B2 unbekannt; Datum der Speicherung: 25. März 2020; FAQ 4 datiert vom 28. März 2020) unverändert geltenden Definition in den FAQ tritt eine Überkompensation ein, wenn der Antragsteller mehr Zuwendungen erhalten hat, als sein tatsächlich eingetretener Schaden, also insbesondere der durch die Corona-Krise eingetretene Umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter Kosten (z.B. Mietminderung), ist. Auch hier wird maßgeblich auf einen Umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter Kosten abgestellt. Der Begriff des „Liquiditätsengpasses“ fällt in diesem Zusammenhang in den FAQ nicht. 145Schließlich enthält der Bewilligungsbescheid – wie erwähnt – in Ziffer 2. (Zweckbindung) die Formulierungen „zur Milderung der finanziellen Notlage“ und „insbesondere zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen“. Aus der Nebenbestimmung II.3. ergaben sich zwei kumulative Voraussetzungen für eine Rückzahlungspflicht am Ende des dreimonatigen Bewilligungszeitraums, nämlich dass die „Finanzhilfe höher ist als Ihr Umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter Kosten (z.B. Mietminderung) und Sie die Mittel nicht (vollständig) zur Sicherung Ihrer wirtschaftlichen Existenz bzw. Ausgleich Ihres Liquiditätsengpasses benötigen“. Der Ausdruck „Überkompensation“ findet sich im Bescheid nicht; welche Bedeutung dem Begriff „Liquiditätsengpass“ zukommen soll, wird nicht umschrieben. Die Nebenbestimmung II.3. gab den maßgeblichen Anhaltspunkt dafür, wie die Zuwendungsempfänger später ihre Rückmeldung durchführen sollten; aus ihr ergab sich auch der Umfang der Vorläufigkeit des Verwaltungsaktes; hier wurden die Berechnungsmodalitäten für die spätere Feststellung einer – an dieser Stelle nicht so genannten – Überkompensation festgelegt. Wenn sie auch mehr als missverständlich formuliert ist, so konnten die Bescheidadressaten – auch der Kläger – ihr immerhin entnehmen, dass eine Rückzahlungspflicht bereits dann ausgeschlossen sein sollte, wenn der Umsatzausfall die Finanzhilfe überstieg. Insoweit korrelierte die Bestimmung mit den FAQ. Wie die zweite Voraussetzung zu verstehen ist, die die Bezeichnungen „wirtschaftliche Existenz“ und „Liquiditätsengpass“ aufnimmt, wird weder aus sich heraus noch im Kontext mit dem übrigen Inhalt des Bescheides deutlich. Vielmehr lag für einen durchschnittlichen Antragsteller nach der Lektüre der FAQ und der ersten Voraussetzung der Nebenbestimmung II.3. nahe, dass eine Verpflichtung zur Rückzahlung der zunächst erhaltenen Soforthilfe dann in Betracht kam, wenn er am Ende des dreimonatigen Bewilligungszeitraums feststellte, dass seine tatsächliche Umsatzeinbuße doch geringer war als zunächst angenommen. Mit anderen Worten, dass Maßstab für eine Erstattungspflicht eine „Überkompensation“ war, die im Wesentlichen von Umsatzeinbußen und ersparten Aufwendungen abhing. 146Festzuhalten ist mithin, dass die Verwaltungspraxis des beklagten Landes bzw. der Bezirksregierung Düsseldorf bis zum Erlass der jeweiligen Bewilligungsbescheide durch eine Vielzahl von Informationen gekennzeichnet war, die aus sich heraus entweder nicht ohne Weiteres verständlich waren oder jedenfalls keinen eindeutigen – schon gar nicht begrifflich erläuterten – Hinweis auf die Voraussetzungen für eine spätere Rückzahlungspflicht gaben. Nachvollziehbar für die Anspruchsteller war immerhin, dass sich die anspruchsbegründenden Voraussetzungen von jenen des späteren Rückmeldeverfahrens unterschieden. Unter welchen Bedingungen es zu einer Rückerstattung kommen würde, blieb aber weitgehend unklar. Das gilt namentlich für den den Schlusspunkt des Zuwendungsverfahrens setzenden Bewilligungsbescheid. Hier (in der Nebenbestimmung II.3.) wie auch in den den Antragstellern zuvor zur Verfügung gestellten Informationen wird eher der Eindruck erweckt, es komme darauf an, wie sich der Umfang der Umsatzeinbußen im dreimonatigen Bewilligungszeitraum gestalten werde. Werde die Soforthilfe höher sein als der Umsatzausfall (abzüglich eingesparter Kosten), so dürften die zu viel erhaltenen Mittel nicht behalten werden. Dies wird zum Teil auch als „Überkompensation“ bezeichnet. Soweit der Begriff „Liquiditätsengpass“ überhaupt gebraucht wird – im Antragsformular findet er sich nicht –, wird nicht deutlich, was unter ihm zu verstehen ist. Dass ihm ein Verständnis im Sinne der Anforderungen der späteren Richtlinie beizulegen wäre, ist weder den FAQ noch dem Bewilligungsbescheid aus der Sicht eines durchschnittlichen Adressaten zu entnehmen. Soweit in der Nebenbestimmung II.3. auf einen Liquiditätsengpass abgestellt wird, handelt es sich lediglich um eine zweite Voraussetzung für eine Rückerstattungspflicht. Mit anderen Worten: Die Rückzahlungspflicht wird hiernach nicht ausgelöst, wenn bereits die erste Bedingung nicht erfüllt ist, wenn also die Finanzhilfe nicht höher ist als der Umsatzausfall. Liegt die erste Voraussetzung vor, ist die zweite zu prüfen. Jedoch bleibt auch hier völlig unklar, was unter Liquiditätsengpass zu verstehen und wie dieser zu berechnen ist. Solche Unklarheiten gehen zu Lasten der Behörde, 147vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1983 – 7 C 70/80 –, juris; VG Hamburg, Urteil vom 14. März 2020 – 17 K 4793/21 –, juris; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwvfG, 9. Auflage 2018, § 35 Rn. 80 m.w.N.; von Alemann/Scheffczyk, in: Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, Stand: 1. Januar 2022, § 35 Rn. 46 m.w.N. 148Im Kontext mit den Gegebenheiten des Verwaltungsverfahrens durfte der Kläger davon ausgehen, die Soforthilfe nur dann (teilweise) erstatten zu müssen, wenn er am Ende des dreimonatigen Bewilligungszeitraumes feststellte, dass die Zuwendung höher war als der Umsatzausfall (abzüglich eingesparter Kosten), wenn also eine Überkompensation in diesem Sinne vorlag. Da seine Umsatzeinbuße unstreitig die Höhe der Soforthilfe von 9.000,00 Euro überstieg, durfte er annehmen, die Mittel behalten zu dürfen. Wäre dies nicht der Fall gewesen, wäre nach dem oben Gesagten allerdings im Dunkeln geblieben, wann die Voraussetzungen der zweiten Alternative der Nebenbestimmung II.3. vorgelegen hätten. Denn – wie bereits ausgeführt – wurde im Bewilligungsverfahren der Begriff des „Liquiditätsengpasses“ nicht definiert. Lediglich der ähnliche Begriff des „Finanzierungsengpasses“ wurde im Bewilligungsverfahren definiert, allerdings nur im Rahmen der vier alternativ erfüllbaren Anspruchsvoraussetzungen und gemessen an den bei Antragstellung feststehenden wirtschaftlichen Zahlen der Antragsteller. Eine Übertragung dieser Definition auf eine Rückzahlungspflicht am Ende des Bewilligungszeitraumes gemessen an den dann feststehenden wirtschaftlichen Zahlen der Antragsteller aus diesem Bewilligungszeitraum macht keinen Sinn bzw. ist zumindest nicht aus sich heraus verständlich. Eine solche missverständliche Fassung der Nebenbestimmung II.3. geht – wie ebenfalls bereits ausgeführt – nicht zu Lasten des Klägers. 149Dass die Bezirksregierung Düsseldorf dem Schlussbescheid vom 6. Dezember 2020 nicht die beschriebenen – wenngleich missverständlichen – Parameter für die Berechnung einer etwaigen Rückzahlungspflicht zugrunde gelegt hat, führt dazu, dass der Schlussbescheid (insoweit) den Bewilligungsbescheid nicht ersetzen kann. Werden die Regelungen des Schlussbescheides mit jenen des Bewilligungsbescheides abgeglichen, ist ersichtlich, dass diesen ein anderes Verständnis der Rückzahlungsbedingungen immanent ist, als es sich aus dem auf der Basis der Förderpraxis ergangenen Bewilligungsbescheid ergibt. Im Schlussbescheid ist nur noch von einem „Liquiditätsengpass“ die Rede (insbesondere in der Überschrift, im Eingangssatz, in Ziffer 1. sowie mehrfach in der Begründung); die Formulierungen „finanzielle Notlage“, „wirtschaftliche Engpässe“ o.ä. wurden nicht aufgenommen. In den Gründen unter II.3. findet sich der Ausdruck der „Überkompensation“, die 7.000,00 Euro betrage. Das Verständnis des Begriffs des Liquiditätsengpasses im Schlussbescheid beruht auf der Definition der zu diesem Zeitpunkt bereits erlassenen Richtlinie des Landes. Erstmals wird dort präzise umschrieben, dass der Liquiditätsengpass sich aus der Differenz zwischen den tatsächlichen fortlaufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb und den tatsächlichen laufenden, erwerbsmäßigen Sach- und Finanzausgaben (ohne Personalaufwand) unter Berücksichtigung eingesparter Kosten im Erfassungszeitraum ergibt (Ziffer 5.3. Abs. 2). Dieses Verständnis ließ sich den Umständen des Antragsverfahrens nicht entnehmen, auch nicht dem Bewilligungsbescheid selbst. Nach den vorstehenden Ausführungen ist nicht maßgeblich, wie die den Antragstellern zum Zeitpunkt des Erlasses der Bewilligungsbescheide noch nicht bekannten Bestimmungen der Richtlinie lauteten. Diese Vorschriften wären im vorliegenden rechtlichen Zusammenhang allenfalls dann relevant, wenn ihr Wortlaut mit dem Verwaltungshandeln und den Begrifflichkeiten des Erstbescheides übereinstimmte. Da er indes von der Verwaltungspraxis abweicht, kommt es auf die Praxis, nicht auf die Ausgestaltung der Verwaltungsvorschrift an. Dies gilt auch deshalb, weil die Bewilligungsbehörde gegenüber den Zuwendungsempfängern im Ausgangsbescheid nicht zum Ausdruck gebracht hat, dass die Modalitäten der Rückzahlung von einer noch zu erlassenen Richtlinie abhängen sollten. 150Beruhten die im angegriffenen Schlussbescheid getroffenen Festsetzungen zum Liquiditätsengpass, zur Höhe der Soforthilfe und zur Höhe der Rückzahlungspflicht somit auf einer Berechnungsmethode, die nicht mit der – zum maßgeblichen Erlasszeitpunkt des Bewilligungsbescheides bestehenden – Verwaltungspraxis korrelierte, führt dies – unabhängig von der tatsächlichen Umsatzentwicklung des Klägers im Bewilligungszeitraum – zur Rechtswidrigkeit des Schlussbescheides. 151II. Aus der Rechtswidrigkeit der für den Kläger nachteiligen Bestimmungen des Schlussbescheides folgt die Rechtsverletzung des Klägers, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. 152B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 und 2 Zivilprozessordnung. 153C. Die Berufung ist von Amts wegen gem. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen. Da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, liegen die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vor. 154Rechtsmittelbelehrung: 155Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich Berufung eingelegt werden. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen. 156Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 157Die Berufung ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich einzureichen. 158Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). 159Im Berufungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen. 160Die Berufungsschrift und die Berufungsbegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. 161 162Beschluss: 163Der Streitwert wird auf 7.000,00 Euro festgesetzt. 164Gründe: 165Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 3 GKG erfolgt. 166Rechtsmittelbelehrung: 167Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. 168Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 169Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 170Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt. 171Die Beschwerdeschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. 172War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. 173
der bescheid der bezirksregierung düsseldorf vom 6. dezember 2020 wird aufgehoben. der beklagte trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar gegen sicherheitsleistung in höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden betrages. die berufung gegen das urteil wird zugelassen. 1
2der kläger ist steuerberater und erwirtschaftet den deutlich überwiegenden teil seiner umsätze durch vorträge in der aus- und fortbildung von steuerberatern. 3mitte märz 2020 gerieten insbesondere kleine unternehmen und selbstständige durch verschiedene infektionsschutzrechtliche maßnahmen zur eindämmung der coronapandemie („harter lockdown“) in wirtschaftliche notlagen. als reaktion hierauf schuf der bund das programm „soforthilfe für kleinstunternehmen und soloselbstständige“, um betroffenen unternehmen und selbstständigen kurzfristig finanzhilfen bereitzustellen. 4das damalige bundesministerium für wirtschaft und energie veröffentlichte hierzu unter anderem eckpunkte vom 23. märz 2020, 5vgl. https://www.bundesfinanzministerium.de/content/de/pressemitteilungen/finanzpolitik/2020/03/2020-03-23-pm-soforthilfefond-download.pdf?__blob=publicationfile&v=3, 6und kurzfakten vom 30. märz 2020, 7vgl. https://www.bmwi.de/redaktion/de/downloads/j-l/kurzfakten-corona-soforthilfen.pdf?__blob=publicationfile&v=12. 8das beklagte land beschloss, das programm des bundes in vollem umfang an die vorgesehenen zielgruppen weiterzuleiten und erweiterte das bundesprogramm um die empfängergruppen mit bis zu 50 beschäftigten. beide maßnahmen wurden in der „nrw-soforthilfe 2020“ gebündelt. die federführende verantwortung lag bei dem damaligen ministerium für wirtschaft, innovation, digitalisierung und energie des landes nordrhein-westfalen. auf dessen internetpräsenz waren sog. faq in verschiedenen fassungen unter dem link https://wirtschaft.nrw.de/nrw-soforthilfe-2020 abrufbar. bezüglich des genauen inhalts wird auf die vom beklagten übersandten anlagen b5 bis b19 sowie die vom kläger übersandten anlagen vom 16. juli 2021, 19. september 2021 und 18. februar 2022 verwiesen. 9bereits mit email vom 26. märz 2020 hatte sich der kläger bei dem ministerium für wirtschaft, innovation, digitalisierung und energie des landes nordrhein-westfalen nach dem volltext der gesetzlichen regelung zur soforthilfe erkundigt. mit email des ministeriums vom 27. märz 2020 war er auf den link https://wirtschaft.nrw.de/nrw-soforthilfe-2020 verwiesen worden, wo alle informationen rund um das soforthilfeprogramm zu finden seien. 10der kläger stellte seinen antrag am 1. april 2020 und verwendete hierfür das online vom beklagten bereitgestellte formular „antrag auf gewährung einer soforthilfe für von der corona-krise 03/2020 besonders geschädigte unternehmen und angehörige freier berufe einschließlich soloselbstständige aus dem soforthilfeprogramm des ministeriums für wirtschaft, innovation, digitalisierung und energie des landes nordrhein-westfalen sowie dem bundesprogramm „soforthilfe für kleinstunternehmer und soloselbstständige“ („nrw-soforthilfe 2020“)“. 11im antragsformular hieß es unter ziffer 5.: 12„die soforthilfe wird als billigkeitsleistung auf der grundlage der regelung zur vorübergehenden gewährung geringfügiger beihilfen im geltungsbereich der bundesrepublik deutschland im zusammenhang mit dem ausbruch von covid-19 („bundesregelung kleinbeihilfen 2020“) zur überwindung der existenzbedrohenden wirtschaftslage bzw. des liquiditätsengpasses gewährt.“ 13unter ziffer 6.1 versicherte der kläger: „falls nicht anders angegeben, sind die kriterien auf den zeitpunkt der antragstellung zu beziehen. ich versichere, dass meine wirtschaftliche tätigkeit durch die corona-krise wesentlich beeinträchtigt ist, da entweder 14- mehr als die hälfte der aufträge aus der zeit vor dem 1. märz durch die corona-krise weggefallen ist oder 15- die umsätze gegenüber dem vorjahresmonat mehr als halbiert sind (gründungen: vormonat) oder 16- die umsatzerzielungsmöglichkeiten durch eine behördliche auflage im zusammenhang mit der covid-19-pandemie massiv eingeschränkt wurden oder 17- die vorhandenen, mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen zahlungsverpflichtungen des unternehmens zu erfüllen (z.b. mieten, kredite für betriebsräume, leasingraten).“ 18unter ziffer 6.2 versicherte der kläger: 19„ich versichere, dass die in nr. 1.1. benannten antragsvoraussetzungen sämtlich vorliegen und ein liquiditätsengpass nicht bereits vor dem 1. märz bestanden hat.“ 20unter ziffer 6.11 versicherte der kläger: 21„mir ist bekannt, dass ich den zuschuss als billigkeitsleistung erhalte und im falle einer überkompensation (entschädigungs-, versicherungsleistungen, andere fördermaßnahmen) die erhaltene soforthilfe zurückzahlen muss.“ 22mit bescheid vom 1. april 2020 bewilligte die bezirksregierung düsseldorf dem kläger auf seinen antrag eine soforthilfe in höhe von 9.000,00 euro. der betrag wurde kurze zeit später in voller höhe ausgezahlt. in dem bescheid, der nicht mit einer rechtsbehelfsbelehrung versehen war, heißt es auszugsweise: 23 24 25 26am 31. mai 2020 wurden die „richtlinien des landes zur gewährung von soforthilfen für gewerbliche kleinunternehmen, selbstständige und angehörige freier berufe, die infolge der sars-cov-2-pandemie in ihrer existenz gefährdet sind“ als runderlass des ministeriums für wirtschaft, innovation, digitalisierung und energie (az. vb 5 - 2020) – im folgenden: richtlinie – erlassen und traten laut ziffer 9. mit wirkung vom 27. märz 2020 in kraft. 27unter dem 3. juli 2020, 5. oktober 2020, 2. dezember 2020 sowie 14. juni 2021 versandte der beklagte an sämtliche antragsteller emails, in denen er auf die notwendigkeit zur durchführung eines rückmeldeverfahrens, den hierfür bereitgestellten vordruck sowie die hierbei nach seiner auffassung geltenden regelungen und fristen hinwies. 28bereits am 6. dezember 2020 füllte der kläger das vom beklagten online bereitgestellte „rückmelde-formular ermittelter liquiditätsengpass nrw-soforthilfe 2020“ aus. der kläger wählte hierin als förderzeitraum die zeit vom 1. april 2020 bis 30. juni 2020. nach eingabe seiner vom formular abgefragten einnahmen und ausgaben in diesem berechnungszeitraum ergab sich, dass der kläger im monat april einen einnahmenüberschuss in höhe von 00 euro, im monat mai von 00 euro und im monat juni 00 euro (zeile 24) hatte. ausgewiesen wurde ein liquiditätsengpass von 0 euro im förderzeitraum (zeile 25); zu seinen gunsten wurde lediglich ein fiktiver unternehmerlohn in höhe von 2.000,00 euro angesetzt. hieraus ergab sich ein rückzahlungsbetrag in höhe von 7.000,00 euro. 29unter dem 6. dezember 2020 erließ die bezirksregierung düsseldorf gegenüber dem kläger einen schlussbescheid mit folgendem tenor: 30 31zur begründung führte die bezirksregierung aus, der kläger habe am 6. dezember 2020 einen tatsächlichen liquiditätsengpass in höhe von 2.000,00 euro gemeldet. die feststellung des liquiditätsengpasses und die festsetzung der soforthilfe beruhten auf § 53 landeshaushaltsordnung nrw (lho) i.v.m. der regelung zur vorübergehenden gewährung geringfügiger beihilfen im geltungsbereich der bundesrepublik deutschland im zusammenhang mit dem ausbruch von sars-cov-2 („bundesregelung kleinbeihilfen 2020"), der verwaltungsvereinbarung zwischen dem bund und dem land nordrhein-westfalen über die „corona-soforthilfen insbesondere für kleine unternehmen und solo-selbstständige" vom 1. april 2020 einschließlich der dazu erlassenen vollzugshinweise sowie den „richtlinien des landes zur gewährung von soforthilfen für gewerbliche kleinunternehmen, selbstständige und angehörige freier berufe, die infolge der sars-cov-2-pandemie in ihrer existenz gefährdet sind“ („nrw-soforthilfe 2020“) vom 31. mai 2020. nach ziffern 3.1, 3.2, 5.2 und 5.3 der richtlinie sei die nrw-soforthilfe 2020 antragsberechtigten leistungsempfängern, die die antragsvoraussetzungen erfüllt hätten, zunächst in voller höhe gewährt worden. die endgültige festsetzung habe nach meldung der berechnung der höhe des liquiditätsengpasses zu erfolgen. ergebe sich dabei, dass der vorläufig vollständig gezahlte soforthilfebetrag nicht oder nur teilweise vom liquiditätsengpass abgedeckt sei, werde die soforthilfe nur in höhe des liquiditätsengpasses gewährt; anderenfalls sei die vorläufige zahlung endgültig. die rückforderung des überzahlten differenzbetrages beruhe auf § 49a abs. 1 satz 1 verwaltungsverfahrensgesetz für das land nordrhein-westfalen (vwvfg nrw) i.v.m. ziffer 5.3 der richtlinie und der bestimmung ii.3. des bewilligungsbescheides. § 49a abs. 1 vwvfg nrw sei entsprechend anzuwenden, weil der bewilligungsbescheid die soforthilfe wegen des noch unbekannten liquiditätsengpasses zunächst vorläufig gewährt habe und durch den schlussbescheid hinsichtlich der höhe der zuwendung ersetzt worden sei. 32der kläger hat am 14. dezember 2020 klage erhoben. 33zur begründung führt er aus, der zuschuss sei auf der basis von faq, die im internet veröffentlicht gewesen seien und einen finanzierungsengpass erforderten, gewährt worden. der finanzierungsengpass sei dort so definiert worden, dass es vier arten von finanzierungsengpässen gegeben habe. hiervon habe er drei erfüllt: 34- wegfall von mehr als der hälfte des auftragsbestandes: er sei steuerberater, erwirtschafte aber den überwiegenden teil seiner umsätze durch aus- und fortbildung von steuerberatern. präsenzvorträge seien im fraglichen zeitraum nicht möglich gewesen und hätten nur in geringem umfang ersatzweise online durchgeführt werden können. zwar habe er die weggefallenen aufträge durch neue ersetzt, der ursprüngliche auftragsbestand sei aber coronabedingt entfallen. 35- halbierung der umsätze des antragsmonats im vergleich zum vorjahresmonat: im april 2019 habe er umsätze von 00 euro erzielt, im april 2020 hingegen 00 euro. 36- massive einschränkung der umsatzerzielungsmöglichkeit durch behördliche auflagen: seine haupteinnahmequelle seien seminare, präsenzseminare seien aber untersagt worden und hätten erst nach gewisser vorbereitungszeit zum teil durch online-seminare ersetzt werden können. 37der bewilligungsbescheid habe sodann die nebenbestimmung ii.3. enthalten, wonach der betrag zurückzuzahlen sei, sollte am ende des dreimonatigen bezugszeitraumes feststehen, dass die billigkeitsleistung höher sei als sein umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter kosten (z.b. mietminderungen) und er die mittel nicht (vollständig) zur sicherung seiner wirtschaftlichen existenz bzw. zum ausgleich seines liquiditätsengpasses benötigt habe. hiernach sei insbesondere ein vergleich der soforthilfe mit dem umsatzausfall vorgesehen gewesen. beide voraussetzungen (umsatzausfall und benötigung der mittel) erfülle er: 38- umsatzausfall: aus einem vergleich der umsätze in den monaten april bis juni in den jahren 2019 und 2020 ergebe sich, dass sein umsatzausfall insgesamt 00 euro, also mehr als 9.000,00 euro betragen habe. hiervon abzuziehende ersparte aufwendungen habe er im ergebnis nicht gehabt. 39- benötigung der mittel: er habe in dem betrachtungszeitraum betriebsausgaben von deutlich über 9.000,00 euro getragen und den gesamten zuschuss für betriebsausgaben verwendet. 40die in den bewilligungsbescheid aufgenommene nebenbestimmung ii.3. entspreche – anders als vom beklagten vorgetragen – auch in etwa der in den kurzfakten zum bundesprogramm genannten berechnungsmethode, zumal diese wenig konkreten kurzfakten durch die faq des beklagten erläutert worden seien. 41zu betonen sei hierbei, dass die regelung zur sicherung seiner wirtschaftlichen existenz bzw. zum ausgleich seines liquiditätsengpasses auch nicht eindeutig formuliert sei, worauf es aber letztendlich nicht ankomme. ferner habe der bewilligungsbescheid unter ziffer 2. geregelt, dass die soforthilfe insbesondere zur überbrückung von liquiditätsengpässen diene. eine begrenzung, dass damit ausschließlich liquiditätsengpässe überbrückt werden dürften, habe der bescheid nicht enthalten. ferner werde unter ziffer 2. ausgeführt, dass die soforthilfe ausschließlich zur milderung der finanziellen notlagen des selbstständigen im zusammenhang mit der corona-pandemie erfolgen dürfe. der hier verwendete begriff der „finanziellen notlage“ entspreche dem begriff des „finanzierungsengpasses“ aus den faq. 42mit dem schlussbescheid ändere der beklagte das „und“ in nebenbestimmung ii.3. des bewilligungsbescheides nun in ein „oder“. eine rückzahlungspflicht für den in ziffer 5.3 der richtlinie geregelten fall hätten weder die faq noch der bewilligungsbescheid vorgesehen und die richtlinie habe am tag des erlasses des bewilligungsbescheides noch nicht existiert. die rückwirkende verkündung der richtlinie am 31. mai 2020 mit wirkung ab dem 27. märz 2020 ändere daran nichts. er habe auf den inhalt des bewilligungsbescheides vertrauen dürfen und bei erhalt des bewilligungsbescheides nicht mit einer rückzahlungspflicht wegen des erst zwei monate später geschaffenen phänomens des „liquiditätsengpasses", der in der differenz zwischen betriebseinnahmen und betriebsausgaben bestehe (also einem verlust entspreche), rechnen müssen. 43zur frage des vertrauensschutzes sei zusätzlich auszuführen, dass er nach seiner email vom 26. märz 2020 von dem ministerium für wirtschaft, innovation, digitalisierung und energie des landes nordrhein-westfalen für alle informationen zum soforthilfeprogramm auf den link https://wirtschaft.nrw.de/nrw-soforthilfe-2020 verwiesen worden sei. eine rückzahlungspflicht sei dort nur vorgesehen gewesen im falle einer überkompensation und entsprechend der formulierung im bewilligungsbescheid. die dortige definition der überkompensation habe keinen hinweis darauf enthalten, dass die differenz aus einnahmen und ausgaben für die höhe des zuschusses oder für die höhe einer rückzahlungspflicht relevant sein könne. zudem sei zum zeitpunkt seiner antragstellung in den faq noch die information abrufbar gewesen: „wofür darf der zuschuss genutzt werden? der zuschuss kann genutzt werden, um finanzielle engpässe, wie z. b. bankkredite, leasingraten, mieten usw., zu bedienen. der nach prüfung des antrags elektronisch übermittelte bewilligungsbescheid, kann auch bei der bank vorgezeigt werden. er gilt als nachweis, dass das land den zuschuss auszahlen wird. soloselbständige im haupterwerb beziehen ihren lebensunterhalt aus ihrer selbstständigen tätigkeit und müssen daher auch ihr eigenes gehalt erwirtschaften, um ihren lebensunterhalt zu bestreiten. sofern der finanzierungsengpass beim soloselbstständigen im haupterwerb dazu führt, dass er sein regelmäßiges gehalt nicht mehr erwirtschaften kann, dient die soforthilfe auch dazu, das eigene gehalt und somit den lebensunterhalt zu finanzieren.“ die nun in der richtlinie vorgesehene begrenzung des fiktiven gehalts auf 2.000,00 euro für einen zeitraum von drei monaten sei bei seiner antragstellung nicht absehbar gewesen und bei einem in vollzeit tätigen akademiker unangemessen. 44der bewilligungsbescheid sei auch kein vorläufiger verwaltungsakt, da dieser als solcher nicht bezeichnet worden sei. selbst wenn man von einem vorläufigen verwaltungsakt ausgehe, wäre diese vorläufigkeit auf den im bewilligungsbescheid genannten fall begrenzt. der vorbehalt dürfe sich nur auf die aspekte beziehen, wegen derer die regelung unter vorbehalt gestellt worden sei. 45der kläger beantragt, 46den bescheid der bezirksregierung düsseldorf vom 6. dezember 2020 aufzuheben. 47der beklagte beantragt, 48die klage abzuweisen. 49zur begründung trägt er vor, der vom kläger im rahmen der rückmeldung angegebene tatsächliche liquiditätsengpass betrage 2.000,00 euro. demensprechend sei ein liquiditätsengpass in dieser höhe festgestellt, die soforthilfe in dieser höhe festgesetzt und der überschießende betrag in höhe von 7.000,00 euro zurückgefordert worden. 50für die im vorliegenden verfahren in rede stehenden rechtsfragen sei von entscheidender bedeutung, dass die nrw-soforthilfe 2020 nicht nur eines von mehreren staatlichen hilfsangeboten zur abmilderung der beträchtlichen negativen ökonomischen folgen der corona-pandemie, sondern vielmehr die allererste, unbürokratische und unverzügliche liquiditätshilfe – eben eine soforthilfe – gewesen sei. über die internetpräsenz des ehemaligen ministeriums für wirtschaft, innovation, digitalisierung und energie nrw habe sich jeder betroffene im vorfeld der antragstellung umfassend über den zweck der nrw-soforthilfe 2020 und die antragsberechtigung informieren können. hierdurch habe jedem antragsteller unmissverständlich klar werden müssen, dass die nrw-soforthilfe 2020 der sicherstellung der finanzierung von verbindlichkeiten für fortlaufende erwerbsmäßige sach- und finanzausgaben gedient habe und jeder hilfeempfänger nach ende des bewilligungszeitraums verpflichtet gewesen sei, seinen tatsächlichen liquiditätsengpass zu berechnen und zu viel erhaltene mittel zurückzuzahlen. 51bei der ursprünglichen bewilligung habe es sich um die nur vorläufige positive bescheidung des antrages zur nrw-soforthilfe 2020 gehandelt, die erst durch die festsetzung der tatsächlichen höhe der antragsberechtigung aufgrund des später ermittelten liquiditätsengpasses endgültig verbindlich beschieden worden sei. begründung und berechtigung für die vorläufige bescheidung sei die ungewissheit über die zu treffende endgültige entscheidung, namentlich die konkrete höhe der zu gewährenden soforthilfe anhand des nachträglich zu ermittelnden, konkreten liquiditätsengpasses im maßgeblichen bewilligungszeitraum gewesen. hiernach sei der bewilligungsbescheid zwingend auf eine ergänzung durch einen weiteren verwaltungsakt angelegt gewesen, durch den die zuwendung erst abschließend habe geregelt werden sollen. dieser sei in form des schlussbescheids ergangen. die vorläufigkeit und notwendigkeit eines schlussbescheides hätten sich ohne weiteres aus den ziffern 5.2 und 5.3 der richtlinie sowie der nebenbestimmung ii.3. des bewilligungsbescheides ergeben. eindeutig ablesbar seien sie aber auch aus den kurzfakten zum bundesprogramm. hintergrund sei, dass nordrhein-westfalen sich bei der umsetzung des bundesprogramms im gegensatz zu allen anderen bundesländern dafür entschieden habe, zunächst den förderhöchstbetrag als pauschale auszuzahlen, um verzögerungen bei der auszahlung zu vermeiden. dies habe ein rückmeldeverfahren unabdingbar gemacht, in welchem der individuelle liquiditätsengpass ermittelt und die tatsächliche förderhöhe habe festgestellt werden müssen. dabei komme es an dieser stelle überhaupt noch nicht darauf an, ob sich die höhe der tatsächlich zustehenden soforthilfe aus einem tatsächlich vorhandenen liquiditätsengpass oder aus einem tatsächlich vorhandenen umsatzausfall berechne. denn jedenfalls habe jedem empfänger durch die nebenbestimmung ii.3. des bewilligungsbescheides offensichtlich klar sein müssen, dass aus den tatsächlichen entwicklungen eine jedenfalls teilweise rückzahlungspflicht entstehen könne, man die erhaltene soforthilfe also nicht unbedingt, jedenfalls nicht unbedingt in voller höhe werde behalten können. mit dem bewilligungsbescheid sei lediglich über die grundsätzliche antragsberechtigung entschieden worden, jedoch noch nicht abschließend über die höhe der soforthilfe. da der bewilligungsbescheid eine vorläufige regelung treffe und sich somit eine endgültige regelung vorbehalten habe, habe die bewilligungsbehörde diesen durch die endgültige regelung im schlussbescheid ersetzen können, ohne insoweit an die einschränkungen der §§ 48, 49 vwvfg nrw gebunden zu sein. 52rechtsgrundlage für den schlussbescheid sei dementsprechend § 53 lho i.v.m. dem bundesprogramm „soforthilfen für kleinstunternehmen und soloselbstständige“ (corona soforthilfeprogramm des bundes), der dazu ergangenen verwaltungsvereinbarung zwischen dem bund und dem beklagten land über die corona soforthilfen und die erst nach erlass der bewilligungsbescheide am 31. mai 2020 mit wirkung vom 27. märz 2020 in kraft getretene richtlinie. die höhe der tatsächlich zustehenden soforthilfe und damit korrespondierend die höhe einer rückzahlungspflicht bestimme sich in konkretisierung der nebenbestimmung ii.3. des bewilligungsbescheides nach den vorgaben der richtlinie. dem stehe insbesondere nicht der erlass der richtlinie am 31. mai 2020 mit wirkung zum 27. märz 2020 entgegen. denn die richtlinie sei als ministerieller runderlass eine bloße interne verwaltungsvorschrift, die allein dazu gedient habe, eine dem gleichheitsgrundsatz entsprechende ermessensausübung zu gewährleisten. als eben solche verwaltungsvorschrift habe die richtlinie für ihre wirksamkeit grundsätzlich nicht einmal veröffentlicht werden müssen. zudem habe sie der ermessenslenkung bei erlass der schlussbescheide gedient, welche durchweg erst nach dem 31. mai 2020 erlassen worden seien. 53der schlussbescheid sei formell rechtmäßig, insbesondere liege keine verletzung der anhörungspflicht gem. § 28 abs. 1 vwvfg nrw vor, da gem. § 28 abs. 2 nr. 4 varianten 2 und 3 vwvfg nrw von einer anhörung habe abgesehen werden dürfen. die abschließend festzusetzende soforthilfe habe sich rechnerisch aus den von den antragstellern im rahmen des rückmeldeverfahrens zu tätigenden angaben ergeben. solche fälle seien zu hunderten aufgetreten und die entscheidungsfindung bei den schlussbescheiden sei partiell automatisiert, d.h. softwaregesteuert, erfolgt. die antragsteller hätten entsprechend ziffer 5.3 der richtlinie die rückmeldung digital vorlegen müssen. sofern der vom antragsteller hierbei angegebene liquiditätsengpass niedriger als die erfolgte auszahlung gewesen sei, sei durch das system automatisch ein entsprechender schlussbescheid generiert worden. ungeachtet dessen wäre selbst eine verletzung der anhörungspflicht im vorliegenden fall nach § 46 vwvfg nrw unbeachtlich, da dies die entscheidung in der sache nicht beeinflusst habe. ihm habe in den fällen, in denen der liquiditätsengpass letztlich niedriger gewesen sei als die vorläufig gewährte billigkeitsleistung, aufgrund des gleichbehandlungsgebotes keine entscheidungsfreiheit zugestanden. 54der schlussbescheid sei auch materiell rechtmäßig. die voraussetzungen für die gewährung der soforthilfe hätten nur in der im schlussbescheid angegebenen höhe vorgelegen. nach ziffer 5.3 der richtlinie werde die nrw-soforthilfe maximal in höhe des liquiditätsengpasses gewährt. der liquiditätsengpass ergebe sich aus der differenz zwischen den tatsächlichen fortlaufenden einnahmen aus dem geschäftsbetrieb und den tatsächlich laufenden, erwerbsmäßigen sach- und finanzausgaben im dreimonatigen erfassungszeitraum. der erfassungszeitraum beginne grundsätzlich mit dem tag der antragstellung und entspreche dem bewilligungszeitraum. die ermittlung und prüfung des bei einem antragsteller entstandenen liquiditätsengpasses erfolge am ende des erfassungs- bzw. bewilligungszeitraums. die nrw-soforthilfe 2020 diene nach ziffer 1.1 der richtlinie der sicherung der wirtschaftlichen existenz von unternehmen und damit ausschließlich zur deckung der laufenden betrieblichen sach- und finanzaufwendungen des unternehmens. hierauf weise auch ziffer 2. des bewilligungsbescheides noch einmal hin. dies ergebe auch eine gesamtschau der beschlossenen maßnahmen zur unterstützung von unternehmen – kurzarbeitergeld und erleichterung der prüfungsvoraussetzung für die gewährung von alg ii. in abgrenzung zur nrw-soforthilfe 2020 solle etwa das gehalt von mitarbeitern durch das kurzarbeitergeld gewährt und für den persönlichen lebensunterhalt alg ii beantragt werden. private finanzielle schwierigkeiten würden demnach allein aufgefangen durch sozialleistungen nach dem sgb. dieser sinn und zweck der nrw-soforthilfe 2020 ergebe sich bereits aus der formulierung im antragsformular unter ziffer 6.1, vierter spiegelstrich: „ich versichere, dass meine wirtschaftliche tätigkeit durch die corona-krise wesentlich beeinträchtigt ist, da entweder (...) - die vorhandenen mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen zahlungsverpflichtungen des unternehmens zu erfüllen (z. b. mieten, kredite für betriebsräume, leasingraten).“ dieser sinn und zweck der soforthilfe ergebe sich auch eindeutig aus den faq sowie den eckpunkten und kurzfakten zum bundesprogramm. sinn und zweck der nrw-soforthilfe 2020 sei also entgegen der ansicht des klägers weder, sämtliche umsatz- und einnahmeverluste der unternehmen auszugleichen, noch die überschuldung oder zahlungsunfähigkeit der unternehmen zu verhindern und erst recht nicht, private existenzen zu sichern. 55ermessen habe der bezirksregierung düsseldorf beim erlass des schlussbescheides aufgrund der bindungswirkung der richtlinie nicht zugestanden. 56der rechtmäßigkeit des schlussbescheides stehe schließlich kein schutzwürdiges vertrauen des klägers entgegen. es liege vielmehr gerade im wesen der vorläufigkeit, dass ein vertrauen auf die endgültigkeit der regelung nicht entstehen könne. gegen einen bestehenden vertrauensschutz des klägers spreche zudem, dass ihm in ansehung der ziffer 5.3 der richtlinie der soforthilfe nrw sowie der nebenbestimmung ii.3. des bewilligungsbescheides habe bewusst sein müssen, dass er die nrw-soforthilfe nur insofern werde behalten dürfen, als dass seine tatsächlichen fortlaufenden einnahmen aus dem geschäftsbetrieb die tatsächlich laufenden, erwerbsmäßigen sach- und finanzausgaben im bewilligungszeitraum überstiegen. 57wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakten sowie der beigezogenen verwaltungsvorgänge ergänzend bezug genommen. 58
59die klage hat erfolg. 60a. die bei sachgerechter auslegung des klagebegehrens als anfechtungsklage gem. § 42 abs. 1 halbs. 1 verwaltungsgerichtsordnung (vwgo) zulässige klage ist begründet. 61der schlussbescheid der bezirksregierung düsseldorf vom 6. dezember 2020 ist rechtswidrig und verletzt den kläger in seinen rechten (§ 113 abs. 1 satz 1 vwgo). 62i. der schlussbescheid vom 6. dezember 2020 ist rechtswidrig. 631. die in ziffer 3. des angegriffenen bescheides ausgesprochene rückforderung eines betrages von 7.000,00 euro kann nicht auf § 49a abs. 1 satz 1 vwvfg nrw gestützt werden. danach sind bereits erbrachte leistungen zu erstatten, soweit ein verwaltungsakt für die vergangenheit zurückgenommen oder widerrufen worden oder infolge des eintritts einer auflösenden bedingung unwirksam geworden ist. diese voraussetzungen liegen nicht vor. 64a. eine rücknahme des bewilligungsbescheides vom 1. april 2020 gemäß § 48 abs. 1 vwvfg nrw ist ersichtlich nicht gegeben. die bezirksregierung düsseldorf hat den bewilligungsbescheid jedoch auch nicht durch den erlass des angefochtenen schlussbescheides mit wirkung für die vergangenheit teilweise widerrufen. die – hier allein in betracht kommenden – voraussetzungen des § 49 abs. 3 nr. 1 oder nr. 2 vwvfg nrw sind nicht erfüllt. 65aa. die bezirksregierung düsseldorf hat den erlass des schlussbescheides nicht damit begründet, der kläger habe die erhaltene leistung (teilweise) nicht für den in dem bewilligungsbescheid bestimmten zweck verwendet (§ 49 abs. 3 nr. 1 vwvfg nrw). der schlussbescheid verhält sich vielmehr zu der frage, in welcher höhe bei dem kläger ein liquiditätsengpass auf der grundlage seiner angaben festzustellen sei. über die interpretation des begriffs des liquiditätsengpasses streiten die beteiligten. der vorwurf einer nicht zweckgerechten verwendung der erhaltenen zuwendung ist den regelungen des schlussbescheides allerdings nicht zu entnehmen. 66bb. mit dem bewilligungsbescheid ist auch keine auflage im sinne von § 49 abs. 3 nr. 2 vwvfg nrw verbunden, die der begünstigte nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten frist erfüllt hat. eine auflage ist eine bestimmung, durch die dem begünstigten ein tun, dulden oder unterlassen vorgeschrieben wird (§ 36 abs. 2 nr. 4 vwvfg nrw). zwar zielt die nebenbestimmung ii.3. auf eine handlungsverpflichtung des zuwendungsempfängers ab. mit ihr wird dem adressaten des bescheides – hier dem kläger – eine prüfungspflicht auferlegt: sollte er am ende des dreimonatigen bewilligungszeitraums feststellen, „dass diese finanzhilfe höher ist als ihr umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter kosten (z.b. mietminderung) und sie die mittel nicht (vollständig) zur sicherung ihrer wirtschaftlichen existenz bzw. ausgleich ihres liquiditätsengpasses benötigen, sind die zu viel gezahlten mittel […] zurückzuzahlen“. der schlussbescheid enthält aber nicht den vorwurf, der kläger sei dieser aus dem bewilligungsbescheid resultierenden pflicht nicht oder nicht fristgerecht nachgekommen. vielmehr geht die behörde davon aus, dass der kläger angaben zur höhe des liquiditätsengpasses gemacht hat, auf grund derer sie sich zur teilrückforderung des gewährten betrages berechtigt sieht. da die voraussetzungen für einen widerruf mithin insoweit nicht vorliegen, kann dahinstehen, ob es sich bei der in ziffer ii.3. getroffenen regelung um eine auflage i.s.d. § 36 abs. 2 nr. 4 vwvfg nrw in abgrenzung zu einer bedingung oder einer inhaltsbestimmung handelt. 67b. schließlich folgt eine erstattungspflicht des klägers auch nicht daraus, dass der bewilligungsbescheid vom 1. april 2020 infolge des eintritts einer auflösenden bedingung unwirksam geworden ist (§ 49a abs. 1 satz 1 vwvfg nrw). eine solche bedingung i.s.d. § 36 abs. 2 nr. 2 vwvfg nrw, nach der der wegfall einer vergünstigung von dem ungewissen eintritt eines zukünftigen ereignisses abhängt, enthält der bewilligungsbescheid nicht. 68unter den begriff des ereignisses fallen von der außenwelt wahrnehmbare handlungen, erklärungen oder geschehnisse, nicht hingegen nur zur gedankenwelt eines beteiligten gehörende vorstellungen. als ereignis kommt lediglich ein rein tatsächlicher vorgang in betracht, der sinnlich wahrnehmbar und dem beweis zugänglich ist, ohne dass es für seine bejahung noch einer rechtlichen wertung bedürfte. darauf, ob die rechtliche wertung einfach oder schwierig ist, kommt es nicht an. da das künftige ungewisse ereignis kraft gesetzes ohne weiteren zwischenschritt einen rechtsverlust oder einen rechtsgewinn herbeiführt, muss sein eintritt auch aus gründen der rechtssicherheit für alle beteiligten – für den adressaten des bescheids, für die behörde und ggf. für dritte – gleichermaßen ohne weiteres erfassbar sein, 69vgl. bverwg, urteil vom 23. januar 2019 – 10 c 5.17, juris; bverwg, urteil vom 16. juni 2015 ‒ 10 c 15.14 –, juris; ovg nrw, urteil vom 17. juni 2020 – 4 a 436/17 –, juris; ovg nrw, beschluss vom 14. juni 2018 ‒ 4 a 1781/15 ‒, juris. 70bei der nebenbestimmung ii.3. handelt es sich nicht um eine bedingung in diesem sinne. in ihr wird kein zur automatischen unwirksamkeit des bewilligungsbescheides führendes ereignis benannt. die vom zuwendungsempfänger am ende des bewilligungszeitraumes zu treffende beurteilung, ob die finanzhilfe höher ist als der umsatzausfall, lässt sich nur durch eine berechnung anhand betriebswirtschaftlicher auswertungen durchführen; sie mag aus sicht der bewilligungsbehörde korrekt oder aber fehlerhaft durchgeführt worden sein. jedenfalls bedarf es einer bewertung, die einen automatismus zwischen dem eintritt eines künftigen ereignisses und der unwirksamkeit des zuwendungsbescheides im sinne des § 36 abs. 2 nr. 2 vwvfg nrw ausschließt. 712. als ermächtigungsgrundlage für das erstattungsverlangen der bezirksregierung düsseldorf kommt § 49a abs. 1 vwvfg nrw in entsprechender anwendung in betracht. die vorschrift ist analog anzuwenden, wenn ein verwaltungsakt, der eine billigkeitsleistung zunächst nur vorläufig bewilligt hat, rückwirkend durch einen anderen verwaltungsakt ersetzt wird, der die leistung endgültig in geringerer höhe festsetzt. der empfänger muss eine hiernach zu viel erhaltene leistung erstatten, 72vgl. bverwg, urteil vom 19. november 2009 – 3 c 7/09 –, juris; ovg nrw, beschluss vom 14. dezember 2020 – 4 a 1992/16 –, juris; ovg nrw, urteil vom 17. juni 2020 – 4 a 436/17 –, juris; vgh kassel, urteil vom 13. mai 2014 – 9 a 2289/12 –, beckrs 2014, 53405; ramsauer, in: kopp/ramsauer, vwvfg, 22. aufl. 2021, § 49 rn. 4. 73die voraussetzungen des § 49a abs. 1 vwvfg nrw analog liegen indes nicht vor. 74selbst unterstellt, die bezirksregierung düsseldorf hätte die zu erstattende forderung endgültig in form eines schlussbescheides festsetzen können, da sie mit bescheid vom 1. april 2020 die zuwendung lediglich vorläufig bewilligt hätte, hätte sie bei erlass des schlussbescheides dennoch rechtsfehlerhaft angenommen, dass die soforthilfe nur noch 2.000,00 euro beträgt. denn die festsetzungen in ziffern 1. und 2. des schlussbescheides sind rechtswidrig. daraus folgt auch die rechtswidrigkeit der erstattungsforderung in ziffer 3. 75a. zu gunsten der bezirksregierung düsseldorf kann unterstellt werden, dass das subventionsverhältnis in der weise geregelt war, dass zunächst vorläufig durch bescheid vom 1. april 2020 eine soforthilfe in höhe von 9.000,00 euro bewilligt und ausgezahlt wurde, deren endgültige genaue höhe von der ungewissen entwicklung des unternehmens des antragstellers während des dreimonatigen bewilligungszeitraums abhing. der bewilligungsbescheid wäre in diesem fall darauf angelegt gewesen, die höhe der zuwendung nicht definitiv zu regeln, sondern diese zunächst vorläufig zu gewähren und abschließend erst später festzusetzen. dies wäre durch erlass des sog. schlussbescheides geschehen. damit hätte sich die bezirksregierung düsseldorf der handlungsform des sog. vorläufigen verwaltungsaktes bedient, die für den sachbereich des subventionsrechts durch die höchst- und obergerichtliche rechtsprechung anerkannt ist, 76vgl. bverwg, urteil vom 19. november 2009 – 3 c 7/09 –, juris m.w.n; bverwg, urteil vom 14. april 1983 – 3 c 8/82 –, juris; ovg nrw, urteil vom 17. juni 2020 – 4 a 436/17 –, juris; ovg nrw, urteil vom 28. september 1990 – 15 a 708/88 –, juris. 77eine billigkeitsleistung kann unter dem vorbehalt einer späteren definitiven entscheidung bewilligt werden, wenn und soweit eine bestehende ungewissheit hierfür einen sachlichen grund gibt. der vorbehalt einer späteren endgültigen entscheidung bewirkt, dass die behörde die einstweilige regelung im ausgangsbescheid durch die endgültige regelung im schlussbescheid ersetzen kann, ohne insoweit an die einschränkungen der §§ 48, 49 vwvfg nrw gebunden zu sein, 78vgl. bverwg, urteil vom 19. november 2009 – 3 c 7/09 –, juris m.w.n; bverwg, urteil vom 14. april 1983 – 3 c 8/82 –, juris. 79die vorläufige regelung verliert mit dem erlass der endgültigen festsetzung ihre wirksamkeit (vgl. § 43 abs. 2 vwvfg nrw), 80vgl. bverwg, urteil vom 19. november 2009 – 3 c 7/09 –, juris; ovg nrw, urteil vom 28. september 1990 – 15 a 708/88 –, juris. 81das bestehen einer ungewissheit rechtfertigt die existenz des vorläufigen verwaltungsaktes sowie den damit einhergehenden widerspruch zwischen der dem verwaltungsakt immanenten bestandskraft und dem mit der vorläufigkeit verbundenen flexiblen element. in einer solchen konstellation stellt der vorläufige verwaltungsakt einen angemessenen ausgleich zwischen den rechtsstaatlichen anforderungen an das verwaltungsverfahren und dem gebot der effektivität des verwaltungshandelns dar, indem trotz verbleibender unsicherheiten bereits zu einem frühen zeitpunkt zugunsten des bürgers entschieden werden kann, 82vgl. schwarz, in: fehling/kastner/störmer, verwaltungsrecht, 5. aufl. 2021, § 35 rn. 27 ff. m.w.n. 83die vorläufigkeit muss sich dabei nicht auf den gesamten bescheid beziehen, sondern kann und muss gegebenenfalls auf einzelne aspekte beschränkt werden. auch wenn die behörde einen unter vorbehalt gestellten verwaltungsakt später durch einen abschließenden bescheid ersetzt, so kommt doch eine inhaltlich abweichende regelung im schlussbescheid – außer in den fällen der §§ 48, 49 vwvfg nrw – nur in betracht, wenn sie aus den gründen ergeht, wegen derer die frühere regelung unter vorbehalt gestellt wurde. welche elemente eines zuwendungsbescheides vorläufig sind und welche inhalte bereits eine gesicherte rechtsposition vermitteln, ist durch – am empfängerhorizont orientierte – auslegung zu ermitteln. jenen – nicht mit vorbehalt versehenen – teil des zuwendungsbescheides kann die behörde nur unter beachtung der §§ 48, 49 vwvfg nrw aufheben, 84vgl. bverwg, urteil vom 19. november 2009 – 3 c 7/09 –, juris; ovg nrw, beschluss vom 14. dezember 2020 – 4 a 1992/16 –, juris; ovg nrw, urteil vom 17. juni 2020 – 4 a 436/17 –, juris; ovg nrw, beschluss vom 23. juni 2017 – 4 a 2078/15 –, juris; schwarz, in: fehling/kastner/störmer, verwaltungsrecht, 5. aufl. 2021, § 35 rn. 35 m.w.n. 85neben einer die vorläufigkeit der regelung rechtfertigenden unsicherheit ist voraussetzung für einen vorbehalt, dass die vorläufigkeit und ihr umfang im verwaltungsakt selbst zum ausdruck kommen, 86vgl. stelkens, in: stelkens/bonk/sachs, vwvfg, 9. aufl. 2018, § 35 rn. 248; ovg nrw, urteil vom 17. juni 2020 – 4 a 436/17 –, juris; ovg nrw, urteil vom 28. september 1990 – 15 a 708/88 –, juris. 87das vorliegen dieser voraussetzungen kann hinsichtlich der festsetzung der genauen höhe der soforthilfe zu gunsten der bezirksregierung düsseldorf unterstellt werden. diesbezüglich kann angenommen werden, es habe bei erlass des bewilligungsbescheides eine ungewissheit, die den erlass einer lediglich vorläufigen regelung rechtfertigte, bestanden. demgegenüber wurden zu anderen fragen ersichtlich bereits abschließende regelungen getroffen. 88der bewilligungsbescheid vom 1. april 2020 kann bei verständiger würdigung so ausgelegt werden, dass er dem kläger hinsichtlich der zuwendung dem grunde nach eine gesicherte rechtsposition vermitteln wollte. dies folgt aus den formulierungen in ziffern 2. und 3. des bescheides ebenso wie aus den umständen des antragsverfahrens. grundsätzlich berechtigt, eine zuwendung zu erhalten, waren jene antragsteller, deren wirtschaftliche tätigkeit durch die corona-pandemie bereits wesentlich beeinträchtigt war. unter ziffer 6.1 des antragsformulars mussten die antragsteller versichern, dass ihre „wirtschaftliche tätigkeit durch die corona-krise wesentlich beeinträchtigt“ war, da entweder 89- „mehr als die hälfte der aufträge aus der zeit vor dem 1. märz durch die corona-krise weggefallen ist oder 90- die umsätze gegenüber dem vorjahresmonat mehr als halbiert sind (gründungen: vormonat) oder 91- die umsatzerzielungsmöglichkeiten durch eine behördliche auflage im zusammenhang mit der covid-19-pandemie massiv eingeschränkt wurden oder 92- die vorhandenen mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen zahlungsverpflichtungen des unternehmens zu erfüllen (z.b. mieten, kredite für betriebsräume, leasingraten).“ 93die grundsätzliche antragsberechtigung setzte damit – für jeden antragsteller erkennbar –diesen zum zeitpunkt der bewilligung bereits sicher feststellbaren umstand voraus. hieran knüpfen die regelungen in ziffern 2. und 3. des bewilligungsbescheides an, mit denen die bezirksregierung düsseldorf darauf abgestellt hat, dass die soforthilfe der milderung bzw. kompensation der „unmittelbar durch die corona-pandemie ausgelösten wirtschaftlichen engpässe“ (ziffer 3.), „der finanziellen notlagen“ bzw. „der überbrückung von liquiditätsengpässen, die seit dem 1. märz 2020 im zusammenhang mit der covid-19-pandemie entstanden sind“ (ziffer 2.), dient. da diese voraussetzungen im falle des klägers im grundsatz erfüllt waren, erhielt er durch den bescheid vom 1. april 2020 die soforthilfe dem grunde nach vorbehaltlos. 94weitere gesichtspunkte unterlagen ebenfalls keinem vorbehalt, wie etwa die anzahl der im unternehmen beschäftigten (nebenbestimmung ii.1.) oder gewisse in den nebenbestimmungen ii.4. bis 8. geregelte modalitäten. 95demgegenüber kann der bescheid hinsichtlich der höhe der soforthilfe und damit des behaltendürfens des gesamtbetrages so verstanden werden, dass er unter dem vorbehalt einer späteren endgültigen entscheidung stand. dieser vorbehalt betrifft die regelung unter ziffer 1., mit der die bewilligung eines betrages von 9.000,00 euro ausgesprochen wurde. dass sich weder in ziffer 1. noch an anderer stelle des bescheides die worte „vorbehalt“, „vorläufig“ oder dergleichen finden, steht der annahme einer vorläufigen regelung nicht zwingend entgegen. denn die formulierung der in ziffer 1. getroffenen regelung, die umstände des antragsverfahrens sowie der zusammenhang mit dem inhalt der nebenbestimmung ii.3. ermöglichen auch ohne explizite wortwahl eine deutung, wonach der zuwendungsbetrag unter dem vorbehalt einer späteren entscheidung gewährt wurde. die nebenbestimmung ii.3. enthielt folgende regelung: „sollten sie am ende des dreimonatigen bewilligungszeitraums feststellen, dass diese finanzhilfe höher ist als ihr umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter kosten (z.b. mietminderung) und sie die mittel nicht (vollständig) zur sicherung ihrer wirtschaftlichen existenz bzw. ausgleich ihres liquiditätsengpasses benötigen, sind die zu viel gezahlten mittel […] zurückzuzahlen.“ damit wurde die endgültige höhe der unter ziffer 1. bewilligten soforthilfe von einer zum zeitpunkt des bescheiderlasses unbekannten größe, die erst am ende des dreimonatigen bewilligungszeitraums feststand, abhängig gemacht. die vorläufigkeit der regelung bezüglich der höhe der soforthilfe kam auch in ziffer 1. ansatzweise zum ausdruck. dort hieß es, dass eine soforthilfe in höhe von 9.000,00 euro als „einmalige pauschale“ gewährt werde. im gesamtkontext konnte diese formulierung zumindest auch so verstanden werden, dass zunächst ein betrag in toto gezahlt wurde, dessen endgültige, genaue höhe zu einem späteren zeitpunkt bestimmt werden musste. denn in ziffer 1. wurde klargestellt, dass die bewilligung aufgrund des programms zur gewährung von soforthilfen aus dem bundesprogramm „soforthilfen für kleinstunternehmen und selbstständige“ und dem ergänzenden landesprogramm „nrw-soforthilfe 2020“ erfolge. in den vom damaligen bundesministerium für wirtschaft und energie hierzu online veröffentlichten kurzfakten vom 30. märz 2020 ging aus der antwort zu der frage, „wie wird hinterher geprüft, ob nicht eine „überkompensation“ vorlag?“, hervor, dass es bei der antragstellung auf einen „voraussichtlichen liquiditätsengpass“ ankam, welcher später mit den tatsächlichen zahlen des unternehmens abzugleichen sei. zudem enthielt auch die nebenbestimmung in ziffer ii.3. des bewilligungsbescheides den hinweis auf das am ende des bewilligungszeitraums durchzuführende rückmeldeverfahren, welches eine rückzahlungspflicht zur folge haben könne. 96dass die bezirksregierung düsseldorf selbst von einer vorläufigen bewilligung der finanzhilfe ausging, hat schließlich in der begründung des rückforderungsverlangens in ziffer ii.3. der gründe des schlussbescheides ihren ausdruck gefunden. dort hat sich die behörde auf eine entsprechende anwendung von § 49a abs. 1 vwvfg nrw unter heranziehung der rechtsprechung des bundesverwaltungsgerichts zur vorläufigen bewilligung einer leistung berufen sowie darauf hingewiesen, dass die leistung wegen des zunächst noch unbekannten liquiditätsengpasses zunächst nur vorläufig bewilligt worden sei und der schlussbescheid den vorläufigen bescheid „hinsichtlich der höhe des soforthilfe-betrages“ ersetze. 97kann somit einerseits bezüglich der höhe der zuwendung unterstellt werden, diese sei unter vorbehalt gestellt worden, so hat die bezirksregierung düsseldorf aber andererseits mit der ausgestaltung der nebenbestimmung ii.3. des bewilligungsbescheides zu erkennen gegeben, welche parameter sie einer späteren berechnung des förderbetrages zugrunde legen wollte. diese vorgaben „finanzhilfe höher […] als ihr umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter kosten“, „mittel nicht vollständig zur sicherung ihrer wirtschaftlichen existenz bzw. ausgleich ihres liquiditätsengpasses benötigen“ schränken, ebenso wie die in ziffer 2. bezeichnete zweckbindung, ihrerseits die vorläufigkeit des bescheides wieder ein, indem die endgültige regelung sich an diesen zu orientieren hat. unabhängig davon, wie diese zu verstehen sind, hat die behörde mit ihnen bereits berechnungsgrößen für die endgültige höhe der soforthilfe bzw. für das bestehen einer rückzahlungsverpflichtung aufgestellt. an diesen selbst geschaffenen vorgaben muss sie – und damit das beklagte land – sich festhalten lassen; etwaige fehler gehen zu ihren lasten, weil die behörde es zu jenem zeitpunkt in der hand gehabt hat, eine andere regelung zu treffen, wie dies offenbar in anderen bundesländern geschehen ist. nach welchen parametern man die endgültige berechnung des förderbetrages später durchführen wollte, hing auch nicht von einem zum zeitpunkt des erlasses des bewilligungsbescheides noch unbekannten und daher eine vorläufige regelung rechtfertigendem umstand ab, sondern war allein gegenstand einer politischen entscheidung, die zu diesem zeitpunkt schon getroffen werden konnte und mit der formulierung des bewilligungsbescheides auch bereits getroffen wurde. 98b. die entscheidung der bezirksregierung düsseldorf, im schlussbescheid einen liquiditätsengpass in höhe von 2.000,00 euro festzustellen (ziffer 1.), die soforthilfe in dieser höhe festzusetzen (ziffer 2.) und ihre bewertung, dass „die voraussetzungen für die […] höhe […] der billigkeitsleitung nicht mehr vorliegen oder eine überkompensation eingetreten“ und diese überkompensation von 7.000,00 euro zurückzuzahlen ist (so ausdrücklich die gründe des angegriffenen schlussbescheides, s. 3 ziffer ii.3.), erweist sich selbst bei der vorgenannten annahme der teilweisen vorläufigkeit des bewilligungsbescheides als rechtsfehlerhaft. denn sie beruht auf einem verständnis von den begriffen des liquiditätsengpasses bzw. der überkompensation, die im insoweit maßgeblichen und endgültige vorgaben treffenden bewilligungsbescheid keine grundlage finden. aus diesem grunde konnte der schlussbescheid den bewilligungsbescheid insoweit nicht rechtmäßigerweise ersetzen. 99aa. die bereits endgültigen vorgaben im bewilligungsbescheid zu den parametern der späteren berechnung des förderbetrages sind für die rechtmäßigkeit des schlussbescheides maßgeblich. 100die zuwendung wurde dem kläger nicht auf grund eines gesetzes oder anderer rechtsnormen gewährt, aus denen sich eine unmittelbare bindung für den beklagten und unmittelbare rechtsansprüche für den kläger ergäben. vielmehr wurde der bewilligungsbescheid nach maßgabe des programms zur gewährung von soforthilfen aus dem bundesprogramm „soforthilfen für kleinstunternehmen und selbstständige" und dem ergänzenden landesprogramm „nrw-soforthilfe 2020“ erlassen (vgl. insoweit auch den kopf sowohl des bewilligungs- als auch des schlussbescheides). bei diesen – wie auch bei der später erlassenen richtlinie vom 31. mai 2020 – handelt es sich um verwaltungsvorschriften, die grundsätzlich nur dazu bestimmt sind, für die verteilung von billigkeitsleistungen maßstäbe zu setzen und das ermessen der für die verteilung der jeweiligen leistungen bestimmten stellen zu lenken. nach gefestigter verwaltungsgerichtlicher rechtsprechung begründen verwaltungsvorschriften nicht wie gesetzes- und rechtsvorschriften bereits durch ihr vorhandensein subjektive rechte. sie unterliegen daher auch keiner eigenständigen richterlichen auslegung wie rechtsnormen, 101vgl. bverwg, urteil vom 8. april 1997 – 3 c 6/95 –, juris; bverwg, urteil vom 2. februar 1995 – 2 c 19/94 –, juris; ovg nrw, beschluss vom 12. august 2016 – 15 a 1822/15 –, juris; ovg lüneburg, urteil vom 23. januar 2014 – 8 la 144/13 –, juris. 102allerdings vermögen verwaltungsvorschriften über die ihnen zunächst nur innewohnende interne bindung hinaus in verbindung mit dem grundgesetzlichen gleichheitsgebot (art. 3 abs. 1 grundgesetz – gg) sowie dem im rechtsstaatsprinzip verankerten gebot des vertrauensschutzes (art. 20 abs. 1 gg) eine anspruchsbegründende außenwirkung im verhältnis zum bürger zu eröffnen. jeder anspruchsteller hat dann einen anspruch darauf, entsprechend den aufgestellten richtlinien behandelt zu werden. entscheidend ist, wie die zuständigen behörden die verwaltungsvorschrift im maßgeblichen zeitpunkt ihrer entscheidung in ständiger praxis gehandhabt haben und in welchem umfang sie infolgedessen durch den gleichheitssatz (artikel 3 abs. 1 gg) gebunden sind, 103vgl. bverwg, urteil vom 8. april 1997 – 3 c 6/95 –, juris; bverwg, urteil vom 23. april 2003 – 3 c 25/02 –, juris; ovg nrw, beschluss vom 12. august 2016 – 15 a 1822/15 –, juris. 104der tatsächlichen verwaltungspraxis im entscheidungszeitpunkt kommt damit entscheidende bedeutung zu. wenn sich die behörde an ihre verwaltungsvorschriften hält, ist sie daher durch das gleichbehandlungsgebot verpflichtet, dies auch weiterhin zu tun, sofern nicht sachliche gründe im einzelfall eine abweichung rechtfertigen oder gar gebieten. weicht sie hingegen generell von den verwaltungsvorschriften ab, so verlieren diese insoweit ihre ermessensbindende wirkung; ob das verwaltungshandeln mit dem gleichbehandlungsgebot vereinbar ist, beurteilt sich dann nur nach der tatsächlichen verwaltungspraxis im entscheidungszeitpunkt, 105vgl. bverwg, urteil vom 25. april 2012 – 8 c 18/11 –, juris; vgl. zur übertragbarkeit dieser rechtsprechung aus dem zuwendungsrecht auf billigkeitsleistungen: vg würzburg, urteil vom 3. august 2020 – w 8 k 20.743 –, juris; vg münchen, beschluss vom 25. juni 2020 – m 31 k 20.2261 –, juris. 106nach ihrer entscheidung, mithin nach erlass des zuwendungsbescheides, kann die bewilligungsbehörde die darin verwandten begrifflichkeiten nicht mehr frei auslegen. der bescheid hat insoweit fakten geschaffen, über die sie sich nicht mehr nach ermessen hinwegsetzen kann. der zuwendungsempfänger muss sich auf die im antragsverfahren gleichmäßig ausgeübte verwaltungspraxis und den inhalt des bewilligungsbescheides einstellen können, 107vgl. ovg nrw, beschluss vom 8. märz 2018 – 4 a 182/16 –, juris; ovg nrw, beschluss vom 11. juni 2016 – 4 a 1983/13 –, juris; vorgehend erkennende kammer, urteil vom 17. juli 2013 – 20 k 7520/12 – juris. 108die im bewilligungsbescheid vom 1. april 2020 zum ausdruck gekommene verwaltungspraxis ist demnach maßgeblich für die beurteilung der rechtmäßigkeit des ihn (teilweise) ersetzenden schlussbescheides vom 6. dezember 2020. das bedeutet zugleich, dass nach seinem erlass in kraft getretene regelwerke oder spätere informationen, die von jenen bis zum erlasszeitpunkt abweichen, nicht zu berücksichtigen sind. dem steht nicht entgegen, dass der bescheid die oben beschriebenen vorläufigen elemente enthält. die vorläufigkeit bezieht sich, wie dargelegt, auf die höhe der zuwendung, die im jeweiligen einzelfall erst zu einem späteren zeitpunkt endgültig berechnet werden sollte. welche maßgaben für diese berechnung gelten sollten, war jedoch bestandteil der verwaltungspraxis im antragsverfahren und bei erlass der bewilligungsbescheide und fand eingang in die in sämtlichen bescheiden verwendeten formulierungen in ziffern 2. und 3. sowie ii.3. deren verständnis – ausgerichtet am objektiven empfängerhorizont – ist mithin ausschlaggebend für die rechtmäßigkeit des angefochtenen schlussbescheides. nur hinsichtlich der aufgrund dieser berechnungsmodalitäten zu ermittelnden höhe – nicht bezüglich der parameter selbst – stand der ausgangsbescheid unter dem vorbehalt der ersetzung durch den schlussbescheid. den nicht unter vorbehalt gestellten teil des bewilligungsbescheides kann die behörde nur unter den voraussetzungen der §§ 48 ff. vwvfg nrw aufheben, weil er mit seiner bekanntgabe bindungswirkung entfaltet hat. 109das vom beklagten herangezogene urteil des bundesverwaltungsgerichts vom 8. april 1997, 110– 3 c 6/95 –, juris, 111rechtfertigt keine abweichende sichtweise. der dort entschiedene fall unterscheidet sich von dem hier streitgegenständlichen insbesondere dadurch, dass der zuwendungsbescheid erst nach inkrafttreten der geänderten richtlinie erlassen wurde. die frage, ob der dortige kläger, der jahrelang zuschüsse nach maßgabe der vorherigen richtlinie erhalten hatte, sich auf den grundsatz des vertrauensschutzes berufen konnte, stellt sich hier nicht. denn der bewilligungsbescheid vom 1. april 2020 wurde auf der grundlage einer bestimmten verwaltungspraxis erlassen, die die bezirksregierung düsseldorf gegenüber allen leistungsempfängern gleichermaßen ausgeübt hatte. von dieser verwaltungspraxis hätte eine richtlinie nur bis zum maßgeblichen zeitpunkt des vertrauensbildenden bewilligungsbescheides abweichen können und damit ihrerseits eine (neue oder veränderte) verwaltungshandhabung begründen können. 112bb. legt man die danach maßgeblichen endgültigen vorgaben im bewilligungsbescheid zu den parametern der späteren berechnung des förderbetrages nach dem objektiven empfängerhorizont aus, sind die festsetzungen zum liquiditätsengpass und zur höhe der soforthilfe in den ziffern 1. und 2. des schlussbescheides sowie die begründung hierzu gemessen an diesen vorgaben materiell rechtswidrig. die bezirksregierung düsseldorf hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass ein liquiditätsengpass von 2.000,00 euro vorliegt und die soforthilfe nur noch 2.000,00 euro beträgt. 113(1) im hinblick auf die materielle rechtswidrigkeit dieser regelungen kann die formelle rechtmäßigkeit des bescheides, insbesondere die erforderlichkeit einer anhörung gem. § 28 abs. 1 vwvfg nrw, dahinstehen. 114(2) zum maßgeblichen zeitpunkt des erlasses des bewilligungsbescheides richtete die bezirksregierung düsseldorf – wie dargelegt – ihre verwaltungspraxis an dem programm zur gewährung von soforthilfen aus dem bundesprogramm „soforthilfen für kleinstunternehmen und selbstständige" und dem ergänzenden landesprogramm „nrw-soforthilfe 2020“ aus. die richtlinien des landes nrw „zur gewährung von soforthilfen für gewerbliche kleinunternehmen, selbstständige und angehörige freier berufe, die infolge der sars-cov-2-pandemie in ihrer existenz gefährdet sind (nrw-soforthilfe 2020)“ vom 31. mai 2020 waren noch nicht in der welt. gleiches gilt für die vom beklagten unter dem 3. juli 2020, 5. oktober 2020, 2. dezember 2020 sowie 14. juni 2021 versandten emails an sämtliche antragsteller. im verwaltungsverfahren vor erlass des zuwendungsbescheides stellte das beklagte land (und ebenso der bund) den antragstellern – auch dem kläger – eine vielzahl von online abrufbaren hinweisen, insbesondere die sog. faq, bereit. diese spiegeln die verwaltungspraxis des beklagten bzw. der bezirksregierung düsseldorf als bewilligungsbehörde des landes wider. diese verwaltungspraxis lässt sich wie folgt zusammenfassen: versicherte ein anspruchsteller, dass seine wirtschaftliche tätigkeit durch die corona-krise wesentlich beeinträchtigt war, erhielt er eine (vorläufige) pauschale in einer höhe, die von der anzahl der bei ihm beschäftigten abhing; hatte er – wie der kläger – 00 beschäftigte, erhielt er 9.000,00 euro. wie das land die „wesentliche beeinträchtigung der wirtschaftlichen tätigkeit“ definierte, ließ sich an den oben wiedergegebenen voraussetzungen im antragsformular (dortige ziffer 6.1) ablesen. antragsteller, die – wie der kläger – erklärten, diese voraussetzungen zu erfüllen, erhielten (bei vorliegen der weiteren erfordernisse) einen zuwendungsbescheid. in diesem wurde ebenfalls auf das bestehen einer finanziellen notlage, die überbrückung von liquiditätsengpässen bzw. die kompensation der wirtschaftlichen engpässe abgestellt, ohne diese genau zu umschreiben. namentlich in ziffer 2. wurde die zweckbindung der soforthilfe so beschrieben, dass sie „zur milderung der finanziellen notlage“ „als einmalzahlung für einen bewilligungszeitraum von drei monaten ab antragstellung“ erfolge und „insbesondere zur überbrückung von liquiditätsengpässen“ diene. der nebenbestimmung ii.3. konnten die anspruchsteller einen anhaltspunkt dafür entnehmen, nach welchen maßgaben die mit dieser zweckbindung erhaltene soforthilfe zurückzuzahlen sei. diese stellte zwei kumulative („und“) voraussetzungen für eine rückzahlungspflicht am ende des dreimonatigen bewilligungszeitraums auf: 115- die finanzhilfe war höher als der umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter kosten. 116- die mittel wurden nicht (vollständig) zur sicherung der wirtschaftlichen existenz bzw. ausgleich des liquiditätsengpasses benötigt. 117im einzelnen: 118die bezirksregierung düsseldorf hat ihre vergabepraxis auch auf das bundesprogramm „corona-soforthilfen für kleinstunternehmen und selbständige“ gestützt. potentiellen anspruchsberechtigten standen hierzu sog. kurzfakten zur verfügung, in denen es u.a. heißt (stand 30. märz 2020): s. 1 ziffer 2: „die soforthilfe dient der sicherung der wirtschaftlichen existenz der unternehmen und zur überbrückung von akuten liquiditätsengpässen.“ ziffer 7: „eine kumulierung mit anderen hilfen […] ist grundsätzlich möglich. eine überkompensation ist aber zurückzuzahlen.“ s. 2: „wie wird hinterher geprüft, ob nicht eine überkompensation vorliegt? […] der antragsteller legt bei der angabe, in welcher höhe er die billigkeitsleitung beantragt, seinen voraussichtlichen liquiditätsengpass zugrunde. dieser wird auf der basis seines voraussichtlichen umsatzes sowie des betrieblichen sach- und finanzaufwands für die drei auf die antragstellung folgenden monate ermittelt. sofern die soforthilfe wie beantragt bewilligt wird und später festgestellt wird, dass der sach- und finanzaufwand des unternehmens oder die tatsächliche umsatzeinbuße doch geringer war, ist das unternehmen zu einer rückzahlung des überzahlten betrags verpflichtet. auch durch die kombination von mehreren hilfsprogrammen kann es zu einer überkompensation kommen.“ 119an mehreren stellen werden die formulierungen „wirtschaftliche existenz“ sowie „liquiditätsengpass“ gebraucht (auch auf s. 1 ziffer 3 und s. 2), ohne dass diese definiert würden. bei der beantwortung der frage, wie geprüft werde, ob eine „überkompensation“ vorliege, wird explizit eine umsatzeinbuße zur voraussetzung für eine rückerstattungsspflicht gemacht. 120das beklagte land hat dieses bundesprogramm erweitert und das landesprogramm „nrw-soforthilfe 2020“ ins leben gerufen. hierzu stellte es antragstellern auf der internetpräsenz des damaligen ministeriums für wirtschaft, innovation, digitalisierung und energie nrw hinweise und faq zur verfügung. 121in den faq 1 vom 25. märz 2020 hieß es für die anspruchsvoraussetzungen zu der frage, „was wird gefördert?“: „die unternehmen sollen bei der sicherung ihrer wirtschaftlichen existenz und überbrückung von akuten finanzierungsengpässen, u.a. für laufende betriebskosten wie mieten, kredite für betriebsräume, leasingraten u.ä. sowie den erhalt von arbeitsplätzen durch einen zuschuss unterstützt werden. […] voraussetzung: erhebliche finanzierungsengpässe und wirtschaftliche schwierigkeiten in folge von corona. dies wird angenommen wenn, 122- sich für den monat, in dem der antrag gestellt wird, umsatz- bzw. honorarrückgang von mindestens 50 prozent verglichen mit dem durchschnittlichen monatlichen umsatz (bezogen auf den aktuellen und die zwei vorangegangenen monate) im vorjahr ergibt [….] oder 123- der betrieb auf behördliche anordnung wegen der corona-krise geschlossen wurde oder 124- die vorhandenen mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen verbindlichkeiten des unternehmens (bspw. mieten, kredite für betriebskosten, leasingraten) zu zahlen (=finanzierungsengpass).“ 125in den faq 2 vom 26. märz 2020 wurden die voraussetzungen um eine vierte möglichkeit zum auftragseinbruch ergänzt und wie folgt umformuliert: 126- „mehr als die hälfte der aufträge aus der zeit vor dem 1. märz durch die corona-krise weggefallen sind […] oder 127- sich für den monat, in dem der antrag gestellt wird, umsatz- bzw. honorarrückgang von mindestens 50 prozent verglichen mit dem durchschnittlichen monatlichen umsatz (bezogen auf den aktuellen und die zwei vorangegangenen monate) im vorjahr ergibt. [….] oder 128- der umsatz durch eine behördliche auflage im zusammenhang mit der covid-19-pandemie massiv eingeschränkt wurde oder 129- die vorhandenen mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen verbindlichkeiten des unternehmens (bspw. mieten, kredite für betriebskosten, leasingraten) zu zahlen (= finanzierungsengpass).“ 130in den faq 3 (datum nach anlage b2 unbekannt; datum der speicherung: 25. märz 2020) wurden die voraussetzungen dann im wesentlichen unverändert final umformuliert: 131- „mehr als die hälfte der aufträge aus der zeit vor dem 1. märz durch die corona-krise weggefallen ist […] oder 132- die umsätze gegenüber dem vorjahresmonat mehr als halbiert sind (für einen noch im märz oder april gestellten antrag werden die umsätze im märz 2020 gegenüber dem monat märz 2019 zugrunde gelegt). kann der vorjahresmonat nicht herangezogen werden (z.b. bei gründungen), gilt der vormonat. oder 133- die möglichkeiten den umsatz zu erzielen durch eine behördliche auflage im zusammenhang mit der covid-19-pandemie massiv eingeschränkt wurde oder 134- die vorhandenen mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen verbindlichkeiten des unternehmens (bspw. mieten, kredite für betriebskosten, leasingraten) zu zahlen (=finanzierungsengpass).“ 135diese spiegelstrich-voraussetzungen mündeten fast wortgleich in das antragsformular, das die antragsteller – so auch der kläger – online einreichen mussten. von einem liquiditätsengpass ist an keiner stelle die rede, geschweige denn, dass er definiert würde. vielmehr wird durchgängig der begriff „finanzierungsengpass“ verwendet. dieser war – gemessen an den zum antragszeitpunkt feststehenden zahlen eines antragstellers – bedingung für das entstehen eines anspruchs. zwar entspricht der vierte spiegelstrich der anspruchsvoraussetzungen „die vorhandenen mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen verbindlichkeiten des unternehmens (bspw. mieten, kredite für betriebskosten, leasingraten) zu zahlen“ im wesentlichen der späteren definition des liquiditätsengpasses in ziffer 5.3 abs. 2 der richtlinie. in den faq war dieser spiegelstrich jedoch lediglich als eine von vier alternativen möglichkeiten („oder“) vorgesehen, um die anspruchsberechtigung zu begründen. 136zu den fragen „wird geprüft, ob dem antragsteller die hilfe auch wirklich zugestanden hat und wenn nein, muss die hilfe ggfls. zurückgezahlt werden?“ und „wird immer der maximalbetrag ausgezahlt?“ und „wie ist eine überkompensation definiert?“ wurden folgende antworten gegeben: 137- „wird geprüft, ob dem antragsteller die hilfe auch wirklich zugestanden hat und wenn nein, muss die hilfe ggfls. zurückgezahlt werden? 138der antragsteller versichert im formular, dass er alle angaben nach bestem wissen und gewissen und wahrheitsgetreu gemacht hat. falsche angaben, die zu einer unberechtigten inanspruchnahme der leistung führen, sind subventionsbetrug. die leistung muss dann nicht nur zurückgeführt werden, es kann dann zu einer strafrechtlichen verfolgung kommen. […] der zuschuss wird als sogenannte billigkeitsleistung ausgezahlt. auch im falle einer überkompensation (z.b. durch versicherungsleistung oder andere fördermaßnahmen) muss die erhaltene soforthilfe zurückgezahlt werden. stellt sich am ende der bezugszeit von drei monaten heraus, dass der antragsteller mehr erhalten hat, als sein schaden war, ist er gehalten, das überschüssige geld zurückzuzahlen. hierauf wird noch einmal separat im bescheid hingewiesen.“ 139- „wird immer der maximalbetrag ausgezahlt? 140ja. die zuschüsse sind nach mitarbeiterzahl gestaffelt. innerhalb der entsprechenden staffelung erhalten sie den vollen betrag. bis zu 5 mitarbeiter 9.000 euro, bei bis zu 10 mitarbeitern 15.000 euro und bei bis zu 50 mitarbeitern 25.000 euro. bei überkompensation sind die beträge zurückzuzahlen (s.o.). entsprechende hinweise und die kontonummer für die rückzahlung zuviel erhaltener soforthilfen enthält der bewilligungsbescheid.“ 141- „wie ist eine überkompensation definiert?“ 142in der fassung 2 (vom 26. märz 2020): „eine überkompensation entsteht dann, wenn der antragsteller mehr zuwendungen erhält, als erforderlich wären, um den finanzierungsengpass zu beseitigen.“ 143ab der fassung 3 (datum nach anlage b2 unbekannt; datum der speicherung: 25. märz 2020): „eine überkompensation entsteht dann, wenn der antragsteller mehr zuwendungen erhält, als sein tatsächlich eingetretener schaden – also insbesondere der durch die corona-krise eingetretene umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter kosten (z.b. mietminderung) ist. eine überkompensation ist nach der dreimonatigen förderphase zurückzuerstatten.“ 144in abgrenzung zu den anspruchsbegründenden voraussetzungen, die einen finanzierungsengpass erforderten, wurde für die rückzahlungspflicht am ende des bewilligungszeitraums auf eine „überkompensation“ – gemessen an den dann erst feststehenden zahlen aus dem bewilligungszeitraum – abgestellt. als beispiele für eine solche nannten die faq „z.b. durch versicherungsleistung oder andere fördermaßnahmen“. nach der ab fassung 3 der faq (datum nach anlage b2 unbekannt; datum der speicherung: 25. märz 2020; faq 4 datiert vom 28. märz 2020) unverändert geltenden definition in den faq tritt eine überkompensation ein, wenn der antragsteller mehr zuwendungen erhalten hat, als sein tatsächlich eingetretener schaden, also insbesondere der durch die corona-krise eingetretene umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter kosten (z.b. mietminderung), ist. auch hier wird maßgeblich auf einen umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter kosten abgestellt. der begriff des „liquiditätsengpasses“ fällt in diesem zusammenhang in den faq nicht. 145schließlich enthält der bewilligungsbescheid – wie erwähnt – in ziffer 2. (zweckbindung) die formulierungen „zur milderung der finanziellen notlage“ und „insbesondere zur überbrückung von liquiditätsengpässen“. aus der nebenbestimmung ii.3. ergaben sich zwei kumulative voraussetzungen für eine rückzahlungspflicht am ende des dreimonatigen bewilligungszeitraums, nämlich dass die „finanzhilfe höher ist als ihr umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter kosten (z.b. mietminderung) und sie die mittel nicht (vollständig) zur sicherung ihrer wirtschaftlichen existenz bzw. ausgleich ihres liquiditätsengpasses benötigen“. der ausdruck „überkompensation“ findet sich im bescheid nicht; welche bedeutung dem begriff „liquiditätsengpass“ zukommen soll, wird nicht umschrieben. die nebenbestimmung ii.3. gab den maßgeblichen anhaltspunkt dafür, wie die zuwendungsempfänger später ihre rückmeldung durchführen sollten; aus ihr ergab sich auch der umfang der vorläufigkeit des verwaltungsaktes; hier wurden die berechnungsmodalitäten für die spätere feststellung einer – an dieser stelle nicht so genannten – überkompensation festgelegt. wenn sie auch mehr als missverständlich formuliert ist, so konnten die bescheidadressaten – auch der kläger – ihr immerhin entnehmen, dass eine rückzahlungspflicht bereits dann ausgeschlossen sein sollte, wenn der umsatzausfall die finanzhilfe überstieg. insoweit korrelierte die bestimmung mit den faq. wie die zweite voraussetzung zu verstehen ist, die die bezeichnungen „wirtschaftliche existenz“ und „liquiditätsengpass“ aufnimmt, wird weder aus sich heraus noch im kontext mit dem übrigen inhalt des bescheides deutlich. vielmehr lag für einen durchschnittlichen antragsteller nach der lektüre der faq und der ersten voraussetzung der nebenbestimmung ii.3. nahe, dass eine verpflichtung zur rückzahlung der zunächst erhaltenen soforthilfe dann in betracht kam, wenn er am ende des dreimonatigen bewilligungszeitraums feststellte, dass seine tatsächliche umsatzeinbuße doch geringer war als zunächst angenommen. mit anderen worten, dass maßstab für eine erstattungspflicht eine „überkompensation“ war, die im wesentlichen von umsatzeinbußen und ersparten aufwendungen abhing. 146festzuhalten ist mithin, dass die verwaltungspraxis des beklagten landes bzw. der bezirksregierung düsseldorf bis zum erlass der jeweiligen bewilligungsbescheide durch eine vielzahl von informationen gekennzeichnet war, die aus sich heraus entweder nicht ohne weiteres verständlich waren oder jedenfalls keinen eindeutigen – schon gar nicht begrifflich erläuterten – hinweis auf die voraussetzungen für eine spätere rückzahlungspflicht gaben. nachvollziehbar für die anspruchsteller war immerhin, dass sich die anspruchsbegründenden voraussetzungen von jenen des späteren rückmeldeverfahrens unterschieden. unter welchen bedingungen es zu einer rückerstattung kommen würde, blieb aber weitgehend unklar. das gilt namentlich für den den schlusspunkt des zuwendungsverfahrens setzenden bewilligungsbescheid. hier (in der nebenbestimmung ii.3.) wie auch in den den antragstellern zuvor zur verfügung gestellten informationen wird eher der eindruck erweckt, es komme darauf an, wie sich der umfang der umsatzeinbußen im dreimonatigen bewilligungszeitraum gestalten werde. werde die soforthilfe höher sein als der umsatzausfall (abzüglich eingesparter kosten), so dürften die zu viel erhaltenen mittel nicht behalten werden. dies wird zum teil auch als „überkompensation“ bezeichnet. soweit der begriff „liquiditätsengpass“ überhaupt gebraucht wird – im antragsformular findet er sich nicht –, wird nicht deutlich, was unter ihm zu verstehen ist. dass ihm ein verständnis im sinne der anforderungen der späteren richtlinie beizulegen wäre, ist weder den faq noch dem bewilligungsbescheid aus der sicht eines durchschnittlichen adressaten zu entnehmen. soweit in der nebenbestimmung ii.3. auf einen liquiditätsengpass abgestellt wird, handelt es sich lediglich um eine zweite voraussetzung für eine rückerstattungspflicht. mit anderen worten: die rückzahlungspflicht wird hiernach nicht ausgelöst, wenn bereits die erste bedingung nicht erfüllt ist, wenn also die finanzhilfe nicht höher ist als der umsatzausfall. liegt die erste voraussetzung vor, ist die zweite zu prüfen. jedoch bleibt auch hier völlig unklar, was unter liquiditätsengpass zu verstehen und wie dieser zu berechnen ist. solche unklarheiten gehen zu lasten der behörde, 147vgl. bverwg, urteil vom 11. februar 1983 – 7 c 70/80 –, juris; vg hamburg, urteil vom 14. märz 2020 – 17 k 4793/21 –, juris; stelkens, in: stelkens/bonk/sachs, vwvfg, 9. auflage 2018, § 35 rn. 80 m.w.n.; von alemann/scheffczyk, in: bader/ronellenfitsch, vwvfg, stand: 1. januar 2022, § 35 rn. 46 m.w.n. 148im kontext mit den gegebenheiten des verwaltungsverfahrens durfte der kläger davon ausgehen, die soforthilfe nur dann (teilweise) erstatten zu müssen, wenn er am ende des dreimonatigen bewilligungszeitraumes feststellte, dass die zuwendung höher war als der umsatzausfall (abzüglich eingesparter kosten), wenn also eine überkompensation in diesem sinne vorlag. da seine umsatzeinbuße unstreitig die höhe der soforthilfe von 9.000,00 euro überstieg, durfte er annehmen, die mittel behalten zu dürfen. wäre dies nicht der fall gewesen, wäre nach dem oben gesagten allerdings im dunkeln geblieben, wann die voraussetzungen der zweiten alternative der nebenbestimmung ii.3. vorgelegen hätten. denn – wie bereits ausgeführt – wurde im bewilligungsverfahren der begriff des „liquiditätsengpasses“ nicht definiert. lediglich der ähnliche begriff des „finanzierungsengpasses“ wurde im bewilligungsverfahren definiert, allerdings nur im rahmen der vier alternativ erfüllbaren anspruchsvoraussetzungen und gemessen an den bei antragstellung feststehenden wirtschaftlichen zahlen der antragsteller. eine übertragung dieser definition auf eine rückzahlungspflicht am ende des bewilligungszeitraumes gemessen an den dann feststehenden wirtschaftlichen zahlen der antragsteller aus diesem bewilligungszeitraum macht keinen sinn bzw. ist zumindest nicht aus sich heraus verständlich. eine solche missverständliche fassung der nebenbestimmung ii.3. geht – wie ebenfalls bereits ausgeführt – nicht zu lasten des klägers. 149dass die bezirksregierung düsseldorf dem schlussbescheid vom 6. dezember 2020 nicht die beschriebenen – wenngleich missverständlichen – parameter für die berechnung einer etwaigen rückzahlungspflicht zugrunde gelegt hat, führt dazu, dass der schlussbescheid (insoweit) den bewilligungsbescheid nicht ersetzen kann. werden die regelungen des schlussbescheides mit jenen des bewilligungsbescheides abgeglichen, ist ersichtlich, dass diesen ein anderes verständnis der rückzahlungsbedingungen immanent ist, als es sich aus dem auf der basis der förderpraxis ergangenen bewilligungsbescheid ergibt. im schlussbescheid ist nur noch von einem „liquiditätsengpass“ die rede (insbesondere in der überschrift, im eingangssatz, in ziffer 1. sowie mehrfach in der begründung); die formulierungen „finanzielle notlage“, „wirtschaftliche engpässe“ o.ä. wurden nicht aufgenommen. in den gründen unter ii.3. findet sich der ausdruck der „überkompensation“, die 7.000,00 euro betrage. das verständnis des begriffs des liquiditätsengpasses im schlussbescheid beruht auf der definition der zu diesem zeitpunkt bereits erlassenen richtlinie des landes. erstmals wird dort präzise umschrieben, dass der liquiditätsengpass sich aus der differenz zwischen den tatsächlichen fortlaufenden einnahmen aus dem geschäftsbetrieb und den tatsächlichen laufenden, erwerbsmäßigen sach- und finanzausgaben (ohne personalaufwand) unter berücksichtigung eingesparter kosten im erfassungszeitraum ergibt (ziffer 5.3. abs. 2). dieses verständnis ließ sich den umständen des antragsverfahrens nicht entnehmen, auch nicht dem bewilligungsbescheid selbst. nach den vorstehenden ausführungen ist nicht maßgeblich, wie die den antragstellern zum zeitpunkt des erlasses der bewilligungsbescheide noch nicht bekannten bestimmungen der richtlinie lauteten. diese vorschriften wären im vorliegenden rechtlichen zusammenhang allenfalls dann relevant, wenn ihr wortlaut mit dem verwaltungshandeln und den begrifflichkeiten des erstbescheides übereinstimmte. da er indes von der verwaltungspraxis abweicht, kommt es auf die praxis, nicht auf die ausgestaltung der verwaltungsvorschrift an. dies gilt auch deshalb, weil die bewilligungsbehörde gegenüber den zuwendungsempfängern im ausgangsbescheid nicht zum ausdruck gebracht hat, dass die modalitäten der rückzahlung von einer noch zu erlassenen richtlinie abhängen sollten. 150beruhten die im angegriffenen schlussbescheid getroffenen festsetzungen zum liquiditätsengpass, zur höhe der soforthilfe und zur höhe der rückzahlungspflicht somit auf einer berechnungsmethode, die nicht mit der – zum maßgeblichen erlasszeitpunkt des bewilligungsbescheides bestehenden – verwaltungspraxis korrelierte, führt dies – unabhängig von der tatsächlichen umsatzentwicklung des klägers im bewilligungszeitraum – zur rechtswidrigkeit des schlussbescheides. 151ii. aus der rechtswidrigkeit der für den kläger nachteiligen bestimmungen des schlussbescheides folgt die rechtsverletzung des klägers, § 113 abs. 1 satz 1 vwgo. 152b. die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 1 vwgo, die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit auf § 167 abs. 1 satz 1 und abs. 2 vwgo i.v.m. § 709 satz 1 und 2 zivilprozessordnung. 153c. die berufung ist von amts wegen gem. § 124a abs. 1 satz 1 vwgo zuzulassen. da die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat, liegen die voraussetzungen des § 124 abs. 2 nr. 3 vwgo vor. 154rechtsmittelbelehrung: 155gegen dieses urteil kann innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) schriftlich berufung eingelegt werden. die berufung muss das angefochtene urteil bezeichnen. 156auf die ab dem 1. januar 2022 unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 157die berufung ist innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils zu begründen. die begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der einlegung der berufung erfolgt, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen (aegidiikirchplatz 5, 48143 münster oder postfach 6309, 48033 münster) schriftlich einzureichen. 158die begründungsfrist kann auf einen vor ihrem ablauf gestellten antrag von dem vorsitzenden des senats verlängert werden. die begründung muss einen bestimmten antrag enthalten sowie die im einzelnen anzuführenden gründe der anfechtung (berufungsgründe). 159im berufungsverfahren müssen sich die beteiligten durch prozessbevollmächtigte vertreten lassen. dies gilt auch für prozesshandlungen, durch die das verfahren eingeleitet wird. die beteiligten können sich durch einen rechtsanwalt oder einen rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten hochschule eines mitgliedstaates der europäischen union, eines anderen vertragsstaates des abkommens über den europäischen wirtschaftsraum oder der schweiz, der die befähigung zum richteramt besitzt, als bevollmächtigten vertreten lassen. auf die zusätzlichen vertretungsmöglichkeiten für behörden und juristische personen des öffentlichen rechts einschließlich der von ihnen zur erfüllung ihrer öffentlichen aufgaben gebildeten zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 abs. 4 satz 4 vwgo und § 5 nr. 6 des einführungsgesetzes zum rechtsdienstleistungsgesetz – rdgeg –). darüber hinaus sind die in § 67 abs. 2 satz 2 nr. 3 bis 7 vwgo bezeichneten personen und organisationen unter den dort genannten voraussetzungen als bevollmächtigte zugelassen. 160die berufungsschrift und die berufungsbegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. 161 162beschluss: 163der streitwert wird auf 7.000,00 euro festgesetzt. 164gründe: 165die festsetzung des streitwertes ist nach § 52 abs. 3 gkg erfolgt. 166rechtsmittelbelehrung: 167gegen den streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur niederschrift des urkundsbeamten der geschäftsstelle bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) beschwerde eingelegt werden, über die das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen in münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der zivilprozessordnung gilt entsprechend. 168auf die ab dem 1. januar 2022 unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 169die beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs monaten eingelegt wird, nachdem die entscheidung in der hauptsache rechtskraft erlangt oder das verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der streitwert später als einen monat vor ablauf dieser frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines monats nach zustellung oder formloser mitteilung des festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 170die beschwerde ist nicht gegeben, wenn der wert des beschwerdegegenstandes 200,-- euro nicht übersteigt. 171die beschwerdeschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. 172war der beschwerdeführer ohne sein verschulden verhindert, die frist einzuhalten, ist ihm auf antrag von dem gericht, das über die beschwerde zu entscheiden hat, wiedereinsetzung in den vorigen stand zu gewähren, wenn er die beschwerde binnen zwei wochen nach der beseitigung des hindernisses einlegt und die tatsachen, welche die wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. nach ablauf eines jahres, von dem ende der versäumten frist angerechnet, kann die wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. 173
346,372
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18 A 770/22
2022-08-16T00:00:00
Urteil
Tenor Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 8. März 2022 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Revision wird nicht zugelassen. 1Tatbestand: 2Die Beteiligten streiten über die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß §§ 8 Abs. 1, 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG. 3Der am 24. Juni 1976 in Serbien geborene Kläger serbischer Staatsangehörigkeit reiste erstmals im Jahr 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und führte erfolglos ein Asyl(erst)verfahren durch. Das ungefähr im selben Zeitraum von seiner Ehefrau B. E. (geb. C.) angestrengte 3. Asylfolgeverfahren blieb ebenfalls ohne Erfolg. Zugleich lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) auch die Asyl(erst)anträge der drei gemeinsamen Kinder als (offensichtlich) unbegründet ab. Im April 2014 reiste der Kläger mit seiner Ehefrau und den drei gemeinsamen Kindern (wohl) freiwillig aus. 4Am 22. Juni 2018 bezog der Kläger ausweislich der entsprechenden Bescheinigung über die Anmeldung eine Wohnung unter der Anschrift F. 20, X. Am 2. Juli 2018 gab er gegenüber einer Notarin in M. die Erklärung ab, Vater des noch ungeborenen Kindes der italienischen Staatsangehörigen Frau S. Q. zu sein. Frau Q. stimmte der Vaterschaftsanerkennung zu. Die Erklärungen wurden notariell beurkundet. Am gleichen Tag erklärten der Kläger und Frau Q1. gegenüber derselben Notarin, die elterliche Sorge für das ungeborene Kind gemeinsam übernehmen zu wollen. Am 11. Oktober 2018 wurde das Kind F. Q. in X. geboren. Dieses besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit und zudem nach Ansicht der Beklagten die italienische Staatsangehörigkeit. 5Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt reiste der Kläger erneut aus dem Bundesgebiet aus und am 5. Januar 2019 wieder ein. 6Am 10. Januar 2019 stellte der Kläger bei der Beklagten unter Verweis auf sein Kind F. Q. einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG. Er teilte ferner mit, er wohne unter der Anschrift seiner Freundin S. Q. (F. 20, X.). Als Anlage zu einem Schreiben vom 26. Februar 2019 übersandte der Kläger der Beklagten die Vaterschaftsanerkennung und die Sorgeerklärung jeweils vom 2. Juli 2018. 7Frau Q. ist Mutter von vier weiteren Kindern: T. Q., geboren am 22. August 2011, B.-D. Q., geboren am 12. Mai 2013, C. -E. Q., geboren am 11. August 2014 und Z.-T. Q., geboren am 20. Mai 2016. Vater von T. und B.-D. ist T1. B2., Vater von C.-E. ist M. B3. und Vater von Z.-T. ist T3. C2. Dieser ist ein Schwager des Klägers. Die Schwester von T1. B2. ist mit einem weiteren Bruder der Ehefrau des Klägers verheiratet. 8Mit Bescheid der Bezirksregierung Arnsberg vom 10. Mai 2019 wurde der Kläger der Beklagten zugewiesen. 9Die Beklagte erteilte dem Kläger am 27. Juni 2019 befristet bis zum 5. Februar 2020 die beantragte Aufenthaltserlaubnis. 10Seit dem 1. November 2019 wurden für das Kind F. Q. Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gezahlt. 11Ab dem 15. November 2019 lebte der Kläger unter der Adresse C. Straße 113, X. 12Am 6. Februar 2020 um 8:45 Uhr stellte der Kläger persönlich bei der Beklagten einen Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis. Dem Antrag wurde am selben Tag entsprochen. Die Aufenthaltserlaubnis wurde bis zum 5. Februar 2021 verlängert. 13Im Laufe desselben Tages (18:17 Uhr) teilten die Prozessbevollmächtigten des Klägers und seiner Ehefrau B. E. mit, letztere sei mit den gemeinsamen Kindern bereits am 27. November 2019 in das „Schengengebiet“ eingereist. Alle fünf Personen wohnten unter derselben Anschrift (C. Str. 113, X.). Zusätzlich wurden für die Ehefrau und die drei gemeinsamen Kinder Aufenthaltserlaubnisse (§§ 25 Abs. 5, 30, 32 AufenthG) beantragt. 14Am 8. Mai 2020 begann der Kläger eine Tätigkeit als Raumpfleger mit einer täglichen Arbeitszeit von 2 ¼ h. 15Die Bezirksregierung Arnsberg wies die Ehefrau des Klägers und die gemeinsamen drei Kinder mit Bescheid vom 23. September 2020 ebenfalls der Beklagten zu. 16Am 18. Dezember 2020 wurden der Kläger und Frau Q. von der Beklagten zur Vaterschaft befragt. 17Am 15. Januar 2021 bezogen der Kläger, seine Ehefrau B. E. und die gemeinsamen drei Kinder eine Wohnung unter der Anschrift H. 34, X. 18Die Beklagte stellte dem Kläger am 9. Februar 2021 eine bis zum 8. August 2021 befristete Fiktionsbescheinigung aus. 19Mit Bescheiden vom 18. Februar 2021 lehnte die Beklagte die Anträge der Ehefrau des Klägers und der gemeinsamen drei Kinder auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen ab, drohte ihnen die Abschiebung nach Serbien an, ordnete für den Fall der Abschiebung jeweils ein Einreise- und Aufenthaltsverbot an und befristete dieses auf zwei Jahre ab dem Zeitpunkt der Abschiebung. Das dagegen angestrengte Klageverfahren ist noch nicht abgeschlossen. 20Mit Schreiben vom 1. April 2021 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Ablehnung des Antrags auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis an und erläuterte, wieso sie davon ausgehe, er, der Kläger, übe die Personensorge für das Kind F. Q. nicht aus. Sie wies u. a. darauf hin, weder das Facebookprofil noch das Instagramprofil des Klägers enthielten Fotos von F. Q. 21Mit Bescheid vom 26. Mai 2021, zugestellt am 28. Mai 2021, lehnte die Beklagte die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG (Ziffer 1.), die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 4 AufenthG (Ziffer 2.), die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß Art. 20 AEUV (Ziffer 3.), die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG (Ziffer 4.) sowie die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG (Ziffer 5.) ab und drohte dem Kläger die Abschiebung nach Serbien an (Ziffer 6.). Ferner ordnete die Beklagte für den Fall der Abschiebung ein Einreise- und Aufenthaltsverbot an (Ziffer 7.) und befristete dieses auf drei Jahre ab dem Zeitpunkt der Abschiebung (Ziffer 8.). Begründet wurde Ziffer 1. der Ordnungsverfügung im Wesentlichen damit, der Kläger übe die Personensorge für das Kind F. Q. nicht aus. Auffällig sei in diesem Zusammenhang, dass die Familie des Klägers und die Familie von Frau Q. seit Jahren befreundet seien. Ferner ließen die Profile des Klägers in den sozialen Medien keinen Schluss darauf zu, dass er sich um F. Q. kümmere. Zusätzlich liege der Ausschlussgrund des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG vor. 22Die Beklagte erteilte dem Kläger für die Zeit vom 1. September 2021 bis zum 28. Februar 2022 Duldungen. 23Der Kläger hat am 11. Juni 2021 Klage erhoben und einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (7 L 1299/21) gestellt. 24Am 12. Januar 2022 hat das Verwaltungsgericht einen gemeinsamen Erörterungstermin für das Klageverfahren und das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durchgeführt. Im Rahmen des Termins sind der Kläger und Frau Q. (als Zeugin) zur Frage des Umgangs des Klägers mit dem Kind F. Q. befragt worden. Zum Beleg einer Vater-Kind-Beziehung hat der Kläger im Termin eine Vielzahl von Fotos zur Gerichtsakte gereicht. 25Mit Bescheid vom 11. Februar 2022 hat die Beklagte das mit Ordnungsverfügung vom 26. Mai 2021 angeordnete und auf drei Jahre befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot (dort Ziffern 7. und 8.) aufgehoben und für den Fall der Abschiebung des Klägers ein neues Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen, das auf ein Jahr und sechs Monate befristet worden ist. 26Der Kläger hat zur Begründung seiner Klage vorgetragen, es bestehe nach wie vor eine Lebens- und Beistandsgemeinschaft zu seinem deutschen Kind F. Q. Dies bestätige Frau Q. in einer schriftlichen Erklärung vom 6. Juli 2021. Entgegen dem Vortrag der Beklagten sei sein Vorbringen glaubhaft. Die Ausführungen der Beklagten trügen die ablehnende Entscheidung nicht. Er und die Kindesmutter hätten dargelegt, dass intensiver Kontakt zum Kind F. Q. bestehe. Er stehe der Kindesmutter jederzeit mit Rat und Tat zur Seite, wenn dies nötig sei. Die vorgelegten Fotos bezögen sich nicht nur auf ein Jahr, sondern umfassten auch die Zeiten vor der Anhörung durch die Beklagte. 27Der Kläger hat beantragt, 28die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 26. Mai 2021 in der Fassung der Änderungsverfügung vom 11. Februar 2022 zu verpflichten, seine Aufenthaltserlaubnis zu verlängern. 29Die Beklagte hat beantragt, 30die Klage abzuweisen. 31Zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags hat sie im Wesentlichen auf die Ordnungsverfügung vom 26. Mai 2021 verwiesen und ergänzend vorgetragen, die Ausführungen des Klägers und der Frau Q. seien unglaubhaft. Die schriftliche Erklärung von Frau Q. weiche vom bisherigen Vorbringen ab und widerspreche diesem. Vor dem Hintergrund des durchgeführten Erörterungstermins hat die Beklagte ergänzend ausgeführt, es werde nicht bestritten, dass der Kläger und das Kind F. Q. sich kennten und eine Bindung zwischen den beiden bestehe. Man gehe jedoch davon aus, die Familien E./Q./C2./B2. bildeten eine Großfamilie, bei der es ganz normal sei, dass sich die Familienmitglieder häufiger sähen. In den Erklärungen des Klägers fänden sich weiterhin Widersprüche, die auf die fehlende Ausübung der Personensorge hindeuteten. 32Mit - nach entsprechenden Verzichtserklärungen ohne mündliche Verhandlung ergangenem - Urteil vom 8. März 2022, der Beklagten zugestellt am 9. März 2022, hat das Verwaltungsgericht die Beklagte unter entsprechender Aufhebung der Ordnungsverfügung vom 26. Mai 2021 in der Fassung der Änderungsverfügung vom 11. Februar 2022 verpflichtet, dem Kläger die Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG zu verlängern. Es hat festgestellt, zwischen dem Kläger und F. Q. bestehe eine vom Schutz des Art. 6 GG erfasste familiäre Lebensgemeinschaft. Mit Beschluss vom selben Tage hat das Verwaltungsgericht im Verfahren 7 L 1299/21 die aufschiebende Wirkung der vorliegenden Klage 7 K 4050/21 angeordnet und zur Begründung im Wesentlichen auf das Urteil verwiesen. Hiergegen hat die Beklagte am 23. März 2022 Beschwerde eingelegt. 33Am 6. April 2022 hat die Beklagte die Zulassung der Berufung beantragt, die am 6. Mai 2022 begründet worden ist. 34Mit Beschluss vom 25. Mai 2022, der Beklagten zugestellt am 7. Juni 2022, hat der Senat die Berufung wegen der geltend gemachten besonderen tatsächlichen Schwierigkeiten der Rechtssache zugelassen. Ebenfalls mit Beschluss vom 25. Mai 2022 hat der Senat im Verfahren 18 B 424/22 die von der Beklagten gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts im Verfahren 7 L 1299/21 erhobene Beschwerde zurückgewiesen. 35Mit Schriftsatz vom 27. Juni 2022, bei dem Oberverwaltungsgericht eingegangen am selben Tage, hat die Beklagte die Berufung begründet und im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger übe die Personensorge bezüglich seines Kindes F. Q. nicht aus. Der Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet diene daher nicht der Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft. Der Kläger sei entgegen seiner Aussage nicht der leibliche Vater des Kindes F. Der leibliche Vater sei vielmehr Herr T1. B2. Die Einlassungen des Klägers seien unglaubhaft. Insbesondere die vom Kläger vorgetragene Geschichte, er habe mit der Kindsmutter und ihren anderen vier Kindern einen Urlaub verbracht sowie gemeinsam mit der Kindsmutter 2017/2018 Sylvester gefeiert, könne nicht zur Annahme der leiblichen Vaterschaft führen. Das Vorbringen sei nicht plausibel. Der Kläger bringe sich bei der Erziehung und Betreuung des Kindes F. Q. nicht ein. Die Angaben des Klägers und der Kindsmutter hierzu seien teils vage und teils widersprüchlich. 36Die Beklagte beantragt, 37das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 8. März 2022 aufzuheben und die Klage abzuweisen. 38Der Kläger beantragt, 39die Berufung zurückzuweisen. 40Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. 41Entscheidungsgründe: 42Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis gemäß §§ 8, 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) (I.). Die Abschiebungsandrohung (II.) sowie das erlassene und auf ein Jahr und sechs Monate befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot (III.) sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). 43(I.) Bei Verpflichtungsklagen auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels müssen die Anspruchsvoraussetzungen sowohl zum Zeitpunkt des Ablaufs der Geltungsdauer des (jeweils) zu verlängernden Aufenthaltstitels als auch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz vorliegen. 44Vgl. hierzu OVG NRW, Beschlüsse vom 6. Juli 2021 - 18 A 1444/21 -, vom 29. März 2021- 18 B 155/21 -, vom 7. April 2020- 18 B 178/20 -, vom 28. Juni 2016- 18 B 558/16 -, juris, Rn. 3 ff., vom 29. April 2016 - 18 A 471/16 -, und vom 9. Dezember 2013- 18 B 267/13 -, juris, Rn. 5 ff.; siehe ferner BVerwG, Urteile vom 26. Mai 2020 - 1 C 12.19 -, juris, Rn. 20, vom 21. August 2018 - 1 C 22.17 -, juris Rn. 11, vom 17. Dezember 2015- 1 C 31.14 -, juris, Rn. 9, sowie vom 10. Dezember 2013 - 1 C 1.13 -, juris, Rn. 14, 15 und 20. 45Denn eine Verlängerung im Sinne des § 8 Abs. 1 AufenthG ist auf die weitere lückenlose Legalisierung des Aufenthalts ohne Wechsel des Aufenthaltszwecks gerichtet. 46Vgl. zur Rechtsnatur der Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 - 1 C 5.10 -, juris, Rn. 14. 47Die Bedeutung des Umstands der Lückenlosigkeit wird von der Gegenansicht, die allein auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. Entscheidung des Tatsachengerichts abstellt, 48vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20. September 2018 - 11 S 240/17 -, juris, Rn. 43; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Mai 2018 - OVG 11 B 18.16 -, juris, Rn. 20 ff.; Dienelt, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 31 AufenthG Rn. 95, 49übersehen. 50Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. März 2021- 18 B 155/21 -. 51Gemessen an diesen Maßstäben hat der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Verlängerung der begehrten Aufenthaltserlaubnis nach §§ 8 Abs. 1, 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG. Die Beklagte hat den Antrag zu Recht abgelehnt (Ziffer 1. des angegriffenen Bescheides). 52Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG ist dem ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge die Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. 53Diese Voraussetzungen waren weder zum Zeitpunkt des Ablaufs der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis am 5. Februar 2021 gegeben noch ist dies im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats der Fall. 54Der Kläger ist zwar serbischer Staatsangehöriger und rechtlicher Vater des am 11. Oktober 2018 in X. geborenen minderjährigen ledigen Kindes F. Q. Die (mehrfach wiederholte) Behauptung der Beklagten, der Kläger sei nicht der biologische Vater des Kindes F. Q., ist rechtlich unerheblich. Der Kläger hat die Vaterschaft mit Zustimmung der Kindsmutter formwirksam anerkannt (§§ 1594, 1595, 1597 Abs. 1 BGB) und ist damit gemäß § 1592 Nr. 2 BGB Vater des Kindes F. Q. Insbesondere die - hier erfolgte - Anerkennung vor der Geburt ist ‑ entgegen der von der Beklagten geäußerten Vorbehalte - nach § 1594 Abs. 4 BGB zulässig. Vor diesem Hintergrund bedarf es der von der Beklagten angeregten Einholung eines DNA-Gutachtens nicht. 55F. Q. besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit. Er hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in X. und damit im Bundesgebiet. Der Kläger hat ferner neben der Kindsmutter das Sorgerecht für F. Q., da beide entsprechende Sorgeerklärungen (§ 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB) wirksam (§§ 1626b - 1626e BGB) abgegeben haben. 56Neben der bloßen Inhaberschaft des Sorgerechts verlangt § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG seitens des ausländischen Elternteils jedoch zusätzlich eine aktive Wahrnehmung der elterlichen Verantwortung durch einen entsprechenden tatsächlichen Erziehungs- und Betreuungsbeitrag für das Kind. Daran fehlt es hier. 57Der Rechtsrahmen für die aus dem Sorgerecht entspringenden Rechte und Pflichten der Eltern - und Kinder - ergibt sich aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Danach ist Ausfluss der elterlichen Sorge allgemein die Pflicht und das Recht der Eltern, für das minderjährige Kind zu sorgen, § 1626 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die elterliche Sorge umfasst dabei die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge), § 1626 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die elterliche Sorge umfasst auch die Vertretung des Kindes, wobei die Eltern das Kind gemeinschaftlich vertreten, § 1629 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Halbs. 1 BGB. 58Die Personensorge umfasst insbesondere die Pflicht und das Recht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen, § 1631 Abs. 1 BGB. Sie umfasst überdies das Recht, die Herausgabe des Kindes von jedem zu verlangen, der es den Eltern oder einem Elternteil widerrechtlich vorenthält und das Recht, den Umgang des Kindes auch mit Wirkung für und gegen Dritte zu bestimmen, § 1632 Abs. 1 und 2 BGB. 59Korrespondierend mit dem Vorstehenden hat das Kind das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil, wobei wiederum jeder Elternteil zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt ist, § 1684 Abs. 1 BGB. 60Für den - vorliegend gegebenen - Fall der Ausübung der gemeinsamen Sorge bei Getrenntleben trifft § 1687 BGB u. a. in dessen Absatz 1 Sonderregeln. Danach ist dann, wenn die Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt leben, bei Entscheidungen in Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, ihr gegenseitiges Einvernehmen erforderlich (Satz 1). Der Elternteil, bei dem sich das Kind mit Einwilligung des anderen Elternteils oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung gewöhnlich aufhält, hat die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens (Satz 2). Entscheidungen in Angelegenheiten des täglichen Lebens sind in der Regel solche, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben (Satz 3). Solange sich das Kind mit Einwilligung dieses Elternteils oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung bei dem anderen Elternteil aufhält, hat dieser die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung (Satz 4). 61Für den Anspruch nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG folgt daraus, dass der sorgeberechtigte Elternteil von seinem nach den vorstehenden Ausführungen konturierten Sorgerecht in einer Weise Gebrauch machen muss, die sich in seinem Verhalten gegenüber dem Kind manifestiert und seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet erforderlich macht. Er muss auch nach außen hin erkennbar in ausreichendem Maße einen für eine familiäre Lebensgemeinschaft typischen Kernbestand an Verantwortung für die Betreuung und Erziehung seines minderjährigen Kindes übernehmen. 62Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20. September 2018 - 11 S 240/17 -, juris, Rn. 69. 63Es kommt mithin darauf an, ob zwischen dem Ausländer und seinem Kind auf Grund des gepflegten persönlichen Umgangs ein Eltern-Kind-Verhältnis besteht, das von der nach außen manifestierten Verantwortung für die leibliche und seelische Entwicklung des Kindes geprägt ist. 64Vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 30. Juli 2021 - 19 ZB 21.738 -, juris, Rn. 16. 65Wenn - wie hier - keine häusliche Gemeinschaft besteht, können entsprechende Anhaltspunkte für die erforderliche Erziehungsgemeinschaft zwischen einem Vater und seinem Kind etwa in intensiven Kontakten, gemeinsam verbrachten Ferien, der Übernahme eines nicht unerheblichen Anteils an der Betreuung und der Erziehung des Kindes oder in sonstigen vergleichbaren Beistandsleistungen liegen, die geeignet sind, das Fehlen eines gemeinsamen Lebensmittelpunktes weitgehend auszugleichen, wobei sich die Anforderungen an die Intensität der Kontakte nach den Besonderheiten des Einzelfalls beurteilen. 66Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Dezember 2005 - 18 B 1592/05 -, juris, Rn. 6. 67Daher verbietet sich bei der vorzunehmenden Bewertung der familiären Beziehung eine schematische Einordnung und Qualifizierung als entweder aufenthaltsrechtlich grundsätzlich schutzwürdige Lebens- und Erziehungsgemeinschaft oder Beistandsgemeinschaft oder aber als bloße Begegnungsgemeinschaft ohne aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen. 68Vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 30. Juli 2021 - 19 ZB 21.738 -, juris, Rn. 16; OVG NRW, Beschluss vom 12. Dezember 2005- 18 B 1592/05 -, juris, Rn. 4. 69Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben übt der Kläger sein Sorgerecht nicht aus. Das gesamte diesbezügliche Vorbringen des Klägers und Frau Q. ist unglaubhaft und verfahrenstaktischer Natur. 70Bereits die Schilderungen des Klägers und Frau Q. zu den Umständen des gemeinsamen Kennenlernens sind von auffälligen Ungereimtheiten und Plausibilitätsdefiziten geprägt. So bleibt schon im Dunkeln, wieso der Kläger, der allein wegen eines beabsichtigten Autokaufs eines Freundes diesen in die Bundesrepublik Deutschland begleitet haben will, auch auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht mitteilen konnte, wie der Freund mit Nachnamen hieß. Auf die erste ausdrückliche Frage erwiderte der Kläger ausweichend, sein Freund sei an Corona gestorben. Auf die zweite Frage hin nannte der Kläger lediglich den Vornamen („B.“) des Freundes und erklärte, weiteres wisse er nicht. Widersprüchlich ist der Vortrag des Klägers zum Ort der „Roma-Party“, wo er Frau Q. kennen gelernt haben will. Gegenüber der Beklagten ließ sich der Kläger dahingehend ein, die Party habe in Düsseldorf stattgefunden, wohingegen er im Erörterungstermin beim Verwaltungsgericht erklärte, die Party sei in Dortmund gewesen. Nicht (ansatzweise) nachvollziehbar ist, warum Frau Q. im Anschluss gemeinsam mit ihren vier in den Jahren 2011, 2013, 2014 und 2016 geborenen Kindern im Sommer des Jahres 2017 nach Serbien gereist sein soll, obwohl sie den Kläger vorher erst ein einziges Mal auf der „Roma-Party“ gesehen hatte und sie beide danach lediglich telefonischen Kontakt hatten. Ein derartiger Geschehensablauf erscheint vielmehr lebensfremd. Selbst wenn Frau Q. jedoch mit ihren vier Kindern nach Serbien gereist wäre, so wäre zumindest zu erwarten gewesen, dass sie sich mit dem Kläger über die Anreise unterhalten hätte. Der Kläger war jedoch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht in der Lage, hierzu irgendeine aussagekräftige Auskunft zu erteilen. So beantwortete er die Frage, wie die Anreise erfolgt sei, mit der Feststellung, er habe kein Auto. Auf Nachfragen erklärte er, Frau Q. sei „wahrscheinlich“ mit dem Bus gekommen, abgeholt habe er sie jedoch nicht. In diesen Zusammenhang fügt sich nahtlos ein, dass die Angaben des Klägers und Frau Q. zu Anzahl, Dauer und Finanzierung der gemeinsamen Aufenthalte in Serbien in bemerkenswerter Weise voneinander abweichen. Der Kläger gab im Verwaltungsverfahren an, Frau Q. habe ihn im Juli 2017 zunächst gemeinsam mit ihren vier Kindern für zwei Wochen besucht und sei dann eine Woche später für eine Woche - dann jedoch ohne ihre Kinder - zu ihm gekommen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ließ sich der Kläger dahingehend ein, Frau Q. sei einmal mit ihren Kindern da gewesen und einmal alleine. Die Aufenthalte hätten jeweils eine Woche gedauert. Frau Q. hingegen erklärte im Verwaltungsverfahren, sie sei im Juni 2017 mit ihren Kindern für einen Monat in Serbien gewesen. Im erstinstanzlichen Erörterungstermin gab sie wiederum an, sie sei mit allen Kindern für zwei bis drei Wochen in Serbien zu Besuch gewesen. Mit Blick auf die Finanzierung der Reise(n) nach Serbien erklärte Frau Q., die seit Jahren und auch im Jahr 2017 von Sozialleistungen lebt(e), im Erörterungstermin vor dem Verwaltungsgericht, sie habe in einem Hotel gewohnt, das Geld „hierfür“ habe sie gespart bzw. sich geliehen. Im Gegensatz dazu behauptete der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, soweit Aufwendungen in Serbien zu tätigen gewesen seien - insbesondere Hotelkosten -, sei er dafür aufgekommen. Es passt dabei ins Bild, dass der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren ausgesagt hatte, das Hotel, in dem Frau Q. und ihre Kinder übernachtet hätten, habe „A.“ geheißen, während er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zunächst behauptete, das Hotel habe keinen Namen, nur um auf entsprechenden Vorhalt der Beklagtenvertreterinnen sodann zu erklären, es könne sein, dass er im Termin vor dem Verwaltungsgericht „‘A.‘ oder so ähnlich“ gesagt habe. Nicht nachvollziehbar bleibt im Übrigen, warum der Kläger während des gesamten Verfahrens immer den Eindruck erweckt hat, nur Frau Q. (und ihre Kinder) hätten in dem benannten Hotel übernachtet, während er erstmals in der Befragung durch den Senat behauptete, sie hätten alle zusammen in dem Hotel gewohnt. Es erschließt sich auch nicht ohne weiteres, warum der Kläger ebenfalls in dem Hotel hätte übernachten sollen, obwohl er in der Nähe eine eigene Unterkunft hatte. Erläuterungen des Klägers hierzu fehlen bezeichnenderweise. 71Ferner ist der Vortrag des Klägers und Frau Q. zu weiteren Treffen bis zur Übersiedlung des Klägers in die Bundesrepublik Deutschland im Juni 2018 unglaubhaft, da widersprüchlich. Der Kläger selbst erklärte im Verwaltungsverfahren gegenüber der Beklagten, er habe Frau Q. von Sylvester 2018 bis ca. 14. Januar 2018 besucht. Dies bestätigte er während des verwaltungsgerichtlichen Erörterungstermins. Dort sagte hingegen Frau Q. aus, sie sei nur dieses eine Mal in Serbien gewesen, er sei jedoch öfter zu ihr gekommen, es sei auf jeden Fall öfter gewesen, wie oft genau, wisse sie nicht mehr. Nachdem sie ihm von der Schwangerschaft berichtet habe, sei er dann in Deutschland geblieben. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gab der Kläger entgegen seines bisherigen Vortrags auf ausdrückliche Nachfrage an, in der Zeit vom Kennenlernen auf der „Roma-Party“ bis zum Notartermin in M. nicht in der Bundesrepublik Deutschland gewesen zu sein, nur um kurz darauf zu behaupten, vor der Schwangerschaft von Frau Q. mit ihr in Deutschland Sylvester gefeiert zu haben. 72Hinzu kommt, dass die Aussagen des Klägers und Frau Q. zum (behaupteten) gemeinsamen Zusammenleben in X. unglaubhaft sind. Obwohl der Kläger im Zeitraum von 2018 bis 2019 mehr als ein Jahr lang in derselben Wohnung gemeldet war wie Frau Q. und dort gewohnt haben will, war er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (auch nach längerem Überlegen) nicht in der Lage, anzugeben, wie viele Zimmer die gemeinsame Wohnung hatte. Er antwortete stattdessen mit „Vier oder Fünf“. Wenn der Kläger tatsächlich gemeinsam mit Frau Q. in der Wohnung gewohnt hätte, wäre auch nach ca. drei Jahren zu erwarten gewesen, dass er die genaue Anzahl der Zimmer benennen kann. In diesen Zusammenhang fügt sich nahtlos ein, dass der Kläger im Rahmen des Erörterungstermins vor dem Verwaltungsgericht weder (auf Anhieb) die korrekte Anzahl der in der Wohnung von Frau Q. lebenden Kinder angeben, noch die Namen aller vier Geschwister von F. benennen konnte. Den weiteren Fragen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat betreffend das Zusammenleben mit Frau Q. ist der Kläger teils ausgewichen, teils hat er sie in nicht mehr nachvollziehbarer Weise beantwortet. So hat er auf die Frage, wie die anderen Kinder von Frau Q. ihn genannt hätten, erklärt, er habe nicht so gut deutsch gesprochen, die Kinder hätten geschwiegen. Auf die Frage, wie das Verhältnis zu den Kindern gewesen sei, antwortete er schlicht mit „normal“. Die Nachfrage, was das genau heiße, wurde mit „Wir haben zusammengelebt. Ich mag Kinder.“ beantwortet. Auch war der Kläger nicht in der Lage, Fragen nach Ritualen bezüglich Geburtstagsfeiern adäquat zu beantworten. Hierauf führte er aus, er habe sich geschämt und sei weggegangen, Frau Q. habe etwas vorbereitet. Konkrete Angaben, wie er und Frau Q. die Sommerferien mit den Kindern verbracht hätten, konnte der Kläger nicht machen. Im Übrigen erschließt sich nicht, warum der Kläger während der Zeit, als er mit Frau Q. zusammen gelebt haben soll, nie einen der anderen Kindsväter gesehen haben will. Es handelt sich immerhin um drei Väter, die nach Aussage von Frau Q. ihre Kinder regelmäßig sehen. Die entsprechende Frage in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, ob Frau Q. ihn weggeschickt habe, wenn die anderen Väter gekommen seien, beantwortete der Kläger bemerkenswert ausweichend („Weiß ich nicht.“). Ferner treten bei der Schilderung des Alltagslebens auch auffällige Widersprüche zu Tage. Frau Q. hat gegenüber der Beklagten u. a. erklärt, der Kläger frühstücke „viel Brot und Eier“, während der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf ausdrückliches Befragen des Senats mitteilte, er trinke morgens nur Kaffee. Wer über eine derart lange Zeit zusammenlebt, kann bei lebensnaher Betrachtung angeben, ob und was der Partner frühstückt. Im Übrigen sind die Aussagen des Klägers, wie es zur Trennung gekommen sei, von bemerkenswerter Detailarmut geprägt. Er führte lediglich aus, nach der Geburt von F. hätten sie Streit gehabt, weil er rauche. Es sei dann so gewesen, dass er sich im Wohnzimmer aufgehalten habe, Frau Q. sei in der Küche gewesen, und umgekehrt. Sie hätten ein gemeinsames Schlafzimmer gehabt, er habe dennoch manchmal im Wohnzimmer geschlafen. 73Die Ungereimtheiten im Vorbringen setzen sich bei der Darstellung, wie es zur Versöhnung zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau gekommen sein soll, fort. Erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat teilte der Kläger mit, seine Ehefrau habe die drei gemeinsamen Kinder zu ihm gebracht. Als er eines Tages zurück nach Hause gekommen sei, hätten seine Kinder auf der Straße bzw. vor der Tür gestanden. Er habe sie gefragt, was los sei. Daraufhin hätten diese ihm mitgeteilt, ihre Mutter hätte sie hier „abgeliefert“. Er selbst habe von dem Plan seiner Ehefrau nichts gewusst. Ungeachtet des Umstands, dass diese Schilderungen gänzlich lebensfremd sind, erschließt sich auch nicht, woher die Ehefrau des Klägers gewusst haben soll, wo dieser wohnt. Der Kläger gab auf Befragen des Senats an, er habe in der Zeit, als er mit Frau Q. eine Beziehung geführt habe, nur zu seinen Kindern, nicht aber zu seiner Ehefrau (telefonisch) Kontakt gehabt. Seine Kinder hätten nicht gewusst, wo er gewohnt habe. Die Erklärung des Klägers, er wisse nicht, woher seine Frau dann gewusst habe, wo er wohne, vielleicht von einer Freundin, ist spekulativ; insbesondere bleibt vollkommen unklar, welche Freundin der Ehefrau des Klägers aufgrund welcher Umstände seine Anschrift hätte kennen sollen. Die Fragen, warum er mit seiner Frau und den gemeinsamen drei Kindern wieder zusammengezogen sei und seit wann sie wieder zusammen wohnten, hat der Kläger lediglich ausweichend bzw. unsubstantiiert beantwortet. 74Überdies sind die Aussagen des Klägers und Frau Q. hinsichtlich seiner Unterstützungsleistungen bei der Erziehung und Pflege von F. - insbesondere auch seit der Trennung - unglaubhaft. Zum einen sind die Einlassungen von auffälliger Detailarmut geprägt. Das gilt zunächst mit Blick auf den Kläger. Während des Erörterungstermins beim Verwaltungsgericht erschöpfte sich dessen Vortrag im Wesentlichen in nachfolgenden Schilderungen: Er sehe seinen Sohn wöchentlich, er zeige ihm sein Zimmer und seine Spielsachen, manchmal gingen sie gemeinsam zum Pennymarkt oder zum Spielplatz, manchmal nehme er ihn mit zu sich nach Hause, dort kochten sie etwas. Zum ersten Geburtstag habe er seinem Sohn eine Torte „Babyboss“ vorbeigebracht, zum zweiten Geburtstag habe er ihm ein grünes Motorrad gekauft und zum dritten Geburtstag habe er ihm eine „Autobahn“ geschenkt. In diesen Zusammenhang fügt sich nahtlos ein, dass der Kläger auf entsprechende Frage der Beklagtenvertreterin nicht in der Lage war, konkret zu beschreiben, welche Spielgeräte sich auf dem Spielplätz befänden, den er mit seinem Sohn (angeblich) regelmäßig besuche. Er konnte lediglich angeben, dort befänden sich Schaukeln. Darüber hinaus erklärte er, sich „jetzt“ nicht so sicher zu sein. Er sei nicht so häufig dort gewesen. Ein ähnliches Bild ergab sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat. Auch dort vermochte der Kläger im Wesentlichen nur Allgemeinplätze von sich zu geben: Er sehe seinen Sohn eigentlich jedes Wochenende. Er gehe mit ihm spazieren, in den Park oder zu sich nach Hause. Ansonsten helfe er Frau Q. immer, wenn ihr gemeinsames Kind etwas brauche. Als sie die neue Wohnung bekommen habe, habe er ihr bei allem geholfen ‑ beispielsweise habe er Anstreicher- und Laminatarbeiten verrichtet - und er werde ihr auch weiterhin helfen. Vergleichbares zeigte sich bei Frau Q. Ihre (schriftlichen) Einlassungen gehen nicht über substanzlose Bekundungen hinaus: „Wenn etwas ist und sie keine Zeit hat, dann kümmert er sich, ist immer da ruft an und fragt ob er helfen kann, was abnehmen kann. Er kommt, wenn es passt.“; „[Er] sieht sein Sohn sehr regelmäßig, er besucht uns oft und ist für den Kleinen auch sonst immer da wen Arzt besuche oder sonstiges ansteht. Er hilft mir auch wo er kann mit ihm wen er da ist. Und geht liebevoll mit ihm um.“; „Er kommt uns besuchen. […] Er bleibt meist ungefähr drei bis vier Stunden mit dem Kind zusammen. Teilweise nimmt er das Kind zum Spazierengehen mit […]. Wenn ich mal seine Hilfe brauche, weil ich das Kind nicht alleine lassen kann für irgendwelche Einkäufe, kümmert er sich auch noch nebenbei um das Kind.“. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vermochte es Frau Q. im Wesentlichen nicht, ihr Vorbringen zu substantiieren. Sie beschränkte sich im Grunde auf die substanzlose Einlassung, der Kläger und sein Sohn sähen sich immer am Wochenende. Während Corona sei das nicht so gut gegangen, es sei eine schwierige Zeit gewesen. Manchmal hole er ihn ab und sage nicht, was sie planten, manchmal erzähle er ihr, was sie gemacht hätten. Die Besuche dauerten ungefähr fünf bis sechs Stunden. Die Geburtstage feiere der Kläger mit F. immer einen Tag nach dem eigentlichen Geburtstag. Ab und zu schenke der Kläger F. auch Gebrauchsgegenstände, wie zum Beispiel eine Jacke. 75Zum anderen ist der Senat von der Unglaubhaftigkeit der entsprechenden Einlassungen überzeugt, weil in diesen Widersprüche, Ungereimtheiten und Plausibilitätsdefizite deutlich zu Tage treten. Im Einzelnen: Noch im erstinstanzlichen Verfahren gab Frau Q. die schriftliche Erklärung ab, der Kläger sei regelmäßig dabei, wenn sie mit F. zum Arzt müsse. Im Gegensatz dazu behauptete sie im verwaltungsgerichtlichen Erörterungstermin, der Kläger sei noch nie mit F. beim Arzt gewesen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärte sie dann, der Kläger sei mit ihr und F. einmal beim Arzt gewesen. Der Kläger wiederum wich der Frage des Senats, ob er überhaupt schon einmal mit F. beim Arzt gewesen sei, aus und gab an, F. sei so gut wie nie krank, wenn er Fieber habe, bekomme er entsprechenden Sirup von S. Im Verwaltungsverfahren hatte der Kläger noch behauptet, im ersten Lebensjahr sei F. oft beim Kinderarzt gewesen, da es in der Wohnung Schimmel gegeben habe. Dieses unterschiedliche Vorbringen konnte der Kläger auch nach explizitem Vorhalt des Senats nicht plausibel erklären. Er führte lediglich aus, das sei damals in W. gewesen, als sie Schimmel in der Wohnung gehabt hätten. Weiterhin differieren die Angaben des Klägers und Frau Q. zu den Namen der Kinderärzte von F. Während der Kläger meint, dieser heiße Dr. K., erklärte Frau Q., es handele sich um Dr. S. bzw. nachfolgend um Frau Dr. B.. In diesem Zusammenhang fällt auch auf, dass der Kläger nicht einmal sagen konnte, welcher Arzt F. beschnitten hat. Der entsprechenden Nachfrage des Senats wich der Kläger - wie auch oben aufgeführten anderen Fragen - aus und trug vor, er sei nicht dabei gewesen, weil er habe arbeiten müssen. Es habe sich um einen sehr kurzfristigen Termin beim Arzt gehandelt. Deshalb habe er nicht mitkommen können. Ungereimt ist der Vortrag teilweise, soweit er sich auf die Örtlichkeiten bezieht, wo sich der Kläger mit F. (angeblich) trifft. Gegenüber dem Verwaltungsgericht gab der Kläger im Erörterungstermin an, bei den Treffen mit F. trinke er zunächst bei Frau Q. einen Kaffee („kurze Kaffeerunde“). Dann spiele er mit F. Frau Q. behauptete hingegen im Erörterungstermin, ihre Kinder würden immer bei ihr zu Hause abgeholt. Bei ihr „zu Hause die Treffen, das möchte“ sie nicht. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat führte der Kläger aus, er habe in der Nähe der Wohnung von Frau Q. gearbeitet. Manchmal sei er dort vorbeigegangen. Sie hätten dann Kaffee getrunken und er habe sich nach seinem Sohn erkundigt. Unklar bleibt auch, ob Frau Q. den Kläger und F. begleitet, wenn er mit diesem Ausflüge macht. Der Kläger meint, Frau Q. begleite sie beide manchmal, während Frau Q. dies ausdrücklich verneint. Nicht nachvollziehbar ist für den Senat überdies, warum der Kläger meint, er könne wegen seiner Arbeit nur sehr selten für F. Einkäufe erledigen. Denn selbst wenn der Kläger 40 Stunden pro Woche arbeitete, bliebe ihm bei lebensnaher Betrachtung dennoch ausreichend Zeit, für seinen Sohn einzukaufen. Ebenso bleibt unerfindlich, warum der Kläger aufgrund seiner Arbeitstätigkeit nie in der Lage sein soll, seinen Sohn zum Kindergarten zu bringen oder von dort abzuholen. Jedenfalls während des Urlaubs hätte der Kläger hierzu Zeit. 76Schließlich fällt auf, dass der Kläger bezeichnenderweise immer noch bemüht ist, die familiären Beziehungen zu zwei der drei Kindsväter der weiteren Kinder von Frau Q. zu verschleiern. Schon im verwaltungsgerichtlichen Erörterungstermin erklärte der Kläger auf Befragen, er kenne Herrn T1. B2. nicht und wisse auch nicht, wer das sein soll. Auf entsprechenden Vorhalt, wieso er dann mit diesem auf Facebook befreundet sei, erklärte der Kläger lediglich, sein Facebook kennten auch seine Kinder. Auf die Frage des Senats, ob er Herrn T1. B2. kenne, erwiderte der Kläger, er sei hier, um über sein Kind zu sprechen, über ihn spreche er nicht. Auf Nachfrage wiederholte er lediglich, er sei hier, um über sein Kind zu reden, und das solle auch so bleiben. 77Aus der Vielzahl der - auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat - vorgelegten Fotos ergibt sich nichts für den Kläger Tragfähiges. Soweit diese den Kläger zusammen mit F. zeigen, handelt es sich um schlichte Momentaufnahmen, die keine darüber hinausgehende Aussagekraft besitzen. Ungeachtet dessen lässt sich diesen nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen, wann genau sie aufgenommen worden sind. 78Die vorstehenden Erwägungen lassen allein den Schluss zu, dass die Aussagen des Klägers und Frau Q. betreffend der angeblichen Ausübung des Sorgerechts seitens des Klägers für F. Q. in Gänze verfahrenstaktischer Natur sind. Sie dienen allein dem Zweck, dem Kläger - und von diesem abgeleitet seiner Ehefrau und den drei gemeinsamen Kindern - (unrechtmäßigerweise) ein Aufenthaltsrecht für die Bundesrepublik Deutschland zu verschaffen. 79Damit kommt es nicht mehr darauf an, ob die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen vorliegen bzw. vorgelegen haben. Der Senat merkt jedoch an, dass er sich unter dem Blickwinkel von § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Straftatbeständen der §§ 95 Abs. 1 Nr. 2 und 3, 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, 80vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2021- 1 StR 289/20 -, juris, Rn. 41 ff., 81nicht unbesehen anschließen wird. Dies bedarf vielmehr einer gesonderten Überprüfung. 82(II.) Die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung (Ziffer 6. des angegriffenen Bescheides) folgt aus §§ 50 und 59 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AufenthG. 83(III.) Das gemäß § 11 Abs. 1, Abs. 2 Sätze 2, 3 und Abs. 3 AufenthG erlassene und auf ein Jahr und sechs Monate befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot (Änderungsverfügung vom 11. Februar 2022) ist ebenfalls rechtmäßig. 84Mit dem Einreise- und Aufenthaltsverbot verfolgt der Gesetzgeber gewichtige spezial- und generalpräventive Gründe, die für das ausweisungsbedingte und für das abschiebungsbedingte Einreiseverbot je gesondert zu bestimmen sind. Das hier betroffene abschiebungsbedingte Verbot hat eine doppelte Zweckrichtung. Es dient zum einen in Bezug auf den betroffenen ausreisepflichtigen Ausländer der Durchsetzung des Vorrangs seiner freiwilligen Ausreise vor der Abschiebung und zum anderen auch in Bezug auf sonstige ausreisepflichtige Ausländer der Förderung der freiwilligen Ausreise. In spezialpräventiver Hinsicht soll der Ausländer aus dem Unionsgebiet ferngehalten werden, weil er Anlass zu Vollstreckungsmaßnahmen gegeben hat und die Besorgnis besteht, dass diese bei einem künftigen Aufenthalt erneut erforderlich werden. Zugleich soll in generalpräventiver Hinsicht verhindert werden, dass sich andere Ausländer in dem Vorhaben, ebenfalls nicht freiwillig auszureisen, ohne ein an die erforderlich gewordene Vollstreckungsmaßnahme anknüpfendes Einreise- und Aufenthaltsverbot bestärkt fühlen könnten. 85Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. Juli 2022- 18 B 632/22 -, juris, Rn. 5, m. w. N. 86Diesen Vorgaben genügt die Änderungsverfügung vom 11. Februar 2022. Ermessensfehler (§ 114 Satz 1 VwGO) hinsichtlich der Länge der Frist sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. 87Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. 88Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. 89Die Revision wird nicht zugelassen, weil kein Zulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
auf die berufung der beklagten wird das urteil des verwaltungsgerichts düsseldorf vom 8. märz 2022 geändert. die klage wird abgewiesen. der kläger trägt die kosten des verfahrens in beiden instanzen. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der kläger darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110% des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. die revision wird nicht zugelassen. 1
2die beteiligten streiten über die verlängerung einer aufenthaltserlaubnis gemäß §§ 8 abs. 1, 28 abs. 1 satz 1 nr. 3 aufenthg. 3der am 24. juni 1976 in serbien geborene kläger serbischer staatsangehörigkeit reiste erstmals im jahr 2013 in die bundesrepublik deutschland ein und führte erfolglos ein asyl(erst)verfahren durch. das ungefähr im selben zeitraum von seiner ehefrau b. e. (geb. c.) angestrengte 3. asylfolgeverfahren blieb ebenfalls ohne erfolg. zugleich lehnte das bundesamt für migration und flüchtlinge (im folgenden: bundesamt) auch die asyl(erst)anträge der drei gemeinsamen kinder als (offensichtlich) unbegründet ab. im april 2014 reiste der kläger mit seiner ehefrau und den drei gemeinsamen kindern (wohl) freiwillig aus. 4am 22. juni 2018 bezog der kläger ausweislich der entsprechenden bescheinigung über die anmeldung eine wohnung unter der anschrift f. 20, x. am 2. juli 2018 gab er gegenüber einer notarin in m. die erklärung ab, vater des noch ungeborenen kindes der italienischen staatsangehörigen frau s. q. zu sein. frau q. stimmte der vaterschaftsanerkennung zu. die erklärungen wurden notariell beurkundet. am gleichen tag erklärten der kläger und frau q1. gegenüber derselben notarin, die elterliche sorge für das ungeborene kind gemeinsam übernehmen zu wollen. am 11. oktober 2018 wurde das kind f. q. in x. geboren. dieses besitzt die deutsche staatsangehörigkeit und zudem nach ansicht der beklagten die italienische staatsangehörigkeit. 5zu einem nicht näher bekannten zeitpunkt reiste der kläger erneut aus dem bundesgebiet aus und am 5. januar 2019 wieder ein. 6am 10. januar 2019 stellte der kläger bei der beklagten unter verweis auf sein kind f. q. einen antrag auf erteilung einer aufenthaltserlaubnis nach § 28 abs. 1 satz 1 nr. 3 aufenthg. er teilte ferner mit, er wohne unter der anschrift seiner freundin s. q. (f. 20, x.). als anlage zu einem schreiben vom 26. februar 2019 übersandte der kläger der beklagten die vaterschaftsanerkennung und die sorgeerklärung jeweils vom 2. juli 2018. 7frau q. ist mutter von vier weiteren kindern: t. q., geboren am 22. august 2011, b.-d. q., geboren am 12. mai 2013, c. -e. q., geboren am 11. august 2014 und z.-t. q., geboren am 20. mai 2016. vater von t. und b.-d. ist t1. b2., vater von c.-e. ist m. b3. und vater von z.-t. ist t3. c2. dieser ist ein schwager des klägers. die schwester von t1. b2. ist mit einem weiteren bruder der ehefrau des klägers verheiratet. 8mit bescheid der bezirksregierung arnsberg vom 10. mai 2019 wurde der kläger der beklagten zugewiesen. 9die beklagte erteilte dem kläger am 27. juni 2019 befristet bis zum 5. februar 2020 die beantragte aufenthaltserlaubnis. 10seit dem 1. november 2019 wurden für das kind f. q. leistungen nach dem unterhaltsvorschussgesetz gezahlt. 11ab dem 15. november 2019 lebte der kläger unter der adresse c. straße 113, x. 12am 6. februar 2020 um 8:45 uhr stellte der kläger persönlich bei der beklagten einen antrag auf verlängerung seiner aufenthaltserlaubnis. dem antrag wurde am selben tag entsprochen. die aufenthaltserlaubnis wurde bis zum 5. februar 2021 verlängert. 13im laufe desselben tages (18:17 uhr) teilten die prozessbevollmächtigten des klägers und seiner ehefrau b. e. mit, letztere sei mit den gemeinsamen kindern bereits am 27. november 2019 in das „schengengebiet“ eingereist. alle fünf personen wohnten unter derselben anschrift (c. str. 113, x.). zusätzlich wurden für die ehefrau und die drei gemeinsamen kinder aufenthaltserlaubnisse (§§ 25 abs. 5, 30, 32 aufenthg) beantragt. 14am 8. mai 2020 begann der kläger eine tätigkeit als raumpfleger mit einer täglichen arbeitszeit von 2 ¼ h. 15die bezirksregierung arnsberg wies die ehefrau des klägers und die gemeinsamen drei kinder mit bescheid vom 23. september 2020 ebenfalls der beklagten zu. 16am 18. dezember 2020 wurden der kläger und frau q. von der beklagten zur vaterschaft befragt. 17am 15. januar 2021 bezogen der kläger, seine ehefrau b. e. und die gemeinsamen drei kinder eine wohnung unter der anschrift h. 34, x. 18die beklagte stellte dem kläger am 9. februar 2021 eine bis zum 8. august 2021 befristete fiktionsbescheinigung aus. 19mit bescheiden vom 18. februar 2021 lehnte die beklagte die anträge der ehefrau des klägers und der gemeinsamen drei kinder auf erteilung von aufenthaltserlaubnissen ab, drohte ihnen die abschiebung nach serbien an, ordnete für den fall der abschiebung jeweils ein einreise- und aufenthaltsverbot an und befristete dieses auf zwei jahre ab dem zeitpunkt der abschiebung. das dagegen angestrengte klageverfahren ist noch nicht abgeschlossen. 20mit schreiben vom 1. april 2021 hörte die beklagte den kläger zur beabsichtigten ablehnung des antrags auf verlängerung seiner aufenthaltserlaubnis an und erläuterte, wieso sie davon ausgehe, er, der kläger, übe die personensorge für das kind f. q. nicht aus. sie wies u. a. darauf hin, weder das facebookprofil noch das instagramprofil des klägers enthielten fotos von f. q. 21mit bescheid vom 26. mai 2021, zugestellt am 28. mai 2021, lehnte die beklagte die verlängerung der aufenthaltserlaubnis nach § 28 abs. 1 satz 1 nr. 3 aufenthg (ziffer 1.), die erteilung einer aufenthaltserlaubnis nach § 28 abs. 1 satz 4 aufenthg (ziffer 2.), die erteilung einer aufenthaltserlaubnis gemäß art. 20 aeuv (ziffer 3.), die erteilung einer aufenthaltserlaubnis nach § 25 abs. 4 satz 2 aufenthg (ziffer 4.) sowie die erteilung einer aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 abs. 5 aufenthg (ziffer 5.) ab und drohte dem kläger die abschiebung nach serbien an (ziffer 6.). ferner ordnete die beklagte für den fall der abschiebung ein einreise- und aufenthaltsverbot an (ziffer 7.) und befristete dieses auf drei jahre ab dem zeitpunkt der abschiebung (ziffer 8.). begründet wurde ziffer 1. der ordnungsverfügung im wesentlichen damit, der kläger übe die personensorge für das kind f. q. nicht aus. auffällig sei in diesem zusammenhang, dass die familie des klägers und die familie von frau q. seit jahren befreundet seien. ferner ließen die profile des klägers in den sozialen medien keinen schluss darauf zu, dass er sich um f. q. kümmere. zusätzlich liege der ausschlussgrund des § 27 abs. 1a nr. 1 aufenthg vor. 22die beklagte erteilte dem kläger für die zeit vom 1. september 2021 bis zum 28. februar 2022 duldungen. 23der kläger hat am 11. juni 2021 klage erhoben und einen antrag auf gewährung vorläufigen rechtsschutzes (7 l 1299/21) gestellt. 24am 12. januar 2022 hat das verwaltungsgericht einen gemeinsamen erörterungstermin für das klageverfahren und das verfahren auf gewährung vorläufigen rechtsschutzes durchgeführt. im rahmen des termins sind der kläger und frau q. (als zeugin) zur frage des umgangs des klägers mit dem kind f. q. befragt worden. zum beleg einer vater-kind-beziehung hat der kläger im termin eine vielzahl von fotos zur gerichtsakte gereicht. 25mit bescheid vom 11. februar 2022 hat die beklagte das mit ordnungsverfügung vom 26. mai 2021 angeordnete und auf drei jahre befristete einreise- und aufenthaltsverbot (dort ziffern 7. und 8.) aufgehoben und für den fall der abschiebung des klägers ein neues einreise- und aufenthaltsverbot erlassen, das auf ein jahr und sechs monate befristet worden ist. 26der kläger hat zur begründung seiner klage vorgetragen, es bestehe nach wie vor eine lebens- und beistandsgemeinschaft zu seinem deutschen kind f. q. dies bestätige frau q. in einer schriftlichen erklärung vom 6. juli 2021. entgegen dem vortrag der beklagten sei sein vorbringen glaubhaft. die ausführungen der beklagten trügen die ablehnende entscheidung nicht. er und die kindesmutter hätten dargelegt, dass intensiver kontakt zum kind f. q. bestehe. er stehe der kindesmutter jederzeit mit rat und tat zur seite, wenn dies nötig sei. die vorgelegten fotos bezögen sich nicht nur auf ein jahr, sondern umfassten auch die zeiten vor der anhörung durch die beklagte. 27der kläger hat beantragt, 28die beklagte unter aufhebung ihres bescheids vom 26. mai 2021 in der fassung der änderungsverfügung vom 11. februar 2022 zu verpflichten, seine aufenthaltserlaubnis zu verlängern. 29die beklagte hat beantragt, 30die klage abzuweisen. 31zur begründung ihres klageabweisungsantrags hat sie im wesentlichen auf die ordnungsverfügung vom 26. mai 2021 verwiesen und ergänzend vorgetragen, die ausführungen des klägers und der frau q. seien unglaubhaft. die schriftliche erklärung von frau q. weiche vom bisherigen vorbringen ab und widerspreche diesem. vor dem hintergrund des durchgeführten erörterungstermins hat die beklagte ergänzend ausgeführt, es werde nicht bestritten, dass der kläger und das kind f. q. sich kennten und eine bindung zwischen den beiden bestehe. man gehe jedoch davon aus, die familien e./q./c2./b2. bildeten eine großfamilie, bei der es ganz normal sei, dass sich die familienmitglieder häufiger sähen. in den erklärungen des klägers fänden sich weiterhin widersprüche, die auf die fehlende ausübung der personensorge hindeuteten. 32mit - nach entsprechenden verzichtserklärungen ohne mündliche verhandlung ergangenem - urteil vom 8. märz 2022, der beklagten zugestellt am 9. märz 2022, hat das verwaltungsgericht die beklagte unter entsprechender aufhebung der ordnungsverfügung vom 26. mai 2021 in der fassung der änderungsverfügung vom 11. februar 2022 verpflichtet, dem kläger die aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 abs. 1 satz 1 nr. 3 aufenthg zu verlängern. es hat festgestellt, zwischen dem kläger und f. q. bestehe eine vom schutz des art. 6 gg erfasste familiäre lebensgemeinschaft. mit beschluss vom selben tage hat das verwaltungsgericht im verfahren 7 l 1299/21 die aufschiebende wirkung der vorliegenden klage 7 k 4050/21 angeordnet und zur begründung im wesentlichen auf das urteil verwiesen. hiergegen hat die beklagte am 23. märz 2022 beschwerde eingelegt. 33am 6. april 2022 hat die beklagte die zulassung der berufung beantragt, die am 6. mai 2022 begründet worden ist. 34mit beschluss vom 25. mai 2022, der beklagten zugestellt am 7. juni 2022, hat der senat die berufung wegen der geltend gemachten besonderen tatsächlichen schwierigkeiten der rechtssache zugelassen. ebenfalls mit beschluss vom 25. mai 2022 hat der senat im verfahren 18 b 424/22 die von der beklagten gegen den beschluss des verwaltungsgerichts im verfahren 7 l 1299/21 erhobene beschwerde zurückgewiesen. 35mit schriftsatz vom 27. juni 2022, bei dem oberverwaltungsgericht eingegangen am selben tage, hat die beklagte die berufung begründet und im wesentlichen ausgeführt: der kläger übe die personensorge bezüglich seines kindes f. q. nicht aus. der aufenthalt des klägers im bundesgebiet diene daher nicht der herstellung und wahrung der familiären lebensgemeinschaft. der kläger sei entgegen seiner aussage nicht der leibliche vater des kindes f. der leibliche vater sei vielmehr herr t1. b2. die einlassungen des klägers seien unglaubhaft. insbesondere die vom kläger vorgetragene geschichte, er habe mit der kindsmutter und ihren anderen vier kindern einen urlaub verbracht sowie gemeinsam mit der kindsmutter 2017/2018 sylvester gefeiert, könne nicht zur annahme der leiblichen vaterschaft führen. das vorbringen sei nicht plausibel. der kläger bringe sich bei der erziehung und betreuung des kindes f. q. nicht ein. die angaben des klägers und der kindsmutter hierzu seien teils vage und teils widersprüchlich. 36die beklagte beantragt, 37das angegriffene urteil des verwaltungsgerichts düsseldorf vom 8. märz 2022 aufzuheben und die klage abzuweisen. 38der kläger beantragt, 39die berufung zurückzuweisen. 40wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakte sowie der beigezogenen verwaltungsvorgänge bezug genommen. 41
42die berufung der beklagten ist zulässig und begründet. die klage ist unbegründet. der kläger hat keinen anspruch auf verlängerung seiner aufenthaltserlaubnis gemäß §§ 8, 28 abs. 1 satz 1 nr. 3 aufenthg (§ 113 abs. 5 satz 1 vwgo) (i.). die abschiebungsandrohung (ii.) sowie das erlassene und auf ein jahr und sechs monate befristete einreise- und aufenthaltsverbot (iii.) sind rechtmäßig und verletzen den kläger nicht in seinen rechten (§ 113 abs. 1 satz 1 vwgo). 43(i.) bei verpflichtungsklagen auf verlängerung eines aufenthaltstitels müssen die anspruchsvoraussetzungen sowohl zum zeitpunkt des ablaufs der geltungsdauer des (jeweils) zu verlängernden aufenthaltstitels als auch im zeitpunkt der letzten mündlichen verhandlung oder entscheidung in der tatsacheninstanz vorliegen. 44vgl. hierzu ovg nrw, beschlüsse vom 6. juli 2021 - 18 a 1444/21 -, vom 29. märz 2021- 18 b 155/21 -, vom 7. april 2020- 18 b 178/20 -, vom 28. juni 2016- 18 b 558/16 -, juris, rn. 3 ff., vom 29. april 2016 - 18 a 471/16 -, und vom 9. dezember 2013- 18 b 267/13 -, juris, rn. 5 ff.; siehe ferner bverwg, urteile vom 26. mai 2020 - 1 c 12.19 -, juris, rn. 20, vom 21. august 2018 - 1 c 22.17 -, juris rn. 11, vom 17. dezember 2015- 1 c 31.14 -, juris, rn. 9, sowie vom 10. dezember 2013 - 1 c 1.13 -, juris, rn. 14, 15 und 20. 45denn eine verlängerung im sinne des § 8 abs. 1 aufenthg ist auf die weitere lückenlose legalisierung des aufenthalts ohne wechsel des aufenthaltszwecks gerichtet. 46vgl. zur rechtsnatur der verlängerung einer aufenthaltserlaubnis bverwg, urteil vom 22. juni 2011 - 1 c 5.10 -, juris, rn. 14. 47die bedeutung des umstands der lückenlosigkeit wird von der gegenansicht, die allein auf die sach- und rechtslage im zeitpunkt der letzten mündlichen verhandlung bzw. entscheidung des tatsachengerichts abstellt, 48vgl. vgh baden-württemberg, urteil vom 20. september 2018 - 11 s 240/17 -, juris, rn. 43; ovg berlin-brandenburg, urteil vom 31. mai 2018 - ovg 11 b 18.16 -, juris, rn. 20 ff.; dienelt, in: bergmann/dienelt, ausländerrecht, kommentar, 13. aufl. 2020, § 31 aufenthg rn. 95, 49übersehen. 50vgl. ovg nrw, beschluss vom 29. märz 2021- 18 b 155/21 -. 51gemessen an diesen maßstäben hat der kläger gegen die beklagte keinen anspruch auf verlängerung der begehrten aufenthaltserlaubnis nach §§ 8 abs. 1, 28 abs. 1 satz 1 nr. 3 aufenthg. die beklagte hat den antrag zu recht abgelehnt (ziffer 1. des angegriffenen bescheides). 52gemäß § 28 abs. 1 satz 1 nr. 3 aufenthg ist dem ausländischen elternteil eines minderjährigen ledigen deutschen zur ausübung der personensorge die aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn der deutsche seinen gewöhnlichen aufenthalt im bundesgebiet hat. 53diese voraussetzungen waren weder zum zeitpunkt des ablaufs der geltungsdauer der aufenthaltserlaubnis am 5. februar 2021 gegeben noch ist dies im zeitpunkt der entscheidung des senats der fall. 54der kläger ist zwar serbischer staatsangehöriger und rechtlicher vater des am 11. oktober 2018 in x. geborenen minderjährigen ledigen kindes f. q. die (mehrfach wiederholte) behauptung der beklagten, der kläger sei nicht der biologische vater des kindes f. q., ist rechtlich unerheblich. der kläger hat die vaterschaft mit zustimmung der kindsmutter formwirksam anerkannt (§§ 1594, 1595, 1597 abs. 1 bgb) und ist damit gemäß § 1592 nr. 2 bgb vater des kindes f. q. insbesondere die - hier erfolgte - anerkennung vor der geburt ist ‑ entgegen der von der beklagten geäußerten vorbehalte - nach § 1594 abs. 4 bgb zulässig. vor diesem hintergrund bedarf es der von der beklagten angeregten einholung eines dna-gutachtens nicht. 55f. q. besitzt die deutsche staatsangehörigkeit. er hat seinen gewöhnlichen aufenthalt in x. und damit im bundesgebiet. der kläger hat ferner neben der kindsmutter das sorgerecht für f. q., da beide entsprechende sorgeerklärungen (§ 1626a abs. 1 nr. 1 bgb) wirksam (§§ 1626b - 1626e bgb) abgegeben haben. 56neben der bloßen inhaberschaft des sorgerechts verlangt § 28 abs. 1 satz 1 nr. 3 aufenthg seitens des ausländischen elternteils jedoch zusätzlich eine aktive wahrnehmung der elterlichen verantwortung durch einen entsprechenden tatsächlichen erziehungs- und betreuungsbeitrag für das kind. daran fehlt es hier. 57der rechtsrahmen für die aus dem sorgerecht entspringenden rechte und pflichten der eltern - und kinder - ergibt sich aus dem bürgerlichen gesetzbuch. danach ist ausfluss der elterlichen sorge allgemein die pflicht und das recht der eltern, für das minderjährige kind zu sorgen, § 1626 abs. 1 satz 1 bgb. die elterliche sorge umfasst dabei die sorge für die person des kindes (personensorge) und das vermögen des kindes (vermögenssorge), § 1626 abs. 1 satz 2 bgb. die elterliche sorge umfasst auch die vertretung des kindes, wobei die eltern das kind gemeinschaftlich vertreten, § 1629 abs. 1 satz 1 und satz 2 halbs. 1 bgb. 58die personensorge umfasst insbesondere die pflicht und das recht, das kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen aufenthalt zu bestimmen, § 1631 abs. 1 bgb. sie umfasst überdies das recht, die herausgabe des kindes von jedem zu verlangen, der es den eltern oder einem elternteil widerrechtlich vorenthält und das recht, den umgang des kindes auch mit wirkung für und gegen dritte zu bestimmen, § 1632 abs. 1 und 2 bgb. 59korrespondierend mit dem vorstehenden hat das kind das recht auf umgang mit jedem elternteil, wobei wiederum jeder elternteil zum umgang mit dem kind verpflichtet und berechtigt ist, § 1684 abs. 1 bgb. 60für den - vorliegend gegebenen - fall der ausübung der gemeinsamen sorge bei getrenntleben trifft § 1687 bgb u. a. in dessen absatz 1 sonderregeln. danach ist dann, wenn die eltern, denen die elterliche sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt leben, bei entscheidungen in angelegenheiten, deren regelung für das kind von erheblicher bedeutung ist, ihr gegenseitiges einvernehmen erforderlich (satz 1). der elternteil, bei dem sich das kind mit einwilligung des anderen elternteils oder auf grund einer gerichtlichen entscheidung gewöhnlich aufhält, hat die befugnis zur alleinigen entscheidung in angelegenheiten des täglichen lebens (satz 2). entscheidungen in angelegenheiten des täglichen lebens sind in der regel solche, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden auswirkungen auf die entwicklung des kindes haben (satz 3). solange sich das kind mit einwilligung dieses elternteils oder auf grund einer gerichtlichen entscheidung bei dem anderen elternteil aufhält, hat dieser die befugnis zur alleinigen entscheidung in angelegenheiten der tatsächlichen betreuung (satz 4). 61für den anspruch nach § 28 abs. 1 satz 1 nr. 3 aufenthg folgt daraus, dass der sorgeberechtigte elternteil von seinem nach den vorstehenden ausführungen konturierten sorgerecht in einer weise gebrauch machen muss, die sich in seinem verhalten gegenüber dem kind manifestiert und seinen weiteren aufenthalt im bundesgebiet erforderlich macht. er muss auch nach außen hin erkennbar in ausreichendem maße einen für eine familiäre lebensgemeinschaft typischen kernbestand an verantwortung für die betreuung und erziehung seines minderjährigen kindes übernehmen. 62vgl. vgh baden-württemberg, urteil vom 20. september 2018 - 11 s 240/17 -, juris, rn. 69. 63es kommt mithin darauf an, ob zwischen dem ausländer und seinem kind auf grund des gepflegten persönlichen umgangs ein eltern-kind-verhältnis besteht, das von der nach außen manifestierten verantwortung für die leibliche und seelische entwicklung des kindes geprägt ist. 64vgl. bayerischer vgh, beschluss vom 30. juli 2021 - 19 zb 21.738 -, juris, rn. 16. 65wenn - wie hier - keine häusliche gemeinschaft besteht, können entsprechende anhaltspunkte für die erforderliche erziehungsgemeinschaft zwischen einem vater und seinem kind etwa in intensiven kontakten, gemeinsam verbrachten ferien, der übernahme eines nicht unerheblichen anteils an der betreuung und der erziehung des kindes oder in sonstigen vergleichbaren beistandsleistungen liegen, die geeignet sind, das fehlen eines gemeinsamen lebensmittelpunktes weitgehend auszugleichen, wobei sich die anforderungen an die intensität der kontakte nach den besonderheiten des einzelfalls beurteilen. 66vgl. ovg nrw, beschluss vom 12. dezember 2005 - 18 b 1592/05 -, juris, rn. 6. 67daher verbietet sich bei der vorzunehmenden bewertung der familiären beziehung eine schematische einordnung und qualifizierung als entweder aufenthaltsrechtlich grundsätzlich schutzwürdige lebens- und erziehungsgemeinschaft oder beistandsgemeinschaft oder aber als bloße begegnungsgemeinschaft ohne aufenthaltsrechtliche schutzwirkungen. 68vgl. bayerischer vgh, beschluss vom 30. juli 2021 - 19 zb 21.738 -, juris, rn. 16; ovg nrw, beschluss vom 12. dezember 2005- 18 b 1592/05 -, juris, rn. 4. 69unter berücksichtigung dieser maßgaben übt der kläger sein sorgerecht nicht aus. das gesamte diesbezügliche vorbringen des klägers und frau q. ist unglaubhaft und verfahrenstaktischer natur. 70bereits die schilderungen des klägers und frau q. zu den umständen des gemeinsamen kennenlernens sind von auffälligen ungereimtheiten und plausibilitätsdefiziten geprägt. so bleibt schon im dunkeln, wieso der kläger, der allein wegen eines beabsichtigten autokaufs eines freundes diesen in die bundesrepublik deutschland begleitet haben will, auch auf nachfrage in der mündlichen verhandlung vor dem senat nicht mitteilen konnte, wie der freund mit nachnamen hieß. auf die erste ausdrückliche frage erwiderte der kläger ausweichend, sein freund sei an corona gestorben. auf die zweite frage hin nannte der kläger lediglich den vornamen („b.“) des freundes und erklärte, weiteres wisse er nicht. widersprüchlich ist der vortrag des klägers zum ort der „roma-party“, wo er frau q. kennen gelernt haben will. gegenüber der beklagten ließ sich der kläger dahingehend ein, die party habe in düsseldorf stattgefunden, wohingegen er im erörterungstermin beim verwaltungsgericht erklärte, die party sei in dortmund gewesen. nicht (ansatzweise) nachvollziehbar ist, warum frau q. im anschluss gemeinsam mit ihren vier in den jahren 2011, 2013, 2014 und 2016 geborenen kindern im sommer des jahres 2017 nach serbien gereist sein soll, obwohl sie den kläger vorher erst ein einziges mal auf der „roma-party“ gesehen hatte und sie beide danach lediglich telefonischen kontakt hatten. ein derartiger geschehensablauf erscheint vielmehr lebensfremd. selbst wenn frau q. jedoch mit ihren vier kindern nach serbien gereist wäre, so wäre zumindest zu erwarten gewesen, dass sie sich mit dem kläger über die anreise unterhalten hätte. der kläger war jedoch in der mündlichen verhandlung vor dem senat nicht in der lage, hierzu irgendeine aussagekräftige auskunft zu erteilen. so beantwortete er die frage, wie die anreise erfolgt sei, mit der feststellung, er habe kein auto. auf nachfragen erklärte er, frau q. sei „wahrscheinlich“ mit dem bus gekommen, abgeholt habe er sie jedoch nicht. in diesen zusammenhang fügt sich nahtlos ein, dass die angaben des klägers und frau q. zu anzahl, dauer und finanzierung der gemeinsamen aufenthalte in serbien in bemerkenswerter weise voneinander abweichen. der kläger gab im verwaltungsverfahren an, frau q. habe ihn im juli 2017 zunächst gemeinsam mit ihren vier kindern für zwei wochen besucht und sei dann eine woche später für eine woche - dann jedoch ohne ihre kinder - zu ihm gekommen. in der mündlichen verhandlung vor dem senat ließ sich der kläger dahingehend ein, frau q. sei einmal mit ihren kindern da gewesen und einmal alleine. die aufenthalte hätten jeweils eine woche gedauert. frau q. hingegen erklärte im verwaltungsverfahren, sie sei im juni 2017 mit ihren kindern für einen monat in serbien gewesen. im erstinstanzlichen erörterungstermin gab sie wiederum an, sie sei mit allen kindern für zwei bis drei wochen in serbien zu besuch gewesen. mit blick auf die finanzierung der reise(n) nach serbien erklärte frau q., die seit jahren und auch im jahr 2017 von sozialleistungen lebt(e), im erörterungstermin vor dem verwaltungsgericht, sie habe in einem hotel gewohnt, das geld „hierfür“ habe sie gespart bzw. sich geliehen. im gegensatz dazu behauptete der kläger in der mündlichen verhandlung vor dem senat, soweit aufwendungen in serbien zu tätigen gewesen seien - insbesondere hotelkosten -, sei er dafür aufgekommen. es passt dabei ins bild, dass der kläger im erstinstanzlichen verfahren ausgesagt hatte, das hotel, in dem frau q. und ihre kinder übernachtet hätten, habe „a.“ geheißen, während er in der mündlichen verhandlung vor dem senat zunächst behauptete, das hotel habe keinen namen, nur um auf entsprechenden vorhalt der beklagtenvertreterinnen sodann zu erklären, es könne sein, dass er im termin vor dem verwaltungsgericht „‘a.‘ oder so ähnlich“ gesagt habe. nicht nachvollziehbar bleibt im übrigen, warum der kläger während des gesamten verfahrens immer den eindruck erweckt hat, nur frau q. (und ihre kinder) hätten in dem benannten hotel übernachtet, während er erstmals in der befragung durch den senat behauptete, sie hätten alle zusammen in dem hotel gewohnt. es erschließt sich auch nicht ohne weiteres, warum der kläger ebenfalls in dem hotel hätte übernachten sollen, obwohl er in der nähe eine eigene unterkunft hatte. erläuterungen des klägers hierzu fehlen bezeichnenderweise. 71ferner ist der vortrag des klägers und frau q. zu weiteren treffen bis zur übersiedlung des klägers in die bundesrepublik deutschland im juni 2018 unglaubhaft, da widersprüchlich. der kläger selbst erklärte im verwaltungsverfahren gegenüber der beklagten, er habe frau q. von sylvester 2018 bis ca. 14. januar 2018 besucht. dies bestätigte er während des verwaltungsgerichtlichen erörterungstermins. dort sagte hingegen frau q. aus, sie sei nur dieses eine mal in serbien gewesen, er sei jedoch öfter zu ihr gekommen, es sei auf jeden fall öfter gewesen, wie oft genau, wisse sie nicht mehr. nachdem sie ihm von der schwangerschaft berichtet habe, sei er dann in deutschland geblieben. in der mündlichen verhandlung vor dem senat gab der kläger entgegen seines bisherigen vortrags auf ausdrückliche nachfrage an, in der zeit vom kennenlernen auf der „roma-party“ bis zum notartermin in m. nicht in der bundesrepublik deutschland gewesen zu sein, nur um kurz darauf zu behaupten, vor der schwangerschaft von frau q. mit ihr in deutschland sylvester gefeiert zu haben. 72hinzu kommt, dass die aussagen des klägers und frau q. zum (behaupteten) gemeinsamen zusammenleben in x. unglaubhaft sind. obwohl der kläger im zeitraum von 2018 bis 2019 mehr als ein jahr lang in derselben wohnung gemeldet war wie frau q. und dort gewohnt haben will, war er in der mündlichen verhandlung vor dem senat (auch nach längerem überlegen) nicht in der lage, anzugeben, wie viele zimmer die gemeinsame wohnung hatte. er antwortete stattdessen mit „vier oder fünf“. wenn der kläger tatsächlich gemeinsam mit frau q. in der wohnung gewohnt hätte, wäre auch nach ca. drei jahren zu erwarten gewesen, dass er die genaue anzahl der zimmer benennen kann. in diesen zusammenhang fügt sich nahtlos ein, dass der kläger im rahmen des erörterungstermins vor dem verwaltungsgericht weder (auf anhieb) die korrekte anzahl der in der wohnung von frau q. lebenden kinder angeben, noch die namen aller vier geschwister von f. benennen konnte. den weiteren fragen in der mündlichen verhandlung vor dem senat betreffend das zusammenleben mit frau q. ist der kläger teils ausgewichen, teils hat er sie in nicht mehr nachvollziehbarer weise beantwortet. so hat er auf die frage, wie die anderen kinder von frau q. ihn genannt hätten, erklärt, er habe nicht so gut deutsch gesprochen, die kinder hätten geschwiegen. auf die frage, wie das verhältnis zu den kindern gewesen sei, antwortete er schlicht mit „normal“. die nachfrage, was das genau heiße, wurde mit „wir haben zusammengelebt. ich mag kinder.“ beantwortet. auch war der kläger nicht in der lage, fragen nach ritualen bezüglich geburtstagsfeiern adäquat zu beantworten. hierauf führte er aus, er habe sich geschämt und sei weggegangen, frau q. habe etwas vorbereitet. konkrete angaben, wie er und frau q. die sommerferien mit den kindern verbracht hätten, konnte der kläger nicht machen. im übrigen erschließt sich nicht, warum der kläger während der zeit, als er mit frau q. zusammen gelebt haben soll, nie einen der anderen kindsväter gesehen haben will. es handelt sich immerhin um drei väter, die nach aussage von frau q. ihre kinder regelmäßig sehen. die entsprechende frage in der mündlichen verhandlung vor dem senat, ob frau q. ihn weggeschickt habe, wenn die anderen väter gekommen seien, beantwortete der kläger bemerkenswert ausweichend („weiß ich nicht.“). ferner treten bei der schilderung des alltagslebens auch auffällige widersprüche zu tage. frau q. hat gegenüber der beklagten u. a. erklärt, der kläger frühstücke „viel brot und eier“, während der kläger in der mündlichen verhandlung auf ausdrückliches befragen des senats mitteilte, er trinke morgens nur kaffee. wer über eine derart lange zeit zusammenlebt, kann bei lebensnaher betrachtung angeben, ob und was der partner frühstückt. im übrigen sind die aussagen des klägers, wie es zur trennung gekommen sei, von bemerkenswerter detailarmut geprägt. er führte lediglich aus, nach der geburt von f. hätten sie streit gehabt, weil er rauche. es sei dann so gewesen, dass er sich im wohnzimmer aufgehalten habe, frau q. sei in der küche gewesen, und umgekehrt. sie hätten ein gemeinsames schlafzimmer gehabt, er habe dennoch manchmal im wohnzimmer geschlafen. 73die ungereimtheiten im vorbringen setzen sich bei der darstellung, wie es zur versöhnung zwischen dem kläger und seiner ehefrau gekommen sein soll, fort. erstmals in der mündlichen verhandlung vor dem senat teilte der kläger mit, seine ehefrau habe die drei gemeinsamen kinder zu ihm gebracht. als er eines tages zurück nach hause gekommen sei, hätten seine kinder auf der straße bzw. vor der tür gestanden. er habe sie gefragt, was los sei. daraufhin hätten diese ihm mitgeteilt, ihre mutter hätte sie hier „abgeliefert“. er selbst habe von dem plan seiner ehefrau nichts gewusst. ungeachtet des umstands, dass diese schilderungen gänzlich lebensfremd sind, erschließt sich auch nicht, woher die ehefrau des klägers gewusst haben soll, wo dieser wohnt. der kläger gab auf befragen des senats an, er habe in der zeit, als er mit frau q. eine beziehung geführt habe, nur zu seinen kindern, nicht aber zu seiner ehefrau (telefonisch) kontakt gehabt. seine kinder hätten nicht gewusst, wo er gewohnt habe. die erklärung des klägers, er wisse nicht, woher seine frau dann gewusst habe, wo er wohne, vielleicht von einer freundin, ist spekulativ; insbesondere bleibt vollkommen unklar, welche freundin der ehefrau des klägers aufgrund welcher umstände seine anschrift hätte kennen sollen. die fragen, warum er mit seiner frau und den gemeinsamen drei kindern wieder zusammengezogen sei und seit wann sie wieder zusammen wohnten, hat der kläger lediglich ausweichend bzw. unsubstantiiert beantwortet. 74überdies sind die aussagen des klägers und frau q. hinsichtlich seiner unterstützungsleistungen bei der erziehung und pflege von f. - insbesondere auch seit der trennung - unglaubhaft. zum einen sind die einlassungen von auffälliger detailarmut geprägt. das gilt zunächst mit blick auf den kläger. während des erörterungstermins beim verwaltungsgericht erschöpfte sich dessen vortrag im wesentlichen in nachfolgenden schilderungen: er sehe seinen sohn wöchentlich, er zeige ihm sein zimmer und seine spielsachen, manchmal gingen sie gemeinsam zum pennymarkt oder zum spielplatz, manchmal nehme er ihn mit zu sich nach hause, dort kochten sie etwas. zum ersten geburtstag habe er seinem sohn eine torte „babyboss“ vorbeigebracht, zum zweiten geburtstag habe er ihm ein grünes motorrad gekauft und zum dritten geburtstag habe er ihm eine „autobahn“ geschenkt. in diesen zusammenhang fügt sich nahtlos ein, dass der kläger auf entsprechende frage der beklagtenvertreterin nicht in der lage war, konkret zu beschreiben, welche spielgeräte sich auf dem spielplätz befänden, den er mit seinem sohn (angeblich) regelmäßig besuche. er konnte lediglich angeben, dort befänden sich schaukeln. darüber hinaus erklärte er, sich „jetzt“ nicht so sicher zu sein. er sei nicht so häufig dort gewesen. ein ähnliches bild ergab sich in der mündlichen verhandlung vor dem senat. auch dort vermochte der kläger im wesentlichen nur allgemeinplätze von sich zu geben: er sehe seinen sohn eigentlich jedes wochenende. er gehe mit ihm spazieren, in den park oder zu sich nach hause. ansonsten helfe er frau q. immer, wenn ihr gemeinsames kind etwas brauche. als sie die neue wohnung bekommen habe, habe er ihr bei allem geholfen ‑ beispielsweise habe er anstreicher- und laminatarbeiten verrichtet - und er werde ihr auch weiterhin helfen. vergleichbares zeigte sich bei frau q. ihre (schriftlichen) einlassungen gehen nicht über substanzlose bekundungen hinaus: „wenn etwas ist und sie keine zeit hat, dann kümmert er sich, ist immer da ruft an und fragt ob er helfen kann, was abnehmen kann. er kommt, wenn es passt.“; „[er] sieht sein sohn sehr regelmäßig, er besucht uns oft und ist für den kleinen auch sonst immer da wen arzt besuche oder sonstiges ansteht. er hilft mir auch wo er kann mit ihm wen er da ist. und geht liebevoll mit ihm um.“; „er kommt uns besuchen. […] er bleibt meist ungefähr drei bis vier stunden mit dem kind zusammen. teilweise nimmt er das kind zum spazierengehen mit […]. wenn ich mal seine hilfe brauche, weil ich das kind nicht alleine lassen kann für irgendwelche einkäufe, kümmert er sich auch noch nebenbei um das kind.“. auch in der mündlichen verhandlung vor dem senat vermochte es frau q. im wesentlichen nicht, ihr vorbringen zu substantiieren. sie beschränkte sich im grunde auf die substanzlose einlassung, der kläger und sein sohn sähen sich immer am wochenende. während corona sei das nicht so gut gegangen, es sei eine schwierige zeit gewesen. manchmal hole er ihn ab und sage nicht, was sie planten, manchmal erzähle er ihr, was sie gemacht hätten. die besuche dauerten ungefähr fünf bis sechs stunden. die geburtstage feiere der kläger mit f. immer einen tag nach dem eigentlichen geburtstag. ab und zu schenke der kläger f. auch gebrauchsgegenstände, wie zum beispiel eine jacke. 75zum anderen ist der senat von der unglaubhaftigkeit der entsprechenden einlassungen überzeugt, weil in diesen widersprüche, ungereimtheiten und plausibilitätsdefizite deutlich zu tage treten. im einzelnen: noch im erstinstanzlichen verfahren gab frau q. die schriftliche erklärung ab, der kläger sei regelmäßig dabei, wenn sie mit f. zum arzt müsse. im gegensatz dazu behauptete sie im verwaltungsgerichtlichen erörterungstermin, der kläger sei noch nie mit f. beim arzt gewesen. in der mündlichen verhandlung vor dem senat erklärte sie dann, der kläger sei mit ihr und f. einmal beim arzt gewesen. der kläger wiederum wich der frage des senats, ob er überhaupt schon einmal mit f. beim arzt gewesen sei, aus und gab an, f. sei so gut wie nie krank, wenn er fieber habe, bekomme er entsprechenden sirup von s. im verwaltungsverfahren hatte der kläger noch behauptet, im ersten lebensjahr sei f. oft beim kinderarzt gewesen, da es in der wohnung schimmel gegeben habe. dieses unterschiedliche vorbringen konnte der kläger auch nach explizitem vorhalt des senats nicht plausibel erklären. er führte lediglich aus, das sei damals in w. gewesen, als sie schimmel in der wohnung gehabt hätten. weiterhin differieren die angaben des klägers und frau q. zu den namen der kinderärzte von f. während der kläger meint, dieser heiße dr. k., erklärte frau q., es handele sich um dr. s. bzw. nachfolgend um frau dr. b.. in diesem zusammenhang fällt auch auf, dass der kläger nicht einmal sagen konnte, welcher arzt f. beschnitten hat. der entsprechenden nachfrage des senats wich der kläger - wie auch oben aufgeführten anderen fragen - aus und trug vor, er sei nicht dabei gewesen, weil er habe arbeiten müssen. es habe sich um einen sehr kurzfristigen termin beim arzt gehandelt. deshalb habe er nicht mitkommen können. ungereimt ist der vortrag teilweise, soweit er sich auf die örtlichkeiten bezieht, wo sich der kläger mit f. (angeblich) trifft. gegenüber dem verwaltungsgericht gab der kläger im erörterungstermin an, bei den treffen mit f. trinke er zunächst bei frau q. einen kaffee („kurze kaffeerunde“). dann spiele er mit f. frau q. behauptete hingegen im erörterungstermin, ihre kinder würden immer bei ihr zu hause abgeholt. bei ihr „zu hause die treffen, das möchte“ sie nicht. in der mündlichen verhandlung vor dem senat führte der kläger aus, er habe in der nähe der wohnung von frau q. gearbeitet. manchmal sei er dort vorbeigegangen. sie hätten dann kaffee getrunken und er habe sich nach seinem sohn erkundigt. unklar bleibt auch, ob frau q. den kläger und f. begleitet, wenn er mit diesem ausflüge macht. der kläger meint, frau q. begleite sie beide manchmal, während frau q. dies ausdrücklich verneint. nicht nachvollziehbar ist für den senat überdies, warum der kläger meint, er könne wegen seiner arbeit nur sehr selten für f. einkäufe erledigen. denn selbst wenn der kläger 40 stunden pro woche arbeitete, bliebe ihm bei lebensnaher betrachtung dennoch ausreichend zeit, für seinen sohn einzukaufen. ebenso bleibt unerfindlich, warum der kläger aufgrund seiner arbeitstätigkeit nie in der lage sein soll, seinen sohn zum kindergarten zu bringen oder von dort abzuholen. jedenfalls während des urlaubs hätte der kläger hierzu zeit. 76schließlich fällt auf, dass der kläger bezeichnenderweise immer noch bemüht ist, die familiären beziehungen zu zwei der drei kindsväter der weiteren kinder von frau q. zu verschleiern. schon im verwaltungsgerichtlichen erörterungstermin erklärte der kläger auf befragen, er kenne herrn t1. b2. nicht und wisse auch nicht, wer das sein soll. auf entsprechenden vorhalt, wieso er dann mit diesem auf facebook befreundet sei, erklärte der kläger lediglich, sein facebook kennten auch seine kinder. auf die frage des senats, ob er herrn t1. b2. kenne, erwiderte der kläger, er sei hier, um über sein kind zu sprechen, über ihn spreche er nicht. auf nachfrage wiederholte er lediglich, er sei hier, um über sein kind zu reden, und das solle auch so bleiben. 77aus der vielzahl der - auch in der mündlichen verhandlung vor dem senat - vorgelegten fotos ergibt sich nichts für den kläger tragfähiges. soweit diese den kläger zusammen mit f. zeigen, handelt es sich um schlichte momentaufnahmen, die keine darüber hinausgehende aussagekraft besitzen. ungeachtet dessen lässt sich diesen nicht mit der erforderlichen sicherheit entnehmen, wann genau sie aufgenommen worden sind. 78die vorstehenden erwägungen lassen allein den schluss zu, dass die aussagen des klägers und frau q. betreffend der angeblichen ausübung des sorgerechts seitens des klägers für f. q. in gänze verfahrenstaktischer natur sind. sie dienen allein dem zweck, dem kläger - und von diesem abgeleitet seiner ehefrau und den drei gemeinsamen kindern - (unrechtmäßigerweise) ein aufenthaltsrecht für die bundesrepublik deutschland zu verschaffen. 79damit kommt es nicht mehr darauf an, ob die allgemeinen erteilungsvoraussetzungen vorliegen bzw. vorgelegen haben. der senat merkt jedoch an, dass er sich unter dem blickwinkel von § 5 abs. 1 nr. 2 aufenthg der neueren rechtsprechung des bundesgerichtshofs zu den straftatbeständen der §§ 95 abs. 1 nr. 2 und 3, 14 abs. 1 nr. 2 aufenthg, 80vgl. bgh, urteil vom 26. januar 2021- 1 str 289/20 -, juris, rn. 41 ff., 81nicht unbesehen anschließen wird. dies bedarf vielmehr einer gesonderten überprüfung. 82(ii.) die rechtmäßigkeit der abschiebungsandrohung (ziffer 6. des angegriffenen bescheides) folgt aus §§ 50 und 59 abs. 1 satz 1, abs. 2 aufenthg. 83(iii.) das gemäß § 11 abs. 1, abs. 2 sätze 2, 3 und abs. 3 aufenthg erlassene und auf ein jahr und sechs monate befristete einreise- und aufenthaltsverbot (änderungsverfügung vom 11. februar 2022) ist ebenfalls rechtmäßig. 84mit dem einreise- und aufenthaltsverbot verfolgt der gesetzgeber gewichtige spezial- und generalpräventive gründe, die für das ausweisungsbedingte und für das abschiebungsbedingte einreiseverbot je gesondert zu bestimmen sind. das hier betroffene abschiebungsbedingte verbot hat eine doppelte zweckrichtung. es dient zum einen in bezug auf den betroffenen ausreisepflichtigen ausländer der durchsetzung des vorrangs seiner freiwilligen ausreise vor der abschiebung und zum anderen auch in bezug auf sonstige ausreisepflichtige ausländer der förderung der freiwilligen ausreise. in spezialpräventiver hinsicht soll der ausländer aus dem unionsgebiet ferngehalten werden, weil er anlass zu vollstreckungsmaßnahmen gegeben hat und die besorgnis besteht, dass diese bei einem künftigen aufenthalt erneut erforderlich werden. zugleich soll in generalpräventiver hinsicht verhindert werden, dass sich andere ausländer in dem vorhaben, ebenfalls nicht freiwillig auszureisen, ohne ein an die erforderlich gewordene vollstreckungsmaßnahme anknüpfendes einreise- und aufenthaltsverbot bestärkt fühlen könnten. 85vgl. ovg nrw, beschluss vom 6. juli 2022- 18 b 632/22 -, juris, rn. 5, m. w. n. 86diesen vorgaben genügt die änderungsverfügung vom 11. februar 2022. ermessensfehler (§ 114 satz 1 vwgo) hinsichtlich der länge der frist sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. 87die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 1 vwgo. 88die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit der kostenentscheidung folgt aus § 167 vwgo i. v. m. §§ 708 nr. 10, 711 zpo. 89die revision wird nicht zugelassen, weil kein zulassungsgrund im sinne des § 132 abs. 2 vwgo vorliegt.
346,310
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2 K 8821/21
2022-08-16T00:00:00
Urteil
Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 1Tatbestand: 2Der Kläger war Studierender des Einstellungsjahrgangs 202X im Studiengang „Polizeivollzugsdienst“ (B.A.) an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen (im Folgenden HSPV). 3Im Rahmen des Studiums hatte der Kläger eine Prüfungsleistung (Klausur) im Modul GS 6 (Verkehrssicherheitsarbeit) zu absolvieren. Am 00.00.2021 nahm er an einer Wiederholungsprüfung in diesem Modul teil. Im Anschluss an die Klausur führte die Aufsicht - Frau M. G. - eine Hilfsmittelkontrolle bei dem Kläger durch. Hierzu stellte sie fest: „Beim Herrn (…) habe ich die beigefügte Karteikarte gefunden und bei Herrn L. den weißen Zettel. Der weiße Zettel war mit einem blauen Post-It versehen und im “Ordner“ (als Hilfsmittel zugelassen) abgeheftet. Als ich den weißen Zettel bei Herrn L. gefunden habe, sagte dieser, dass es sinnlos sei und ich erklärte, dass ich den Zettel mit seiner Klausur abgebe und andere Leute prüfen, ob das für seine Klausur “verwendbar“ war. Daraufhin sagte Herr L. : “Gut, das ist nicht der Fall.“.“ 4Unter dem 4. November 2021 führte die HSPV gegenüber dem Kläger aus, dass angesichts des geschilderten Sachverhaltes der Verdacht bestehen würde, dass sich der Kläger ordnungswidrig im Sinne von § 20 StudO-BA Teil A verhalten haben könnte und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme. Diese nahm der Kläger unter dem 5. November 2021 wahr. Er führte aus unter anderem aus: „In der Tat befand sich in meinem Polizei-Fach-Handbuch ein weißes Blatt Papier mit Ausführungen zu den Sonder- und Wegerechten. Hierbei handelt es sich um eine von mir gefertigte Zusammenfassung, welche ich zum Lernen genutzt habe. Diese Zusammenfassung sollte in keiner Weise als Hilfsmittel in einer Klausur dienen. Das ist auch der Grund, warum der Zettel nicht versteckt oder „getarnt“, sondern mit einem blauen Post-It markiert war. Zudem handelte es sich um ein normales weißes Blatt Papier (entgegen dem Papierfarbton des Polizei-Fach-Handbuchs), welches handschriftlich verfasst wurde. Um mich bestmöglich auf die bevorstehenden Klausuren vorzubereiten, habe ich einige solcher Schriftstücke mit verschiedenen Themenschwerpunkten vorbereitet und in meinem Polizei-Fach-Handbuch abgeheftet. So hatte ich immer alle relevanten Themen griffbereit. Diese Zusammenfassungen habe ich eigentlich immer mit einem roten Post-It versehen, um sie vor den Klausuren leichter zu finden und zu entfernen. Bei dem in Rede stehenden Schriftstück habe ich anscheinend versehentlich einen blauen Post-It verwendet und diesen nicht als Lernzusammenfassung erkannt und demnach auch nicht aus meinem Polizei-Fach-Handbuch entfernt. (…)“ 5Mit Bescheid vom 30. November 2021 bewertete die HSPV die Prüfungsleistung gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StudO-BA Teil A mit „nicht ausreichend“ (5,0) und stellte fest, dass die Modulprüfung damit endgültig nicht bestanden und eine Fortsetzung des Studiums ausgeschlossen ist. Zur Begründung führte die HSPV aus, der Kläger habe ein verbotenes Hilfsmittel während der Klausurbearbeitung mit sich geführt. Dies stelle ein ordnungswidriges Verhalten dar. Der Prüfungsausschuss habe in seinen „Hinweisen zu ordnungswidrigem Verhalten und Täuschungsversuchen“ den sog. Spickzettel ausdrücklich als unzulässiges Hilfsmittel qualifiziert. Ob der Spickzettel tatsächlich für die Klausurbearbeitung herangezogen worden sei, sei nicht von Bedeutung. Es reiche bereits aus, dass der Betroffene es in Reichweite gehabt habe. Der Inhalt müsse ferner geeignet gewesen sein, dem Prüfling zusätzliches Wissen zu vermitteln oder bereits bekanntes Wissen schneller und präziser abrufen zu können. Auf dem Spickzettel des Klägers hätten sich Ausführungen zu Sonder- und Wegerechten befunden, die einen Bezug zu der im Streit stehenden verkehrsrechtlichen Klausur aufgewiesen hätten. Der Kläger habe auch mit dem notwendigen Vorsatz gehandelt. Bereits der Besitz spreche für ein bewusstes Mitsichführen. Bei Betrachtung des Einzelfalles sei das vorliegende Verhalten in der Form zu ahnden, dass die Klausur mit „nicht ausreichend“ (5,0) bewertet werde. Bei der Ermessensausübung sei insoweit die Intensität der Täuschungshandlung sowie der Verschuldensgrad berücksichtigt worden. 6Der Kläger hat am 29. Dezember 2021 Klage erhoben. 7Zur Begründung führt er aus, es fehle an dem erforderlichen Täuschungsvorsatz. Hierfür sprächen bereits die objektiven Umstände. Abgesehen davon, dass es sich bei dem in Rede stehenden Zettel nicht um einen Spickzettel, sondern um einen Lernzettel gehandelt habe, hätte der Kläger wegen des blauen Post-It und dem Umstand, dass sich seine Ausführungen auf weißem Papier befunden hätten, ohne weiteres damit rechnen müssen, dass der vermeintliche Spickzettel bei einer Kontrolle sofort auffallen würde. Dies spreche gegen einen Täuschungsvorsatz. Zudem sei der angegriffene Bescheid ermessensfehlerhaft. Denn dem Kläger hätte vielmehr auch die Wiederholung der Klausur im Modul GS 6 aufgegeben werden können. 8Der Kläger beantragt, 9das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung vom 30. November 2021 zu verpflichten, das Prüfungsverfahren fortzusetzen, 10hilfsweise, das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung vom 30. November 2021 zu verpflichten, ihm eine erneute Wiederholungsprüfung im Modul GS 6 zu gewähren. 11Das beklagte Land beantragt, 12die Klage abzuweisen. 13Es trägt vor, auf dem Spickzettel hätten sich mit den Ausführungen zu Sonder- und Wegerechten Inhalte befunden, die typischerweise zu den Prüfungsgegenständen einer GS 6 – Klausur gehörten. Für die rechtliche Bewertung als unzulässiges Hilfsmittel sei es im Übrigen unbeachtlich, ob man den Zettel als Spickzettel oder Lernzettel bezeichne. Der erforderliche Eventualvorsatz folge aus der Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises. Danach stelle bereits das Mitsichführen eines verbotenen Hilfsmittels eine Tatsache dar, die für den ersten Anschein eines entsprechenden Vorsatzes spreche. 14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen. 15Entscheidungsgründe: 16Die Kammer konnte gemäß § 6 Abs. 1 VwGO durch den Einzelrichter entscheiden, weil sie ihm den Rechtsstreit mit Beschluss vom 6. Juli 2022 zur Entscheidung übertragen hat. 17Die zulässige Klage hat insgesamt keinen Erfolg. 181. Die Klage ist mit dem Hauptantrag unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung des Bescheides vom 30. November 2021 und Fortsetzung des Studiums. Der angegriffene Bescheid ist nicht rechtswidrig (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Nach § 13 Abs. 2 Satz 1 StudO-BA Teil A sind Studienleistungen in Modulen oder Teilmodulen, die schlechter als ausreichend (4,0) oder mit „nicht bestanden“ bewertet wurden, nicht bestanden und können einmal wiederholt werden, sofern nicht nachfolgend etwas anderes bestimmt ist. Wird in einer Studienleistungen auch in der Wiederholung eine Bewertung von mindestens ausreichend (4,0) bzw. „bestanden“ nicht erreicht, ist die Studienleistung endgültig nicht bestanden. Die Fortsetzung des Studiums ist ausgeschlossen (§ 13 Abs. 2 Sätze 3 und 4 StudO-BA Teil A). Soweit es ein ordnungswidriges Verhalten anbelangt, regelt § 20 Abs. 1 StudO-BA Teil A, dass als Folgen eines ordnungswidrigen Verhaltens, insbesondere eines Täuschungsversuchs z.B. durch Mitführen oder sonstiges Nutzen nicht zugelassener Hilfsmittel, nach den Umständen des Einzelfalles ausgesprochen werden können: 1. der Kandidatin oder dem Kandidaten wird die Wiederholung der Studienleistung aufgegeben, 2. die Studienleistung, auf die sich die Ordnungswidrigkeit bezieht, wird mit „nicht ausreichend“ bewertet, 3. in besonders schweren Fällen, wie beispielsweise der wiederholten Täuschung im Rahmen der Erbringung eines Leistungsnachweises, wird die Kandidatin oder der Kandidat von einer Wiederholung der Studienleistung ausgeschlossen. 19Nach Maßgabe dieser Regelungen ist die Bewertung der Wiederholungsklausur des Klägers im Modul GS 6 mit „nicht ausreichend“ (5,0) im Streitfall nicht zu beanstanden. 201.1. Es liegt ein Täuschungsversuch im Sinne des § 20 Abs. 1 Satz 1 StudO-BA Teil A vor. Denn der Kläger hat - was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist - während der von ihm am 3. November 2021 angefertigten Klausur ein unzulässiges Hilfsmittel bei sich geführt. In dem in der Klausur GS 6 als Hilfsmittel zugelassenen Polizei-Fach-Handbuch hat sich ein vom ihm handschriftlich beschriebenes Blatt befunden, auf dem sich Ausführungen zu Sonder- und Wegerechten befunden haben. Nach Ziffer 2 Abs. 1 der Allgemeinen Bestimmungen über die Benutzung von Hilfsmitteln bei Aufsichtsarbeiten für den Studiengang Polizeivollzugsdienst (B.A.; gültig ab dem Einstellungsjahrgang 2019) sind Kommentierungen, Texterläuterungen, Musterlösungen, schematische und systematische Darstellungen sowie Aufzeichnungen von Fällen mit Lösungen grundsätzlich als verbotene Hilfsmittel eingestuft. In den Hilfsmitteln sind sämtliche Markierungen, handschriftliche Notizen, Unterstreichungen und anderweitige Hervorhebungen verboten (vgl. Ziffer 5 Abs. 1 der Hilfsmittelbestimmungen). Zudem dürfen Post-Its nach Ziffer 5 Abs. 2 der vorgenannten Bestimmungen nur verwendet werden, wenn sie den Anfang eines Gesetzes kennzeichnen und allein auf dessen Fundort hinweisen; eine anderweitige Verwendung ist ausgeschlossen. Hiergegen hat der Kläger verstoßen. 211.2. Der Kläger hat zur Überzeugung des Einzelrichters auch vorsätzlich gehandelt. Der bedingte Vorsatz des Klägers hinsichtlich des Mitführens eines nicht zugelassenen Hilfsmittels ergibt sich in Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises. Jedem Prüfungsteilnehmer ist bekannt, dass das Auffinden eines unzulässigen Hilfsmittels in einer Prüfung zu Sanktionen führen kann. Jeder Prüfling wird daher darauf bedacht sein, unzulässige Hilfsmittel aus seinem direkten Umfeld zu entfernen. Befindet sich dennoch ein unzulässiges Hilfsmittel in seinem Besitz, ist von einem bewussten Mitführen auszugehen. 22Vgl. VG München, Beschluss vom 29. Juni 2021 - 3 E 21.3300 -, juris, Rn. 35 ff; OVG NRW, Beschluss vom 16. Februar 2021 - 6 B 1868/20 -, juris, Rn. 8ff. 23Dem Kläger ist es nicht gelungen, diesen Beweis des ersten Anscheins zu entkräften. Widersprüchlich ist sein Vorbringen, es mangele bereits deswegen an einem Täuschungsvorsatz, weil es sich bei dem in Rede stehenden Lernzettel um ein (beschriebenes) weißes Blatt Papier handele, während die Blätter des Polizei-Fach-Handbuchs eine hiervon abweichende Farbe aufweisen würden. Er hätte daher – wenn er Täuschungsvorsatz besessen hätte – jederzeit damit rechnen müssen, dass dieses Blatt – wegen der andersartigen Farbgestaltung und dem hierauf angebrachten blauen Post-It– der Klausuraufsicht ohne weiteres auffallen würde. Wenn dem so sein sollte, dann hätte das Blatt aber eben auch dem Kläger auffallen müssen. Unabhängig davon, dass dieses Vorbringen widersprüchlich ist, trifft es aber in dieser Allgemeinheit auch im Tatsächlichen nicht zu. Es verhält sich keinesfalls so, dass der Lernzettel des Klägers auffällig war. Der Einzelrichter hat den Originalzettel im Verhandlungstermin in den Blick genommen und ihn in das Polizei-Fach-Handbuch eingeheftet. Hierbei wurde deutlich, dass der vom Kläger verwendete Lernzettel etwas geringere Ausmaße hat, als die Seiten der Loseblattsammlung. Der Zettel springt demnach gerade nicht ins Auge. Auch der Umstand, dass der Kläger diesen Zettel mit einem blauen Post-It versehen hat, stützt sein Vorbringen nicht. Denn die Verwendung von Post-Its ist - wie festgestellt - grundsätzlich zulässig und stellt für sich gesehen keinen Anlass für eine Hilfsmittelkontrolle dar. Der Vortrag des Klägers, es könne nicht auf einen Täuschungsvorsatz geschlossen werden, weil der Lernzettel doch als solcher ohne weiteres erkennbar und eben nicht „versteckt“ gewesen sei, trifft demnach so nicht zu. Unabhängig davon, dass der Kläger den Anscheinsbeweis nicht entkräftet hat, steht auch zur Überzeugung des Einzelrichters fest, dass der Kläger bewusst getäuscht hat. Sein Vorbringen ist verfahrensangepasst. Der Kläger hat dargetan, dass er von ihm angefertigte Lernzettel grundsätzlich mit roten Post-Its versehen habe, damit er sie als solche erkennen und vor der Klausur aus dem Polizei-Fach-Handbuch entfernen kann. Lediglich im Streitfall habe er - vielleicht, weil ihm die roten Post-Its ausgegangen seien - einen blauen Post-It verwendet. Damit habe er aber auch zulässigerweise den Anfang von Gesetzestexten markiert. Vor der Klausur habe seine Loseblattsammlung lediglich blaue Post-Its aufgewiesen. Er habe daher keinen Anlass gehabt, die Sammlung noch einmal auf Lernzettel zu durchsuchen. Er sei davon ausgegangen, dass alle Post-Its lediglich den Anfang von Gesetzestexten hervorheben. Dieses Vorbringen überzeugt nicht. Wenn der Kläger im Zuge der Klausurvorbereitung farblich unterschiedliche Post-Its verwendet haben will, dann hätte es nahegelegen, die mit den Post-Its im Handbuch versehenen Stellen noch einmal auf das Vorhandensein von Lernzetteln zu überprüfen. Aus welchem Grunde der Kläger dies nicht getan hat, ist nicht ersichtlich. Überdies spricht für einen Täuschungsvorsatz, dass der Lernzettel etwas geringere Ausmaße aufweist, als die verlagsseitig gedruckten Blätter des Polizei-Fach-Handbuchs. Damit war der Lernzettel - entgegen dem Vorbringen des Klägers - gleichsam in der Loseblattsammlung „versteckt“. Wenn der Kläger nicht nur verschiedenfarbige Post-Its verwendet, sondern auch noch unzulässige Hilfsmittel in das Polizei-Fach-Handbuch im Zuge der Klausurvorbereitung eingeheftet hat, dann hätte es sich aufgedrängt, das Handbuch vor der Klausur mit einer besonderen Sorgfalt noch einmal zu überprüfen. Dies hat der Kläger aber nicht getan. Hinzu kommt, dass es sich bei der Wiederholungsprüfung um den „letzten Versuch“ gehandelt hat, so dass auch unter Berücksichtigung dieses Umstandes eine besondere Sorgfalt angebracht gewesen wäre. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände steht zur Überzeugung des Einzelrichters fest, dass es sich bei dem Verhalten des Klägers nicht lediglich um eine Nachlässigkeit, sondern vielmehr um einen bewussten Täuschungsversuch gehandelt hat. 24Nicht nachvollziehbar ist schlussendlich der Vortrag des Klägers, bereits aufgrund der Gestaltung des Zettels sei davon auszugehen, dass es an dem erforderlichen Täuschungsvorsatz mangele. Denn der Zettel sei kein Spickzettel, sondern ein Lernzettel. Selbstredend können auch kurze textliche Zusammenfassungen als Spickzettel beziehungsweise unzulässiges Hilfsmittel dienen. 251.3. Nicht zu beanstanden ist, dass die HSPV den Täuschungsversuch des Klägers nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StudO-BA Teil A in der Weise geahndet hat, dass die Klausur mit „nicht ausreichend“ bewertet worden ist. Diese Sanktion ist weder ermessensfehlerhaft noch unverhältnismäßig. Entsprechend dem hier nicht entkräfteten ersten Anschein spricht das Mitführen eines Spickzettels während einer Klausur dafür, dass dies zu Täuschungszwecken geschieht. Angesichts der auch von der HSPV insoweit angeführten Intensität der vom Kläger vorgenommenen Täuschungshandlung ist die vorgenannte Sanktion nicht rechtsfehlerhaft. 262. Die Klage hat auch mit dem Hilfsantrag keinen Erfolg, weil der angegriffene Bescheid der HSPV vom 30. November 2021 aus den unter 1. dargestellten Gründen rechtmäßig ist und dem Kläger daher kein Anspruch auf Einräumung einer (weiteren) Wiederholungsprüfung im Modul GS 6 zusteht. 27Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO. 28Rechtsmittelbelehrung: 29Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. 30Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 31Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. 32Die Berufung ist nur zuzulassen, 331. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 342. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 353. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 364. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 375. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. 38Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich einzureichen. 39Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen. 40Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen. 41Die Antragsschrift und die Zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. 42Beschluss: 43Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt. 44Gründe: 45Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 2 GKG erfolgt. 46Rechtsmittelbelehrung: 47Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. 48Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 49Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 50Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt. 51Die Beschwerdeschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. 52War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
die klage wird abgewiesen. der kläger trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der kläger darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung oder hinterlegung in höhe von 110% des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht das beklagte land vor der vollstreckung sicherheit in gleicher höhe leistet. 1
2der kläger war studierender des einstellungsjahrgangs 202x im studiengang „polizeivollzugsdienst“ (b.a.) an der hochschule für polizei und öffentliche verwaltung nordrhein-westfalen (im folgenden hspv). 3im rahmen des studiums hatte der kläger eine prüfungsleistung (klausur) im modul gs 6 (verkehrssicherheitsarbeit) zu absolvieren. am 00.00.2021 nahm er an einer wiederholungsprüfung in diesem modul teil. im anschluss an die klausur führte die aufsicht - frau m. g. - eine hilfsmittelkontrolle bei dem kläger durch. hierzu stellte sie fest: „beim herrn (…) habe ich die beigefügte karteikarte gefunden und bei herrn l. den weißen zettel. der weiße zettel war mit einem blauen post-it versehen und im “ordner“ (als hilfsmittel zugelassen) abgeheftet. als ich den weißen zettel bei herrn l. gefunden habe, sagte dieser, dass es sinnlos sei und ich erklärte, dass ich den zettel mit seiner klausur abgebe und andere leute prüfen, ob das für seine klausur “verwendbar“ war. daraufhin sagte herr l. : “gut, das ist nicht der fall.“.“ 4unter dem 4. november 2021 führte die hspv gegenüber dem kläger aus, dass angesichts des geschilderten sachverhaltes der verdacht bestehen würde, dass sich der kläger ordnungswidrig im sinne von § 20 studo-ba teil a verhalten haben könnte und gab ihm gelegenheit zur stellungnahme. diese nahm der kläger unter dem 5. november 2021 wahr. er führte aus unter anderem aus: „in der tat befand sich in meinem polizei-fach-handbuch ein weißes blatt papier mit ausführungen zu den sonder- und wegerechten. hierbei handelt es sich um eine von mir gefertigte zusammenfassung, welche ich zum lernen genutzt habe. diese zusammenfassung sollte in keiner weise als hilfsmittel in einer klausur dienen. das ist auch der grund, warum der zettel nicht versteckt oder „getarnt“, sondern mit einem blauen post-it markiert war. zudem handelte es sich um ein normales weißes blatt papier (entgegen dem papierfarbton des polizei-fach-handbuchs), welches handschriftlich verfasst wurde. um mich bestmöglich auf die bevorstehenden klausuren vorzubereiten, habe ich einige solcher schriftstücke mit verschiedenen themenschwerpunkten vorbereitet und in meinem polizei-fach-handbuch abgeheftet. so hatte ich immer alle relevanten themen griffbereit. diese zusammenfassungen habe ich eigentlich immer mit einem roten post-it versehen, um sie vor den klausuren leichter zu finden und zu entfernen. bei dem in rede stehenden schriftstück habe ich anscheinend versehentlich einen blauen post-it verwendet und diesen nicht als lernzusammenfassung erkannt und demnach auch nicht aus meinem polizei-fach-handbuch entfernt. (…)“ 5mit bescheid vom 30. november 2021 bewertete die hspv die prüfungsleistung gemäß § 20 abs. 1 satz 1 nr. 2 studo-ba teil a mit „nicht ausreichend“ (5,0) und stellte fest, dass die modulprüfung damit endgültig nicht bestanden und eine fortsetzung des studiums ausgeschlossen ist. zur begründung führte die hspv aus, der kläger habe ein verbotenes hilfsmittel während der klausurbearbeitung mit sich geführt. dies stelle ein ordnungswidriges verhalten dar. der prüfungsausschuss habe in seinen „hinweisen zu ordnungswidrigem verhalten und täuschungsversuchen“ den sog. spickzettel ausdrücklich als unzulässiges hilfsmittel qualifiziert. ob der spickzettel tatsächlich für die klausurbearbeitung herangezogen worden sei, sei nicht von bedeutung. es reiche bereits aus, dass der betroffene es in reichweite gehabt habe. der inhalt müsse ferner geeignet gewesen sein, dem prüfling zusätzliches wissen zu vermitteln oder bereits bekanntes wissen schneller und präziser abrufen zu können. auf dem spickzettel des klägers hätten sich ausführungen zu sonder- und wegerechten befunden, die einen bezug zu der im streit stehenden verkehrsrechtlichen klausur aufgewiesen hätten. der kläger habe auch mit dem notwendigen vorsatz gehandelt. bereits der besitz spreche für ein bewusstes mitsichführen. bei betrachtung des einzelfalles sei das vorliegende verhalten in der form zu ahnden, dass die klausur mit „nicht ausreichend“ (5,0) bewertet werde. bei der ermessensausübung sei insoweit die intensität der täuschungshandlung sowie der verschuldensgrad berücksichtigt worden. 6der kläger hat am 29. dezember 2021 klage erhoben. 7zur begründung führt er aus, es fehle an dem erforderlichen täuschungsvorsatz. hierfür sprächen bereits die objektiven umstände. abgesehen davon, dass es sich bei dem in rede stehenden zettel nicht um einen spickzettel, sondern um einen lernzettel gehandelt habe, hätte der kläger wegen des blauen post-it und dem umstand, dass sich seine ausführungen auf weißem papier befunden hätten, ohne weiteres damit rechnen müssen, dass der vermeintliche spickzettel bei einer kontrolle sofort auffallen würde. dies spreche gegen einen täuschungsvorsatz. zudem sei der angegriffene bescheid ermessensfehlerhaft. denn dem kläger hätte vielmehr auch die wiederholung der klausur im modul gs 6 aufgegeben werden können. 8der kläger beantragt, 9das beklagte land unter aufhebung des bescheides der hochschule für polizei und öffentliche verwaltung vom 30. november 2021 zu verpflichten, das prüfungsverfahren fortzusetzen, 10hilfsweise, das beklagte land unter aufhebung des bescheides der hochschule für polizei und öffentliche verwaltung vom 30. november 2021 zu verpflichten, ihm eine erneute wiederholungsprüfung im modul gs 6 zu gewähren. 11das beklagte land beantragt, 12die klage abzuweisen. 13es trägt vor, auf dem spickzettel hätten sich mit den ausführungen zu sonder- und wegerechten inhalte befunden, die typischerweise zu den prüfungsgegenständen einer gs 6 – klausur gehörten. für die rechtliche bewertung als unzulässiges hilfsmittel sei es im übrigen unbeachtlich, ob man den zettel als spickzettel oder lernzettel bezeichne. der erforderliche eventualvorsatz folge aus der anwendung der grundsätze des anscheinsbeweises. danach stelle bereits das mitsichführen eines verbotenen hilfsmittels eine tatsache dar, die für den ersten anschein eines entsprechenden vorsatzes spreche. 14wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird ergänzend auf den inhalt der gerichtsakte und des beigezogenen verwaltungsvorgangs des beklagten bezug genommen. 15
16die kammer konnte gemäß § 6 abs. 1 vwgo durch den einzelrichter entscheiden, weil sie ihm den rechtsstreit mit beschluss vom 6. juli 2022 zur entscheidung übertragen hat. 17die zulässige klage hat insgesamt keinen erfolg. 181. die klage ist mit dem hauptantrag unbegründet. der kläger hat keinen anspruch auf aufhebung des bescheides vom 30. november 2021 und fortsetzung des studiums. der angegriffene bescheid ist nicht rechtswidrig (§ 113 abs. 1 satz 1 vwgo). nach § 13 abs. 2 satz 1 studo-ba teil a sind studienleistungen in modulen oder teilmodulen, die schlechter als ausreichend (4,0) oder mit „nicht bestanden“ bewertet wurden, nicht bestanden und können einmal wiederholt werden, sofern nicht nachfolgend etwas anderes bestimmt ist. wird in einer studienleistungen auch in der wiederholung eine bewertung von mindestens ausreichend (4,0) bzw. „bestanden“ nicht erreicht, ist die studienleistung endgültig nicht bestanden. die fortsetzung des studiums ist ausgeschlossen (§ 13 abs. 2 sätze 3 und 4 studo-ba teil a). soweit es ein ordnungswidriges verhalten anbelangt, regelt § 20 abs. 1 studo-ba teil a, dass als folgen eines ordnungswidrigen verhaltens, insbesondere eines täuschungsversuchs z.b. durch mitführen oder sonstiges nutzen nicht zugelassener hilfsmittel, nach den umständen des einzelfalles ausgesprochen werden können: 1. der kandidatin oder dem kandidaten wird die wiederholung der studienleistung aufgegeben, 2. die studienleistung, auf die sich die ordnungswidrigkeit bezieht, wird mit „nicht ausreichend“ bewertet, 3. in besonders schweren fällen, wie beispielsweise der wiederholten täuschung im rahmen der erbringung eines leistungsnachweises, wird die kandidatin oder der kandidat von einer wiederholung der studienleistung ausgeschlossen. 19nach maßgabe dieser regelungen ist die bewertung der wiederholungsklausur des klägers im modul gs 6 mit „nicht ausreichend“ (5,0) im streitfall nicht zu beanstanden. 201.1. es liegt ein täuschungsversuch im sinne des § 20 abs. 1 satz 1 studo-ba teil a vor. denn der kläger hat - was zwischen den beteiligten auch unstreitig ist - während der von ihm am 3. november 2021 angefertigten klausur ein unzulässiges hilfsmittel bei sich geführt. in dem in der klausur gs 6 als hilfsmittel zugelassenen polizei-fach-handbuch hat sich ein vom ihm handschriftlich beschriebenes blatt befunden, auf dem sich ausführungen zu sonder- und wegerechten befunden haben. nach ziffer 2 abs. 1 der allgemeinen bestimmungen über die benutzung von hilfsmitteln bei aufsichtsarbeiten für den studiengang polizeivollzugsdienst (b.a.; gültig ab dem einstellungsjahrgang 2019) sind kommentierungen, texterläuterungen, musterlösungen, schematische und systematische darstellungen sowie aufzeichnungen von fällen mit lösungen grundsätzlich als verbotene hilfsmittel eingestuft. in den hilfsmitteln sind sämtliche markierungen, handschriftliche notizen, unterstreichungen und anderweitige hervorhebungen verboten (vgl. ziffer 5 abs. 1 der hilfsmittelbestimmungen). zudem dürfen post-its nach ziffer 5 abs. 2 der vorgenannten bestimmungen nur verwendet werden, wenn sie den anfang eines gesetzes kennzeichnen und allein auf dessen fundort hinweisen; eine anderweitige verwendung ist ausgeschlossen. hiergegen hat der kläger verstoßen. 211.2. der kläger hat zur überzeugung des einzelrichters auch vorsätzlich gehandelt. der bedingte vorsatz des klägers hinsichtlich des mitführens eines nicht zugelassenen hilfsmittels ergibt sich in anwendung der grundsätze des anscheinsbeweises. jedem prüfungsteilnehmer ist bekannt, dass das auffinden eines unzulässigen hilfsmittels in einer prüfung zu sanktionen führen kann. jeder prüfling wird daher darauf bedacht sein, unzulässige hilfsmittel aus seinem direkten umfeld zu entfernen. befindet sich dennoch ein unzulässiges hilfsmittel in seinem besitz, ist von einem bewussten mitführen auszugehen. 22vgl. vg münchen, beschluss vom 29. juni 2021 - 3 e 21.3300 -, juris, rn. 35 ff; ovg nrw, beschluss vom 16. februar 2021 - 6 b 1868/20 -, juris, rn. 8ff. 23dem kläger ist es nicht gelungen, diesen beweis des ersten anscheins zu entkräften. widersprüchlich ist sein vorbringen, es mangele bereits deswegen an einem täuschungsvorsatz, weil es sich bei dem in rede stehenden lernzettel um ein (beschriebenes) weißes blatt papier handele, während die blätter des polizei-fach-handbuchs eine hiervon abweichende farbe aufweisen würden. er hätte daher – wenn er täuschungsvorsatz besessen hätte – jederzeit damit rechnen müssen, dass dieses blatt – wegen der andersartigen farbgestaltung und dem hierauf angebrachten blauen post-it– der klausuraufsicht ohne weiteres auffallen würde. wenn dem so sein sollte, dann hätte das blatt aber eben auch dem kläger auffallen müssen. unabhängig davon, dass dieses vorbringen widersprüchlich ist, trifft es aber in dieser allgemeinheit auch im tatsächlichen nicht zu. es verhält sich keinesfalls so, dass der lernzettel des klägers auffällig war. der einzelrichter hat den originalzettel im verhandlungstermin in den blick genommen und ihn in das polizei-fach-handbuch eingeheftet. hierbei wurde deutlich, dass der vom kläger verwendete lernzettel etwas geringere ausmaße hat, als die seiten der loseblattsammlung. der zettel springt demnach gerade nicht ins auge. auch der umstand, dass der kläger diesen zettel mit einem blauen post-it versehen hat, stützt sein vorbringen nicht. denn die verwendung von post-its ist - wie festgestellt - grundsätzlich zulässig und stellt für sich gesehen keinen anlass für eine hilfsmittelkontrolle dar. der vortrag des klägers, es könne nicht auf einen täuschungsvorsatz geschlossen werden, weil der lernzettel doch als solcher ohne weiteres erkennbar und eben nicht „versteckt“ gewesen sei, trifft demnach so nicht zu. unabhängig davon, dass der kläger den anscheinsbeweis nicht entkräftet hat, steht auch zur überzeugung des einzelrichters fest, dass der kläger bewusst getäuscht hat. sein vorbringen ist verfahrensangepasst. der kläger hat dargetan, dass er von ihm angefertigte lernzettel grundsätzlich mit roten post-its versehen habe, damit er sie als solche erkennen und vor der klausur aus dem polizei-fach-handbuch entfernen kann. lediglich im streitfall habe er - vielleicht, weil ihm die roten post-its ausgegangen seien - einen blauen post-it verwendet. damit habe er aber auch zulässigerweise den anfang von gesetzestexten markiert. vor der klausur habe seine loseblattsammlung lediglich blaue post-its aufgewiesen. er habe daher keinen anlass gehabt, die sammlung noch einmal auf lernzettel zu durchsuchen. er sei davon ausgegangen, dass alle post-its lediglich den anfang von gesetzestexten hervorheben. dieses vorbringen überzeugt nicht. wenn der kläger im zuge der klausurvorbereitung farblich unterschiedliche post-its verwendet haben will, dann hätte es nahegelegen, die mit den post-its im handbuch versehenen stellen noch einmal auf das vorhandensein von lernzetteln zu überprüfen. aus welchem grunde der kläger dies nicht getan hat, ist nicht ersichtlich. überdies spricht für einen täuschungsvorsatz, dass der lernzettel etwas geringere ausmaße aufweist, als die verlagsseitig gedruckten blätter des polizei-fach-handbuchs. damit war der lernzettel - entgegen dem vorbringen des klägers - gleichsam in der loseblattsammlung „versteckt“. wenn der kläger nicht nur verschiedenfarbige post-its verwendet, sondern auch noch unzulässige hilfsmittel in das polizei-fach-handbuch im zuge der klausurvorbereitung eingeheftet hat, dann hätte es sich aufgedrängt, das handbuch vor der klausur mit einer besonderen sorgfalt noch einmal zu überprüfen. dies hat der kläger aber nicht getan. hinzu kommt, dass es sich bei der wiederholungsprüfung um den „letzten versuch“ gehandelt hat, so dass auch unter berücksichtigung dieses umstandes eine besondere sorgfalt angebracht gewesen wäre. unter berücksichtigung der vorgenannten umstände steht zur überzeugung des einzelrichters fest, dass es sich bei dem verhalten des klägers nicht lediglich um eine nachlässigkeit, sondern vielmehr um einen bewussten täuschungsversuch gehandelt hat. 24nicht nachvollziehbar ist schlussendlich der vortrag des klägers, bereits aufgrund der gestaltung des zettels sei davon auszugehen, dass es an dem erforderlichen täuschungsvorsatz mangele. denn der zettel sei kein spickzettel, sondern ein lernzettel. selbstredend können auch kurze textliche zusammenfassungen als spickzettel beziehungsweise unzulässiges hilfsmittel dienen. 251.3. nicht zu beanstanden ist, dass die hspv den täuschungsversuch des klägers nach § 20 abs. 1 satz 1 nr. 2 studo-ba teil a in der weise geahndet hat, dass die klausur mit „nicht ausreichend“ bewertet worden ist. diese sanktion ist weder ermessensfehlerhaft noch unverhältnismäßig. entsprechend dem hier nicht entkräfteten ersten anschein spricht das mitführen eines spickzettels während einer klausur dafür, dass dies zu täuschungszwecken geschieht. angesichts der auch von der hspv insoweit angeführten intensität der vom kläger vorgenommenen täuschungshandlung ist die vorgenannte sanktion nicht rechtsfehlerhaft. 262. die klage hat auch mit dem hilfsantrag keinen erfolg, weil der angegriffene bescheid der hspv vom 30. november 2021 aus den unter 1. dargestellten gründen rechtmäßig ist und dem kläger daher kein anspruch auf einräumung einer (weiteren) wiederholungsprüfung im modul gs 6 zusteht. 27die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 1 vwgo. der ausspruch über die vorläufige vollstreckbarkeit folgt aus § 167 vwgo, §§ 708 nr. 11, 709, 711 zpo. 28rechtsmittelbelehrung: 29gegen dieses urteil kann innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) schriftlich die zulassung der berufung beantragt werden. der antrag muss das angefochtene urteil bezeichnen. 30auf die ab dem 1. januar 2022 unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 31innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils sind die gründe darzulegen, aus denen die berufung zuzulassen ist. 32die berufung ist nur zuzulassen, 331. wenn ernstliche zweifel an der richtigkeit des urteils bestehen, 342. wenn die rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche schwierigkeiten aufweist, 353. wenn die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat, 364. wenn das urteil von einer entscheidung des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen, des bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen senats der obersten gerichtshöfe des bundes oder des bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser abweichung beruht oder 375. wenn ein der beurteilung des berufungsgerichts unterliegender verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die entscheidung beruhen kann. 38die begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem antrag vorgelegt worden ist, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen (aegidiikirchplatz 5, 48143 münster oder postfach 6309, 48033 münster) schriftlich einzureichen. 39über den antrag entscheidet das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen. 40im berufungs- und berufungszulassungsverfahren müssen sich die beteiligten durch prozessbevollmächtigte vertreten lassen. dies gilt auch für prozesshandlungen, durch die das verfahren eingeleitet wird. die beteiligten können sich durch einen rechtsanwalt oder einen rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten hochschule eines mitgliedstaates der europäischen union, eines anderen vertragsstaates des abkommens über den europäischen wirtschaftsraum oder der schweiz, der die befähigung zum richteramt besitzt, als bevollmächtigten vertreten lassen. auf die zusätzlichen vertretungsmöglichkeiten für behörden und juristische personen des öffentlichen rechts einschließlich der von ihnen zur erfüllung ihrer öffentlichen aufgaben gebildeten zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 abs. 4 satz 4 vwgo und § 5 nr. 6 des einführungsgesetzes zum rechtsdienstleistungsgesetz – rdgeg –). darüber hinaus sind die in § 67 abs. 2 satz 2 nr. 3 bis 7 vwgo bezeichneten personen und organisationen unter den dort genannten voraussetzungen als bevollmächtigte zugelassen. 41die antragsschrift und die zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst zweifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. 42beschluss: 43der streitwert wird auf 5.000,00 euro festgesetzt. 44gründe: 45die festsetzung des streitwertes ist nach § 52 abs. 2 gkg erfolgt. 46rechtsmittelbelehrung: 47gegen den streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur niederschrift des urkundsbeamten der geschäftsstelle bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) beschwerde eingelegt werden, über die das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen in münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der zivilprozessordnung gilt entsprechend. 48auf die ab dem 1. januar 2022 unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 49die beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs monaten eingelegt wird, nachdem die entscheidung in der hauptsache rechtskraft erlangt oder das verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der streitwert später als einen monat vor ablauf dieser frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines monats nach zustellung oder formloser mitteilung des festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 50die beschwerde ist nicht gegeben, wenn der wert des beschwerdegegenstandes 200,-- euro nicht übersteigt. 51die beschwerdeschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. 52war der beschwerdeführer ohne sein verschulden verhindert, die frist einzuhalten, ist ihm auf antrag von dem gericht, das über die beschwerde zu entscheiden hat, wiedereinsetzung in den vorigen stand zu gewähren, wenn er die beschwerde binnen zwei wochen nach der beseitigung des hindernisses einlegt und die tatsachen, welche die wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. nach ablauf eines 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346,507
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10 O 30/21
2022-08-12T00:00:00
Urteil
Tenor 1. Die Beklagte zu 2. wird verurteilt, an den Kläger 50.525,36 € nebst Zinsen hieraus in Hohe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.03.2022 zu bezahlen Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeuges des Modells N des Herstellers D mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) 00000. 2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 3. Die Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt der Kläger zu ¾ und die Beklagte zu 2. zu ¼. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1. trägt der Kläger. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2. tragen der Kläger und die Beklagte zu 2. jeweils zu ½. 4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % der zu vollstreckenden Forderung vorläufig vollsteckbar. 1Tatbestand: 2Der Kläger begehrt von den Beklagten Schadensersatz im Zusammenhang mit dem sog. „Diesel-Skandal“. 3Der Kläger kaufte am 11.07.2018 ein Wohnmobil der Marke D N für 59.000 € als Neufahrzeug. Basisfahrzeug ist ein G. Der Motor inklusive der Motorsteuerung und der Abgasreinigung wurde von der Beklagten zu 2. gefertigt und verbaut. 4Der Kläger hat nachträglich eine Aufbaubatterie im Wert von 420,- € einbauen lassen. 5Die Beklagte zu 1. ist aus einer Fusion der G und des Q Konzerns entstanden. Sie ist eine Holdinggesellschaft, die keine Fahrzeuge produziert, und 100 %iges Mutterunternehmen der Beklagten zu 2. 6Das streitgegenständliche Fahrzeug weist einen aktuellen Kilometerstand von 45 227 km auf. 7Der Kläger behauptet, im streitgegenständlichen Fahrzeug sei eine Abschalteinrichtung verbaut, die insbesondere dergestalt funktioniere, dass die Abgasreinigung nach 22 Minuten abgeschaltet werden, wobei der Testzyklus 21 Minute dauere (Bl. 23 ff., 250 ff., 470 ff. d.A.). 8Er meint, die Beklagte zu 1. sei die Hauptverantwortliche und müsse jedenfalls als Herstellerin gelten (im Einzelnen: Bl. 119 ff., 194 ff, d.A.). 9Der Kläger hat zunächst beantragt, festzustellen, dass die Beklagte [zu 1.] verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz zu leisten für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs des Modells N des Herstellers D mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) 00000 durch die Beklagte zu 1. resulieren. 10Mit Schriftsatz vom 15.10.2021, den Beklagten zugestellt am 21.10.2021, hat er die Klage gegen die Beklagte zu 2. erweitert und – neben dem nunmehr gestellten Hauptantrag – hilfsweise für den Fall, dass die Feststellungsanträge unzulässig sein sollte, beantragt: 112. Die Beklagtenparteien werden verurteilt, der Klägerpartei einen Betrag 12bezüglich des Fahrzeugs des Modells N des Herstellers D mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) 00000, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch mindestens € 14.750,00 betragen muss, zu bezahlen nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit. 133. Es wird festgestellt, dass die Beklagtenparteien verpflichtet sind, der Klägerpartei weiteren Schadensersatz, der über diesen Betrag hinausgeht, zu 14bezahlen für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs des Modells N des Herstellers D mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) 00000 durch die Beklagtenparteien resultieren. 154. Die Beklagtenparteien werden verurteilt, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von jeweils € 3.291,54 freizustellen. 16Er beantragt seit der mündlichen Verhandlung vom 04.03.2022 nunmehr: 17Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerpartei 18Schadensersatz zu bezahlen für Schäden, die daraus resultieren, dass die 19Beklagten in dem Fahrzeug des Modells N des Herstellers 20D mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) 00000 21a) unzulässige Abschalteinrichtungen wie z.B. 22- in Gestalt einer Funktion, welche durch Bestimmung der Außentemperatur 23die Parameter der Abgasrückführung so verändert, dass die Abgasrückführung nur innerhalb eines Temperaturrahmens zwischen 20°C und 30°C und nur auf dem Prüfstand optimal funktioniert, während unterhalb 20°C bis 5°C sowie außerhalb der NEFZ-Prüfsituation eine stufenweise Abrampung der Abgasrückführungsrate bis hin zur kompletten Reduktion auf Null erfolgt (sog. Thermofenster), 24- in Gestalt einer Abschaltlogik, welche die Abgasrückführungsrate nach 22 25Minuten nach dem Motorstart und dem Beginn des NEFZ-Modus auf Null 26reduziert, 27- in Gestalt einer Hysterese, welche alle 10 Sekunden nach dem Auftreten einer oder mehrerer der nachfolgenden Störgrößen sucht, sodass gegebenenfalls nach 15 Sekunden oder nach einer Häufigkeit von 5 Mal oder mehr die Abgasreinigung eingestellt wird, wobei es sich bei diesen Störgrößen um 28- einen Lenkwinkel größer als 30°, 29- eine Geschwindigkeit an der Hinterachse größer als 3,9 km/h, 30- eine Gaspedal-Stellung größer als 80,00049% handelt 31oder 32- in Gestalt eines weiteren Timers, welcher nach 4 Minuten nach Auftreten 33einer oder mehrerer der nachfolgenden Störgrößen die Abgasreinigung einstellt, wobei es sich bei diesen Störgrößen um 34- ein Drehmoment über 34 kW (höher als 300/340 Nm), 35- eine Geschwindigkeit, welche die für den NEFZ-Zyklus typische Geschwindigkeit überschreitet und auf ein Verlassen der Prüfsituation hindeutet, 36- einen Bremsvorgang, welcher öfter als 20 Mal erfolgt, handelt, 37- in Gestalt noch zusätzlicher Timer-Strategien, welche durch das Einbringen von Zeitpuffer sicherstellen sollen, dass die Abgasreinigung nicht vorschnell trotz andauernder Prüfsituation abgeschaltet wird, 38- in Gestalt eines AGR-Kennfeldes, welches sicherstellen soll, dass die Abgasreinigung im Straßenverkehr auch innerhalb des o.g. Thermofensters 39ausgeschaltet wird, 40verbaut haben, mit ihrer Billigung oder auf ihre Anweisung hin verbaut wurden und hierdurch die Emissionswerte auf dem Rollenprüfstand, welcher 41stets 1180 Sekunden dauert, innerhalb eines Temperaturrahmens zwischen 20°C und 30°C stattfindet, mit einer vorgeschriebenen Standzeit von 25% und einer Antriebsleistung von maximal 34 kW bzw. einer Geschwindigkeit bis maximal 120 km/h erfolgt, reduziert werden. 42b) ein On-Board-Diagnosesystem einsetzen, welches dahingehend 43programmiert war, die Erhöhung der Emissionswerte infolge der Abschaltung der Abgasrückführungsrate entgegen der bestehenden gesetzlichen Überwachungspflicht in Bezug auf die abgasbeeinflussenden Systeme nicht anzuzeigen. 44und hilfsweise für den Fall, dass der Feststellungsantrag unzulässig sein sollte: 452. Die Beklagten werden verurteilt, an die Klagepartei € 59.420,00 nebst Zinsen hieraus in Hohe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen, abzüglich einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Nutzungsentschädigung für die Nutzung des Fahrzeugs 46des Modells N des Herstellers D mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) 00000 Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des vorgenannten Fahrzeuges. 473. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klagepartei darüber hinaus Schadensersatz zu leisten für weitere Schaden, die der Klagepartei dadurch entstanden sind oder entstehen werden, dass in das in Klageantrag Ziff. 1 genannte Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut wurde. 484. Es wird feststellt, dass die Beklagten sich mit der Annahme des in Klageantrag Ziffer 1 genannten Fahrzeugs im Verzug befinden. 495. Die Beklagten werden verurteilt, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Hohe von € 3.291,54 freizustellen. 50Die Beklagten beantragen, 51die Klage abzuweisen. 52Sie behaupten, es gebe keine Abschaltung der Abgasrückführung (Bl. 411 d.A.). 53Sie meinen, den vermeintlichen Ansprüchen stünde die EG-Typgenehmigung des Fahrzeugs entgegen (im Einzelnen: Bl. 299 ff. d.A.). 54Sie berufen sich auf die Einrede der Verjährung, da der Kläger – so behaupten sie – im Erwerbszeitpunkt bereits gewusst habe, dass das streitgegenständliche Fahrzeug vom sog. Dieselskandal betroffen sein könnte. 55Entscheidungsgründe: 56Die Klage ist teilweise zulässig und begründet. 57I. Die Klage gegen die Beklagte zu 1. ist jedenfalls vollumfänglich unbegründet, da es an deren Passivlegitimation fehlt. 58Das Landgericht Frankfurt a.M. hat im Urteil vom 11.01.2022 (Az. 2-18 O 68/21 = BeckRS 2022, 14950 Rn. 28-31, beck-online) in einem ähnlich gelagerten Fall ausgeführt: 59„Es fehlt insoweit bereits an der Passivlegitimation. 60Dies folgt zunächst daraus, dass die Beklagte zu 2) weder das streitgegenständliche Fahrzeug noch den Motor konstruiert, hergestellt und/oder in den Verkehr gebracht hat. Die Beklagte zu 2) ist insbesondere nicht als „Herstellerin“ oder im weitesten Sinne als produzierende Gesellschaft des streitgegenständlichen (Basis-)Fahrzeuges bzw. des Motors, der nach den klägerischen Behauptungen mit unzulässigen Abschalteinrichtungen versehen sein soll, anzusehen (vgl. LG Freiburg, Urteil vom 27.08.2021 - 4 O 5/21). Vielmehr weist die EG-Übereinstimmungsbescheinigung die Beklagte zu 3) als Herstellerin des Basisfahrzeuges aus und ist damit Herstellerin im Sinne des Art. 3 Abs. 27 der Richtlinie 2007/46/EG. 61Der Umstand, dass sich die Beklagte zu 2) öffentlichkeitswirksam als Mutter- bzw. Dachgesellschaft verschiedener Automarken und in ihrer Eigendarstellung als Automobilhersteller ausgibt, rechtfertigt keine andere Beurteilung. „Hersteller“ sind nur die einzelnen in der EG-Übereinstimmungsbescheinigung aufgeführten Gesellschaften, nicht aber die hiervon zu unterscheidende Konzernmutter bzw. Holdinggesellschaft. Eine generelle Einstandspflicht von Konzernunternehmen für die Verbindlichkeiten anderer Konzernunternehmen (Konzernhaftung), ist dem deutschen Recht für den Regelfall fremd. Vielmehr haften nach dem so genannten Trennungsprinzip selbst im Vertragskonzern für die Verbindlichkeiten der einzelnen Konzernglieder grundsätzlich nur diese, nicht dagegen die anderen Konzernunternehmen einschließlich der Muttergesellschaft. Ein verallgemeinerungsfähiges Prinzip, wonach der Konzern generell als Rechtseinheit behandelt werden soll, besteht nicht (OLG Oldenburg, Urteil vom 16.10.2020 - 11 U 2/20, BeckRS 2020, 26911 - Rn. 59). 62Allein die Stellung als Organmitglied bei der Konzernmutter genügt auch nicht, um eine Involvierung in Entscheidungen der Konzerntöchter oder gar Kenntnis und Billigung von Handlungen innerhalb von Tochtergesellschaften anzunehmen bzw. zu vermuten. So ist insbesondere die Behauptung, die Beklagte zu 2) habe aufgrund ihrer Konzernleitungsmacht, welche sich in der 100 %igen Beteiligung an der Beklagten zu 3) manifestiere, die Anweisungen über die Entwicklung und den Einsatz von Manipulationssoftware erteilt und die Kontrolle über die Vorgänge behalten. Hinreichend konkreter Vortrag zur Beteiligung der Beklagten zu 2) an einer Entscheidung zum Einsatz einer unzulässigen Abschalteinrichtung, der nicht fernab konkreter Anhaltspunkte ins Blaue hineingehalten wurde, fehlt (ausführlich: OLG Frankfurt am Main, Hinweisbeschluss vom 30.08.2021, Az.: 2 U 109/21). Es ist insbesondere unzureichend, auf eine vermeintlich bestehende Logik abzustellen, wonach es nur die Muttergesellschaft sein könne, die über den Einsatz von Manipulationssoftware entscheide. Denn selbst wenn man der Eigendarstellung der Beklagten zu 2) entnehmen wollte, dass diese tatsächlich auch einzelne operative und strategische Entscheidungen treffe, besagt dies doch in der Tat noch überhaupt nichts zu den konkreten Entscheidungswegen in einem weltweit tätigen Automobilkonzern, der in unterschiedlichen Wirtschaftsräumen mit verschiedenen Marken in rechtlich eigenständigen Gesellschaften zugleich unterschiedliche (Abgas-)Normen zu beachten hat. Selbst bei Annahme einer gewissen personellen Kongruenz ist daher bereits nicht hinreichend dargetan oder ersichtlich, dass es sich bei der Beklagten zu 2) um einen operativ in das Geschäft der Konzerntöchter eingreifenden „Hersteller“ und nicht nur - wie von Beklagtenseite vorgetragen - um eine reine Holdinggesellschaft handelt.“ 63Dem schließt sich die Kammer nach eigener Prüfung auch für den hier zu entscheidenden Fall an. 64II. Der als Hauptantrag gestellt Feststellungsantrag – ebenso wie der hilfsweise gestellte Antrag zu 3. – ist unzulässig. 65Zum einen ist kein Feststellungsinteresse ersichtlich. Es ist nicht ersichtlich, welcher Schaden dem Kläger droht, den er nicht bereits jetzt geltend machen kann. 66Im Übrigen bestehen auch Bedenken an der Bestimmtheit des Klageantrags, da unklar ist, in welchem Verhältnis (und/oder) die einzelnen geltend gemachten Abschalteinrichtungen zueinander stehen sollen. 67III. Der Hilfsantrag zu 2. ist gegen die Beklagte zu 2. teilweise begründet. 681. Die Beklagte zu 2. hat dem Kläger in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich einen Schaden zugefügt. 69Der eingebaute Timer der Abgasreinigung stellt eine unzulässige Abschalteinrichtung dar. 70In Art. 3 Nr. 10 der Verordnung Nr. 715/2007 wird „Abschalteinrichtung“ definiert als „ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird“. 71Die Beklagte zu 2. hat – insbesondere bei Berücksichtigung der Ausführungen des EuGH im Urteil v. 14.7.2022 (Az. C-128/20, Tz. 24 ff. = BeckRS 2022, 16622 Rn. 24, beck-online) – eine Einrichtung in das Fahrzeug eingebaut, die die Abgasreinigung für den Prüfzyklus verändert. Die Beklagte zu 2. ist dem substantiierten Vortrag des Klägers, dass die Abgasreinigung nach 22 Minuten abgeschaltet wird, nicht hinreichend entgegengetreten. Im normalen Fahrzeugbetrieb ist sodann üblicherweise nicht zu erwarten, dass das Fahrzeug immer weniger als 22 Minuten läuft, sodass die Abgasreinigung im Prüfzyklus – dauerhafte Abgasreinigung – zu der im normalen Fahrbetrieb – Abgasreinigung nur in den ersten 22 Fahrzeugbetriebsminuten – verändert wurde. 72Diesbezüglich liegt auch eine sittenwidrige Schädigung vor. 73Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteile vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, WM 2021, 1609 Rn. 11; vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, ZIP 2020, 1715 Rn. 29; vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 15; vom 12. März 2020 -VII ZR 236/19, VersR 2020, 1120 Rn. 24; jeweils m.w.N.). Schon zur Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, Urteile vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, WM 2021, 1609 Rn. 11; vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, ZIP 2020, 1715 Rn.29; vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 15). Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (BGH, Beschlüsse vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, VersR 2021, 661 Rn. 12 und vom 19.Januar 2021- VI ZR 433/19, ZIP 2021, 297 Rn. 14; Urteile vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, ZIP 2020,1715 Rn. 29 und vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 15). 74Ein Automobilhersteller handelt gegenüber dem Fahrzeugkäufer sittenwidrig, wenn er entsprechend seiner grundlegenden strategischen Entscheidung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse unter bewusster Ausnutzung der Arglosigkeit der Erwerber, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und die ordnungsgemäße Durchführung des Typgenehmigungsverfahrens als selbstverständlich voraussetzen, Fahrzeuge mit einer Motorsteuerung in Verkehr bringt, deren Software bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten werden, und damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abzielt. Ein solches Verhalten steht einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Fahrzeugerwerber in der Bewertung gleich (vgl. BGH, Urteile vom 25. November 2021 - VI ZR 257/20, juris Rn. 20; vom 16. September 2021 - VII ZR 192/20, juris Rn. 21; vom 8. März 2021 - VI ZR 505/19, juris Rn. 19 und vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, juris Rn. 16 ff.). 75Bereits die objektive Sittenwidrigkeit des Herstellens und des Inverkehrbringens von Kraftfahrzeugen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Verhältnis zum Fahrzeugerwerber setzt deshalb voraus, dass dies in Kenntnis der Abschalteinrichtung und im Bewusstsein ihrer - billigend in Kauf genommenen - Unrechtmäßigkeit geschieht (vgl. BGH, Urteile vom 25. November 2021 - VII ZR 257/20, juris Rn. 21 und vom 16. September 2021 - VII ZR 192/20, juris Rn. 22; Beschlüsse vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, juris Rn. 28 und vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19, juris Rn. 19). 76Bei einer Abschalteinrichtung, die im Grundsatz auf dem Prüfstand in gleicher Weise arbeitet wie im realen Fahrbetrieb und bei der die Frage der Zulässigkeit nicht eindeutig und unzweifelhaft beantwortet werden kann, kann bei Fehlen sonstiger Anhaltspunkte nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass die für den Motorhersteller handelnden Personen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen, so dass es bereits an der objektiven Sittenwidrigkeit fehlt (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, juris Rn. 28; Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 190/20, juris Rn. 16). 77(zum Ganzen: OLG Koblenz, Beschluss vom 16.06.2022 – 16 U 131/22 = BeckRS 2022, 14792 Rn. 16-19, beck-online) 78Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist von einer sittenwidrigen Schädigung auszugehen. Zwar mag in den Fällen des sog. Thermofensters davon auszugehen sein, dass die KFZ-Hersteller nicht von der Unzulässigkeit wussten, womit der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit entfiele. Vorliegend ist die Sachlage aber anders: Es liegt auf der Hand, dass eine Aktivierung der Abgasreinigung nur für die Dauer des Prüfzyklus nicht zulässig ist, weshalb davon auszugehen ist, dass auch die zuständigen Mitarbeiter der Beklagten zu 2. dies zumindest billigend in Kauf genommen haben. 79Dem steht auch nicht die Typengenehmigung der italienischen Zulassungsbehörde entgegen. Denn es entfällt die Tatbestandswirkung einer Typengenehmigung jedenfalls dann, wenn diese arglistig oder jedenfalls mit falschen oder unrichtigen Angaben erwirkt worden ist (vgl. LG Dortmund Urt. v. 3.5.2022 – 3 O 542/20, BeckRS 2022, 16389 Rn. 29, beck-online). Die Beklagte hat vorliegend schon nicht vorgetragen, dass sie die italienische Zulassungsbehörde von der Funktionsweise der Timerfunktion unterrichtet habe und diese auch deshalb die Typengenehmigung erteilt habe. 802. Die Beklagte zu 2. hat dem Kläger nach § 826 i.V.m. den §§ 249 f. BGB den entstandenen Schaden zu ersetzen. 81Der hier relevante Schaden besteht im Kaufvertragsabschluss (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 44 ff. d.A.). 82Die – im Wege des Vorteilsausgleichs anzurechnenden (vgl. Az. VI ZR 252/19 = NJW 2020, 1962, Rn. 64 ff.) – Gebrauchsvorteile des Klägers sind mit 8.894,64 € anzusetzen und in Abzug zu bringen. Dabei hat das Gericht den unstreitigen aktuellen Kilometerstand von 45 227 km abzüglich der bei Kauf bereits vorhandenen Laufleistung von 0 km, also vom Kläger selbst zurückgelegter 45 227 km zugrunde gelegt. 83Das Gericht hat die zu erwartende Gesamtlaufleistung gemäß § 287 ZPO auf 300.000 km geschätzt, sodass die bei Kauf noch verbleibende Restlaufzeit unter Abzug der zurückgelegten Laufleistung von 0 km noch 300 000 km betrug. Denn nach Einschätzung des Gerichts kann eine Gesamtlaufleistung von 300.000 km bei einem als langlebig geltenden Dieselfahrzeug in einem Wohnmobil typischerweise erwartet werden. 84Der Anspruch auf Nutzungsentschädigung bei gebrauchten Kraftfahrzeugen berechnet sich nach zutreffender Rechtsauffassung noch folgender Methode (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 10. Aufl., Rz. 1753 ff.): 85Gebrauchsvorteil = Bruttokaufpreis x gefahrene Kilometer Voraussichtl. Restlaufleistung 86In dieser Berechnung kommt zum Ausdruck, dass die Parteien mit dem von ihnen vereinbarten Kaufpreis in der Regel den noch verbleibenden Nutzungswert des Gebrauchtwagens abbilden, welcher sich in der Restlaufzeit des Fahrzeuges bei guter, durchschnittlicher Behandlung ausdrückt. Die in der gleichmäßigen Aufteilung auf die gefahrenen Kilometer sich ergebende lineare Wertschwundberechnung entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Reinking/Eggert, a.a.O., Rz. 643 ff.). Soweit in der Praxis generalisierende Faustformel verwendet werden, wonach die Nutzungsentschädigung für Pkw gemäß § 287 ZPO nach der Gesamtlaufleistung für je 1000 km auf 0,3 % bis 1 % des Anschaffungspreises zu schätzen ist (vgl. Palandt-Grüneberg § 346 RZ. 10 mwN), liegt dem eine fixe Gesamtfahrleistung – je nach anzusetzendem Prozentsatz zwischen 100.000 km und 333.333 km zugrunde. Der höchste Wert entspricht annähernd der vom Gericht zugrunde gelegten Gesamtlaufleistung. 87Vorliegend ist als Kaufpreis 59.000,- € zugrunde zu legen. 88Nach der allgemein anerkannten Formel der linearen Wertschwundberechnung (Gebrauchsvorteil = Bruttokaufpreis x gefahrene Kilometer : voraussichtliche Gesamtlaufleistung) - ergibt sich im konkreten Fall ein Betrag von 8.894,64 € (59.000,- € x 45 227 km : 300 000 km). 89Nach Abzug einer Nutzungsvergütung von 8.894,64 € vom Schadensbetrag von 59.420,- € (Kaufpreis zzgl. Aufwendungen) verbleibt ein tatsächlich zurück zu zahlender Betrag von 50.525,36 €. 903. Die Forderung ist auch durchsetzbar und nicht verjährt. 91Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger bereits beim Kaufvertragsschluss Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen hatte. 924. Zinsen stehen dem Kläger gemäß §§ 286, 288 Abs. 1 BGB in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach Rechtshängigkeit des Zahlungsantrags zu, dem 04.03.2022. 93IV. Der Antrag zu 4. ist unbegründet. 94Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass er der Beklagten zu 2. das streitgegenständliche KFZ annahmeverzugsbegründend angeboten hat, insbesondere unter Anrechnung der korrekten Nutzungsentschädigung (vgl. BGH, Urteil vom 25.5.2020 – VI ZR 252/19 = NJW 2020, 1962 Rn. 85, beck-online). 95V. Der Antrag zu 5. ist unbegründet. 96Der Kläger hat schon kein anwaltliches Tätigwerden vorgetragen. 97VI. Die Kostenfolge ergibt sich aus §§ 92 Abs. 1, 100 ZPO die Vollstreckbarkeitsentscheidung aus § 709 ZPO. 98Der Streitwert wird auf 59.420,00 EUR festgesetzt.
1. die beklagte zu 2. wird verurteilt, an den kläger 50.525,36 € nebst zinsen hieraus in hohe von 5%-punkten über dem jeweiligen basiszinssatz seit dem 05.03.2022 zu bezahlen zug-um-zug gegen rückgabe und rückübereignung des fahrzeuges des modells n des herstellers d mit der fahrzeugidentifikationsnummer (fin) 00000. 2. im übrigen wird die klage abgewiesen. 3. die gerichtskosten und außergerichtlichen kosten des klägers trägt der kläger zu ¾ und die beklagte zu 2. zu ¼. die außergerichtlichen kosten der beklagten zu 1. trägt der kläger. die außergerichtlichen kosten der beklagten zu 2. tragen der kläger und die beklagte zu 2. jeweils zu ½. 4. das urteil ist gegen sicherheitsleistung in höhe von 120 % der zu vollstreckenden forderung vorläufig vollsteckbar. 1
2der kläger begehrt von den beklagten schadensersatz im zusammenhang mit dem sog. „diesel-skandal“. 3der kläger kaufte am 11.07.2018 ein wohnmobil der marke d n für 59.000 € als neufahrzeug. basisfahrzeug ist ein g. der motor inklusive der motorsteuerung und der abgasreinigung wurde von der beklagten zu 2. gefertigt und verbaut. 4der kläger hat nachträglich eine aufbaubatterie im wert von 420,- € einbauen lassen. 5die beklagte zu 1. ist aus einer fusion der g und des q konzerns entstanden. sie ist eine holdinggesellschaft, die keine fahrzeuge produziert, und 100 %iges mutterunternehmen der beklagten zu 2. 6das streitgegenständliche fahrzeug weist einen aktuellen kilometerstand von 45 227 km auf. 7der kläger behauptet, im streitgegenständlichen fahrzeug sei eine abschalteinrichtung verbaut, die insbesondere dergestalt funktioniere, dass die abgasreinigung nach 22 minuten abgeschaltet werden, wobei der testzyklus 21 minute dauere (bl. 23 ff., 250 ff., 470 ff. d.a.). 8er meint, die beklagte zu 1. sei die hauptverantwortliche und müsse jedenfalls als herstellerin gelten (im einzelnen: bl. 119 ff., 194 ff, d.a.). 9der kläger hat zunächst beantragt, festzustellen, dass die beklagte [zu 1.] verpflichtet ist, dem kläger schadensersatz zu leisten für schäden, die aus der manipulation des fahrzeugs des modells n des herstellers d mit der fahrzeugidentifikationsnummer (fin) 00000 durch die beklagte zu 1. resulieren. 10mit schriftsatz vom 15.10.2021, den beklagten zugestellt am 21.10.2021, hat er die klage gegen die beklagte zu 2. erweitert und – neben dem nunmehr gestellten hauptantrag – hilfsweise für den fall, dass die feststellungsanträge unzulässig sein sollte, beantragt: 112. die beklagtenparteien werden verurteilt, der klägerpartei einen betrag 12bezüglich des fahrzeugs des modells n des herstellers d mit der fahrzeugidentifikationsnummer (fin) 00000, dessen höhe in das ermessen des gerichts gestellt wird, jedoch mindestens € 14.750,00 betragen muss, zu bezahlen nebst zinsen in höhe von 5%-punkten über dem basiszinssatz seit rechtshängigkeit. 133. es wird festgestellt, dass die beklagtenparteien verpflichtet sind, der klägerpartei weiteren schadensersatz, der über diesen betrag hinausgeht, zu 14bezahlen für schäden, die aus der manipulation des fahrzeugs des modells n des herstellers d mit der fahrzeugidentifikationsnummer (fin) 00000 durch die beklagtenparteien resultieren. 154. die beklagtenparteien werden verurteilt, die klagepartei von den durch die beauftragung der prozessbevollmächtigten der klagepartei entstandenen vorgerichtliche rechtsanwaltskosten in höhe von jeweils € 3.291,54 freizustellen. 16er beantragt seit der mündlichen verhandlung vom 04.03.2022 nunmehr: 17es wird festgestellt, dass die beklagten verpflichtet sind, der klägerpartei 18schadensersatz zu bezahlen für schäden, die daraus resultieren, dass die 19beklagten in dem fahrzeug des modells n des herstellers 20d mit der fahrzeugidentifikationsnummer (fin) 00000 21a) unzulässige abschalteinrichtungen wie z.b. 22- in gestalt einer funktion, welche durch bestimmung der außentemperatur 23die parameter der abgasrückführung so verändert, dass die abgasrückführung nur innerhalb eines temperaturrahmens zwischen 20°c und 30°c und nur auf dem prüfstand optimal funktioniert, während unterhalb 20°c bis 5°c sowie außerhalb der nefz-prüfsituation eine stufenweise abrampung der abgasrückführungsrate bis hin zur kompletten reduktion auf null erfolgt (sog. thermofenster), 24- in gestalt einer abschaltlogik, welche die abgasrückführungsrate nach 22 25minuten nach dem motorstart und dem beginn des nefz-modus auf null 26reduziert, 27- in gestalt einer hysterese, welche alle 10 sekunden nach dem auftreten einer oder mehrerer der nachfolgenden störgrößen sucht, sodass gegebenenfalls nach 15 sekunden oder nach einer häufigkeit von 5 mal oder mehr die abgasreinigung eingestellt wird, wobei es sich bei diesen störgrößen um 28- einen lenkwinkel größer als 30°, 29- eine geschwindigkeit an der hinterachse größer als 3,9 km/h, 30- eine gaspedal-stellung größer als 80,00049% handelt 31oder 32- in gestalt eines weiteren timers, welcher nach 4 minuten nach auftreten 33einer oder mehrerer der nachfolgenden störgrößen die abgasreinigung einstellt, wobei es sich bei diesen störgrößen um 34- ein drehmoment über 34 kw (höher als 300/340 nm), 35- eine geschwindigkeit, welche die für den nefz-zyklus typische geschwindigkeit überschreitet und auf ein verlassen der prüfsituation hindeutet, 36- einen bremsvorgang, welcher öfter als 20 mal erfolgt, handelt, 37- in gestalt noch zusätzlicher timer-strategien, welche durch das einbringen von zeitpuffer sicherstellen sollen, dass die abgasreinigung nicht vorschnell trotz andauernder prüfsituation abgeschaltet wird, 38- in gestalt eines agr-kennfeldes, welches sicherstellen soll, dass die abgasreinigung im straßenverkehr auch innerhalb des o.g. thermofensters 39ausgeschaltet wird, 40verbaut haben, mit ihrer billigung oder auf ihre anweisung hin verbaut wurden und hierdurch die emissionswerte auf dem rollenprüfstand, welcher 41stets 1180 sekunden dauert, innerhalb eines temperaturrahmens zwischen 20°c und 30°c stattfindet, mit einer vorgeschriebenen standzeit von 25% und einer antriebsleistung von maximal 34 kw bzw. einer geschwindigkeit bis maximal 120 km/h erfolgt, reduziert werden. 42b) ein on-board-diagnosesystem einsetzen, welches dahingehend 43programmiert war, die erhöhung der emissionswerte infolge der abschaltung der abgasrückführungsrate entgegen der bestehenden gesetzlichen überwachungspflicht in bezug auf die abgasbeeinflussenden systeme nicht anzuzeigen. 44und hilfsweise für den fall, dass der feststellungsantrag unzulässig sein sollte: 452. die beklagten werden verurteilt, an die klagepartei € 59.420,00 nebst zinsen hieraus in hohe von 5%-punkten über dem jeweiligen basiszinssatz seit rechtshängigkeit zu bezahlen, abzüglich einer in das ermessen des gerichts gestellten nutzungsentschädigung für die nutzung des fahrzeugs 46des modells n des herstellers d mit der fahrzeugidentifikationsnummer (fin) 00000 zug-um-zug gegen rückgabe und rückübereignung des vorgenannten fahrzeuges. 473. es wird festgestellt, dass die beklagten verpflichtet sind, der klagepartei darüber hinaus schadensersatz zu leisten für weitere schaden, die der klagepartei dadurch entstanden sind oder entstehen werden, dass in das in klageantrag ziff. 1 genannte fahrzeug eine unzulässige abschalteinrichtung eingebaut wurde. 484. es wird feststellt, dass die beklagten sich mit der annahme des in klageantrag ziffer 1 genannten fahrzeugs im verzug befinden. 495. die beklagten werden verurteilt, die klagepartei von den durch die beauftragung der prozessbevollmächtigten der klagepartei entstandenen vorgerichtlichen rechtsanwaltskosten in hohe von € 3.291,54 freizustellen. 50die beklagten beantragen, 51die klage abzuweisen. 52sie behaupten, es gebe keine abschaltung der abgasrückführung (bl. 411 d.a.). 53sie meinen, den vermeintlichen ansprüchen stünde die eg-typgenehmigung des fahrzeugs entgegen (im einzelnen: bl. 299 ff. d.a.). 54sie berufen sich auf die einrede der verjährung, da der kläger – so behaupten sie – im erwerbszeitpunkt bereits gewusst habe, dass das streitgegenständliche fahrzeug vom sog. dieselskandal betroffen sein könnte. 55
56die klage ist teilweise zulässig und begründet. 57i. die klage gegen die beklagte zu 1. ist jedenfalls vollumfänglich unbegründet, da es an deren passivlegitimation fehlt. 58das landgericht frankfurt a.m. hat im urteil vom 11.01.2022 (az. 2-18 o 68/21 = beckrs 2022, 14950 rn. 28-31, beck-online) in einem ähnlich gelagerten fall ausgeführt: 59„es fehlt insoweit bereits an der passivlegitimation. 60dies folgt zunächst daraus, dass die beklagte zu 2) weder das streitgegenständliche fahrzeug noch den motor konstruiert, hergestellt und/oder in den verkehr gebracht hat. die beklagte zu 2) ist insbesondere nicht als „herstellerin“ oder im weitesten sinne als produzierende gesellschaft des streitgegenständlichen (basis-)fahrzeuges bzw. des motors, der nach den klägerischen behauptungen mit unzulässigen abschalteinrichtungen versehen sein soll, anzusehen (vgl. lg freiburg, urteil vom 27.08.2021 - 4 o 5/21). vielmehr weist die eg-übereinstimmungsbescheinigung die beklagte zu 3) als herstellerin des basisfahrzeuges aus und ist damit herstellerin im sinne des art. 3 abs. 27 der richtlinie 2007/46/eg. 61der umstand, dass sich die beklagte zu 2) öffentlichkeitswirksam als mutter- bzw. dachgesellschaft verschiedener automarken und in ihrer eigendarstellung als automobilhersteller ausgibt, rechtfertigt keine andere beurteilung. „hersteller“ sind nur die einzelnen in der eg-übereinstimmungsbescheinigung aufgeführten gesellschaften, nicht aber die hiervon zu unterscheidende konzernmutter bzw. holdinggesellschaft. eine generelle einstandspflicht von konzernunternehmen für die verbindlichkeiten anderer konzernunternehmen (konzernhaftung), ist dem deutschen recht für den regelfall fremd. vielmehr haften nach dem so genannten trennungsprinzip selbst im vertragskonzern für die verbindlichkeiten der einzelnen konzernglieder grundsätzlich nur diese, nicht dagegen die anderen konzernunternehmen einschließlich der muttergesellschaft. ein verallgemeinerungsfähiges prinzip, wonach der konzern generell als rechtseinheit behandelt werden soll, besteht nicht (olg oldenburg, urteil vom 16.10.2020 - 11 u 2/20, beckrs 2020, 26911 - rn. 59). 62allein die stellung als organmitglied bei der konzernmutter genügt auch nicht, um eine involvierung in entscheidungen der konzerntöchter oder gar kenntnis und billigung von handlungen innerhalb von tochtergesellschaften anzunehmen bzw. zu vermuten. so ist insbesondere die behauptung, die beklagte zu 2) habe aufgrund ihrer konzernleitungsmacht, welche sich in der 100 %igen beteiligung an der beklagten zu 3) manifestiere, die anweisungen über die entwicklung und den einsatz von manipulationssoftware erteilt und die kontrolle über die vorgänge behalten. hinreichend konkreter vortrag zur beteiligung der beklagten zu 2) an einer entscheidung zum einsatz einer unzulässigen abschalteinrichtung, der nicht fernab konkreter anhaltspunkte ins blaue hineingehalten wurde, fehlt (ausführlich: olg frankfurt am main, hinweisbeschluss vom 30.08.2021, az.: 2 u 109/21). es ist insbesondere unzureichend, auf eine vermeintlich bestehende logik abzustellen, wonach es nur die muttergesellschaft sein könne, die über den einsatz von manipulationssoftware entscheide. denn selbst wenn man der eigendarstellung der beklagten zu 2) entnehmen wollte, dass diese tatsächlich auch einzelne operative und strategische entscheidungen treffe, besagt dies doch in der tat noch überhaupt nichts zu den konkreten entscheidungswegen in einem weltweit tätigen automobilkonzern, der in unterschiedlichen wirtschaftsräumen mit verschiedenen marken in rechtlich eigenständigen gesellschaften zugleich unterschiedliche (abgas-)normen zu beachten hat. selbst bei annahme einer gewissen personellen kongruenz ist daher bereits nicht hinreichend dargetan oder ersichtlich, dass es sich bei der beklagten zu 2) um einen operativ in das geschäft der konzerntöchter eingreifenden „hersteller“ und nicht nur - wie von beklagtenseite vorgetragen - um eine reine holdinggesellschaft handelt.“ 63dem schließt sich die kammer nach eigener prüfung auch für den hier zu entscheidenden fall an. 64ii. der als hauptantrag gestellt feststellungsantrag – ebenso wie der hilfsweise gestellte antrag zu 3. – ist unzulässig. 65zum einen ist kein feststellungsinteresse ersichtlich. es ist nicht ersichtlich, welcher schaden dem kläger droht, den er nicht bereits jetzt geltend machen kann. 66im übrigen bestehen auch bedenken an der bestimmtheit des klageantrags, da unklar ist, in welchem verhältnis (und/oder) die einzelnen geltend gemachten abschalteinrichtungen zueinander stehen sollen. 67iii. der hilfsantrag zu 2. ist gegen die beklagte zu 2. teilweise begründet. 681. die beklagte zu 2. hat dem kläger in einer gegen die guten sitten verstoßenden weise vorsätzlich einen schaden zugefügt. 69der eingebaute timer der abgasreinigung stellt eine unzulässige abschalteinrichtung dar. 70in art. 3 nr. 10 der verordnung nr. 715/2007 wird „abschalteinrichtung“ definiert als „ein konstruktionsteil, das die temperatur, die fahrzeuggeschwindigkeit, die motordrehzahl (upm), den eingelegten getriebegang, den unterdruck im einlasskrümmer oder sonstige parameter ermittelt, um die funktion eines beliebigen teils des emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die wirksamkeit des emissionskontrollsystems unter bedingungen, die bei normalem fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird“. 71die beklagte zu 2. hat – insbesondere bei berücksichtigung der ausführungen des eugh im urteil v. 14.7.2022 (az. c-128/20, tz. 24 ff. = beckrs 2022, 16622 rn. 24, beck-online) – eine einrichtung in das fahrzeug eingebaut, die die abgasreinigung für den prüfzyklus verändert. die beklagte zu 2. ist dem substantiierten vortrag des klägers, dass die abgasreinigung nach 22 minuten abgeschaltet wird, nicht hinreichend entgegengetreten. im normalen fahrzeugbetrieb ist sodann üblicherweise nicht zu erwarten, dass das fahrzeug immer weniger als 22 minuten läuft, sodass die abgasreinigung im prüfzyklus – dauerhafte abgasreinigung – zu der im normalen fahrbetrieb – abgasreinigung nur in den ersten 22 fahrzeugbetriebsminuten – verändert wurde. 72diesbezüglich liegt auch eine sittenwidrige schädigung vor. 73sittenwidrig ist ein verhalten, das nach seinem gesamtcharakter, der durch umfassende würdigung von inhalt, beweggrund und zweck zu ermitteln ist, gegen das anstandsgefühl aller billig und gerecht denkenden verstößt. dafür genügt es im allgemeinen nicht, dass der handelnde eine pflicht verletzt und einen vermögensschaden hervorruft. vielmehr muss eine besondere verwerflichkeit seines verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten ziel, den eingesetzten mitteln, der zutage getretenen gesinnung oder den eingetretenen folgen ergeben kann (st. rspr., vgl. nur bgh, urteile vom 13. juli 2021 - vi zr 128/20, wm 2021, 1609 rn. 11; vom 30. juli 2020 - vi zr 5/20, zip 2020, 1715 rn. 29; vom 25. mai 2020 - vi zr 252/19, bghz 225, 316 rn. 15; vom 12. märz 2020 -vii zr 236/19, versr 2020, 1120 rn. 24; jeweils m.w.n.). schon zur feststellung der objektiven sittenwidrigkeit kann es daher auf kenntnisse, absichten und beweggründe des handelnden ankommen, die die bewertung seines verhaltens als verwerflich rechtfertigen. die verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten täuschung ergeben (bgh, urteile vom 13. juli 2021 - vi zr 128/20, wm 2021, 1609 rn. 11; vom 30. juli 2020 - vi zr 5/20, zip 2020, 1715 rn.29; vom 25. mai 2020 - vi zr 252/19, bghz 225, 316 rn. 15). insbesondere bei mittelbaren schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den schädiger das unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in bezug auf die schäden desjenigen trifft, der ansprüche aus § 826 bgb geltend macht (bgh, beschlüsse vom 9. märz 2021 - vi zr 889/20, versr 2021, 661 rn. 12 und vom 19.januar 2021- vi zr 433/19, zip 2021, 297 rn. 14; urteile vom 30. juli 2020 - vi zr 5/20, zip 2020,1715 rn. 29 und vom 25. mai 2020 - vi zr 252/19, bghz 225, 316 rn. 15). 74ein automobilhersteller handelt gegenüber dem fahrzeugkäufer sittenwidrig, wenn er entsprechend seiner grundlegenden strategischen entscheidung im eigenen kosten- und gewinninteresse unter bewusster ausnutzung der arglosigkeit der erwerber, die die einhaltung der gesetzlichen vorgaben und die ordnungsgemäße durchführung des typgenehmigungsverfahrens als selbstverständlich voraussetzen, fahrzeuge mit einer motorsteuerung in verkehr bringt, deren software bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen abgasgrenzwerte nur auf dem prüfstand beachtet, im normalen fahrbetrieb hingegen überschritten werden, und damit unmittelbar auf die arglistige täuschung der typgenehmigungsbehörde abzielt. ein solches verhalten steht einer unmittelbaren arglistigen täuschung der fahrzeugerwerber in der bewertung gleich (vgl. bgh, urteile vom 25. november 2021 - vi zr 257/20, juris rn. 20; vom 16. september 2021 - vii zr 192/20, juris rn. 21; vom 8. märz 2021 - vi zr 505/19, juris rn. 19 und vom 25. mai 2020 - vi zr 252/19, juris rn. 16 ff.). 75bereits die objektive sittenwidrigkeit des herstellens und des inverkehrbringens von kraftfahrzeugen mit einer unzulässigen abschalteinrichtung im verhältnis zum fahrzeugerwerber setzt deshalb voraus, dass dies in kenntnis der abschalteinrichtung und im bewusstsein ihrer - billigend in kauf genommenen - unrechtmäßigkeit geschieht (vgl. bgh, urteile vom 25. november 2021 - vii zr 257/20, juris rn. 21 und vom 16. september 2021 - vii zr 192/20, juris rn. 22; beschlüsse vom 9. märz 2021 - vi zr 889/20, juris rn. 28 und vom 19. januar 2021 - vi zr 433/19, juris rn. 19). 76bei einer abschalteinrichtung, die im grundsatz auf dem prüfstand in gleicher weise arbeitet wie im realen fahrbetrieb und bei der die frage der zulässigkeit nicht eindeutig und unzweifelhaft beantwortet werden kann, kann bei fehlen sonstiger anhaltspunkte nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass die für den motorhersteller handelnden personen in dem bewusstsein handelten, eine unzulässige abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden gesetzesverstoß billigend in kauf nahmen, so dass es bereits an der objektiven sittenwidrigkeit fehlt (vgl. bgh, beschluss vom 9. märz 2021 - vi zr 889/20, juris rn. 28; urteil vom 16. september 2021 - vii zr 190/20, juris rn. 16). 77(zum ganzen: olg koblenz, beschluss vom 16.06.2022 – 16 u 131/22 = beckrs 2022, 14792 rn. 16-19, beck-online) 78unter berücksichtigung dieser grundsätze ist von einer sittenwidrigen schädigung auszugehen. zwar mag in den fällen des sog. thermofensters davon auszugehen sein, dass die kfz-hersteller nicht von der unzulässigkeit wussten, womit der objektive tatbestand der sittenwidrigkeit entfiele. vorliegend ist die sachlage aber anders: es liegt auf der hand, dass eine aktivierung der abgasreinigung nur für die dauer des prüfzyklus nicht zulässig ist, weshalb davon auszugehen ist, dass auch die zuständigen mitarbeiter der beklagten zu 2. dies zumindest billigend in kauf genommen haben. 79dem steht auch nicht die typengenehmigung der italienischen zulassungsbehörde entgegen. denn es entfällt die tatbestandswirkung einer typengenehmigung jedenfalls dann, wenn diese arglistig oder jedenfalls mit falschen oder unrichtigen angaben erwirkt worden ist (vgl. lg dortmund urt. v. 3.5.2022 – 3 o 542/20, beckrs 2022, 16389 rn. 29, beck-online). die beklagte hat vorliegend schon nicht vorgetragen, dass sie die italienische zulassungsbehörde von der funktionsweise der timerfunktion unterrichtet habe und diese auch deshalb die typengenehmigung erteilt habe. 802. die beklagte zu 2. hat dem kläger nach § 826 i.v.m. den §§ 249 f. bgb den entstandenen schaden zu ersetzen. 81der hier relevante schaden besteht im kaufvertragsabschluss (vgl. bgh, a.a.o., rn. 44 ff. d.a.). 82die – im wege des vorteilsausgleichs anzurechnenden (vgl. az. vi zr 252/19 = njw 2020, 1962, rn. 64 ff.) – gebrauchsvorteile des klägers sind mit 8.894,64 € anzusetzen und in abzug zu bringen. dabei hat das gericht den unstreitigen aktuellen kilometerstand von 45 227 km abzüglich der bei kauf bereits vorhandenen laufleistung von 0 km, also vom kläger selbst zurückgelegter 45 227 km zugrunde gelegt. 83das gericht hat die zu erwartende gesamtlaufleistung gemäß § 287 zpo auf 300.000 km geschätzt, sodass die bei kauf noch verbleibende restlaufzeit unter abzug der zurückgelegten laufleistung von 0 km noch 300 000 km betrug. denn nach einschätzung des gerichts kann eine gesamtlaufleistung von 300.000 km bei einem als langlebig geltenden dieselfahrzeug in einem wohnmobil typischerweise erwartet werden. 84der anspruch auf nutzungsentschädigung bei gebrauchten kraftfahrzeugen berechnet sich nach zutreffender rechtsauffassung noch folgender methode (vgl. reinking/eggert, der autokauf, 10. aufl., rz. 1753 ff.): 85gebrauchsvorteil = bruttokaufpreis x gefahrene kilometer voraussichtl. restlaufleistung 86in dieser berechnung kommt zum ausdruck, dass die parteien mit dem von ihnen vereinbarten kaufpreis in der regel den noch verbleibenden nutzungswert des gebrauchtwagens abbilden, welcher sich in der restlaufzeit des fahrzeuges bei guter, durchschnittlicher behandlung ausdrückt. die in der gleichmäßigen aufteilung auf die gefahrenen kilometer sich ergebende lineare wertschwundberechnung entspricht der rechtsprechung des bundesgerichtshofs (reinking/eggert, a.a.o., rz. 643 ff.). soweit in der praxis generalisierende faustformel verwendet werden, wonach die nutzungsentschädigung für pkw gemäß § 287 zpo nach der gesamtlaufleistung für je 1000 km auf 0,3 % bis 1 % des anschaffungspreises zu schätzen ist (vgl. palandt-grüneberg § 346 rz. 10 mwn), liegt dem eine fixe gesamtfahrleistung – je nach anzusetzendem prozentsatz zwischen 100.000 km und 333.333 km zugrunde. der höchste wert entspricht annähernd der vom gericht zugrunde gelegten gesamtlaufleistung. 87vorliegend ist als kaufpreis 59.000,- € zugrunde zu legen. 88nach der allgemein anerkannten formel der linearen wertschwundberechnung (gebrauchsvorteil = bruttokaufpreis x gefahrene kilometer : voraussichtliche gesamtlaufleistung) - ergibt sich im konkreten fall ein betrag von 8.894,64 € (59.000,- € x 45 227 km : 300 000 km). 89nach abzug einer nutzungsvergütung von 8.894,64 € vom schadensbetrag von 59.420,- € (kaufpreis zzgl. aufwendungen) verbleibt ein tatsächlich zurück zu zahlender betrag von 50.525,36 €. 903. die forderung ist auch durchsetzbar und nicht verjährt. 91es ist nicht ersichtlich, dass der kläger bereits beim kaufvertragsschluss kenntnis von den anspruchsbegründenden tatsachen hatte. 924. zinsen stehen dem kläger gemäß §§ 286, 288 abs. 1 bgb in höhe von 5 prozentpunkten über dem basiszinssatz nach rechtshängigkeit des zahlungsantrags zu, dem 04.03.2022. 93iv. der antrag zu 4. ist unbegründet. 94der kläger hat nicht vorgetragen, dass er der beklagten zu 2. das streitgegenständliche kfz annahmeverzugsbegründend angeboten hat, insbesondere unter anrechnung der korrekten nutzungsentschädigung (vgl. bgh, urteil vom 25.5.2020 – vi zr 252/19 = njw 2020, 1962 rn. 85, beck-online). 95v. der antrag zu 5. ist unbegründet. 96der kläger hat schon kein anwaltliches tätigwerden vorgetragen. 97vi. die kostenfolge ergibt sich aus §§ 92 abs. 1, 100 zpo die vollstreckbarkeitsentscheidung aus § 709 zpo. 98der streitwert wird auf 59.420,00 eur festgesetzt.
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12a K 4352/21.A
2022-08-03T00:00:00
Gerichtsbescheid
Tenor Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 00. 00 0000 verpflichtet, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen. Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt die Beklagte. Der Gerichtsbescheid ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Gerichtsbescheides vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Die am 00. 00 0000, 00. 00 0000 sowie am 00. 00.0000 jeweils in B. B1. (Syrien) geborenen Kläger sind syrische Staatsangehörige arabischer Volkszugehörigkeit und islamischen Glaubens. Nach Angaben ihrer Mutter verließen die Kläger Syrien gemeinsam mit dieser am 00. 00.0000 und reisten am 00.00.0000 in die Bundesrepublik Deutschland ein. 3Auf den Asylantrag vom 0. März 2016 erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Klägern mit Bescheid vom 00.00.0000 bestandskräftig den subsidiären Schutzstatus zu und lehnte den weitergehenden Asylantrag ab. 4Mit Bescheid vom 00.00.0000 erkannte das Bundesamt dem Vater der Kläger, Herrn I. U. , bestandskräftig die Flüchtlingseigenschaft zu. Im Rahmen der Regelüberprüfung entschied das Bundesamt mit Verfügung vom 00.00.0000, in Ermangelung von Widerrufsgründen kein Widerrufsverfahren einzuleiten. 5Am 00.00.0000 stellten die Kläger, vertreten durch ihre Eltern, schriftlich einen Asylfolgeantrag, mit dem unter Verweis auf die dem Vater zuerkannte Flüchtlingseigenschaft eine Zuerkennung von sog. Familienflüchtlingsschutz begehrt wurde. 6Mit Bescheid vom 00.00.0000, zugestellt am 00.00.0000, lehnte das Bundesamt den Folgeantrag als unzulässig ab mit der Begründung, die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens lägen nicht vor. Zwar begründe die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an den Vater der Kläger eine Änderung der Sachlage im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes – VwVfG –, die auch eine günstigere Entscheidung in Gestalt der Zuerkennung von abgeleitetem Flüchtlingsschutz herbeiführen würde. Der Antrag sei aber gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 71 Abs. 1 des Asylgesetzes – AsylG – unzulässig, da ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen sei. Der Grund für das Wiederaufgreifen sei erst nach mehr als vier Jahren und damit nicht innerhalb der in § 51 Abs. 3 VwVfG bestimmten Dreimonatsfrist geltend gemacht worden. 7Die Kläger haben rechtzeitig Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgen. 8Die Kläger beantragen sinngemäß, 9die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 00.00.0000 zu verpflichten, das Verfahren wieder aufzugreifen und ihnen – den Klägern – die Flüchtlingseigenschaft gemäߧ 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen 10Die Beklagte beantragt, 11die Klage abzuweisen, 12und bezieht sich zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid. Ergänzend trägt sie vor, der in § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG geregelte Unzulässigkeitsgrund sei vorrangig zu berücksichtigen, da er auf die nicht vorhandene materielle Schutzberechtigung des Antragstellers abstelle. Daher schließe er auch die Zuerkennung von abgeleitetem Schutz aus. 13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen. 14Entscheidungsgründe: 15Der Einzelrichter entscheidet den Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten, die sich mit dieser Verfahrensweise übereinstimmend einverstanden erklärt haben, ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –.) 16Die zulässige Klage ist begründet. 17Der Bescheid des Bundesamtes vom 00.00.0000 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Sie haben einen Anspruch auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens und Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). 18Die materiellen Voraussetzungen von § 71 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG und § 3 Abs. 1 i.V.m. § 26 Abs. 2 und 5 AsylG sind unstreitig erfüllt. Dem Wiederaufgreifen des Verfahrens steht auch – was zwischen den Beteiligten allein streitig ist – nicht entgegen, dass die in § 51 Abs. 3 VwVG normierte Dreimonatsfrist für die Geltendmachung des Wiederaufgreifensgrundes deutlich versäumt ist. 19Die Dreimonatsfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG ist nach der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für asylrechtliche Folgeanträge nicht mehr anzuwenden. Denn Art. 40 der RL 2013/32 (Verfahrensrichtlinie) sieht solche Fristen nicht vor und ermächtigt auch die Mitgliedstaaten nicht dazu, solche Fristen vorzusehen. Ausschlussfristen für die Stellung eines Asylfolgeantrags sind nach der aufgrund des Anwendungsvorrangs des Europarechts vorrangig zu berücksichtigenden Richtlinie vielmehr ausgeschlossen. 20Vgl. EuGH, Urteil vom 09.09.2021 – C-18/20 –, jurisRn. 55 ff.; Schl.-Holst. VG, Urteil vom 23. September 2021 – 13 A 196/21 –, juris Rn. 32 ff.; VG Köln, Gerichtsbescheid vom 11. Januar 2022 – 20 K 447/21.A, juris Rn. 19; VG Saarland, Urteil vom 14. April 2022 – 6 K 703/21 –, juris Rn. 41 ff.; anders noch: OVG NRW, Urteil vom 12. April 2021 – 14 A 818/19.A –, juris Rn. 29. 21Dem kann die Beklagte nicht mit Erfolg eine vermeintlich vorrangige Berücksichtigung von § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG entgegenhalten. Eine solche Argumentation scheitert bereits am Anwendungsvorrang des Europarechts. Im Übrigen ist die Argumentation, § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG stelle auf eine fehlende materielle Schutzberechtigung des Asylantragstellers ab, jedenfalls in der hier gegebenen Konstellation nicht nachvollziehbar. Denn die Beklagte hat die Anwendung von § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG in dem angefochtenen Bescheid allein auf das Versäumnis der in § 51 Abs. 3 VwVfG normierten Dreimonatsfrist gestützt, die aber nach den vorstehenden Ausführungen aufgrund des Anwendungsvorrangs von Art. 40 der RL 2013/32 (Verfahrensrichtlinie) keine Anwendung finden darf. Ein anderer Unzulässigkeitsgrund ist weder von der Beklagten geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich. 22Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylG, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.Vm. §§ 708 Nr. 11, 709 S. 2, 711 der Zivilprozessordnung – ZPO –. 23Rechtsmittelbelehrung: 24Gegen diesen Gerichtsbescheid können die Beteiligten die Zulassung der Berufung oder mündliche Verhandlung beantragen; wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt. 25Belehrung für den Fall, dass die Zulassung der Berufung beantragt wird: 26Die Zulassung der Berufung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, zu beantragen. Über den Antrag, der den angefochtenen Gerichtsbescheid bezeichnen muss, entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen. Innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich einzureichen. 27Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn 281. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 292. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 303. ein in § 138 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt. 31Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 32Im Berufungsverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO. 33Belehrung für den Fall, dass mündliche Verhandlung beantragt wird: 34Der Antrag auf mündliche Verhandlung ist bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu stellen. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, gilt der Gerichtsbescheid als nicht ergangen; sonst wirkt er als rechtskräftiges Urteil. 35Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung 36– VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
die beklagte wird unter aufhebung des bescheides vom 00. 00 0000 verpflichtet, den klägern die flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 abs. 1 asylg zuzuerkennen. die kosten des gerichtskostenfreien verfahrens trägt die beklagte. der gerichtsbescheid ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der jeweilige vollstreckungsschuldner darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung i.h.v. 110 % des aufgrund des gerichtsbescheides vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige vollstreckungsgläubiger vor der vollstreckung sicherheit i.h.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1
2die am 00. 00 0000, 00. 00 0000 sowie am 00. 00.0000 jeweils in b. b1. (syrien) geborenen kläger sind syrische staatsangehörige arabischer volkszugehörigkeit und islamischen glaubens. nach angaben ihrer mutter verließen die kläger syrien gemeinsam mit dieser am 00. 00.0000 und reisten am 00.00.0000 in die bundesrepublik deutschland ein. 3auf den asylantrag vom 0. märz 2016 erkannte das bundesamt für migration und flüchtlinge (bundesamt) den klägern mit bescheid vom 00.00.0000 bestandskräftig den subsidiären schutzstatus zu und lehnte den weitergehenden asylantrag ab. 4mit bescheid vom 00.00.0000 erkannte das bundesamt dem vater der kläger, herrn i. u. , bestandskräftig die flüchtlingseigenschaft zu. im rahmen der regelüberprüfung entschied das bundesamt mit verfügung vom 00.00.0000, in ermangelung von widerrufsgründen kein widerrufsverfahren einzuleiten. 5am 00.00.0000 stellten die kläger, vertreten durch ihre eltern, schriftlich einen asylfolgeantrag, mit dem unter verweis auf die dem vater zuerkannte flüchtlingseigenschaft eine zuerkennung von sog. familienflüchtlingsschutz begehrt wurde. 6mit bescheid vom 00.00.0000, zugestellt am 00.00.0000, lehnte das bundesamt den folgeantrag als unzulässig ab mit der begründung, die voraussetzungen für die durchführung eines weiteren asylverfahrens lägen nicht vor. zwar begründe die zuerkennung der flüchtlingseigenschaft an den vater der kläger eine änderung der sachlage im sinne von § 51 abs. 1 nr. 1 des verwaltungsverfahrensgesetzes – vwvfg –, die auch eine günstigere entscheidung in gestalt der zuerkennung von abgeleitetem flüchtlingsschutz herbeiführen würde. der antrag sei aber gemäß § 29 abs. 1 nr. 5 i.v.m. § 71 abs. 1 des asylgesetzes – asylg – unzulässig, da ein weiteres asylverfahren nicht durchzuführen sei. der grund für das wiederaufgreifen sei erst nach mehr als vier jahren und damit nicht innerhalb der in § 51 abs. 3 vwvfg bestimmten dreimonatsfrist geltend gemacht worden. 7die kläger haben rechtzeitig klage erhoben, mit der sie ihr begehren weiter verfolgen. 8die kläger beantragen sinngemäß, 9die beklagte unter aufhebung des bescheides des bundesamtes für migration und flüchtlinge vom 00.00.0000 zu verpflichten, das verfahren wieder aufzugreifen und ihnen – den klägern – die flüchtlingseigenschaft gemäߧ 3 abs. 1 asylg zuzuerkennen 10die beklagte beantragt, 11die klage abzuweisen, 12und bezieht sich zur begründung auf den angefochtenen bescheid. ergänzend trägt sie vor, der in § 29 abs. 1 nr. 5 asylg geregelte unzulässigkeitsgrund sei vorrangig zu berücksichtigen, da er auf die nicht vorhandene materielle schutzberechtigung des antragstellers abstelle. daher schließe er auch die zuerkennung von abgeleitetem schutz aus. 13wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf die gerichtsakte sowie die beigezogenen verwaltungsvorgänge ergänzend bezug genommen. 14
15der einzelrichter entscheidet den rechtsstreit nach anhörung der beteiligten, die sich mit dieser verfahrensweise übereinstimmend einverstanden erklärt haben, ohne mündliche verhandlung durch gerichtsbescheid, da die sache keine besonderen schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher art aufweist und der sachverhalt geklärt ist (§ 84 abs. 1 der verwaltungsgerichtsordnung – vwgo –.) 16die zulässige klage ist begründet. 17der bescheid des bundesamtes vom 00.00.0000 ist rechtmäßig und verletzt die kläger in ihren rechten. sie haben einen anspruch auf durchführung eines weiteren asylverfahrens und zuerkennung der flüchtlingseigenschaft (§ 113 abs. 5 satz 1 vwgo). 18die materiellen voraussetzungen von § 71 abs. 1 asylg i.v.m. § 51 abs. 1 nr. 1 vwvfg und § 3 abs. 1 i.v.m. § 26 abs. 2 und 5 asylg sind unstreitig erfüllt. dem wiederaufgreifen des verfahrens steht auch – was zwischen den beteiligten allein streitig ist – nicht entgegen, dass die in § 51 abs. 3 vwvg normierte dreimonatsfrist für die geltendmachung des wiederaufgreifensgrundes deutlich versäumt ist. 19die dreimonatsfrist des § 51 abs. 3 vwvfg ist nach der aktuellen rechtsprechung des europäischen gerichtshofes für asylrechtliche folgeanträge nicht mehr anzuwenden. denn art. 40 der rl 2013/32 (verfahrensrichtlinie) sieht solche fristen nicht vor und ermächtigt auch die mitgliedstaaten nicht dazu, solche fristen vorzusehen. ausschlussfristen für die stellung eines asylfolgeantrags sind nach der aufgrund des anwendungsvorrangs des europarechts vorrangig zu berücksichtigenden richtlinie vielmehr ausgeschlossen. 20vgl. eugh, urteil vom 09.09.2021 – c-18/20 –, jurisrn. 55 ff.; schl.-holst. vg, urteil vom 23. september 2021 – 13 a 196/21 –, juris rn. 32 ff.; vg köln, gerichtsbescheid vom 11. januar 2022 – 20 k 447/21.a, juris rn. 19; vg saarland, urteil vom 14. april 2022 – 6 k 703/21 –, juris rn. 41 ff.; anders noch: ovg nrw, urteil vom 12. april 2021 – 14 a 818/19.a –, juris rn. 29. 21dem kann die beklagte nicht mit erfolg eine vermeintlich vorrangige berücksichtigung von § 29 abs. 1 nr. 5 asylg entgegenhalten. eine solche argumentation scheitert bereits am anwendungsvorrang des europarechts. im übrigen ist die argumentation, § 29 abs. 1 nr. 5 asylg stelle auf eine fehlende materielle schutzberechtigung des asylantragstellers ab, jedenfalls in der hier gegebenen konstellation nicht nachvollziehbar. denn die beklagte hat die anwendung von § 29 abs. 1 nr. 5 asylg in dem angefochtenen bescheid allein auf das versäumnis der in § 51 abs. 3 vwvfg normierten dreimonatsfrist gestützt, die aber nach den vorstehenden ausführungen aufgrund des anwendungsvorrangs von art. 40 der rl 2013/32 (verfahrensrichtlinie) keine anwendung finden darf. ein anderer unzulässigkeitsgrund ist weder von der beklagten geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich. 22die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 1 vwgo und § 83b asylg, diejenige über die vorläufige vollstreckbarkeit aus § 167 vwgo i.vm. §§ 708 nr. 11, 709 s. 2, 711 der zivilprozessordnung – zpo –. 23rechtsmittelbelehrung: 24gegen diesen gerichtsbescheid können die beteiligten die zulassung der berufung oder mündliche verhandlung beantragen; wird von beiden rechtsbehelfen gebrauch gemacht, findet mündliche verhandlung statt. 25belehrung für den fall, dass die zulassung der berufung beantragt wird: 26die zulassung der berufung ist innerhalb von zwei wochen nach zustellung des gerichtsbescheids schriftlich bei dem verwaltungsgericht gelsenkirchen, bahnhofsvorplatz 3, 45879 gelsenkirchen, zu beantragen. über den antrag, der den angefochtenen gerichtsbescheid bezeichnen muss, entscheidet das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen. innerhalb eines monats nach zustellung des gerichtsbescheides sind die gründe darzulegen, aus denen die berufung zuzulassen ist. die begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem antrag vorgelegt worden ist, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen, aegidiikirchplatz 5, 48143 münster, schriftlich einzureichen. 27die berufung ist nur zuzulassen, wenn 281. die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat, 292. das urteil von einer entscheidung des oberverwaltungsgerichts, des bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen senats der obersten gerichtshöfe des bundes oder des bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser abweichung beruht oder 303. ein in § 138 verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – bezeichneter verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt. 31auf die unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung von schriftstücken als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 32im berufungsverfahren muss sich jeder beteiligte durch einen prozessbevollmächtigten vertreten lassen. dies gilt auch für den antrag auf zulassung der berufung. der kreis der als prozessbevollmächtigte zugelassenen personen und organisationen bestimmt sich nach § 67 abs. 4 vwgo. 33belehrung für den fall, dass mündliche verhandlung beantragt wird: 34der antrag auf mündliche verhandlung ist bei dem verwaltungsgericht gelsenkirchen, bahnhofsvorplatz 3, 45879 gelsenkirchen, innerhalb von zwei wochen nach zustellung des gerichtsbescheids schriftlich oder zur niederschrift des urkundsbeamten der geschäftsstelle zu stellen. wird der antrag rechtzeitig gestellt, gilt der gerichtsbescheid als nicht ergangen; sonst wirkt er als rechtskräftiges urteil. 35auf die unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung von schriftstücken als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung 36– vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen.
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5 O 372/20
2022-08-02T00:00:00
Urteil
Tenor Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner auch über die von ihnen anerkannte Haftungsquote von 75 % hinaus verpflichtet sind, dem Kläger alle materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die diesem aus dem Verkehrsunfall vom 31.03.2017 in Engelskirchen noch entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder einen Dritten übergegangen sind oder noch übergehen werden. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von weiteren 3.500,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.02.2020 zu zahlen. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger einen weiteren Betrag in Höhe von 1.089,29 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.02.2020 zu zahlen. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, den Kläger von den durch die Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von weiteren 237,34 € freizustellen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 31 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 69 %. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in eben dieser Höhe leisten. 1Tatbestand: 2Der Kläger befuhr am 31.03.2017 gegen 17.50 Uhr mit seinem Rennrad die P-Straße in F, auf der eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h gilt. Der Beklagte zu 1. hatte sein bei der Beklagten zu 2. haftpflichtversichertes Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen AB-CD 0000 auf Höhe der Hausnummer 00 auf einem rechts neben der Fahrbahn befindlichen Parkstreifen abgestellt und öffnete die Fahrertür, als sich der Kläger mit einer Geschwindigkeit von über 30 km/h von hinten näherte. Durch die Kollision mit der geöffneten Tür kam der Kläger zu Fall. Dabei wurden sein Rad und der Fahrradhelm beschädigt und der Kläger verletzt. 3Im Rahmen der anschließenden Untersuchungen im Vinzenz-Pallotti-Hospital wurden eine Fraktur der 1. Rippe rechts in Nähe des Sternums, eine Schultereckgelenksprengung Tossy 1 rechte Schulter, beidseitige Knieprellungen, multiple Schürverletzungen an beiden Schultern, Knien und Ellenbogen, eine Schädelprellung sowie eine HWS-Distorsion diagnostiziert. Der Kläger musste unfallbedingt im Zeitraum vom 31.03.2017 bis zum 02.04.2017 in stationärer Behandlung verbleiben. 4Bei einer am 27.04.2017 durchgeführten Kernspintomographie der rechten Schulter wurden folgende Diagnosen gestellt: 5„AC-Gelenksprengung nach Rockwood 3 mit subtotaler Ruptur der korakoklavikulären Ligamente und totaler akromioklavikularer Ruptur. Begleitende Bursitis subacromialis und Serom/Hämatom.“ 6Mit Schreiben vom 26.04.2017 wurde die Beklagte zu 2. von den Prozessbevollmächtigten des Klägers zur Abgabe eines 100%igen Haftungsanerkenntnisses dem Grunde nach aufgefordert. Die Beklagte zu 2. leistete am 28.09.2017 eine Akontozahlung in Höhe von 2.000,00 € sowie gemäß Schreiben vom 05.12.2019 weitere 2.320,38 € (Rechnung Dr. C 20,38 €, Fahrrad Vorschuss 300,00 €, Schmerzensgeld (Vorschuss) 2.000,00 €.) Auf ein weiteres Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers erkannte die Beklagte zu 2. mit Schreiben vom 19.12.2019 die Haftung auf Basis einer Quote von 75 % an. 7Der Kläger behauptet, er sei mit einem Seitenabstand von 90 cm an dem Fahrzeug des Beklagten zu 1. vorbeigefahren. 8Bei dem Unfall habe er auch ein Schädel-Hirn-Trauma 1. Grades erlitten, das auch zu einer kurzen Bewusstlosigkeit am Unfallort geführt habe. 9Nach der stationären Behandlung habe sich der Heilungsverlauf unter analgetischer und physiotherapeutischer Behandlung zunächst über ca. acht Wochen erstreckt. Diese seien durch viele Schmerzen, Bewegungs- und Tätigkeitseinschränkungen geprägt gewesen. Der Kläger habe täglich Schmerzmittel in Form von Ibuprofen 800mg und Tilidin 100/8mg einnehmen müssen. Seine Schulter habe er kaum bewegen können. Außerdem habe die Fraktur an der ersten Rippe am Sternum sehr geschmerzt. 10Zudem habe der Kläger Tätigkeiten des Alltags wie z.B. seinen Anteil am Haushalt nicht verrichten können. Diese hätten vielmehr von seiner Lebensgefährtin zusätzlich zu ihrem Vollzeitjob als Zahnärztin über ca. acht Wochen vollständig übernommen werden müssen. Zudem hätten insbesondere in den ersten zehn Tagen auch Kopf- und Genickschmerzen durch das erlittene Schädel-Hirn-Trauma Grad 1 im Vordergrund gestanden. 11Nach ca. zehn Wochen habe der Kläger, der einmal Weltmeister der Triathleten der Mediziner gewesen sei, versucht, sich langsam und stetig an sportliche Übungen heranzuwagen, nachdem er gute Fortschritte bei der Physiotherapie gemacht habe. Hier habe er jedoch feststellen müssen, dass er aufgrund immer wieder zunehmender Schmerzen und einer Schwellneigung mit schmerzhaften Knochenkrepitationen (Knochenreiben) an den betroffenen Gelenken und einer verbliebenen Instabilität sein geliebtes Schwimmtraining habe aufgeben müssen. Dies bedeute eine sehr große Einschränkung des Wohlbefindens und der Lebensqualität des zuvor ambitionierten Triathleten. 12Außerdem habe dies dem als Mediziner tätigen Kläger auch gezeigt, dass er lange, kraftaufwendige Operationen wie z.B. Hüft- und Knieendoprothetik nicht mehr durchführen konnte und er sich somit auch vom Operieren verabschieden musste. Nun arbeite der Kläger ausschließlich konservativ in seinem Beruf als Orthopäde und Unfallchirurg, was auch kaum zu beziffernde finanzielle Einbußen bedeute, wenn er als Unfallchirurg nicht mehr operieren könne. 13Aktuell habe der Kläger erfreulicherweise zwar grundsätzlich den vollen Bewegungsumfang im rechten Schultergelenk erreicht. Er werde jedoch nach wie vor regelmäßig durch Schmerzen und Schwellneigung des Gelenks in seine Schranken verwiesen, sollte er im Alltag anstrengendere Dinge wie Rasenmähen oder Heckeschneiden verrichten wollen. Auch sei durch die Zerreißung der akromioklavikulären Bänder und die nicht verheilte Trümmerfraktur der ersten Rippe am Sternum mit einer verfrühten Arthrose und dadurch weiteren Einschränkungen zu rechnen. Bei passiver Bewegung des Gelenks sei im Übrigen bereits eine deutliche Krepitation spürbar, so dass davon auszugehen sei, dass sich im Gelenk bereits eine Arthrose entwickle. 14Durch das Unfallgeschehen sei dem Kläger zudem ein erheblicher Sachschaden an seinem hochwertigen Rennrad entstanden. Ein zwischenzeitlich eingeholter Kostenvoranschlag weise einen Nettobetrag in Höhe von 2.489,58 € in Bezug auf Reparaturkosten aus. Auch der Fahrradhelm im Wert von 289,00 € sei bei dem Sturz irreparabel beschädigt worden. Das zum Unfallzeitpunkt ca. ein Jahr alte Rennrad habe der Kläger zu einem Wert von ca. 4.600,00 € bezogen und selbst die Laufräder Carbon Hochprofilfelgen für ca. 3.200,00 € ausgetauscht ebenso wie die Kurbel Sram Red Carbon für 439,00 € sowie zusätzlich an die Pedale ein Wattmesssystems Garmin Vector 2 im Wert von 799,00 € angebaut. 15Der Kläger beantragt, 161. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner auch über die von ihnen anerkannte Haftungsquote von 75 % hinaus verpflichtet sind, dem Kläger alle materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die diesem aus dem Verkehrsunfall vom 31.03.2017 in Engelskirchen entstanden sind bzw. noch entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder einen Dritten übergegangen sind oder noch übergehen werden; 172. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes, in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens jedoch einen Betrag in Höhe von weiteren 3.500,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.02.2020 zu zahlen; 183. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger einen weiteren Betrag in Höhe von 2.478,58 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.02.2020 zu zahlen; 194. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, den Kläger von den durch die Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von weiteren 383,61 € freizustellen; 20Die Beklagten beantragen, 21die Klage abzuweisen. 22Sie sind der Ansicht, dass sich der Kläger ein 25 %-iges Mitverschulden an der Unfallentstehung anrechnen lassen müsse. 23Der Kläger habe zum einen vor dem Unfall wahrnehmen können, dass das Beklagtenfahrzeug im Begriff gewesen sei einzuparken, so dass auch damit gerechnet werden konnte, dass die Tür möglicherweise geöffnet würde. Zum anderen hätten unfallunabhängige Zeugen sowie der Kläger selbst bestätigt, dass er durchaus gesehen habe, dass sich die Türe eines in einer Parktasche am Fahrbahnrand geparkten Pkw einen Spalt breit geöffnet habe. Der Seitenabstand könne maximal 45 cm betragen haben. Bei Einhaltung eines ausreichenden Seitenabstandes wäre es zu einem Unfallereignis nicht gekommen. 24Ein Schädel-Hirn-Trauma habe zu keinem Zeitpunkt bestanden; neurologische Auffälligkeiten hätten ausgeschlossen werden können. Die bei der am 27.04.2017 durchgeführten Kernspintomographie diagnostizierten Verletzungsbilder seien nicht unfallbedingt. 25Zum Fahrradschaden sowie zum Helmschaden erklären sich die Beklagten mit Nichtwissen. Jedenfalls sei davon auszugehen, dass ein Fahrrad, welches bereits häufig genutzt worden sei, allenfalls noch die Hälfte des vorgestellten Betrages als Zeitwert innehabe. 26Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen. 27Die Akten StA Köln 972 Js 3622/17 waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung. 28Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 02.11.2021. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen I vom 12.04.2022 verwiesen. 29Entscheidungsgründe: 30Die Klage ist insoweit teilweise unzulässig, als der Kläger mit dem Antrag zu 1. die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für bereits entstandene Schäden begehrt. Wie nicht zuletzt die Anträge zu 2. und 3. zeigen, ist ihm eine Bezifferung der Ansprüche aus dem Verkehrsunfall, der im Zeitpunkt der Klageerhebung bereits mehr als drei Jahre und acht Monate zurücklag, ohne Weiteres möglich. 31Soweit die Klage zulässig ist, ist sie im erkannten Umfang begründet. 32Der Kläger hat dem Grunde nach Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagten aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1 BGB, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und S. 4 VVG, 1 Satz 1 PflVG. 33Gegen den Beklagten zu 1. spricht der Beweis des ersten Anscheins, den Unfall verschuldet zu haben, weil die Kollision mit dem Fahrrad des Klägers im unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Öffnen der Fahrertür erfolgte. Gemäß § 14 Abs. 1 StVO hatte sich der Beklagte zu 1. dabei so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen war (OLG Celle, r+s 2019, 286 Rn. 15, beck-online). Dass der Beklagte zu 1. gegen diese Sorgfaltspflicht verstoßen hat, stellen die Beklagten nicht in Abrede, welche die Haftung grundsätzlich anerkannt haben und lediglich meinen, der Kläger müsse sich ein 25 %-iges Mitverschulden anrechnen lassen. 34Nach ständiger Rechtsprechung führt ein Verstoß gegen die höchsten Sorgfaltspflichten im Straßenverkehr gemäß § 14 Abs. 1 StVO gegenüber einem nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmer – Fahrradfahrer oder Fußgänger – regelmäßig zu einer Alleinhaftung des Pkw-Fahrers, -Halters und -Versicherers, wenn diesem nicht ein Verschulden nachgewiesen wird, weil auf Seiten des nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmers keine Betriebsgefahr zu berücksichtigen ist (OLG Celle aaO, Rn. 16; vgl. auch die weiteren Nachweise bei: Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 16. Auflage 2020, Rn. 389, beck-online). 35Ein Mitverschulden des Klägers (§§ 9 StVG, 254 BGB) ist demgegenüber aufgrund der Umstände des vorliegenden Falles nicht anzunehmen. Es konnte nicht festgestellt werden, dass dem Kläger der Vorwurf eines nicht ausreichenden Seitenabstandes zu machen war. 36Wie groß der Abstand im konkreten Fall zu sein hat, ist eine Frage des Einzelfalles. Dabei kommt es auf die Verkehrslage, Geschwindigkeit und die bauliche Situation, insbesondere die Breite der Straße, sowie die Art der beteiligten Fahrzeuge an. Auf einer breiteren Straße ist ein größerer Abstand zu erwarten, wobei bei großen Fahrzeugen, wie Lastkraftwagen, die unter Umständen einen Luftsog verursachen, auch ein größerer Abstand erforderlich sein kann. Der Seitenabstand soll in der Regel so bemessen sein, dass ein geringfügiges Öffnen einer Fahrzeugtür noch möglich ist. 34 Zentimeter reichen hierfür nicht aus. 50 Zentimeter haben schon genügen können (OLG Celle, aaO, Rn. 22 m.w.N.). 37Ausweislich der beigezogenen Ermittlungsakte hatte die Polizei zur Unfallörtlichkeit folgende Feststellungen getroffen, die auch von den Parteien des Rechtsstreits nicht bestritten worden sind: 38„Bei der Unfallörtlichkeit handelt es sich um die gut ausgebaute L 136 in der Ortslage F. Die gesamte Fahrbahn ist 5,70m breit und hat je einen Fahrstreifen pro Fahrtrichtung. Die Fahrstreifen sind durch unterbrochene Leitlinien getrennt und die Fahrbahn besteht aus Schwarzdecke, welche trocken war. Beidseitig der Straße sich Parkstreifen angeordnet. Diese waren zum Zeitpunkt der Unfallaufnahme überwiegend belegt und es herrschte hohes Verkehrsaufkommen.“ 39Dem ebenfalls in der Beiakte befindlichen Luftbild lässt sich außerdem entnehmen, dass die beiden Fahrstreifen bis kurz vor der Unfallstelle durch eine Verkehrsinsel getrennt waren, die eine leichte Verschwenkung der Fahrstreifen mit sich brachte (vgl. das Lichtbild Bl. 9 der Beiakte). 40Des Weiteren ist aufgrund der eigenen Angaben des Klägers davon auszugehen, dass er mit seinem Rad über 30 km/h schnell gefahren ist, die an der Unfallstelle zulässige Höchstgeschwindigkeit jedoch nicht überschritten hat. 41Ferner mag davon ausgegangen werden, dass der Beklagte zu 1. den Einparkvorgang erst kurz zuvor abgeschlossen hatte, bevor sich der Kläger mit seinem Fahrrad annäherte, und dass er die Fahrertür zunächst einen Spalt weit geöffnet hatte. 42Die Behauptung der Beklagten, der Kläger habe einen Seitenabstand von lediglich 45 cm eingehalten, konnte in der durchgeführten Beweisaufnahme nicht bestätigt werden. Der Sachverständige I hat in seinem sorgfältig erarbeiteten Gutachten mit nachvollziehbarer Begründung dargelegt, warum mit technischen Mitteln nicht aufklärbar war, ob der Radfahrer einen Seitenabstand von 45 cm oder von maximal 65 cm zu dem parkenden PKW einhielt, wobei es sich jeweils um den Abstand des äußersten rechten Endes des Fahrradlenkers zur linken Seitenwand des Fahrzeuges handelte. Laut dem Sachverständigengutachten sei aufgrund der Schadensbilder und wegen fehlender ortsfester Spuren, insbesondere des Fahrradreifens, sowohl ein Seitenabstand von 45 cm als auch ein solcher von 65 cm plausibel. Letzterer ergebe sich aus der maximalen Öffnungsweite der Pkw-Tür, die bei 95 cm liege. Auch in diesem Fall habe der Radfahrer den asphaltierten Bereich der Fahrbahn rechts orientiert befahren. 43Selbst unter Berücksichtigung des gefahrerhöhenden Umstandes, dass der Kläger mit seinem Rennrad deutlich schneller gefahren ist als die durchschnittliche Geschwindigkeit von Fahrrädern, kann ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden, keinen so großen Seitenabstand zum Fahrzeug des Beklagten zu 1. eingehalten zu haben, dass er selbst bei einer vollständigen Öffnung der Fahrertür nicht mit dieser kollidiert wäre. Jedenfalls mit seiner solch groben Unachtsamkeit durch den Beklagten zu 1. musste der Kläger nicht rechnen, selbst wenn ihm die Umstände Anlass zu der Annahme gaben, die Fahrzeugtür könne geöffnet werden. 44Der Höhe nach hält das Gericht ein Schmerzensgeld von insgesamt 7.500,-- € für angemessen, auf das die Beklagten bereits 4.000,-- € gezahlt haben. Dem liegen sowohl die in dem Arztbrief des Vinzenz-Pallotti-Hospitals vom 02.04.2017 (Anlage K 3) niedergelegten unstreitigen Befunde als auch die sich aus dem Bericht der Praxis im Köln Triangle vom 28.04.2017 (Anlage K 4) ergebenden Diagnosen zugrunde. Warum letztere nicht unfallbedingt sein sollen, legen die Beklagten nicht substantiiert dar. Immerhin fand die zugrunde liegende Untersuchung nur vier Wochen nach dem Unfall statt und kommt zu ähnlichen Feststellungen wie der Arztbrief vom 02.04.2017. Die Abweichungen in der Beurteilung lassen sich ohne weiteres durch die unterschiedlichen Untersuchungsmethoden erklären: Während anlässlich des stationären Aufenthaltes Röntgen- und CT-Bilder gefertigt wurden, wurde am 27.04.2017 eine Kernspintomographie durchgeführt. 45Auch die vom Kläger geschilderten Beschwerden während des Heilungsprozesses sind plausibel und können zu seinen Gunsten bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zugrunde gelegt werden. 46Dagegen findet die Behauptung des Klägers, ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten zu haben und nach dem Unfall kurz bewusstlos gewesen zu sein, in den schriftlichen Befunden keine Stütze und ist daher ihrerseits nicht ausreichend substantiiert. 47Da Verdienstausfall oder Ersatz eines Haushaltsführungsschadens nicht geltend gemacht werden, bedurfte es insofern keiner weiteren Aufklärung. 48Was den Sachschaden betrifft, hält das Gericht den Vortrag des Klägers grundsätzlich für schlüssig. Dass sowohl das Rad als auch der Fahrradhelm bei dem schweren Unfall erheblich beschädigt wurden, ist vollkommen plausibel und ergibt sich auch aus den Feststellungen der Polizei vor Ort. Das beklagtenseitige – zulässige – Bestreiten mit Nichtwissen ist angesichts dessen nicht erheblich. 49Allerdings schätzt das Gericht gemäß § 287 Abs. 1 ZPO die Höhe des Vorteilsausgleichs („neu für alt“), den sich der Kläger anrechnen lassen muss, auf 50 %, so dass sich noch ein Anspruch in Höhe von 1.089,29 € ergibt (2.489,58 € + 289,-- € x 50 % ./. 300,-- €). 50Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. 51Die restlichen vorgerichtlichen Anwaltskosten sind auf Basis eines Geschäftswertes von 8.889,29 € als weitere materielle Schadensposition ersatzfähig, ohne dass Verzug vorliegen müsste. 52Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO. Das Gericht ist bei dem teilweise unzulässigen Antrag zu 1. von einem 50 %-igen Unterliegen des Klägers ausgegangen. 53Streitwert: 8.478,58 €
es wird festgestellt, dass die beklagten als gesamtschuldner auch über die von ihnen anerkannte haftungsquote von 75 % hinaus verpflichtet sind, dem kläger alle materiellen und immateriellen schäden zu ersetzen, die diesem aus dem verkehrsunfall vom 31.03.2017 in engelskirchen noch entstehen werden, soweit die ansprüche nicht auf einen sozialversicherungsträger oder einen dritten übergegangen sind oder noch übergehen werden. die beklagten werden als gesamtschuldner verurteilt, an den kläger ein schmerzensgeld in höhe von weiteren 3.500,00 € nebst zinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem basiszinssatz seit dem 20.02.2020 zu zahlen. die beklagten werden als gesamtschuldner verurteilt, an den kläger einen weiteren betrag in höhe von 1.089,29 € nebst zinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem basiszinssatz seit dem 20.02.2020 zu zahlen. die beklagten werden als gesamtschuldner verurteilt, den kläger von den durch die beauftragung seiner prozessbevollmächtigten entstandenen vorgerichtlichen rechtsanwaltsgebühren in höhe von weiteren 237,34 € freizustellen. im übrigen wird die klage abgewiesen. die kosten des rechtsstreits tragen der kläger zu 31 % und die beklagten als gesamtschuldner zu 69 %. das urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den kläger jedoch nur gegen sicherheitsleistung in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages. der kläger darf die zwangsvollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des zu vollstreckenden betrages abwenden, wenn nicht die beklagten vor der vollstreckung sicherheit in eben dieser höhe leisten. 1
2der kläger befuhr am 31.03.2017 gegen 17.50 uhr mit seinem rennrad die p-straße in f, auf der eine zulässige höchstgeschwindigkeit von 50 km/h gilt. der beklagte zu 1. hatte sein bei der beklagten zu 2. haftpflichtversichertes fahrzeug mit dem amtlichen kennzeichen ab-cd 0000 auf höhe der hausnummer 00 auf einem rechts neben der fahrbahn befindlichen parkstreifen abgestellt und öffnete die fahrertür, als sich der kläger mit einer geschwindigkeit von über 30 km/h von hinten näherte. durch die kollision mit der geöffneten tür kam der kläger zu fall. dabei wurden sein rad und der fahrradhelm beschädigt und der kläger verletzt. 3im rahmen der anschließenden untersuchungen im vinzenz-pallotti-hospital wurden eine fraktur der 1. rippe rechts in nähe des sternums, eine schultereckgelenksprengung tossy 1 rechte schulter, beidseitige knieprellungen, multiple schürverletzungen an beiden schultern, knien und ellenbogen, eine schädelprellung sowie eine hws-distorsion diagnostiziert. der kläger musste unfallbedingt im zeitraum vom 31.03.2017 bis zum 02.04.2017 in stationärer behandlung verbleiben. 4bei einer am 27.04.2017 durchgeführten kernspintomographie der rechten schulter wurden folgende diagnosen gestellt: 5„ac-gelenksprengung nach rockwood 3 mit subtotaler ruptur der korakoklavikulären ligamente und totaler akromioklavikularer ruptur. begleitende bursitis subacromialis und serom/hämatom.“ 6mit schreiben vom 26.04.2017 wurde die beklagte zu 2. von den prozessbevollmächtigten des klägers zur abgabe eines 100%igen haftungsanerkenntnisses dem grunde nach aufgefordert. die beklagte zu 2. leistete am 28.09.2017 eine akontozahlung in höhe von 2.000,00 € sowie gemäß schreiben vom 05.12.2019 weitere 2.320,38 € (rechnung dr. c 20,38 €, fahrrad vorschuss 300,00 €, schmerzensgeld (vorschuss) 2.000,00 €.) auf ein weiteres schreiben der prozessbevollmächtigten des klägers erkannte die beklagte zu 2. mit schreiben vom 19.12.2019 die haftung auf basis einer quote von 75 % an. 7der kläger behauptet, er sei mit einem seitenabstand von 90 cm an dem fahrzeug des beklagten zu 1. vorbeigefahren. 8bei dem unfall habe er auch ein schädel-hirn-trauma 1. grades erlitten, das auch zu einer kurzen bewusstlosigkeit am unfallort geführt habe. 9nach der stationären behandlung habe sich der heilungsverlauf unter analgetischer und physiotherapeutischer behandlung zunächst über ca. acht wochen erstreckt. diese seien durch viele schmerzen, bewegungs- und tätigkeitseinschränkungen geprägt gewesen. der kläger habe täglich schmerzmittel in form von ibuprofen 800mg und tilidin 100/8mg einnehmen müssen. seine schulter habe er kaum bewegen können. außerdem habe die fraktur an der ersten rippe am sternum sehr geschmerzt. 10zudem habe der kläger tätigkeiten des alltags wie z.b. seinen anteil am haushalt nicht verrichten können. diese hätten vielmehr von seiner lebensgefährtin zusätzlich zu ihrem vollzeitjob als zahnärztin über ca. acht wochen vollständig übernommen werden müssen. zudem hätten insbesondere in den ersten zehn tagen auch kopf- und genickschmerzen durch das erlittene schädel-hirn-trauma grad 1 im vordergrund gestanden. 11nach ca. zehn wochen habe der kläger, der einmal weltmeister der triathleten der mediziner gewesen sei, versucht, sich langsam und stetig an sportliche übungen heranzuwagen, nachdem er gute fortschritte bei der physiotherapie gemacht habe. hier habe er jedoch feststellen müssen, dass er aufgrund immer wieder zunehmender schmerzen und einer schwellneigung mit schmerzhaften knochenkrepitationen (knochenreiben) an den betroffenen gelenken und einer verbliebenen instabilität sein geliebtes schwimmtraining habe aufgeben müssen. dies bedeute eine sehr große einschränkung des wohlbefindens und der lebensqualität des zuvor ambitionierten triathleten. 12außerdem habe dies dem als mediziner tätigen kläger auch gezeigt, dass er lange, kraftaufwendige operationen wie z.b. hüft- und knieendoprothetik nicht mehr durchführen konnte und er sich somit auch vom operieren verabschieden musste. nun arbeite der kläger ausschließlich konservativ in seinem beruf als orthopäde und unfallchirurg, was auch kaum zu beziffernde finanzielle einbußen bedeute, wenn er als unfallchirurg nicht mehr operieren könne. 13aktuell habe der kläger erfreulicherweise zwar grundsätzlich den vollen bewegungsumfang im rechten schultergelenk erreicht. er werde jedoch nach wie vor regelmäßig durch schmerzen und schwellneigung des gelenks in seine schranken verwiesen, sollte er im alltag anstrengendere dinge wie rasenmähen oder heckeschneiden verrichten wollen. auch sei durch die zerreißung der akromioklavikulären bänder und die nicht verheilte trümmerfraktur der ersten rippe am sternum mit einer verfrühten arthrose und dadurch weiteren einschränkungen zu rechnen. bei passiver bewegung des gelenks sei im übrigen bereits eine deutliche krepitation spürbar, so dass davon auszugehen sei, dass sich im gelenk bereits eine arthrose entwickle. 14durch das unfallgeschehen sei dem kläger zudem ein erheblicher sachschaden an seinem hochwertigen rennrad entstanden. ein zwischenzeitlich eingeholter kostenvoranschlag weise einen nettobetrag in höhe von 2.489,58 € in bezug auf reparaturkosten aus. auch der fahrradhelm im wert von 289,00 € sei bei dem sturz irreparabel beschädigt worden. das zum unfallzeitpunkt ca. ein jahr alte rennrad habe der kläger zu einem wert von ca. 4.600,00 € bezogen und selbst die laufräder carbon hochprofilfelgen für ca. 3.200,00 € ausgetauscht ebenso wie die kurbel sram red carbon für 439,00 € sowie zusätzlich an die pedale ein wattmesssystems garmin vector 2 im wert von 799,00 € angebaut. 15der kläger beantragt, 161. festzustellen, dass die beklagten als gesamtschuldner auch über die von ihnen anerkannte haftungsquote von 75 % hinaus verpflichtet sind, dem kläger alle materiellen und immateriellen schäden zu ersetzen, die diesem aus dem verkehrsunfall vom 31.03.2017 in engelskirchen entstanden sind bzw. noch entstehen werden, soweit die ansprüche nicht auf einen sozialversicherungsträger oder einen dritten übergegangen sind oder noch übergehen werden; 172. die beklagten als gesamtschuldner zu verurteilen, an den kläger ein angemessenes, in das ermessen des gerichts gestelltes schmerzensgeld, mindestens jedoch einen betrag in höhe von weiteren 3.500,00 € nebst zinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem basiszinssatz seit dem 20.02.2020 zu zahlen; 183. die beklagten als gesamtschuldner zu verurteilen, an den kläger einen weiteren betrag in höhe von 2.478,58 € nebst zinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem basiszinssatz seit dem 20.02.2020 zu zahlen; 194. die beklagten als gesamtschuldner zu verurteilen, den kläger von den durch die beauftragung seiner prozessbevollmächtigten entstandenen vorgerichtlichen rechtsanwaltsgebühren in höhe von weiteren 383,61 € freizustellen; 20die beklagten beantragen, 21die klage abzuweisen. 22sie sind der ansicht, dass sich der kläger ein 25 %-iges mitverschulden an der unfallentstehung anrechnen lassen müsse. 23der kläger habe zum einen vor dem unfall wahrnehmen können, dass das beklagtenfahrzeug im begriff gewesen sei einzuparken, so dass auch damit gerechnet werden konnte, dass die tür möglicherweise geöffnet würde. zum anderen hätten unfallunabhängige zeugen sowie der kläger selbst bestätigt, dass er durchaus gesehen habe, dass sich die türe eines in einer parktasche am fahrbahnrand geparkten pkw einen spalt breit geöffnet habe. der seitenabstand könne maximal 45 cm betragen haben. bei einhaltung eines ausreichenden seitenabstandes wäre es zu einem unfallereignis nicht gekommen. 24ein schädel-hirn-trauma habe zu keinem zeitpunkt bestanden; neurologische auffälligkeiten hätten ausgeschlossen werden können. die bei der am 27.04.2017 durchgeführten kernspintomographie diagnostizierten verletzungsbilder seien nicht unfallbedingt. 25zum fahrradschaden sowie zum helmschaden erklären sich die beklagten mit nichtwissen. jedenfalls sei davon auszugehen, dass ein fahrrad, welches bereits häufig genutzt worden sei, allenfalls noch die hälfte des vorgestellten betrages als zeitwert innehabe. 26wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den akteninhalt bezug genommen. 27die akten sta köln 972 js 3622/17 waren beigezogen und gegenstand der mündlichen verhandlung. 28das gericht hat beweis erhoben gemäß beschluss vom 02.11.2021. wegen des ergebnisses der beweisaufnahme wird auf das gutachten des sachverständigen i vom 12.04.2022 verwiesen. 29
30die klage ist insoweit teilweise unzulässig, als der kläger mit dem antrag zu 1. die feststellung der ersatzpflicht der beklagten für bereits entstandene schäden begehrt. wie nicht zuletzt die anträge zu 2. und 3. zeigen, ist ihm eine bezifferung der ansprüche aus dem verkehrsunfall, der im zeitpunkt der klageerhebung bereits mehr als drei jahre und acht monate zurücklag, ohne weiteres möglich. 31soweit die klage zulässig ist, ist sie im erkannten umfang begründet. 32der kläger hat dem grunde nach anspruch auf schadensersatz gegen die beklagten aus §§ 7 abs. 1, 18 abs. 1 stvg, 823 abs. 1 bgb, 115 abs. 1 s. 1 nr. 1 und s. 4 vvg, 1 satz 1 pflvg. 33gegen den beklagten zu 1. spricht der beweis des ersten anscheins, den unfall verschuldet zu haben, weil die kollision mit dem fahrrad des klägers im unmittelbaren zeitlichen und örtlichen zusammenhang mit dem öffnen der fahrertür erfolgte. gemäß § 14 abs. 1 stvo hatte sich der beklagte zu 1. dabei so zu verhalten, dass eine gefährdung anderer verkehrsteilnehmer ausgeschlossen war (olg celle, r+s 2019, 286 rn. 15, beck-online). dass der beklagte zu 1. gegen diese sorgfaltspflicht verstoßen hat, stellen die beklagten nicht in abrede, welche die haftung grundsätzlich anerkannt haben und lediglich meinen, der kläger müsse sich ein 25 %-iges mitverschulden anrechnen lassen. 34nach ständiger rechtsprechung führt ein verstoß gegen die höchsten sorgfaltspflichten im straßenverkehr gemäß § 14 abs. 1 stvo gegenüber einem nichtmotorisierten verkehrsteilnehmer – fahrradfahrer oder fußgänger – regelmäßig zu einer alleinhaftung des pkw-fahrers, -halters und -versicherers, wenn diesem nicht ein verschulden nachgewiesen wird, weil auf seiten des nichtmotorisierten verkehrsteilnehmers keine betriebsgefahr zu berücksichtigen ist (olg celle aao, rn. 16; vgl. auch die weiteren nachweise bei: grüneberg, haftungsquoten bei verkehrsunfällen, 16. auflage 2020, rn. 389, beck-online). 35ein mitverschulden des klägers (§§ 9 stvg, 254 bgb) ist demgegenüber aufgrund der umstände des vorliegenden falles nicht anzunehmen. es konnte nicht festgestellt werden, dass dem kläger der vorwurf eines nicht ausreichenden seitenabstandes zu machen war. 36wie groß der abstand im konkreten fall zu sein hat, ist eine frage des einzelfalles. dabei kommt es auf die verkehrslage, geschwindigkeit und die bauliche situation, insbesondere die breite der straße, sowie die art der beteiligten fahrzeuge an. auf einer breiteren straße ist ein größerer abstand zu erwarten, wobei bei großen fahrzeugen, wie lastkraftwagen, die unter umständen einen luftsog verursachen, auch ein größerer abstand erforderlich sein kann. der seitenabstand soll in der regel so bemessen sein, dass ein geringfügiges öffnen einer fahrzeugtür noch möglich ist. 34 zentimeter reichen hierfür nicht aus. 50 zentimeter haben schon genügen können (olg celle, aao, rn. 22 m.w.n.). 37ausweislich der beigezogenen ermittlungsakte hatte die polizei zur unfallörtlichkeit folgende feststellungen getroffen, die auch von den parteien des rechtsstreits nicht bestritten worden sind: 38„bei der unfallörtlichkeit handelt es sich um die gut ausgebaute l 136 in der ortslage f. die gesamte fahrbahn ist 5,70m breit und hat je einen fahrstreifen pro fahrtrichtung. die fahrstreifen sind durch unterbrochene leitlinien getrennt und die fahrbahn besteht aus schwarzdecke, welche trocken war. beidseitig der straße sich parkstreifen angeordnet. diese waren zum zeitpunkt der unfallaufnahme überwiegend belegt und es herrschte hohes verkehrsaufkommen.“ 39dem ebenfalls in der beiakte befindlichen luftbild lässt sich außerdem entnehmen, dass die beiden fahrstreifen bis kurz vor der unfallstelle durch eine verkehrsinsel getrennt waren, die eine leichte verschwenkung der fahrstreifen mit sich brachte (vgl. das lichtbild bl. 9 der beiakte). 40des weiteren ist aufgrund der eigenen angaben des klägers davon auszugehen, dass er mit seinem rad über 30 km/h schnell gefahren ist, die an der unfallstelle zulässige höchstgeschwindigkeit jedoch nicht überschritten hat. 41ferner mag davon ausgegangen werden, dass der beklagte zu 1. den einparkvorgang erst kurz zuvor abgeschlossen hatte, bevor sich der kläger mit seinem fahrrad annäherte, und dass er die fahrertür zunächst einen spalt weit geöffnet hatte. 42die behauptung der beklagten, der kläger habe einen seitenabstand von lediglich 45 cm eingehalten, konnte in der durchgeführten beweisaufnahme nicht bestätigt werden. der sachverständige i hat in seinem sorgfältig erarbeiteten gutachten mit nachvollziehbarer begründung dargelegt, warum mit technischen mitteln nicht aufklärbar war, ob der radfahrer einen seitenabstand von 45 cm oder von maximal 65 cm zu dem parkenden pkw einhielt, wobei es sich jeweils um den abstand des äußersten rechten endes des fahrradlenkers zur linken seitenwand des fahrzeuges handelte. laut dem sachverständigengutachten sei aufgrund der schadensbilder und wegen fehlender ortsfester spuren, insbesondere des fahrradreifens, sowohl ein seitenabstand von 45 cm als auch ein solcher von 65 cm plausibel. letzterer ergebe sich aus der maximalen öffnungsweite der pkw-tür, die bei 95 cm liege. auch in diesem fall habe der radfahrer den asphaltierten bereich der fahrbahn rechts orientiert befahren. 43selbst unter berücksichtigung des gefahrerhöhenden umstandes, dass der kläger mit seinem rennrad deutlich schneller gefahren ist als die durchschnittliche geschwindigkeit von fahrrädern, kann ihm nicht zum vorwurf gemacht werden, keinen so großen seitenabstand zum fahrzeug des beklagten zu 1. eingehalten zu haben, dass er selbst bei einer vollständigen öffnung der fahrertür nicht mit dieser kollidiert wäre. jedenfalls mit seiner solch groben unachtsamkeit durch den beklagten zu 1. musste der kläger nicht rechnen, selbst wenn ihm die umstände anlass zu der annahme gaben, die fahrzeugtür könne geöffnet werden. 44der höhe nach hält das gericht ein schmerzensgeld von insgesamt 7.500,-- € für angemessen, auf das die beklagten bereits 4.000,-- € gezahlt haben. dem liegen sowohl die in dem arztbrief des vinzenz-pallotti-hospitals vom 02.04.2017 (anlage k 3) niedergelegten unstreitigen befunde als auch die sich aus dem bericht der praxis im köln triangle vom 28.04.2017 (anlage k 4) ergebenden diagnosen zugrunde. warum letztere nicht unfallbedingt sein sollen, legen die beklagten nicht substantiiert dar. immerhin fand die zugrunde liegende untersuchung nur vier wochen nach dem unfall statt und kommt zu ähnlichen feststellungen wie der arztbrief vom 02.04.2017. die abweichungen in der beurteilung lassen sich ohne weiteres durch die unterschiedlichen untersuchungsmethoden erklären: während anlässlich des stationären aufenthaltes röntgen- und ct-bilder gefertigt wurden, wurde am 27.04.2017 eine kernspintomographie durchgeführt. 45auch die vom kläger geschilderten beschwerden während des heilungsprozesses sind plausibel und können zu seinen gunsten bei der bemessung des schmerzensgeldes zugrunde gelegt werden. 46dagegen findet die behauptung des klägers, ein schädel-hirn-trauma erlitten zu haben und nach dem unfall kurz bewusstlos gewesen zu sein, in den schriftlichen befunden keine stütze und ist daher ihrerseits nicht ausreichend substantiiert. 47da verdienstausfall oder ersatz eines haushaltsführungsschadens nicht geltend gemacht werden, bedurfte es insofern keiner weiteren aufklärung. 48was den sachschaden betrifft, hält das gericht den vortrag des klägers grundsätzlich für schlüssig. dass sowohl das rad als auch der fahrradhelm bei dem schweren unfall erheblich beschädigt wurden, ist vollkommen plausibel und ergibt sich auch aus den feststellungen der polizei vor ort. das beklagtenseitige – zulässige – bestreiten mit nichtwissen ist angesichts dessen nicht erheblich. 49allerdings schätzt das gericht gemäß § 287 abs. 1 zpo die höhe des vorteilsausgleichs („neu für alt“), den sich der kläger anrechnen lassen muss, auf 50 %, so dass sich noch ein anspruch in höhe von 1.089,29 € ergibt (2.489,58 € + 289,-- € x 50 % ./. 300,-- €). 50der zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 abs. 1, 288 abs. 1 bgb. 51die restlichen vorgerichtlichen anwaltskosten sind auf basis eines geschäftswertes von 8.889,29 € als weitere materielle schadensposition ersatzfähig, ohne dass verzug vorliegen müsste. 52die prozessualen nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 abs. 1, 708 nr. 11, 709, 711 zpo. das gericht ist bei dem teilweise unzulässigen antrag zu 1. von einem 50 %-igen unterliegen des klägers ausgegangen. 53streitwert: 8.478,58 €
346,082
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15 A 30/20
2022-07-29T00:00:00
Urteil
Tenor Das angefochtene Urteil wird geändert. Das beklagte Studierendenwerk wird unter Aufhebung seines Bescheides vom 25. Oktober 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2018 verpflichtet, der Klägerin für das Studium Bachelor Grundschule mit der Fächerkombination Mathematische Grundbildung, Sprachliche Grundbildung, Englisch und Bildungswissenschaften Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz in gesetzlicher Höhe für das Wintersemester 2017/2018 und das Sommersemester 2018 zu bewilligen. Das beklagte Studierendenwerk trägt in beiden Instanzen die Kosten des Rechtsstreits, für den Gerichtskosten nicht erhoben werden. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Studierendenwerk darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Beschlusses jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet. Die Revision wird zugelassen. 1Tatbestand: 2Die Beteiligten streiten über das Bestehen eines Anspruchs auf Ausbildungsförderung für eine andere Ausbildung, nachdem die Klägerin zum zweiten Mal ihre Fachrichtung gewechselt hat. 3Die Klägerin studierte seit dem Wintersemester 2015/2016 im Studiengang Zwei-Fach-Bachelor mit der Fächerkombination Erziehungswissenschaften und Deutsch für das gymnasiale Lehramt an der X. X1. -Universität in N. und erhielt seit Beginn ihres Studiums Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz. Mit dem Wintersemester 2016/2017 änderte sie ihre Fächerkombination zu Soziologie und Deutsch. Zu Beginn des Wintersemesters 2017/2018 wechselte sie in den Studiengang Bachelor Grundschule mit der Fächerkombination Mathematische Grundbildung, Sprachliche Grundbildung, Englisch und Bildungswissenschaften. Nach dem Wechsel wurde sie für alle vier Fächer in das erste Fachsemester eingeschrieben. Hinsichtlich der Fächer Sprachliche Grundbildung und Bildungswissenschaften geschah dies nur aus Kapazitätsgründen; beide Fachbereiche bescheinigten ihr, dass sie „bereits im 5. Fachsemester angelangt“ sei bzw. „bereits auf dem Niveau des fünften Fachsemesters“ studiere. Aus dem bisher betriebenen Studium wurden ihr 39 Leistungspunkte (LP) für das Fach Sprachliche Grundbildung und 31 LP - davon 13 LP für außercurricular erbrachte Leistungen - für das Fach Bildungswissenschaften angerechnet. 4Am 15. September 2017 beantragte die Klägerin bei dem beklagten Studierendenwerk die Weiterbewilligung von Ausbildungsförderung für das Studienjahr 2017/2018. In einem Begleitschreiben zu ihrem Antrag legte sie dar, dass es schon früh während ihrer Schulzeit ihr Ziel gewesen sei, Lehrerin zu werden. Während des Studiums habe sie zunächst bemerkt, dass das Fach Erziehungswissenschaften für gymnasiales Lehramt ihr zu theoretisch sei und sie zudem zu sehr in ihrer Berufswahl einschränke, da es nur an vereinzelten Gymnasien in Nordrhein-Westfalen im Oberstufenbereich unterrichtet werde. Nach Inanspruchnahme der Studienberatung und Hilfen durch das Zentrum für Lehrerbildung der Universität N. sowie Recherchen im Vorlesungsverzeichnis und der Studienordnung habe sie daraufhin den Wechsel von Erziehungswissenschaften zu Soziologie vollzogen. Dennoch habe sich bei ihr eine erneute Unzufriedenheit eingestellt. Nach einer Berufsberatung beim Arbeitsamt, eigenen Recherchen und erneuter Studienberatung habe sie erkannt, dass sie für dieses Studium nicht geeignet sei. Nach einem Praktikum an einer Grundschule in der Zeit vom 13. März 2017 bis zum 7. April 2017 habe sie stattdessen festgestellt, dass ihr die Arbeit dort mehr liege, da an Grundschulen ein größerer Fokus auf die pädagogische Tätigkeit gelegt werde. Daraufhin habe sie probehalber Vorlesungen und Seminare besucht und sich erneut Hilfe von der Studienberatung geholt. Nach dem erneuten Fachrichtungswechsel sei ihr erlaubt worden, die Module aus Mathematischer Grundbildung und Englisch in vier anstelle von sechs Semestern zu belegen. 5Mit Schreiben vom 25. Oktober 2017 lehnte das beklagte Studierendenwerk den Antrag der Klägerin ab, ihr Ausbildungsförderung für diese andere Ausbildung zu gewähren. Ein nach § 7 Abs. 3 Satz 1 BAföG erforderlicher unabweisbarer Grund für den zweiten Fachrichtungswechsel bestehe nicht. Dieser müsse aber vorliegen, weil sie in Sprachlicher Grundbildung und Bildungswissenschaften in das fünfte Fachsemester eingestuft worden sei und damit nicht mehr bis zum Beginn des vierten Fachsemesters die Fachrichtung gewechselt habe. Die in ihrem Schreiben vorgetragenen Gründe ließen einen Eignungsmangel sowie einen Neigungswandel und damit nur wichtige Gründe im Sinne des § 7 Abs. 3 BAföG erkennen. 6Nach Zurückweisung des Widerspruchs durch Bescheid vom 15. Januar 2018 hat die Klägerin am 16. Februar 2018 Klage erhoben. 7Sie hat vorgetragen: Da bei einem Mehrfächerstudiengang jeder Wechsel eines Faches einen Fachrichtungswechsel darstelle und die Zählung der Fachsemester an die jeweilige Fachrichtung anknüpfe, habe die Zählung nach jedem Wechsel neu zu beginnen. Auf eine Anrechnung nach § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG komme es daher nicht an. Der zweite Fachrichtungswechsel sei auch unverzüglich erfolgt. Ihr sei nicht von Anfang an bewusst gewesen, dass das Fach Soziologie nicht ihren Neigungen entspreche. Zudem sei ihr nicht bereits seit Beginn des Wintersemesters 2016/2017 bewusst gewesen, dass sie das Berufsziel Gymnasiallehrerin nicht mehr anstrebe. Daher habe sie im Folgenden auch nicht nur die Wartezeit vor einem erneuten Fachrichtungswechsel überbrückt. Darüber hinaus habe sie vor dem erneuten Fachrichtungswechsel sich zunächst intensiv mit der Studienordnung auseinandergesetzt, Gespräche mit Beratungsstellen geführt, ein Praktikum an einer Grundschule absolviert und Vorlesungen sowie Seminare besucht. Für den zweiten Fachrichtungswechsel könne daher nicht maßgeblich sein, dass sie vier Semester gebraucht habe, um zu erkennen, dass sie Grundschullehrerin werden wolle. Entscheidend sei, dass sie den Neigungswandel und Eignungsmangel erst nach ihrem ersten Fachrichtungswechsel erkannt habe. Damit sei der zweite Wechsel unverzüglich erfolgt. 8Die Klägerin hat beantragt, 9das beklagte Studierendenwerk unter Aufhebung des Bescheides vom 25. Oktober 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2018 zu verpflichten, ihr für das Studium Bachelor Grundschule mit der Fächerkombination Mathematische Grundbildung, Sprachliche Grundbildung, Englisch und Bildungswissenschaften Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz in gesetzlicher Höhe für den Bewilligungszeitraum Wintersemester 2017/2018 bis zum Sommersemester 2018 zu bewilligen. 10Das beklagte Studierendenwerk hat beantragt, 11die Klage abzuweisen. 12Es hat vorgetragen: Durch die Einführung des § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG habe der Gesetzgeber beabsichtigt, Ungleichbehandlungen in bestimmten Fällen zu beseitigen. Demgegenüber sollten aber keine begünstigenden Ungleichbehandlungen für Studenten geschaffen werden, denen bei Mehrfächerstudiengängen für einen Teil der belegten Fächer die bisher absolvierten Studienleistungen angerechnet würden und die in einem anderen Teil erneut im ersten Fachsemester beginnen müssten. Die Anrechnung der bisher studierten Fachsemester müsse vielmehr auf alle Studienleistungen erfolgen. Entscheidend sei der Gesamtzeitverlust, der durch den Fachrichtungswechsel entstehe. Da die Klägerin in den Fächern Mathematische Grundbildung und Englisch in das erste Fachsemester eingestuft worden sei, sei es zu einem Zeitverlust von vier Semestern gekommen. Die Anrechnungsregelung des § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG könne keine Anwendung finden, sodass sie nicht davon profitieren könne, dass sie sich nach dem bereits zuvor erfolgten Fachrichtungswechsel erneut im zweiten Fachsemester und damit innerhalb der Zeit des § 7 Abs. 3 Satz 1 BAföG befinde. So sei auch nach den Verwaltungsvorschriften der Anrechnungsnachweis bei Mehrfächerstudiengängen für jedes Fach gesondert vorzulegen. Zudem habe sie die Fachrichtung nicht unverzüglich gewechselt. Ihr sei von Anfang an bewusst gewesen, dass das Fach Soziologie nicht ihrer Neigung bzw. Eignung entspreche. Zu Beginn des Wintersemesters 2016/2017 habe sie weiterhin gewusst, dass sie nicht länger das Berufsziel Gymnasiallehramt anstrebe. Sie habe nur deshalb in ihrem bisherigen Studiengang weiterstudiert, um die Wartezeit bis zum Beginn des nächsten Wintersemesters, dem nächstmöglichen Wechselzeitpunkt, zu überbrücken. Bei einem zweiten Fachrichtungswechsel seien strengere Maßstäbe an die Glaubwürdigkeit zu stellen, da die Regelvermutung des § 7 Abs. 3 Satz 4 BAföG bereits durch den ersten Fachrichtungswechsel aufgebraucht sei. 13Mit Urteil vom 26. November 2019 hat das Verwaltungsgericht die Klage unter Zulassung der Berufung abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Nach § 7 Abs. 3 BAföG habe die Klägerin keinen Anspruch auf Bewilligung von Ausbildungsförderung für eine andere als die bislang verfolgte Ausbildung. Es genüge hier nicht, dass die Klägerin für ihren erneuten Fachrichtungswechsel einen wichtigen Grund geltend mache. Vielmehr sei das Vorliegen eines unabweisbaren Grundes zu fordern, weil die Klägerin bei ihrem erneuten Fachrichtungswechsel zum Wintersemester 2017/2018 von der Universität N. in den Fächern Sprachliche Grundbildung und Bildungswissenschaften in das fünfte Fachsemester eingestuft worden sei. Bei Mehrfächerstudiengängen genüge die teilweise Einstufung in ein höheres Fachsemester, um das Vorliegen eines unabweisbaren Grundes für einen förderungsunschädlichen Fachrichtungswechsel zu verlangen. § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG führe hier zu keinem anderen Ergebnis, weil eine Anrechnung nach dieser Vorschrift bei einem Studium mit zwei Hauptfächern nur erfolgen könne, wenn sie beide Fächer betreffe. 14Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Klägerin zuletzt im Wesentlichen vor: 15Sie sei nicht aufgrund der Anrechnung von Studienleistungen in ein höheres Fachsemester eingestuft worden, sondern teilweise nur in das erste Fachsemester eingeschrieben worden. Ihr seien Studienleistungen im Umfang von 70 Leistungspunkten angerechnet worden, was Studienleistungen im Umfang von mehr als zwei Semestern entspreche, da bei dem auf 180 Credits angelegten Bachelorstudium je Semester 30 Credits zu erbringen seien. Eine solche Anrechnung von Studienleistungen genüge zwar nicht den Anforderungen aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Februar 2020 - 5 C 10.18 -. Wenn sie, die Klägerin, hiernach so behandelt würde, als wären ihr keinerlei Studienleistungen angerechnet worden, sei das allerdings nicht mit Art. 3 GG vereinbar. Diese Sichtweise führe in Zwei-Fach-Studiengängen, wie sie etwa für die Lehramtsausbildung kennzeichnend seien, regelmäßig zum Ausschluss der Ausbildungsförderung, wenn auch nur in einem der beiden Fächer ein Wechsel nach Beginn des vierten Fachsemesters stattgefunden habe. Der Umstand, dass ein solcher Wechsel nur in einem Fach deutlich geringere Auswirkungen auf die Studiendauer habe, weil ein Fach beibehalten werde, bleibe bei dieser Sichtweise unberücksichtigt. Richtigerweise könne es nur darauf ankommen, ob eine Anrechnung der Studienleistungen durch die zuständige Stelle erfolgt sei. 16Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts habe sie den streitgegenständlichen Fachrichtungswechsel nach zwei Semestern vorgenommen, da sie ihr bis dahin betriebenes Studium im Zwei-Fach-Bachelor Soziologie/Deutsch erst zum Wintersemester 2016/2017 aufgenommen habe. Auch wenn eine auf den gesamten Studiengang bezogene Anrechnungsentscheidung nicht vorliege, seien im Fach Deutsch jedenfalls Studienleistungen im Umfang von vier Semestern angerechnet worden. Nehme man als Bezugspunkt für die Zählung der Fachsemester hingegen nicht die bisherige Fachrichtung als solche, sondern jedes im Studium verfolgte Fach, dann müsse dies auch bei der Anrechnung von Studienleistungen nach § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG konsequent fortgeführt werden. Mit der Anrechnung von 39 Credits aus dem Fach Deutsch sei ihr faktisch das gesamte bisherige Studium angerechnet worden. In Anbetracht dessen einen unabweisbaren Grund für den Wechsel des Faches zu fordern, sei mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar. Das Studium im Zwei-Fach-Bachelor Deutsch/Soziologie habe sie bis zum Ende des Sommersemesters 2017 mit dem Ziel des entsprechenden Abschlusses fortgeführt. Erst zum Ende dieses Semesters sei ihr klar geworden, dass sie zum Grundschullehramt habe wechseln wollen. 17Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß, 18das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen. 19Das beklagte Studierendenwerk beantragt schriftsätzlich, 20die Berufung zurückzuweisen. 21Es trägt im Wesentlichen vor: Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Februar 2020 - 5 C 10.18 - setze § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG eine Anrechnungsentscheidung auf den gesamten studierten Studiengang voraus, an der es hier fehle. Bei einem Zweifächerstudium könne die Hochschule nach einem Fachrichtungswechsel eine Gesamtentscheidung zu den auf den neuen Studiengang anzurechnenden Studienleistungen treffen und eine entsprechende Semestereinstufung vornehmen. Daran fehle es hier. Die vorgelegte Bescheinigung der Hochschule vom 23. August 2021 differenziere bei der Anrechnung von Leistungen aus dem vorherigen Studiengang der Klägerin eindeutig nach den jeweils studierten Fächern. In den Fächern Mathematische Grundbildung und Englisch seien der Klägerin keine Fachsemester aus ihrer bisherigen Ausbildung angerechnet worden. 22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des beklagten Studierendenwerks Bezug genommen. 23Entscheidungsgründe: 24Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung (§ 87a Abs. 2 und 3, § 101 Abs. 2, § 125 Abs. 1 VwGO). 25Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die begehrte Förderung für den streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum, der das Wintersemester 2017/2018 und das Sommersemester 2018 umfasst. Der Bescheid des beklagten Studierendenwerks vom 25. Oktober 2017 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2018 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). 26Der Anspruch der Klägerin beruht auf § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BAföG. Die Klägerin hat im streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum eine förderungsfähige Hochschulausbildung fortgeführt. Der Umstand, dass sie zum Wintersemester 2017/2018 einen (weiteren) Fachrichtungswechsel vorgenommen hat, indem sie anstelle des bis dahin betriebenen Studiums (Zwei-Fach-Bachelor für das gymnasiale Lehramt, zuletzt mit der Fächerkombination Soziologie und Deutsch) nunmehr die Ausbildung im Studiengang Bachelor Grundschulen mit der Fächerkombination Mathematische Grundbildung, Sprachliche Grundbildung, Englisch und Bildungswissenschaften aufnahm, steht einem Förderungsanspruch nicht entgegen. Für diesen Fachrichtungswechsel bedarf es nach § 7 Abs. 3 Satz 1 BAföG nicht der Darlegung eines unabweisbaren Grundes (Nr. 2). Es genügt ein wichtiger Grund (Nr. 1), der hier vorliegt. 27Gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 BAföG wird Ausbildungsförderung für eine andere Ausbildung geleistet, wenn der Auszubildende aus wichtigem Grund (Nr. 1) oder aus unabweisbarem Grund (Nr. 2) die Ausbildung abgebrochen oder die Fachrichtung gewechselt hat; bei Auszubildenden an Höheren Fachschulen, Akademien und Hochschulen gilt Nummer 1 nur bis zum Beginn des vierten Fachsemesters. 28Die Klägerin hat den Fachrichtungswechsel zum Wintersemester 2017/2018 vor Beginn des vierten Fachsemesters vorgenommen (dazu I.). Daher bedarf es nur eines wichtigen Grundes für den Wechsel, der in ihrem Fall gegeben ist (dazu II.). 29I. Die Klägerin befand sich im Sommersemester 2017 in dem Fach Deutsch bereits im vierten Fachsemester und in dem weiteren Fach Soziologie erst im zweiten Fachsemester. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass es für die Frage der Rechtzeitigkeit des Fachrichtungswechsels bei einem Zweifächerstudium mit unterschiedlicher Fachsemesterzählung grundsätzlich auf das Fach mit der höheren Einstufung ankommt (dazu 1.). Der Klägerin kommt allerdings die Vorschrift des § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG zugute, wonach bei der Bestimmung des nach den Sätzen 1 und 4 maßgeblichen Fachsemesters die Zahl der Semester abgezogen wird, die nach Entscheidung der Ausbildungsstätte aus der ursprünglich betriebenen Fachrichtung auf den neuen Studiengang angerechnet werden. Die Anrechnung führt in ihrem Fall dazu, dass sie Fachrichtungswechsel vor Beginn des vierten Fachsemesters vorgenommen hat (dazu 2.). 301. Die „Fachrichtung“ ist ein durch Lehrpläne und Ausbildungs- bzw. Prüfungsordnungen geregelter Ausbildungsgang, der auf einen bestimmten, berufsqualifizierenden Abschluss oder ein bestimmtes Ausbildungsziel ausgerichtet ist und für den in der Regel die Mindestdauer sowie Zahl und Art der Unterrichts- bzw. Lehrveranstaltungen festgelegt sind. 31Zu dieser Definition vgl. Tz. 7.3.2. BAföG VwV; Buter, in: Rothe/Blanke, BAföG, Stand: Juli 2019, § 7 Rn. 47. 32Im Fall eines Mehrfächerstudiums wird diese Fachrichtung durch die zum Gegenstand der Immatrikulation gemachte Auswahl und Kombination zweier (oder mehrerer) Studienfächer beschrieben. Die Fachsemesterzählung kann in einem solchen Fall, auch wenn sie in Bezug auf die einzelnen Studienfächer unterschiedlich ausfallen mag, bei der Anwendung des § 7 Abs. 3 Satz 1 BAföG nur zu einem einheitlichen Ergebnis führen. Dabei besteht jedenfalls dann keine Veranlassung, das Fach mit der höheren Fachsemestereinstufung außer Acht zu lassen, wenn es sich hierbei um das Hauptfach handelt oder beide Fächer gleiches Gewicht haben. Letzteres ist hier der Fall. Die aktuellen Informationen der N. zum Zwei-Fach-Bachelor mit dem Ziel Lehramt an Gymnasien und Grundschulen weisen Fach 1 und Fach 2 als gleichgewichtig (jeweils 75 LP) aus. 33https://www.uni-n.de/Lehrerbildung/lehramtsstudium/bachelor/gyge.html 34Für das von der Klägerin bis zum Sommersemester 2017 betriebene Studium ist nichts anderes anzunehmen. 35Eine nach Studienfächern getrennte Zählung der Fachsemester bei einem Mehrfächerstudium knüpft an den auf das einzelne Fach bezogenen Begriff des „Fachsemesters“ an und ist sachgerecht, weil sie in dem Fall, dass der Studierende ein Fach wechselt und ein anderes fortführt, auf den typischerweise differierenden Ausbildungsfortschritt Rücksicht nimmt. Eine einheitliche, auf die (neue) Fächerkombination bezogene Semesterzählung kann dies nicht leisten. Ließe man in dem beschriebenen Fall eine solche Zählung mit dem Wechsel des einen Fachs neu beginnen, bliebe der erreichte Studienfortschritt in dem fortgeführten Fach unberücksichtigt. 36Bei einem Mehrfächerstudium bestimmt die fachbezogene, d. h. getrennte Zählung der Fachsemester auch den Zeitpunkt für die notwendige Vorlage der (ebenso fachbezogenen) Leistungsbescheinigungen nach § 48 Abs. 1 BAföG und führt nach einem Wechsel nur eines der Fächer insofern zu unterschiedlichen Vorlagezeitpunkten. 37Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juli 1984 - 5 C 130.81 -, juris Rn. 19. 38Das spiegelt sich in der Verwaltungspraxis zu § 48 Abs. 1 BAföG wider. Denn nach Tz. 48.1.7 BAföG-VwV ist bei einem Lehramtsstudium mit zwei Pflichtfächern oder bei einem sonstigen Studium mit mehreren Fächern, wenn nur ein Fach gewechselt, das andere aber beibehalten wird, die Eignungsbescheinigung in dem nicht gewechselten Fach zum Ende des vierten Fachsemesters vorzulegen. In dem gewechselten Fach ist die Eignungsbescheinigung ebenfalls zum Ende des vierten in diesem Fach verbrachten Semesters vorzulegen. 39Tritt bei einem Mehrfächerstudium ein Fachrichtungswechsel dadurch ein, dass nur eines der beiden Fächer gewechselt worden ist, so führt die getrennte (fachbezogene) Zählung der Fachsemester dazu, dass die Zählung in dem anderen, fortgeführten Fach unverändert weiterläuft. Die Frage, ob bei einer Anrechnung von Semestern nach einem Fachrichtungswechsel Veranlassung besteht, von dem Regelfall des Neubeginns der Zählung der Fachsemester abzuweichen, 40vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 26. November 1998 - 5 C 39.97 -, juris Rn.10, 41kann sich unter diesen Umständen lediglich für das neu aufgenommene Fach stellen, wenn in dem aufgegebenen Fach erbrachte Studienleistungen insoweit anrechenbar sind. 422. Verbleibt es somit - als Zwischenergebnis - zunächst dabei, dass die Klägerin den zweiten Fachrichtungswechsel zum Wintersemester 2017/2018 nach Beginn des vierten Fachsemesters in dem Fach Deutsch vornahm, so kommt allerdings insoweit die Vorschrift des § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG zum Tragen. Danach wird bei der Bestimmung des nach den Sätzen 1 und 4 maßgeblichen Fachsemesters die Zahl der Semester abgezogen, die nach Entscheidung der Ausbildungsstätte aus der ursprünglich betriebenen Fachrichtung auf den neuen Studiengang angerechnet werden. 43a) Mit der Entscheidung der Ausbildungsstätte im Sinne des § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG ist die hochschulrechtliche Anerkennungs- bzw. Anrechnungsentscheidung gemeint, die Voraussetzung für eine Einschreibung bzw. Einstufung in ein höheres Fachsemester der neuen anderen Ausbildung ist. Getroffen wird sie durch die hierzu berufenen Einrichtungen der Ausbildungsstätten, d. h. die nach dem jeweiligen Landeshochschulrecht für die Entscheidung über die Anerkennung bisheriger Studienzeiten, Studien- und Prüfungsleistungen als gleichwertig zuständigen Stellen der in § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 und Satz 4 Halbs. 2 BAföG genannten Höheren Fachschulen, Akademien und Hochschulen. Insofern wird der Begriff der Ausbildungsstätte in § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG in einem anderen Sinne verwendet als der gleichlautende Begriff in § 2 BAföG. Eine fehlende Anerkennungsentscheidung kann weder durch das Amt für Ausbildungsförderung noch - im Rechtsstreit über Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - durch das Verwaltungsgericht ersetzt werden. 44Vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Februar 2020 - 5 C 10.18 -, juris Rn. 11 ff. 45Die Entscheidung über die Anerkennung von Studienzeiten aus der ursprünglich verfolgten Fachrichtung auf den neuen Studiengang ist nach § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG anspruchsbegründend und gemäß § 15a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BAföG bei der Bestimmung der Förderungshöchstdauer für das Amt für Ausbildungsförderung ausnahmslos bindend. Durch diese Bindung wird das Amt für Ausbildungsförderung von aufwändigen Sachverhaltsermittlungen und von unter Umständen schwierigen rechtlichen Bewertungen unter Heranziehung der Studienordnungen befreit, die Angelegenheit der Hochschule sind. Soweit die Anerkennung von Studienzeiten aus der ursprünglich betriebenen Fachrichtung nicht von Amts wegen vorgenommen wird, können Studierende in zumutbarer Weise hierauf Einfluss nehmen. Denn sie können im Regelfall mit Aussicht auf Erfolg bei der zuständigen Stelle der Hochschule einen entsprechenden Anerkennungsantrag stellen und so den Förderungsausschluss durch eigenes Verhalten abwenden. Das notwendige verfahrensrechtliche Interesse für einen solchen Antrag und dessen sachliche Bescheidung folgt aus § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG. 46Vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Februar 2020 - 5 C 10.18 -, juris Rn. 24 f. 47b) Eine einheitliche Anrechnung von Semestern „aus der ursprünglich betriebenen Fachrichtung auf den neuen Studiengang“ - also von dem Zwei-Fach-Bachelor Soziologie/Deutsch auf den Bachelor Grundschule mit der Fächerkombination Mathematische Grundbildung, Sprachliche Grundbildung, Englisch und Bildungswissenschaften - hat im Fall der Klägerin zwar nicht stattgefunden. In der hier vorliegenden Konstellation eines Mehrfächerstudiums kommt es indes darauf an, dass der Klägerin aus dem (über vier Semester betriebenen) Studium in dem Fach Deutsch in dem erforderlichen Umfang Leistungen für das Studium in den Fächern Sprachliche Grundbildung und Bildungswissenschaften angerechnet worden sind. 48Ist bei einem Mehrfächerstudium, wie dargelegt, eine fachbezogene Semesterzählung maßgebend, so ist es systemgerecht, die Anwendung des § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG ebenfalls daran auszurichten, welche „Zahl von Semestern“ aus den bis zum Wechsel studierten Fächern jeweils auf den neuen Studiengang angerechnet worden sind. Der Wortlaut der Vorschrift lässt eine solche Auslegung zu. Eine Anrechnung von Semestern „aus der ursprünglich betriebenen Fachrichtung“ muss im Fall einer Fächerkombination nicht notwendigerweise einheitlich erfolgen, sondern kann auch einer nach Fächern getrennte Anrechnung bedeuten. Auch die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/5172, S. 18) steht diesem Verständnis nicht entgegen. Mit der fachbezogenen Anrechnung lassen sich ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen vermeiden, die bei einer einheitlichen Anrechnungsentscheidung für die in einem Mehrfächerstudium erbrachten Leistungen entstehen können. Denn die anrechenbaren Leistungen können, wie der vorliegende Fall verdeutlicht, bei den studierten Fächern erheblich variieren. Eine nivellierte „Gesamtanrechnung“ führt dann notwendigerweise dazu, dass die anzurechnenden Leistungen in den einzelnen Fächern entweder unter- oder überbewertet werden. Das wirkt sich entsprechend auf die Fachsemesterzählung aus, wenn diese nach einem Fachrichtungswechsel fachbezogen fortgeführt wird. 49c) Dass die Klägerin nach dem Fachrichtungswechsel zum Wintersemester 2017/2018 in den Fächern Sprachliche Grundbildung und Bildungswissenschaften faktisch in das fünfte Fachsemester eingestuft worden ist, lässt allerdings für sich betrachtet noch nicht auf eine Anrechnungsentscheidung der Hochschule schließen, die auf eine bestimmte Zahl von Semestern aus dem Fach Deutsch zielt. Denn das Ausbildungsförderungsamt, dem der Gesetzgeber keine eigene Prüfung der Anrechnung von Studienleistungen überantworten wollte, kann allein aus der Bescheinigung einer solchen Einstufung nicht erkennen, in welchem Umfang diese Einstufung gerade auf den im Fach Deutsch erbrachten Leistungen beruht. Das zeigt sich im vorliegenden Fall schon daran, dass von den 31 LP, die der Klägerin für das Fach Bildungswissenschaften anerkannt worden sind, 4 LP auf eine besuchte Veranstaltung im Fach Soziologie entfielen (vgl. hierzu die im Berufungsverfahren eingeholte Stellungnahme der WWU N. vom 5. April 2022). Nicht auszuschließen ist auch, dass hierbei Leistungen mitberücksichtigt worden sind, welche die Klägerin im Fach Erziehungswissenschaften erbracht hatte. 50d) Eine Anrechnungsentscheidung im Sinne des § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG ist allerdings darin zu sehen, dass der Klägerin 39 LP für das Fach Sprachliche Grundbildung angerechnet worden sind (vgl. dazu die Bescheinigungen bzw. Stellungsnahmen der WWU N. vom 23. August 2021, 16. Dezember 2021 und 7. April 2022). Aus der Stellungnahme vom 7. April 2022 geht eindeutig hervor, dass sämtliche angerechneten Leistungspunkte auf Leistungen entfielen, welche die Klägerin im Fach Deutsch erbracht hatte. 51Die Anrechnung von Leistungspunkten bietet eine ausreichende Grundlage für die Anwendung des § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG. Aus der Zahl der angerechneten Leistungspunkte (hier: 39) ist ohne Weiteres abzuleiten, dass der Klägerin Studienleistungen im Umfang mindestens eines Semesters aus dem Fach Deutsch angerechnet worden sind. 52Ist ein Bachelorstudium mit einer Regelstudienzeit von sechs Semestern auf die Erbringung von 180 LP angelegt, wie es bei dem von der Klägerin betriebenen Studium im Zwei-Fach-Bachelor der Fall war, 53https://www.uni-n.de/imperia/md/content/lehrerbildung/studiumlehramt/allgemein_zfl-erstsemesterinfo-bkgyge.pdf, 54so können die Studienleistungen eines Semesters mit 30 LP bewertet werden. Das gilt auch für die von § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG vorausgesetzte Anrechnung einer bestimmten „Zahl von Semestern“ aufgrund von Studienleistungen, die der Auszubildende vor einem Fachrichtungswechsel erbracht hat. Der auf dieser Basis mögliche Transfer von Leistungspunkten zu einer Semesterzahl erfolgt rein rechnerisch und greift nicht in die der Anrechnung zugrunde liegende Bewertungskompetenz der Hochschule ein. 55Die Anrechnung von 39 LP aus dem Fach Deutsch entspricht Studienleistungen im Umfang mindestens eines Semesters. Abgesehen davon, dass schon die Anzahl dieser Leistungspunkte über die für ein Semester zu erbringenden Leistungen hinausgeht, kommt hier hinzu, dass die Klägerin ein Zweifächerstudium betrieb, in dem die für ein Semester je Fach zu erwartenden Leistungen entsprechend geringer zu veranschlagen sind. 56Einer weitergehenden Bestimmung oder Bestimmbarkeit der „Zahl der Semester“, auf die § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG abstellt, bedarf es im vorliegenden Fall nicht, weil schon die Anrechnung eines Semesters aus dem Fach Deutsch dazu führt, dass die Klägerin den zweiten Fachrichtungswechsel zum Wintersemester 2017/2018 in diesem Fach vor Beginn des vierten Fachsemesters vorgenommen hat und es insofern nur noch eines - hier vorliegenden - wichtigen Grundes für den Fachrichtungswechsel bedarf. 57II. Für den Fachrichtungswechsel der Klägerin lag ein wichtiger Grund vor (dazu 1.) Sie hat den Fachrichtungswechsel auch rechtzeitig vorgenommen (dazu 2.). 581. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BAföG ist anzunehmen, wenn dem Auszubildenden unter Berücksichtigung aller im Rahmen der Ausbildungsförderung erheblichen Umstände, die sowohl durch die an Ziel und Zweck der Ausbildungsförderung orientierten öffentlichen Interessen als auch durch die Interessen des Auszubildenden bestimmt werden, die Fortsetzung der bisherigen Ausbildung nicht mehr zumutbar ist. Orientiert an dem Grundsatz des § 1 BAföG, dem Auszubildenden eine seiner Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung zu gewährleisten, sind hierbei im Bereich der Interessen des Auszubildenden Umstände zu berücksichtigen, die an seine Neigung, Eignung und Leistung anknüpfen. In Betracht kommt etwa ein ernstzunehmender Neigungswandel, für den kennzeichnend ist, dass der Auszubildende sich während der bisherigen Ausbildung klar darüber wird, nicht die bisherige, sondern eine andere Ausbildung entspreche seiner Neigung. 59Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 1995 - 11 C 18.94 -, juris Rn. 14, m. w. N. 60Die Berücksichtigung eines Neigungswandels setzt allerdings voraus, dass der Auszubildende vor der Aufnahme der Ausbildung davon ausgegangen ist, das zunächst gewählte Fach entspreche seiner Neigung. 61Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juni 1990 - 5 C 45.87 -, juris Rn. 11, m. w. N. 62Ausgehend von diesen Grundsätzen kann sich die Klägerin auf einen wichtigen Grund berufen. Sie hat mit ihrem an das beklagte Studierendenwerk adressierten Schreiben vom 15. September 2017 einen ernstzunehmenden Neigungswandel plausibel dargelegt. 63Es spricht auch nichts Konkretes dagegen, dass die Klägerin zunächst davon ausgegangen ist, das Studium im Lehramt für das Gymnasium (zuletzt in der Fächerkombination Deutsch und Soziologie) entspreche ihrer Neigung. In ihrem Schreiben vom 15. September 2017 hat sie - ebenfalls schlüssig - ausgeführt, aus welchen Gründen sie sich ursprünglich für dieses Studium im Gymnasiallehramt entschieden hatte und weshalb sie sodann von Erziehungswissenschaften zu Soziologie wechselte. Dass nach Aufnahme eines Lehramtsstudiums, insbesondere aufgrund erster Praxiserfahrungen, ein Neigungswandel zu einer anderen Schulform bzw. zu einer neuen Fächerkombination zutage tritt, erscheint nicht ungewöhnlich. Die erstinstanzliche Behauptung des beklagten Studierendenwerks, der Klägerin sei von Anfang an bewusst gewesen, dass das Studium der Soziologie weder ihren Neigungen noch ihrer Eignung entspreche, findet im dem vorgenannten Schreiben vom 15. September 2017 keine Grundlage. Die Ausführungen der Klägerin dazu, dass „trotz Aufnahme des sozialwissenschaftlichen Schwerpunktes […] eine neue Unzufriedenheit“ entstanden sei, geben nichts dafür her, wie die Klägerin vor jenem Fächerwechsel zu dem neuen Fach eingestellt war. 642. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wird dem Auszubildenden entsprechend seinem Ausbildungsstand und Erkenntnisvermögen zugemutet, den Gründen, die einer Fortsetzung der bisherigen Ausbildung entgegenstehen, rechtzeitig zu begegnen. Sobald der Auszubildende sich Gewissheit über die fehlende Neigung für das bisher gewählte Fach verschafft hat, muss er deshalb, damit ein wichtiger Grund im Sinne des § 7 Abs. 3 BAföG bejaht werden kann, unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern (vgl. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB), die erforderlichen Konsequenzen ziehen und die bisherige Ausbildung abbrechen. Diese Verpflichtung ergibt sich aus den Anforderungen selbst, die an das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 7 Abs. 3 BAföG zu stellen sind; dazu gehört auch die Pflicht des Auszubildenden, seine Ausbildung umsichtig zu planen und zielstrebig durchzuführen. Ob der Auszubildende seiner Verpflichtung zu unverzüglichem Handeln entsprochen hat, beurteilt sich dabei nicht allein nach objektiven Umständen. Es ist vielmehr auch in subjektiver Hinsicht zu prüfen, ob ein etwaiges Unterlassen notwendiger Maßnahmen dem Auszubildenden vorwerfbar ist und ihn damit ein Verschulden trifft oder ob ein solches Unterlassen durch ausbildungsbezogene Umstände gerechtfertigt ist. 65Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juni 1990 - 5 C 45.87 -, juris Rn. 13, m. w. N. 66Daran gemessen hat die Klägerin ihrer Verpflichtung zu unverzüglichem Handeln entsprochen. Aus den Verwaltungsvorgängen und dem Vorbringen der Beteiligten im Gerichtsverfahren ergeben sich keine Hinweise darauf, dass die Klägerin den mit dem Neigungswandel einhergehenden Entschluss, in das Studium zum Lehramt an Grundschulen zu wechseln, schon vor Beginn des Wintersemesters 2016/2017 gefasst hat. Viel spricht dafür, dass sie diesen Entschluss im Dezember 2016 fasste, nachdem mit der Studienberatung an der WWU N. offenbar geklärt worden war, mit welchen Maßgaben sie das Studium im Bachelor Grundschule aufnehmen konnte. Eine Umsetzung des Fachrichtungswechsels schon zum Sommersemester 2017 war ihr nicht möglich, da das Lehramtsstudium in dem neuen Studiengang erst zum nachfolgenden Wintersemester aufgenommen werden konnte. 67Ein unverzügliches Handeln setzte nicht voraus, dass die Klägerin neben der frühestmöglichen Einschreibung in den Bachelor Grundschule auch das bis dahin betriebene Studium im Zwei-Fach-Bachelor umgehend nach dem Entschluss zum Fachrichtungswechsel aufgab. Auf letzteres kam es für die Rechtzeitigkeit des Fachrichtungswechsels nicht an. Zwar heißt es in vorstehend zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, dass der Auszubildende, „damit ein wichtiger Grund im Sinne des § 7 Abs. 3 BAföG bejaht werden kann, unverzüglich […] die erforderlichen Konsequenzen ziehen und die bisherige Ausbildung abbrechen (muss)“. Diese Anforderung hängt indes im Fall eines Fachrichtungswechsels mit der Aufnahme des neuen Studiengangs zusammen, ist also dahingehend zu verstehen, dass der Abbruch der bisherigen Ausbildung zeitgerecht erfolgen muss, um die neue Ausbildung frühestmöglich aufzunehmen. Diesem Erfordernis hat die Klägerin entsprochen. 68Ob das Fortführen des Studiums im Zwei-Fach-Bachelor bis zum Ende des Sommersemesters 2017 Auswirkungen auf Anspruch auf Förderung dieser Ausbildung hatte (mit Blick auf den vom beklagten Studierendenwerk thematisierten fehlenden „Abschlusswillen“), ist für den vorliegenden Rechtsstreit nicht erheblich. 69Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO. 70Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO. 71Die Zulassung der Revision beruht auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die Frage, wie die Fachsemesterzählung im Rahmen des § 7 Abs. 3 BAföG bei einem Mehrfächerstudium - auch mit Blick auf Satz 5 der Vorschrift - vorzunehmen ist, vermittelt eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.
das angefochtene urteil wird geändert. das beklagte studierendenwerk wird unter aufhebung seines bescheides vom 25. oktober 2017 in der gestalt des widerspruchsbescheides vom 15. januar 2018 verpflichtet, der klägerin für das studium bachelor grundschule mit der fächerkombination mathematische grundbildung, sprachliche grundbildung, englisch und bildungswissenschaften ausbildungsförderung nach dem bundesausbildungsförderungsgesetz in gesetzlicher höhe für das wintersemester 2017/2018 und das sommersemester 2018 zu bewilligen. das beklagte studierendenwerk trägt in beiden instanzen die kosten des rechtsstreits, für den gerichtskosten nicht erhoben werden. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. das beklagte studierendenwerk darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aufgrund des beschlusses jeweils vollstreckbaren betrags abwenden, wenn nicht die klägerin vor der vollstreckung sicherheit in entsprechender höhe leistet. die revision wird zugelassen. 1
2die beteiligten streiten über das bestehen eines anspruchs auf ausbildungsförderung für eine andere ausbildung, nachdem die klägerin zum zweiten mal ihre fachrichtung gewechselt hat. 3die klägerin studierte seit dem wintersemester 2015/2016 im studiengang zwei-fach-bachelor mit der fächerkombination erziehungswissenschaften und deutsch für das gymnasiale lehramt an der x. x1. -universität in n. und erhielt seit beginn ihres studiums ausbildungsförderung nach dem bundesausbildungsförderungsgesetz. mit dem wintersemester 2016/2017 änderte sie ihre fächerkombination zu soziologie und deutsch. zu beginn des wintersemesters 2017/2018 wechselte sie in den studiengang bachelor grundschule mit der fächerkombination mathematische grundbildung, sprachliche grundbildung, englisch und bildungswissenschaften. nach dem wechsel wurde sie für alle vier fächer in das erste fachsemester eingeschrieben. hinsichtlich der fächer sprachliche grundbildung und bildungswissenschaften geschah dies nur aus kapazitätsgründen; beide fachbereiche bescheinigten ihr, dass sie „bereits im 5. fachsemester angelangt“ sei bzw. „bereits auf dem niveau des fünften fachsemesters“ studiere. aus dem bisher betriebenen studium wurden ihr 39 leistungspunkte (lp) für das fach sprachliche grundbildung und 31 lp - davon 13 lp für außercurricular erbrachte leistungen - für das fach bildungswissenschaften angerechnet. 4am 15. september 2017 beantragte die klägerin bei dem beklagten studierendenwerk die weiterbewilligung von ausbildungsförderung für das studienjahr 2017/2018. in einem begleitschreiben zu ihrem antrag legte sie dar, dass es schon früh während ihrer schulzeit ihr ziel gewesen sei, lehrerin zu werden. während des studiums habe sie zunächst bemerkt, dass das fach erziehungswissenschaften für gymnasiales lehramt ihr zu theoretisch sei und sie zudem zu sehr in ihrer berufswahl einschränke, da es nur an vereinzelten gymnasien in nordrhein-westfalen im oberstufenbereich unterrichtet werde. nach inanspruchnahme der studienberatung und hilfen durch das zentrum für lehrerbildung der universität n. sowie recherchen im vorlesungsverzeichnis und der studienordnung habe sie daraufhin den wechsel von erziehungswissenschaften zu soziologie vollzogen. dennoch habe sich bei ihr eine erneute unzufriedenheit eingestellt. nach einer berufsberatung beim arbeitsamt, eigenen recherchen und erneuter studienberatung habe sie erkannt, dass sie für dieses studium nicht geeignet sei. nach einem praktikum an einer grundschule in der zeit vom 13. märz 2017 bis zum 7. april 2017 habe sie stattdessen festgestellt, dass ihr die arbeit dort mehr liege, da an grundschulen ein größerer fokus auf die pädagogische tätigkeit gelegt werde. daraufhin habe sie probehalber vorlesungen und seminare besucht und sich erneut hilfe von der studienberatung geholt. nach dem erneuten fachrichtungswechsel sei ihr erlaubt worden, die module aus mathematischer grundbildung und englisch in vier anstelle von sechs semestern zu belegen. 5mit schreiben vom 25. oktober 2017 lehnte das beklagte studierendenwerk den antrag der klägerin ab, ihr ausbildungsförderung für diese andere ausbildung zu gewähren. ein nach § 7 abs. 3 satz 1 bafög erforderlicher unabweisbarer grund für den zweiten fachrichtungswechsel bestehe nicht. dieser müsse aber vorliegen, weil sie in sprachlicher grundbildung und bildungswissenschaften in das fünfte fachsemester eingestuft worden sei und damit nicht mehr bis zum beginn des vierten fachsemesters die fachrichtung gewechselt habe. die in ihrem schreiben vorgetragenen gründe ließen einen eignungsmangel sowie einen neigungswandel und damit nur wichtige gründe im sinne des § 7 abs. 3 bafög erkennen. 6nach zurückweisung des widerspruchs durch bescheid vom 15. januar 2018 hat die klägerin am 16. februar 2018 klage erhoben. 7sie hat vorgetragen: da bei einem mehrfächerstudiengang jeder wechsel eines faches einen fachrichtungswechsel darstelle und die zählung der fachsemester an die jeweilige fachrichtung anknüpfe, habe die zählung nach jedem wechsel neu zu beginnen. auf eine anrechnung nach § 7 abs. 3 satz 5 bafög komme es daher nicht an. der zweite fachrichtungswechsel sei auch unverzüglich erfolgt. ihr sei nicht von anfang an bewusst gewesen, dass das fach soziologie nicht ihren neigungen entspreche. zudem sei ihr nicht bereits seit beginn des wintersemesters 2016/2017 bewusst gewesen, dass sie das berufsziel gymnasiallehrerin nicht mehr anstrebe. daher habe sie im folgenden auch nicht nur die wartezeit vor einem erneuten fachrichtungswechsel überbrückt. darüber hinaus habe sie vor dem erneuten fachrichtungswechsel sich zunächst intensiv mit der studienordnung auseinandergesetzt, gespräche mit beratungsstellen geführt, ein praktikum an einer grundschule absolviert und vorlesungen sowie seminare besucht. für den zweiten fachrichtungswechsel könne daher nicht maßgeblich sein, dass sie vier semester gebraucht habe, um zu erkennen, dass sie grundschullehrerin werden wolle. entscheidend sei, dass sie den neigungswandel und eignungsmangel erst nach ihrem ersten fachrichtungswechsel erkannt habe. damit sei der zweite wechsel unverzüglich erfolgt. 8die klägerin hat beantragt, 9das beklagte studierendenwerk unter aufhebung des bescheides vom 25. oktober 2017 in der gestalt des widerspruchsbescheides vom 15. januar 2018 zu verpflichten, ihr für das studium bachelor grundschule mit der fächerkombination mathematische grundbildung, sprachliche grundbildung, englisch und bildungswissenschaften ausbildungsförderung nach dem bundesausbildungsförderungsgesetz in gesetzlicher höhe für den bewilligungszeitraum wintersemester 2017/2018 bis zum sommersemester 2018 zu bewilligen. 10das beklagte studierendenwerk hat beantragt, 11die klage abzuweisen. 12es hat vorgetragen: durch die einführung des § 7 abs. 3 satz 5 bafög habe der gesetzgeber beabsichtigt, ungleichbehandlungen in bestimmten fällen zu beseitigen. demgegenüber sollten aber keine begünstigenden ungleichbehandlungen für studenten geschaffen werden, denen bei mehrfächerstudiengängen für einen teil der belegten fächer die bisher absolvierten studienleistungen angerechnet würden und die in einem anderen teil erneut im ersten fachsemester beginnen müssten. die anrechnung der bisher studierten fachsemester müsse vielmehr auf alle studienleistungen erfolgen. entscheidend sei der gesamtzeitverlust, der durch den fachrichtungswechsel entstehe. da die klägerin in den fächern mathematische grundbildung und englisch in das erste fachsemester eingestuft worden sei, sei es zu einem zeitverlust von vier semestern gekommen. die anrechnungsregelung des § 7 abs. 3 satz 5 bafög könne keine anwendung finden, sodass sie nicht davon profitieren könne, dass sie sich nach dem bereits zuvor erfolgten fachrichtungswechsel erneut im zweiten fachsemester und damit innerhalb der zeit des § 7 abs. 3 satz 1 bafög befinde. so sei auch nach den verwaltungsvorschriften der anrechnungsnachweis bei mehrfächerstudiengängen für jedes fach gesondert vorzulegen. zudem habe sie die fachrichtung nicht unverzüglich gewechselt. ihr sei von anfang an bewusst gewesen, dass das fach soziologie nicht ihrer neigung bzw. eignung entspreche. zu beginn des wintersemesters 2016/2017 habe sie weiterhin gewusst, dass sie nicht länger das berufsziel gymnasiallehramt anstrebe. sie habe nur deshalb in ihrem bisherigen studiengang weiterstudiert, um die wartezeit bis zum beginn des nächsten wintersemesters, dem nächstmöglichen wechselzeitpunkt, zu überbrücken. bei einem zweiten fachrichtungswechsel seien strengere maßstäbe an die glaubwürdigkeit zu stellen, da die regelvermutung des § 7 abs. 3 satz 4 bafög bereits durch den ersten fachrichtungswechsel aufgebraucht sei. 13mit urteil vom 26. november 2019 hat das verwaltungsgericht die klage unter zulassung der berufung abgewiesen und zur begründung im wesentlichen ausgeführt: nach § 7 abs. 3 bafög habe die klägerin keinen anspruch auf bewilligung von ausbildungsförderung für eine andere als die bislang verfolgte ausbildung. es genüge hier nicht, dass die klägerin für ihren erneuten fachrichtungswechsel einen wichtigen grund geltend mache. vielmehr sei das vorliegen eines unabweisbaren grundes zu fordern, weil die klägerin bei ihrem erneuten fachrichtungswechsel zum wintersemester 2017/2018 von der universität n. in den fächern sprachliche grundbildung und bildungswissenschaften in das fünfte fachsemester eingestuft worden sei. bei mehrfächerstudiengängen genüge die teilweise einstufung in ein höheres fachsemester, um das vorliegen eines unabweisbaren grundes für einen förderungsunschädlichen fachrichtungswechsel zu verlangen. § 7 abs. 3 satz 5 bafög führe hier zu keinem anderen ergebnis, weil eine anrechnung nach dieser vorschrift bei einem studium mit zwei hauptfächern nur erfolgen könne, wenn sie beide fächer betreffe. 14zur begründung ihrer berufung trägt die klägerin zuletzt im wesentlichen vor: 15sie sei nicht aufgrund der anrechnung von studienleistungen in ein höheres fachsemester eingestuft worden, sondern teilweise nur in das erste fachsemester eingeschrieben worden. ihr seien studienleistungen im umfang von 70 leistungspunkten angerechnet worden, was studienleistungen im umfang von mehr als zwei semestern entspreche, da bei dem auf 180 credits angelegten bachelorstudium je semester 30 credits zu erbringen seien. eine solche anrechnung von studienleistungen genüge zwar nicht den anforderungen aus dem urteil des bundesverwaltungsgerichts vom 6. februar 2020 - 5 c 10.18 -. wenn sie, die klägerin, hiernach so behandelt würde, als wären ihr keinerlei studienleistungen angerechnet worden, sei das allerdings nicht mit art. 3 gg vereinbar. diese sichtweise führe in zwei-fach-studiengängen, wie sie etwa für die lehramtsausbildung kennzeichnend seien, regelmäßig zum ausschluss der ausbildungsförderung, wenn auch nur in einem der beiden fächer ein wechsel nach beginn des vierten fachsemesters stattgefunden habe. der umstand, dass ein solcher wechsel nur in einem fach deutlich geringere auswirkungen auf die studiendauer habe, weil ein fach beibehalten werde, bleibe bei dieser sichtweise unberücksichtigt. richtigerweise könne es nur darauf ankommen, ob eine anrechnung der studienleistungen durch die zuständige stelle erfolgt sei. 16entgegen der auffassung des verwaltungsgerichts habe sie den streitgegenständlichen fachrichtungswechsel nach zwei semestern vorgenommen, da sie ihr bis dahin betriebenes studium im zwei-fach-bachelor soziologie/deutsch erst zum wintersemester 2016/2017 aufgenommen habe. auch wenn eine auf den gesamten studiengang bezogene anrechnungsentscheidung nicht vorliege, seien im fach deutsch jedenfalls studienleistungen im umfang von vier semestern angerechnet worden. nehme man als bezugspunkt für die zählung der fachsemester hingegen nicht die bisherige fachrichtung als solche, sondern jedes im studium verfolgte fach, dann müsse dies auch bei der anrechnung von studienleistungen nach § 7 abs. 3 satz 5 bafög konsequent fortgeführt werden. mit der anrechnung von 39 credits aus dem fach deutsch sei ihr faktisch das gesamte bisherige studium angerechnet worden. in anbetracht dessen einen unabweisbaren grund für den wechsel des faches zu fordern, sei mit art. 3 abs. 1 gg unvereinbar. das studium im zwei-fach-bachelor deutsch/soziologie habe sie bis zum ende des sommersemesters 2017 mit dem ziel des entsprechenden abschlusses fortgeführt. erst zum ende dieses semesters sei ihr klar geworden, dass sie zum grundschullehramt habe wechseln wollen. 17die klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß, 18das angefochtene urteil zu ändern und nach dem erstinstanzlichen antrag zu erkennen. 19das beklagte studierendenwerk beantragt schriftsätzlich, 20die berufung zurückzuweisen. 21es trägt im wesentlichen vor: nach dem urteil des bundesverwaltungsgerichts vom 6. februar 2020 - 5 c 10.18 - setze § 7 abs. 3 satz 5 bafög eine anrechnungsentscheidung auf den gesamten studierten studiengang voraus, an der es hier fehle. bei einem zweifächerstudium könne die hochschule nach einem fachrichtungswechsel eine gesamtentscheidung zu den auf den neuen studiengang anzurechnenden studienleistungen treffen und eine entsprechende semestereinstufung vornehmen. daran fehle es hier. die vorgelegte bescheinigung der hochschule vom 23. august 2021 differenziere bei der anrechnung von leistungen aus dem vorherigen studiengang der klägerin eindeutig nach den jeweils studierten fächern. in den fächern mathematische grundbildung und englisch seien der klägerin keine fachsemester aus ihrer bisherigen ausbildung angerechnet worden. 22wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakte sowie der beigezogenen verwaltungsvorgänge des beklagten studierendenwerks bezug genommen. 23
24im einverständnis der beteiligten entscheidet der berichterstatter ohne mündliche verhandlung (§ 87a abs. 2 und 3, § 101 abs. 2, § 125 abs. 1 vwgo). 25die zulässige berufung der klägerin ist begründet. das verwaltungsgericht hat die klage zu unrecht abgewiesen. die klägerin hat einen anspruch auf die begehrte förderung für den streitgegenständlichen bewilligungszeitraum, der das wintersemester 2017/2018 und das sommersemester 2018 umfasst. der bescheid des beklagten studierendenwerks vom 25. oktober 2017 in der gestalt seines widerspruchsbescheides vom 15. januar 2018 ist rechtswidrig und verletzt die klägerin in ihren rechten (§ 113 abs. 5 satz 1 vwgo). 26der anspruch der klägerin beruht auf § 2 abs. 1 satz 1 nr. 6, § 7 abs. 3 satz 1 nr. 1 bafög. die klägerin hat im streitgegenständlichen bewilligungszeitraum eine förderungsfähige hochschulausbildung fortgeführt. der umstand, dass sie zum wintersemester 2017/2018 einen (weiteren) fachrichtungswechsel vorgenommen hat, indem sie anstelle des bis dahin betriebenen studiums (zwei-fach-bachelor für das gymnasiale lehramt, zuletzt mit der fächerkombination soziologie und deutsch) nunmehr die ausbildung im studiengang bachelor grundschulen mit der fächerkombination mathematische grundbildung, sprachliche grundbildung, englisch und bildungswissenschaften aufnahm, steht einem förderungsanspruch nicht entgegen. für diesen fachrichtungswechsel bedarf es nach § 7 abs. 3 satz 1 bafög nicht der darlegung eines unabweisbaren grundes (nr. 2). es genügt ein wichtiger grund (nr. 1), der hier vorliegt. 27gemäß § 7 abs. 3 satz 1 bafög wird ausbildungsförderung für eine andere ausbildung geleistet, wenn der auszubildende aus wichtigem grund (nr. 1) oder aus unabweisbarem grund (nr. 2) die ausbildung abgebrochen oder die fachrichtung gewechselt hat; bei auszubildenden an höheren fachschulen, akademien und hochschulen gilt nummer 1 nur bis zum beginn des vierten fachsemesters. 28die klägerin hat den fachrichtungswechsel zum wintersemester 2017/2018 vor beginn des vierten fachsemesters vorgenommen (dazu i.). daher bedarf es nur eines wichtigen grundes für den wechsel, der in ihrem fall gegeben ist (dazu ii.). 29i. die klägerin befand sich im sommersemester 2017 in dem fach deutsch bereits im vierten fachsemester und in dem weiteren fach soziologie erst im zweiten fachsemester. das verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass es für die frage der rechtzeitigkeit des fachrichtungswechsels bei einem zweifächerstudium mit unterschiedlicher fachsemesterzählung grundsätzlich auf das fach mit der höheren einstufung ankommt (dazu 1.). der klägerin kommt allerdings die vorschrift des § 7 abs. 3 satz 5 bafög zugute, wonach bei der bestimmung des nach den sätzen 1 und 4 maßgeblichen fachsemesters die zahl der semester abgezogen wird, die nach entscheidung der ausbildungsstätte aus der ursprünglich betriebenen fachrichtung auf den neuen studiengang angerechnet werden. die anrechnung führt in ihrem fall dazu, dass sie fachrichtungswechsel vor beginn des vierten fachsemesters vorgenommen hat (dazu 2.). 301. die „fachrichtung“ ist ein durch lehrpläne und ausbildungs- bzw. prüfungsordnungen geregelter ausbildungsgang, der auf einen bestimmten, berufsqualifizierenden abschluss oder ein bestimmtes ausbildungsziel ausgerichtet ist und für den in der regel die mindestdauer sowie zahl und art der unterrichts- bzw. lehrveranstaltungen festgelegt sind. 31zu dieser definition vgl. tz. 7.3.2. bafög vwv; buter, in: rothe/blanke, bafög, stand: juli 2019, § 7 rn. 47. 32im fall eines mehrfächerstudiums wird diese fachrichtung durch die zum gegenstand der immatrikulation gemachte auswahl und kombination zweier (oder mehrerer) studienfächer beschrieben. die fachsemesterzählung kann in einem solchen fall, auch wenn sie in bezug auf die einzelnen studienfächer unterschiedlich ausfallen mag, bei der anwendung des § 7 abs. 3 satz 1 bafög nur zu einem einheitlichen ergebnis führen. dabei besteht jedenfalls dann keine veranlassung, das fach mit der höheren fachsemestereinstufung außer acht zu lassen, wenn es sich hierbei um das hauptfach handelt oder beide fächer gleiches gewicht haben. letzteres ist hier der fall. die aktuellen informationen der n. zum zwei-fach-bachelor mit dem ziel lehramt an gymnasien und grundschulen weisen fach 1 und fach 2 als gleichgewichtig (jeweils 75 lp) aus. 33https://www.uni-n.de/lehrerbildung/lehramtsstudium/bachelor/gyge.html 34für das von der klägerin bis zum sommersemester 2017 betriebene studium ist nichts anderes anzunehmen. 35eine nach studienfächern getrennte zählung der fachsemester bei einem mehrfächerstudium knüpft an den auf das einzelne fach bezogenen begriff des „fachsemesters“ an und ist sachgerecht, weil sie in dem fall, dass der studierende ein fach wechselt und ein anderes fortführt, auf den typischerweise differierenden ausbildungsfortschritt rücksicht nimmt. eine einheitliche, auf die (neue) fächerkombination bezogene semesterzählung kann dies nicht leisten. ließe man in dem beschriebenen fall eine solche zählung mit dem wechsel des einen fachs neu beginnen, bliebe der erreichte studienfortschritt in dem fortgeführten fach unberücksichtigt. 36bei einem mehrfächerstudium bestimmt die fachbezogene, d. h. getrennte zählung der fachsemester auch den zeitpunkt für die notwendige vorlage der (ebenso fachbezogenen) leistungsbescheinigungen nach § 48 abs. 1 bafög und führt nach einem wechsel nur eines der fächer insofern zu unterschiedlichen vorlagezeitpunkten. 37vgl. bverwg, urteil vom 26. juli 1984 - 5 c 130.81 -, juris rn. 19. 38das spiegelt sich in der verwaltungspraxis zu § 48 abs. 1 bafög wider. denn nach tz. 48.1.7 bafög-vwv ist bei einem lehramtsstudium mit zwei pflichtfächern oder bei einem sonstigen studium mit mehreren fächern, wenn nur ein fach gewechselt, das andere aber beibehalten wird, die eignungsbescheinigung in dem nicht gewechselten fach zum ende des vierten fachsemesters vorzulegen. in dem gewechselten fach ist die eignungsbescheinigung ebenfalls zum ende des vierten in diesem fach verbrachten semesters vorzulegen. 39tritt bei einem mehrfächerstudium ein fachrichtungswechsel dadurch ein, dass nur eines der beiden fächer gewechselt worden ist, so führt die getrennte (fachbezogene) zählung der fachsemester dazu, dass die zählung in dem anderen, fortgeführten fach unverändert weiterläuft. die frage, ob bei einer anrechnung von semestern nach einem fachrichtungswechsel veranlassung besteht, von dem regelfall des neubeginns der zählung der fachsemester abzuweichen, 40vgl. hierzu bverwg, urteil vom 26. november 1998 - 5 c 39.97 -, juris rn.10, 41kann sich unter diesen umständen lediglich für das neu aufgenommene fach stellen, wenn in dem aufgegebenen fach erbrachte studienleistungen insoweit anrechenbar sind. 422. verbleibt es somit - als zwischenergebnis - zunächst dabei, dass die klägerin den zweiten fachrichtungswechsel zum wintersemester 2017/2018 nach beginn des vierten fachsemesters in dem fach deutsch vornahm, so kommt allerdings insoweit die vorschrift des § 7 abs. 3 satz 5 bafög zum tragen. danach wird bei der bestimmung des nach den sätzen 1 und 4 maßgeblichen fachsemesters die zahl der semester abgezogen, die nach entscheidung der ausbildungsstätte aus der ursprünglich betriebenen fachrichtung auf den neuen studiengang angerechnet werden. 43a) mit der entscheidung der ausbildungsstätte im sinne des § 7 abs. 3 satz 5 bafög ist die hochschulrechtliche anerkennungs- bzw. anrechnungsentscheidung gemeint, die voraussetzung für eine einschreibung bzw. einstufung in ein höheres fachsemester der neuen anderen ausbildung ist. getroffen wird sie durch die hierzu berufenen einrichtungen der ausbildungsstätten, d. h. die nach dem jeweiligen landeshochschulrecht für die entscheidung über die anerkennung bisheriger studienzeiten, studien- und prüfungsleistungen als gleichwertig zuständigen stellen der in § 7 abs. 3 satz 1 halbs. 2 und satz 4 halbs. 2 bafög genannten höheren fachschulen, akademien und hochschulen. insofern wird der begriff der ausbildungsstätte in § 7 abs. 3 satz 5 bafög in einem anderen sinne verwendet als der gleichlautende begriff in § 2 bafög. eine fehlende anerkennungsentscheidung kann weder durch das amt für ausbildungsförderung noch - im rechtsstreit über leistungen nach dem bundesausbildungsförderungsgesetz - durch das verwaltungsgericht ersetzt werden. 44vgl. bverwg, urteil vom 6. februar 2020 - 5 c 10.18 -, juris rn. 11 ff. 45die entscheidung über die anerkennung von studienzeiten aus der ursprünglich verfolgten fachrichtung auf den neuen studiengang ist nach § 7 abs. 3 satz 5 bafög anspruchsbegründend und gemäß § 15a abs. 2 satz 1 nr. 2 bafög bei der bestimmung der förderungshöchstdauer für das amt für ausbildungsförderung ausnahmslos bindend. durch diese bindung wird das amt für ausbildungsförderung von aufwändigen sachverhaltsermittlungen und von unter umständen schwierigen rechtlichen bewertungen unter heranziehung der studienordnungen befreit, die angelegenheit der hochschule sind. soweit die anerkennung von studienzeiten aus der ursprünglich betriebenen fachrichtung nicht von amts wegen vorgenommen wird, können studierende in zumutbarer weise hierauf einfluss nehmen. denn sie können im regelfall mit aussicht auf erfolg bei der zuständigen stelle der hochschule einen entsprechenden anerkennungsantrag stellen und so den förderungsausschluss durch eigenes verhalten abwenden. das notwendige verfahrensrechtliche interesse für einen solchen antrag und dessen sachliche bescheidung folgt aus § 7 abs. 3 satz 5 bafög. 46vgl. bverwg, urteil vom 6. februar 2020 - 5 c 10.18 -, juris rn. 24 f. 47b) eine einheitliche anrechnung von semestern „aus der ursprünglich betriebenen fachrichtung auf den neuen studiengang“ - also von dem zwei-fach-bachelor soziologie/deutsch auf den bachelor grundschule mit der fächerkombination mathematische grundbildung, sprachliche grundbildung, englisch und bildungswissenschaften - hat im fall der klägerin zwar nicht stattgefunden. in der hier vorliegenden konstellation eines mehrfächerstudiums kommt es indes darauf an, dass der klägerin aus dem (über vier semester betriebenen) studium in dem fach deutsch in dem erforderlichen umfang leistungen für das studium in den fächern sprachliche grundbildung und bildungswissenschaften angerechnet worden sind. 48ist bei einem mehrfächerstudium, wie dargelegt, eine fachbezogene semesterzählung maßgebend, so ist es systemgerecht, die anwendung des § 7 abs. 3 satz 5 bafög ebenfalls daran auszurichten, welche „zahl von semestern“ aus den bis zum wechsel studierten fächern jeweils auf den neuen studiengang angerechnet worden sind. der wortlaut der vorschrift lässt eine solche auslegung zu. eine anrechnung von semestern „aus der ursprünglich betriebenen fachrichtung“ muss im fall einer fächerkombination nicht notwendigerweise einheitlich erfolgen, sondern kann auch einer nach fächern getrennte anrechnung bedeuten. auch die gesetzesbegründung (bt-drs. 16/5172, s. 18) steht diesem verständnis nicht entgegen. mit der fachbezogenen anrechnung lassen sich ungerechtfertigte ungleichbehandlungen vermeiden, die bei einer einheitlichen anrechnungsentscheidung für die in einem mehrfächerstudium erbrachten leistungen entstehen können. denn die anrechenbaren leistungen können, wie der vorliegende fall verdeutlicht, bei den studierten fächern erheblich variieren. eine nivellierte „gesamtanrechnung“ führt dann notwendigerweise dazu, dass die anzurechnenden leistungen in den einzelnen fächern entweder unter- oder überbewertet werden. das wirkt sich entsprechend auf die fachsemesterzählung aus, wenn diese nach einem fachrichtungswechsel fachbezogen fortgeführt wird. 49c) dass die klägerin nach dem fachrichtungswechsel zum wintersemester 2017/2018 in den fächern sprachliche grundbildung und bildungswissenschaften faktisch in das fünfte fachsemester eingestuft worden ist, lässt allerdings für sich betrachtet noch nicht auf eine anrechnungsentscheidung der hochschule schließen, die auf eine bestimmte zahl von semestern aus dem fach deutsch zielt. denn das ausbildungsförderungsamt, dem der gesetzgeber keine eigene prüfung der anrechnung von studienleistungen überantworten wollte, kann allein aus der bescheinigung einer solchen einstufung nicht erkennen, in welchem umfang diese einstufung gerade auf den im fach deutsch erbrachten leistungen beruht. das zeigt sich im vorliegenden fall schon daran, dass von den 31 lp, die der klägerin für das fach bildungswissenschaften anerkannt worden sind, 4 lp auf eine besuchte veranstaltung im fach soziologie entfielen (vgl. hierzu die im berufungsverfahren eingeholte stellungnahme der wwu n. vom 5. april 2022). nicht auszuschließen ist auch, dass hierbei leistungen mitberücksichtigt worden sind, welche die klägerin im fach erziehungswissenschaften erbracht hatte. 50d) eine anrechnungsentscheidung im sinne des § 7 abs. 3 satz 5 bafög ist allerdings darin zu sehen, dass der klägerin 39 lp für das fach sprachliche grundbildung angerechnet worden sind (vgl. dazu die bescheinigungen bzw. stellungsnahmen der wwu n. vom 23. august 2021, 16. dezember 2021 und 7. april 2022). aus der stellungnahme vom 7. april 2022 geht eindeutig hervor, dass sämtliche angerechneten leistungspunkte auf leistungen entfielen, welche die klägerin im fach deutsch erbracht hatte. 51die anrechnung von leistungspunkten bietet eine ausreichende grundlage für die anwendung des § 7 abs. 3 satz 5 bafög. aus der zahl der angerechneten leistungspunkte (hier: 39) ist ohne weiteres abzuleiten, dass der klägerin studienleistungen im umfang mindestens eines semesters aus dem fach deutsch angerechnet worden sind. 52ist ein bachelorstudium mit einer regelstudienzeit von sechs semestern auf die erbringung von 180 lp angelegt, wie es bei dem von der klägerin betriebenen studium im zwei-fach-bachelor der fall war, 53https://www.uni-n.de/imperia/md/content/lehrerbildung/studiumlehramt/allgemein_zfl-erstsemesterinfo-bkgyge.pdf, 54so können die studienleistungen eines semesters mit 30 lp bewertet werden. das gilt auch für die von § 7 abs. 3 satz 5 bafög vorausgesetzte anrechnung einer bestimmten „zahl von semestern“ aufgrund von studienleistungen, die der auszubildende vor einem fachrichtungswechsel erbracht hat. der auf dieser basis mögliche transfer von leistungspunkten zu einer semesterzahl erfolgt rein rechnerisch und greift nicht in die der anrechnung zugrunde liegende bewertungskompetenz der hochschule ein. 55die anrechnung von 39 lp aus dem fach deutsch entspricht studienleistungen im umfang mindestens eines semesters. abgesehen davon, dass schon die anzahl dieser leistungspunkte über die für ein semester zu erbringenden leistungen hinausgeht, kommt hier hinzu, dass die klägerin ein zweifächerstudium betrieb, in dem die für ein semester je fach zu erwartenden leistungen entsprechend geringer zu veranschlagen sind. 56einer weitergehenden bestimmung oder bestimmbarkeit der „zahl der semester“, auf die § 7 abs. 3 satz 5 bafög abstellt, bedarf es im vorliegenden fall nicht, weil schon die anrechnung eines semesters aus dem fach deutsch dazu führt, dass die klägerin den zweiten fachrichtungswechsel zum wintersemester 2017/2018 in diesem fach vor beginn des vierten fachsemesters vorgenommen hat und es insofern nur noch eines - hier vorliegenden - wichtigen grundes für den fachrichtungswechsel bedarf. 57ii. für den fachrichtungswechsel der klägerin lag ein wichtiger grund vor (dazu 1.) sie hat den fachrichtungswechsel auch rechtzeitig vorgenommen (dazu 2.). 581. ein wichtiger grund im sinne des § 7 abs. 3 satz 1 nr. 1 bafög ist anzunehmen, wenn dem auszubildenden unter berücksichtigung aller im rahmen der ausbildungsförderung erheblichen umstände, die sowohl durch die an ziel und zweck der ausbildungsförderung orientierten öffentlichen interessen als auch durch die interessen des auszubildenden bestimmt werden, die fortsetzung der bisherigen ausbildung nicht mehr zumutbar ist. orientiert an dem grundsatz des § 1 bafög, dem auszubildenden eine seiner neigung, eignung und leistung entsprechende ausbildung zu gewährleisten, sind hierbei im bereich der interessen des auszubildenden umstände zu berücksichtigen, die an seine neigung, eignung und leistung anknüpfen. in betracht kommt etwa ein ernstzunehmender neigungswandel, für den kennzeichnend ist, dass der auszubildende sich während der bisherigen ausbildung klar darüber wird, nicht die bisherige, sondern eine andere ausbildung entspreche seiner neigung. 59vgl. bverwg, urteil vom 22. märz 1995 - 11 c 18.94 -, juris rn. 14, m. w. n. 60die berücksichtigung eines neigungswandels setzt allerdings voraus, dass der auszubildende vor der aufnahme der ausbildung davon ausgegangen ist, das zunächst gewählte fach entspreche seiner neigung. 61vgl. bverwg, urteil vom 21. juni 1990 - 5 c 45.87 -, juris rn. 11, m. w. n. 62ausgehend von diesen grundsätzen kann sich die klägerin auf einen wichtigen grund berufen. sie hat mit ihrem an das beklagte studierendenwerk adressierten schreiben vom 15. september 2017 einen ernstzunehmenden neigungswandel plausibel dargelegt. 63es spricht auch nichts konkretes dagegen, dass die klägerin zunächst davon ausgegangen ist, das studium im lehramt für das gymnasium (zuletzt in der fächerkombination deutsch und soziologie) entspreche ihrer neigung. in ihrem schreiben vom 15. september 2017 hat sie - ebenfalls schlüssig - ausgeführt, aus welchen gründen sie sich ursprünglich für dieses studium im gymnasiallehramt entschieden hatte und weshalb sie sodann von erziehungswissenschaften zu soziologie wechselte. dass nach aufnahme eines lehramtsstudiums, insbesondere aufgrund erster praxiserfahrungen, ein neigungswandel zu einer anderen schulform bzw. zu einer neuen fächerkombination zutage tritt, erscheint nicht ungewöhnlich. die erstinstanzliche behauptung des beklagten studierendenwerks, der klägerin sei von anfang an bewusst gewesen, dass das studium der soziologie weder ihren neigungen noch ihrer eignung entspreche, findet im dem vorgenannten schreiben vom 15. september 2017 keine grundlage. die ausführungen der klägerin dazu, dass „trotz aufnahme des sozialwissenschaftlichen schwerpunktes […] eine neue unzufriedenheit“ entstanden sei, geben nichts dafür her, wie die klägerin vor jenem fächerwechsel zu dem neuen fach eingestellt war. 642. nach der ständigen rechtsprechung des bundesverwaltungsgerichts wird dem auszubildenden entsprechend seinem ausbildungsstand und erkenntnisvermögen zugemutet, den gründen, die einer fortsetzung der bisherigen ausbildung entgegenstehen, rechtzeitig zu begegnen. sobald der auszubildende sich gewissheit über die fehlende neigung für das bisher gewählte fach verschafft hat, muss er deshalb, damit ein wichtiger grund im sinne des § 7 abs. 3 bafög bejaht werden kann, unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes zögern (vgl. § 121 abs. 1 satz 1 bgb), die erforderlichen konsequenzen ziehen und die bisherige ausbildung abbrechen. diese verpflichtung ergibt sich aus den anforderungen selbst, die an das vorliegen eines wichtigen grundes im sinne des § 7 abs. 3 bafög zu stellen sind; dazu gehört auch die pflicht des auszubildenden, seine ausbildung umsichtig zu planen und zielstrebig durchzuführen. ob der auszubildende seiner verpflichtung zu unverzüglichem handeln entsprochen hat, beurteilt sich dabei nicht allein nach objektiven umständen. es ist vielmehr auch in subjektiver hinsicht zu prüfen, ob ein etwaiges unterlassen notwendiger maßnahmen dem auszubildenden vorwerfbar ist und ihn damit ein verschulden trifft oder ob ein solches unterlassen durch ausbildungsbezogene umstände gerechtfertigt ist. 65vgl. bverwg, urteil vom 21. juni 1990 - 5 c 45.87 -, juris rn. 13, m. w. n. 66daran gemessen hat die klägerin ihrer verpflichtung zu unverzüglichem handeln entsprochen. aus den verwaltungsvorgängen und dem vorbringen der beteiligten im gerichtsverfahren ergeben sich keine hinweise darauf, dass die klägerin den mit dem neigungswandel einhergehenden entschluss, in das studium zum lehramt an grundschulen zu wechseln, schon vor beginn des wintersemesters 2016/2017 gefasst hat. viel spricht dafür, dass sie diesen entschluss im dezember 2016 fasste, nachdem mit der studienberatung an der wwu n. offenbar geklärt worden war, mit welchen maßgaben sie das studium im bachelor grundschule aufnehmen konnte. eine umsetzung des fachrichtungswechsels schon zum sommersemester 2017 war ihr nicht möglich, da das lehramtsstudium in dem neuen studiengang erst zum nachfolgenden wintersemester aufgenommen werden konnte. 67ein unverzügliches handeln setzte nicht voraus, dass die klägerin neben der frühestmöglichen einschreibung in den bachelor grundschule auch das bis dahin betriebene studium im zwei-fach-bachelor umgehend nach dem entschluss zum fachrichtungswechsel aufgab. auf letzteres kam es für die rechtzeitigkeit des fachrichtungswechsels nicht an. zwar heißt es in vorstehend zitierten entscheidung des bundesverwaltungsgerichts, dass der auszubildende, „damit ein wichtiger grund im sinne des § 7 abs. 3 bafög bejaht werden kann, unverzüglich […] die erforderlichen konsequenzen ziehen und die bisherige ausbildung abbrechen (muss)“. diese anforderung hängt indes im fall eines fachrichtungswechsels mit der aufnahme des neuen studiengangs zusammen, ist also dahingehend zu verstehen, dass der abbruch der bisherigen ausbildung zeitgerecht erfolgen muss, um die neue ausbildung frühestmöglich aufzunehmen. diesem erfordernis hat die klägerin entsprochen. 68ob das fortführen des studiums im zwei-fach-bachelor bis zum ende des sommersemesters 2017 auswirkungen auf anspruch auf förderung dieser ausbildung hatte (mit blick auf den vom beklagten studierendenwerk thematisierten fehlenden „abschlusswillen“), ist für den vorliegenden rechtsstreit nicht erheblich. 69die kostenentscheidung beruht auf §§ 154 abs. 2, 188 satz 2 halbs. 1 vwgo. 70die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit folgt aus § 167 vwgo in verbindung mit §§ 708 nr. 10, 709 satz 2, 711 zpo. 71die zulassung der revision beruht auf § 132 abs. 2 nr. 1 vwgo. die frage, wie die fachsemesterzählung im rahmen des § 7 abs. 3 bafög bei einem mehrfächerstudium - auch mit blick auf satz 5 der vorschrift - vorzunehmen ist, vermittelt eine grundsätzliche bedeutung der rechtssache.
346,258
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8 O 89/21
2022-07-28T00:00:00
Urteil
Tenor Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten. 1Tatbestand: 2Die Klägerin macht mit der Klage Schadensersatzansprüche geltend. 3Zwischen der Klägerin und der Stadt C - wobei als Auftraggeber in den vorformulierten Verträgen, die von der Beklagten gestellt worden sind, der „Forstbetrieb der Stadt C“ genannt worden ist - kam es am 14.09.2020 zum Abschluss von zwei so bezeichneten Unternehmerverträgen mit den Vertragsnummern UV 2020-25 und UV 2020-37 (im Folgenden: UV 25 bzw. UV 37). Die Vertragsformulare mit Klauseln, wie sie in diesen Unternehmerverträgen enthalten sind, werden von der Beklagten auch in anderem Zusammenhang benutzt. Die Verträge hatten eine Laufzeit vom 01.09. 2020 bis zum 31.05.2021 und verhielten sich über von der Klägerin im Revier T der Beklagten gemäß dem Arbeitsauftrag der zuständigen Revierleitung zu rückende Holzsortimente. Der UV 25 umfasste eine Vertragsmasse von „ca. 30.000 fm“, der UV 37 eine solche von 50.000 fm. In beiden Vertragsformularen heißt es unter Ziffer 3.2, die Vertragspartner vereinbarten eine Mehr- oder Mindermenge von max. 10 % der vereinbarten Vertragsmenge. 4Ziffer 7.1 hat auszugsweise folgenden Inhalt: 5„7.1 Kontrolle des Holzaufmaßes . . . Der Auftragnehmer ist verpflichtet, dem Revierleiter seine wöchentliche Aufarbeitungsleistung bis Freitag jeder Woche unaufgefordert zu melden. Die entsprechenden Harvesterprotokolle sind wöchentlich dem Forstamt an jedem Freitag der Woche durch den Auftragnehmer unaufgefordert zu übermitteln.“ 6Ziffer 9 hat folgenden Inhalt: 7„Die Lieferung von 50.000 Fm Käferholz werden seitens des Verkäufers garantiert. Die Vertragsmasse von 30.000 Fm vermindert sich automatisch, wenn gegenüber der ursprünglichen Einschätzung der Kalamitätsmassen weniger Holz anfällt. Diese Entscheidung trifft der Forstbetrieb. In diesem Fall entfällt der Schadensersatzanspruch des Auftragnehmers.“ 8Bereits vor Abschluss dieser Verträge hatten die Parteien einen Vertrag über die Werbung von 3.000 fm Holz durch die Beklagte abgeschlossen, wobei die Klägerin in Umsetzung dieses Vertrages eine Menge von 3.004,57 fm Holz aufgearbeitet hatte. 9Nach Vertragsschluss führte das von der Klägerin beauftragte Subunternehmen D die vertraglich vereinbarten Arbeiten durch, wobei der zuständige Revierlei- 10ter der Beklagten diesem jeweils im Voraus zeigte, auf welchen Flächen die Holzrückarbeiten erledigt werden konnten. 11Nach unbestritten gebliebenem klägerischen Vortrag stellte die Beklagte seit Anfang April keine Flächen mehr zur weiteren Bearbeitung zur Verfügung. Der weitere Vortrag der Klägerin, die Beklagte habe sich bereits zuvor - nämlich in der Zeit seit Februar 2021 - um eine Reduzierung der Vertragsmenge bemüht, ist von der Beklagten ebenso wenig bestritten worden wie die Ausführungen der Klägerin, ihr sei bekannt, dass die Beklagte mit anderen Marktteilnehmern Unternehmerverträge abgeschlossen habe, bei denen sie Im Vergleich mit dem Inhalt des zwischen den Parteien des Rechtsstreits abgeschlossenen Vertrag stärker vom starken Holzpreisanstieg profitiert habe. 12Mit E-Mail-Schreiben vom 27.04.2021, wegen dessen gesamten Inhalts auf die als Ausdruck zur Akte gereichte Anlage B 3 zum Beklagtenschriftsatz vom 07.03.2022 (Bl. 125 ff. der Akte) Bezug genommen wird, bot die Klägerin die Durchführung der vertraglich vereinbarten Arbeiten zur Aufarbeitung der sich nach ihren Berechnungen ergebenden Restmenge von 14.500 fm ab Montag, 03.05.2021, an und bat um Rückantwort bis spätestens Freitag, 10:00 Uhr, wo der Harvester eingesetzt werden könne. Gleichzeitig behielt die Klägerin sich für den Fall, dass sie „nichts weiter höre“, weitergehende Rechte vor und teilte mit, sie stehe für ein Telefonat zur Verfügung. Am 29.04.2021 fand ein Telefonat statt, in dem nach - anschließend nicht mehr von der Beklagten bestrittenem - Klägervortrag keine Einigung zu den bereitzustellenden Festmetern und Qualitäten zur Erfüllung der geschlossenen Unternehmerverträge erzielt werden konnte. Eine Ausweisung von durch die Klägerin oder durch den von ihr beauftragten Subunternehmer zu bearbeitenden Flächen erfolgte anschließend seitens der Beklagten nicht. 13Die Klägerin hat ohne Berücksichtigung des sich über eine Menge von 3.000 fm Holz verhaltenden Vertrages aufgrund des UV 25 insgesamt 35.704,46 fm Sägeholz und 463,95 fm Industrieholz und anschließend weitere 6.462,01 fm Industrieholz aufgearbeitet, sodass sich unter Hinzurechnung der im Hinblick auf den über eine Menge von 3.000 fm abgeschlossenen Vertrag ergebenden „Zuvielmenge“ von 4,57 fm eine insgesamt geworbene Menge von 42.634,99 fm ergibt. 14Die zwischen ihren - anschließend von den jetzigen Parteien des Rechtsstreits beauftragten - jetzigen Prozessbevollmächtigten geführten Verhandlungen führten zu keiner Einigung. Zwar bot die Beklagte zunächst ausweislich des vorprozessualen Schreibens vom 21.07.2021 (Anlage K 3 zur Klageschrift) die Zahlung eines Betrages von 243.183,60 € zur Abgeltung des Rechtsstreits und zur Abgeltung sämtlicher der der Klägerin gegen die Beklagte zustehenden Ansprüche an, jedoch teilten ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten mit E-Mail-Schreiben vom 03.08.2021 (Ausdruck Anlage K 6 zur Klageschrift) mit, dieses Angebot stehe unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Gemeinderats, der am 02.09.2021 beraten werde. 15Nachdem die Klägerin im Anschluss an diesen Termin keine Nachricht erreichte, macht sie nunmehr gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche geltend, wobei sie mit ihrer Klageschrift zunächst - ausgehend von einer Gesamtvertragsmasse von 80.000 fm - unter Zugrundelegung der Berechnung gemäß Seite 6 der Klageschrift vom 27.10.2021 eine Schadensersatzforderung von 1.663.144,45 € brutto errechnet hat. Ausweislich des Inhalts der Klageerweiterungsschrift vom 13.06.2022 (Bl. 178 ff. d. A.) errechnet sie nunmehr aufgrund einer Berücksichtigung einer weiteren, bis dahin in ihre Berechnungen nicht einbezogenen Fehlmenge (Industrieholz) eine Schadensersatzforderung in Höhe von 2.296.039,65 € brutto. 16Dementsprechend beantragt die Klägerin, 17181. 19die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von EUR 2.296.039,65 brutto zzgl. Verzugszinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.11.2021 aus EUR 1.663.944,45 sowie aus EUR 632.095,20 seit dem 12.07.2022 zu zahlen, 202. 21die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von EUR 9.768,70 netto zzgl. Verzugszinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.11.2021 zu zahlen. 22Die Beklagte beantragt, 23die Klage abzuweisen. 24Sie beruft sich zunächst auf Erfüllung. Sie meint, diese sei bereits bei einer geworbenen Menge von 45.000 fm eingetreten. Dies ergebe sich daraus, dass sie ausweislich der Ziffern 9 der Verträge zur Einschätzung berechtigt sei, es falle weniger Holz an, mit der Folge, dass sich die Vertragsmasse um 30.000 fm vermindere. Aus Ziffer 3.2 der Verträge ergebe sich, dass eine Mindermenge von maximal 10 % der vereinbarten Vertragsmenge vereinbart worden sei; werde diese von der verbleibenden Vertragsmasse von 50.000 fm abgezogen, verbleibe eine Vertragsmenge von 45.000 fm, die unter Einbeziehung des Vertrages über eine Menge von 3.000 fm von der Klägerin abgearbeitet worden sei. Dazu trägt die Beklagte vor, nachdem die Klägerin aufgrund des Erstvertrages 3.004,57 fm aufgearbeitet habe, habe sie aufgrund des UV 25 eine Menge von 35.704,46 fm Sägeholz und 463,95 fm Industrieholz aufgearbeitet, anschließend weitere 6.462,01 fm Industrieholz. Außerdem sei eine einverständliche Kürzung der Vertragsmenge auf eine Menge von 50.000 fm erfolgt. Die Beklagte meint, ein solches Einverständnis ergebe sich aus dem E-Mail-Schreiben der Klägerin vom 27.04.2021. 25Im Zusammenhang mit dem von ihr erhobenen Erfüllungseinwand trägt die Beklagte ergänzend vor, der von der Klägerin beauftragte Subunternehmer D habe am 15. / 16.04. 2021 das Revier verlassen und dabei geäußert, der Vertrag „sei voll“, wobei die Beklagte in diesem Zusammenhang weiter vorträgt, zu diesem Zeitpunkt seien sämtliche Beteiligte davon ausgegangen, dass nur eine Vertragsmasse von 50.000 fm fest vereinbart gewesen sei. Anschließend seien die Flächen, die Herrn D ausgewiesen worden seien, nicht mehr bearbeitet worden, bis die Klägerin sie mit Schreiben vom 27.04.2021 aufgefordert habe, ihr weiteres Holz zur Verfügung zu stellen. 26Im Übrigen habe sie lediglich die Pflicht getroffen, der Beklagten Flächen zur Verfügung zu stellen. Dieser Pflicht sei sie nachgekommen, indem sie unmittelbar zu Beginn der Vertragsbeziehung Flächen zur Holzaufarbeitung für die Klägerin ausgewiesen habe, die ausgereicht hätten, um während der Vertragslaufzeit 80.000 fm Holz zu werben. Weitergehende Pflichten hätten sie nicht getroffen, wie sie meint. 27Schließlich vertritt sie die Ansicht, selbst wenn eine Pflichtverletzung vorliege, habe sie diese nicht zu vertreten. Denn es sei Sache der Klägerin gewesen, den Stand der Aufarbeitung und damit den der geworbenen Menge zu kontrollieren. Am Verschulden fehle es auch deshalb - wie sie weiter ausführt -, weil sie aufgrund der ihrer Ansicht nach der Klägerin zuzurechnenden Äußerungen des Herrn D davon habe ausgehen dürfen, die Klägerin wolle keine weiteren Bezugsrechte mehr nutzen, sodass sie ab diesem Zeitpunkt nicht mehr verpflichtet gewesen sei, für die Klägerin zusätzlich aufzuarbeitende Flächen bereitzuhalten. Zudem habe diese das ihr laut Vertrag zustehende Recht zur Holzwerbung nicht vollständig ausgenutzt. 28Jedenfalls treffe die Klägerin - wie die Beklagte weiter meint - ein erhebliches Mitverschulden an einem eingetretenen Schaden in Form entgangenen Gewinns, insbesondere deshalb, weil die Klägerin durch das Unterlassen weiterer Aufarbeitung von Holz während der Vertragslaufzeit selbst dazu beigetragen habe, dass sie nicht die gesamte von ihr beanspruchte Vertragsmasse erhalten habe. 29Abschließend wendet sich die Beklagte gegen die Schadensberechnung der Klägerin. 30Zur Ergänzung des Sach- und Streitstand Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. 31Entscheidungsgründe: 32Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt, sodass die Kammer Grundurteil gemäß § 304 Abs. 1 ZPO erlassen hat. 33I. Klageantrag zu 1. 34Der Klägerin steht gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB zu. 351. 36Beklagte Partei ist ungeachtet der in der Klageschrift erfolgten Parteibezeichnung „Forstbetrieb der Stadt C“ allein die Stadt C. 37a) 38Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist eine Parteibezeichnung als Teil einer Prozesshandlung grundsätzlich der Auslegung zugänglich. Dabei ist entscheidend, wie die Bezeichnung bei objektiver Deutung aus der Sicht der Empfänger (Gericht und Gegenpartei) zu verstehen ist. Es kommt darauf an, welcher Sinn der von der klagenden Partei in der Klageschrift gewählten Bezeichnung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts beizulegen ist (BGHZ 4, 328, 334; BGH, NJW 1987, 1946 m. w. N.). Bei objektiv unrichtiger oder auch mehrdeutiger Bezeichnung ist grundsätzlich diejenige Person als Partei anzusprechen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen werden soll (BGH, a. a. O. und NJW-RR 1995, 764 m. w .N.). Bei der Auslegung der Parteibezeichnung sind nicht nur die im Rubrum der Klageschrift enthaltenen Angaben, sondern auch der gesamte Inhalt der Klageschrift einschließlich etwaiger beigefügter Anlagen zu berücksichtigen (BGH, MDR 2008, 524 f.) Dabei gilt der Grundsatz, dass die Klageerhebung gegen die in Wahrheit gemeinte Partei nicht an deren fehlerhafter Bezeichnung scheitern darf, wenn diese Mängel in Anbetracht der jeweiligen Umstände letztlich keine vernünftigen Zweifel an dem wirklich Gewollten aufkommen lassen, solange nur aus dem Inhalt der Klageschrift und etwaigen Anlagen unzweifelhaft deutlich wird, welche Partei tatsächlich gemeint ist (BAG, a. a. O.; so auch schon OLG Hamm, NJW-RR 1991, 188). 39b) 40Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung, der die Kammer sich anschließt, für den Fall, dass auf Kläger- oder Beklagtenseite nach dem Wortlaut der in einer Klageschrift gewählten Parteibezeichnungen ein gemeindlicher Eigenbetrieb klagen bzw. verklagt werden soll, anerkannt, dass regelmäßig die rechts- und damit parteifähige Gemeinde Partei werden soll (BGH, WM 1981, 529; LG Köln, Urt. v. 30.08.2011 - 5 O 299/10 -, zitiert nach „juris“). 41So liegt der Fall auch hier: Die Klägerin hat schon auf Seite 2 der Klageschrift - dort unter Gliederungspunkt I. 2. - dargelegt, dass die Stadt C Beklagte sein soll. Schon im Wege der angezeigten (siehe die obigen Ausführungen) Auslegung zur sich hier stellenden Frage, welche Partei verklagt werden soll, folgt daraus, dass die Stadt C und nicht deren Eigenbetrieb Beklagte sein soll. 422. 43Die Beklagte hat jedenfalls ab dem 27.04.2021 ihre aus den unter der Bezeichnung UV 37 in Verbindung mit dem UV 25 geschlossenen Verträgen folgenden vertraglichen Pflichten verletzt, der Klägerin bis zum Zeitpunkt des Vertragsablaufes am 31.05. 2021 diejenigen Flächen, auf denen diese die vertraglich vereinbarte Tätigkeit der Selbstwerbung durchführen sollte, auszuweisen. 44a) 45Eine solche vertragliche Pflicht bestand zu Lasten der Beklagten. Das folgt schon aus ihren eigenen Ausführungen auf Seite 3 der Klageerwiderung vom 22.12.2021 (Bl. 69 der Akte). Hier führt die Beklagte selbst aus, dass der zuständige Revierleiter dem von der Klägerin beauftragten Herrn D jeweils im Vorfeld der von diesem im Auftrag der Klägerin durchzuführenden Holzarbeiten die zu bearbeitenden Flächen auswies. Daraus folgt, dass eine vertragliche Pflicht der Beklagten bestand, ihrer Vertragspartnerin, der Klägerin vor Durchführung der Arbeiten entsprechende Flächen auszuweisen. 46b) 47Diese vertragliche Pflicht hat die Beklagte jedenfalls spätestens ab dem 27.04.2021 verletzt. 48aa) 49Unstreitig - die Beklagte führt dies selbst auf Seite 5 der Klageerwiderung vom 22.12. 2021 (Bl. 171 der Akte) aus, das ergibt sich im Übrigen auch aus dem Inhalt des E-Mail-Schreibens der Klägerin vom 27.04.2021 - hat die Klägerin die Beklagte an diesem Tag aufgefordert, ihr weitere Flächen anzuweisen, auf denen weiteres Holz geworben werden konnte. Ebenfalls unstreitig - die Beklagte hat den entsprechenden Vortrag der Klägerin auf Seite 2 deren Schriftsatzes vom 21.02.2022 nicht bestritten mit der sich aus § 138 Abs. 3 Hs. 1 ZPO ergebenden Rechtsfolge, dass dieser Vortrag als zugestanden gilt - hat die Beklagte der Klägerin anschließend keine weiteren Flächen zugewiesen; vielmehr wurde am 29.04.2021 ein Telefonat geführt, bei dem keine Einigung zu den bereitzustellenden Festmetern und Qualitäten zur Erfüllung der geschlossenen Unternehmerverträge erzielt worden ist. Die Klägerin ihre vertraglich vereinbarte Pflicht zur Ausweisung von durch die Klägerin zu bearbeitenden Flächen verletzt. 50Eine Pflichtverletzung ist entgegen der nunmehr von der Beklagten im Rechtsstreit vertretenen Ansicht nicht deshalb zu verneinen, weil an diesem Tage die vertraglich vereinbarten Mengen von der Klägerin bereits geworben worden wären mit der sich daraus ergebenden Rechtsfolge, dass die Beklagte gemäß § 362 Abs. 1 BGB ihre vertraglichen Pflichten erfüllt hätte und nicht mehr verpflichtet gewesen wäre, der Klägerin weitere Flächen zur Selbstwerbung zur Verfügung zu stellen. 51Denn die Beklagte führt auf Seite 7 der Klageerwiderungsschrift (Bl. 73 der Akte) selbst aus, durch die Klägerin seien vor dem Hintergrund der Verträge UV 25 i. V. m. 52UV 37 insgesamt 42.630,42 Festmeter (42.634,99 Festmeter minus 4,57 Festmeter aus einem anderen Vertrag) geworben worden. Daraus folgt, dass die vertraglich vereinbarte Menge von 30.000 Festmetern und 50.000 Festmetern = 80.000 Festmetern bei weitem noch nicht erreicht war. 53(1) 54Soweit die Beklagte die Ansicht vertritt, aus den zu Nrn. 9 der beiden Verträge vereinbarten Klauseln ergebe sich, dass sie berechtigt sei, die Vertragsmenge um 30.000 Festmeter zu mindern, kann die Kammer dieser Argumentation im vorliegenden Fall aus mehreren Gründen nicht folgen: 55(a) 56Die Beklagte war zum einen zur Verminderung der Vertragsmasse um bis zu 30.000 Festmeter nur im Hinblick auf die Vertragsmasse aus der Vereinbarung UV 25 berechtigt. Aus dem eigenen Vorbringen der Beklagten, wie es auf Seite 7 der Klageerwiderungsschrift (Bl. 73 der Akte) zur Akte gereicht worden ist, ergibt sich aber, dass dieser Vertrag zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Zurverfügungstellung weiterer Flächen gemäß E-Mail-Schreiben der Klägerin vom 27.04.2021 bereits „abgearbeitet“ war, nachdem die Beklagte hier selbst darlegt, aufgrund dieses Vertrages seien von der Klägerin 35.704,46 Festmeter Sägeholz und 463,95 Festmeter Industrieholz aufgearbeitet worden. Damit hatte die Beklagte die aus diesem Vertrag folgenden Pflichten, 30.000 Festmeter Holz zur Verfügung stellen zu müssen, zu diesem Zeitpunkt erfüllt mit der weiteren Folge, dass sie nicht mehr berechtigt war, diese Vertragsmasse zu vermindern. 57(b) 58Zum anderen war die Beklagte nur berechtigt, die Vertragsmasse zu vermindern, wenn weniger Holz anfiel. Wie sich aus ihrem eigenen, soeben dargestellten Vorbringen ergibt, war diese tatsächliche Voraussetzung aber nicht gegeben, wie schon daraus folgt, dass die Klägerin mehr Holz geworben hatte als vertraglich vorgesehen. Zudem weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass die Beklagte in der Klageerwiderung ausführt, es seien genügend Flächen vorhanden gewesen, um 80.000 Festmeter Holz aufzuarbeiten. 59(c) 60Letztlich liegen die Voraussetzungen aber auch deshalb nicht vor, weil die Beklagte nur berechtigt war, während der Vertragslaufzeit eine Entscheidung dahingehend zu treffen, dass sich die Vertragsmasse vermindere. Eine solche Erklärung der Beklagten ist während der Vertragslaufzeit aber nicht erfolgt. Die Beklagte trägt vielmehr selbst vor, dass am 29.04.2021 ein Verhandlungsgespräch stattgefunden habe. 61(2) 62Auch die Klausel in Nr. 3.2 der Verträge, laut der die Vertragspartner eine Mehr- oder Mindermenge von maximal 10 % der Vertragsmenge vereinbarten, ändert nichts daran, dass die Beklagte während der Vertragslaufzeit verpflichtet war, der Klägerin 63so lange Flächen anzuweisen, bis die vertraglich genannte Menge von 80.000 Festmeter zur Selbstwerbung erreicht war. 64(a) 65Zum einen fiel keine Mindermenge im Sinne dieser Klausel an, wie sich schon aus den Ausführungen unter I. 1. b) bb) (1) (a) dieses Urteils ergibt. 66(b) 67Zum anderen hatte die Beklagte - nachdem, wie soeben dargelegt worden ist, die zu ihren Lasten aus dem Vertrag UV 25 folgenden Pflichten gemäß § 362 Abs. 1 BGB durch Erfüllung erloschen waren - die Pflichten aus dem Vertrag UV 37 zu erfüllen. Aus der Regelung in Nr. 9 dieses Vertrages ergibt sich aber, dass die Beklagte die Lieferung von 50.000 Festmetern Käferholz garantierte. Aufgrund der Garantieerklärung war sie nicht mehr berechtigt, von der Regelung in Nr. 3.2 Gebrauch zu machen, sodass diese Regelung nur Bedeutung für den Vertrag UV 25 hat. Das folgt aus der Bestimmung des § 305c Abs. 2 BGB, laut der Zweifel bei der Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders - hier somit zu Lasten der Beklagten - gehen. Bei den Klauselwerken handelt es sich - wie schon die Verwendung zweier im Wesentlichen gleichlautender Formulare folgt - um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 S. 1 BGB, wobei diese Regelung - wie aus § 310 Abs. 1 S. 1 BGB folgt - auch im Rechtsverhältnis von Unternehmern zueinander Anwendung findet. Denn die Klausel, laut der 50.000 Festmeter Holz garantiert werden, steht mit derjenigen - die von der Kammer für sich genommen grundsätzlich als wirksam angesehen wird -, dass die Beklagte berechtigt sein solle, sich trotz einer Mindermenge von 10 % auf Erfüllung berufen zu können, in unlösbarem Widerspruch. Es handelt sich demnach um eine mehrdeutige Klausel, die einerseits dahingehend ausgelegt werden kann, 50.000 Festmeter seien garantiert - woraus folgt, dass diese Menge dann nicht unterschritten werden darf -, andererseits dahin, die Beklagte sei berechtigt, bereits bei Erreichen von 45.000 Festmeter die Zuweisung weiterer Flächen zu verweigern. Anerkanntermaßen gilt in einem solchen Fall der Grundsatz, dass die Klausel in der Auslegung Wirksamkeit entfaltet, die für den Kunden die günstigste ist, da angesichts des Umstandes, dass der Klauselverwender sich klar ausdrücken kann, eine kundenfreundliche Auslegung vorzunehmen ist (vergleiche zum Ganzen Palandt / Grüneberg, BGB, 80. Aufl., § 305c Rdnr. 18 mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). 68bb) 69Durch dieses Verhalten, das sich als Nichterfüllung der vertraglich vereinbarten Leistungspflichten darstellt (vgl. dazu Palandt / Grüneberg, BGB, 80. Aufl., § 280 Rdnr. 13 und § 281 Rdnr. 17, jeweils mit weiteren Nachweisen), hat die Beklagte gleichzeitig ihre nebenvertraglich bestehende Pflicht, den Vertragszweck nicht zu beeinträchtigen, und damit die Leistungstreuepflicht (vgl. dazu Grüneberg, a. a. O., § 280 Rdnr. 25) verletzt. Denn es war Vertragszweck, der Klägerin die Möglichkeit einzuräumen, eine Menge von insgesamt 80.000 Festmetern Holz zu werben. Indem die Beklagte die Ansicht vertrat, sie habe ihre Pflichten bereits dadurch erfüllt, dass es der Klägerin bis Ende April 2021 ermöglicht worden war, eine Menge von ca. 45.000 Festmetern Holz zu werben, verweigerte sie konkludent die Anweisung von Flächen, die es der Klägerin ermöglichten, weitere Holzmengen zu werben, obwohl diese darauf einen vertraglichen Anspruch hatte, und beeinträchtigte damit erheblicher Art und Weise die Erreichung des Vertragszweckes (Werbung von 80.000 Festmetern Holz). 70cc) 71Diese Pflichtverletzungen der Beklagten entfallen auch nicht aufgrund eines Verzichts der Klägerin auf die Werbung weiterer Holzmengen. Entgegen dem Vorbringen der Beklagten kann nämlich weder das Vorliegen einer „einverständlichen“, also zwischen den Parteien abgesprochenen Kürzung der Vertragsmenge noch der Ausspruch eines solchen Verzichts durch die Klägerin festgestellt werden. Die Beklagte bezieht sich zum Beleg für die Richtigkeit dieses Vortrags auf den Inhalt des E-Mail-Schreibens des Geschäftsführers der Klägerin vom 27.04.2021 (Bl. 134 der Akte), aus dem sich das genaue Gegenteil ergibt. 723. 73Diese Pflichtverletzung erfolgte auch schuldhaft. Das ergibt sich schon aus der Verschuldensvermutung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB. Vermutungswiderlegender Vortrag der Beklagten ist nicht zur Akte gelangt. Soweit die Beklagte ausführt, der von der Klägerin beauftragte Herr D habe geäußert, der Vertrag sei voll, ergibt sich daraus nichts anderes, weil diese Äußerung am 15. / 16.04.2021 erfolgt sein soll, während die Aufforderung der Klägerin gegenüber der Beklagten, ihr weitere Flächen Verfügung zu stellen, vom 27.04.2021 stammte und somit innerhalb der bis zum 31.05.2021 andauernden Vertragslaufzeit erfolgte. Rein ergänzend sei ausgeführt, dass Herr D als Erfüllungsgehilfe der Klägerin, nicht jedoch als deren rechtsgeschäftlich bevollmächtigter Vertreter tätig wurde, so dass rechtlich bedeutsame Willenserklärungen des Herrn D - als solche will die Beklagte diese Erklärung werten - der Klägerin mangels Erteilung einer Vollmacht nicht gemäß § 164 Abs. 1 BGB zugerechnet werden können. 74Soweit die Beklagte auf den Seiten 10 und 11 der Klageerwiderungsschrift (Bl. 76 / 77 der Akte) umfassend ausführt, im Mai 2021 hätten keine eindeutigen Erkenntnisse über die bereits abgeholzten und die noch bereitzustellenden Holzmengen bestanden, wäre es ihre Aufgabe gewesen, entsprechende Feststellungen zu machen, bevor sie ihre vertraglichen Pflichten zur Bereitstellung weiterer Flächen verletzte; in diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen einer Erfüllung trifft. 754. 76Die gemäß §§ 280 Abs. 2, 281 Abs. 1 S. 1 BGB erforderliche Fristsetzung zur Leistung liegt im E-Mail-Schreiben der Klägerin vom 27.04.2021. Die Erfüllung der vertraglichen Pflicht, der Klägerin (weitere) Flächen zur vereinbarten Selbstwerbung zuzuweisen, war unproblematisch innerhalb der von der Klägerin gesetzten Frist von zwei Tagen möglich. 77Vor diesem Hintergrund sei rein ergänzend darauf hingewiesen, dass eine weitere Fristsetzung gemäß § 281 Abs. 2 Alt. 1 BGB entbehrlich war, nachdem die Beklagte im Telefongespräch vom 29.04.2021 mit der Behauptung, sie habe ihre Leistungspflichten erfüllt, die Zuweisung weiterer, von der Klägerin zu bearbeitender Forstflächen ernsthaft und endgültig verweigert hat. 785. 79Rechtsfolge ist, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den dieser entstandenen Schaden, der ausweislich der Regelung gemäß § 252 BGB auch den entgangenen Gewinn umfasst, zu ersetzen. 80a) 81Die Höhe des der Klägerin entstandenen Schadens bedarf allerdings der Aufklärung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Dieser Umstand allein hindert aber den Erlass eines Grundurteils gemäß § 304 Abs. 1 ZPO nicht. Denn ein Grundurteil kann dann erlassen werden, wenn ein nach Grund und Betrag streitiger Anspruch dem Grunde nach feststeht und wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Anspruch (irgendeiner) Höhe nach besteht (vergleiche dazu Hunke, in: Baumbach / Lauterbach / Hartmann / Anders / Gehle ZPO, 79. Aufl., § 304 Rdnr. 5). Aus obigen Ausführungen folgt, dass die Klage dem Grunde nach berechtigt ist. Es besteht auch die erforderliche hohe Wahrscheinlichkeit des Bestehens eines Anspruchs in (irgendeiner) Höhe. Das ergibt sich schon aus dem Vortrag der Beklagten selbst (Seite 7 der Klageerwiderung, Bl. 73 der Akte), laut dem die Beklagte insgesamt (erst) 43.630,42 Festmeter Holz geworben hat, sodass an der vertraglich geschuldeten Menge von 80.000 Festmetern noch 37.369,58 Festmeter fehlen. Daraus folgt die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts in Gestalt entgangenen Gewinns. Das ergibt sich zum einen aus dem schlüssigen Vortrag der Klägerin. Zum anderen folgt das aber auch aus dem vorprozessualen Schreiben der jetzigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 21.07.2021, wie es von der Klägerin als Anlage K 3 zur Klageschrift zur Akte gereicht worden ist. Denn hier berechnet die Beklagte selbst einen auf Seiten der Klägerin eingetretenen Schaden in sechsstelliger Höhe. 82b) 83Auch der Umstand, dass die Beklagte der Ansicht ist, die Klägerin treffe ein Mitverschulden am Schadenseintritt, ändert nichts am Vorliegen der Voraussetzung des § 304 Abs. 1 ZPO. 84Ein Mitverschulden der Klägerin am Eintritt des Schadens liegt nämlich nicht vor. Ein Mitverschulden folgt insbesondere nicht aus einem Verstoß der Klägerin gegen die Regelung in Nr. 7.1 der Verträge. Dabei kann dahinstehen, ob der Klägerin ihren aus dieser vertraglichen Regelung folgenden Obliegenheiten genügt hat. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, hätte die Beklagte die Klägerin auffordern müssen, die Unterlagen vorzulegen, bevor sie die Zurverfügungstellung weiterer Flächen verweigerte. Zudem fehlt es an der Kausalität eines Verstoßes der Klägerin für die fehlende Zurverfügungstellung weiterer Flächen. Das folgt daraus, dass die Beklagte selbst nicht behauptet, die fehlende Zurverfügungstellung weiterer Flächen 85trotz des E-Mail-Schreibens der Klägerin vom 27.04.2021 sei auf die fehlende Vorlage von Unterlagen im Sinne der Regelung gemäß Nr. 7.1 des Vertrages gestützt worden. 86Deshalb ist es nicht erforderlich, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, die Klärung des Vorliegens eines Mitverschuldens dem Betragsverfahren vorzubehalten (vgl. zu dieser Möglichkeit Hunke, a. a. O., Rdnr. 10). 87II. Klageantrag zu 2. 88Auch mit diesem Antrag ist die Klage dem Grunde nach gerechtfertigt, wie sich aus § 280 Abs. 1 BGB ergibt. 89Denn anerkanntermaßen erstreckt sich die aus einer Verletzung vertraglicher Pflichten im Sinne des § 280 Abs. 1 BGB folgende Schadensersatzpflicht auch auf die durch die Geltendmachung und Durchsetzung des Schadensersatzanspruches verursachten Kosten (Grüneberg, a. a. O., § 249 Rdnr. 56), wozu insbesondere die durch die vorprozessuale Einschaltung von Rechtsanwälten entstehenden Kosten gehören (Grüneberg, a. a. O., § 249 Rdnr. 57, jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen). 90Auch insoweit ist die Klage zur Höhe nicht entscheidungsreif, da die Frage, in welcher Höhe die jetzigen Prozessbevollmächtigten zur Geltendmachung von Kostenerstattungsansprüchen gegenüber der Klägerin berechtigt sind, davon abhängt, in welchem Umfang die Klage zum Antrag zu 1. Erfolg haben wird, und da diese Frage - wie soeben dargelegt worden ist - noch weiterer Aufklärung erfordert. Dementsprechend hat die Kammer auch insoweit gemäß § 304 Abs. 1 ZPO ein der Klage stattgebendes Grundurteil erlassen. 91III. Nebenentscheidungen 92Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten, eine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist nicht veranlasst.
die klage ist dem grunde nach gerechtfertigt. die kostenentscheidung bleibt dem schlussurteil vorbehalten. 1
2die klägerin macht mit der klage schadensersatzansprüche geltend. 3zwischen der klägerin und der stadt c - wobei als auftraggeber in den vorformulierten verträgen, die von der beklagten gestellt worden sind, der „forstbetrieb der stadt c“ genannt worden ist - kam es am 14.09.2020 zum abschluss von zwei so bezeichneten unternehmerverträgen mit den vertragsnummern uv 2020-25 und uv 2020-37 (im folgenden: uv 25 bzw. uv 37). die vertragsformulare mit klauseln, wie sie in diesen unternehmerverträgen enthalten sind, werden von der beklagten auch in anderem zusammenhang benutzt. die verträge hatten eine laufzeit vom 01.09. 2020 bis zum 31.05.2021 und verhielten sich über von der klägerin im revier t der beklagten gemäß dem arbeitsauftrag der zuständigen revierleitung zu rückende holzsortimente. der uv 25 umfasste eine vertragsmasse von „ca. 30.000 fm“, der uv 37 eine solche von 50.000 fm. in beiden vertragsformularen heißt es unter ziffer 3.2, die vertragspartner vereinbarten eine mehr- oder mindermenge von max. 10 % der vereinbarten vertragsmenge. 4ziffer 7.1 hat auszugsweise folgenden inhalt: 5„7.1 kontrolle des holzaufmaßes . . . der auftragnehmer ist verpflichtet, dem revierleiter seine wöchentliche aufarbeitungsleistung bis freitag jeder woche unaufgefordert zu melden. die entsprechenden harvesterprotokolle sind wöchentlich dem forstamt an jedem freitag der woche durch den auftragnehmer unaufgefordert zu übermitteln.“ 6ziffer 9 hat folgenden inhalt: 7„die lieferung von 50.000 fm käferholz werden seitens des verkäufers garantiert. die vertragsmasse von 30.000 fm vermindert sich automatisch, wenn gegenüber der ursprünglichen einschätzung der kalamitätsmassen weniger holz anfällt. diese entscheidung trifft der forstbetrieb. in diesem fall entfällt der schadensersatzanspruch des auftragnehmers.“ 8bereits vor abschluss dieser verträge hatten die parteien einen vertrag über die werbung von 3.000 fm holz durch die beklagte abgeschlossen, wobei die klägerin in umsetzung dieses vertrages eine menge von 3.004,57 fm holz aufgearbeitet hatte. 9nach vertragsschluss führte das von der klägerin beauftragte subunternehmen d die vertraglich vereinbarten arbeiten durch, wobei der zuständige revierlei- 10ter der beklagten diesem jeweils im voraus zeigte, auf welchen flächen die holzrückarbeiten erledigt werden konnten. 11nach unbestritten gebliebenem klägerischen vortrag stellte die beklagte seit anfang april keine flächen mehr zur weiteren bearbeitung zur verfügung. der weitere vortrag der klägerin, die beklagte habe sich bereits zuvor - nämlich in der zeit seit februar 2021 - um eine reduzierung der vertragsmenge bemüht, ist von der beklagten ebenso wenig bestritten worden wie die ausführungen der klägerin, ihr sei bekannt, dass die beklagte mit anderen marktteilnehmern unternehmerverträge abgeschlossen habe, bei denen sie im vergleich mit dem inhalt des zwischen den parteien des rechtsstreits abgeschlossenen vertrag stärker vom starken holzpreisanstieg profitiert habe. 12mit e-mail-schreiben vom 27.04.2021, wegen dessen gesamten inhalts auf die als ausdruck zur akte gereichte anlage b 3 zum beklagtenschriftsatz vom 07.03.2022 (bl. 125 ff. der akte) bezug genommen wird, bot die klägerin die durchführung der vertraglich vereinbarten arbeiten zur aufarbeitung der sich nach ihren berechnungen ergebenden restmenge von 14.500 fm ab montag, 03.05.2021, an und bat um rückantwort bis spätestens freitag, 10:00 uhr, wo der harvester eingesetzt werden könne. gleichzeitig behielt die klägerin sich für den fall, dass sie „nichts weiter höre“, weitergehende rechte vor und teilte mit, sie stehe für ein telefonat zur verfügung. am 29.04.2021 fand ein telefonat statt, in dem nach - anschließend nicht mehr von der beklagten bestrittenem - klägervortrag keine einigung zu den bereitzustellenden festmetern und qualitäten zur erfüllung der geschlossenen unternehmerverträge erzielt werden konnte. eine ausweisung von durch die klägerin oder durch den von ihr beauftragten subunternehmer zu bearbeitenden flächen erfolgte anschließend seitens der beklagten nicht. 13die klägerin hat ohne berücksichtigung des sich über eine menge von 3.000 fm holz verhaltenden vertrages aufgrund des uv 25 insgesamt 35.704,46 fm sägeholz und 463,95 fm industrieholz und anschließend weitere 6.462,01 fm industrieholz aufgearbeitet, sodass sich unter hinzurechnung der im hinblick auf den über eine menge von 3.000 fm abgeschlossenen vertrag ergebenden „zuvielmenge“ von 4,57 fm eine insgesamt geworbene menge von 42.634,99 fm ergibt. 14die zwischen ihren - anschließend von den jetzigen parteien des rechtsstreits beauftragten - jetzigen prozessbevollmächtigten geführten verhandlungen führten zu keiner einigung. zwar bot die beklagte zunächst ausweislich des vorprozessualen schreibens vom 21.07.2021 (anlage k 3 zur klageschrift) die zahlung eines betrages von 243.183,60 € zur abgeltung des rechtsstreits und zur abgeltung sämtlicher der der klägerin gegen die beklagte zustehenden ansprüche an, jedoch teilten ihre jetzigen prozessbevollmächtigten mit e-mail-schreiben vom 03.08.2021 (ausdruck anlage k 6 zur klageschrift) mit, dieses angebot stehe unter dem vorbehalt der zustimmung des gemeinderats, der am 02.09.2021 beraten werde. 15nachdem die klägerin im anschluss an diesen termin keine nachricht erreichte, macht sie nunmehr gegen die beklagte schadensersatzansprüche geltend, wobei sie mit ihrer klageschrift zunächst - ausgehend von einer gesamtvertragsmasse von 80.000 fm - unter zugrundelegung der berechnung gemäß seite 6 der klageschrift vom 27.10.2021 eine schadensersatzforderung von 1.663.144,45 € brutto errechnet hat. ausweislich des inhalts der klageerweiterungsschrift vom 13.06.2022 (bl. 178 ff. d. a.) errechnet sie nunmehr aufgrund einer berücksichtigung einer weiteren, bis dahin in ihre berechnungen nicht einbezogenen fehlmenge (industrieholz) eine schadensersatzforderung in höhe von 2.296.039,65 € brutto. 16dementsprechend beantragt die klägerin, 17181. 19die beklagte zu verurteilen, an sie einen betrag in höhe von eur 2.296.039,65 brutto zzgl. verzugszinsen in höhe von 5 %-punkten über dem jeweiligen basiszinssatz seit dem 11.11.2021 aus eur 1.663.944,45 sowie aus eur 632.095,20 seit dem 12.07.2022 zu zahlen, 202. 21die beklagte zu verurteilen, an die klägerin vorgerichtliche anwaltskosten in höhe von eur 9.768,70 netto zzgl. verzugszinsen hieraus in höhe von 5 prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz seit dem 11.11.2021 zu zahlen. 22die beklagte beantragt, 23die klage abzuweisen. 24sie beruft sich zunächst auf erfüllung. sie meint, diese sei bereits bei einer geworbenen menge von 45.000 fm eingetreten. dies ergebe sich daraus, dass sie ausweislich der ziffern 9 der verträge zur einschätzung berechtigt sei, es falle weniger holz an, mit der folge, dass sich die vertragsmasse um 30.000 fm vermindere. aus ziffer 3.2 der verträge ergebe sich, dass eine mindermenge von maximal 10 % der vereinbarten vertragsmenge vereinbart worden sei; werde diese von der verbleibenden vertragsmasse von 50.000 fm abgezogen, verbleibe eine vertragsmenge von 45.000 fm, die unter einbeziehung des vertrages über eine menge von 3.000 fm von der klägerin abgearbeitet worden sei. dazu trägt die beklagte vor, nachdem die klägerin aufgrund des erstvertrages 3.004,57 fm aufgearbeitet habe, habe sie aufgrund des uv 25 eine menge von 35.704,46 fm sägeholz und 463,95 fm industrieholz aufgearbeitet, anschließend weitere 6.462,01 fm industrieholz. außerdem sei eine einverständliche kürzung der vertragsmenge auf eine menge von 50.000 fm erfolgt. die beklagte meint, ein solches einverständnis ergebe sich aus dem e-mail-schreiben der klägerin vom 27.04.2021. 25im zusammenhang mit dem von ihr erhobenen erfüllungseinwand trägt die beklagte ergänzend vor, der von der klägerin beauftragte subunternehmer d habe am 15. / 16.04. 2021 das revier verlassen und dabei geäußert, der vertrag „sei voll“, wobei die beklagte in diesem zusammenhang weiter vorträgt, zu diesem zeitpunkt seien sämtliche beteiligte davon ausgegangen, dass nur eine vertragsmasse von 50.000 fm fest vereinbart gewesen sei. anschließend seien die flächen, die herrn d ausgewiesen worden seien, nicht mehr bearbeitet worden, bis die klägerin sie mit schreiben vom 27.04.2021 aufgefordert habe, ihr weiteres holz zur verfügung zu stellen. 26im übrigen habe sie lediglich die pflicht getroffen, der beklagten flächen zur verfügung zu stellen. dieser pflicht sei sie nachgekommen, indem sie unmittelbar zu beginn der vertragsbeziehung flächen zur holzaufarbeitung für die klägerin ausgewiesen habe, die ausgereicht hätten, um während der vertragslaufzeit 80.000 fm holz zu werben. weitergehende pflichten hätten sie nicht getroffen, wie sie meint. 27schließlich vertritt sie die ansicht, selbst wenn eine pflichtverletzung vorliege, habe sie diese nicht zu vertreten. denn es sei sache der klägerin gewesen, den stand der aufarbeitung und damit den der geworbenen menge zu kontrollieren. am verschulden fehle es auch deshalb - wie sie weiter ausführt -, weil sie aufgrund der ihrer ansicht nach der klägerin zuzurechnenden äußerungen des herrn d davon habe ausgehen dürfen, die klägerin wolle keine weiteren bezugsrechte mehr nutzen, sodass sie ab diesem zeitpunkt nicht mehr verpflichtet gewesen sei, für die klägerin zusätzlich aufzuarbeitende flächen bereitzuhalten. zudem habe diese das ihr laut vertrag zustehende recht zur holzwerbung nicht vollständig ausgenutzt. 28jedenfalls treffe die klägerin - wie die beklagte weiter meint - ein erhebliches mitverschulden an einem eingetretenen schaden in form entgangenen gewinns, insbesondere deshalb, weil die klägerin durch das unterlassen weiterer aufarbeitung von holz während der vertragslaufzeit selbst dazu beigetragen habe, dass sie nicht die gesamte von ihr beanspruchte vertragsmasse erhalten habe. 29abschließend wendet sich die beklagte gegen die schadensberechnung der klägerin. 30zur ergänzung des sach- und streitstand inhalt der gewechselten schriftsätze nebst anlagen verwiesen. 31
32die klage ist dem grunde nach gerechtfertigt, sodass die kammer grundurteil gemäß § 304 abs. 1 zpo erlassen hat. 33i. klageantrag zu 1. 34der klägerin steht gegen die beklagte einen schadensersatzanspruch gemäß §§ 280 abs. 1, abs. 3, 281 abs. 1 s. 1, abs. 2 bgb zu. 351. 36beklagte partei ist ungeachtet der in der klageschrift erfolgten parteibezeichnung „forstbetrieb der stadt c“ allein die stadt c. 37a) 38nach der höchstrichterlichen rechtsprechung ist eine parteibezeichnung als teil einer prozesshandlung grundsätzlich der auslegung zugänglich. dabei ist entscheidend, wie die bezeichnung bei objektiver deutung aus der sicht der empfänger (gericht und gegenpartei) zu verstehen ist. es kommt darauf an, welcher sinn der von der klagenden partei in der klageschrift gewählten bezeichnung bei objektiver würdigung des erklärungsinhalts beizulegen ist (bghz 4, 328, 334; bgh, njw 1987, 1946 m. w. n.). bei objektiv unrichtiger oder auch mehrdeutiger bezeichnung ist grundsätzlich diejenige person als partei anzusprechen, die erkennbar durch die parteibezeichnung betroffen werden soll (bgh, a. a. o. und njw-rr 1995, 764 m. w .n.). bei der auslegung der parteibezeichnung sind nicht nur die im rubrum der klageschrift enthaltenen angaben, sondern auch der gesamte inhalt der klageschrift einschließlich etwaiger beigefügter anlagen zu berücksichtigen (bgh, mdr 2008, 524 f.) dabei gilt der grundsatz, dass die klageerhebung gegen die in wahrheit gemeinte partei nicht an deren fehlerhafter bezeichnung scheitern darf, wenn diese mängel in anbetracht der jeweiligen umstände letztlich keine vernünftigen zweifel an dem wirklich gewollten aufkommen lassen, solange nur aus dem inhalt der klageschrift und etwaigen anlagen unzweifelhaft deutlich wird, welche partei tatsächlich gemeint ist (bag, a. a. o.; so auch schon olg hamm, njw-rr 1991, 188). 39b) 40unter zugrundelegung dieser grundsätze ist in der obergerichtlichen rechtsprechung, der die kammer sich anschließt, für den fall, dass auf kläger- oder beklagtenseite nach dem wortlaut der in einer klageschrift gewählten parteibezeichnungen ein gemeindlicher eigenbetrieb klagen bzw. verklagt werden soll, anerkannt, dass regelmäßig die rechts- und damit parteifähige gemeinde partei werden soll (bgh, wm 1981, 529; lg köln, urt. v. 30.08.2011 - 5 o 299/10 -, zitiert nach „juris“). 41so liegt der fall auch hier: die klägerin hat schon auf seite 2 der klageschrift - dort unter gliederungspunkt i. 2. - dargelegt, dass die stadt c beklagte sein soll. schon im wege der angezeigten (siehe die obigen ausführungen) auslegung zur sich hier stellenden frage, welche partei verklagt werden soll, folgt daraus, dass die stadt c und nicht deren eigenbetrieb beklagte sein soll. 422. 43die beklagte hat jedenfalls ab dem 27.04.2021 ihre aus den unter der bezeichnung uv 37 in verbindung mit dem uv 25 geschlossenen verträgen folgenden vertraglichen pflichten verletzt, der klägerin bis zum zeitpunkt des vertragsablaufes am 31.05. 2021 diejenigen flächen, auf denen diese die vertraglich vereinbarte tätigkeit der selbstwerbung durchführen sollte, auszuweisen. 44a) 45eine solche vertragliche pflicht bestand zu lasten der beklagten. das folgt schon aus ihren eigenen ausführungen auf seite 3 der klageerwiderung vom 22.12.2021 (bl. 69 der akte). hier führt die beklagte selbst aus, dass der zuständige revierleiter dem von der klägerin beauftragten herrn d jeweils im vorfeld der von diesem im auftrag der klägerin durchzuführenden holzarbeiten die zu bearbeitenden flächen auswies. daraus folgt, dass eine vertragliche pflicht der beklagten bestand, ihrer vertragspartnerin, der klägerin vor durchführung der arbeiten entsprechende flächen auszuweisen. 46b) 47diese vertragliche pflicht hat die beklagte jedenfalls spätestens ab dem 27.04.2021 verletzt. 48aa) 49unstreitig - die beklagte führt dies selbst auf seite 5 der klageerwiderung vom 22.12. 2021 (bl. 171 der akte) aus, das ergibt sich im übrigen auch aus dem inhalt des e-mail-schreibens der klägerin vom 27.04.2021 - hat die klägerin die beklagte an diesem tag aufgefordert, ihr weitere flächen anzuweisen, auf denen weiteres holz geworben werden konnte. ebenfalls unstreitig - die beklagte hat den entsprechenden vortrag der klägerin auf seite 2 deren schriftsatzes vom 21.02.2022 nicht bestritten mit der sich aus § 138 abs. 3 hs. 1 zpo ergebenden rechtsfolge, dass dieser vortrag als zugestanden gilt - hat die beklagte der klägerin anschließend keine weiteren flächen zugewiesen; vielmehr wurde am 29.04.2021 ein telefonat geführt, bei dem keine einigung zu den bereitzustellenden festmetern und qualitäten zur erfüllung der geschlossenen unternehmerverträge erzielt worden ist. die klägerin ihre vertraglich vereinbarte pflicht zur ausweisung von durch die klägerin zu bearbeitenden flächen verletzt. 50eine pflichtverletzung ist entgegen der nunmehr von der beklagten im rechtsstreit vertretenen ansicht nicht deshalb zu verneinen, weil an diesem tage die vertraglich vereinbarten mengen von der klägerin bereits geworben worden wären mit der sich daraus ergebenden rechtsfolge, dass die beklagte gemäß § 362 abs. 1 bgb ihre vertraglichen pflichten erfüllt hätte und nicht mehr verpflichtet gewesen wäre, der klägerin weitere flächen zur selbstwerbung zur verfügung zu stellen. 51denn die beklagte führt auf seite 7 der klageerwiderungsschrift (bl. 73 der akte) selbst aus, durch die klägerin seien vor dem hintergrund der verträge uv 25 i. v. m. 52uv 37 insgesamt 42.630,42 festmeter (42.634,99 festmeter minus 4,57 festmeter aus einem anderen vertrag) geworben worden. daraus folgt, dass die vertraglich vereinbarte menge von 30.000 festmetern und 50.000 festmetern = 80.000 festmetern bei weitem noch nicht erreicht war. 53(1) 54soweit die beklagte die ansicht vertritt, aus den zu nrn. 9 der beiden verträge vereinbarten klauseln ergebe sich, dass sie berechtigt sei, die vertragsmenge um 30.000 festmeter zu mindern, kann die kammer dieser argumentation im vorliegenden fall aus mehreren gründen nicht folgen: 55(a) 56die beklagte war zum einen zur verminderung der vertragsmasse um bis zu 30.000 festmeter nur im hinblick auf die vertragsmasse aus der vereinbarung uv 25 berechtigt. aus dem eigenen vorbringen der beklagten, wie es auf seite 7 der klageerwiderungsschrift (bl. 73 der akte) zur akte gereicht worden ist, ergibt sich aber, dass dieser vertrag zum zeitpunkt der aufforderung zur zurverfügungstellung weiterer flächen gemäß e-mail-schreiben der klägerin vom 27.04.2021 bereits „abgearbeitet“ war, nachdem die beklagte hier selbst darlegt, aufgrund dieses vertrages seien von der klägerin 35.704,46 festmeter sägeholz und 463,95 festmeter industrieholz aufgearbeitet worden. damit hatte die beklagte die aus diesem vertrag folgenden pflichten, 30.000 festmeter holz zur verfügung stellen zu müssen, zu diesem zeitpunkt erfüllt mit der weiteren folge, dass sie nicht mehr berechtigt war, diese vertragsmasse zu vermindern. 57(b) 58zum anderen war die beklagte nur berechtigt, die vertragsmasse zu vermindern, wenn weniger holz anfiel. wie sich aus ihrem eigenen, soeben dargestellten vorbringen ergibt, war diese tatsächliche voraussetzung aber nicht gegeben, wie schon daraus folgt, dass die klägerin mehr holz geworben hatte als vertraglich vorgesehen. zudem weist die klägerin zu recht darauf hin, dass die beklagte in der klageerwiderung ausführt, es seien genügend flächen vorhanden gewesen, um 80.000 festmeter holz aufzuarbeiten. 59(c) 60letztlich liegen die voraussetzungen aber auch deshalb nicht vor, weil die beklagte nur berechtigt war, während der vertragslaufzeit eine entscheidung dahingehend zu treffen, dass sich die vertragsmasse vermindere. eine solche erklärung der beklagten ist während der vertragslaufzeit aber nicht erfolgt. die beklagte trägt vielmehr selbst vor, dass am 29.04.2021 ein verhandlungsgespräch stattgefunden habe. 61(2) 62auch die klausel in nr. 3.2 der verträge, laut der die vertragspartner eine mehr- oder mindermenge von maximal 10 % der vertragsmenge vereinbarten, ändert nichts daran, dass die beklagte während der vertragslaufzeit verpflichtet war, der klägerin 63so lange flächen anzuweisen, bis die vertraglich genannte menge von 80.000 festmeter zur selbstwerbung erreicht war. 64(a) 65zum einen fiel keine mindermenge im sinne dieser klausel an, wie sich schon aus den ausführungen unter i. 1. b) bb) (1) (a) dieses urteils ergibt. 66(b) 67zum anderen hatte die beklagte - nachdem, wie soeben dargelegt worden ist, die zu ihren lasten aus dem vertrag uv 25 folgenden pflichten gemäß § 362 abs. 1 bgb durch erfüllung erloschen waren - die pflichten aus dem vertrag uv 37 zu erfüllen. aus der regelung in nr. 9 dieses vertrages ergibt sich aber, dass die beklagte die lieferung von 50.000 festmetern käferholz garantierte. aufgrund der garantieerklärung war sie nicht mehr berechtigt, von der regelung in nr. 3.2 gebrauch zu machen, sodass diese regelung nur bedeutung für den vertrag uv 25 hat. das folgt aus der bestimmung des § 305c abs. 2 bgb, laut der zweifel bei der auslegung allgemeiner geschäftsbedingungen zu lasten des verwenders - hier somit zu lasten der beklagten - gehen. bei den klauselwerken handelt es sich - wie schon die verwendung zweier im wesentlichen gleichlautender formulare folgt - um allgemeine geschäftsbedingungen im sinne des § 305 abs. 1 s. 1 bgb, wobei diese regelung - wie aus § 310 abs. 1 s. 1 bgb folgt - auch im rechtsverhältnis von unternehmern zueinander anwendung findet. denn die klausel, laut der 50.000 festmeter holz garantiert werden, steht mit derjenigen - die von der kammer für sich genommen grundsätzlich als wirksam angesehen wird -, dass die beklagte berechtigt sein solle, sich trotz einer mindermenge von 10 % auf erfüllung berufen zu können, in unlösbarem widerspruch. es handelt sich demnach um eine mehrdeutige klausel, die einerseits dahingehend ausgelegt werden kann, 50.000 festmeter seien garantiert - woraus folgt, dass diese menge dann nicht unterschritten werden darf -, andererseits dahin, die beklagte sei berechtigt, bereits bei erreichen von 45.000 festmeter die zuweisung weiterer flächen zu verweigern. anerkanntermaßen gilt in einem solchen fall der grundsatz, dass die klausel in der auslegung wirksamkeit entfaltet, die für den kunden die günstigste ist, da angesichts des umstandes, dass der klauselverwender sich klar ausdrücken kann, eine kundenfreundliche auslegung vorzunehmen ist (vergleiche zum ganzen palandt / grüneberg, bgb, 80. aufl., § 305c rdnr. 18 mit zahlreichen weiteren nachweisen aus der rechtsprechung). 68bb) 69durch dieses verhalten, das sich als nichterfüllung der vertraglich vereinbarten leistungspflichten darstellt (vgl. dazu palandt / grüneberg, bgb, 80. aufl., § 280 rdnr. 13 und § 281 rdnr. 17, jeweils mit weiteren nachweisen), hat die beklagte gleichzeitig ihre nebenvertraglich bestehende pflicht, den vertragszweck nicht zu beeinträchtigen, und damit die leistungstreuepflicht (vgl. dazu grüneberg, a. a. o., § 280 rdnr. 25) verletzt. denn es war vertragszweck, der klägerin die möglichkeit einzuräumen, eine menge von insgesamt 80.000 festmetern holz zu werben. indem die beklagte die ansicht vertrat, sie habe ihre pflichten bereits dadurch erfüllt, dass es der klägerin bis ende april 2021 ermöglicht worden war, eine menge von ca. 45.000 festmetern holz zu werben, verweigerte sie konkludent die anweisung von flächen, die es der klägerin ermöglichten, weitere holzmengen zu werben, obwohl diese darauf einen vertraglichen anspruch hatte, und beeinträchtigte damit erheblicher art und weise die erreichung des vertragszweckes (werbung von 80.000 festmetern holz). 70cc) 71diese pflichtverletzungen der beklagten entfallen auch nicht aufgrund eines verzichts der klägerin auf die werbung weiterer holzmengen. entgegen dem vorbringen der beklagten kann nämlich weder das vorliegen einer „einverständlichen“, also zwischen den parteien abgesprochenen kürzung der vertragsmenge noch der ausspruch eines solchen verzichts durch die klägerin festgestellt werden. die beklagte bezieht sich zum beleg für die richtigkeit dieses vortrags auf den inhalt des e-mail-schreibens des geschäftsführers der klägerin vom 27.04.2021 (bl. 134 der akte), aus dem sich das genaue gegenteil ergibt. 723. 73diese pflichtverletzung erfolgte auch schuldhaft. das ergibt sich schon aus der verschuldensvermutung des § 280 abs. 1 s. 2 bgb. vermutungswiderlegender vortrag der beklagten ist nicht zur akte gelangt. soweit die beklagte ausführt, der von der klägerin beauftragte herr d habe geäußert, der vertrag sei voll, ergibt sich daraus nichts anderes, weil diese äußerung am 15. / 16.04.2021 erfolgt sein soll, während die aufforderung der klägerin gegenüber der beklagten, ihr weitere flächen verfügung zu stellen, vom 27.04.2021 stammte und somit innerhalb der bis zum 31.05.2021 andauernden vertragslaufzeit erfolgte. rein ergänzend sei ausgeführt, dass herr d als erfüllungsgehilfe der klägerin, nicht jedoch als deren rechtsgeschäftlich bevollmächtigter vertreter tätig wurde, so dass rechtlich bedeutsame willenserklärungen des herrn d - als solche will die beklagte diese erklärung werten - der klägerin mangels erteilung einer vollmacht nicht gemäß § 164 abs. 1 bgb zugerechnet werden können. 74soweit die beklagte auf den seiten 10 und 11 der klageerwiderungsschrift (bl. 76 / 77 der akte) umfassend ausführt, im mai 2021 hätten keine eindeutigen erkenntnisse über die bereits abgeholzten und die noch bereitzustellenden holzmengen bestanden, wäre es ihre aufgabe gewesen, entsprechende feststellungen zu machen, bevor sie ihre vertraglichen pflichten zur bereitstellung weiterer flächen verletzte; in diesem zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die beklagte die darlegungs- und beweislast für das vorliegen der voraussetzungen einer erfüllung trifft. 754. 76die gemäß §§ 280 abs. 2, 281 abs. 1 s. 1 bgb erforderliche fristsetzung zur leistung liegt im e-mail-schreiben der klägerin vom 27.04.2021. die erfüllung der vertraglichen pflicht, der klägerin (weitere) flächen zur vereinbarten selbstwerbung zuzuweisen, war unproblematisch innerhalb der von der klägerin gesetzten frist von zwei tagen möglich. 77vor diesem hintergrund sei rein ergänzend darauf hingewiesen, dass eine weitere fristsetzung gemäß § 281 abs. 2 alt. 1 bgb entbehrlich war, nachdem die beklagte im telefongespräch vom 29.04.2021 mit der behauptung, sie habe ihre leistungspflichten erfüllt, die zuweisung weiterer, von der klägerin zu bearbeitender forstflächen ernsthaft und endgültig verweigert hat. 785. 79rechtsfolge ist, dass die beklagte verpflichtet ist, der klägerin den dieser entstandenen schaden, der ausweislich der regelung gemäß § 252 bgb auch den entgangenen gewinn umfasst, zu ersetzen. 80a) 81die höhe des der klägerin entstandenen schadens bedarf allerdings der aufklärung durch einholung eines sachverständigengutachtens. dieser umstand allein hindert aber den erlass eines grundurteils gemäß § 304 abs. 1 zpo nicht. denn ein grundurteil kann dann erlassen werden, wenn ein nach grund und betrag streitiger anspruch dem grunde nach feststeht und wenn eine hohe wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der anspruch (irgendeiner) höhe nach besteht (vergleiche dazu hunke, in: baumbach / lauterbach / hartmann / anders / gehle zpo, 79. aufl., § 304 rdnr. 5). aus obigen ausführungen folgt, dass die klage dem grunde nach berechtigt ist. es besteht auch die erforderliche hohe wahrscheinlichkeit des bestehens eines anspruchs in (irgendeiner) höhe. das ergibt sich schon aus dem vortrag der beklagten selbst (seite 7 der klageerwiderung, bl. 73 der akte), laut dem die beklagte insgesamt (erst) 43.630,42 festmeter holz geworben hat, sodass an der vertraglich geschuldeten menge von 80.000 festmetern noch 37.369,58 festmeter fehlen. daraus folgt die wahrscheinlichkeit eines schadenseintritts in gestalt entgangenen gewinns. das ergibt sich zum einen aus dem schlüssigen vortrag der klägerin. zum anderen folgt das aber auch aus dem vorprozessualen schreiben der jetzigen prozessbevollmächtigten der beklagten vom 21.07.2021, wie es von der klägerin als anlage k 3 zur klageschrift zur akte gereicht worden ist. denn hier berechnet die beklagte selbst einen auf seiten der klägerin eingetretenen schaden in sechsstelliger höhe. 82b) 83auch der umstand, dass die beklagte der ansicht ist, die klägerin treffe ein mitverschulden am schadenseintritt, ändert nichts am vorliegen der voraussetzung des § 304 abs. 1 zpo. 84ein mitverschulden der klägerin am eintritt des schadens liegt nämlich nicht vor. ein mitverschulden folgt insbesondere nicht aus einem verstoß der klägerin gegen die regelung in nr. 7.1 der verträge. dabei kann dahinstehen, ob der klägerin ihren aus dieser vertraglichen regelung folgenden obliegenheiten genügt hat. selbst wenn dies nicht der fall gewesen sein sollte, hätte die beklagte die klägerin auffordern müssen, die unterlagen vorzulegen, bevor sie die zurverfügungstellung weiterer flächen verweigerte. zudem fehlt es an der kausalität eines verstoßes der klägerin für die fehlende zurverfügungstellung weiterer flächen. das folgt daraus, dass die beklagte selbst nicht behauptet, die fehlende zurverfügungstellung weiterer flächen 85trotz des e-mail-schreibens der klägerin vom 27.04.2021 sei auf die fehlende vorlage von unterlagen im sinne der regelung gemäß nr. 7.1 des vertrages gestützt worden. 86deshalb ist es nicht erforderlich, von der möglichkeit gebrauch zu machen, die klärung des vorliegens eines mitverschuldens dem betragsverfahren vorzubehalten (vgl. zu dieser möglichkeit hunke, a. a. o., rdnr. 10). 87ii. klageantrag zu 2. 88auch mit diesem antrag ist die klage dem grunde nach gerechtfertigt, wie sich aus § 280 abs. 1 bgb ergibt. 89denn anerkanntermaßen erstreckt sich die aus einer verletzung vertraglicher pflichten im sinne des § 280 abs. 1 bgb folgende schadensersatzpflicht auch auf die durch die geltendmachung und durchsetzung des schadensersatzanspruches verursachten kosten (grüneberg, a. a. o., § 249 rdnr. 56), wozu insbesondere die durch die vorprozessuale einschaltung von rechtsanwälten entstehenden kosten gehören (grüneberg, a. a. o., § 249 rdnr. 57, jeweils mit zahlreichen weiteren nachweisen). 90auch insoweit ist die klage zur höhe nicht entscheidungsreif, da die frage, in welcher höhe die jetzigen prozessbevollmächtigten zur geltendmachung von kostenerstattungsansprüchen gegenüber der klägerin berechtigt sind, davon abhängt, in welchem umfang die klage zum antrag zu 1. erfolg haben wird, und da diese frage - wie soeben dargelegt worden ist - noch weiterer aufklärung erfordert. dementsprechend hat die kammer auch insoweit gemäß § 304 abs. 1 zpo ein der klage stattgebendes grundurteil erlassen. 91iii. nebenentscheidungen 92die kostenentscheidung bleibt dem endurteil vorbehalten, eine entscheidung zur vorläufigen vollstreckbarkeit ist nicht veranlasst.
346,136
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22 K 3343/22.A
2022-07-27T00:00:00
Gerichtsbescheid
Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Der Gerichtsbescheid ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund des Gerichtsbescheides vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Der 1998 geborene Kläger ist algerischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben am 16. Februar 2022 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 22. Februar 2022 einen förmlichen Asylantrag. 3Mit Bescheid vom 29. März 2022 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Antrag des Klägers als unzulässig ab (Ziffer 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Ziffer 2), ordnete die Abschiebung nach Spanien (Ziffer 3) sowie ein auf 21 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes an (Ziffer 4). Der angefochtene Bescheid ging am 8. April 2022 in der Erstaufnahmeeinrichtung N. ein. Diese händigte den Bescheid - nach eigenen Angaben des Klägers am 22. April 2022 - an den Kläger aus. 4Der Kläger hat am 29. April 2022 Klage erhoben und Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt. Er trägt vor, eine Abschiebung nach Spanien gefährde seine Gesundheit und sein Leben. 5Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß, 6den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 29. März 2022 aufzuheben. 7Die Beklagte beantragt schriftsätzlich, 8die Klage abzuweisen. 9Sie macht geltend, die Klage sei nicht fristgerecht eingegangen und bezieht sich im Übrigen auf den streitgegenständlichen Bescheid. Ferner erklärt sie ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid. 10In der Klage- und Antragsschrift hat der Kläger seine Anschrift mit „EAE N. , D. S. 00, 00000 N. “ angegeben. Ausweislich der Postzustellungsurkunde vom 5. Mai 2022 ist dem Kläger die gerichtliche Eingangsbestätigung zwar nicht unter dieser Anschrift, aber unter der seitens des Zustellers berichtigten Anschrift der EAE N. , „H. S. 00“ in 00000 N. , zugestellt worden. Eine nachfolgende gerichtliche Erinnerungsverfügung vom 25. Mai 2022 an die in der Klage- und Antragsschrift angegebene Anschrift ist in den Postrücklauf geraten mit dem postalischen Hinweis vom 31. Mai 2022, der Empfänger sei unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln. Das Gleiche gilt für eine Fristsetzungsverfügung des Gerichts vom 15. Juni 2022, die an den Kläger unter der Anschrift „H. S. 00 in 00000 N. “ abgesandt worden ist (Postzustellungsurkunde vom 20. Juni 2022). 11Das Gericht hat am 7. Juli 2022 einen Auszug aus dem Ausländerzentralregister eingeholt. Danach ist der Kläger seit dem 24. Juni 2022 unter der Anschrift der ZUE X. gemeldet. 12Unter dem 7. Juli 2022 ist der Kläger gemäß § 84 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört worden und gemäß § 82 Abs. 2 Satz 1 und 2 VwGO aufgefordert worden, binnen zwei Wochen nach Zustellung des Schreibens seine ladungsfähige Anschrift anzugeben. Dies wurde verbunden mit dem Hinweis, dass Ergänzungen nach Fristablauf nicht mehr berücksichtigt werden können. Das Schreiben ist am 8. Juli 2022 per Postzustellungsurkunde an die im Rubrum genannte Anschrift des Klägers in der ZUE X. verschickt worden. Ausweislich der Zustellungsurkunde vom 13. Juli 2022 blieb der Zustellversuch erfolglos, da der Empfänger unbekannt verzogen war. Die Aufforderung ist ohne Reaktion des Klägers geblieben. 13Die Beklagte hat am 19. Juli 2022 unter Bezugnahme auf schriftliche Mitteilungen der Zentralen Ausländerbehörde F. vom 13. und 14. Juli 2022 sowie der ZUE X. vom 13. Juli 2022 mitgeteilt, dass der Kläger am 22. Juni 2022 in die ZUE X. verlegt worden sei, dort aber seit dem 6. Juli 2022 nicht mehr anwesend sei. 14Mit Beschluss vom heutigen Tag ist der Eilantrag als unzulässig abgelehnt worden (22 L 1017/22.A). 15Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. 16Entscheidungsgründe: 171. Das Gericht entscheidet nach Anhörung durch Gerichtsbescheid gemäß § 84 Abs. 1 VwGO, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. 18Das Schreiben vom 7. Juli 2022, mit dem der Kläger gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört worden ist, gilt nach § 10 Abs. 2 AsylG als zugestellt, obwohl die Sendung als unzustellbar zurückkam. 19Nach dieser Vorschrift muss der Ausländer Zustellungen und formlose Mitteilungen unter der letzten Anschrift, die dem angerufenen Gerichte auf Grund seines Asylantrags oder seiner Mitteilung bekannt ist, gegen sich gelten lassen, wenn er für das Verfahren weder einen Bevollmächtigten bestellt noch einen Empfangsberechtigten benannt hat oder diesen nicht zugestellt werden kann (Satz 1). Das Gleiche gilt, wenn die letzte bekannte Anschrift, unter der der Ausländer wohnt oder zu wohnen verpflichtet ist, durch eine öffentliche Stelle mitgeteilt worden ist (Satz 2). Kann die Sendung dem Ausländer nicht zugestellt werden, so gilt die Zustellung mit der Aufgabe zur Post als bewirkt, selbst wenn die Sendung als unzustellbar zurückkommt (Satz 4). 20Nach diesen Maßgaben galt die Zustellung des Anhörungsschreibens vom 7. Juli 2022 mit der Aufgabe zur Post am 8. Juli 2022 als bewirkt. Der Kläger hat für das Verfahren weder einen Bevollmächtigten bestellt noch einen Empfangsberechtigten benannt. Die Anschrift der ZUE X. , in der ihm das Schreiben nicht zugestellt werden konnte, ist seine letzte bekannte Anschrift, die dem Gericht im Sinne der § 10 Abs. 2 Satz 2 AsylG durch eine öffentliche Stelle mitgeteilt worden ist und unter der er wohnt bzw. zu wohnen verpflichtet war. 21Dem Gericht ist die Anschrift durch eine andere öffentliche Stelle – nämlich durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als Registerbehörde des Ausländerzentralregisters – mitgeteilt worden. Denn das Gericht hat unter ordnungsgemäßer Verwendung der vorhandenen Zugriffsrechte aktiv um Mitteilung der im Ausländerzentralregister ordnungsgemäß gespeicherten Daten betreffend den Kläger – insbesondere seine Anschrift – ersucht und daraufhin die erbetene Information erhalten. 22Vgl. zur Funktion des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge als Registerbehörde und der Übermittlung von Daten aus dem Register an andere öffentliche Stellen im Wege eines ausdrücklichen und nach dem AZRG zulässigen Übermittlungsersuchens: BVerwG, Urteil vom 20. August 2020 – 1 C 28/19 –, BVerwGE 169, 192-207, Rn. 16. 23Anders als im Fall der durch den Asylbewerber selbst angegebenen Adresse muss die von einer anderen öffentlichen Stelle mitgeteilte Anschrift objektiv zutreffend sein. Der Asylbewerber muss an der mitgeteilten Anschrift gewohnt haben oder jedenfalls zu wohnen verpflichtet gewesen sein. Er soll nicht das Risiko der Unrichtigkeit einer nicht von ihm stammenden Mitteilung über seine Wohnung tragen. 24Vgl. BT-Drs. 12/4450, S. 16; BeckOK Ausländerrecht, Kluth/Heusch, 33. Edition, Stand: 1. April 2022, AsylG § 10, Rn. 29. 25Dies war vorliegend der Fall. Die durch die Abfrage des Gerichts aus dem Ausländerzentralregister erhaltene Anschriftenmitteilung war zum Zeitpunkt der Mitteilung (und auch zum Zeitpunkt des Zustellungsversuchs) zutreffend in diesem Sinne, da der Kläger dort wohnte bzw. jedenfalls zu wohnen verpflichtet war. Die Angaben im Ausländerzentralregister werden insoweit bestätigt durch die Angaben der ZUE X. in der E-Mail vom 13. Juli 2022 an die Zentrale Ausländerbehörde F. (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 19. Juli 2022). 26Ferner hat der Kläger auch gegen seine Obliegenheiten nach § 10 Abs. 1 Halbs. 2 AsylG verstoßen, jeden Wechsel seiner Anschrift "unverzüglich", also innerhalb von zwei Wochen nach dem tatsächlichen Umzug anzuzeigen, 27vgl. zu dieser Voraussetzung: BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2021 – 1 C 40/20 –, Rn. 12 und 19 ff, juris. 28Der tatsächliche Umzugstag des Klägers nach X. war 22. Juni 2022. An diesem Tag ist der Kläger ausweislich der E-Mail der ZUE X. vom 13. Juli 2022 in die Unterkunft nach X. verlegt worden. Bis zur Abfrage seiner Anschrift beim Ausländerzentralregister durch das Gericht am 7. Juli 2022 und der Absendung des Anhörungsschreibens am 8. Juli 2022 waren bereits mehr als zwei Wochen verstrichen und der Kläger hatte seine damals aktuelle Anschrift, unter der er zumindest zu wohnen verpflichtet war, dem Gericht nicht mitgeteilt. 29Schließlich wurde der Kläger zuvor auch i.S.d. § 10 Abs. 7 AsylG schriftlich und gegen Empfangsbestätigung vom 11. März 2022 auf die Zustellungsvorschriften des § 10 AsylG hingewiesen (Bl. 31 ff., Bl. 87 der Asylakte). 302. Die Klage ist unzulässig. 31a) Sie entspricht nicht den Anforderungen an den Inhalt der Klageschrift gemäß § 82 VwGO, weil die ladungsfähige Anschrift des Klägers nicht (mehr) bekannt ist. 32Gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO muss die Klage den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Entspricht die Klage nicht diesen Anforderungen, hat der Vorsitzende oder der Berichterstatter gemäß § 82 Abs. 2 Satz 1 VwGO den Kläger zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist aufzufordern. 33Das Erfordernis der Bezeichnung des Klägers erstreckt sich grundsätzlich auch auf die Angabe der ladungsfähigen Anschrift, d.h. seiner Wohnanschrift, unter der er tatsächlich erreichbar ist. Im Falle einer insofern erfolgenden Änderung hat der Kläger diese mitzuteilen. Eine ladungsfähige Anschrift ist dann nicht erforderlich, wenn sich diese aus den von der Behörde gemäß § 99 VwGO vorzulegenden Akten ergibt, sonst wie bekannt ist oder sich auf andere Weise ohne Schwierigkeiten ermitteln lässt. 34Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. April 1999 ‑ 1 C 24/97 ‑, NJW 1999, 2608 ff. und juris Rn. 28 ff sowie Beschluss vom 14. Februar 2012 ‑ 9 B 79/11 ‑, Rn. 7, juris. 35Nach diesen Grundsätzen fehlt es an einer ladungsfähigen Anschrift. 36Zwar war in der Klageschrift eine Wohnanschrift angegeben. Es spricht jedoch alles dafür, dass sich der Kläger unter dieser Anschrift nicht mehr aufhält und dem Gericht liegen auch keine sonstigen Erkenntnisse vor, aufgrund derer die aktuelle Wohnanschrift des Klägers ermittelt werden könnte. 37Es spricht alles dafür, dass sich der Kläger unter der von ihm zuletzt angegebenen Anschrift nicht mehr aufhält. Schreiben des Gerichts, die an den Kläger unter der Postanschrift der EAE N. abgesandt worden sind, gelangten am 13. sowie 23. Juni 2022 in den Postrücklauf mit dem Hinweis, der Kläger sei unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln. 38Dem Gericht liegen auch keine sonstigen Erkenntnisse vor, aufgrund derer die aktuelle Wohnanschrift des Klägers ermittelt werden könnte. Insbesondere hält sich der Kläger nach gegenwärtigem Erkenntnisstand auch unter der Anschrift der ZUE X. , unter der er zu wohnen verpflichtet ist, tatsächlich seit dem 6. Juli 2022 nicht mehr auf. 39Schließlich fehlt es auch an Anhaltspunkten dafür, dass dem Kläger die Angabe seiner Anschrift ausnahmsweise unmöglich oder unzumutbar wäre. 40Das Gericht hat den Kläger – in demselben Schreiben vom 7. Juli 2022, mit dem der Kläger zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört worden ist – auf das Fehlen der ladungsfähigen Anschrift und die Unzulässigkeit der Klage als Folge dieses Umstandes hingewiesen, ihn gemäß § 82 Abs. 2 Satz 1 und 2 VwGO unter Fristsetzung zur Angabe seiner ladungsfähigen Anschrift aufgefordert und auf die Folge dieser Vorschrift hingewiesen. Die Zustellung des Schreibens gilt nach den oben gemachten Ausführungen gemäß § 10 Abs. 2 AsylG mit der Aufgabe zur Post am 8. Juli 2022 als bewirkt, obwohl die Sendung als unzustellbar zurückkam. 41Auf die Fristsetzungsverfügung erfolgte keine Reaktion des Klägers. 42b) Überdies ist die Klage auch nicht fristgerecht erhoben worden. 43Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 2. Hs. AsylG ist die Klage innerhalb einer Woche zu erheben, wenn – wie hier – der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO innerhalb einer Woche zu stellen. Nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG sind Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsanordnung (nach § 34a Abs. 1 AsylG) innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Entscheidungen, die der Anfechtung unterliegen, sind den Beteiligten zuzustellen, § 31 Abs. 1 Satz 3 AsylG. In einer Aufnahmeeinrichtung hat diese Zustellungen und formlose Mitteilungen an die Ausländer, die nach Maßgabe des § 10 Abs. 2 AsylG Zustellungen und formlose Mitteilungen unter der Anschrift der Aufnahmeeinrichtung gegen sich gelten lassen müssen, vorzunehmen, § 10 Abs. 4 Satz 1 AsylG. Zustellungen und formlose Mitteilungen sind mit der Aushändigung an den Ausländer bewirkt; im Übrigen gelten sie am dritten Tag nach Übergabe an die Aufnahmeeinrichtung als bewirkt (§ 10 Abs. 4 Satz 4 AsylG). 44Nach diesen Maßgaben gilt der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamtes vom 29. März 2022 als zugestellt am 11. April 2022 und die Frist zur Klageerhebung endete mit Ablauf des 19. April 2022 (Dienstag nach Ostermontag). 45Die Klagefrist betrug eine Woche, da der Eilantrag des Klägers sich gegen die Abschiebungsanordnung in Ziffer 3 des angefochtenen Bescheides richtete. Die Bekanntgabe des angefochtenen Bescheides erfolgte durch Zustellung. Bei der Erstaufnahmeeinrichtung N. handelte es sich im Zeitpunkt der Bescheidzustellung um die letzte bekannte Anschrift des Klägers, die dem Bundesamt auf Grund seines Asylantrags bekannt war (vgl. Bl. 66 der Asylakte). Da er für das Verfahren weder einen Bevollmächtigten bestellt noch einen Empfangsberechtigten benannt hat, musste er Zustellungen unter dieser Anschrift gegen sich gelten lassen. Der Bescheid wurde der Erstaufnahmeeinrichtung N. am 8. April 2022 übergeben (Bl. 207 der Asylakte) und gilt damit gemäß § 10 Abs. 4 Satz 4 2. Hs. AsylG am dritten Tag nach der Übergabe an die Aufnahmeeinrichtung, also am 11. April 2022, als zugestellt. Die spätere Übergabe an den Asylbewerber – hier die erfolgte Aushändigung an den Kläger – ändert hieran nichts, 46vgl. Bergmann in Bergmann/Dienelt, 13. Auflage 2020, AsylG § 10 Rn. 21; Preisner in Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 33. Edition, Stand 1. April 2022, AsylG § 10 Rn. 36 m.w.N.; Oubensalh in Huber/Mantel AufenthG, 3. Auflage 2021, AsylG § 10 Rn. 14; VG München, Beschluss vom 2. Mai 2022 – M 10 S 22.50230 –, juris. 47Dem Bescheid war eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt. Zudem wurde der Kläger zuvor auf diese Zustellungsvorschriften hingewiesen (Bl. 31 ff., Bl. 87 der Asylakte). Nach alledem lief die Frist zur Klageerhebung mit Ablauf des 19. April 2022 (Dienstag nach Ostermontag) ab (§ 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 und 2 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB). 48Gründe, die eine Wiedereinsetzung nach § 60 VwGO rechtfertigen würden, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. 49Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 84 Abs. 1 Satz 3, 167 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. 50Rechtsmittelbelehrung: 51Gegen diesen Gerichtsbescheid kann innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung die Zulassung der Berufung (1) oder mündliche Verhandlung (2) beantragt werden. Wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt. 52(1) Über den Antrag auf Zulassung der Berufung entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn 531. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder 542. der Gerichtsbescheid von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 553. ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt. 56Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich zu stellen. Er muss den angefochtenen Gerichtsbescheid bezeichnen. 57Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 58In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. 59Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen. 60Die Antragsschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. 61(2) Anstelle des Antrags auf Zulassung der Berufung kann mündliche Verhandlung beantragt werden. Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen. 62Der Antrag ist schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) zu stellen. 63Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 64Der Antrag soll möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
die klage wird abgewiesen. der kläger trägt die kosten des verfahrens. der gerichtsbescheid ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der kläger kann die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe des auf grund des gerichtsbescheides vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht die beklagte zuvor sicherheit in höhe des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1
2der 1998 geborene kläger ist algerischer staatsangehöriger. er reiste nach eigenen angaben am 16. februar 2022 in die bundesrepublik deutschland ein und stellte am 22. februar 2022 einen förmlichen asylantrag. 3mit bescheid vom 29. märz 2022 lehnte das bundesamt für migration und flüchtlinge (bundesamt) den antrag des klägers als unzulässig ab (ziffer 1), stellte fest, dass abschiebungsverbote nach § 60 abs. 5 und 7 satz 1 des aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (ziffer 2), ordnete die abschiebung nach spanien (ziffer 3) sowie ein auf 21 monate ab dem tag der abschiebung befristetes einreise- und aufenthaltsverbot gemäß § 11 abs. 1 des aufenthaltsgesetzes an (ziffer 4). der angefochtene bescheid ging am 8. april 2022 in der erstaufnahmeeinrichtung n. ein. diese händigte den bescheid - nach eigenen angaben des klägers am 22. april 2022 - an den kläger aus. 4der kläger hat am 29. april 2022 klage erhoben und antrag auf vorläufigen rechtsschutz gestellt. er trägt vor, eine abschiebung nach spanien gefährde seine gesundheit und sein leben. 5der kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß, 6den bescheid des bundesamtes für migration und flüchtlinge vom 29. märz 2022 aufzuheben. 7die beklagte beantragt schriftsätzlich, 8die klage abzuweisen. 9sie macht geltend, die klage sei nicht fristgerecht eingegangen und bezieht sich im übrigen auf den streitgegenständlichen bescheid. ferner erklärt sie ihr einverständnis mit einer entscheidung durch gerichtsbescheid. 10in der klage- und antragsschrift hat der kläger seine anschrift mit „eae n. , d. s. 00, 00000 n. “ angegeben. ausweislich der postzustellungsurkunde vom 5. mai 2022 ist dem kläger die gerichtliche eingangsbestätigung zwar nicht unter dieser anschrift, aber unter der seitens des zustellers berichtigten anschrift der eae n. , „h. s. 00“ in 00000 n. , zugestellt worden. eine nachfolgende gerichtliche erinnerungsverfügung vom 25. mai 2022 an die in der klage- und antragsschrift angegebene anschrift ist in den postrücklauf geraten mit dem postalischen hinweis vom 31. mai 2022, der empfänger sei unter der angegebenen anschrift nicht zu ermitteln. das gleiche gilt für eine fristsetzungsverfügung des gerichts vom 15. juni 2022, die an den kläger unter der anschrift „h. s. 00 in 00000 n. “ abgesandt worden ist (postzustellungsurkunde vom 20. juni 2022). 11das gericht hat am 7. juli 2022 einen auszug aus dem ausländerzentralregister eingeholt. danach ist der kläger seit dem 24. juni 2022 unter der anschrift der zue x. gemeldet. 12unter dem 7. juli 2022 ist der kläger gemäß § 84 vwgo zur entscheidung durch gerichtsbescheid angehört worden und gemäß § 82 abs. 2 satz 1 und 2 vwgo aufgefordert worden, binnen zwei wochen nach zustellung des schreibens seine ladungsfähige anschrift anzugeben. dies wurde verbunden mit dem hinweis, dass ergänzungen nach fristablauf nicht mehr berücksichtigt werden können. das schreiben ist am 8. juli 2022 per postzustellungsurkunde an die im rubrum genannte anschrift des klägers in der zue x. verschickt worden. ausweislich der zustellungsurkunde vom 13. juli 2022 blieb der zustellversuch erfolglos, da der empfänger unbekannt verzogen war. die aufforderung ist ohne reaktion des klägers geblieben. 13die beklagte hat am 19. juli 2022 unter bezugnahme auf schriftliche mitteilungen der zentralen ausländerbehörde f. vom 13. und 14. juli 2022 sowie der zue x. vom 13. juli 2022 mitgeteilt, dass der kläger am 22. juni 2022 in die zue x. verlegt worden sei, dort aber seit dem 6. juli 2022 nicht mehr anwesend sei. 14mit beschluss vom heutigen tag ist der eilantrag als unzulässig abgelehnt worden (22 l 1017/22.a). 15im übrigen wird wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes auf die gerichtsakten und die beigezogenen verwaltungsvorgänge der beklagten bezug genommen. 16
171. das gericht entscheidet nach anhörung durch gerichtsbescheid gemäß § 84 abs. 1 vwgo, weil die sache keine besonderen schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher art aufweist und der sachverhalt geklärt ist. 18das schreiben vom 7. juli 2022, mit dem der kläger gemäß § 84 abs. 1 satz 2 vwgo zur entscheidung durch gerichtsbescheid angehört worden ist, gilt nach § 10 abs. 2 asylg als zugestellt, obwohl die sendung als unzustellbar zurückkam. 19nach dieser vorschrift muss der ausländer zustellungen und formlose mitteilungen unter der letzten anschrift, die dem angerufenen gerichte auf grund seines asylantrags oder seiner mitteilung bekannt ist, gegen sich gelten lassen, wenn er für das verfahren weder einen bevollmächtigten bestellt noch einen empfangsberechtigten benannt hat oder diesen nicht zugestellt werden kann (satz 1). das gleiche gilt, wenn die letzte bekannte anschrift, unter der der ausländer wohnt oder zu wohnen verpflichtet ist, durch eine öffentliche stelle mitgeteilt worden ist (satz 2). kann die sendung dem ausländer nicht zugestellt werden, so gilt die zustellung mit der aufgabe zur post als bewirkt, selbst wenn die sendung als unzustellbar zurückkommt (satz 4). 20nach diesen maßgaben galt die zustellung des anhörungsschreibens vom 7. juli 2022 mit der aufgabe zur post am 8. juli 2022 als bewirkt. der kläger hat für das verfahren weder einen bevollmächtigten bestellt noch einen empfangsberechtigten benannt. die anschrift der zue x. , in der ihm das schreiben nicht zugestellt werden konnte, ist seine letzte bekannte anschrift, die dem gericht im sinne der § 10 abs. 2 satz 2 asylg durch eine öffentliche stelle mitgeteilt worden ist und unter der er wohnt bzw. zu wohnen verpflichtet war. 21dem gericht ist die anschrift durch eine andere öffentliche stelle – nämlich durch das bundesamt für migration und flüchtlinge als registerbehörde des ausländerzentralregisters – mitgeteilt worden. denn das gericht hat unter ordnungsgemäßer verwendung der vorhandenen zugriffsrechte aktiv um mitteilung der im ausländerzentralregister ordnungsgemäß gespeicherten daten betreffend den kläger – insbesondere seine anschrift – ersucht und daraufhin die erbetene information erhalten. 22vgl. zur funktion des bundesamtes für migration und flüchtlinge als registerbehörde und der übermittlung von daten aus dem register an andere öffentliche stellen im wege eines ausdrücklichen und nach dem azrg zulässigen übermittlungsersuchens: bverwg, urteil vom 20. august 2020 – 1 c 28/19 –, bverwge 169, 192-207, rn. 16. 23anders als im fall der durch den asylbewerber selbst angegebenen adresse muss die von einer anderen öffentlichen stelle mitgeteilte anschrift objektiv zutreffend sein. der asylbewerber muss an der mitgeteilten anschrift gewohnt haben oder jedenfalls zu wohnen verpflichtet gewesen sein. er soll nicht das risiko der unrichtigkeit einer nicht von ihm stammenden mitteilung über seine wohnung tragen. 24vgl. bt-drs. 12/4450, s. 16; beckok ausländerrecht, kluth/heusch, 33. edition, stand: 1. april 2022, asylg § 10, rn. 29. 25dies war vorliegend der fall. die durch die abfrage des gerichts aus dem ausländerzentralregister erhaltene anschriftenmitteilung war zum zeitpunkt der mitteilung (und auch zum zeitpunkt des zustellungsversuchs) zutreffend in diesem sinne, da der kläger dort wohnte bzw. jedenfalls zu wohnen verpflichtet war. die angaben im ausländerzentralregister werden insoweit bestätigt durch die angaben der zue x. in der e-mail vom 13. juli 2022 an die zentrale ausländerbehörde f. (anlage zum schriftsatz der beklagten vom 19. juli 2022). 26ferner hat der kläger auch gegen seine obliegenheiten nach § 10 abs. 1 halbs. 2 asylg verstoßen, jeden wechsel seiner anschrift "unverzüglich", also innerhalb von zwei wochen nach dem tatsächlichen umzug anzuzeigen, 27vgl. zu dieser voraussetzung: bverwg, urteil vom 14. dezember 2021 – 1 c 40/20 –, rn. 12 und 19 ff, juris. 28der tatsächliche umzugstag des klägers nach x. war 22. juni 2022. an diesem tag ist der kläger ausweislich der e-mail der zue x. vom 13. juli 2022 in die unterkunft nach x. verlegt worden. bis zur abfrage seiner anschrift beim ausländerzentralregister durch das gericht am 7. juli 2022 und der absendung des anhörungsschreibens am 8. juli 2022 waren bereits mehr als zwei wochen verstrichen und der kläger hatte seine damals aktuelle anschrift, unter der er zumindest zu wohnen verpflichtet war, dem gericht nicht mitgeteilt. 29schließlich wurde der kläger zuvor auch i.s.d. § 10 abs. 7 asylg schriftlich und gegen empfangsbestätigung vom 11. märz 2022 auf die zustellungsvorschriften des § 10 asylg hingewiesen (bl. 31 ff., bl. 87 der asylakte). 302. die klage ist unzulässig. 31a) sie entspricht nicht den anforderungen an den inhalt der klageschrift gemäß § 82 vwgo, weil die ladungsfähige anschrift des klägers nicht (mehr) bekannt ist. 32gemäß § 82 abs. 1 satz 1 vwgo muss die klage den kläger, den beklagten und den gegenstand des klagebegehrens bezeichnen. entspricht die klage nicht diesen anforderungen, hat der vorsitzende oder der berichterstatter gemäß § 82 abs. 2 satz 1 vwgo den kläger zu der erforderlichen ergänzung innerhalb einer bestimmten frist aufzufordern. 33das erfordernis der bezeichnung des klägers erstreckt sich grundsätzlich auch auf die angabe der ladungsfähigen anschrift, d.h. seiner wohnanschrift, unter der er tatsächlich erreichbar ist. im falle einer insofern erfolgenden änderung hat der kläger diese mitzuteilen. eine ladungsfähige anschrift ist dann nicht erforderlich, wenn sich diese aus den von der behörde gemäß § 99 vwgo vorzulegenden akten ergibt, sonst wie bekannt ist oder sich auf andere weise ohne schwierigkeiten ermitteln lässt. 34vgl. bverwg, urteil vom 13. april 1999 ‑ 1 c 24/97 ‑, njw 1999, 2608 ff. und juris rn. 28 ff sowie beschluss vom 14. februar 2012 ‑ 9 b 79/11 ‑, rn. 7, juris. 35nach diesen grundsätzen fehlt es an einer ladungsfähigen anschrift. 36zwar war in der klageschrift eine wohnanschrift angegeben. es spricht jedoch alles dafür, dass sich der kläger unter dieser anschrift nicht mehr aufhält und dem gericht liegen auch keine sonstigen erkenntnisse vor, aufgrund derer die aktuelle wohnanschrift des klägers ermittelt werden könnte. 37es spricht alles dafür, dass sich der kläger unter der von ihm zuletzt angegebenen anschrift nicht mehr aufhält. schreiben des gerichts, die an den kläger unter der postanschrift der eae n. abgesandt worden sind, gelangten am 13. sowie 23. juni 2022 in den postrücklauf mit dem hinweis, der kläger sei unter der angegebenen anschrift nicht zu ermitteln. 38dem gericht liegen auch keine sonstigen erkenntnisse vor, aufgrund derer die aktuelle wohnanschrift des klägers ermittelt werden könnte. insbesondere hält sich der kläger nach gegenwärtigem erkenntnisstand auch unter der anschrift der zue x. , unter der er zu wohnen verpflichtet ist, tatsächlich seit dem 6. juli 2022 nicht mehr auf. 39schließlich fehlt es auch an anhaltspunkten dafür, dass dem kläger die angabe seiner anschrift ausnahmsweise unmöglich oder unzumutbar wäre. 40das gericht hat den kläger – in demselben schreiben vom 7. juli 2022, mit dem der kläger zur entscheidung durch gerichtsbescheid angehört worden ist – auf das fehlen der ladungsfähigen anschrift und die unzulässigkeit der klage als folge dieses umstandes hingewiesen, ihn gemäß § 82 abs. 2 satz 1 und 2 vwgo unter fristsetzung zur angabe seiner ladungsfähigen anschrift aufgefordert und auf die folge dieser vorschrift hingewiesen. die zustellung des schreibens gilt nach den oben gemachten ausführungen gemäß § 10 abs. 2 asylg mit der aufgabe zur post am 8. juli 2022 als bewirkt, obwohl die sendung als unzustellbar zurückkam. 41auf die fristsetzungsverfügung erfolgte keine reaktion des klägers. 42b) überdies ist die klage auch nicht fristgerecht erhoben worden. 43nach § 74 abs. 1 satz 1 2. hs. asylg ist die klage innerhalb einer woche zu erheben, wenn – wie hier – der antrag nach § 80 abs. 5 vwgo innerhalb einer woche zu stellen. nach § 34a abs. 2 satz 1 asylg sind anträge nach § 80 abs. 5 vwgo gegen die abschiebungsanordnung (nach § 34a abs. 1 asylg) innerhalb einer woche nach bekanntgabe zu stellen. entscheidungen, die der anfechtung unterliegen, sind den beteiligten zuzustellen, § 31 abs. 1 satz 3 asylg. in einer aufnahmeeinrichtung hat diese zustellungen und formlose mitteilungen an die ausländer, die nach maßgabe des § 10 abs. 2 asylg zustellungen und formlose mitteilungen unter der anschrift der aufnahmeeinrichtung gegen sich gelten lassen müssen, vorzunehmen, § 10 abs. 4 satz 1 asylg. zustellungen und formlose mitteilungen sind mit der aushändigung an den ausländer bewirkt; im übrigen gelten sie am dritten tag nach übergabe an die aufnahmeeinrichtung als bewirkt (§ 10 abs. 4 satz 4 asylg). 44nach diesen maßgaben gilt der streitgegenständliche bescheid des bundesamtes vom 29. märz 2022 als zugestellt am 11. april 2022 und die frist zur klageerhebung endete mit ablauf des 19. april 2022 (dienstag nach ostermontag). 45die klagefrist betrug eine woche, da der eilantrag des klägers sich gegen die abschiebungsanordnung in ziffer 3 des angefochtenen bescheides richtete. die bekanntgabe des angefochtenen bescheides erfolgte durch zustellung. bei der erstaufnahmeeinrichtung n. handelte es sich im zeitpunkt der bescheidzustellung um die letzte bekannte anschrift des klägers, die dem bundesamt auf grund seines asylantrags bekannt war (vgl. bl. 66 der asylakte). da er für das verfahren weder einen bevollmächtigten bestellt noch einen empfangsberechtigten benannt hat, musste er zustellungen unter dieser anschrift gegen sich gelten lassen. der bescheid wurde der erstaufnahmeeinrichtung n. am 8. april 2022 übergeben (bl. 207 der asylakte) und gilt damit gemäß § 10 abs. 4 satz 4 2. hs. asylg am dritten tag nach der übergabe an die aufnahmeeinrichtung, also am 11. april 2022, als zugestellt. die spätere übergabe an den asylbewerber – hier die erfolgte aushändigung an den kläger – ändert hieran nichts, 46vgl. bergmann in bergmann/dienelt, 13. auflage 2020, asylg § 10 rn. 21; preisner in kluth/heusch, beckok ausländerrecht, 33. edition, stand 1. april 2022, asylg § 10 rn. 36 m.w.n.; oubensalh in huber/mantel aufenthg, 3. auflage 2021, asylg § 10 rn. 14; vg münchen, beschluss vom 2. mai 2022 – m 10 s 22.50230 –, juris. 47dem bescheid war eine ordnungsgemäße rechtsbehelfsbelehrung beigefügt. zudem wurde der kläger zuvor auf diese zustellungsvorschriften hingewiesen (bl. 31 ff., bl. 87 der asylakte). nach alledem lief die frist zur klageerhebung mit ablauf des 19. april 2022 (dienstag nach ostermontag) ab (§ 57 abs. 2 vwgo, § 222 abs. 1 und 2 zpo, § 188 abs. 2 bgb). 48gründe, die eine wiedereinsetzung nach § 60 vwgo rechtfertigen würden, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. 49die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 1 vwgo. die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit folgt aus §§ 84 abs. 1 satz 3, 167 abs. 2, abs. 1 satz 1 vwgo i.v.m. §§ 708 nr. 11, 711 zpo. 50rechtsmittelbelehrung: 51gegen diesen gerichtsbescheid kann innerhalb von zwei wochen nach zustellung die zulassung der berufung (1) oder mündliche verhandlung (2) beantragt werden. wird von beiden rechtsbehelfen gebrauch gemacht, findet mündliche verhandlung statt. 52(1) über den antrag auf zulassung der berufung entscheidet das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen in münster. die berufung ist nur zuzulassen, wenn 531. die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat oder 542. der gerichtsbescheid von einer entscheidung des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen, des bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen senats der obersten gerichtshöfe des bundes oder des bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser abweichung beruht oder 553. ein in § 138 der verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt. 56der antrag ist bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) schriftlich zu stellen. er muss den angefochtenen gerichtsbescheid bezeichnen. 57auf die ab dem 1. januar 2022 unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 58in dem antrag sind die gründe, aus denen die berufung zuzulassen ist, darzulegen. 59im berufungs- und berufungszulassungsverfahren müssen sich die beteiligten durch prozessbevollmächtigte vertreten lassen. dies gilt auch für prozesshandlungen, durch die das verfahren eingeleitet wird. die beteiligten können sich durch einen rechtsanwalt oder einen rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten hochschule eines mitgliedstaates der europäischen union, eines anderen vertragsstaates des abkommens über den europäischen wirtschaftsraum oder der schweiz, der die befähigung zum richteramt besitzt, als bevollmächtigten vertreten lassen. auf die zusätzlichen vertretungsmöglichkeiten für behörden und juristische personen des öffentlichen rechts einschließlich der von ihnen zur erfüllung ihrer öffentlichen aufgaben gebildeten zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 abs. 4 satz 4 vwgo und § 5 nr. 6 des einführungsgesetzes zum rechtsdienstleistungsgesetz – rdgeg –). darüber hinaus sind die in § 67 abs. 2 satz 2 nr. 3 bis 7 vwgo bezeichneten personen und organisationen unter den dort genannten voraussetzungen als bevollmächtigte zugelassen. 60die antragsschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. 61(2) anstelle des antrags auf zulassung der berufung kann mündliche verhandlung beantragt werden. der gerichtsbescheid wirkt als urteil; wird rechtzeitig mündliche verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen. 62der antrag ist schriftlich oder zur niederschrift des urkundsbeamten der geschäftsstelle bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) zu stellen. 63auf die ab dem 1. januar 2022 unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 64der antrag soll möglichst zweifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften.
346,291
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2 K 8499/21
2022-07-26T00:00:00
Urteil
Tenor Soweit die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Die Beteiligten streiten über die Entlassung des Klägers aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf. 3Der am 00.00.1993 geborene Kläger wurde am 00.00.2019 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Kommissaranwärter ernannt. Seitdem versah er seinen Dienst beim Polizeipräsidium E. (im Folgenden: Polizeipräsidium) und absolvierte den Bachelorstudiengang Polizeivollzugsdienst an Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung. 4Während der im Rahmen des Studiums zu absolvierenden fachpraktischen Ausbildungsblöcke in T. bewohnte der Kläger dort unter anderem mit den Zeugen U. und T1. , die ebenfalls als Kommissaranwärter dem Ausbildungsjahrgang 2019 angehörten, eine Wohngemeinschaft. 5Am 3. März 2021 wendete sich der Zeuge U. an einen seiner Ausbilder des M. in T. und berichtete, dass der Kläger u.a. die Aussage „Transen sind keine Menschen; die müssten abgeschossen werden.“ getätigt habe. Wegen des angenommenen Verdachts der Volksverhetzung wurde daraufhin eine Strafanzeige gefertigt und ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger eingeleitet. Im Rahmen der Ermittlungen erfolgte u.a. die polizeiliche Vernehmung der Zeugen U. und T1. . Sie erklärten übereinstimmend, dass der Kläger die oben genannte Aussage am Abend des 18. Februar 2021 getätigt habe, während sie gemeinsam in ihrer Wohngemeinschaft die Sendung „Germany’s Next Topmodel“ verfolgt hätten. Wegen der Einzelheiten der Vernehmungen wird auf Bl. 22 ff. der beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft E. verwiesen. 6Unter dem 5. März 2021 hörte das Polizeipräsidium den Kläger zu dem beabsichtigten Erlass eines Verbots der Führung der Dienstgeschäfte an und ordnete u.a. seine sofortige Freistellung vom Dienst an. Das dagegen gerichtete Klageverfahren stellte die Kammer mit Beschluss vom 30. Dezember 2020 ein, nachdem das Polizeipräsidium die Verfügung aufgehoben hatte. 7Am 9. März 2021 leitete das Polizeipräsidium ein Disziplinarverfahren gegen den Kläger ein und enthob den Kläger mit Verfügung vom 7. Mai 2021 vorläufig des Dienstes. Auch diese Verfügung hob das Polizeipräsidium in dem dagegen eingeleiteten Klageverfahren vor dem erkennenden Gericht (35 L 1305/21) auf. 8Am 18. Juni 2021 stellte die Staatsanwaltschaft E. das Strafverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO ein. 9Am 11. August 2021 hörte das Polizeipräsidium den Kläger zu seiner beabsichtigten Entlassung aus Beamtenverhältnis auf Widerruf an. Zur Begründung heißt es im Wesentlichen, dass die von dem Kläger gemäß der Aussagen der Zeugen U. und T1. getätigte Aussage „Transen sind keine Menschen; die müssten abgeschossen werden.“ nicht mit dem Beruf eines Polizeivollzugsbeamten in Einklang zu bringen sei. 10Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 7. Oktober 2021 trat der Kläger diesen Vorwürfen entgegen. Er bestritt, diese Aussage getätigt zu haben. Vielmehr habe sich der Abend des 18. Februar 2021 derart zugetragen, dass der Zeuge T1. das WG-Wohnzimmer nach etwa einer Stunde mit den Worten „Die ekelhafte Scheiße gebe ich mir nicht länger.“ verlassen habe und damit auf die Transsexuelle Teilnehmerin Bezug genommen habe. Er und der Zeuge U. hätten sich ob dieser Situation erstaunt und entgeistert angeguckt, die Situation aber nicht kommentiert. Unter Bezugnahme auf 11 schriftliche Stellungnahmen von Freunden und Bekannten, die den Kläger u.a. als loyal, hilfsbereit, offen und direkt, auch mal aneckend, aber nie trans- oder ausländerfeindlich beschreiben, trug er vor, dass eine solche Äußerung nicht mit seiner Persönlichkeit übereinstimme. Er reichte ferner die undatierte Stellungnahme einer Frau B. H. zur Akte, die angibt, selbst transsexuell zu sein und den Kläger seit 2018 zu kennen. Im Wesentlichen heißt es in der Stellungnahme, sie könne sich nicht vorstellen, dass der Kläger, der bis dato immer ein sehr korrekter Mensch gewesen sei, die ihm vorgeworfene Aussage getätigt habe. 11Mit Bescheid vom 7. Dezember 2021 verfügte das Polizeipräsidium die Entlassung des Klägers aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf mit Ablauf des 31. Dezember 2021, stellte ihn mit sofortiger Wirkung unter Fortzahlung seiner Bezüge vom Dienst frei (Ziffer 1) und ordnete die sofortige Vollziehung dieser Maßnahmen an (Ziffer 2). Zur Begründung heißt es im Wesentlichen, dass aufgrund der vorbezeichneten Äußerung des Klägers ernstliche Zweifel an seiner charakterlichen Eignung für den Polizeivollzugsdienst bestünden. Sie zeige eine verachtende Grundhaltung gegenüber transsexuellen Menschen auf und verdeutliche zugleich, dass die für den Beruf des Polizeivollzugsbeamten immanent wichtige und erforderliche Wertschätzung gegenüber allen Bürgerinnen und Bürgern bei dem Kläger nicht vorliege. Da Polizeivollzugsbeamte für Recht und Gesetz einstünden und auf die Einhaltung der Gesetze achteten, sei ein tadelloses Verhalten zur Aufrechterhaltung der Institution Polizei unerlässlich. Durch die getätigte Aussage habe der Kläger gegen die Verpflichtung verstoßen, sich auch außerhalb des Dienstes so zu verhalten, dass die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordere, nicht ernsthaft beeinträchtigt werde. Dies gelte umso mehr, da die Äußerung einen Bezug zur Dienstausübung, nämlich der Waffengewalt, beinhalte. Mit der Tötung eines Menschen mittels Waffengewalt billige der Kläger ein mit der Würde des Menschen unvereinbares und grob rechtsstaatswidriges Verhalten. Die damit verbundene Bagatellisierung extralegaler Gewalt stelle das Vertrauen in ihn als Polizeivollzugsbeamten und dass er mit den ihm anvertrauten Waffen besonnen umgehe ernsthaft in Frage. Ferner begründe das Verhalten des Klägers ernsthafte Zweifel hinsichtlich seines Eintritts zum Erhalt der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Die von ihm vorgetragene Bekanntschaft mit einer Transfrau ändere an der Bewertung des Vorfalls als solchen nichts. 12Gegen die Entlassungsverfügung hat der Kläger am 15. Dezember 2021 Klage erhoben und um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung wiederholt und vertieft er seine Einwände aus dem Verwaltungsverfahren. Ergänzend trägt er vor, der Bescheid sei rechtswidrig, weil der Beklagte den Untersuchungsgrundsatz missachtet habe. Die beiden Zeugen seien unglaubwürdig, da deren Aussagen auch in anderen Teilen relativiert worden seien und sie menschenverachtende Äußerungen in einer WhatsApp Gruppe getätigt hätten. Außerdem widersprächen ihre Aussagen im Strafverfahren jenen in den im gerichtlichen Verfahren vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen. Eine weitere Aufklärung - insbesondere die Einholung von Stellungnahmen weiterer Beamter - sei pflichtwidrig unterlassen worden. Der Entlassungsverfügung sei im Kern ein falscher Sachverhalt zugrunde gelegt und die zahlreichen Stellungnahmen aus dem Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis, die ein gänzlich anderes Persönlichkeitsbild des Klägers zeichneten, nicht hinreichend berücksichtigt worden. Der Beklagte lasse zudem unter den Tisch fallen, dass das Ermittlungsverfahren mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt und im Übrigen ohne die Kenntnis des Klägers geführt worden sei. Für die sofortige Freistellung vom Dienst fehle es bereits an der erforderlichen Ermächtigungsgrundlage. Der Kläger reichte außerdem eine eidesstattliche Versicherung über den von ihm geschilderten Geschehensablauf am 18. Februar 2021 zur Gerichtsakte. Wegen der weiteren Einzelheiten der Klagebegründung wird auf die Antrags- und Klagebegründungsschriftsätze verwiesen. 13In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten den Rechtsstreit insofern in der Hauptsache für erledigt erklärt, als in dem Bescheid vom 7. Dezember 2021 die sofortige Freistellung vom Dienst unter Fortzahlung der Bezüge bis zum 31. Dezember 2021 angeordnet worden ist. 14Der Kläger beantragt, 15den Bescheid des Polizeipräsidiums vom 7. Dezember 2021 aufzuheben. 16Der Beklagte beantragt, 17die Klage abzuweisen. 18Zur Begründung wiederholt und vertieft er die im angegriffenen Bescheid angeführten Gründe. Er trägt ergänzend vor, dass insbesondere auch der Untersuchungsgrundsatz eingehalten worden sei. Der Entlassungsverfügung liege ausschließlich der Vorfall vom 18. Februar 2021 zugrunde. Weitere Ermittlungen seien nicht erforderlich gewesen, da die in Streit stehende Aussage anhand zweier Zeugenaussagen belegt sei. Die Einstellung des Strafverfahrens habe keine Auswirkungen auf das Entlassungsverfahren, da andere Maßstäbe anzulegen seien. Insbesondere obliege einem Polizeivollzugsbeamten im Interesse der Akzeptanz und der Legitimation staatlichen Handelns die Pflicht, bereits den Schein der Identifikation mit einem dem freiheitlichen Rechtsstaat diametral entgegengesetzten Gedankengut zu vermeiden. Schon das zurechenbare Setzen eines solchen Scheins stelle eine Dienstpflichtverletzung dar. Pflichtwidrig handele auch der, der zwar kein Gegner der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sei, durch konkretes Verhalten aber diesen Rechtsschein hervorrufe. Dies gelte in besonderem Maße für Polizeivollzugsbeamte. Der Beklagte reichte ferner jeweils eine eidesstattliche Versicherung der Zeugen U. und T1. zur Gerichtsakte. 19Mit Beschluss vom 19. Mai 2022 hat die Kammer den Rechtsstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. 20In der mündlichen Verhandlung sind die Zeugen T2. U. und M1. T1. vernommen worden. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen. 21Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Akteninhalt des zugehörigen Eilverfahrens mit dem Aktenzeichen 2 L 2677/21 Bezug genommen. Ergänzend wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgangänge sowie der beigezogenen Strafakte der Staatsanwaltschaft E. (Az. 000 Xx 00/00) Bezug genommen. 22Entscheidungsgründe: 23Die Einzelrichterin war zur Entscheidung berufen, weil ihr der Rechtsstreit mit Beschluss vom 19. Mai 2022 zur Entscheidung übertragen worden ist (§ 6 VwGO). 24Das Verfahren war in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO (deklaratorisch) einzustellen, soweit die Beteiligen das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. 25Die Klage im Übrigen hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet. 26Die angegriffene Entlassungsverfügung vom 7. Dezember 2021 hält einer rechtlichen Überprüfung stand. Sie erweist sich als rechtmäßig und den Kläger daher nicht in seinen Rechten verletzend, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. 27Die formell rechtmäßig erlassene Entlassungsverfügung findet ihre Rechtsgrundlage in § 23 Abs. 4 BeamtStG und begegnet auch in materiell-rechtlicher Hinsicht keinen durchgreifenden Bedenken. 28Gemäß § 23 Abs. 4 BeamtStG können Beamtinnen und Beamte auf Widerruf jederzeit entlassen werden. Die Gelegenheit zur Beendigung des Vorbereitungsdienstes und zum Ablegen der Prüfung soll gegeben werden. Für die danach im Ermessen des Dienstherrn stehende Entlassung einer Widerrufsbeamtin bzw. eines Widerrufsbeamten genügt jeder sachliche, d.h. nicht willkürliche Grund, auch die Annahme mangelnder charakterlicher Eignung. Hierfür ist die Einschätzung entscheidend, inwieweit die Beamtin bzw. der Beamte der von ihr bzw. ihm zu fordernden Loyalität, Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Dienstauffassung gerecht werden wird. Dies erfordert eine wertende Würdigung aller Aspekte des Verhaltens der Beamtin bzw. des Beamten, die einen Rückschluss auf die für die charakterliche Eignung relevanten persönlichen Merkmale zulassen. Die Einschätzung der charakterlichen Eignung ist dem Dienstherrn vorbehalten. 29Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 2016 - 2 B 17.16 -, juris, Rn. 26; OVG NRW, Beschlüsse vom 19. Oktober 2020 – 6 B 1062/20 –, juris, Rn. 7 und vom 18. Februar 2019 - 6 B 1551/18 -, juris, Rn. 5. 30Insoweit können bereits berechtigte Zweifel der Entlassungsbehörde genügen, ob die Beamtin bzw. der Beamte auf Widerruf die persönliche Eignung für ihr bzw. sein Amt besitzt. Die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf ist aus diesem Grund nicht von dem Nachweis eines konkreten Dienstvergehens abhängig. Eignungszweifel können sich dabei sowohl aus dem dienstlichen als auch dem außerdienstlichen Verhalten ergeben. 31Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Oktober 2020 – 6 B 1062/20 –, juris, Rn. 9. 32Dabei ist die verwaltungsgerichtliche Kontrolle darauf beschränkt, ob der Dienstherr seine Annahme, es lägen Eignungszweifel vor, auf einen zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt gestützt, er den Rechtsbegriff der Eignung nicht verkannt und bei der von ihm zu treffenden Prognoseentscheidung allgemeingültige Wertmaßstäbe beachtet und auch sonst keine sachwidrigen Erwägungen angestellt hat. 33Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. Juni 2015 - 6 B 326/15 -, juris, Rn. 8, mit weiteren Nachweisen. 34Nach dieser Maßgabe unterliegt die von dem Beklagten wegen Zweifeln an der charakterlichen Eignung des Klägers für den Polizeivollzugsdienst erlassene Entlassungsverfügung vom 7. Dezember 2021 keinen rechtlichen Bedenken. 35Aufgrund der von dem Kläger getätigten Äußerung „Transen sind keine Menschen; die müssten abgeschossen werden.“ hat der Beklagte unter Berücksichtigung des ihm insoweit zukommenden Beurteilungsspielraums rechtsfehlerfrei Zweifel an der persönlichen Eignung des Klägers für das Amt eines Polizeivollzugsbeamten angenommen. Der Beklagte ist insbesondere weder von einem unrichtigen oder unvollständig festgestellten Sachverhalt ausgegangen (dazu I.), noch hat er allgemeingültige Wertmaßstäbe verletzt oder sachfremde Erwägungen angestellt. Er ist vielmehr in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zu der Einschätzung gelangt, im Fall des Klägers bestünden Zweifel an der charakterlichen Eignung, die seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf vor Abschluss des Vorbereitungsdienstes rechtfertigen (dazu II.). 36I. Der Beklagte hat der Entlassungsverfügung einen zutreffenden und hinreichend ermittelten Sachverhalt zugrunde gelegt. Nach Würdigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens steht zur Überzeugung der Einzelrichterin fest, dass der Kläger die in Streit stehende Äußerung „Transen sind keine Menschen; die müssten abgeschossen werden.“ getätigt hat. 37Diese Überzeugung wird insbesondere gestützt durch die Aussagen der Zeugen U. und T1. in der mündlichen Verhandlung. Sie gaben übereinstimmend an, dass der Kläger am Abend des 18. Februar 2021 während der Sendung „Germany’s Next Topmodel“ seinen Unmut über die Teilnahme einer transsexuellen Person geäußert habe, darüber in eine Diskussion mit dem Zeugen U. geraten sei und in dessen Verlauf sinngemäß die in Rede stehende Äußerung getätigt habe. 38Die Zeugen sind glaubwürdig (1.) und ihre Aussagen glaubhaft (2.). 391. Die Auffassung des Klägers, die Zeugen seien unglaubwürdig, da sie - wie anhand der zur Gerichtsakte gereichten Screenshots von Gruppenchatverläufen zu erkennen sei - „ein fragwürdiges Menschenbild hätten“, teilt das Gericht nicht. Ein solcher Erfahrungssatz existiert weder in abstrakter Form noch besteht im Streitfalle Anlass dazu, den Zeugen aufgrund der von ihnen in der fraglichen WhatsApp-Chatgruppe geposteten Inhalte per se ihre Glaubwürdigkeit abzusprechen. Dem Kläger kann ferner nicht gefolgt werden, soweit er einwendet, die Zeugen hätten ihre eigenen Aussagen im Ermittlungsverfahren relativiert und damit ihrer Glaubwürdigkeit „massiv geschadet“. Es ist bereits nicht nachvollziehbar, auf welches konkrete Aussageverhalten der Kläger mit dieser lediglich pauschal von dem Beklagten übernommenen Feststellung Bezug nehmen will. Soweit ersichtlich spielt er damit darauf an, dass der Zeuge U. ausweislich der Niederschrift des Ausbilders POK C. (vgl. Bl. 21 der Beiakte Heft 2) diesem gegenüber von weiteren Äußerungen des Klägers berichtet habe, zu denen er bei seiner späteren polizeilichen Vernehmung erklärte, diese nicht selbst bzw. nur vom Hörensagen vernommen zu haben. Ein den Schluss der Unglaubwürdigkeit des Zeugen tragender Widerspruch ist darin nicht zu erkennen, zumal dem Zeugen U. nicht unterstellt werden kann, er habe gegenüber POK C. behauptet, er hätte die Äußerungen selbst wahrgenommen. Hinsichtlich der Glaubwürdigkeit des Zeugen T1. sei angemerkt, dass dieser zwar möglicherweise ein Eigeninteresse daran haben könnte, von ihm möglicherweise selbst getätigte entgleisende Äußerungen zu verdecken, um sich beamtenrechtlichen Konsequenzen zu entziehen. Jedoch führt dies nicht auf den Schluss seiner Unglaubwürdigkeit in Bezug auf seine Aussage über die streitgegenständliche Äußerung des Klägers, zumal die in Rede stehenden Äußerungen nicht in einem Alternativverhältnis stehen. Ferner lässt sich weder den Aussagen der Zeugen noch den Bekundungen des Klägers ein plausibles Belastungsmotiv entnehmen. Die bloße zwischen den Zeugen und dem Kläger bestehende Antipathie genügt hierfür gerade nicht. 402. Die Aussage des Zeugen U. ist glaubhaft. Er hat offen und ohne Anzeichen von Unsicherheit ausgesagt. Erinnerungslücken, hat er freimütig eingeräumt. Desgleichen hat er kein pauschales und undifferenziertes Bild von „Gut und Böse“ gezeichnet. So hat er nicht gezögert einzuräumen, dass er „das“ (Anmerkung des Gerichts: gemeint ist die transsexuelle Person) „auch nicht so gut finde“ und Reue bekannt, indem er zugestand, dass ihm damals vielleicht auch die entsprechende Reife gefehlt hätte und er den Kläger heute auf jeden Fall vorher auf seine Äußerung angesprochen hätte. Er hat die Vorgänge lebensnah und plausibel beschrieben und lässt keinerlei Belastungseifer erkennen. 41Auch die Aussage des Zeugen T1. ist glaubhaft. Seine Schilderungen zu dem Verhalten des Klägers decken sich im Wesentlichen mit jenen des Zeugen U. . Sie wirken nicht überzogen und enthalten insbesondere authentisch wirkende Angaben zum Randgeschehen, die nahelegen, dass er tatsächlich während der Sendung eher abgelenkt mit seinem Handy beschäftigt und deshalb nicht an der Diskussion beteiligt war. Zugleich war auch er nicht bemüht, herunterzuspielen, dass sein Verhältnis zu dem Kläger angespannt gewesen ist. Entgegen des Einwandes des Klägers ist die Aussage des Zeugen T1. auch nicht etwa unglaubhaft, weil diese im Widerspruch zu seiner Äußerung bei seiner Zeugenvernehmung im Ermittlungsverfahren stünde. Soweit der Kläger einen Widerspruch zwischen der Aussage im Ermittlungsverfahren „Daraufhin hat der Pascal den o.g. Ausspruch getätigt. […] Er hat sich darüber geärgert, dass es so einen Typen gibt. Wir haben aber nicht weiter darüber gesprochen. Auch später nicht.“ (vgl. Bl. 27 der Strafakte) und der späteren Schilderung einer Diskussion zwischen dem Kläger und dem Zeugen U. erblickt, folgt die Einzelrichterin dem nicht. Der Zeuge blieb auch bei seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung bei beiden Aussagen und löste den augenscheinlichen Widerspruch dahingehend auf, dass es zu dem Thema kein Gespräch mehr gegeben habe, an dem er beteiligt gewesen sei. Dies schließt gerade nicht aus, dass zwischen dem Kläger und dem Zeugen U. ein Gespräch stattgefunden hat. 42Als nicht glaubhaft erweist sich hingegen die von dem Kläger bei seiner informatorischen Anhörung geschilderte Version des Ablaufs des Abends des 18. Februar 2021. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts insbesondere aus dem Gesamteindruck des Aussageverhaltens des Klägers. Zum einen weicht er bei der Schilderung des Ablaufs des Abends in der mündlichen Verhandlung in zweierlei Hinsicht von der von ihm schriftsätzlich vorgetragenen Version ab. Erstens ließ er bei seiner zusammenhängenden freien Erzählung in der mündlichen Verhandlung die von ihm schriftsätzlich in diesem Zusammenhang einzig benannte Äußerung des Zeugen T1. („Die ekelhafte Scheiße gebe ich mir nicht länger.“) weg und fügte sie erst nach dem Diktat hinzu. Zweitens fügte er stattdessen bei seiner freien Erzählung hinzu, dass der Zeuge T1. sich „ein bis zwei Mal über die transsexuelle Person echauffiert“ habe. Auf Nachfrage erklärte er, der Zeuge habe gesagt „Bah ist das ekelhaft!“ und „Wieso spielt da jemand mit, der so ist?“. Von diesen Verlautbarungen war in seinem schriftlichen Vortrag keine Rede, obwohl es sich aufgedrängt hätte, diese zu schildern. Diese Variabilität des Vortrags lässt Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Vortrags insgesamt aufkommen. Zum anderen erscheint es nicht nachvollziehbar, dass die Erzählung des Klägers von dem in Rede stehenden Abend auf den Satz hinausläuft „Wir haben ein bis zwei Bierchen getrunken und dann kam es zu dieser angeblichen Äußerung.“ (vgl. Seite 3 der Sitzungsniederschrift). Hätte diese Äußerung nicht stattgefunden, wäre zu erwarten gewesen, dass der Kläger dieser bei der chronologischen Wiedergabe seiner Erinnerungen auch keinen Platz eingeräumt hätte. Dies gilt erst recht für die von ihm gewählte Formulierung „dann kam es zu“. 43Ferner ist seine Antwort auf die Frage des Gerichts, warum die beiden Zeugen wahrheitswidrig behaupten sollten, dass er diese Aussage getätigt habe auffällig ausweichend (vgl. Seite 5 oben der Sitzungsniederschrift). Seine Erklärung, er habe über drei Ecken erfahren, dass die Zeugen ihm bei den Ausbildern „einen reindrücken wollten“, kann er auf genauere Nachfrage nicht plausibilisieren und wirkt daher konstruiert. Er konnte keine Aussage schildern, aus der er diesen Gehalt hätte entnehmen können. Eine eigene plausible Vermutung oder Erklärung dafür, aus welchen Gründen die Zeugen ihm „einen reindrücken“ wollten liefert er nicht. 44Einer weiteren Sachaufklärung bedurfte es nach alledem nicht. Insbesondere hätten die von dem Kläger benannten Zeugen keine Aussage zu den hier in Streit stehenden Geschehnissen treffen können, da sie an besagtem Abend nicht anwesend waren. 45II. Ausgehend von alledem ist der Beklagte berechtigterweise von Zweifeln an der charakterlichen Eignung des Klägers für den Polizeivollzugsdienst ausgegangen. Mit seiner Würdigung hat er die Grenzen des ihm insoweit zukommenden Beurteilungsspielraumes nicht überschritten. Seine Zweifel an der charakterlichen Eignung des Klägers für das Amt des Polizeivollzugsbeamten können – soweit gerichtlich überprüfbar – mit Blick auf das dargestellte Verhalten vielmehr als berechtigt angesehen werden. Es ist – wie eingangs dargestellt – Sache des Dienstherrn, die Maßstäbe für die Anforderungen an die persönliche Eignung eines Polizeivollzugsbeamten bzw. einer Polizeivollzugsbeamtin festzulegen und dementsprechend zu entscheiden, ob das Verhalten einer Beamtin bzw. eines Beamten die Anforderungen im Einzelfall erfüllt. 46Generell muss nach § 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG das Verhalten von Beamtinnen und Beamten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern. Bei Beamtinnen und Beamten im Polizeivollzugsdienst darf der Dienstherr die Fähigkeit und innere Bereitschaft voraussetzen, die dienstlichen Aufgaben nach den Grundsätzen der Verfassung wahrzunehmen, insbesondere die Freiheitsrechte der Bürger zu wahren und rechtsstaatliche Regeln einzuhalten. 47Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Februar 1995 - 1 BvR 1397/93 -, juris, Rn. 44; OVG NRW, Beschluss vom 19. Oktober 2020 – 6 B 1062/20 –, juris, Rn. 11. 48Mit diesen Anforderungen ist das Verhalten des Klägers nicht zu vereinbaren. Dass seine Verlautbarung nicht nur den oben dargestellten verfassungsrechtlichen Grundsätzen zuwiderläuft, sondern darüber hinaus auf tiefster Stufe steht, bedarf keiner Erläuterung; sprach sie zum einen einer ganzen Bevölkerungsgruppe die Menschlichkeit ab und sich obendrein für deren Exekution aus. Der dem Kläger von dem Beklagten gemachte Vorwurf wiegt umso schwerer, da er als Polizeivollzugsbeamter zum einen in besonderem Maße zu Neutralität und Gleichbehandlung aller Bevölkerungsgruppen und insbesondere auch zum Schutz von Minderheiten verpflichtet ist und zum anderen über eine Dienstwaffe verfügt. 49Dabei ist es unerheblich, ob die in Rede stehende Entgleisung tatsächlich Ausdruck einer transphoben Gesinnung des Klägers ist oder dies - wie er beteuert - nicht der Fall ist. Der Kläger muss sich zunächst an der Aussage so festhalten und messen lassen, wie er sie getätigt hat, nämlich als menschenverachtend und mit einem eindeutigen transfeindlichen Inhalt. Aber auch dann, wenn hinter der Aussage keine transfeindliche Gesinnungslage stehen sollte, rechtfertigt sie die Annahme einer fehlenden charakterlichen Eignung. Denn in diesem Fall kommt zum Ausdruck, dass der Kläger sozial übliche Grenzen verkennt, es ihm an der nötigen emotionalen Festigkeit und Selbstkontrolle fehlt, er zwischen Spaß und Realität nicht zu unterscheiden vermag und in naiver Weise die Wirkung und Konsequenzen seines Verhaltens nicht überschaut. Dabei handelt es sich indes um persönliche Defizite, die den von dem Beklagten gezogenen Schluss auf eine fehlende charakterliche Eignung des Klägers für den Polizeivollzugsdienst zulassen. Ferner sind Beamte und Beamtinnen im Interesse der Akzeptanz und der Legitimation staatlichen Handelns verpflichtet, bereits den Schein der Identifikation mit einem dem freiheitlichen Rechtsstaat diametral entgegengesetzten Gedankengut zu vermeiden. Schon das zurechenbare Setzen eines solchen Scheins stellt eine Dienstpflichtverletzung dar. Pflichtwidrig handelt also auch der, der zwar kein Gegner der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist, durch konkretes Handeln aber - wie hier - diesen Rechtsschein hervorruft. 50Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 2001 – 1 DB 15.01 –, juris, Rn. 36. 51Diese Bewertung hat - ausweislich der Gründe der Entlassungsverfügung, die ersichtlich auf die Wirkung der Aussage abstellen und seiner Erläuterungen im gerichtlichen Verfahren - der Beklagte seiner Einschätzung über die charakterliche Eignung des Klägers beanstandungsfrei zugrunde gelegt. Nicht zuletzt auch aus diesen Gründen war den von dem Kläger gestellten Beweisanträgen, die sämtlich darauf abzielen, seine wirkliche Einstellung zu ergründen, nicht nachzugehen. 52Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auf die gemäß § 170 Abs. 2 StPO erfolgte Einstellung des gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens. Der Beklagte hat dem mit Recht entgegengehalten, dass es für die beamtenrechtliche Bewertung des in Frage stehenden Verhaltens nicht auf eine strafrechtliche Relevanz ankomme. 53Es ist weiter nicht zu beanstanden, dass auch der Umstand, dass er in seiner bisherigen Ausbildung keinen Anlass zu Beanstandungen gegeben hat, aus Sicht des Beklagten nichts daran ändert, dass das Vertrauen in seine persönliche charakterliche Eignung aufgrund der von ihm getätigten Äußerung als endgültig erschüttert anzusehen ist. Treten nämlich - wie hier - charakterlichen Mängel des Betreffenden hinreichend deutlich zu Tage können bereits aus einem einmaligen Fehlverhalten des Betreffenden begründete Zweifel an der charakterlichen Eignung abgeleitet werden. 54Vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 2016 - 2 B 17.16 -, juris, Rn. 10. 55Die Entlassungsverfügung erweist sich auch nicht als ermessensfehlerhaft. Sie erweist sich insbesondere nicht deshalb als unverhältnismäßig, weil die darin ausgesprochene Entlassung aus dem Polizeivollzugsdienst dem Kläger die Gelegenheit zur Beendigung des Vorbereitungsdienstes und Ablegung der Prüfung nimmt. Zwar bestimmt § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG, dass Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst in der Regel die Möglichkeit erhalten sollen, den Vorbereitungsdienst zu beenden und die Prüfung abzulegen. Die genannte Vorschrift schränkt die Möglichkeit der Entlassung nicht nur dort ein, wo der Vorbereitungsdienst als allgemeine Ausbildungsstätte im Sinne von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG zu qualifizieren ist, sondern auch dort, wo - wie hier - ein Vorbereitungsdienst für eine Beamtenlaufbahn abgeleistet wird, dessen Abschluss nicht den Zugang zu einer Beschäftigung außerhalb des Beamtenverhältnisses ermöglicht. 56Näher OVG NRW, Beschluss vom 16. August 2016 - 6 B 656/16 -, juris, Rn. 4 ff. m w. N., sowie OVG Bremen, Beschluss vom 13. Juli 2018 - 2 B 174/18 -, juris, Rn. 9, und OVG SH, Beschluss vom 5. Januar 2018 - 14 MB 2/17 -, juris, Rn. 5; a. A. etwa BayVGH, Beschluss vom 12. Dezember 2011 – 3 CS 11.2397 -, juris Rn. 34. 57§ 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG steht jedoch im Streitfall der Entlassung des Klägers vor Ende des Vorbereitungsdienstes nicht entgegen. Eine Entlassung kann danach gerechtfertigt sein, wenn der Beamte das Ziel des Vorbereitungsdienstes, nämlich den Erwerb der Befähigung für die angestrebte Laufbahn, aufgrund nachhaltig unzureichender Leistungen auch bei wohlwollender Betrachtung aller Voraussicht nach nicht erreichen wird und die Fortsetzung der Ausbildung damit sinnlos ist, oder wenn begründete Zweifel an seiner gesundheitlichen oder persönlichen Eignung gegeben sind. 58Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Januar 2010 - 2 B 47.09 -, juris, Rn. 6, und Urteil vom 9. Juni 1981 - 2 C 48.78 -, juris, Rn. 21; OVG NRW, Beschluss vom 20. August 2012 - 6 B 776/12 -, juris, Rn. 13, und Urteil vom 3. September 2009 - 6 A 3083/06 -, juris, Rn. 117. 59Bei einem Vorbereitungsdienst, der - wie hier, s.o. - keine allgemeine Ausbildungsstätte im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG darstellt, sondern mit dem der Staat für seinen eigenen Bedarf ausbildet, darf der Dienstherr dabei die persönliche Eignung an den Maßstäben messen, die er für die Übertragung eines Amtes auf Lebenszeit zugrunde legt. 60Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Februar 2019 - 6 B 1551/18 -, juris, Rn. 22, und Urteil vom 3. September 2009 - 6 A 3083/06 -, juris, Rn. 121; OVG Bremen, Beschluss vom 13. Juli 2018 – 2 B 174/18 -, juris, Rn. 9. 61Hiervon ausgehend ist im Streitfall die Entscheidung des Beklagten, den Kläger bereits vor Ende des Vorbereitungsdienstes zu entlassen, nicht zu beanstanden. Der Beklagte hegt – wie dargelegt – berechtigterweise erhebliche Zweifel an der charakterlichen Eignung des Klägers, die seiner Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Probe bzw. auf Lebenszeit entgegenstehen würden. Dann ist es gerechtfertigt, dem Beamten die Möglichkeit der Ableistung des Vorbereitungsdienstes im Sinne des § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG zu verwehren. Dies eröffnet ihm zugleich die Möglichkeit einer beruflichen Neuorientierung. 62Vgl. zu einem vergleichbaren Fall OVG NRW, Beschluss vom 30. Dezember 2020 – 6 B 827/20 –, juris, Rn. 54. 63Angesichts der erheblichen Zweifel an der charakterlichen Eignung des Klägers ist sein Verbleib in der Ausbildung im Übrigen auch deshalb auszuschließen, weil diese in ihren praktischen Übungen Elemente enthält, bei denen er den Bürgern in der Öffentlichkeit in Uniform und bewaffnet gegenüber treten müsste. 64Vgl. zu dieser Wertung hinsichtlich des Polizeivollzugsdienstes OVG NRW, Beschluss vom 5. Juni 2015 – 6 B 326/15 –, juris, Rn. 25. 65Der Beklagte ist deshalb mit Recht unter Verweis auf das Interesse an der Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung von Funktion und Integrität des Dienstbetriebes und der polizeilichen Arbeit zu der Einschätzung gelangt, dass eine Fortsetzung der Ausbildung durch den Kläger und ein Abwarten bis zur Entscheidung über die Verbeamtung auf Probe nicht tragbar wäre. 66C. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des streitigen Teils auf § 154 Abs. 1 VwGO und hinsichtlich des erledigten Teils auf § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Es entspricht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes der Billigkeit, die Kosten auch hinsichtlich des erledigten Teils dem Kläger aufzuerlegen. Zum einen, weil nach oben Gesagtem alles dafür spricht, dass auch eine sofortige Freistellung vom Dienst unter Fortzahlung der Bezüge (dabei handelt es sich um die Rechtsfolge des § 39 Satz 1 BeamtStG, dessen Voraussetzungen hier vorliegen) rechtlich nicht zu beanstanden war. Zum anderen würde aber (entsprechend dem Rechtsgedanken des § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO) ein Obsiegen in dieser Hinsicht auch einen lediglich geringfügigen Teil des Klageinteresses des Klägers ausmachen. Ferner wirkt sich die sofortige Freistellung vom Dienst unter Fortzahlung der Bezüge auch nicht streitwerterhöhend aus, da ihr ein einheitliches Interesse des Klägers zugrunde liegt. 67Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit fußt auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. 68Rechtsmittelbelehrung: 69Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. 70Der Antrag kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingereicht werden. 71Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. 72Die Berufung ist nur zuzulassen, 731. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 742. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 753. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 764. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 775. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. 78Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. 79Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen. 80Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen. 81Die Antragsschrift und die Zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. 82Beschluss: 83Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2, Sätze 2 und 3 GKG auf die Wertstufe bis 9.000,- Euro festgesetzt. 84Rechtsmittelbelehrung: 85Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. 86Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. 87Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 88Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt. 89Die Beschwerdeschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. 90War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
soweit die beteiligten das verfahren in der hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das verfahren eingestellt. im übrigen wird die klage abgewiesen. der kläger trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der kläger darf die vollstreckung gegen sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht der beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1
2die beteiligten streiten über die entlassung des klägers aus dem beamtenverhältnis auf widerruf. 3der am 00.00.1993 geborene kläger wurde am 00.00.2019 unter berufung in das beamtenverhältnis auf widerruf zum kommissaranwärter ernannt. seitdem versah er seinen dienst beim polizeipräsidium e. (im folgenden: polizeipräsidium) und absolvierte den bachelorstudiengang polizeivollzugsdienst an hochschule für polizei und öffentliche verwaltung. 4während der im rahmen des studiums zu absolvierenden fachpraktischen ausbildungsblöcke in t. bewohnte der kläger dort unter anderem mit den zeugen u. und t1. , die ebenfalls als kommissaranwärter dem ausbildungsjahrgang 2019 angehörten, eine wohngemeinschaft. 5am 3. märz 2021 wendete sich der zeuge u. an einen seiner ausbilder des m. in t. und berichtete, dass der kläger u.a. die aussage „transen sind keine menschen; die müssten abgeschossen werden.“ getätigt habe. wegen des angenommenen verdachts der volksverhetzung wurde daraufhin eine strafanzeige gefertigt und ein ermittlungsverfahren gegen den kläger eingeleitet. im rahmen der ermittlungen erfolgte u.a. die polizeiliche vernehmung der zeugen u. und t1. . sie erklärten übereinstimmend, dass der kläger die oben genannte aussage am abend des 18. februar 2021 getätigt habe, während sie gemeinsam in ihrer wohngemeinschaft die sendung „germany’s next topmodel“ verfolgt hätten. wegen der einzelheiten der vernehmungen wird auf bl. 22 ff. der beigezogenen ermittlungsakte der staatsanwaltschaft e. verwiesen. 6unter dem 5. märz 2021 hörte das polizeipräsidium den kläger zu dem beabsichtigten erlass eines verbots der führung der dienstgeschäfte an und ordnete u.a. seine sofortige freistellung vom dienst an. das dagegen gerichtete klageverfahren stellte die kammer mit beschluss vom 30. dezember 2020 ein, nachdem das polizeipräsidium die verfügung aufgehoben hatte. 7am 9. märz 2021 leitete das polizeipräsidium ein disziplinarverfahren gegen den kläger ein und enthob den kläger mit verfügung vom 7. mai 2021 vorläufig des dienstes. auch diese verfügung hob das polizeipräsidium in dem dagegen eingeleiteten klageverfahren vor dem erkennenden gericht (35 l 1305/21) auf. 8am 18. juni 2021 stellte die staatsanwaltschaft e. das strafverfahren nach § 170 abs. 2 stpo ein. 9am 11. august 2021 hörte das polizeipräsidium den kläger zu seiner beabsichtigten entlassung aus beamtenverhältnis auf widerruf an. zur begründung heißt es im wesentlichen, dass die von dem kläger gemäß der aussagen der zeugen u. und t1. getätigte aussage „transen sind keine menschen; die müssten abgeschossen werden.“ nicht mit dem beruf eines polizeivollzugsbeamten in einklang zu bringen sei. 10mit anwaltlichem schriftsatz vom 7. oktober 2021 trat der kläger diesen vorwürfen entgegen. er bestritt, diese aussage getätigt zu haben. vielmehr habe sich der abend des 18. februar 2021 derart zugetragen, dass der zeuge t1. das wg-wohnzimmer nach etwa einer stunde mit den worten „die ekelhafte scheiße gebe ich mir nicht länger.“ verlassen habe und damit auf die transsexuelle teilnehmerin bezug genommen habe. er und der zeuge u. hätten sich ob dieser situation erstaunt und entgeistert angeguckt, die situation aber nicht kommentiert. unter bezugnahme auf 11 schriftliche stellungnahmen von freunden und bekannten, die den kläger u.a. als loyal, hilfsbereit, offen und direkt, auch mal aneckend, aber nie trans- oder ausländerfeindlich beschreiben, trug er vor, dass eine solche äußerung nicht mit seiner persönlichkeit übereinstimme. er reichte ferner die undatierte stellungnahme einer frau b. h. zur akte, die angibt, selbst transsexuell zu sein und den kläger seit 2018 zu kennen. im wesentlichen heißt es in der stellungnahme, sie könne sich nicht vorstellen, dass der kläger, der bis dato immer ein sehr korrekter mensch gewesen sei, die ihm vorgeworfene aussage getätigt habe. 11mit bescheid vom 7. dezember 2021 verfügte das polizeipräsidium die entlassung des klägers aus dem beamtenverhältnis auf widerruf mit ablauf des 31. dezember 2021, stellte ihn mit sofortiger wirkung unter fortzahlung seiner bezüge vom dienst frei (ziffer 1) und ordnete die sofortige vollziehung dieser maßnahmen an (ziffer 2). zur begründung heißt es im wesentlichen, dass aufgrund der vorbezeichneten äußerung des klägers ernstliche zweifel an seiner charakterlichen eignung für den polizeivollzugsdienst bestünden. sie zeige eine verachtende grundhaltung gegenüber transsexuellen menschen auf und verdeutliche zugleich, dass die für den beruf des polizeivollzugsbeamten immanent wichtige und erforderliche wertschätzung gegenüber allen bürgerinnen und bürgern bei dem kläger nicht vorliege. da polizeivollzugsbeamte für recht und gesetz einstünden und auf die einhaltung der gesetze achteten, sei ein tadelloses verhalten zur aufrechterhaltung der institution polizei unerlässlich. durch die getätigte aussage habe der kläger gegen die verpflichtung verstoßen, sich auch außerhalb des dienstes so zu verhalten, dass die achtung und das vertrauen, die seine dienstliche stellung erfordere, nicht ernsthaft beeinträchtigt werde. dies gelte umso mehr, da die äußerung einen bezug zur dienstausübung, nämlich der waffengewalt, beinhalte. mit der tötung eines menschen mittels waffengewalt billige der kläger ein mit der würde des menschen unvereinbares und grob rechtsstaatswidriges verhalten. die damit verbundene bagatellisierung extralegaler gewalt stelle das vertrauen in ihn als polizeivollzugsbeamten und dass er mit den ihm anvertrauten waffen besonnen umgehe ernsthaft in frage. ferner begründe das verhalten des klägers ernsthafte zweifel hinsichtlich seines eintritts zum erhalt der freiheitlich demokratischen grundordnung. die von ihm vorgetragene bekanntschaft mit einer transfrau ändere an der bewertung des vorfalls als solchen nichts. 12gegen die entlassungsverfügung hat der kläger am 15. dezember 2021 klage erhoben und um einstweiligen rechtsschutz nachgesucht. zur begründung wiederholt und vertieft er seine einwände aus dem verwaltungsverfahren. ergänzend trägt er vor, der bescheid sei rechtswidrig, weil der beklagte den untersuchungsgrundsatz missachtet habe. die beiden zeugen seien unglaubwürdig, da deren aussagen auch in anderen teilen relativiert worden seien und sie menschenverachtende äußerungen in einer whatsapp gruppe getätigt hätten. außerdem widersprächen ihre aussagen im strafverfahren jenen in den im gerichtlichen verfahren vorgelegten eidesstattlichen versicherungen. eine weitere aufklärung - insbesondere die einholung von stellungnahmen weiterer beamter - sei pflichtwidrig unterlassen worden. der entlassungsverfügung sei im kern ein falscher sachverhalt zugrunde gelegt und die zahlreichen stellungnahmen aus dem familien-, freundes- und bekanntenkreis, die ein gänzlich anderes persönlichkeitsbild des klägers zeichneten, nicht hinreichend berücksichtigt worden. der beklagte lasse zudem unter den tisch fallen, dass das ermittlungsverfahren mangels hinreichenden tatverdachts eingestellt und im übrigen ohne die kenntnis des klägers geführt worden sei. für die sofortige freistellung vom dienst fehle es bereits an der erforderlichen ermächtigungsgrundlage. der kläger reichte außerdem eine eidesstattliche versicherung über den von ihm geschilderten geschehensablauf am 18. februar 2021 zur gerichtsakte. wegen der weiteren einzelheiten der klagebegründung wird auf die antrags- und klagebegründungsschriftsätze verwiesen. 13in der mündlichen verhandlung haben die beteiligten den rechtsstreit insofern in der hauptsache für erledigt erklärt, als in dem bescheid vom 7. dezember 2021 die sofortige freistellung vom dienst unter fortzahlung der bezüge bis zum 31. dezember 2021 angeordnet worden ist. 14der kläger beantragt, 15den bescheid des polizeipräsidiums vom 7. dezember 2021 aufzuheben. 16der beklagte beantragt, 17die klage abzuweisen. 18zur begründung wiederholt und vertieft er die im angegriffenen bescheid angeführten gründe. er trägt ergänzend vor, dass insbesondere auch der untersuchungsgrundsatz eingehalten worden sei. der entlassungsverfügung liege ausschließlich der vorfall vom 18. februar 2021 zugrunde. weitere ermittlungen seien nicht erforderlich gewesen, da die in streit stehende aussage anhand zweier zeugenaussagen belegt sei. die einstellung des strafverfahrens habe keine auswirkungen auf das entlassungsverfahren, da andere maßstäbe anzulegen seien. insbesondere obliege einem polizeivollzugsbeamten im interesse der akzeptanz und der legitimation staatlichen handelns die pflicht, bereits den schein der identifikation mit einem dem freiheitlichen rechtsstaat diametral entgegengesetzten gedankengut zu vermeiden. schon das zurechenbare setzen eines solchen scheins stelle eine dienstpflichtverletzung dar. pflichtwidrig handele auch der, der zwar kein gegner der freiheitlichen demokratischen grundordnung sei, durch konkretes verhalten aber diesen rechtsschein hervorrufe. dies gelte in besonderem maße für polizeivollzugsbeamte. der beklagte reichte ferner jeweils eine eidesstattliche versicherung der zeugen u. und t1. zur gerichtsakte. 19mit beschluss vom 19. mai 2022 hat die kammer den rechtsstreit der berichterstatterin als einzelrichterin zur entscheidung übertragen. 20in der mündlichen verhandlung sind die zeugen t2. u. und m1. t1. vernommen worden. wegen des ergebnisses der beweisaufnahme wird auf das sitzungsprotokoll verwiesen. 21wegen des sach- und streitstandes im übrigen wird auf den inhalt der gerichtsakte und den akteninhalt des zugehörigen eilverfahrens mit dem aktenzeichen 2 l 2677/21 bezug genommen. ergänzend wird auf den inhalt der beigezogenen verwaltungsvorgangänge sowie der beigezogenen strafakte der staatsanwaltschaft e. (az. 000 xx 00/00) bezug genommen. 22
23die einzelrichterin war zur entscheidung berufen, weil ihr der rechtsstreit mit beschluss vom 19. mai 2022 zur entscheidung übertragen worden ist (§ 6 vwgo). 24das verfahren war in entsprechender anwendung des § 92 abs. 3 vwgo (deklaratorisch) einzustellen, soweit die beteiligen das verfahren in der hauptsache für erledigt erklärt haben. 25die klage im übrigen hat keinen erfolg. sie ist unbegründet. 26die angegriffene entlassungsverfügung vom 7. dezember 2021 hält einer rechtlichen überprüfung stand. sie erweist sich als rechtmäßig und den kläger daher nicht in seinen rechten verletzend, § 113 abs. 1 satz 1 vwgo. 27die formell rechtmäßig erlassene entlassungsverfügung findet ihre rechtsgrundlage in § 23 abs. 4 beamtstg und begegnet auch in materiell-rechtlicher hinsicht keinen durchgreifenden bedenken. 28gemäß § 23 abs. 4 beamtstg können beamtinnen und beamte auf widerruf jederzeit entlassen werden. die gelegenheit zur beendigung des vorbereitungsdienstes und zum ablegen der prüfung soll gegeben werden. für die danach im ermessen des dienstherrn stehende entlassung einer widerrufsbeamtin bzw. eines widerrufsbeamten genügt jeder sachliche, d.h. nicht willkürliche grund, auch die annahme mangelnder charakterlicher eignung. hierfür ist die einschätzung entscheidend, inwieweit die beamtin bzw. der beamte der von ihr bzw. ihm zu fordernden loyalität, aufrichtigkeit, zuverlässigkeit, fähigkeit zur zusammenarbeit und dienstauffassung gerecht werden wird. dies erfordert eine wertende würdigung aller aspekte des verhaltens der beamtin bzw. des beamten, die einen rückschluss auf die für die charakterliche eignung relevanten persönlichen merkmale zulassen. die einschätzung der charakterlichen eignung ist dem dienstherrn vorbehalten. 29vgl. bverwg, beschluss vom 20. juli 2016 - 2 b 17.16 -, juris, rn. 26; ovg nrw, beschlüsse vom 19. oktober 2020 – 6 b 1062/20 –, juris, rn. 7 und vom 18. februar 2019 - 6 b 1551/18 -, juris, rn. 5. 30insoweit können bereits berechtigte zweifel der entlassungsbehörde genügen, ob die beamtin bzw. der beamte auf widerruf die persönliche eignung für ihr bzw. sein amt besitzt. die entlassung aus dem beamtenverhältnis auf widerruf ist aus diesem grund nicht von dem nachweis eines konkreten dienstvergehens abhängig. eignungszweifel können sich dabei sowohl aus dem dienstlichen als auch dem außerdienstlichen verhalten ergeben. 31vgl. ovg nrw, beschluss vom 19. oktober 2020 – 6 b 1062/20 –, juris, rn. 9. 32dabei ist die verwaltungsgerichtliche kontrolle darauf beschränkt, ob der dienstherr seine annahme, es lägen eignungszweifel vor, auf einen zutreffend und vollständig ermittelten sachverhalt gestützt, er den rechtsbegriff der eignung nicht verkannt und bei der von ihm zu treffenden prognoseentscheidung allgemeingültige wertmaßstäbe beachtet und auch sonst keine sachwidrigen erwägungen angestellt hat. 33vgl. ovg nrw, beschluss vom 5. juni 2015 - 6 b 326/15 -, juris, rn. 8, mit weiteren nachweisen. 34nach dieser maßgabe unterliegt die von dem beklagten wegen zweifeln an der charakterlichen eignung des klägers für den polizeivollzugsdienst erlassene entlassungsverfügung vom 7. dezember 2021 keinen rechtlichen bedenken. 35aufgrund der von dem kläger getätigten äußerung „transen sind keine menschen; die müssten abgeschossen werden.“ hat der beklagte unter berücksichtigung des ihm insoweit zukommenden beurteilungsspielraums rechtsfehlerfrei zweifel an der persönlichen eignung des klägers für das amt eines polizeivollzugsbeamten angenommen. der beklagte ist insbesondere weder von einem unrichtigen oder unvollständig festgestellten sachverhalt ausgegangen (dazu i.), noch hat er allgemeingültige wertmaßstäbe verletzt oder sachfremde erwägungen angestellt. er ist vielmehr in rechtlich nicht zu beanstandender weise zu der einschätzung gelangt, im fall des klägers bestünden zweifel an der charakterlichen eignung, die seine entlassung aus dem beamtenverhältnis auf widerruf vor abschluss des vorbereitungsdienstes rechtfertigen (dazu ii.). 36i. der beklagte hat der entlassungsverfügung einen zutreffenden und hinreichend ermittelten sachverhalt zugrunde gelegt. nach würdigung des gesamtergebnisses des verfahrens steht zur überzeugung der einzelrichterin fest, dass der kläger die in streit stehende äußerung „transen sind keine menschen; die müssten abgeschossen werden.“ getätigt hat. 37diese überzeugung wird insbesondere gestützt durch die aussagen der zeugen u. und t1. in der mündlichen verhandlung. sie gaben übereinstimmend an, dass der kläger am abend des 18. februar 2021 während der sendung „germany’s next topmodel“ seinen unmut über die teilnahme einer transsexuellen person geäußert habe, darüber in eine diskussion mit dem zeugen u. geraten sei und in dessen verlauf sinngemäß die in rede stehende äußerung getätigt habe. 38die zeugen sind glaubwürdig (1.) und ihre aussagen glaubhaft (2.). 391. die auffassung des klägers, die zeugen seien unglaubwürdig, da sie - wie anhand der zur gerichtsakte gereichten screenshots von gruppenchatverläufen zu erkennen sei - „ein fragwürdiges menschenbild hätten“, teilt das gericht nicht. ein solcher erfahrungssatz existiert weder in abstrakter form noch besteht im streitfalle anlass dazu, den zeugen aufgrund der von ihnen in der fraglichen whatsapp-chatgruppe geposteten inhalte per se ihre glaubwürdigkeit abzusprechen. dem kläger kann ferner nicht gefolgt werden, soweit er einwendet, die zeugen hätten ihre eigenen aussagen im ermittlungsverfahren relativiert und damit ihrer glaubwürdigkeit „massiv geschadet“. es ist bereits nicht nachvollziehbar, auf welches konkrete aussageverhalten der kläger mit dieser lediglich pauschal von dem beklagten übernommenen feststellung bezug nehmen will. soweit ersichtlich spielt er damit darauf an, dass der zeuge u. ausweislich der niederschrift des ausbilders pok c. (vgl. bl. 21 der beiakte heft 2) diesem gegenüber von weiteren äußerungen des klägers berichtet habe, zu denen er bei seiner späteren polizeilichen vernehmung erklärte, diese nicht selbst bzw. nur vom hörensagen vernommen zu haben. ein den schluss der unglaubwürdigkeit des zeugen tragender widerspruch ist darin nicht zu erkennen, zumal dem zeugen u. nicht unterstellt werden kann, er habe gegenüber pok c. behauptet, er hätte die äußerungen selbst wahrgenommen. hinsichtlich der glaubwürdigkeit des zeugen t1. sei angemerkt, dass dieser zwar möglicherweise ein eigeninteresse daran haben könnte, von ihm möglicherweise selbst getätigte entgleisende äußerungen zu verdecken, um sich beamtenrechtlichen konsequenzen zu entziehen. jedoch führt dies nicht auf den schluss seiner unglaubwürdigkeit in bezug auf seine aussage über die streitgegenständliche äußerung des klägers, zumal die in rede stehenden äußerungen nicht in einem alternativverhältnis stehen. ferner lässt sich weder den aussagen der zeugen noch den bekundungen des klägers ein plausibles belastungsmotiv entnehmen. die bloße zwischen den zeugen und dem kläger bestehende antipathie genügt hierfür gerade nicht. 402. die aussage des zeugen u. ist glaubhaft. er hat offen und ohne anzeichen von unsicherheit ausgesagt. erinnerungslücken, hat er freimütig eingeräumt. desgleichen hat er kein pauschales und undifferenziertes bild von „gut und böse“ gezeichnet. so hat er nicht gezögert einzuräumen, dass er „das“ (anmerkung des gerichts: gemeint ist die transsexuelle person) „auch nicht so gut finde“ und reue bekannt, indem er zugestand, dass ihm damals vielleicht auch die entsprechende reife gefehlt hätte und er den kläger heute auf jeden fall vorher auf seine äußerung angesprochen hätte. er hat die vorgänge lebensnah und plausibel beschrieben und lässt keinerlei belastungseifer erkennen. 41auch die aussage des zeugen t1. ist glaubhaft. seine schilderungen zu dem verhalten des klägers decken sich im wesentlichen mit jenen des zeugen u. . sie wirken nicht überzogen und enthalten insbesondere authentisch wirkende angaben zum randgeschehen, die nahelegen, dass er tatsächlich während der sendung eher abgelenkt mit seinem handy beschäftigt und deshalb nicht an der diskussion beteiligt war. zugleich war auch er nicht bemüht, herunterzuspielen, dass sein verhältnis zu dem kläger angespannt gewesen ist. entgegen des einwandes des klägers ist die aussage des zeugen t1. auch nicht etwa unglaubhaft, weil diese im widerspruch zu seiner äußerung bei seiner zeugenvernehmung im ermittlungsverfahren stünde. soweit der kläger einen widerspruch zwischen der aussage im ermittlungsverfahren „daraufhin hat der pascal den o.g. ausspruch getätigt. […] er hat sich darüber geärgert, dass es so einen typen gibt. wir haben aber nicht weiter darüber gesprochen. auch später nicht.“ (vgl. bl. 27 der strafakte) und der späteren schilderung einer diskussion zwischen dem kläger und dem zeugen u. erblickt, folgt die einzelrichterin dem nicht. der zeuge blieb auch bei seiner vernehmung in der mündlichen verhandlung bei beiden aussagen und löste den augenscheinlichen widerspruch dahingehend auf, dass es zu dem thema kein gespräch mehr gegeben habe, an dem er beteiligt gewesen sei. dies schließt gerade nicht aus, dass zwischen dem kläger und dem zeugen u. ein gespräch stattgefunden hat. 42als nicht glaubhaft erweist sich hingegen die von dem kläger bei seiner informatorischen anhörung geschilderte version des ablaufs des abends des 18. februar 2021. dies ergibt sich zur überzeugung des gerichts insbesondere aus dem gesamteindruck des aussageverhaltens des klägers. zum einen weicht er bei der schilderung des ablaufs des abends in der mündlichen verhandlung in zweierlei hinsicht von der von ihm schriftsätzlich vorgetragenen version ab. erstens ließ er bei seiner zusammenhängenden freien erzählung in der mündlichen verhandlung die von ihm schriftsätzlich in diesem zusammenhang einzig benannte äußerung des zeugen t1. („die ekelhafte scheiße gebe ich mir nicht länger.“) weg und fügte sie erst nach dem diktat hinzu. zweitens fügte er stattdessen bei seiner freien erzählung hinzu, dass der zeuge t1. sich „ein bis zwei mal über die transsexuelle person echauffiert“ habe. auf nachfrage erklärte er, der zeuge habe gesagt „bah ist das ekelhaft!“ und „wieso spielt da jemand mit, der so ist?“. von diesen verlautbarungen war in seinem schriftlichen vortrag keine rede, obwohl es sich aufgedrängt hätte, diese zu schildern. diese variabilität des vortrags lässt zweifel an der glaubhaftigkeit des vortrags insgesamt aufkommen. zum anderen erscheint es nicht nachvollziehbar, dass die erzählung des klägers von dem in rede stehenden abend auf den satz hinausläuft „wir haben ein bis zwei bierchen getrunken und dann kam es zu dieser angeblichen äußerung.“ (vgl. seite 3 der sitzungsniederschrift). hätte diese äußerung nicht stattgefunden, wäre zu erwarten gewesen, dass der kläger dieser bei der chronologischen wiedergabe seiner erinnerungen auch keinen platz eingeräumt hätte. dies gilt erst recht für die von ihm gewählte formulierung „dann kam es zu“. 43ferner ist seine antwort auf die frage des gerichts, warum die beiden zeugen wahrheitswidrig behaupten sollten, dass er diese aussage getätigt habe auffällig ausweichend (vgl. seite 5 oben der sitzungsniederschrift). seine erklärung, er habe über drei ecken erfahren, dass die zeugen ihm bei den ausbildern „einen reindrücken wollten“, kann er auf genauere nachfrage nicht plausibilisieren und wirkt daher konstruiert. er konnte keine aussage schildern, aus der er diesen gehalt hätte entnehmen können. eine eigene plausible vermutung oder erklärung dafür, aus welchen gründen die zeugen ihm „einen reindrücken“ wollten liefert er nicht. 44einer weiteren sachaufklärung bedurfte es nach alledem nicht. insbesondere hätten die von dem kläger benannten zeugen keine aussage zu den hier in streit stehenden geschehnissen treffen können, da sie an besagtem abend nicht anwesend waren. 45ii. ausgehend von alledem ist der beklagte berechtigterweise von zweifeln an der charakterlichen eignung des klägers für den polizeivollzugsdienst ausgegangen. mit seiner würdigung hat er die grenzen des ihm insoweit zukommenden beurteilungsspielraumes nicht überschritten. seine zweifel an der charakterlichen eignung des klägers für das amt des polizeivollzugsbeamten können – soweit gerichtlich überprüfbar – mit blick auf das dargestellte verhalten vielmehr als berechtigt angesehen werden. es ist – wie eingangs dargestellt – sache des dienstherrn, die maßstäbe für die anforderungen an die persönliche eignung eines polizeivollzugsbeamten bzw. einer polizeivollzugsbeamtin festzulegen und dementsprechend zu entscheiden, ob das verhalten einer beamtin bzw. eines beamten die anforderungen im einzelfall erfüllt. 46generell muss nach § 34 abs. 1 satz 3 beamtstg das verhalten von beamtinnen und beamten innerhalb und außerhalb des dienstes der achtung und dem vertrauen gerecht werden, die ihr beruf erfordern. bei beamtinnen und beamten im polizeivollzugsdienst darf der dienstherr die fähigkeit und innere bereitschaft voraussetzen, die dienstlichen aufgaben nach den grundsätzen der verfassung wahrzunehmen, insbesondere die freiheitsrechte der bürger zu wahren und rechtsstaatliche regeln einzuhalten. 47vgl. bverfg, beschluss vom 21. februar 1995 - 1 bvr 1397/93 -, juris, rn. 44; ovg nrw, beschluss vom 19. oktober 2020 – 6 b 1062/20 –, juris, rn. 11. 48mit diesen anforderungen ist das verhalten des klägers nicht zu vereinbaren. dass seine verlautbarung nicht nur den oben dargestellten verfassungsrechtlichen grundsätzen zuwiderläuft, sondern darüber hinaus auf tiefster stufe steht, bedarf keiner erläuterung; sprach sie zum einen einer ganzen bevölkerungsgruppe die menschlichkeit ab und sich obendrein für deren exekution aus. der dem kläger von dem beklagten gemachte vorwurf wiegt umso schwerer, da er als polizeivollzugsbeamter zum einen in besonderem maße zu neutralität und gleichbehandlung aller bevölkerungsgruppen und insbesondere auch zum schutz von minderheiten verpflichtet ist und zum anderen über eine dienstwaffe verfügt. 49dabei ist es unerheblich, ob die in rede stehende entgleisung tatsächlich ausdruck einer transphoben gesinnung des klägers ist oder dies - wie er beteuert - nicht der fall ist. der kläger muss sich zunächst an der aussage so festhalten und messen lassen, wie er sie getätigt hat, nämlich als menschenverachtend und mit einem eindeutigen transfeindlichen inhalt. aber auch dann, wenn hinter der aussage keine transfeindliche gesinnungslage stehen sollte, rechtfertigt sie die annahme einer fehlenden charakterlichen eignung. denn in diesem fall kommt zum ausdruck, dass der kläger sozial übliche grenzen verkennt, es ihm an der nötigen emotionalen festigkeit und selbstkontrolle fehlt, er zwischen spaß und realität nicht zu unterscheiden vermag und in naiver weise die wirkung und konsequenzen seines verhaltens nicht überschaut. dabei handelt es sich indes um persönliche defizite, die den von dem beklagten gezogenen schluss auf eine fehlende charakterliche eignung des klägers für den polizeivollzugsdienst zulassen. ferner sind beamte und beamtinnen im interesse der akzeptanz und der legitimation staatlichen handelns verpflichtet, bereits den schein der identifikation mit einem dem freiheitlichen rechtsstaat diametral entgegengesetzten gedankengut zu vermeiden. schon das zurechenbare setzen eines solchen scheins stellt eine dienstpflichtverletzung dar. pflichtwidrig handelt also auch der, der zwar kein gegner der freiheitlich-demokratischen grundordnung ist, durch konkretes handeln aber - wie hier - diesen rechtsschein hervorruft. 50vgl. bverwg, beschluss vom 17. mai 2001 – 1 db 15.01 –, juris, rn. 36. 51diese bewertung hat - ausweislich der gründe der entlassungsverfügung, die ersichtlich auf die wirkung der aussage abstellen und seiner erläuterungen im gerichtlichen verfahren - der beklagte seiner einschätzung über die charakterliche eignung des klägers beanstandungsfrei zugrunde gelegt. nicht zuletzt auch aus diesen gründen war den von dem kläger gestellten beweisanträgen, die sämtlich darauf abzielen, seine wirkliche einstellung zu ergründen, nicht nachzugehen. 52ohne erfolg beruft sich der kläger auf die gemäß § 170 abs. 2 stpo erfolgte einstellung des gegen ihn geführten ermittlungsverfahrens. der beklagte hat dem mit recht entgegengehalten, dass es für die beamtenrechtliche bewertung des in frage stehenden verhaltens nicht auf eine strafrechtliche relevanz ankomme. 53es ist weiter nicht zu beanstanden, dass auch der umstand, dass er in seiner bisherigen ausbildung keinen anlass zu beanstandungen gegeben hat, aus sicht des beklagten nichts daran ändert, dass das vertrauen in seine persönliche charakterliche eignung aufgrund der von ihm getätigten äußerung als endgültig erschüttert anzusehen ist. treten nämlich - wie hier - charakterlichen mängel des betreffenden hinreichend deutlich zu tage können bereits aus einem einmaligen fehlverhalten des betreffenden begründete zweifel an der charakterlichen eignung abgeleitet werden. 54vgl. hierzu bverwg, beschluss vom 20. juli 2016 - 2 b 17.16 -, juris, rn. 10. 55die entlassungsverfügung erweist sich auch nicht als ermessensfehlerhaft. sie erweist sich insbesondere nicht deshalb als unverhältnismäßig, weil die darin ausgesprochene entlassung aus dem polizeivollzugsdienst dem kläger die gelegenheit zur beendigung des vorbereitungsdienstes und ablegung der prüfung nimmt. zwar bestimmt § 23 abs. 4 satz 2 beamtstg, dass beamte auf widerruf im vorbereitungsdienst in der regel die möglichkeit erhalten sollen, den vorbereitungsdienst zu beenden und die prüfung abzulegen. die genannte vorschrift schränkt die möglichkeit der entlassung nicht nur dort ein, wo der vorbereitungsdienst als allgemeine ausbildungsstätte im sinne von art. 12 abs. 1 satz 1 gg zu qualifizieren ist, sondern auch dort, wo - wie hier - ein vorbereitungsdienst für eine beamtenlaufbahn abgeleistet wird, dessen abschluss nicht den zugang zu einer beschäftigung außerhalb des beamtenverhältnisses ermöglicht. 56näher ovg nrw, beschluss vom 16. august 2016 - 6 b 656/16 -, juris, rn. 4 ff. m w. n., sowie ovg bremen, beschluss vom 13. juli 2018 - 2 b 174/18 -, juris, rn. 9, und ovg sh, beschluss vom 5. januar 2018 - 14 mb 2/17 -, juris, rn. 5; a. a. etwa bayvgh, beschluss vom 12. dezember 2011 – 3 cs 11.2397 -, juris rn. 34. 57§ 23 abs. 4 satz 2 beamtstg steht jedoch im streitfall der entlassung des klägers vor ende des vorbereitungsdienstes nicht entgegen. eine entlassung kann danach gerechtfertigt sein, wenn der beamte das ziel des vorbereitungsdienstes, nämlich den erwerb der befähigung für die angestrebte laufbahn, aufgrund nachhaltig unzureichender leistungen auch bei wohlwollender betrachtung aller voraussicht nach nicht erreichen wird und die fortsetzung der ausbildung damit sinnlos ist, oder wenn begründete zweifel an seiner gesundheitlichen oder persönlichen eignung gegeben sind. 58vgl. bverwg, beschluss vom 26. januar 2010 - 2 b 47.09 -, juris, rn. 6, und urteil vom 9. juni 1981 - 2 c 48.78 -, juris, rn. 21; ovg nrw, beschluss vom 20. august 2012 - 6 b 776/12 -, juris, rn. 13, und urteil vom 3. september 2009 - 6 a 3083/06 -, juris, rn. 117. 59bei einem vorbereitungsdienst, der - wie hier, s.o. - keine allgemeine ausbildungsstätte im sinne des art. 12 abs. 1 satz 1 gg darstellt, sondern mit dem der staat für seinen eigenen bedarf ausbildet, darf der dienstherr dabei die persönliche eignung an den maßstäben messen, die er für die übertragung eines amtes auf lebenszeit zugrunde legt. 60vgl. ovg nrw, beschluss vom 18. februar 2019 - 6 b 1551/18 -, juris, rn. 22, und urteil vom 3. september 2009 - 6 a 3083/06 -, juris, rn. 121; ovg bremen, beschluss vom 13. juli 2018 – 2 b 174/18 -, juris, rn. 9. 61hiervon ausgehend ist im streitfall die entscheidung des beklagten, den kläger bereits vor ende des vorbereitungsdienstes zu entlassen, nicht zu beanstanden. der beklagte hegt – wie dargelegt – berechtigterweise erhebliche zweifel an der charakterlichen eignung des klägers, die seiner übernahme in ein beamtenverhältnis auf probe bzw. auf lebenszeit entgegenstehen würden. dann ist es gerechtfertigt, dem beamten die möglichkeit der ableistung des vorbereitungsdienstes im sinne des § 23 abs. 4 satz 2 beamtstg zu verwehren. dies eröffnet ihm zugleich die möglichkeit einer beruflichen neuorientierung. 62vgl. zu einem vergleichbaren fall ovg nrw, beschluss vom 30. dezember 2020 – 6 b 827/20 –, juris, rn. 54. 63angesichts der erheblichen zweifel an der charakterlichen eignung des klägers ist sein verbleib in der ausbildung im übrigen auch deshalb auszuschließen, weil diese in ihren praktischen übungen elemente enthält, bei denen er den bürgern in der öffentlichkeit in uniform und bewaffnet gegenüber treten müsste. 64vgl. zu dieser wertung hinsichtlich des polizeivollzugsdienstes ovg nrw, beschluss vom 5. juni 2015 – 6 b 326/15 –, juris, rn. 25. 65der beklagte ist deshalb mit recht unter verweis auf das interesse an der aufrechterhaltung bzw. wiederherstellung von funktion und integrität des dienstbetriebes und der polizeilichen arbeit zu der einschätzung gelangt, dass eine fortsetzung der ausbildung durch den kläger und ein abwarten bis zur entscheidung über die verbeamtung auf probe nicht tragbar wäre. 66c. die kostenentscheidung beruht hinsichtlich des streitigen teils auf § 154 abs. 1 vwgo und hinsichtlich des erledigten teils auf § 161 abs. 2 satz 1 vwgo. es entspricht unter berücksichtigung des bisherigen sach- und streitstandes der billigkeit, die kosten auch hinsichtlich des erledigten teils dem kläger aufzuerlegen. zum einen, weil nach oben gesagtem alles dafür spricht, dass auch eine sofortige freistellung vom dienst unter fortzahlung der bezüge (dabei handelt es sich um die rechtsfolge des § 39 satz 1 beamtstg, dessen voraussetzungen hier vorliegen) rechtlich nicht zu beanstanden war. zum anderen würde aber (entsprechend dem rechtsgedanken des § 155 abs. 1 satz 3 vwgo) ein obsiegen in dieser hinsicht auch einen lediglich geringfügigen teil des klageinteresses des klägers ausmachen. ferner wirkt sich die sofortige freistellung vom dienst unter fortzahlung der bezüge auch nicht streitwerterhöhend aus, da ihr ein einheitliches interesse des klägers zugrunde liegt. 67die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit fußt auf § 167 vwgo in verbindung mit §§ 708 nr. 11, 711 zpo. 68rechtsmittelbelehrung: 69gegen dieses urteil kann innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) schriftlich die zulassung der berufung beantragt werden. der antrag muss das angefochtene urteil bezeichnen. 70der antrag kann auch als elektronisches dokument nach maßgabe des § 55a vwgo und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer rechtsverkehr-verordnung – ervv) eingereicht werden. 71innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils sind die gründe darzulegen, aus denen die berufung zuzulassen ist. 72die berufung ist nur zuzulassen, 731. wenn ernstliche zweifel an der richtigkeit des urteils bestehen, 742. wenn die rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche schwierigkeiten aufweist, 753. wenn die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat, 764. wenn das urteil von einer entscheidung des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen, des bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen senats der obersten gerichtshöfe des bundes oder des bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser abweichung beruht oder 775. wenn ein der beurteilung des berufungsgerichts unterliegender verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die entscheidung beruhen kann. 78die begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem antrag vorgelegt worden ist, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen (aegidiikirchplatz 5, 48143 münster oder postfach 6309, 48033 münster) schriftlich oder als elektronisches dokument nach maßgabe des § 55a vwgo und der ervv einzureichen. 79über den antrag entscheidet das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen. 80im berufungs- und berufungszulassungsverfahren müssen sich die beteiligten durch prozessbevollmächtigte vertreten lassen. dies gilt auch für prozesshandlungen, durch die das verfahren eingeleitet wird. die beteiligten können sich durch einen rechtsanwalt oder einen rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten hochschule eines mitgliedstaates der europäischen union, eines anderen vertragsstaates des abkommens über den europäischen wirtschaftsraum oder der schweiz, der die befähigung zum richteramt besitzt, als bevollmächtigten vertreten lassen. auf die zusätzlichen vertretungsmöglichkeiten für behörden und juristische personen des öffentlichen rechts einschließlich der von ihnen zur erfüllung ihrer öffentlichen aufgaben gebildeten zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 abs. 4 satz 4 vwgo und § 5 nr. 6 des einführungsgesetzes zum rechtsdienstleistungsgesetz – rdgeg –). darüber hinaus sind die in § 67 abs. 2 satz 2 nr. 3 bis 7 vwgo bezeichneten personen und organisationen unter den dort genannten voraussetzungen als bevollmächtigte zugelassen. 81die antragsschrift und die zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst zweifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. 82beschluss: 83der streitwert wird gemäß § 52 abs. 6 satz 1 nr. 2, sätze 2 und 3 gkg auf die wertstufe bis 9.000,- euro festgesetzt. 84rechtsmittelbelehrung: 85gegen den streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur niederschrift des urkundsbeamten der geschäftsstelle bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) beschwerde eingelegt werden, über die das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen in münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. 86die beschwerde kann auch als elektronisches dokument nach maßgabe des § 55a vwgo und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer rechtsverkehr-verordnung – ervv) oder zu protokoll der geschäftsstelle eingelegt werden; § 129a der zivilprozessordnung gilt entsprechend. 87die beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs monaten eingelegt wird, nachdem die entscheidung in der hauptsache rechtskraft erlangt oder das verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der streitwert später als einen monat vor ablauf dieser frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines monats nach zustellung oder formloser mitteilung des festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 88die beschwerde ist nicht gegeben, wenn der wert des beschwerdegegenstandes 200,-- euro nicht übersteigt. 89die beschwerdeschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. 90war der beschwerdeführer ohne sein verschulden verhindert, die frist einzuhalten, ist ihm auf antrag von dem gericht, das über die beschwerde zu entscheiden hat, wiedereinsetzung in den vorigen stand zu gewähren, wenn er die beschwerde binnen zwei wochen nach der beseitigung des hindernisses einlegt und die tatsachen, welche die wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. nach ablauf eines jahres, von dem ende der versäumten frist angerechnet, kann die wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
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1 K 1689/20
2022-07-22T00:00:00
Urteil
Tenor Soweit der Kläger seine Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Die Beteiligten streiten um die Anerkennung des Klägers als eine für die Aufstellung von Brandschutzkonzepten im Sinne von § 54 Abs. 3 Var. 3 BauO NRW geeignete Person. 3Mit E-Mail vom 00.00.0000 teilte der Kläger der Beklagten mit, er sei angefragt worden, ein Brandschutzkonzept für die ehemalige "X. " zu erstellen. Er verfüge nicht über die staatliche Anerkennung nach § 87 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BauO NRW und wolle aufgrund seiner vergleichbaren Sachkunde und Erfahrung tätig werden. Hierzu verwies er unter Vorlage von Belegen u.a. darauf, während seines früheren Dienstes im Justizvollzug im Bereich des vorbeugenden Brandschutzes und als Brandschutzbeauftragter tätig gewesen zu sein und in einer Arbeitsgruppe des Justizvollzugs und des Bau- und Liegenschaftsbetriebs an der Erstellung von Empfehlungen zum Brandschutz beim Bau und Betrieb von Justizvollzugsanstalten mitgewirkt zu haben. Im Zeitraum 2007 bis 2008 habe er bei der Architektenkammer 4U3.--ringen einen Weiterbildungslehrgang "Fachplaner für Brandschutz" absolviert. Brandschutzplanungen habe er in dieser Zeit noch nicht ausgeführt. Nebenberuflich habe er als Brandschutzbeauftragter u.a. für die Kreissenioreneinrichtungen des L1. M. gearbeitet. Überdies bilde er zweimal im Jahr gemeinsam mit einer anderen Person Brandschutzbeauftragte aus. Nach Absolvierung eines Vorbereitungslehrgangs sei er seit 00.00.0000 nach DIN EN ISO/IEC 17024 zertifiziert. Die Zertifizierungsstelle sei von der Akkreditierungsstelle DAkkSS anerkannt. Seit 2015 führe er Brandschutzplanungen aus, bis 2019 nebenberuflich und nun hauptberuflich. Seine Zertifizierung halte er durch zahlreiche Nachweise (Arbeitsproben und Nachweis von mindestens drei Tagen Fortbildung im Jahr) aufrecht. Seit 1985 sei er ehrenamtlich in der Feuerwehr aktiv und habe dort 2006 die Befähigung zum Zugführer erworben. Seitdem werde er in seinem Heimatort auch als Einsatzleiter eingesetzt. Zum Nachweis seiner praktischen Erfahrung fügte der Kläger vier Baugenehmigungen bei, in deren Rahmen er in den Jahren 2015 bis 2019 als Brandschutzplaner tätig war. 5Mit E-Mail vom 00.00.0000 antwortete die Beklagte dem Kläger, dass aufgrund von bereits bestehenden Problemen und der geplanten Maßnahmen für dieses Projekt keine Anerkennung außerhalb der Rahmenbedingungen der BauO NRW erfolgen könne. 6Dagegen hat der Kläger 00.00.0000 die vorliegende Klage erhoben. Er rügt insbesondere, die Entscheidung der Beklagten sei nicht mit einer ordnungsgemäßen Begründung versehen gewesen und auch inhaltlich falsch. Die Beklagte habe sich bei ihrer Prüfung als Bewertungsmaßstab an den Voraussetzungen eines Sachverständigen im Sinne des § 54 Abs. 3 BauO NRW orientieren müssen. Diese Voraussetzungen erfülle er mit Ausnahme der Mitgliedschaft in der Architekten- bzw. Ingenieurkammer, da diese den Abschluss eines Studiums erfordere; darüber verfüge er nicht. Ein solches Studium im Bereich der Architektur oder des Bauingenieurwesens könne aber keine grundlegende Voraussetzung für die Durchführung von Brandschutzplanungen sein, da das Thema "Brandschutz" in diesen Studiengängen nur am Rande vermittelt werde. Aus der Gesetzeshistorie, insbesondere der Verwaltungsvorschrift zur Bauordnung NRW 2000, ergebe sich auch, dass ein Studium keine zwingende Voraussetzung für die Eignung zur Aufstellung von Brandschutzkonzepten sei, sondern durch langjährige praktische Erfahrung etwa im gehobenen feuerwehrtechnischen Dienst ersetzt werden könne. Hinsichtlich seiner Referenzen sei das von ihm brandschutztechnisch betreute Hotel-Bauvorhaben zwar nicht mit dem Vorhaben "X. ", das Anlass seiner jetzigen Anfrage war, vergleichbar. Die ebenfalls von ihm betreute Umbaumaßnahme bei einem Pflegeheim habe jedoch eine Einrichtung mit insgesamt 111 Bewohnern einschließlich Demenzerkrankten betroffen. Der dortige Neubau umfasse 3.700 m²; auch die baulichen Veränderungen im Altbau seien von ihm brandschutztechnisch geplant worden. Diese beträfen eine Geschossfläche von 3.900 m². Soweit von ihm der Nachweis von Erfahrungen mit Pflegeheimen verlangt werde, übersteige dies außerdem die an andere Sachverständige gestellten Anforderungen und verstoße daher gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Seine Sachkunde sei in Form der Zertifizierung als Sachverständiger für den vorbeugenden und gebäudetechnischen Brandschutz nach DIN EN ISO/IEC 17024 nach einem hoheitlich akkreditierten Verfahren festgestellt worden. Daraus ergebe sich eine abstrakte Eignungsprüfung. 7Der Kläger hat zunächst sinngemäß beantragt, 8die Beklagte zu verpflichten, ihn als Ersteller von Brandschutzkonzepten anzuerkennen, 9hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, ihn als Ersteller von Brandschutzkonzepten für Pflege- und Betreuungseinrichtungen anzuerkennen, 10weiter hilfsweise, 11die Entscheidung der Beklagten vom 00.00.0000 aufzuheben und sie zu verpflichten, über seinen Antrag auf Anerkennung als Ersteller eines Brandschutzkonzepts für das Bauvorhaben "L3. X1. " neu und rechtlich einwandfrei zu entscheiden. 12Er beantragt nunmehr nur noch, 13festzustellen, dass die Entscheidung der Beklagten vom 00.00.0000, den Kläger als Ersteller eines Brandschutzkonzepts für das Bauvorhaben "L3. X1. " nicht anzuerkennen, rechtswidrig war. 14Die Beklagte beantragt, 15die Klage abzuweisen. 16Sie hat im Wesentlichen ausgeführt: Den von dem Kläger zum Nachweis seiner Erfahrung vorgelegten Baugenehmigungen, denen die erstellten Brandschutzplanungen selbst nicht beigefügt gewesen seien, habe sich schon anhand der Vorhaben-Bezeichnungen entnehmen lassen, dass es sich um kleinere, weniger komplexe Vorhaben hinsichtlich der brandschutztechnischen Anforderungen gehandelt habe. Bei dem streitgegenständlichen Planungsvorhaben handele es sich dahingegen um einen großen Sonderbau, nämlich um eine ehemalige L4. , die über mehrere Jahre leer gestanden habe. Im 00.00.0000 seien im Rahmen einer Bauvoranfrage diverse Nutzungsänderungen im Gebäudekomplex bauplanungsrechtlich zugelassen worden. Für einen ersten untergeordneten Gebäudeteil sei im 00.00.0000 eine Baugenehmigung für die Nutzungsänderung zu einer Pflegeeinrichtungen mit 34 Plätzen erteilt worden. Der inzwischen beantragte zweite Bauabschnitt zur Nutzungsänderung, für den der Kläger das Brandschutzkonzept erarbeiten wolle, beziehe sich auf eine Nutzfläche von insgesamt 7.800 m² mit diversen unterschiedlichen Nutzungseinheiten, verteilt auf sieben Geschosse. Dazu gehörten Pflege- und Betreuungseinrichtungen inklusive Tages- und stationärer Pflege, sieben Arzt- und Therapiepraxen, Bereiche für das sogenannte Centermanagement mit entsprechenden Büroräumen, einem Ladenlokal und barrierefreiem Wohnen. Im Zuge der ersten Teil-Nutzungsänderung sei bereits festgestellt worden, dass aufgrund der erheblichen Größe des Gesamtobjekts und der Vielzahl an unterschiedlichen geplanten Nutzungseinheiten im Objekt die brandschutzrechtlichen Beurteilungen aufgrund ihrer Komplexität ein hohes Maß an Erfahrung und Sachkunde bedürften. Die vom Kläger angeführten Erfahrungen in der Brandschutzplanung seien mit dem geschilderten Vorhaben zur Nutzungsänderung der "X. " bei Weitem nicht vergleichbar. Deshalb sei er im Sinne des § 54 Abs. 3 Var. 3 BauO NRW 2018 als für diesen Einzelfall zur Aufstellung des Brandschutzkonzepts nicht geeignet erachtet worden. Im Übrigen sei von dem Bauherrn des streitgegenständlichen Vorhabens zu keiner Zeit signalisiert worden, den Kläger mit der Aufstellung eines Brandschutzkonzepts beauftragen zu wollen. Inzwischen sei auch im Rahmen der Bauantragstellung bereits ein Brandschutzkonzept eines staatlich anerkannten Sachverständigen für die Prüfung des Brandschutzes eingereicht worden. 17Mit Beschluss vom 4. Juli 2022 hat die Kammer das Verfahren der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. 18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen. 19Entscheidungsgründe: 20Soweit der Kläger seine - ursprünglich auch auf die Verpflichtung zur (allgemeinen) Anerkennung als Ersteller von Brandschutzkonzepten und hilfsweise zur Anerkennung als Ersteller von Brandschutzkonzepten für Pflege- und Betreuungseinrichtungen gerichtete - Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt (§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO). 21Soweit der Kläger im Hinblick auf die ablehnende Entscheidung der Beklagten vom 00.00.0000, ihn als Ersteller eines Brandschutzkonzepts für das konkrete Bauvorhaben "X. " anzuerkennen, von seinem ursprünglichen Verpflichtungs- zu einem Feststellungsantrag übergegangen ist, war dies prozessual zulässig. Bei der Umstellung des Klageantrags vom Verpflichtungs- auf ein Fortsetzungsfeststellungsbegehren handelt es sich regelmäßig bereits nicht um eine Klageänderung im Sinne des § 91 VwGO, sondern um eine Einschränkung des Klageantrags gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO. 22Vgl. BVerwG, Urteile vom 29. März 2017 - 6 C 1.16 -, juris Rn. 28, und vom 4. Dezember 2014 - 4 C 33.13 -, juris Rn. 11; OVG NRW, Beschluss vom 10. März 2021 - 12 A 82/18 -, juris Rn. 31; Kopp/Schenke, VwGO, 27. Auflage 2021, § 113 Rn. 121; Riese, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: Februar 2022, § 113 VwGO, Rn. 109. 23Unabhängig davon wäre die Umstellung selbst bei Einordnung als Klageänderung vorliegend zulässig. Zum einen hat die Beklagte in die Änderung eingewilligt, indem sie sich, ohne ihr zu widersprechen, in der mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat (§ 91 Abs. 1 Alt. 1, Abs. 2 VwGO). Zum anderen hält das Gericht die Umstellung aus Gründen der Prozessökonomie für sachdienlich. 24Vgl. zur Sachdienlichkeit OVG NRW, Beschluss vom 23. Januar 2003 - 13 A 4859/00 -, juris Rn. 6 und 8. 25Der in Form des Feststellungsbegehrens aufrecht erhaltene Teil der Klage ist zulässig (I.), aber unbegründet (II.). 26I. In dem noch aufrecht erhaltenen Teil ist die Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft (1.) und zulässig (2). 271. Nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO kann das Gericht die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts aussprechen, wenn sich der Verwaltungsakt nach Klageerhebung erledigt und der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Diese grundsätzlich auf Anfechtungsklagen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) bezogene Vorschrift ist entsprechend anwendbar, wenn - wie hier in Bezug auf die ursprünglich (hilfsweise) begehrte Anerkennung als Ersteller eines Brandschutzkonzepts für das Bauvorhaben "X. " der Fall - eine zulässige Verpflichtungsklage unzulässig geworden ist, weil sich das mit ihr verfolgte Begehren erledigt hat. 28Vgl. BVerwG, Urteile vom 29. November 2017 - 6 C 57.16 -, juris Rn. 13, vom 29. März 2017 - 6 C 1.16 -, juris Rn. 28 m.w.N., und vom 24. Januar 1992 - 7 C 24.91 -, juris Rn. 7; OVG NRW, Urteil vom 3. Dezember 2021 - 11 A 1958/20 -, juris Rn. 29 f. 29Mit dem ursprünglichen Antrag des Klägers, die ablehnende Entscheidung der Beklagten vom 18. Juni 2020 aufzuheben und sie zu verpflichten, über seinen Antrag auf Anerkennung als Ersteller eines Brandschutzkonzepts für das Bauvorhaben "X. " "neu und rechtlich einwandfrei" zu entscheiden, hat er ein Verpflichtungsbegehren geltend gemacht (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO). Bei der begehrten Anerkennung des Klägers als Ersteller eines Brandschutzkonzepts für das Bauvorhaben "X. " handelt es sich um einen Verwaltungsakt im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG NRW. Danach ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. In der hier begehrten Anerkennung liegt eine für den konkreten Einzelfall (Bauvorhaben "X. ") mit Außenwirkung zu treffende Entscheidung der Behörde mit der feststellenden Regelung, dass die antragstellende Person im Sinne von § 54 Abs. 3 Var. 3 BauO NRW für die Aufgabe nach Sachkunde und Erfahrung vergleichbar geeignet ist. 30Dieses Verpflichtungsbegehren hat sich nach Erhebung der Klage erledigt. Die Fortsetzungsfeststellungsklage dient u.a. dem Zweck, zu verhindern, dass ein Kläger um die "Früchte" seiner bisherigen Prozessführung gebracht wird. Ein Verpflichtungsbegehren ist danach erledigt, wenn es nach Klageerhebung aus dem Kläger nicht zurechenbaren Gründen unzulässig oder unbegründet wurde, wenn also das Rechtsschutzziel aus Gründen, die nicht in der Einflusssphäre des Klägers liegen, nicht mehr zu erlangen ist, weil es entweder außerhalb des Prozesses erreicht wurde oder überhaupt nicht mehr erreicht werden kann. Die Weiterverfolgung eines Verpflichtungsbegehrens wird etwa objektiv sinnlos, wenn sich die Sachlage dergestalt ändert, dass dem Kläger mit dem Erlass des beantragten Verwaltungsakts nicht mehr gedient ist, weil der Verwaltungsakt dem Kläger keinen Vorteil mehr bringt oder das Interesse des Klägers am Verwaltungsakt entfallen ist. Eine solche Änderung führt regelmäßig zur Unzulässigkeit der Klage wegen Fehlens eines Rechtsschutzbedürfnisses. 31Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1. September 2011 - 2 A 1335/10 -, juris Rn. 12; Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 113 Rn. 306. 32Das (allgemeine) Rechtsschutzbedürfnis, bei dessen Fehlen eine Klage als unzulässig abzuweisen ist, fehlt u.a. dann, wenn ein Erfolg die Rechtsstellung des Klägers nicht verbessern würde bzw. für den Kläger offensichtlich keinen rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil bringt. 33Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. April 2004 - 3 C 25.03 -, juris Rn. 19; Wöckel, in: Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, vor §§ 40-53 Rn. 11 und 16; Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 42 Rn. 335 und 350. 34Das ist hier der Fall. Das Brandschutzkonzept für das konkrete Bauvorhaben "X. " wurde am 8. September 2020 durch einen vom Bauherrn zwischenzeitlich beauftragten staatlich anerkannten Sachverständigen für die Prüfung des Brandschutzes vorgelegt; das Genehmigungsverfahren ist nach den Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung abgeschlossen und die Nutzung aufgenommen. Die Aufstellung eines Brandschutzkonzepts für das Bauvorhaben "X. " ist somit anderweitig erfolgt; die Zulassung des Klägers als Ersteller eines solchen Konzepts ist ihm objektiv nicht mehr von Nutzen. 352. Die statthafte Klage ist zulässig, insbesondere hat der Kläger das entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche Feststellungsinteresse. Ein solches Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein und sich insbesondere aus den Gesichtspunkten der konkreten Wiederholungsgefahr, der Rehabilitierung, der schwerwiegenden Grundrechtsbeeinträchtigung sowie der Präjudizwirkung für einen beabsichtigten Schadensersatzanspruch ergeben, kann aber auch aus anderen besonderen Umständen des Einzelfalls hergeleitet werden. Die gerichtliche Feststellung muss geeignet sein, die betroffene Position des Klägers zu verbessern. 36Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. November 2020 - 2 C 5.19 -, juris Rn. 13; OVG NRW, Beschluss vom 10. März 2021 - 12 A 82/18 ‑, juris Rn. 33. 37Dabei ist es Sache des Klägers, die Umstände, aus denen sich das Feststellungsinteresse ergibt, darzulegen. 38Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. November 1990 - 3 C 49.87 -, juris Rn. 25; Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 113 Rn. 267. 39a. Das Gericht nimmt vorliegend ein berechtigtes Feststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt einer konkreten Wiederholungsgefahr an. Ein solches besteht, wenn in absehbarer Zeit bei im Wesentlichen gleichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen mit einer gleichartigen Entscheidung der Behörde zu rechnen ist oder sich die in Bezug auf den erledigten Verwaltungsakt streitigen Rechtsfragen zwischen den Beteiligten in anderer Weise erneut stellen werden. Hierfür müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen; die vage oder abstrakte Möglichkeit einer Wiederholung ist ebenso wenig ausreichend wie der Wunsch nach einer Klärung abstrakter Rechtsfragen. Ist ungewiss, ob in Zukunft noch einmal die gleichen tatsächlichen Verhältnisse eintreten wie im Zeitpunkt des Erlasses des erledigten Verwaltungsaktes, kann das Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht aus einer Wiederholungsgefahr hergeleitet werden. 40Vgl. BVerwG, Urteile vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 -, juris Rn. 21, und vom 12. Oktober 2006 - 4 C 12.04 -, juris Rn. 8; OVG NRW, Beschluss vom 10. März 2021 - 12 A 82/18 -, juris Rn. 38; Riese, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: Februar 2022, § 113 VwGO, Rn. 126; Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 113 Rn. 271. 41Im Falle der Erledigung eines Verpflichtungsbegehrens tritt an die Stelle der konkreten Wiederholungsgefahr ein konkretes Weiterverfolgungsinteresse. Dieses liegt vor, wenn die Gefahr besteht, dass die Behörde einen erneuten Antrag auf neuer Grundlage mit gleichen Gründen ablehnen wird. Es fehlt daher am Fortsetzungsfeststellungsinteresse, wenn sich nach der Ablehnung die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse geändert haben und anzunehmen ist, dass die Behörde unter den geänderten Verhältnissen gleichartige Anträge des Klägers nicht mit gleichartigen Erwägungen ablehnen wird. 42Vgl. hierzu Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 113 Rn. 311. 43Zwar stellt die hier maßgebliche Regelung in § 54 Abs. 3 Var. 3 BauO NRW für die Entscheidung, ob eine Person für die Aufstellung des Brandschutzkonzepts vergleichbar geeignet ist, bereits ausweislich des Wortlauts der Norm auf eine Betrachtung des jeweiligen Einzelfalls ab. Somit ist zu fragen, ob wegen der Individualität der jeweiligen Bauvorhaben von einer damit verbundenen - die Wiederholungsgefahr ausschließenden - Einmaligkeit der vorliegenden Ablehnungssituation auszugehen ist und der gerichtlichen Entscheidung im hier gegebenen Fall schon deshalb keine richtungsweisende Bedeutung für die künftige behördliche Entscheidungspraxis zukommen kann. 44Vgl. hierzu Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 113 Rn. 271. 45Jedoch ist anzunehmen, dass sich zwischen den Beteiligten bei zumindest im Wesentlichen gleichen tatsächlichen Verhältnissen (also vergleichbaren Bauvorhaben) die in Bezug auf das erledigte Begehren kontroversen Rechtsfragen - insbesondere die Frage nach der Bedeutung der Zertifizierung des Klägers bei der Anwendung des § 54 Abs. 3 BauO NRW - in anderer Weise erneut stellen werden und mit einer gleichartigen Entscheidung der Beklagten zu rechnen wäre. Einen konkreten Anhaltspunkt für die Wiederholungsgefahr bietet der Vortrag des Klägers mit Schriftsatz vom 16. November 2020, wonach er eine erneute Anfrage für eine Brandschutzplanung zu einem Pflegeheim im Zuständigkeitsbereich der Beklagten erhalten habe, zu der er ein Angebot abgeben wolle. Dass sich - wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung angab - diese Anfrage zwischenzeitlich erledigt hat, steht dem nicht entgegen, da aus dem Vorbringen des Klägers gleichwohl erkennbar ist, dass er weiterhin für Bauprojekte dieser Art als Ersteller von Brandschutzkonzepten im Zuständigkeitsbereich der Beklagten tätig sein möchte. 46Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung allerdings auf die Frage nach seinem konkreten Feststellungsinteresse erklärt hat, ihm gehe es - auch - um eine Klärung für seine Berufskollegen, vermag er daraus ein Feststellungsinteresse nicht herzuleiten. Gleiches gilt im Hinblick darauf, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung zum Hintergrund der Klage darauf verwiesen hat, vorher mehrfach ähnliche Erfahrungen mit der Ablehnung durch andere Behörden gesammelt zu haben. Denn die Wiederholungsgefahr ist allein in Bezug auf den Kläger und dessen konkrete Situation zu beurteilen und muss gerade im Verhältnis der Beteiligten des anhängigen Verwaltungsstreitverfahrens bestehen; begehrt der Kläger eine Klärung nicht für sich, sondern für einen Dritten, reicht dies nicht. 47Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. Februar 2014 - 12 A 2838/12 -, juris Rn. 5; Riese, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: Februar 2022, § 113 VwGO, Rn. 127; Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 113 Rn. 270. 48b. Es kann damit dahinstehen, ob sich ein Feststellungsinteresse auch noch unter anderen Gesichtspunkten ergibt. Dies dürfte allerdings zu verneinen sein. 49Ein Feststellungsinteresse im Hinblick auf eine Rehabilitierung des Klägers dürfte nicht gegeben sein. Ein berechtigtes Interesse an einer Rehabilitierung besteht nur dann, wenn sich aus dem erledigten Verwaltungsakt eine Stigmatisierung des Betroffenen ergibt, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen. Diese Stigmatisierung muss Außenwirkung erlangt haben und noch in der Gegenwart andauern. 50Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 -, juris Rn. 25; Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 113 Rn. 119; Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 113 Rn. 273. 51Vorliegend ist schon fraglich, ob die gegenüber dem Kläger ergangene Entscheidung überhaupt Außenwirkung erlangt hat. Überdies beruhte die Ablehnung, den Kläger als Ersteller eines Brandschutzkonzepts für das Bauvorhaben "X. " anzuerkennen, auf der Komplexität des Vorhabens und einer Bewertung der fachlichen Vorerfahrungen des Klägers, ohne dass damit ein stigmatisierendes Unwert-Urteil über die Person des Klägers verbunden gewesen wäre oder seine Qualifikation grundlegend in Frage gestellt worden wäre. Insoweit hat die Beklagte auch im gerichtlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt, dass es sich um eine Einzelfall-Entscheidung gehandelt habe, und damit nicht ausgeschlossen sei, dass der Kläger bei anders gelagerten Bauvorhaben in Zukunft als zur Aufstellung des jeweiligen Brandschutzkonzepts geeignet angesehen werde. Soweit die Beklagte in ihrer E-Mail von 00.00.0000 auf bereits bestehende Probleme Bezug nahm, hat sie - sofern sich dies nicht bereits aus der Gesamtformulierung der E-Mail ergab - in der mündlichen Verhandlung öffentlich klargestellt, dass damit auf Probleme des Bauprojekts verwiesen wurde und nicht etwa auf Probleme mit dem Kläger. 52Dass der Kläger beabsichtigt, einen Schadensersatzprozess anzustrengen, ist nicht vorgetragen. Bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage, die der Vorbereitung einer zivilrechtlichen Klage auf Schadensersatz oder Entschädigung dienen soll, ist das Feststellungsinteresse zu bejahen, wenn ein solcher Prozess bereits anhängig, mit Sicherheit zu erwarten oder ernsthaft beabsichtigt ist, die begehrte Feststellung in diesem Verfahren erheblich und die Rechtsverfolgung nicht offensichtlich aussichtslos ist. Insoweit bedarf es hinreichender Darlegungen seitens des die Feststellung begehrenden Klägers. Hierzu gehört insbesondere, dass er die Behauptung eines eingetretenen Schadens durch Angaben zur Art des Schadens und zur annähernden Schadenshöhe substantiiert. 53Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. April 2018 - 2 A 1387/15 -, juris Rn. 42 ff., und Beschluss vom 15. August 2014 - 2 A 2507/13 -, juris Rn. 9. 54Hierfür ist vorliegend nichts dargetan; vielmehr hat der Kläger auf die gerichtliche Frage nach seinem konkreten Interesse an der Feststellung in der mündlichen Verhandlung ausschließlich darauf verwiesen, ihm gehe es um eine Klärung für die Zukunft. 55II. Die noch aufrecht erhaltene Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO auf die Feststellung, dass die Ablehnung der Beklagten vom 00.00.0000, ihn als Ersteller eines Brandschutzkonzepts für das Bauvorhaben "X. " anzuerkennen, rechtswidrig war. Eine solche Feststellung setzt voraus, dass der Kläger durch die Ablehnung in seinen eigenen Rechten verletzt worden ist (1.). Dies ist hier nicht der Fall (2.). 561. Eine Fortsetzungsfeststellungsklage ist im Falle eines erledigten Verpflichtungsbegehrens begründet, wenn die Verpflichtungsklage zum Zeitpunkt der Erledigung Erfolg gehabt hätte, d.h. wenn ein Anspruch auf Erlass des begehrten Verwaltungsakts bzw. auf Neubescheidung zum Zeitpunkt der Erledigung bestand. 57Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. Juni 2012 - OVG 2 B 18.11 -, juris Rn. 42; Riese, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: Februar 2022, § 113 VwGO, Rn. 151; Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 113 Rn. 314. 58Insoweit entspricht das Prüfprogramm dem des § 113 Abs. 5 VwGO. Hierbei kann insbesondere nicht auf eine subjektive Rechtsverletzung und den danach erforderlichen Rechtswidrigkeitszusammenhang verzichtet werden, weil die Fortsetzungsfeststellungsklage keinen umfassenderen Rechtsschutz gewähren darf als die vor der Erledigung erhobene oder ohne Erledigung zu erhebende Verpflichtungsklage. 59Vgl. BVerwG, Urteile vom 3. März 1987 - 1 C 15.85 -, juris Rn. 15, und vom 23. März 1982 - 1 C 157.79 - juris Rn. 26; OVG NRW, Urteil vom 23. September 2020 - 8 A 1161/18 ‑, juris Rn. 66 ff. (jeweils im Kontext einer Anfechtungssituation); Riese, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: Februar 2022, § 113 VwGO, Rn. 151. 602. Die Voraussetzungen des § 113 Abs. 5 VwGO lagen hier nicht vor. Zwar wird die am 00.00.0000 an den Kläger versandte E-Mail der Beklagten, in dem diese ihm die ablehnende Entscheidung mitteilte, den formellen Anforderungen des VwVfG NRW nicht gerecht (a.). Dies führt jedoch nicht zur Begründetheit der Klage (b.). Die Klage hat keinen Erfolg, weil die ablehnende Sachentscheidung materiell nicht zu beanstanden ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt; ihm stand kein Anspruch auf die Anerkennung als Ersteller eines Brandschutzkonzepts für das Bauvorhaben "X. " zu (c.). 61a. Die Mitteilung der ablehnenden Entscheidung mit E-Mail vom 00.00.0000 erfolgte in formeller Hinsicht nicht ordnungsgemäß. 62aa. Dabei ist zunächst nicht zu beanstanden, dass der Kläger vor Erlass der ablehnenden Entscheidung nicht angehört wurde. Nach § 28 Abs. 1 VwVfG NRW ist vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Diese Vorschrift kann nach ihrem Sinngehalt grundsätzlich nur für solche beschwerenden Verwaltungsakte gelten, mit denen die Behörde in die Rechtssphäre des Bürgers eingreift und gegen die dem Bürger die Anfechtungsklage zusteht (sogenannte "Eingriffsverwaltung"). Dies ist der Fall, wenn durch den Verwaltungsakt die bisherige Rechtsstellung des Beteiligten zu seinem Nachteil verändert, ihm eine rechtliche Verpflichtung auferlegt, insbesondere von ihm ein Tun oder Unterlassen gefordert wird. Dagegen genügt es nicht, wenn - wie hier - der Erlass eines Verwaltungsakts abgelehnt wird, der erst eine Rechtsposition begründen soll. Bei Verwaltungsakten, die einen Antrag ablehnen, hat der Beteiligte regelmäßig bei der Antragstellung hinreichend Gelegenheit, alle für die Entscheidung erheblichen Tatsachen vorzutragen. Deshalb ist im Regelfall - und so auch hier - eine gesonderte Anhörung vor der Ablehnung des Antrags nicht geboten. 63Vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Oktober 1982 - 3 C 46.81 -, juris Rn. 35, und vom 30. April 1981 - 3 C 135.79 -, juris Rn. 64; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. Juni 2011 - OVG 10 B 1.11 ‑, juris Rn. 45. 64bb. Dahingegen rügt der Kläger im Grundsatz zu Recht, dass die ablehnende Entscheidung ihm gegenüber in der E-Mail der Beklagten vom 18. Juni 2020 unzureichend begründet wurde. Dies hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung auch selbst ausdrücklich eingeräumt. 65(1) Gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW ist ein schriftlicher oder elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen. 66Bei der E-Mail der Beklagten vom 18. Juni 2020 handelt es sich um einen (elektronischen) Verwaltungsakt im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG NRW. 67Vgl. zu dem Begriff und zur Einordnung einer E-Mail: Schröder, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: April 2022, § 37 VwVfG Rn. 59. 68Die E-Mail vom 18. Juni 2020 enthielt insbesondere eine Regelung, nämlich die für den konkreten Einzelfall getroffene Entscheidung der Beklagten, den Kläger nicht als Ersteller eines Brandschutzkonzepts für das Bauvorhaben "X. " zuzulassen. Dass das (formlose) elektronische Schreiben nicht dem üblichen Aufbau eines Verwaltungsakts entspricht und keine Rechtsbehelfsbelehrung enthält, steht seiner Einordnung als Verwaltungsakt nicht entgegen. 69Der Verwaltungsakt hätte gemäß § 39 Abs. 1 VwVfG NRW einer ordnungsgemäßen Begründung bedurft. Die in § 39 Abs. 2 VwVfG NRW geregelten Ausnahmetatbestände, bei deren Vorliegen eine Begründung entbehrlich ist, greifen vorliegend nicht ein. In der Begründung sind gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG NRW die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Anforderungen an Umfang und Vollständigkeit dieser Angaben sind einzelfallabhängig. 70Vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 39 Rn. 43. 71Bei der Beurteilung, ob die Begründung diesen Anforderungen gerecht wird, sind auch die Funktionen des Begründungserfordernisses zu berücksichtigen. Zu diesen gehört u.a., die Entscheidung gegenüber dem Betroffenen zu erklären, zu legitimieren und ihm gegenüber nachvollziehbar zu machen. 72Vgl. zu den Funktionen der Begründung Tiedemann, in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, Stand: April 2022, § 39 Rn. 1 ff.; Schuler-Harms, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: April 2022, § 39 VwVfG Rn. 5 f.; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 39 Rn. 1. 73Die Gründe müssen für den Betroffenen aus sich heraus verständlich sein. 74Vgl. Schuler-Harms, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: April 2022, § 39 VwVfG Rn. 52. 75Die Angabe der "wesentlichen rechtlichen Gründe" umfasst in der Regel die Nennung der maßgeblichen Rechtsgrundlage und die Mitteilung der wesentlichen Schritte und des Ergebnisses des Subsumtionsvorgangs. 76Vgl. Schuler-Harms, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: April 2022, § 39 VwVfG Rn. 58 und 62; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 39 Rn. 50. 77(2) Diesen formellen Anforderungen wird die E-Mail vom 18. Juni 2020 nicht gerecht. Zwar ist das Gericht nach den Ausführungen der Beklagten im gerichtlichen Verfahren davon überzeugt, dass die Beklagte den maßgeblichen Rechtsrahmen zutreffend erkannt hat. Dies kam in der Formulierung, dass eine "Anerkennung außerhalb der Rahmenbedingungen der BauO NRW" (gemeint: außerhalb der Qualifikation nach § 54 Abs. 3 Var. 1 und 2 BauO NRW) für dieses Projekt nicht erfolgen könne, aber nur unzureichend zum Ausdruck. Auch eine Auseinandersetzung mit den vom Kläger vorgetragenen Sachkunde- und Erfahrungsnachweisen - die nach den Ausführungen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung in Abstimmung mit der Brandschutzdienststelle durchaus stattgefunden hat - lässt die E-Mail nicht erkennen. Der o.g. Legitimations- bzw. Akzeptanz- oder Befriedigungsfunktion wurde die Begründung damit nicht gerecht. Überdies war der Verweis auf bereits bestehende Probleme und die geplanten Maßnahmen für den Adressaten nicht aus sich heraus verständlich. 78b. Der formelle Mangel führt aber nicht zur Begründetheit der Klage. Die Beklagte hat im Gerichtsverfahren mit Schriftsatz vom 5. November 2020 die erforderliche Begründung nachträglich gegeben und damit das vorherige Begründungsdefizit - bei dem es sich nicht um einen besonders schwerwiegenden oder anderweitig zur Nichtigkeit führenden Fehler im Sinne von § 44 Abs. 1, 2 VwVfG NRW handelt - geheilt (§ 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG NRW). 79Unabhängig davon begründet bei einer Verpflichtungsklage eine fehlende bzw. unzureichende Begründung der Ablehnung noch keinen Anspruch auf den begehrten Verwaltungsakt; insofern führen bloß formelle Mängel einer Ablehnungsentscheidung grundsätzlich - und so auch hier - nicht zu einer materiellen Rechtsverletzung des Verpflichtungsklägers und zum Erfolg einer Verpflichtungsklage. 80Vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 10. Dezember 2014 - 1 L 53/13 -, juris Rn. 56; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 39 Rn. 27. 81Streitgegenstand der Verpflichtungsklage - die sich vorliegend in Gestalt der Fortsetzungsfeststellungsklage fortsetzt - ist nicht die Feststellung, dass der Verwaltungsakt, in dem die Ablehnung nach außen Gestalt gefunden hat, rechtswidrig ist, sondern die Feststellung, dass die Weigerung der Behörde, den beantragten Verwaltungsakt zu erlassen, in dem für das Verpflichtungsbegehren entscheidenden Zeitpunkt die Rechtsordnung verletzt. 82Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Januar 1992 - 7 C 24.91 -, juris Rn. 8. 83Dies gilt entsprechend für eine Feststellungsklage in Fortsetzung eines Verpflichtungsbegehrens, da sich deren Erfolg nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen ebenfalls am Prüfprogramm des § 113 Abs. 5 VwGO bemisst. Für deren Begründetheit ist danach entscheidend, ob dem Feststellungskläger zum Zeitpunkt der Erledigung ein Anspruch auf Erlass des begehrten Verwaltungsakts zustand. 84Dass der ursprüngliche Begründungsmangel nicht zum Erfolg der Klage führt, ergibt sich auch aus § 46 VwVfG NRW. Der Rechtsgedanke der Vorschrift ist auch im Falle einer Fortsetzungsfeststellungsklage zu berücksichtigen. 85Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Juni 2015 - 6 A 589/12 -, juris Rn. 109 ff.; Schwarz, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Auflage 2021, § 46 VwVfG Rn. 33; Schneider in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: April 2022, § 46 VwVfG Rn. 63. 86Danach kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der (wie hier) nicht nach § 44 VwVfG NRW nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Das ist hier der Fall. An der Kausalität des Fehlers für die Entscheidung fehlt es, weil dem Kläger - wie sich aus nachfolgenden Ausführungen ergibt - kein Anspruch auf Erlass des abgelehnten Verwaltungsakts zustand. 87c. Die Ablehnung, den Kläger als Ersteller eines Brandschutzkonzepts für das Bauvorhaben "X. " anzuerkennen, war materiell rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten; ihm stand zum Zeitpunkt der Erledigung kein Anspruch auf die Anerkennung zu. 88aa. Brandschutzkonzepte für bauliche Anlagen werden nach § 54 Abs. 3 BauO NRW entweder von staatlich anerkannten Sachverständigen nach § 87 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BauO NRW für die Prüfung des Brandschutzes (Var. 1), von öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für vorbeugenden Brandschutz nach § 36 GewO (Var. 2), oder von Personen aufgestellt, die "im Einzelfall für die Aufgabe nach Sachkunde und Erfahrung vergleichbar geeignet sind" (Var. 3). 89Der Kläger ist - was unter den Beteiligten außer Streit steht - weder ein staatlich anerkannter Sachverständiger nach § 87 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BauO NRW für die Prüfung des Brandschutzes noch ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für vorbeugenden Brandschutz nach § 36 GewO. 90Während gemäß § 54 Abs. 3 Var. 1 und 2 BauO NRW staatlich anerkannte Sachverständige für die Prüfung des Brandschutzes und die diesen gleich gestellten öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für vorbeugenden Brandschutz nach § 36 GewO zur Vorlage von Brandschutzkonzepten generell als geeignet gelten 91- vgl. die entsprechende Gesetzesbegründung, Lt.-Drs. 17/2166, S. 154; VG Minden, Beschluss vom 28. Januar 2022 - 9 K 6856/21 -, juris Rn. 6 -, 92ist in Bezug auf die von § 54 Abs. 3 Var. 3 BauO NRW erfassten Personen - wie sich schon aus dem Wortlaut der Norm ergibt - jeweils "im Einzelfall" von der zuständigen Bauaufsichtsbehörde zu prüfen, ob diese für die Aufgabe nach Sachkunde und Erfahrung vergleichbar geeignet sind. 93Vgl. VG Minden, Beschluss vom 28. Januar 2022 - 9 K 6856/21 -, juris Rn. 6 f.; LG Münster, Urteil vom 21. Januar 2022 - 22 O 53/21 -, juris Rn. 16, 18. 94Das Gericht geht dabei zugunsten des Klägers davon aus, dass die durch das Gesetz zur Modernisierung des Bauordnungsrechts in Nordrhein-Westfalen - Baurechtsmodernisierungsgesetz (BauModG NRW) - vom 21. Juli 2018 eingeführte "Öffnungsklausel" in § 54 Abs. 3 Var. 3 BauO NRW nicht bloß eine objektiv-rechtliche Verfahrensregelung bzw. eine Norm darstellt, die ausschließlich der Durchsetzung von Interessen der Allgemeinheit dient, sondern zumindest auch eine subjektiv-rechtliche Komponenten enthält, die den Schutz individueller, einem bestimmten und abgrenzbaren - nämlich dem von dieser Regelung umfassten - Personenkreis zuzuordnender Individualinteressen derart zu dienen bestimmt ist, dass diese die Einhaltung des Rechtssatzes sollen verlangen können, und ihnen bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen einen gebundenen, klagbaren Anspruch auf eine entsprechende Anerkennung vermittelt. 95Vgl. zur sog. Schutznormtheorie BVerwG, Urteile vom 11. Oktober 2016 - 2 C 11.15 -, juris Rn. 27, und vom 10. April 2008 - 7 C 39.07 -, juris Rn. 19, OVG Lüneburg, Beschluss vom 3. Mai 2021 - 11 LA 351/19 -, juris Rn. 28. 96Die E-Mail des Klägers vom 00.00.0000 war bei verständiger Würdigung seines Vorbringens dahingehend auszulegen, dass er bei der Beklagten beantragte, ihn für das Bauvorhaben "Klink X1. " als eine solche "im Einzelfall für die Aufgabe nach Sachkunde und Erfahrung vergleichbar geeignete" Person im Sinne von § 54 Abs. 3 Var. 3 BauO NRW anzuerkennen. 97Unter "Sachkunde" ist das fachbezogene Wissen zu verstehen, welches im Rahmen der Ausbildung erworben und durch Weiterbildungen aktualisiert wurde; "Erfahrung" bezieht sich auf die durch praktische Tätigkeiten erworbenen Erkenntnisse. 98Vgl. Gohde, in: BeckOK Bauordnungsrecht NRW, Stand: Mai 2022, § 54 BauO Rn. 13. 99Die Auslegung und Anwendung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe sind gerichtlich uneingeschränkt überprüfbar. 100Vgl. etwa zum Begriff der "besonderen Sachkunde" im Kontext der öffentlichen Bestellung nach § 36 GewO: BVerwG, Beschluss vom 28. Mai 2014 - 8 B 61.13 -, juris Rn. 7 und 9, und Urteil vom 26. Juni 1990 - 1 C 10.88 -, juris Rn. 19 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 6. April 2017 - 4 B 799/16 -, juris Rn. 13. 101Für die Frage, ob eine Person im Sinne von § 54 Abs. 3 Var. 3 BauO NRW im Einzelfall für die Aufgabe nach Sachkunde und Erfahrung vergleichbar geeignet ist, soll es nach dem Willen des Gesetzgebers 102- vgl. Lt.-Drs. 17/2166, S. 154 - 103nicht allein auf Aus- und Fortbildungsnachweise ankommen, sondern darauf, ob zusätzlich eine praktische Erfahrung mit der Brandschutzplanung vergleichbarer Objekte nachgewiesen werden kann. Ob dies der Fall ist, hat die zuständige Bauaufsichtsbehörde bezogen auf das zur Entscheidung stehende Bauvorhaben zu beurteilen. 104Vgl. Lt.-Drs. 17/2166, S. 154; Gohde, in: BeckOK Bauordnungsrecht NRW, Stand: Mai 2022, § 54 BauO Rn. 41; Boeddinghaus/Hahn/Schulte u.a., Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, Stand: 115. AL 2022, § 54 Rn. 6. 105bb. Die vorliegend von der Beklagten getroffene Ablehnungsentscheidung ist danach nicht zu beanstanden. Die Beurteilung der Eignung für die Aufstellung des Brandschutzkonzepts hat objekt-bezogen zu erfolgen (1). Bezogen auf das konkret in Rede stehende Bauvorhaben (2) hat der Kläger praktische Erfahrung mit der Brandschutzplanung vergleichbarer Objekte nicht nachgewiesen (3). Aus dem Umstand, dass der Kläger nach der Norm DIN EN ISO/IEC 17024 von einer akkreditierten Stelle als Sachverständiger für den vorbeugenden und gebäudetechnischen Brandschutz zertifiziert ist, folgt - auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG - nicht, dass die in § 54 Abs. 3 Var. 3 BauO NRW vorgesehene Einzelfallprüfung unterbleiben kann oder stets zu dem Ergebnis führen muss, dass eine nach Sachkunde und Erfahrung für die Aufgabe vergleichbare Eignung gegeben ist (4). Die zu der Vorgängervorschrift von § 54 Abs. 3 BauO NRW erlassene Verwaltungsvorschrift führt zu keinem anderen Ergebnis (5). 106(1) Ausgangspunkt der in § 54 Abs. 3 Var. 3 BauO NRW vorgesehenen Beurteilung der Eignung für die Aufgabe ist das konkrete Bauvorhaben, für das ein Brandschutzkonzept aufzustellen ist. Dies ergibt sich nicht nur aus der bereits wiedergegebenen Gesetzesbegründung ("bezogen auf das zur Entscheidung stehende Bauvorhaben", "Erfahrung mit der Brandschutzplanung vergleichbarer Objekte"), sondern ist auch im Wortlaut des Gesetzes selbst eindeutig zum Ausdruck gekommen, der darauf abstellt, ob jemand "im Einzelfall für die Aufgabe" geeignet ist. Soweit der Kläger der Ansicht ist (Schriftsatz vom 27. April 2022, S. 3), auf die Komplexität des Bauvorhabens komme es im Rahmen von § 54 Abs. 3 BauO NRW nicht an, geht dieser Einwand daher fehl. 107Bei der einzelfallbezogenen Beurteilung ist - wie vorstehend dargestellt - insbesondere zu prüfen, ob die Person praktische Erfahrung mit der Brandschutzplanung vergleichbarer Objekte hat. Für die Frage, ob Objekte vergleichbar sind, ist nach der Systematik und dem Sinn und Zweck der Vorschrift entscheidend, ob diese Objekte im Hinblick auf die sich ergebenen brandschutzrechtlichen Fragestellungen - und speziell im Hinblick auf das erforderliche Brandschutzkonzept - vergleichbare Anforderungen stellen. 108Nähere Einzelheiten zum Inhalt eines Brandschutzkonzepts enthält § 9 BauPrüfVO NRW. Danach ist das Brandschutzkonzept eine zielorientierte Gesamtbewertung des baulichen und abwehrenden Brandschutzes bei Sonderbauten (§ 9 Abs. 1 BauPrüfVO NRW). § 9 Abs. 2 Satz 1 BauPrüfVO NRW regelt bestimmte Pflichtangaben, die in einem Brandschutzkonzept enthalten sein müssen. Diese sind in einem schriftlichen Erläuterungsbericht zu formulieren und durch zeichnerische Darstellung der baulichen Anforderungen unter Angabe der technischen Anforderungen zu ergänzen (§ 9 Abs. 2 Satz 2 BauPrüfVO NRW). Zu den nach § 9 Abs. 2 Satz 1 BauPrüfVO NRW erforderlichen Bestandteilen des Brandschutzkonzepts gehören u.a. 109- die Bemessung, Lage und Anordnung der Löschwasser-Rückhalteanlagen (Nr. 3), 110- das System der äußeren und der inneren Abschottungen in Brandabschnitte bzw. Brandbekämpfungsabschnitte sowie der Rauchabschnitte mit Angaben zur Feuerwiderstandsfähigkeit der Bauteile und Anforderungen an das Brandverhalten der Baustoffe (Nr. 4), 111- die Lage, Anordnung, Bemessung (gegebenenfalls durch rechnerischen Nachweis) und Kennzeichnung der Rettungswege auf dem Baugrundstück und in Gebäuden mit Angaben zur Sicherheitsbeleuchtung, zu automatischen Schiebetüren und zu elektrischen Verriegelungen von Türen (Nr. 5), 112- die höchstzulässige Zahl der Nutzer der baulichen Anlage, deren Mobilität und Grundzüge der Evakuierung (Nr. 6), 113- die Lage und Anordnung haustechnischer Anlagen, insbesondere der Leitungsanlagen, gegebenenfalls mit Angaben zum Brandverhalten im Bereich von Rettungswegen sowie von Aufzügen (Nr. 7), 114- die Lage und Anordnung der Lüftungsanlagen mit Angaben zur brandschutztechnischen Ausbildung (Nr. 8), 115- die Lage, Anordnung und Bemessung der Rauch- und Wärmeabzugsanlagen mit Eintragung der Querschnitte beziehungsweise Luftwechselraten sowie der Überdruckanlagen zur Rauchfreihaltung von Rettungswegen (Nr. 9), 116- die Alarmierungseinrichtungen und Alarmierungsanlagen (Nr. 10), 117- die Lage, Anordnung und gegebenenfalls Bemessung von Anlagen, Einrichtungen und Geräten zur Brandbekämpfung (wie Feuerlöschanlagen, Steigeleitungen, Wandhydranten, Schlauchanschlussleitungen, Feuerlöschgeräte) mit Angaben zu Schutzbereichen und zur Bevorratung von Sonderlöschmitteln (Nr. 11), 118- die Sicherheitsstromversorgung mit Angaben zur Bemessung und zur Lage und brandschutztechnischen Ausbildung des Aufstellraums, der Ersatzstromversorgungsanlagen (Batterien, Stromerzeugungsaggregate) und zum Funktionserhalt der elektrischen Leitungsanlagen (Nr. 12), 119- die Lage und Anordnung von Brandmeldeanlagen mit Unterzentralen und Feuerwehrtableaus, Auslösestellen (Nr. 13), 120- Grundzüge der funktionalen steuerungstechnischen Zusammenhänge (Nr. 14), 121- Angaben darüber, welchen materiellen Anforderungen der BauO NRW 2018 oder in Vorschriften auf Grund der BauO NRW 2018 nicht entsprochen wird und welche ausgleichenden Maßnahmen stattdessen vorgesehen werden (Nr. 17) 122- sowie die Anwendung von Verfahren und Methoden des Brandschutzingenieurwesens (Nr. 18). 123Aus diesen in § 9 Abs. 2 Satz 1 BauPrüfVO NRW aufgezählten Anforderungen, die u.a. vielfach gerade auf die "Lage und Anordnung" der brandschutztechnisch relevanten Einrichtungen Bezug nehmen, ist ohne Weiteres ersichtlich, dass die Komplexität und Größe eines Gebäudes unmittelbaren Einfluss darauf hat, wie anspruchsvoll die Aufstellung des Brandschutzkonzepts ist. 124Welche Kriterien nach der gesetzgeberischen Wertung zu erhöhten brandschutztechnischen Anforderungen an bauliche Anlagen führen, lässt sich auch daran ablesen, für welche Bauten ein Brandschutzkonzept zwingend vorgeschrieben ist (§§ 70 Abs. 2 Satz 3, 50 Abs. 2 BauO NRW - große Sonderbauten). Die in § 50 Abs. 2 BauO NRW aufgezählten großen Sonderbauten zeichnen sich im Wesentlichen durch ihre erhebliche Größe (Fläche und Höhe) und/oder durch besonders viele bzw. besonders schutzbedürftige Nutzer aus (siehe hierzu auch die Pflichtangabe in § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 BauPrüfVO NRW). Demensprechend definiert § 50 Abs. 1 BauO NRW Sonderbauten auch als Anlagen und Räume "besonderer Art oder Nutzung". 125(2) Das hier konkret in Rede stehende Bauvorhaben "X. " vereinigt gleich mehrere Kriterien, die nach den vorstehend wiedergegebenen gesetzgeberischen Wertungen auf eine anspruchsvolle brandschutztechnische Planung schließen lassen. Nach den zwischen den Beteiligten nicht in Zweifel stehenden Angaben der Beklagten handelt es sich um eine ehemalige L4. (großer Sonderbau), die mehrere Jahre leer stand und für die im Februar 2019 im Rahmen einer Bauvoranfrage diverse Nutzungsänderungen im Gebäudekomplex bauplanungsrechtlich genehmigt wurden. Für einen ersten untergeordneten Gebäudeteil wurde im Juni 2019 eine Baugenehmigung für die Nutzungsänderung zu einer Pflegeeinrichtung mit 34 Plätzen erteilt. Der streitgegenständliche zweite zur Genehmigung stehende Bauabschnitt bezog sich danach auf eine Nutzfläche von insgesamt ca. 7.800 m2 mit diversen unterschiedlichen Nutzungseinheiten, nämlich Pflege- und Betreuungseinrichtungen inkl. Tages- und stationärer Pflege, sieben Arzt- und Therapiepraxen, Bereiche für das sog. Centermanagement mit entsprechenden Büroräumen, einem Ladenlokal sowie barrierefreiem Wohnen, verteilt auf sieben Geschosse. 126Angesichts der Größe (sowohl im Hinblick auf die Fläche als auch im Hinblick auf die Geschossigkeit/Höhe) und angesichts des Aufeinandertreffens verschiedener Nutzungen einschließlich solcher durch besonders schutzbedürftige Personen und mit hohem Publikumsverkehr handelt es sich damit um ein Gebäude, das sich - gemessen an den oben beschriebenen Kriterien - sowohl seiner Art nach als auch seiner Nutzung nach als besonders anspruchsvoll erweist. 127Dementsprechend hat die Beklagte darauf hingewiesen, bereits im Zuge der ersten Teilnutzungsänderung festgestellt zu haben, dass die brandschutzrechtlichen Beurteilungen aufgrund der erheblichen Größe des Gesamtobjekts und der Vielzahl an unterschiedlichen geplanten Nutzungseinheiten im Objekt aufgrund ihrer Komplexität ein hohes Maß an Erfahrung und Sachkunde bedürfen. 128(3) Dass der Kläger praktische Erfahrung mit der Brandschutzplanung vergleichbarer Objekte hat, ist weder nachgewiesen noch anderweitig ersichtlich. 129Die vom Kläger im Rahmen der Antragstellung angeführten Tätigkeiten als ehrenamtlicher Zugführer bei der Feuerwehr, als Brandschutzbeauftragter, als Mitwirkender einer Arbeitsgruppe des Justizvollzugs und des Bau- und Liegenschaftsbetriebs zur Erstellung von Empfehlungen zum Brandschutz beim Bau und Betrieb von Justizvollzugsanstalten im Jahr 2007, und im Rahmen seines Dienstes in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne (Brandschutzausbildung von Bediensteten, Fertigung brandschutztechnischer Stellungnahmen) belegen zwar praktische Erfahrungen im Bereich des vorbeugenden und abwehrenden Brandschutzes, lassen aber jedenfalls eine Erfahrung mit (eigenverantwortlichen) Brandschutzplanungen im Rahmen von Baugenehmigungsverfahren nicht erkennen. 130Die zum Nachweis seiner diesbezüglichen praktischen Erfahrung eingereichten Baugenehmigungen, in deren Rahmen der Kläger die brandschutztechnische Planung betreut hatte, betrafen insgesamt vier Bauvorhaben: Aus dem Jahr 2015 (Bl. 13 f. der Beiakte) die Errichtung einer offenen Unterstellhalle für Fahrzeuge und den Abbruch einer Ruine ("Brandschutzplanung" im Rahmen einer Baugenehmigung) in Rüdersdorf/Herzfelde, aus dem Jahr 2016 (Bl. 15 ff. der Beiakte) eine Nutzungsänderung in einem Hotel ("Frühstücksraum und Wäschekammer zu zwei Doppelzimmern im 1. Obergeschoss, Gastraum und Lagerräume zu Frühstücksraum im Erdgeschoss") in Lindau ("Nachweis über den vorbeugenden Brandschutz" im Rahmen einer Baugenehmigung), aus dem Jahr 2017 (Bl. 22 ff. der Beiakte) die Erweiterung eines Altenpflegeheims und den Neubau von Einstellplätzen in Oyten ("Brandschutzgutachten" im Rahmen eines Nachtrags zur Baugenehmigung: Änderung des Brandschutzkonzepts), und aus dem Jahr 2019 (Bl. 18 ff. der Beiakte) einen Umbau mit Nutzungsänderung eines Betriebsgebäudes im Erdgeschoss in Bad Salzuflen ("Beschreibung der brandschutztechnischen Maßnahmen" im Rahmen einer Baugenehmigung). Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, bei Antragstellung diejenigen von ihm betreuten Projekte eingereicht zu haben, die am ehesten mit dem hier streitgegenständlichen Vorhaben vergleichbar waren. Hinsichtlich des Vorhabens in Lindau (Nutzungsänderung innerhalb eines Hotels) erklärte er ergänzend, es habe sich dabei um eine Nutzungsänderung in einem Hotel mit etwa 15 bis 20 Betten in einem historischen Gebäude gehandelt. Bei dem Vorhaben im Jahr 2019 in Bad Salzuflen sei es um die Erweiterung eines Saals mit einer darunter gelegenen kleinen Garage gegangen. Das Vorhaben in Rüdersdorf habe den Neubau einer Brandwand beinhaltet. Dies sei "keine große Sache und mit dem hier streitgegenständlichen Vorhaben definitiv nicht vergleichbar" gewesen. Im Rahmen des Bauvorhabens im Jahr 2017 in Oyten sei eine geschützte Einrichtung für an Demenz erkrankte Pflegebedürftige um etwa 40 zusätzliche Plätze erweitert worden. Die brandschutztechnische Begleitung habe er von einem Kollegen übernommen, deren Brandschutzplanungen er überarbeitet (Änderungen des bestehenden Brandschutzkonzepts) bzw. fortgeführt habe. 131Das Gericht verkennt nicht, dass diese (im Wesentlichen nebenberuflich) betreuten Bauvorhaben eine gewisse Erfahrung des Klägers im Bereich der Brandschutzplanung - einschließlich derjenigen für eine Pflegeeinrichtung - dokumentieren. Eine Vergleichbarkeit mit dem streitgegenständlichen Vorhaben ist unter Berücksichtigung der vorstehend aufgezeigten dafür maßgeblichen Kriterien indes nicht gegeben. Das betrifft sowohl das hier bestehende Aufeinandertreffen verschiedenster Nutzungsarten, als auch die Größe und Geschossigkeit des Gebäudes. Letztere ist - wie sich aus den oben dargestellten rechtlichen Wertungen ergibt - entgegen der Ansicht des Klägers im Hinblick auf die brandschutztechnischen Anforderungen ein durchaus relevanter Parameter. Insbesondere weist auch das von dem Kläger - im Übrigen lediglich in Form der Änderung eines bestehenden Brandschutzkonzepts - betreute Pflegeheim keine vergleichbare Geschossigkeit auf, wie sich aus dem von dem Kläger in Bezug genommenen, öffentlich zugänglichen Internet-Auftritt der Einrichtung ersehen lässt. 132Dementsprechend hat auch der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt, ein Brandschutzkonzept für ein Objekt in der Größenordnung wie die "X. ", das ein Pflegeheim war, habe er nicht in seinem "Repertoire" gehabt. Auf die Frage, ob er bei Antragstellung auch schon weitere Sonderbauten mit Brandschutzkonzepten betreut hatte, erklärte er, zumindest keine vergleichbaren Projekte wie das hier streitgegenständliche Vorhaben - im Hinblick auf die Geschossigkeit u.ä. - bearbeitet zu haben. Ob die Beklagte, wie der Kläger im gerichtlichen Verfahren gerügt hat, nach dem Untersuchungsgrundsatz noch weitere Ermittlungen zu seinen praktischen Erfahrungen hätte anstellen müssen, kann vor diesem Hintergrund schon deshalb dahinstehen, weil solche nach dem vorstehend Gesagten zu keinen anderen Erkenntnissen geführt hätten. 133Die von dem Kläger eingereichten Fortbildungsnachweise (Zertifikat der akkreditierten Stelle IQ-Zert, Bestätigung über die Teilnahme an der Qualifizierungsmaßnahme "Fachplaner für vorbeugenden Brandschutz") betreffen den Nachweis seiner "Sachkunde" und nicht seiner (praktischen) Erfahrung. 134(4) Aus dem Umstand, dass der Kläger nach der Norm DIN EN ISO/IEC 17024 als Sachverständiger für den vorbeugenden und gebäudetechnischen Brandschutz zertifiziert und die zertifizierende Stelle nach dem Akkreditierungsgesetz akkreditiert ist, folgt entgegen der Ansicht des Klägers nicht, dass die in § 54 Abs. 3 Var. 3 BauO NRW vorgesehene Einzelfallprüfung unterbleiben kann oder stets zu dem Ergebnis führen muss, dass eine nach Sachkunde und Erfahrung für die Aufgabe vergleichbare Eignung gegeben ist. 135Zwar kann die Zertifizierung des Klägers in Verbindung mit dem von dem Kläger vorgelegten, von der zertifizierenden Stelle aufgestellten Anforderungsprofil "Sachverständiger für den vorbeugenden Brandschutz" als Nachweis für eine bestimmte Sachkunde des Klägers herangezogen werden. Dies ändert jedoch nichts an dem Umstand, dass es nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in § 54 Abs. 3 Var. 3 BauO NRW zusätzlich auch auf die praktische Erfahrung des Klägers ankommt. 136Eine formale Gleichstellung von nach DIN EN ISO/IEC 17024 durch eine akkreditierte Stelle zertifizierten Sachverständigen mit staatlich anerkannten bzw. öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen ist auf der Ebene von Gesetzen und Verordnungen - soweit ersichtlich - bislang im Wesentlichen nur im Bereich des Sachverständigenwesens für die Grundstückswertermittlung und Immobilienbewertung - und dort auch nur in Ansätzen - vorzufinden 137- vgl. (im Hinblick auf die Erstellung von Gutachten) § 198 Abs. 2 Bewertungsgesetz, § 6 Satz 1 Beleihungswert-ermittlungsverordnung (allerdings in Satz 2 ergänzt um eine Einzelfallprüfung) und § 38 Abs. 4 Satz 2 Landesgrundsteuergesetz Baden-Württemberg; zum Auskunftsrecht (Einholung von grundstücksbezogenen Auskünften) siehe auch § 34 Abs. 6 Satz 5 Grundstückswert-ermittlungsverordnung NRW, ähnlich die Regelungen in den Gutachterausschusslandesverordnungen von U3.--ringen (§ 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4), Mecklenburg-Vorpommern (§ 13 Abs. 2 Satz 2), Brandenburg (§ 11 Abs. 2 Nr. 3), Rheinland-Pfalz (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3), Bayern (§ 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3), Saarland (§ 13 Abs. 1 Satz 1) sowie in § 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 DVO-BauGB Berlin -, 138und im Bereich des Baurechts gerade nicht erfolgt. Auch ist beispielsweise im Hinblick auf die öffentliche Bestellung von Sachverständigen nach § 36 Abs. 1 Satz 1 GewO anerkannt, dass aus einer bestehenden privatrechtlichen Zertifizierung weder ein Bestellungsanspruch noch "automatisch" die Bejahung besonderer Sachkunde folgt. 139Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Mai 2014 - 8 B 61.13 -, juris Rn. 12; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 14. Februar 2012 - 3 LA 46/11 -, juris Rn. 3, 10; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. Juni 2006 - 6 S 1083/05 -, juris Rn. 2; VG Berlin, Urteil vom 30. September 2015 - VG 4 K 35/15 -, DS 2016, 27, 29 f.; VG Freiburg (Breisgau), Urteil vom 13. April 2005 - 7 K 1366/03 -, DS 2005, 356, 358; VG Regensburg, Gerichtsbescheid vom 11. März 2004 - RO 5 K 03.2464 -, DS 2005, 358, 359 f.; siehe auch BFH, Urteil vom 5. Dezember 2019 - II R 9/18 -, juris Rn. 22: "Eine durch eine akkreditierte Stelle durchgeführte Zertifizierung ist nicht deckungsgleich mit dem durch § 36 GewO nachgewiesenen fachlichen und persönlichen Profil."; eingehend zu der unterschiedlichen gesetzgeberischen Behandlung von zertifizierten und allgemein öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. Januar 2018 - 3 K 3178/17 -, juris Rn. 34 ff. 140Die unterschiedliche Behandlung von zertifizierten Sachverständigen auf der einen und staatlich anerkannten bzw. öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen auf der anderen Seite in § 54 Abs. 3 BauO NRW ist - auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG - nicht zu beanstanden. Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Dies gilt für ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen. Es steht dem Normgeber aber frei, aufgrund autonomer Wertungen Differenzierungsmerkmale auszuwählen, an die er eine Gleich- oder Ungleichbehandlung anknüpft. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Art. 3 Abs. 1 GG verlangt nicht, unter allen Umständen Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln. 141Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 24. März 2015 - 1 BvR 2880/11 -, juris Rn. 38 f., vom 7. Mai 2013 - 2 BvR 909/06 -, juris Rn. 73 f., und vom 16. Juli 2012 - 1 BvR 2983/10 -, juris Rn. 41 ff.; BVerwG, Urteile vom 21. September 2017 - 2 C 30.16 -, juris Rn. 30, vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 -, juris Rn. 76, und vom 24. November 2011 - 2 C 57.09 -, juris Rn. 31; OVG NRW, Beschluss vom 29. April 2020 - 13 B 512/20.NE -, juris Rn. 61, Urteile vom 16. Mai 2018 - 3 A 1828/16 -, juris Rn. 113, und vom 25. September 2017 - 2 A 2286/15 -, juris Rn. 136, sowie Beschluss vom 23. November 2016 - 2 A 3059/15 -, juris Rn. 117. 142Gemessen daran verstößt die in § 54 Abs. 3 BauO NRW angelegte unterschiedliche Behandlung von staatlich anerkannten Sachverständigen nach § 87 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BauO NRW für die Prüfung des Brandschutzes bzw. öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für vorbeugenden Brandschutz nach § 36 GewO auf der einen Seite und sonstigen Personen, einschließlich zertifizierten Sachverständigen für den vorbeugenden und gebäudetechnischen Brandschutz, auf der anderen Seite nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG. Zwischen zertifizierten Sachverständigen, die der Regelung in § 54 Abs. 3 Var. 3 BauO NRW unterfallen, und staatlich anerkannten bzw. öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen im Sinne von § 54 Abs. 3 Var. 1 und 2 BauO NRW bestehen Unterschiede, die unter Berücksichtigung des Schutzziels der Norm die in dieser Regelung angelegte Differenzierung - auch in Anbetracht der damit verbundenen Auswirkungen auf die Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) der von § 54 Abs. 3 Var. 3 BauO NRW umfassten Personen - rechtfertigen und angemessen erscheinen lassen. 143Die in § 54 Abs. 3 BauO NRW geregelten Anforderungen dienen erkennbar dem Zweck, sicherzustellen, dass die für in brandschutztechnischer Hinsicht besonders anspruchsvollen baulichen Anlagen erforderlichen und für die Nutzer der baulichen Anlagen äußerst sicherheitsrelevanten Brandschutzkonzepte nur von dafür befähigten Personen aufgestellt werden. 144Vgl. VG Minden, Beschluss vom 28. Januar 2022 - 9 K 6856/21 -, juris Rn. 6. 145Soweit der Kläger vorträgt, etwaigen Gefahren für die körperliche Unversehrtheit der Nutzer der baulichen Anlagen durch nicht korrekt aufgestellte Brandschutzkonzepte könne durch den Genehmigungsvorbehalt der Behörde und deren Befugnis, fehlerhafte Brandschutzkonzepte zurückzuweisen, begegnet werden, ändert dies an dem Befund nichts, zumal Brandschutzplaner für die von ihnen aufgestellten Konzepte als Fachplaner verantwortlich sind (§ 54 Abs. 2 Satz 2 BauO NRW). 146Als staatlich anerkannte Sachverständige für die Prüfung des Brandschutzes nach § 87 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BauO NRW werden nach § 3 Abs. 1 der aufgrund von § 87 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BauO NRW erlassenen "Verordnung über staatlich anerkannte Sachverständige nach der Landesbauordnung 2018" (im Folgenden: SV-VO NRW) nur solche Personen anerkannt, die die allgemeinen Voraussetzungen nach § 3 SV-VO NRW und die zusätzlichen fachlichen Voraussetzungen nach § 13 SV-VO NRW erfüllen. Zu den allgemeinen Voraussetzungen gehört nach § 3 Abs. 2 Satz 1 SV-VO NRW, dass die Person Mitglied in der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen oder der Ingenieurkammer-Bau Nordrhein-Westfalen ist. Die öffentliche Bestellung und Vereidigung als Sachverständiger setzt ebenfalls die Mitgliedschaft in der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen voraus (§ 36 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1 und 2, Abs. 4 Satz 1 GewO, § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 8 Gesetz über die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen und die Ingenieurkammer-Bau Nordrhein-Westfalen vom 1. Dezember 2021 - im Folgenden: BauKaG NRW n.F. - bzw. §§ 14 Satz 1 Nr. 8 und 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 Gesetz über den Schutz der Berufsbezeichnungen "Architekt", "Architektin", "Stadtplaner" und "Stadtplanerin" sowie über die Architektenkammer, über den Schutz der Berufsbezeichnung "Beratender Ingenieur" und "Beratende Ingenieurin" sowie über die Ingenieurkammer-Bau vom 16. Dezember 2003 - im Folgenden: BauKaG a.F. - , je i.V.m. § 3 Abs. 2 Buchst. a) Sachverständigenordnung der Architektenkammer NRW). 147Dabei handelt es sich nicht allein um ein formales Kriterium; vielmehr kommt der Voraussetzung auch ein materieller Gehalt zu. Die Mitgliedschaft sowohl in der Architektenkammer als auch in der Ingenieurkammer-Bau Nordrhein-Westfalen setzen nämlich einen bestimmten Ausbildungsgrad voraus, im Wesentlichen den erfolgreichen Abschluss eines entsprechenden einschlägigen (regelmäßig auf Architektur ausgerichteten bzw. technischen oder naturwissenschaftlichen) Studiums (vgl. §§ 1 Abs. 2, 20 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 BauKaG NRW n.F. / §§ 4, 12 Abs. 1 Satz 1 BauKaG NRW a.F. sowie § 1 Abs. 3 bis 5 BauKaG NRW n.F. / §§ 37, 38, 29 Abs. 1 und 2, 30 BauKaG NRW a.F. jeweils i.V.m. §§ 1 Abs. 1, 2 IngG NRW). Damit haben staatlich anerkannte bzw. öffentlich bestellte und vereidigte Brandschutz-Sachverständige zusätzlich zu den - für eine staatliche Anerkennung bzw. öffentliche Bestellung und Vereidigung ebenfalls erforderlichen - nachgewiesenen theoretischen und praktischen speziellen Kenntnissen im Brandschutz - durch ihre insgesamt - etwa im Vergleich zu betrieblichen Brandschutzbeauftragten oder Berufs- und Werkfeuerwehrleuten - wesentlich breiter angelegte Hochschul- oder Fachhochschulausbildung über den reinen Brandschutz hinaus einen umfassenderen baulich-technischen Wissensstand erworben. 148Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 2. Oktober 2003 - 21 A 2007/01 -, juris Rn. 35, 41 f. und 44. 149Es ist ohne Weiteres eingängig, dass ein solches Vorwissen gerade auch im Hinblick auf die Brandschutzplanung - insbesondere von komplexen baulichen Anlagen - von Bedeutung ist, die sich ja (wie bereits dargestellt) u.a. mit Bauteilen und Baustoffen (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BauPrüfVO NRW), mit den materiellen Anforderungen des Bauordnungsrechts und etwaigen ausgleichenden Maßnahmen (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 17 BauPrüfVO NRW) und mit Verfahren und Methoden des Brandschutzingenieurwesens (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 18 BauPrüfVO NRW) auseinanderzusetzen und eine zeichnerische Darstellung der baulichen Anforderungen unter Angabe der technischen Anforderungen zu enthalten hat (§ 9 Abs. 2 Satz 2 BauPrüfVO NRW). Vor diesem Hintergrund erachtet es das Gericht als eine zulässige Typisierung, dass der Gesetzgeber staatlich anerkannte bzw. öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für die Aufstellung von Brandschutzkonzepten als besonders qualifiziert und für die Aufgabe als generell geeignet ansieht. Dass im Einzelfall auch das Brandschutzkonzept etwa eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen unzureichend sein kann, und umgekehrt auch ein Gutachten eines nicht öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen fachlich beanstandungsfrei und integer sein kann, ändert daran nichts. 150Vgl. zu diesem Gedanken BFH, Urteil vom 5. Dezember 2019 - II R 9/18 -, juris Rn. 21. 151Dahingegen erfordert eine Zertifizierung als Sachverständiger für den vorbeugenden Brandschutz ein solches Studium oder einen anderweitig fest umrissenen bestimmten Ausbildungsgrad nicht. 152Vgl. etwa die Eingangsvoraussetzungen der den Kläger zertifizierenden Stelle "IQ-Zert", wonach sich z.B. auch Brandschutzbeauftragte mit mindestens zweijähriger Praxis im vorbeugenden Brandschutz oder Berufs- und Werkfeuerwehrleute zertifizieren lassen können oder "andere Personen mit besonderen Qualifikationen im Brandschutz oder vergleichbare[r] Qualifikation", abrufbar unter https://www.iq-zert.de/zertifizierung/brandschutz.html (abgerufen am 14. Juli 2022). 153Die Zertifizierung nach der Norm DIN EN ISO/IEC 17024 durch eine nach dem Akkreditierungsgesetz akkreditierte Stelle dokumentiert zwar, dass im Hinblick auf das Verfahren der Zertifizierung gewisse Qualitätsstandards eingehalten wurden. Die nationale Akkreditierungsstelle setzt indes keine einheitlichen fachlichen Standards. Die Zertifizierung selbst erfolgt nicht auf Grund eines Gesetzes oder einer Verordnung, sondern auf Grund des fachlichen Anforderungsprofils der jeweiligen Zertifizierungsstelle und ist mithin privatrechtlich geregelt. Die fachlichen Anforderungen an die zu zertifizierenden Sachverständigen erstellt und verabschiedet jeder Zertifizierer in eigener Verantwortung. Die Zertifizierung erfolgt auf privatrechtlicher Grundlage. 154Vgl. Rickert, in: Pielow, BeckOK GewO, Stand: Juli 2018, § 36 Rn. 5; Bleutge, in: Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, Stand: Februar 2021, § 36 Rn. 20. 155Auch dies unterscheidet sich von den in § 54 Abs. 3 Var. 1 und 2 BauO NRW geregelten Sachverständigen, die auf öffentlich-rechtlicher Grundlage durch - der Aufsicht des Landesbauministeriums unterstellte (§ 4 Abs. 1 Satz 1 BauKaG NRW n.F. / § 96 f. BauKaG NRW a.F.) - Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 1 Satz 1 BauKaG NRW n.F. / §§ 12 Abs. 2 Satz 1, 37 Abs. 2 Satz 1 BauKaG NRW a.F.) anerkannt bzw. öffentlich bestellt und vereidigt werden (§ 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 8 BauKaG NRW n.F. / §§ 14 Satz 1 Nr. 8, 9 und 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8, 9 BauKaG NRW a.F.) und unter berufsständischer Aufsicht (§§ 33 f. BauKaG NRW n.F. / §§ 52 ff. BauKaG NRW a.F.) stehen. 156Soweit der Kläger zur Auslegung von § 54 Abs. 3 Var. 3 BauO NRW auf Inhalte einer "Niederschrift über Dienstbesprechungen mit den Bauaufsichtsbehörden im Oktober / November 2014" Bezug nimmt, wonach bei sonstigen Erstellern von Brandschutzkonzepten nicht gefordert werden könne, dass diese "die gleichen Voraussetzungen" erfüllen wie Personen, die eine staatliche Anerkennung als Sachverständiger für die Prüfung des Brandschutzes besitzen, ergibt sich daraus keine andere Bewertung. Unabhängig von der Frage der rechtlichen Außenwirkung einer solchen Besprechung und abgesehen davon, dass diese Dienstbesprechungen offensichtlich vor der Neuregelung in § 54 Abs. 3 BauO NRW abgehalten wurden und sich auf Verwaltungsvorschriften zu der abweichend formulierten Vorgängerregelung (siehe hierzu unter (5)) bezogen, steht die daraus zitierte Aussage nicht im Widerspruch zu den oben beschriebenen Maßstäben und zum Inhalt der gesetzlichen Regelung in § 54 Abs. 3 Var. 3 BauO NRW, denn auch darin wird nicht die identische Qualifikation, sondern nur eine nach Sachkunde und Erfahrung vergleichbare Eignung verlangt. 157Dass diese Eignung bei zertifizierten Sachverständigen im Wege einer Einzelfallbetrachtung anhand des in Rede stehenden Bauvorhabens - so im Übrigen auch bereits die vorstehend erwähnte Niederschrift - gesondert zu prüfen ist, während staatlich anerkannte bzw. öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige generell als geeignet gelten, ist angesichts der oben dargestellten Unterscheide unter Gleichheitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Nicht zu beanstanden ist insbesondere, dass - entsprechend des in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Willens - von der in § 54 Abs. 3 Var. 3 BauO NRW geregelten Personengruppe, einschließlich zertifizierten Sachverständigen, in Anbetracht ihrer insgesamt deutlich heterogeneren theoretischen Vorbildung eine praktische Erfahrung mit der Brandschutzplanung vergleichbarer Objekte verlangt wird. Vor allem bei Personen, die - wie der Kläger - über keinen entsprechenden einschlägigen Studienabschluss verfügen, kann dies im Wege einer Gesamtbetrachtung der Eignung durch praktische Erfahrungen gleichsam kompensiert werden. Der Einwand, bei staatlich anerkannten bzw. öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen werde eine solche Erfahrung nicht nochmals im Einzelfall geprüft, übersieht dies und beansprucht selektiv, zwar im Hinblick auf den Ausbildungsabschluss (betrifft die "Sachkunde") ein anderes Vorbildungsniveau vorweisen zu dürfen, hinsichtlich der Anforderungen an die praktische Erfahrung aber mit staatlich anerkannten bzw. öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen gleich behandelt zu werden. 158(5) Insofern führt auch der Verweis des Klägers auf die zu der Vorgängervorschrift von § 54 Abs. 3 BauO NRW erlassenen Verwaltungsvorschriften nicht weiter. Die Regelung über die Aufstellung von Brandschutzkonzepten in § 54 Abs. 3 BauO NRW wurde durch das Gesetz zur Modernisierung des Bauordnungsrechts in Nordrhein-Westfalen - Baurechtsmodernisierungsgesetz (BauModG NRW) - vom 21. Juli 2018 (GV. NRW. S. 421) neu gefasst. Zuvor bestimmte § 58 Abs. 3 der bis dahin geltenden BauO NRW 2000 vom 1. März 2000 (im Folgenden: BauO NRW a.F.) nur, dass Brandschutzkonzepte für bauliche Anlagen von staatlich anerkannten Sachverständigen aufgestellt werden sollten. Die gemäß § 36 GewO öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für den baulichen Brandschutz waren ihnen nach § 9 Abs. 1 Satz 3 BauPrüfVO NRW in der Fassung vom 6. Dezember 1995 hinsichtlich der Aufstellung von Brandschutzkonzepten gleichgestellt. In der Verwaltungsvorschrift zu § 58 Abs. 3 BauO NRW a.F. (RdErl. d. Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport vom 12. Oktober 2000 - II A 3 - 100/85, MBl. NRW. Ausgabe 2000 Nr. 71 vom 23. November 2000) war überdies vorgesehen, dass neben den Sachverständigen "im Einzelfall" auch weitere Personen in Betracht kommen konnten, deren Brandschutzkonzepte "von den Bauaufsichtsbehörden akzeptiert werden". Dabei sollte es sich ausweislich der Verwaltungsvorschrift um Personen handeln, deren jeweilige Ausbildung und berufliche Erfahrung sie als hinreichend qualifiziert im Sinne des Regelungsziels des § 58 Abs. 3 BauO NRW a.F. erscheinen lasse. Die Verwaltungsvorschrift enthielt hierzu eine beispielhafte Aufzählung. 159Die Frage, ob und inwieweit Verwaltungsvorschriften Außenwirkung zukommt 160- vgl. hierzu Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 1 Rn. 212 ff.; Geis, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: April 2022, § 40 VwVfG Rn. 172 ff. -, 161und konkret diese - vor der Neuregelung in § 54 Abs. 3 BauO NRW erlassene - Verwaltungsvorschrift zur Auslegung von § 54 Abs. 3 Var. 3 BauO NRW herangezogen werden kann, bedarf schon deshalb keiner Vertiefung, weil auch sie ausdrücklich eine Einzelfall-Betrachtung durch die Bauaufsichtsbehörden vorsah. Auch gehört der Kläger nicht zu einer der in der Verwaltungsvorschrift aufgezählten Personengruppen. 162III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
soweit der kläger seine klage zurückgenommen hat, wird das verfahren eingestellt. im übrigen wird die klage abgewiesen. der kläger trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der kläger darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1
2die beteiligten streiten um die anerkennung des klägers als eine für die aufstellung von brandschutzkonzepten im sinne von § 54 abs. 3 var. 3 bauo nrw geeignete person. 3mit e-mail vom 00.00.0000 teilte der kläger der beklagten mit, er sei angefragt worden, ein brandschutzkonzept für die ehemalige "x. " zu erstellen. er verfüge nicht über die staatliche anerkennung nach § 87 abs. 2 satz 1 nr. 4 bauo nrw und wolle aufgrund seiner vergleichbaren sachkunde und erfahrung tätig werden. hierzu verwies er unter vorlage von belegen u.a. darauf, während seines früheren dienstes im justizvollzug im bereich des vorbeugenden brandschutzes und als brandschutzbeauftragter tätig gewesen zu sein und in einer arbeitsgruppe des justizvollzugs und des bau- und liegenschaftsbetriebs an der erstellung von empfehlungen zum brandschutz beim bau und betrieb von justizvollzugsanstalten mitgewirkt zu haben. im zeitraum 2007 bis 2008 habe er bei der architektenkammer 4u3.--ringen einen weiterbildungslehrgang "fachplaner für brandschutz" absolviert. brandschutzplanungen habe er in dieser zeit noch nicht ausgeführt. nebenberuflich habe er als brandschutzbeauftragter u.a. für die kreissenioreneinrichtungen des l1. m. gearbeitet. überdies bilde er zweimal im jahr gemeinsam mit einer anderen person brandschutzbeauftragte aus. nach absolvierung eines vorbereitungslehrgangs sei er seit 00.00.0000 nach din en iso/iec 17024 zertifiziert. die zertifizierungsstelle sei von der akkreditierungsstelle dakkss anerkannt. seit 2015 führe er brandschutzplanungen aus, bis 2019 nebenberuflich und nun hauptberuflich. seine zertifizierung halte er durch zahlreiche nachweise (arbeitsproben und nachweis von mindestens drei tagen fortbildung im jahr) aufrecht. seit 1985 sei er ehrenamtlich in der feuerwehr aktiv und habe dort 2006 die befähigung zum zugführer erworben. seitdem werde er in seinem heimatort auch als einsatzleiter eingesetzt. zum nachweis seiner praktischen erfahrung fügte der kläger vier baugenehmigungen bei, in deren rahmen er in den jahren 2015 bis 2019 als brandschutzplaner tätig war. 5mit e-mail vom 00.00.0000 antwortete die beklagte dem kläger, dass aufgrund von bereits bestehenden problemen und der geplanten maßnahmen für dieses projekt keine anerkennung außerhalb der rahmenbedingungen der bauo nrw erfolgen könne. 6dagegen hat der kläger 00.00.0000 die vorliegende klage erhoben. er rügt insbesondere, die entscheidung der beklagten sei nicht mit einer ordnungsgemäßen begründung versehen gewesen und auch inhaltlich falsch. die beklagte habe sich bei ihrer prüfung als bewertungsmaßstab an den voraussetzungen eines sachverständigen im sinne des § 54 abs. 3 bauo nrw orientieren müssen. diese voraussetzungen erfülle er mit ausnahme der mitgliedschaft in der architekten- bzw. ingenieurkammer, da diese den abschluss eines studiums erfordere; darüber verfüge er nicht. ein solches studium im bereich der architektur oder des bauingenieurwesens könne aber keine grundlegende voraussetzung für die durchführung von brandschutzplanungen sein, da das thema "brandschutz" in diesen studiengängen nur am rande vermittelt werde. aus der gesetzeshistorie, insbesondere der verwaltungsvorschrift zur bauordnung nrw 2000, ergebe sich auch, dass ein studium keine zwingende voraussetzung für die eignung zur aufstellung von brandschutzkonzepten sei, sondern durch langjährige praktische erfahrung etwa im gehobenen feuerwehrtechnischen dienst ersetzt werden könne. hinsichtlich seiner referenzen sei das von ihm brandschutztechnisch betreute hotel-bauvorhaben zwar nicht mit dem vorhaben "x. ", das anlass seiner jetzigen anfrage war, vergleichbar. die ebenfalls von ihm betreute umbaumaßnahme bei einem pflegeheim habe jedoch eine einrichtung mit insgesamt 111 bewohnern einschließlich demenzerkrankten betroffen. der dortige neubau umfasse 3.700 m²; auch die baulichen veränderungen im altbau seien von ihm brandschutztechnisch geplant worden. diese beträfen eine geschossfläche von 3.900 m². soweit von ihm der nachweis von erfahrungen mit pflegeheimen verlangt werde, übersteige dies außerdem die an andere sachverständige gestellten anforderungen und verstoße daher gegen art. 3 abs. 1 gg. seine sachkunde sei in form der zertifizierung als sachverständiger für den vorbeugenden und gebäudetechnischen brandschutz nach din en iso/iec 17024 nach einem hoheitlich akkreditierten verfahren festgestellt worden. daraus ergebe sich eine abstrakte eignungsprüfung. 7der kläger hat zunächst sinngemäß beantragt, 8die beklagte zu verpflichten, ihn als ersteller von brandschutzkonzepten anzuerkennen, 9hilfsweise, die beklagte zu verpflichten, ihn als ersteller von brandschutzkonzepten für pflege- und betreuungseinrichtungen anzuerkennen, 10weiter hilfsweise, 11die entscheidung der beklagten vom 00.00.0000 aufzuheben und sie zu verpflichten, über seinen antrag auf anerkennung als ersteller eines brandschutzkonzepts für das bauvorhaben "l3. x1. " neu und rechtlich einwandfrei zu entscheiden. 12er beantragt nunmehr nur noch, 13festzustellen, dass die entscheidung der beklagten vom 00.00.0000, den kläger als ersteller eines brandschutzkonzepts für das bauvorhaben "l3. x1. " nicht anzuerkennen, rechtswidrig war. 14die beklagte beantragt, 15die klage abzuweisen. 16sie hat im wesentlichen ausgeführt: den von dem kläger zum nachweis seiner erfahrung vorgelegten baugenehmigungen, denen die erstellten brandschutzplanungen selbst nicht beigefügt gewesen seien, habe sich schon anhand der vorhaben-bezeichnungen entnehmen lassen, dass es sich um kleinere, weniger komplexe vorhaben hinsichtlich der brandschutztechnischen anforderungen gehandelt habe. bei dem streitgegenständlichen planungsvorhaben handele es sich dahingegen um einen großen sonderbau, nämlich um eine ehemalige l4. , die über mehrere jahre leer gestanden habe. im 00.00.0000 seien im rahmen einer bauvoranfrage diverse nutzungsänderungen im gebäudekomplex bauplanungsrechtlich zugelassen worden. für einen ersten untergeordneten gebäudeteil sei im 00.00.0000 eine baugenehmigung für die nutzungsänderung zu einer pflegeeinrichtungen mit 34 plätzen erteilt worden. der inzwischen beantragte zweite bauabschnitt zur nutzungsänderung, für den der kläger das brandschutzkonzept erarbeiten wolle, beziehe sich auf eine nutzfläche von insgesamt 7.800 m² mit diversen unterschiedlichen nutzungseinheiten, verteilt auf sieben geschosse. dazu gehörten pflege- und betreuungseinrichtungen inklusive tages- und stationärer pflege, sieben arzt- und therapiepraxen, bereiche für das sogenannte centermanagement mit entsprechenden büroräumen, einem ladenlokal und barrierefreiem wohnen. im zuge der ersten teil-nutzungsänderung sei bereits festgestellt worden, dass aufgrund der erheblichen größe des gesamtobjekts und der vielzahl an unterschiedlichen geplanten nutzungseinheiten im objekt die brandschutzrechtlichen beurteilungen aufgrund ihrer komplexität ein hohes maß an erfahrung und sachkunde bedürften. die vom kläger angeführten erfahrungen in der brandschutzplanung seien mit dem geschilderten vorhaben zur nutzungsänderung der "x. " bei weitem nicht vergleichbar. deshalb sei er im sinne des § 54 abs. 3 var. 3 bauo nrw 2018 als für diesen einzelfall zur aufstellung des brandschutzkonzepts nicht geeignet erachtet worden. im übrigen sei von dem bauherrn des streitgegenständlichen vorhabens zu keiner zeit signalisiert worden, den kläger mit der aufstellung eines brandschutzkonzepts beauftragen zu wollen. inzwischen sei auch im rahmen der bauantragstellung bereits ein brandschutzkonzept eines staatlich anerkannten sachverständigen für die prüfung des brandschutzes eingereicht worden. 17mit beschluss vom 4. juli 2022 hat die kammer das verfahren der berichterstatterin als einzelrichterin zur entscheidung übertragen. 18wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstands wird auf die gerichtsakte und den beigezogenen verwaltungsvorgang bezug genommen. 19
20soweit der kläger seine - ursprünglich auch auf die verpflichtung zur (allgemeinen) anerkennung als ersteller von brandschutzkonzepten und hilfsweise zur anerkennung als ersteller von brandschutzkonzepten für pflege- und betreuungseinrichtungen gerichtete - klage zurückgenommen hat, wird das verfahren eingestellt (§ 92 abs. 3 satz 1 vwgo). 21soweit der kläger im hinblick auf die ablehnende entscheidung der beklagten vom 00.00.0000, ihn als ersteller eines brandschutzkonzepts für das konkrete bauvorhaben "x. " anzuerkennen, von seinem ursprünglichen verpflichtungs- zu einem feststellungsantrag übergegangen ist, war dies prozessual zulässig. bei der umstellung des klageantrags vom verpflichtungs- auf ein fortsetzungsfeststellungsbegehren handelt es sich regelmäßig bereits nicht um eine klageänderung im sinne des § 91 vwgo, sondern um eine einschränkung des klageantrags gemäß § 173 satz 1 vwgo i.v.m. § 264 nr. 2 zpo. 22vgl. bverwg, urteile vom 29. märz 2017 - 6 c 1.16 -, juris rn. 28, und vom 4. dezember 2014 - 4 c 33.13 -, juris rn. 11; ovg nrw, beschluss vom 10. märz 2021 - 12 a 82/18 -, juris rn. 31; kopp/schenke, vwgo, 27. auflage 2021, § 113 rn. 121; riese, in: schoch/schneider, verwaltungsrecht, stand: februar 2022, § 113 vwgo, rn. 109. 23unabhängig davon wäre die umstellung selbst bei einordnung als klageänderung vorliegend zulässig. zum einen hat die beklagte in die änderung eingewilligt, indem sie sich, ohne ihr zu widersprechen, in der mündlichen verhandlung auf die geänderte klage eingelassen hat (§ 91 abs. 1 alt. 1, abs. 2 vwgo). zum anderen hält das gericht die umstellung aus gründen der prozessökonomie für sachdienlich. 24vgl. zur sachdienlichkeit ovg nrw, beschluss vom 23. januar 2003 - 13 a 4859/00 -, juris rn. 6 und 8. 25der in form des feststellungsbegehrens aufrecht erhaltene teil der klage ist zulässig (i.), aber unbegründet (ii.). 26i. in dem noch aufrecht erhaltenen teil ist die klage als fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 abs. 1 satz 4 vwgo statthaft (1.) und zulässig (2). 271. nach § 113 abs. 1 satz 4 vwgo kann das gericht die rechtswidrigkeit eines verwaltungsakts aussprechen, wenn sich der verwaltungsakt nach klageerhebung erledigt und der kläger ein berechtigtes interesse an dieser feststellung hat. diese grundsätzlich auf anfechtungsklagen (§ 113 abs. 1 satz 1 vwgo) bezogene vorschrift ist entsprechend anwendbar, wenn - wie hier in bezug auf die ursprünglich (hilfsweise) begehrte anerkennung als ersteller eines brandschutzkonzepts für das bauvorhaben "x. " der fall - eine zulässige verpflichtungsklage unzulässig geworden ist, weil sich das mit ihr verfolgte begehren erledigt hat. 28vgl. bverwg, urteile vom 29. november 2017 - 6 c 57.16 -, juris rn. 13, vom 29. märz 2017 - 6 c 1.16 -, juris rn. 28 m.w.n., und vom 24. januar 1992 - 7 c 24.91 -, juris rn. 7; ovg nrw, urteil vom 3. dezember 2021 - 11 a 1958/20 -, juris rn. 29 f. 29mit dem ursprünglichen antrag des klägers, die ablehnende entscheidung der beklagten vom 18. juni 2020 aufzuheben und sie zu verpflichten, über seinen antrag auf anerkennung als ersteller eines brandschutzkonzepts für das bauvorhaben "x. " "neu und rechtlich einwandfrei" zu entscheiden, hat er ein verpflichtungsbegehren geltend gemacht (§ 42 abs. 1 alt. 2 vwgo). bei der begehrten anerkennung des klägers als ersteller eines brandschutzkonzepts für das bauvorhaben "x. " handelt es sich um einen verwaltungsakt im sinne von § 35 satz 1 vwvfg nrw. danach ist ein verwaltungsakt jede verfügung, entscheidung oder andere hoheitliche maßnahme, die eine behörde zur regelung eines einzelfalles auf dem gebiet des öffentlichen rechts trifft und die auf unmittelbare rechtswirkung nach außen gerichtet ist. in der hier begehrten anerkennung liegt eine für den konkreten einzelfall (bauvorhaben "x. ") mit außenwirkung zu treffende entscheidung der behörde mit der feststellenden regelung, dass die antragstellende person im sinne von § 54 abs. 3 var. 3 bauo nrw für die aufgabe nach sachkunde und erfahrung vergleichbar geeignet ist. 30dieses verpflichtungsbegehren hat sich nach erhebung der klage erledigt. die fortsetzungsfeststellungsklage dient u.a. dem zweck, zu verhindern, dass ein kläger um die "früchte" seiner bisherigen prozessführung gebracht wird. ein verpflichtungsbegehren ist danach erledigt, wenn es nach klageerhebung aus dem kläger nicht zurechenbaren gründen unzulässig oder unbegründet wurde, wenn also das rechtsschutzziel aus gründen, die nicht in der einflusssphäre des klägers liegen, nicht mehr zu erlangen ist, weil es entweder außerhalb des prozesses erreicht wurde oder überhaupt nicht mehr erreicht werden kann. die weiterverfolgung eines verpflichtungsbegehrens wird etwa objektiv sinnlos, wenn sich die sachlage dergestalt ändert, dass dem kläger mit dem erlass des beantragten verwaltungsakts nicht mehr gedient ist, weil der verwaltungsakt dem kläger keinen vorteil mehr bringt oder das interesse des klägers am verwaltungsakt entfallen ist. eine solche änderung führt regelmäßig zur unzulässigkeit der klage wegen fehlens eines rechtsschutzbedürfnisses. 31vgl. ovg nrw, beschluss vom 1. september 2011 - 2 a 1335/10 -, juris rn. 12; wolff, in: sodan/ziekow, vwgo, 5. auflage 2018, § 113 rn. 306. 32das (allgemeine) rechtsschutzbedürfnis, bei dessen fehlen eine klage als unzulässig abzuweisen ist, fehlt u.a. dann, wenn ein erfolg die rechtsstellung des klägers nicht verbessern würde bzw. für den kläger offensichtlich keinen rechtlichen oder tatsächlichen vorteil bringt. 33vgl. bverwg, urteil vom 29. april 2004 - 3 c 25.03 -, juris rn. 19; wöckel, in: eyermann, vwgo, 16. auflage 2022, vor §§ 40-53 rn. 11 und 16; sodan, in: sodan/ziekow, vwgo, 5. auflage 2018, § 42 rn. 335 und 350. 34das ist hier der fall. das brandschutzkonzept für das konkrete bauvorhaben "x. " wurde am 8. september 2020 durch einen vom bauherrn zwischenzeitlich beauftragten staatlich anerkannten sachverständigen für die prüfung des brandschutzes vorgelegt; das genehmigungsverfahren ist nach den angaben der beklagten in der mündlichen verhandlung abgeschlossen und die nutzung aufgenommen. die aufstellung eines brandschutzkonzepts für das bauvorhaben "x. " ist somit anderweitig erfolgt; die zulassung des klägers als ersteller eines solchen konzepts ist ihm objektiv nicht mehr von nutzen. 352. die statthafte klage ist zulässig, insbesondere hat der kläger das entsprechend § 113 abs. 1 satz 4 vwgo erforderliche feststellungsinteresse. ein solches interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller natur sein und sich insbesondere aus den gesichtspunkten der konkreten wiederholungsgefahr, der rehabilitierung, der schwerwiegenden grundrechtsbeeinträchtigung sowie der präjudizwirkung für einen beabsichtigten schadensersatzanspruch ergeben, kann aber auch aus anderen besonderen umständen des einzelfalls hergeleitet werden. die gerichtliche feststellung muss geeignet sein, die betroffene position des klägers zu verbessern. 36vgl. bverwg, urteil vom 12. november 2020 - 2 c 5.19 -, juris rn. 13; ovg nrw, beschluss vom 10. märz 2021 - 12 a 82/18 ‑, juris rn. 33. 37dabei ist es sache des klägers, die umstände, aus denen sich das feststellungsinteresse ergibt, darzulegen. 38vgl. bverwg, urteil vom 15. november 1990 - 3 c 49.87 -, juris rn. 25; wolff, in: sodan/ziekow, vwgo, 5. auflage 2018, § 113 rn. 267. 39a. das gericht nimmt vorliegend ein berechtigtes feststellungsinteresse unter dem gesichtspunkt einer konkreten wiederholungsgefahr an. ein solches besteht, wenn in absehbarer zeit bei im wesentlichen gleichen tatsächlichen und rechtlichen verhältnissen mit einer gleichartigen entscheidung der behörde zu rechnen ist oder sich die in bezug auf den erledigten verwaltungsakt streitigen rechtsfragen zwischen den beteiligten in anderer weise erneut stellen werden. hierfür müssen konkrete anhaltspunkte vorliegen; die vage oder abstrakte möglichkeit einer wiederholung ist ebenso wenig ausreichend wie der wunsch nach einer klärung abstrakter rechtsfragen. ist ungewiss, ob in zukunft noch einmal die gleichen tatsächlichen verhältnisse eintreten wie im zeitpunkt des erlasses des erledigten verwaltungsaktes, kann das fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht aus einer wiederholungsgefahr hergeleitet werden. 40vgl. bverwg, urteile vom 16. mai 2013 - 8 c 14.12 -, juris rn. 21, und vom 12. oktober 2006 - 4 c 12.04 -, juris rn. 8; ovg nrw, beschluss vom 10. märz 2021 - 12 a 82/18 -, juris rn. 38; riese, in: schoch/schneider, verwaltungsrecht, stand: februar 2022, § 113 vwgo, rn. 126; wolff, in: sodan/ziekow, vwgo, 5. auflage 2018, § 113 rn. 271. 41im falle der erledigung eines verpflichtungsbegehrens tritt an die stelle der konkreten wiederholungsgefahr ein konkretes weiterverfolgungsinteresse. dieses liegt vor, wenn die gefahr besteht, dass die behörde einen erneuten antrag auf neuer grundlage mit gleichen gründen ablehnen wird. es fehlt daher am fortsetzungsfeststellungsinteresse, wenn sich nach der ablehnung die tatsächlichen oder rechtlichen verhältnisse geändert haben und anzunehmen ist, dass die behörde unter den geänderten verhältnissen gleichartige anträge des klägers nicht mit gleichartigen erwägungen ablehnen wird. 42vgl. hierzu wolff, in: sodan/ziekow, vwgo, 5. auflage 2018, § 113 rn. 311. 43zwar stellt die hier maßgebliche regelung in § 54 abs. 3 var. 3 bauo nrw für die entscheidung, ob eine person für die aufstellung des brandschutzkonzepts vergleichbar geeignet ist, bereits ausweislich des wortlauts der norm auf eine betrachtung des jeweiligen einzelfalls ab. somit ist zu fragen, ob wegen der individualität der jeweiligen bauvorhaben von einer damit verbundenen - die wiederholungsgefahr ausschließenden - einmaligkeit der vorliegenden ablehnungssituation auszugehen ist und der gerichtlichen entscheidung im hier gegebenen fall schon deshalb keine richtungsweisende bedeutung für die künftige behördliche entscheidungspraxis zukommen kann. 44vgl. hierzu wolff, in: sodan/ziekow, vwgo, 5. auflage 2018, § 113 rn. 271. 45jedoch ist anzunehmen, dass sich zwischen den beteiligten bei zumindest im wesentlichen gleichen tatsächlichen verhältnissen (also vergleichbaren bauvorhaben) die in bezug auf das erledigte begehren kontroversen rechtsfragen - insbesondere die frage nach der bedeutung der zertifizierung des klägers bei der anwendung des § 54 abs. 3 bauo nrw - in anderer weise erneut stellen werden und mit einer gleichartigen entscheidung der beklagten zu rechnen wäre. einen konkreten anhaltspunkt für die wiederholungsgefahr bietet der vortrag des klägers mit schriftsatz vom 16. november 2020, wonach er eine erneute anfrage für eine brandschutzplanung zu einem pflegeheim im zuständigkeitsbereich der beklagten erhalten habe, zu der er ein angebot abgeben wolle. dass sich - wie der kläger in der mündlichen verhandlung angab - diese anfrage zwischenzeitlich erledigt hat, steht dem nicht entgegen, da aus dem vorbringen des klägers gleichwohl erkennbar ist, dass er weiterhin für bauprojekte dieser art als ersteller von brandschutzkonzepten im zuständigkeitsbereich der beklagten tätig sein möchte. 46soweit der kläger in der mündlichen verhandlung allerdings auf die frage nach seinem konkreten feststellungsinteresse erklärt hat, ihm gehe es - auch - um eine klärung für seine berufskollegen, vermag er daraus ein feststellungsinteresse nicht herzuleiten. gleiches gilt im hinblick darauf, dass der kläger in der mündlichen verhandlung zum hintergrund der klage darauf verwiesen hat, vorher mehrfach ähnliche erfahrungen mit der ablehnung durch andere behörden gesammelt zu haben. denn die wiederholungsgefahr ist allein in bezug auf den kläger und dessen konkrete situation zu beurteilen und muss gerade im verhältnis der beteiligten des anhängigen verwaltungsstreitverfahrens bestehen; begehrt der kläger eine klärung nicht für sich, sondern für einen dritten, reicht dies nicht. 47vgl. ovg nrw, beschluss vom 21. februar 2014 - 12 a 2838/12 -, juris rn. 5; riese, in: schoch/schneider, verwaltungsrecht, stand: februar 2022, § 113 vwgo, rn. 127; wolff, in: sodan/ziekow, vwgo, 5. auflage 2018, § 113 rn. 270. 48b. es kann damit dahinstehen, ob sich ein feststellungsinteresse auch noch unter anderen gesichtspunkten ergibt. dies dürfte allerdings zu verneinen sein. 49ein feststellungsinteresse im hinblick auf eine rehabilitierung des klägers dürfte nicht gegeben sein. ein berechtigtes interesse an einer rehabilitierung besteht nur dann, wenn sich aus dem erledigten verwaltungsakt eine stigmatisierung des betroffenen ergibt, die geeignet ist, sein ansehen in der öffentlichkeit oder im sozialen umfeld herabzusetzen. diese stigmatisierung muss außenwirkung erlangt haben und noch in der gegenwart andauern. 50vgl. bverwg, urteil vom 16. mai 2013 - 8 c 14.12 -, juris rn. 25; schübel-pfister, in: eyermann, vwgo, 16. auflage 2022, § 113 rn. 119; wolff, in: sodan/ziekow, vwgo, 5. auflage 2018, § 113 rn. 273. 51vorliegend ist schon fraglich, ob die gegenüber dem kläger ergangene entscheidung überhaupt außenwirkung erlangt hat. überdies beruhte die ablehnung, den kläger als ersteller eines brandschutzkonzepts für das bauvorhaben "x. " anzuerkennen, auf der komplexität des vorhabens und einer bewertung der fachlichen vorerfahrungen des klägers, ohne dass damit ein stigmatisierendes unwert-urteil über die person des klägers verbunden gewesen wäre oder seine qualifikation grundlegend in frage gestellt worden wäre. insoweit hat die beklagte auch im gerichtlichen verfahren und in der mündlichen verhandlung ausdrücklich erklärt, dass es sich um eine einzelfall-entscheidung gehandelt habe, und damit nicht ausgeschlossen sei, dass der kläger bei anders gelagerten bauvorhaben in zukunft als zur aufstellung des jeweiligen brandschutzkonzepts geeignet angesehen werde. soweit die beklagte in ihrer e-mail von 00.00.0000 auf bereits bestehende probleme bezug nahm, hat sie - sofern sich dies nicht bereits aus der gesamtformulierung der e-mail ergab - in der mündlichen verhandlung öffentlich klargestellt, dass damit auf probleme des bauprojekts verwiesen wurde und nicht etwa auf probleme mit dem kläger. 52dass der kläger beabsichtigt, einen schadensersatzprozess anzustrengen, ist nicht vorgetragen. bei einer fortsetzungsfeststellungsklage, die der vorbereitung einer zivilrechtlichen klage auf schadensersatz oder entschädigung dienen soll, ist das feststellungsinteresse zu bejahen, wenn ein solcher prozess bereits anhängig, mit sicherheit zu erwarten oder ernsthaft beabsichtigt ist, die begehrte feststellung in diesem verfahren erheblich und die rechtsverfolgung nicht offensichtlich aussichtslos ist. insoweit bedarf es hinreichender darlegungen seitens des die feststellung begehrenden klägers. hierzu gehört insbesondere, dass er die behauptung eines eingetretenen schadens durch angaben zur art des schadens und zur annähernden schadenshöhe substantiiert. 53vgl. ovg nrw, urteil vom 17. april 2018 - 2 a 1387/15 -, juris rn. 42 ff., und beschluss vom 15. august 2014 - 2 a 2507/13 -, juris rn. 9. 54hierfür ist vorliegend nichts dargetan; vielmehr hat der kläger auf die gerichtliche frage nach seinem konkreten interesse an der feststellung in der mündlichen verhandlung ausschließlich darauf verwiesen, ihm gehe es um eine klärung für die zukunft. 55ii. die noch aufrecht erhaltene klage ist unbegründet. der kläger hat keinen anspruch entsprechend § 113 abs. 1 satz 4 vwgo auf die feststellung, dass die ablehnung der beklagten vom 00.00.0000, ihn als ersteller eines brandschutzkonzepts für das bauvorhaben "x. " anzuerkennen, rechtswidrig war. eine solche feststellung setzt voraus, dass der kläger durch die ablehnung in seinen eigenen rechten verletzt worden ist (1.). dies ist hier nicht der fall (2.). 561. eine fortsetzungsfeststellungsklage ist im falle eines erledigten verpflichtungsbegehrens begründet, wenn die verpflichtungsklage zum zeitpunkt der erledigung erfolg gehabt hätte, d.h. wenn ein anspruch auf erlass des begehrten verwaltungsakts bzw. auf neubescheidung zum zeitpunkt der erledigung bestand. 57vgl. ovg berlin-brandenburg, urteil vom 7. juni 2012 - ovg 2 b 18.11 -, juris rn. 42; riese, in: schoch/schneider, verwaltungsrecht, stand: februar 2022, § 113 vwgo, rn. 151; wolff, in: sodan/ziekow, vwgo, 5. auflage 2018, § 113 rn. 314. 58insoweit entspricht das prüfprogramm dem des § 113 abs. 5 vwgo. hierbei kann insbesondere nicht auf eine subjektive rechtsverletzung und den danach erforderlichen rechtswidrigkeitszusammenhang verzichtet werden, weil die fortsetzungsfeststellungsklage keinen umfassenderen rechtsschutz gewähren darf als die vor der erledigung erhobene oder ohne erledigung zu erhebende verpflichtungsklage. 59vgl. bverwg, urteile vom 3. märz 1987 - 1 c 15.85 -, juris rn. 15, und vom 23. märz 1982 - 1 c 157.79 - juris rn. 26; ovg nrw, urteil vom 23. september 2020 - 8 a 1161/18 ‑, juris rn. 66 ff. (jeweils im kontext einer anfechtungssituation); riese, in: schoch/schneider, verwaltungsrecht, stand: februar 2022, § 113 vwgo, rn. 151. 602. die voraussetzungen des § 113 abs. 5 vwgo lagen hier nicht vor. zwar wird die am 00.00.0000 an den kläger versandte e-mail der beklagten, in dem diese ihm die ablehnende entscheidung mitteilte, den formellen anforderungen des vwvfg nrw nicht gerecht (a.). dies führt jedoch nicht zur begründetheit der klage (b.). die klage hat keinen erfolg, weil die ablehnende sachentscheidung materiell nicht zu beanstanden ist und den kläger nicht in seinen rechten verletzt; ihm stand kein anspruch auf die anerkennung als ersteller eines brandschutzkonzepts für das bauvorhaben "x. " zu (c.). 61a. die mitteilung der ablehnenden entscheidung mit e-mail vom 00.00.0000 erfolgte in formeller hinsicht nicht ordnungsgemäß. 62aa. dabei ist zunächst nicht zu beanstanden, dass der kläger vor erlass der ablehnenden entscheidung nicht angehört wurde. nach § 28 abs. 1 vwvfg nrw ist vor erlass eines verwaltungsakts, der in rechte eines beteiligten eingreift, diesem gelegenheit zu geben, sich zu den für die entscheidung erheblichen tatsachen zu äußern. diese vorschrift kann nach ihrem sinngehalt grundsätzlich nur für solche beschwerenden verwaltungsakte gelten, mit denen die behörde in die rechtssphäre des bürgers eingreift und gegen die dem bürger die anfechtungsklage zusteht (sogenannte "eingriffsverwaltung"). dies ist der fall, wenn durch den verwaltungsakt die bisherige rechtsstellung des beteiligten zu seinem nachteil verändert, ihm eine rechtliche verpflichtung auferlegt, insbesondere von ihm ein tun oder unterlassen gefordert wird. dagegen genügt es nicht, wenn - wie hier - der erlass eines verwaltungsakts abgelehnt wird, der erst eine rechtsposition begründen soll. bei verwaltungsakten, die einen antrag ablehnen, hat der beteiligte regelmäßig bei der antragstellung hinreichend gelegenheit, alle für die entscheidung erheblichen tatsachen vorzutragen. deshalb ist im regelfall - und so auch hier - eine gesonderte anhörung vor der ablehnung des antrags nicht geboten. 63vgl. bverwg, urteile vom 14. oktober 1982 - 3 c 46.81 -, juris rn. 35, und vom 30. april 1981 - 3 c 135.79 -, juris rn. 64; ovg berlin-brandenburg, urteil vom 22. juni 2011 - ovg 10 b 1.11 ‑, juris rn. 45. 64bb. dahingegen rügt der kläger im grundsatz zu recht, dass die ablehnende entscheidung ihm gegenüber in der e-mail der beklagten vom 18. juni 2020 unzureichend begründet wurde. dies hat die beklagte in der mündlichen verhandlung auch selbst ausdrücklich eingeräumt. 65(1) gemäß § 39 abs. 1 satz 1 vwvfg nrw ist ein schriftlicher oder elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter verwaltungsakt mit einer begründung zu versehen. 66bei der e-mail der beklagten vom 18. juni 2020 handelt es sich um einen (elektronischen) verwaltungsakt im sinne von § 35 satz 1 vwvfg nrw. 67vgl. zu dem begriff und zur einordnung einer e-mail: schröder, in: schoch/schneider, verwaltungsrecht, stand: april 2022, § 37 vwvfg rn. 59. 68die e-mail vom 18. juni 2020 enthielt insbesondere eine regelung, nämlich die für den konkreten einzelfall getroffene entscheidung der beklagten, den kläger nicht als ersteller eines brandschutzkonzepts für das bauvorhaben "x. " zuzulassen. dass das (formlose) elektronische schreiben nicht dem üblichen aufbau eines verwaltungsakts entspricht und keine rechtsbehelfsbelehrung enthält, steht seiner einordnung als verwaltungsakt nicht entgegen. 69der verwaltungsakt hätte gemäß § 39 abs. 1 vwvfg nrw einer ordnungsgemäßen begründung bedurft. die in § 39 abs. 2 vwvfg nrw geregelten ausnahmetatbestände, bei deren vorliegen eine begründung entbehrlich ist, greifen vorliegend nicht ein. in der begründung sind gemäß § 39 abs. 1 satz 2 vwvfg nrw die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen gründe mitzuteilen, die die behörde zu ihrer entscheidung bewogen haben. die anforderungen an umfang und vollständigkeit dieser angaben sind einzelfallabhängig. 70vgl. stelkens, in: stelkens/bonk/sachs, vwvfg, 9. auflage 2018, § 39 rn. 43. 71bei der beurteilung, ob die begründung diesen anforderungen gerecht wird, sind auch die funktionen des begründungserfordernisses zu berücksichtigen. zu diesen gehört u.a., die entscheidung gegenüber dem betroffenen zu erklären, zu legitimieren und ihm gegenüber nachvollziehbar zu machen. 72vgl. zu den funktionen der begründung tiedemann, in: bader/ronellenfitsch, beckok vwvfg, stand: april 2022, § 39 rn. 1 ff.; schuler-harms, in: schoch/schneider, verwaltungsrecht, stand: april 2022, § 39 vwvfg rn. 5 f.; stelkens, in: stelkens/bonk/sachs, vwvfg, 9. auflage 2018, § 39 rn. 1. 73die gründe müssen für den betroffenen aus sich heraus verständlich sein. 74vgl. schuler-harms, in: schoch/schneider, verwaltungsrecht, stand: april 2022, § 39 vwvfg rn. 52. 75die angabe der "wesentlichen rechtlichen gründe" umfasst in der regel die nennung der maßgeblichen rechtsgrundlage und die mitteilung der wesentlichen schritte und des ergebnisses des subsumtionsvorgangs. 76vgl. schuler-harms, in: schoch/schneider, verwaltungsrecht, stand: april 2022, § 39 vwvfg rn. 58 und 62; stelkens, in: stelkens/bonk/sachs, vwvfg, 9. auflage 2018, § 39 rn. 50. 77(2) diesen formellen anforderungen wird die e-mail vom 18. juni 2020 nicht gerecht. zwar ist das gericht nach den ausführungen der beklagten im gerichtlichen verfahren davon überzeugt, dass die beklagte den maßgeblichen rechtsrahmen zutreffend erkannt hat. dies kam in der formulierung, dass eine "anerkennung außerhalb der rahmenbedingungen der bauo nrw" (gemeint: außerhalb der qualifikation nach § 54 abs. 3 var. 1 und 2 bauo nrw) für dieses projekt nicht erfolgen könne, aber nur unzureichend zum ausdruck. auch eine auseinandersetzung mit den vom kläger vorgetragenen sachkunde- und erfahrungsnachweisen - die nach den ausführungen der beklagten in der mündlichen verhandlung in abstimmung mit der brandschutzdienststelle durchaus stattgefunden hat - lässt die e-mail nicht erkennen. der o.g. legitimations- bzw. akzeptanz- oder befriedigungsfunktion wurde die begründung damit nicht gerecht. überdies war der verweis auf bereits bestehende probleme und die geplanten maßnahmen für den adressaten nicht aus sich heraus verständlich. 78b. der formelle mangel führt aber nicht zur begründetheit der klage. die beklagte hat im gerichtsverfahren mit schriftsatz vom 5. november 2020 die erforderliche begründung nachträglich gegeben und damit das vorherige begründungsdefizit - bei dem es sich nicht um einen besonders schwerwiegenden oder anderweitig zur nichtigkeit führenden fehler im sinne von § 44 abs. 1, 2 vwvfg nrw handelt - geheilt (§ 45 abs. 1 nr. 2, abs. 2 vwvfg nrw). 79unabhängig davon begründet bei einer verpflichtungsklage eine fehlende bzw. unzureichende begründung der ablehnung noch keinen anspruch auf den begehrten verwaltungsakt; insofern führen bloß formelle mängel einer ablehnungsentscheidung grundsätzlich - und so auch hier - nicht zu einer materiellen rechtsverletzung des verpflichtungsklägers und zum erfolg einer verpflichtungsklage. 80vgl. ovg sachsen-anhalt, urteil vom 10. dezember 2014 - 1 l 53/13 -, juris rn. 56; stelkens, in: stelkens/bonk/sachs, vwvfg, 9. auflage 2018, § 39 rn. 27. 81streitgegenstand der verpflichtungsklage - die sich vorliegend in gestalt der fortsetzungsfeststellungsklage fortsetzt - ist nicht die feststellung, dass der verwaltungsakt, in dem die ablehnung nach außen gestalt gefunden hat, rechtswidrig ist, sondern die feststellung, dass die weigerung der behörde, den beantragten verwaltungsakt zu erlassen, in dem für das verpflichtungsbegehren entscheidenden zeitpunkt die rechtsordnung verletzt. 82vgl. bverwg, urteil vom 24. januar 1992 - 7 c 24.91 -, juris rn. 8. 83dies gilt entsprechend für eine feststellungsklage in fortsetzung eines verpflichtungsbegehrens, da sich deren erfolg nach den vorstehend dargestellten grundsätzen ebenfalls am prüfprogramm des § 113 abs. 5 vwgo bemisst. für deren begründetheit ist danach entscheidend, ob dem feststellungskläger zum zeitpunkt der erledigung ein anspruch auf erlass des begehrten verwaltungsakts zustand. 84dass der ursprüngliche begründungsmangel nicht zum erfolg der klage führt, ergibt sich auch aus § 46 vwvfg nrw. der rechtsgedanke der vorschrift ist auch im falle einer fortsetzungsfeststellungsklage zu berücksichtigen. 85vgl. ovg nrw, urteil vom 19. juni 2015 - 6 a 589/12 -, juris rn. 109 ff.; schwarz, in: fehling/kastner/störmer, verwaltungsrecht, 5. auflage 2021, § 46 vwvfg rn. 33; schneider in: schoch/schneider, verwaltungsrecht, stand: april 2022, § 46 vwvfg rn. 63. 86danach kann die aufhebung eines verwaltungsaktes, der (wie hier) nicht nach § 44 vwvfg nrw nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter verletzung von vorschriften über das verfahren, die form oder die örtliche zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die verletzung die entscheidung in der sache nicht beeinflusst hat. das ist hier der fall. an der kausalität des fehlers für die entscheidung fehlt es, weil dem kläger - wie sich aus nachfolgenden ausführungen ergibt - kein anspruch auf erlass des abgelehnten verwaltungsakts zustand. 87c. die ablehnung, den kläger als ersteller eines brandschutzkonzepts für das bauvorhaben "x. " anzuerkennen, war materiell rechtmäßig und verletzt den kläger nicht in seinen rechten; ihm stand zum zeitpunkt der erledigung kein anspruch auf die anerkennung zu. 88aa. brandschutzkonzepte für bauliche anlagen werden nach § 54 abs. 3 bauo nrw entweder von staatlich anerkannten sachverständigen nach § 87 abs. 2 satz 1 nr. 4 bauo nrw für die prüfung des brandschutzes (var. 1), von öffentlich bestellten und vereidigten sachverständigen für vorbeugenden brandschutz nach § 36 gewo (var. 2), oder von personen aufgestellt, die "im einzelfall für die aufgabe nach sachkunde und erfahrung vergleichbar geeignet sind" (var. 3). 89der kläger ist - was unter den beteiligten außer streit steht - weder ein staatlich anerkannter sachverständiger nach § 87 abs. 2 satz 1 nr. 4 bauo nrw für die prüfung des brandschutzes noch ein öffentlich bestellter und vereidigter sachverständiger für vorbeugenden brandschutz nach § 36 gewo. 90während gemäß § 54 abs. 3 var. 1 und 2 bauo nrw staatlich anerkannte sachverständige für die prüfung des brandschutzes und die diesen gleich gestellten öffentlich bestellten und vereidigten sachverständigen für vorbeugenden brandschutz nach § 36 gewo zur vorlage von brandschutzkonzepten generell als geeignet gelten 91- vgl. die entsprechende gesetzesbegründung, lt.-drs. 17/2166, s. 154; vg minden, beschluss vom 28. januar 2022 - 9 k 6856/21 -, juris rn. 6 -, 92ist in bezug auf die von § 54 abs. 3 var. 3 bauo nrw erfassten personen - wie sich schon aus dem wortlaut der norm ergibt - jeweils "im einzelfall" von der zuständigen bauaufsichtsbehörde zu prüfen, ob diese für die aufgabe nach sachkunde und erfahrung vergleichbar geeignet sind. 93vgl. vg minden, beschluss vom 28. januar 2022 - 9 k 6856/21 -, juris rn. 6 f.; lg münster, urteil vom 21. januar 2022 - 22 o 53/21 -, juris rn. 16, 18. 94das gericht geht dabei zugunsten des klägers davon aus, dass die durch das gesetz zur modernisierung des bauordnungsrechts in nordrhein-westfalen - baurechtsmodernisierungsgesetz (baumodg nrw) - vom 21. juli 2018 eingeführte "öffnungsklausel" in § 54 abs. 3 var. 3 bauo nrw nicht bloß eine objektiv-rechtliche verfahrensregelung bzw. eine norm darstellt, die ausschließlich der durchsetzung von interessen der allgemeinheit dient, sondern zumindest auch eine subjektiv-rechtliche komponenten enthält, die den schutz individueller, einem bestimmten und abgrenzbaren - nämlich dem von dieser regelung umfassten - personenkreis zuzuordnender individualinteressen derart zu dienen bestimmt ist, dass diese die einhaltung des rechtssatzes sollen verlangen können, und ihnen bei vorliegen der tatbestandsvoraussetzungen einen gebundenen, klagbaren anspruch auf eine entsprechende anerkennung vermittelt. 95vgl. zur sog. schutznormtheorie bverwg, urteile vom 11. oktober 2016 - 2 c 11.15 -, juris rn. 27, und vom 10. april 2008 - 7 c 39.07 -, juris rn. 19, ovg lüneburg, beschluss vom 3. mai 2021 - 11 la 351/19 -, juris rn. 28. 96die e-mail des klägers vom 00.00.0000 war bei verständiger würdigung seines vorbringens dahingehend auszulegen, dass er bei der beklagten beantragte, ihn für das bauvorhaben "klink x1. " als eine solche "im einzelfall für die aufgabe nach sachkunde und erfahrung vergleichbar geeignete" person im sinne von § 54 abs. 3 var. 3 bauo nrw anzuerkennen. 97unter "sachkunde" ist das fachbezogene wissen zu verstehen, welches im rahmen der ausbildung erworben und durch weiterbildungen aktualisiert wurde; "erfahrung" bezieht sich auf die durch praktische tätigkeiten erworbenen erkenntnisse. 98vgl. gohde, in: beckok bauordnungsrecht nrw, stand: mai 2022, § 54 bauo rn. 13. 99die auslegung und anwendung dieser unbestimmten rechtsbegriffe sind gerichtlich uneingeschränkt überprüfbar. 100vgl. etwa zum begriff der "besonderen sachkunde" im kontext der öffentlichen bestellung nach § 36 gewo: bverwg, beschluss vom 28. mai 2014 - 8 b 61.13 -, juris rn. 7 und 9, und urteil vom 26. juni 1990 - 1 c 10.88 -, juris rn. 19 ff.; ovg nrw, beschluss vom 6. april 2017 - 4 b 799/16 -, juris rn. 13. 101für die frage, ob eine person im sinne von § 54 abs. 3 var. 3 bauo nrw im einzelfall für die aufgabe nach sachkunde und erfahrung vergleichbar geeignet ist, soll es nach dem willen des gesetzgebers 102- vgl. lt.-drs. 17/2166, s. 154 - 103nicht allein auf aus- und fortbildungsnachweise ankommen, sondern darauf, ob zusätzlich eine praktische erfahrung mit der brandschutzplanung vergleichbarer objekte nachgewiesen werden kann. ob dies der fall ist, hat die zuständige bauaufsichtsbehörde bezogen auf das zur entscheidung stehende bauvorhaben zu beurteilen. 104vgl. lt.-drs. 17/2166, s. 154; gohde, in: beckok bauordnungsrecht nrw, stand: mai 2022, § 54 bauo rn. 41; boeddinghaus/hahn/schulte u.a., bauordnung für das land nordrhein-westfalen, stand: 115. al 2022, § 54 rn. 6. 105bb. die vorliegend von der beklagten getroffene ablehnungsentscheidung ist danach nicht zu beanstanden. die beurteilung der eignung für die aufstellung des brandschutzkonzepts hat objekt-bezogen zu erfolgen (1). bezogen auf das konkret in rede stehende bauvorhaben (2) hat der kläger praktische erfahrung mit der brandschutzplanung vergleichbarer objekte nicht nachgewiesen (3). aus dem umstand, dass der kläger nach der norm din en iso/iec 17024 von einer akkreditierten stelle als sachverständiger für den vorbeugenden und gebäudetechnischen brandschutz zertifiziert ist, folgt - auch im hinblick auf art. 3 abs. 1 gg - nicht, dass die in § 54 abs. 3 var. 3 bauo nrw vorgesehene einzelfallprüfung unterbleiben kann oder stets zu dem ergebnis führen muss, dass eine nach sachkunde und erfahrung für die aufgabe vergleichbare eignung gegeben ist (4). die zu der vorgängervorschrift von § 54 abs. 3 bauo nrw erlassene verwaltungsvorschrift führt zu keinem anderen ergebnis (5). 106(1) ausgangspunkt der in § 54 abs. 3 var. 3 bauo nrw vorgesehenen beurteilung der eignung für die aufgabe ist das konkrete bauvorhaben, für das ein brandschutzkonzept aufzustellen ist. dies ergibt sich nicht nur aus der bereits wiedergegebenen gesetzesbegründung ("bezogen auf das zur entscheidung stehende bauvorhaben", "erfahrung mit der brandschutzplanung vergleichbarer objekte"), sondern ist auch im wortlaut des gesetzes selbst eindeutig zum ausdruck gekommen, der darauf abstellt, ob jemand "im einzelfall für die aufgabe" geeignet ist. soweit der kläger der ansicht ist (schriftsatz vom 27. april 2022, s. 3), auf die komplexität des bauvorhabens komme es im rahmen von § 54 abs. 3 bauo nrw nicht an, geht dieser einwand daher fehl. 107bei der einzelfallbezogenen beurteilung ist - wie vorstehend dargestellt - insbesondere zu prüfen, ob die person praktische erfahrung mit der brandschutzplanung vergleichbarer objekte hat. für die frage, ob objekte vergleichbar sind, ist nach der systematik und dem sinn und zweck der vorschrift entscheidend, ob diese objekte im hinblick auf die sich ergebenen brandschutzrechtlichen fragestellungen - und speziell im hinblick auf das erforderliche brandschutzkonzept - vergleichbare anforderungen stellen. 108nähere einzelheiten zum inhalt eines brandschutzkonzepts enthält § 9 bauprüfvo nrw. danach ist das brandschutzkonzept eine zielorientierte gesamtbewertung des baulichen und abwehrenden brandschutzes bei sonderbauten (§ 9 abs. 1 bauprüfvo nrw). § 9 abs. 2 satz 1 bauprüfvo nrw regelt bestimmte pflichtangaben, die in einem brandschutzkonzept enthalten sein müssen. diese sind in einem schriftlichen erläuterungsbericht zu formulieren und durch zeichnerische darstellung der baulichen anforderungen unter angabe der technischen anforderungen zu ergänzen (§ 9 abs. 2 satz 2 bauprüfvo nrw). zu den nach § 9 abs. 2 satz 1 bauprüfvo nrw erforderlichen bestandteilen des brandschutzkonzepts gehören u.a. 109- die bemessung, lage und anordnung der löschwasser-rückhalteanlagen (nr. 3), 110- das system der äußeren und der inneren abschottungen in brandabschnitte bzw. brandbekämpfungsabschnitte sowie der rauchabschnitte mit angaben zur feuerwiderstandsfähigkeit der bauteile und anforderungen an das brandverhalten der baustoffe (nr. 4), 111- die lage, anordnung, bemessung (gegebenenfalls durch rechnerischen nachweis) und kennzeichnung der rettungswege auf dem baugrundstück und in gebäuden mit angaben zur sicherheitsbeleuchtung, zu automatischen schiebetüren und zu elektrischen verriegelungen von türen (nr. 5), 112- die höchstzulässige zahl der nutzer der baulichen anlage, deren mobilität und grundzüge der evakuierung (nr. 6), 113- die lage und anordnung haustechnischer anlagen, insbesondere der leitungsanlagen, gegebenenfalls mit angaben zum brandverhalten im bereich von rettungswegen sowie von aufzügen (nr. 7), 114- die lage und anordnung der lüftungsanlagen mit angaben zur brandschutztechnischen ausbildung (nr. 8), 115- die lage, anordnung und bemessung der rauch- und wärmeabzugsanlagen mit eintragung der querschnitte beziehungsweise luftwechselraten sowie der überdruckanlagen zur rauchfreihaltung von rettungswegen (nr. 9), 116- die alarmierungseinrichtungen und alarmierungsanlagen (nr. 10), 117- die lage, anordnung und gegebenenfalls bemessung von anlagen, einrichtungen und geräten zur brandbekämpfung (wie feuerlöschanlagen, steigeleitungen, wandhydranten, schlauchanschlussleitungen, feuerlöschgeräte) mit angaben zu schutzbereichen und zur bevorratung von sonderlöschmitteln (nr. 11), 118- die sicherheitsstromversorgung mit angaben zur bemessung und zur lage und brandschutztechnischen ausbildung des aufstellraums, der ersatzstromversorgungsanlagen (batterien, stromerzeugungsaggregate) und zum funktionserhalt der elektrischen leitungsanlagen (nr. 12), 119- die lage und anordnung von brandmeldeanlagen mit unterzentralen und feuerwehrtableaus, auslösestellen (nr. 13), 120- grundzüge der funktionalen steuerungstechnischen zusammenhänge (nr. 14), 121- angaben darüber, welchen materiellen anforderungen der bauo nrw 2018 oder in vorschriften auf grund der bauo nrw 2018 nicht entsprochen wird und welche ausgleichenden maßnahmen stattdessen vorgesehen werden (nr. 17) 122- sowie die anwendung von verfahren und methoden des brandschutzingenieurwesens (nr. 18). 123aus diesen in § 9 abs. 2 satz 1 bauprüfvo nrw aufgezählten anforderungen, die u.a. vielfach gerade auf die "lage und anordnung" der brandschutztechnisch relevanten einrichtungen bezug nehmen, ist ohne weiteres ersichtlich, dass die komplexität und größe eines gebäudes unmittelbaren einfluss darauf hat, wie anspruchsvoll die aufstellung des brandschutzkonzepts ist. 124welche kriterien nach der gesetzgeberischen wertung zu erhöhten brandschutztechnischen anforderungen an bauliche anlagen führen, lässt sich auch daran ablesen, für welche bauten ein brandschutzkonzept zwingend vorgeschrieben ist (§§ 70 abs. 2 satz 3, 50 abs. 2 bauo nrw - große sonderbauten). die in § 50 abs. 2 bauo nrw aufgezählten großen sonderbauten zeichnen sich im wesentlichen durch ihre erhebliche größe (fläche und höhe) und/oder durch besonders viele bzw. besonders schutzbedürftige nutzer aus (siehe hierzu auch die pflichtangabe in § 9 abs. 2 satz 1 nr. 6 bauprüfvo nrw). demensprechend definiert § 50 abs. 1 bauo nrw sonderbauten auch als anlagen und räume "besonderer art oder nutzung". 125(2) das hier konkret in rede stehende bauvorhaben "x. " vereinigt gleich mehrere kriterien, die nach den vorstehend wiedergegebenen gesetzgeberischen wertungen auf eine anspruchsvolle brandschutztechnische planung schließen lassen. nach den zwischen den beteiligten nicht in zweifel stehenden angaben der beklagten handelt es sich um eine ehemalige l4. (großer sonderbau), die mehrere jahre leer stand und für die im februar 2019 im rahmen einer bauvoranfrage diverse nutzungsänderungen im gebäudekomplex bauplanungsrechtlich genehmigt wurden. für einen ersten untergeordneten gebäudeteil wurde im juni 2019 eine baugenehmigung für die nutzungsänderung zu einer pflegeeinrichtung mit 34 plätzen erteilt. der streitgegenständliche zweite zur genehmigung stehende bauabschnitt bezog sich danach auf eine nutzfläche von insgesamt ca. 7.800 m2 mit diversen unterschiedlichen nutzungseinheiten, nämlich pflege- und betreuungseinrichtungen inkl. tages- und stationärer pflege, sieben arzt- und therapiepraxen, bereiche für das sog. centermanagement mit entsprechenden büroräumen, einem ladenlokal sowie barrierefreiem wohnen, verteilt auf sieben geschosse. 126angesichts der größe (sowohl im hinblick auf die fläche als auch im hinblick auf die geschossigkeit/höhe) und angesichts des aufeinandertreffens verschiedener nutzungen einschließlich solcher durch besonders schutzbedürftige personen und mit hohem publikumsverkehr handelt es sich damit um ein gebäude, das sich - gemessen an den oben beschriebenen kriterien - sowohl seiner art nach als auch seiner nutzung nach als besonders anspruchsvoll erweist. 127dementsprechend hat die beklagte darauf hingewiesen, bereits im zuge der ersten teilnutzungsänderung festgestellt zu haben, dass die brandschutzrechtlichen beurteilungen aufgrund der erheblichen größe des gesamtobjekts und der vielzahl an unterschiedlichen geplanten nutzungseinheiten im objekt aufgrund ihrer komplexität ein hohes maß an erfahrung und sachkunde bedürfen. 128(3) dass der kläger praktische erfahrung mit der brandschutzplanung vergleichbarer objekte hat, ist weder nachgewiesen noch anderweitig ersichtlich. 129die vom kläger im rahmen der antragstellung angeführten tätigkeiten als ehrenamtlicher zugführer bei der feuerwehr, als brandschutzbeauftragter, als mitwirkender einer arbeitsgruppe des justizvollzugs und des bau- und liegenschaftsbetriebs zur erstellung von empfehlungen zum brandschutz beim bau und betrieb von justizvollzugsanstalten im jahr 2007, und im rahmen seines dienstes in der justizvollzugsanstalt bielefeld-senne (brandschutzausbildung von bediensteten, fertigung brandschutztechnischer stellungnahmen) belegen zwar praktische erfahrungen im bereich des vorbeugenden und abwehrenden brandschutzes, lassen aber jedenfalls eine erfahrung mit (eigenverantwortlichen) brandschutzplanungen im rahmen von baugenehmigungsverfahren nicht erkennen. 130die zum nachweis seiner diesbezüglichen praktischen erfahrung eingereichten baugenehmigungen, in deren rahmen der kläger die brandschutztechnische planung betreut hatte, betrafen insgesamt vier bauvorhaben: aus dem jahr 2015 (bl. 13 f. der beiakte) die errichtung einer offenen unterstellhalle für fahrzeuge und den abbruch einer ruine ("brandschutzplanung" im rahmen einer baugenehmigung) in rüdersdorf/herzfelde, aus dem jahr 2016 (bl. 15 ff. der beiakte) eine nutzungsänderung in einem hotel ("frühstücksraum und wäschekammer zu zwei doppelzimmern im 1. obergeschoss, gastraum und lagerräume zu frühstücksraum im erdgeschoss") in lindau ("nachweis über den vorbeugenden brandschutz" im rahmen einer baugenehmigung), aus dem jahr 2017 (bl. 22 ff. der beiakte) die erweiterung eines altenpflegeheims und den neubau von einstellplätzen in oyten ("brandschutzgutachten" im rahmen eines nachtrags zur baugenehmigung: änderung des brandschutzkonzepts), und aus dem jahr 2019 (bl. 18 ff. der beiakte) einen umbau mit nutzungsänderung eines betriebsgebäudes im erdgeschoss in bad salzuflen ("beschreibung der brandschutztechnischen maßnahmen" im rahmen einer baugenehmigung). der kläger hat in der mündlichen verhandlung erklärt, bei antragstellung diejenigen von ihm betreuten projekte eingereicht zu haben, die am ehesten mit dem hier streitgegenständlichen vorhaben vergleichbar waren. hinsichtlich des vorhabens in lindau (nutzungsänderung innerhalb eines hotels) erklärte er ergänzend, es habe sich dabei um eine nutzungsänderung in einem hotel mit etwa 15 bis 20 betten in einem historischen gebäude gehandelt. bei dem vorhaben im jahr 2019 in bad salzuflen sei es um die erweiterung eines saals mit einer darunter gelegenen kleinen garage gegangen. das vorhaben in rüdersdorf habe den neubau einer brandwand beinhaltet. dies sei "keine große sache und mit dem hier streitgegenständlichen vorhaben definitiv nicht vergleichbar" gewesen. im rahmen des bauvorhabens im jahr 2017 in oyten sei eine geschützte einrichtung für an demenz erkrankte pflegebedürftige um etwa 40 zusätzliche plätze erweitert worden. die brandschutztechnische begleitung habe er von einem kollegen übernommen, deren brandschutzplanungen er überarbeitet (änderungen des bestehenden brandschutzkonzepts) bzw. fortgeführt habe. 131das gericht verkennt nicht, dass diese (im wesentlichen nebenberuflich) betreuten bauvorhaben eine gewisse erfahrung des klägers im bereich der brandschutzplanung - einschließlich derjenigen für eine pflegeeinrichtung - dokumentieren. eine vergleichbarkeit mit dem streitgegenständlichen vorhaben ist unter berücksichtigung der vorstehend aufgezeigten dafür maßgeblichen kriterien indes nicht gegeben. das betrifft sowohl das hier bestehende aufeinandertreffen verschiedenster nutzungsarten, als auch die größe und geschossigkeit des gebäudes. letztere ist - wie sich aus den oben dargestellten rechtlichen wertungen ergibt - entgegen der ansicht des klägers im hinblick auf die brandschutztechnischen anforderungen ein durchaus relevanter parameter. insbesondere weist auch das von dem kläger - im übrigen lediglich in form der änderung eines bestehenden brandschutzkonzepts - betreute pflegeheim keine vergleichbare geschossigkeit auf, wie sich aus dem von dem kläger in bezug genommenen, öffentlich zugänglichen internet-auftritt der einrichtung ersehen lässt. 132dementsprechend hat auch der kläger in der mündlichen verhandlung erklärt, ein brandschutzkonzept für ein objekt in der größenordnung wie die "x. ", das ein pflegeheim war, habe er nicht in seinem "repertoire" gehabt. auf die frage, ob er bei antragstellung auch schon weitere sonderbauten mit brandschutzkonzepten betreut hatte, erklärte er, zumindest keine vergleichbaren projekte wie das hier streitgegenständliche vorhaben - im hinblick auf die geschossigkeit u.ä. - bearbeitet zu haben. ob die beklagte, wie der kläger im gerichtlichen verfahren gerügt hat, nach dem untersuchungsgrundsatz noch weitere ermittlungen zu seinen praktischen erfahrungen hätte anstellen müssen, kann vor diesem hintergrund schon deshalb dahinstehen, weil solche nach dem vorstehend gesagten zu keinen anderen erkenntnissen geführt hätten. 133die von dem kläger eingereichten fortbildungsnachweise (zertifikat der akkreditierten stelle iq-zert, bestätigung über die teilnahme an der qualifizierungsmaßnahme "fachplaner für vorbeugenden brandschutz") betreffen den nachweis seiner "sachkunde" und nicht seiner (praktischen) erfahrung. 134(4) aus dem umstand, dass der kläger nach der norm din en iso/iec 17024 als sachverständiger für den vorbeugenden und gebäudetechnischen brandschutz zertifiziert und die zertifizierende stelle nach dem akkreditierungsgesetz akkreditiert ist, folgt entgegen der ansicht des klägers nicht, dass die in § 54 abs. 3 var. 3 bauo nrw vorgesehene einzelfallprüfung unterbleiben kann oder stets zu dem ergebnis führen muss, dass eine nach sachkunde und erfahrung für die aufgabe vergleichbare eignung gegeben ist. 135zwar kann die zertifizierung des klägers in verbindung mit dem von dem kläger vorgelegten, von der zertifizierenden stelle aufgestellten anforderungsprofil "sachverständiger für den vorbeugenden brandschutz" als nachweis für eine bestimmte sachkunde des klägers herangezogen werden. dies ändert jedoch nichts an dem umstand, dass es nach der ausdrücklichen gesetzlichen regelung in § 54 abs. 3 var. 3 bauo nrw zusätzlich auch auf die praktische erfahrung des klägers ankommt. 136eine formale gleichstellung von nach din en iso/iec 17024 durch eine akkreditierte stelle zertifizierten sachverständigen mit staatlich anerkannten bzw. öffentlich bestellten und vereidigten sachverständigen ist auf der ebene von gesetzen und verordnungen - soweit ersichtlich - bislang im wesentlichen nur im bereich des sachverständigenwesens für die grundstückswertermittlung und immobilienbewertung - und dort auch nur in ansätzen - vorzufinden 137- vgl. (im hinblick auf die erstellung von gutachten) § 198 abs. 2 bewertungsgesetz, § 6 satz 1 beleihungswert-ermittlungsverordnung (allerdings in satz 2 ergänzt um eine einzelfallprüfung) und § 38 abs. 4 satz 2 landesgrundsteuergesetz baden-württemberg; zum auskunftsrecht (einholung von grundstücksbezogenen auskünften) siehe auch § 34 abs. 6 satz 5 grundstückswert-ermittlungsverordnung nrw, ähnlich die regelungen in den gutachterausschusslandesverordnungen von u3.--ringen (§ 13 abs. 2 satz 1 nr. 4), mecklenburg-vorpommern (§ 13 abs. 2 satz 2), brandenburg (§ 11 abs. 2 nr. 3), rheinland-pfalz (§ 14 abs. 1 satz 1 nr. 3), bayern (§ 11 abs. 2 satz 2 nr. 3), saarland (§ 13 abs. 1 satz 1) sowie in § 16 abs. 2 satz 1 nr. 3 dvo-baugb berlin -, 138und im bereich des baurechts gerade nicht erfolgt. auch ist beispielsweise im hinblick auf die öffentliche bestellung von sachverständigen nach § 36 abs. 1 satz 1 gewo anerkannt, dass aus einer bestehenden privatrechtlichen zertifizierung weder ein bestellungsanspruch noch "automatisch" die bejahung besonderer sachkunde folgt. 139vgl. bverwg, beschluss vom 28. mai 2014 - 8 b 61.13 -, juris rn. 12; ovg schleswig-holstein, beschluss vom 14. februar 2012 - 3 la 46/11 -, juris rn. 3, 10; vgh baden-württemberg, beschluss vom 22. juni 2006 - 6 s 1083/05 -, juris rn. 2; vg berlin, urteil vom 30. september 2015 - vg 4 k 35/15 -, ds 2016, 27, 29 f.; vg freiburg (breisgau), urteil vom 13. april 2005 - 7 k 1366/03 -, ds 2005, 356, 358; vg regensburg, gerichtsbescheid vom 11. märz 2004 - ro 5 k 03.2464 -, ds 2005, 358, 359 f.; siehe auch bfh, urteil vom 5. dezember 2019 - ii r 9/18 -, juris rn. 22: "eine durch eine akkreditierte stelle durchgeführte zertifizierung ist nicht deckungsgleich mit dem durch § 36 gewo nachgewiesenen fachlichen und persönlichen profil."; eingehend zu der unterschiedlichen gesetzgeberischen behandlung von zertifizierten und allgemein öffentlich bestellten und vereidigten sachverständigen fg berlin-brandenburg, urteil vom 17. januar 2018 - 3 k 3178/17 -, juris rn. 34 ff. 140die unterschiedliche behandlung von zertifizierten sachverständigen auf der einen und staatlich anerkannten bzw. öffentlich bestellten und vereidigten sachverständigen auf der anderen seite in § 54 abs. 3 bauo nrw ist - auch im hinblick auf art. 3 abs. 1 gg - nicht zu beanstanden. der allgemeine gleichheitssatz gebietet, wesentlich gleiches gleich und wesentlich ungleiches ungleich zu behandeln. dies gilt für ungleiche belastungen und ungleiche begünstigungen. es steht dem normgeber aber frei, aufgrund autonomer wertungen differenzierungsmerkmale auszuwählen, an die er eine gleich- oder ungleichbehandlung anknüpft. aus dem allgemeinen gleichheitssatz ergeben sich je nach regelungsgegenstand und differenzierungsmerkmalen unterschiedliche grenzen für den gesetzgeber, die von gelockerten, auf das willkürverbot beschränkten bindungen bis hin zu strengen verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. differenzierungen bedürfen stets der rechtfertigung durch sachgründe, die dem differenzierungsziel und dem ausmaß der ungleichbehandlung angemessen sind. der gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine gruppe von normadressaten oder normbetroffenen im vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden gruppen keine unterschiede von solcher art und solchem gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche behandlung rechtfertigen können. art. 3 abs. 1 gg verlangt nicht, unter allen umständen gleiches gleich und ungleiches ungleich zu behandeln. 141vgl. bverfg, beschlüsse vom 24. märz 2015 - 1 bvr 2880/11 -, juris rn. 38 f., vom 7. mai 2013 - 2 bvr 909/06 -, juris rn. 73 f., und vom 16. juli 2012 - 1 bvr 2983/10 -, juris rn. 41 ff.; bverwg, urteile vom 21. september 2017 - 2 c 30.16 -, juris rn. 30, vom 16. dezember 2016 - 8 c 6.15 -, juris rn. 76, und vom 24. november 2011 - 2 c 57.09 -, juris rn. 31; ovg nrw, beschluss vom 29. april 2020 - 13 b 512/20.ne -, juris rn. 61, urteile vom 16. mai 2018 - 3 a 1828/16 -, juris rn. 113, und vom 25. september 2017 - 2 a 2286/15 -, juris rn. 136, sowie beschluss vom 23. november 2016 - 2 a 3059/15 -, juris rn. 117. 142gemessen daran verstößt die in § 54 abs. 3 bauo nrw angelegte unterschiedliche behandlung von staatlich anerkannten sachverständigen nach § 87 abs. 2 satz 1 nr. 4 bauo nrw für die prüfung des brandschutzes bzw. öffentlich bestellten und vereidigten sachverständigen für vorbeugenden brandschutz nach § 36 gewo auf der einen seite und sonstigen personen, einschließlich zertifizierten sachverständigen für den vorbeugenden und gebäudetechnischen brandschutz, auf der anderen seite nicht gegen den allgemeinen gleichheitssatz gemäß art. 3 abs. 1 gg. zwischen zertifizierten sachverständigen, die der regelung in § 54 abs. 3 var. 3 bauo nrw unterfallen, und staatlich anerkannten bzw. öffentlich bestellten und vereidigten sachverständigen im sinne von § 54 abs. 3 var. 1 und 2 bauo nrw bestehen unterschiede, die unter berücksichtigung des schutzziels der norm die in dieser regelung angelegte differenzierung - auch in anbetracht der damit verbundenen auswirkungen auf die berufsausübung (art. 12 abs. 1 gg) der von § 54 abs. 3 var. 3 bauo nrw umfassten personen - rechtfertigen und angemessen erscheinen lassen. 143die in § 54 abs. 3 bauo nrw geregelten anforderungen dienen erkennbar dem zweck, sicherzustellen, dass die für in brandschutztechnischer hinsicht besonders anspruchsvollen baulichen anlagen erforderlichen und für die nutzer der baulichen anlagen äußerst sicherheitsrelevanten brandschutzkonzepte nur von dafür befähigten personen aufgestellt werden. 144vgl. vg minden, beschluss vom 28. januar 2022 - 9 k 6856/21 -, juris rn. 6. 145soweit der kläger vorträgt, etwaigen gefahren für die körperliche unversehrtheit der nutzer der baulichen anlagen durch nicht korrekt aufgestellte brandschutzkonzepte könne durch den genehmigungsvorbehalt der behörde und deren befugnis, fehlerhafte brandschutzkonzepte zurückzuweisen, begegnet werden, ändert dies an dem befund nichts, zumal brandschutzplaner für die von ihnen aufgestellten konzepte als fachplaner verantwortlich sind (§ 54 abs. 2 satz 2 bauo nrw). 146als staatlich anerkannte sachverständige für die prüfung des brandschutzes nach § 87 abs. 2 satz 1 nr. 4 bauo nrw werden nach § 3 abs. 1 der aufgrund von § 87 abs. 2 satz 1 nr. 4 bauo nrw erlassenen "verordnung über staatlich anerkannte sachverständige nach der landesbauordnung 2018" (im folgenden: sv-vo nrw) nur solche personen anerkannt, die die allgemeinen voraussetzungen nach § 3 sv-vo nrw und die zusätzlichen fachlichen voraussetzungen nach § 13 sv-vo nrw erfüllen. zu den allgemeinen voraussetzungen gehört nach § 3 abs. 2 satz 1 sv-vo nrw, dass die person mitglied in der architektenkammer nordrhein-westfalen oder der ingenieurkammer-bau nordrhein-westfalen ist. die öffentliche bestellung und vereidigung als sachverständiger setzt ebenfalls die mitgliedschaft in der architektenkammer nordrhein-westfalen voraus (§ 36 abs. 1 satz 1, abs. 3 nr. 1 und 2, abs. 4 satz 1 gewo, § 2 abs. 1 satz 3 nr. 8 gesetz über die architektenkammer nordrhein-westfalen und die ingenieurkammer-bau nordrhein-westfalen vom 1. dezember 2021 - im folgenden: baukag nrw n.f. - bzw. §§ 14 satz 1 nr. 8 und 39 abs. 1 satz 1 nr. 8 gesetz über den schutz der berufsbezeichnungen "architekt", "architektin", "stadtplaner" und "stadtplanerin" sowie über die architektenkammer, über den schutz der berufsbezeichnung "beratender ingenieur" und "beratende ingenieurin" sowie über die ingenieurkammer-bau vom 16. dezember 2003 - im folgenden: baukag a.f. - , je i.v.m. § 3 abs. 2 buchst. a) sachverständigenordnung der architektenkammer nrw). 147dabei handelt es sich nicht allein um ein formales kriterium; vielmehr kommt der voraussetzung auch ein materieller gehalt zu. die mitgliedschaft sowohl in der architektenkammer als auch in der ingenieurkammer-bau nordrhein-westfalen setzen nämlich einen bestimmten ausbildungsgrad voraus, im wesentlichen den erfolgreichen abschluss eines entsprechenden einschlägigen (regelmäßig auf architektur ausgerichteten bzw. technischen oder naturwissenschaftlichen) studiums (vgl. §§ 1 abs. 2, 20 abs. 1 nr. 2, abs. 2 nr. 2, abs. 3 baukag nrw n.f. / §§ 4, 12 abs. 1 satz 1 baukag nrw a.f. sowie § 1 abs. 3 bis 5 baukag nrw n.f. / §§ 37, 38, 29 abs. 1 und 2, 30 baukag nrw a.f. jeweils i.v.m. §§ 1 abs. 1, 2 ingg nrw). damit haben staatlich anerkannte bzw. öffentlich bestellte und vereidigte brandschutz-sachverständige zusätzlich zu den - für eine staatliche anerkennung bzw. öffentliche bestellung und vereidigung ebenfalls erforderlichen - nachgewiesenen theoretischen und praktischen speziellen kenntnissen im brandschutz - durch ihre insgesamt - etwa im vergleich zu betrieblichen brandschutzbeauftragten oder berufs- und werkfeuerwehrleuten - wesentlich breiter angelegte hochschul- oder fachhochschulausbildung über den reinen brandschutz hinaus einen umfassenderen baulich-technischen wissensstand erworben. 148vgl. hierzu ovg nrw, urteil vom 2. oktober 2003 - 21 a 2007/01 -, juris rn. 35, 41 f. und 44. 149es ist ohne weiteres eingängig, dass ein solches vorwissen gerade auch im hinblick auf die brandschutzplanung - insbesondere von komplexen baulichen anlagen - von bedeutung ist, die sich ja (wie bereits dargestellt) u.a. mit bauteilen und baustoffen (§ 9 abs. 2 satz 1 nr. 4 bauprüfvo nrw), mit den materiellen anforderungen des bauordnungsrechts und etwaigen ausgleichenden maßnahmen (§ 9 abs. 2 satz 1 nr. 17 bauprüfvo nrw) und mit verfahren und methoden des brandschutzingenieurwesens (§ 9 abs. 2 satz 1 nr. 18 bauprüfvo nrw) auseinanderzusetzen und eine zeichnerische darstellung der baulichen anforderungen unter angabe der technischen anforderungen zu enthalten hat (§ 9 abs. 2 satz 2 bauprüfvo nrw). vor diesem hintergrund erachtet es das gericht als eine zulässige typisierung, dass der gesetzgeber staatlich anerkannte bzw. öffentlich bestellte und vereidigte sachverständige für die aufstellung von brandschutzkonzepten als besonders qualifiziert und für die aufgabe als generell geeignet ansieht. dass im einzelfall auch das brandschutzkonzept etwa eines öffentlich bestellten und vereidigten sachverständigen unzureichend sein kann, und umgekehrt auch ein gutachten eines nicht öffentlich bestellten und vereidigten sachverständigen fachlich beanstandungsfrei und integer sein kann, ändert daran nichts. 150vgl. zu diesem gedanken bfh, urteil vom 5. dezember 2019 - ii r 9/18 -, juris rn. 21. 151dahingegen erfordert eine zertifizierung als sachverständiger für den vorbeugenden brandschutz ein solches studium oder einen anderweitig fest umrissenen bestimmten ausbildungsgrad nicht. 152vgl. etwa die eingangsvoraussetzungen der den kläger zertifizierenden stelle "iq-zert", wonach sich z.b. auch brandschutzbeauftragte mit mindestens zweijähriger praxis im vorbeugenden brandschutz oder berufs- und werkfeuerwehrleute zertifizieren lassen können oder "andere personen mit besonderen qualifikationen im brandschutz oder vergleichbare[r] qualifikation", abrufbar unter https://www.iq-zert.de/zertifizierung/brandschutz.html (abgerufen am 14. juli 2022). 153die zertifizierung nach der norm din en iso/iec 17024 durch eine nach dem akkreditierungsgesetz akkreditierte stelle dokumentiert zwar, dass im hinblick auf das verfahren der zertifizierung gewisse qualitätsstandards eingehalten wurden. die nationale akkreditierungsstelle setzt indes keine einheitlichen fachlichen standards. die zertifizierung selbst erfolgt nicht auf grund eines gesetzes oder einer verordnung, sondern auf grund des fachlichen anforderungsprofils der jeweiligen zertifizierungsstelle und ist mithin privatrechtlich geregelt. die fachlichen anforderungen an die zu zertifizierenden sachverständigen erstellt und verabschiedet jeder zertifizierer in eigener verantwortung. die zertifizierung erfolgt auf privatrechtlicher grundlage. 154vgl. rickert, in: pielow, beckok gewo, stand: juli 2018, § 36 rn. 5; bleutge, in: landmann/rohmer, gewerbeordnung, stand: februar 2021, § 36 rn. 20. 155auch dies unterscheidet sich von den in § 54 abs. 3 var. 1 und 2 bauo nrw geregelten sachverständigen, die auf öffentlich-rechtlicher grundlage durch - der aufsicht des landesbauministeriums unterstellte (§ 4 abs. 1 satz 1 baukag nrw n.f. / § 96 f. baukag nrw a.f.) - körperschaften des öffentlichen rechts (§ 1 abs. 1 satz 1 baukag nrw n.f. / §§ 12 abs. 2 satz 1, 37 abs. 2 satz 1 baukag nrw a.f.) anerkannt bzw. öffentlich bestellt und vereidigt werden (§ 2 abs. 1 satz 3 nr. 8 baukag nrw n.f. / §§ 14 satz 1 nr. 8, 9 und 39 abs. 1 satz 1 nr. 8, 9 baukag nrw a.f.) und unter berufsständischer aufsicht (§§ 33 f. baukag nrw n.f. / §§ 52 ff. baukag nrw a.f.) stehen. 156soweit der kläger zur auslegung von § 54 abs. 3 var. 3 bauo nrw auf inhalte einer "niederschrift über dienstbesprechungen mit den bauaufsichtsbehörden im oktober / november 2014" bezug nimmt, wonach bei sonstigen erstellern von brandschutzkonzepten nicht gefordert werden könne, dass diese "die gleichen voraussetzungen" erfüllen wie personen, die eine staatliche anerkennung als sachverständiger für die prüfung des brandschutzes besitzen, ergibt sich daraus keine andere bewertung. unabhängig von der frage der rechtlichen außenwirkung einer solchen besprechung und abgesehen davon, dass diese dienstbesprechungen offensichtlich vor der neuregelung in § 54 abs. 3 bauo nrw abgehalten wurden und sich auf verwaltungsvorschriften zu der abweichend formulierten vorgängerregelung (siehe hierzu unter (5)) bezogen, steht die daraus zitierte aussage nicht im widerspruch zu den oben beschriebenen maßstäben und zum inhalt der gesetzlichen regelung in § 54 abs. 3 var. 3 bauo nrw, denn auch darin wird nicht die identische qualifikation, sondern nur eine nach sachkunde und erfahrung vergleichbare eignung verlangt. 157dass diese eignung bei zertifizierten sachverständigen im wege einer einzelfallbetrachtung anhand des in rede stehenden bauvorhabens - so im übrigen auch bereits die vorstehend erwähnte niederschrift - gesondert zu prüfen ist, während staatlich anerkannte bzw. öffentlich bestellte und vereidigte sachverständige generell als geeignet gelten, ist angesichts der oben dargestellten unterscheide unter gleichheitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. nicht zu beanstanden ist insbesondere, dass - entsprechend des in der gesetzesbegründung zum ausdruck gekommenen gesetzgeberischen willens - von der in § 54 abs. 3 var. 3 bauo nrw geregelten personengruppe, einschließlich zertifizierten sachverständigen, in anbetracht ihrer insgesamt deutlich heterogeneren theoretischen vorbildung eine praktische erfahrung mit der brandschutzplanung vergleichbarer objekte verlangt wird. vor allem bei personen, die - wie der kläger - über keinen entsprechenden einschlägigen studienabschluss verfügen, kann dies im wege einer gesamtbetrachtung der eignung durch praktische erfahrungen gleichsam kompensiert werden. der einwand, bei staatlich anerkannten bzw. öffentlich bestellten und vereidigten sachverständigen werde eine solche erfahrung nicht nochmals im einzelfall geprüft, übersieht dies und beansprucht selektiv, zwar im hinblick auf den ausbildungsabschluss (betrifft die "sachkunde") ein anderes vorbildungsniveau vorweisen zu dürfen, hinsichtlich der anforderungen an die praktische erfahrung aber mit staatlich anerkannten bzw. öffentlich bestellten und vereidigten sachverständigen gleich behandelt zu werden. 158(5) insofern führt auch der verweis des klägers auf die zu der vorgängervorschrift von § 54 abs. 3 bauo nrw erlassenen verwaltungsvorschriften nicht weiter. die regelung über die aufstellung von brandschutzkonzepten in § 54 abs. 3 bauo nrw wurde durch das gesetz zur modernisierung des bauordnungsrechts in nordrhein-westfalen - baurechtsmodernisierungsgesetz (baumodg nrw) - vom 21. juli 2018 (gv. nrw. s. 421) neu gefasst. zuvor bestimmte § 58 abs. 3 der bis dahin geltenden bauo nrw 2000 vom 1. märz 2000 (im folgenden: bauo nrw a.f.) nur, dass brandschutzkonzepte für bauliche anlagen von staatlich anerkannten sachverständigen aufgestellt werden sollten. die gemäß § 36 gewo öffentlich bestellten und vereidigten sachverständigen für den baulichen brandschutz waren ihnen nach § 9 abs. 1 satz 3 bauprüfvo nrw in der fassung vom 6. dezember 1995 hinsichtlich der aufstellung von brandschutzkonzepten gleichgestellt. in der verwaltungsvorschrift zu § 58 abs. 3 bauo nrw a.f. (rderl. d. ministeriums für städtebau und wohnen, kultur und sport vom 12. oktober 2000 - ii a 3 - 100/85, mbl. nrw. ausgabe 2000 nr. 71 vom 23. november 2000) war überdies vorgesehen, dass neben den sachverständigen "im einzelfall" auch weitere personen in betracht kommen konnten, deren brandschutzkonzepte "von den bauaufsichtsbehörden akzeptiert werden". dabei sollte es sich ausweislich der verwaltungsvorschrift um personen handeln, deren jeweilige ausbildung und berufliche erfahrung sie als hinreichend qualifiziert im sinne des regelungsziels des § 58 abs. 3 bauo nrw a.f. erscheinen lasse. die verwaltungsvorschrift enthielt hierzu eine beispielhafte aufzählung. 159die frage, ob und inwieweit verwaltungsvorschriften außenwirkung zukommt 160- vgl. hierzu schmitz, in: stelkens/bonk/sachs, vwvfg, 9. auflage 2018, § 1 rn. 212 ff.; geis, in: schoch/schneider, verwaltungsrecht, stand: april 2022, § 40 vwvfg rn. 172 ff. -, 161und konkret diese - vor der neuregelung in § 54 abs. 3 bauo nrw erlassene - verwaltungsvorschrift zur auslegung von § 54 abs. 3 var. 3 bauo nrw herangezogen werden kann, bedarf schon deshalb keiner vertiefung, weil auch sie ausdrücklich eine einzelfall-betrachtung durch die bauaufsichtsbehörden vorsah. auch gehört der kläger nicht zu einer der in der verwaltungsvorschrift aufgezählten personengruppen. 162iii. die kostenentscheidung beruht auf §§ 154 abs. 1, 155 abs. 2 vwgo. die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 vwgo, 708 nr. 11, 711 zpo.
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3 K 744/20 KV
2022-07-22T00:00:00
Urteil
Tenor Es wird festgestellt, dass die den Kläger betreffenden Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom 05.06.2019 (Az.: 1470/19), 16.12.2019 (Az.: 2941/19), 24.01.2020 (Az.: 267/20) und 28.01.2020 (Az.: 325/20) und die die Klägerin betreffende Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 24.01.2020 (Az.: 268/20) rechtswidrig waren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger und der Beklagte je zur Hälfte. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, soweit nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. 1Tatbestand: 2Streitig ist, ob die Rechtswidrigkeit von sechs Pfändungs- und Einziehungsverfügungen festzustellen ist. 3Am 05.06.2019 richtete der Beklagte zwei Pfändungs- und Einziehungsverfügungen an die A Bank, mit denen er wegen Rückständen i.H.v. 1.649,61 € sämtliche Konten und Ansprüche des Klägers (Az. 1470/19) bzw. der Klägerin (Az. 1473/19) aus der Geschäftsbeziehung zu dem Bankinstitut pfändete. Bezüglich der Klägerin teilte die A Bank mit, dass es keine Geschäftsbeziehung gebe. Bezüglich des Klägers erkannte die Bank die Pfändung an und zahlte den gepfändeten Betrag am 08.07.2019 an den Beklagten aus. Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung 1470/19 wurde daraufhin am 09.07.2019 aufgehoben. 4Am 16.12.2019 (Az. 2941/19) wurden die Konten des Klägers bei der A Bank erneut gepfändet, und zwar wegen Steuerrückständen i.H.v. 4.031,59 € (im Wesentlichen bestehend aus Säumniszuschlägen zur Einkommensteuer 2001). Der Kläger erhob hiergegen am 07.01.2020 Sprungklage, die als Einspruch behandelte wurde. Am 27.01.2020 zahlte die Drittschuldnerin den offenen Betrag an den Beklagten, woraufhin der Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 13.05.2020 als unzulässig verworfen wurde. 5Mit Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom 24.01.2020 pfändete der Beklagte auch sämtliche Konten und Ansprüche aus der Geschäftsbeziehung des Klägers zu der B Bank (Az. 267/20) bzw. aus der Geschäftsbeziehung der Klägerin zu der C Bank (Az. 268/20), und zwar jeweils wegen Steuerrückständen i.H.v. 5.821,59 €. In diesem Betrag sind die Steuerschulden, die Gegenstand der gegenüber der A Bank ergangenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung 2941/19 waren, enthalten. Die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen 267/20 und 268/20 erledigten sich dadurch, dass die A Bank – wie bereits dargestellt – am 27.01.2020 4.031,59 € an den Beklagten überwies und der Restbetrag von der Tochter der Kläger überwiesen wurde (1.756 € am 28.01.2020 und 64,11 € am 11.02.2020). Auch gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen 267/20 und 268/20 hatten die Kläger Sprungklagen erhoben, welche als Einspruch behandelt und mit Einspruchsentscheidungen vom 13.05.2020 als unzulässig verworfen wurden. 6Am 28.01.2020 (Az. 325/20) pfändete der Beklagte erneut die Konten des Klägers bei der A Bank, und zwar diesmal wegen Steuerrückständen i.H.v. 893,11 €. Es handelt sich hierbei um Aussetzungszinsen zur Einkommensteuer / Solidaritätszuschlag 2001, welche bis zum 05.12.2019 zu entrichten waren. Die Zahlung war mit Schreiben vom 23.12.2019 angemahnt worden; eine Vollstreckungsankündigung erging nicht. Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung erledigte sich dadurch, dass die Tochter der Kläger am 07.02.2020 893,11 € an den Beklagten überwies. Der eingelegte Einspruch wurde als unzulässig verworfen. 7Weder die o.g. sechs Pfändungs- und Einziehungsverfügungen noch die entsprechenden Mitteilungen an die Kläger enthalten Ermessenserwägungen. Solche ergeben sich auch nicht aus den übersandten Akten. 8Am 25.03.2020 haben die Kläger Klage erhoben, mit der sie die Rechtswidrigkeit der o.g. sechs Pfändungs- und Einziehungsverfügungen rügen. Im Wege einer Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO werde die Feststellung von deren Rechtswidrigkeit beantragt. Zudem seien sämtliche rechtswidrig eingezogenen Zinsen und Säumniszuschläge, die sich in der Summe auf 6.518,48 € belaufen würden, zu erstatten. 9Zu der zum Az. 1473/19 ergangenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 05.06.2019 sei anzumerken, dass diese nicht „ins Leere gegangen“ sei. Vielmehr habe “die Drittschuldnerin Bank A dem Beklagten aufgrund dieser Pfändung den durch diesen gepfändeten Betrag ausgezahlt“ (Zitat aus dem Schriftsatz der Kläger vom 05.07.2022). Ein Feststellungsinteresse sei schon deshalb zu bejahen, weil der Beklagte die Kosten einer rechtswidrigen Pfändungs- und Einziehungsverfügung zu tragen habe. 10Die Rechtswidrigkeit der einzelnen Pfändungs- und Einziehungsverfügungen ergebe sich u.a. daraus, dass es für die in der jeweiligen „Rückstandsaufstellung“ genannten Einzelbeträge an Säumniszuschlägen und Zinsen keine Bescheide als Rechtsgrundlage gebe. Außerdem habe der Beklagte die Konten, die mit den streitgegenständlichen Pfändungs- und Einziehungsverfügung gepfändet worden seien, durch einen rechtswidrigen Kontenabruf nach § 93 b AO ermittelt, und teilweise seien vor der Pfändung keine Mahnungen oder Vollstreckungsankündigungen versendet worden. Hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung der Kläger sowie zu der Berechnung des Betrags von 6.518,48 € wird auf die Ausführungen in der Klageschrift und im Schriftsatz vom 05.07.2022 Bezug genommen. 11Der zur mündlichen Verhandlung nicht erschienene Kläger beantragt, 12festzustellen, dass die ihn betreffenden Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom 05.06.2019, 16.12.2019, 24.01.2020 und 28.01.2020 rechtswidrig sind 13sowie den Beklagten zu verpflichten, den aufgrund der o.g. Pfändungs- und Einziehungsverfügungen bereits eingezogenen Betrag von 6.518,48 € an ihn zu erstatten. 14Die ebenfalls zur mündlichen Verhandlung nicht erschienene Klägerin beantragt, 15festzustellen, dass die sie betreffenden Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom 05.06.2019 und 24.01.2020 rechtswidrig sind. 16Der Beklagte beantragt, 17die Klage abzuweisen. 18Er ist der Auffassung, dass die Klage bereits unzulässig sei, da es an einem besonderen Feststellungsinteresse fehle. Zudem sei die Klage auch unbegründet. Die streitgegenständlichen Pfändungs- und Einziehungsverfügungen seien rechtmäßig ausgesprochen. 19Insbesondere sei es unschädlich, dass weder die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen noch die hierzu ergangenen internen Verfügungen Ermessenserwägungen enthalten würden. Solche seien nicht erforderlich gewesen, da die Kläger sowohl Kenntnis von den Steuerrückständen als auch von der Möglichkeit von Vollstreckungsmaßnahmen bei Nichtzahlung gehabt hätten. Zudem habe sich die ausdrückliche Darlegung von Ermessenserwägungen schon deshalb erübrigt, weil er – der Beklagte – „sich bewusst für das mildeste Instrument einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung entschieden habe“ (Zitat aus Schriftsatz vom 22.06.2022). Eine Kontenpfändung sei für den Vollstreckungsschuldner deutlich weniger belastend als z.B. die Pfändung von Arbeitseinkommen oder die Pfändung von Bauspar- und Lebensversicherungen. 20Auch habe keine Verpflichtung bestanden, vor der Vollstreckung Mahnungen und Vollstreckungsankündigungen zu versenden. Eine Mahnung sei keine unerlässliche Voraussetzung der Vollstreckung und berühre daher die Wirksamkeit einer Vollstreckungsmaßnahme nicht (BFH, Urteil vom 04.10.1983 – VII R 16/82 und vom 03.02.1970 – VII R 67/67). § 259 AO bestimme lediglich, dass der Vollstreckungsschuldner in der Regel vor Beginn der Vollstreckung mit einer Zahlungsfrist von einer Woche gemahnt werden solle (Ermessensvorschrift). Ebenso wenig gebe es eine gesetzliche Regelung, die die Versendung einer Vollstreckungsankündigung vor Einleitung der Vollstreckung verlange. Insbesondere finde § 63 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW) keine Anwendung, da die getroffene Beitreibungsmaßnahme kein Zwangsmittel i.S.d. § 57 VwVG NRW sei. Zweck einer Vollstreckungsankündigung sei es, die Ernsthaftigkeit der Situation zu verdeutlichen. Sie könne von der Vollstreckungsstelle ausgebracht werden, wenn damit zu rechnen sei, dass der Schuldner daraufhin leisten werde. Da die Kläger bereits auf die Mahnungen vom 23.09.2019 und 15.11.2019 sowie die Vollstreckungsankündigung vom 28.10.2019 nicht vollständig gezahlt hätten, erscheine es ermessensgerecht, Beitreibungsmaßnahmen auch ohne weitere Mahnung und Vollstreckungsankündigung auszubringen. 21Dem stehe auch nicht der von den Klägern herangezogene Grundsatz der „Selbstbindung der Verwaltung“ entgegen, und zwar schon deshalb nicht, weil er – der Beklagte – keinesfalls stets Vollstreckungsankündigungen versende, sondern hiervon in geeigneten Fällen auch Ausnahmen mache. Auch wenn die Kläger früher Mahnungen und Vollstreckungsankündigungen erhalten hätten, könnten sie hieraus keinen Vertrauensschutz ableiten, da derjenige, der sich fortgesetzt weigere, fällige Beträge zu bezahlen, damit rechnen müsse, dass das Finanzamt zukünftig vom Versenden zusätzlicher Mahnungen und Vollstreckungsankündigungen absehen werde. 22Die Verpflichtung des Finanzamts, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig zu erheben (§ 85 Satz 1 AO), erfordere eine konsequente Vollstreckung. Es seien daher zeitnah alle möglichen Vollstreckungsmaßnahmen zu ergreifen, die geeignet seien, den angestrebten Erfolg – d.h. die zumindest teilweise Tilgung der Rückstände - zu erreichen. Dabei es auch zulässig, mehrere Vollstreckungsmaßnahmen gleichzeitig zu ergreifen (Abschn. 23 Abs. 3 Satz 1 der Vollstreckungsanweisung -VollstrA-). 23Rechtsgrundlage für das im Januar 2020 durchgeführte Kontenabrufersuchen sei § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 AO. Ein vorheriges Auskunftsersuchen an die Kläger sei nicht erfolgversprechend gewesen und hätte die Vollstreckungsmaßnahmen möglicherweise sogar gefährdet. 24Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung und der Ermessenserwägungen wird auf die Schriftsätze des Beklagten vom 13.05.2020 und 22.06.2022 Bezug genommen. 25Entscheidungsgründe: 26A. Das Gericht war durch das Nichterscheinen der Kläger zur mündlichen Verhandlung nicht an einer Entscheidung gehindert. Hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung im Urteil vom 22.07.2022 zum Parallelverfahren 3 K 2405/19 E Bezug genommen. 27B. Die auf Erstattung der eingezogenen bzw. freiwillig gezahlten Säumniszuschläge und Zinsen gerichtete Klage hat keinen Erfolg. 28Ist eine Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrages (§ 37 Abs. 2 Satz 1 AO). Ohne rechtlichen Grund gezahlt ist eine Steuer, wenn der rechtliche Grund entweder von Anfang an fehlt oder später wegfällt (§ 37 Abs. 2 Satz 2 AO). 291) Unabhängig davon, ob die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs im Streitfall vorliegen, fehlt es jedenfalls an den formalen Voraussetzungen für dessen Geltendmachung. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kann eine auf Zahlung gerichtete Leistungsklage nur dann Erfolg haben, wenn der Auszahlungsanspruch zuvor aufgrund eines abgeschlossenen Vorverfahrens durch Verwaltungsakt – nämlich durch einen Bescheid i.S. des § 218 Abs. 1 AO - festgesetzt worden ist und nur dessen Verwirklichung (Erfüllung) noch aussteht (z.B. Urteil vom 12.06.1986 - VII R 103/83, BStBl II 1986, 702, Beschluss vom 21.02.1992 – V B 75/91, BFH/NV 1992, 678 m.w.N., Urteil vom 30.11.1999 – VII R 97/98, BFH/NV 2000, 412, Beschluss vom 10.05.2007 – VII B 195/06, juris). Im Streitfall existiert jedoch kein Bescheid, in dem festgestellt wird, dass der Kläger – wie von ihm geltend gemacht wird - gegen den Beklagten einen Anspruch auf (Rück)Zahlung von Säumniszuschlägen und Zinsen i.H.v. 6.518,48 € hat. 302) Der Leistungsantrag hat auch unter dem Gesichtspunkt der Folgenbeseitigung (Rückgängigmachung der durch die Vollstreckungsmaßnahme bewirkten Vermögensverschiebung) keinen Erfolg. Insoweit ist zu beachten, dass für die Beantwortung der Frage, ob eine Zahlung ohne rechtlichen Grund i.S.d. § 37 Abs. 2 AO erfolgt ist, nicht auf die Pfändungs- und Einziehungsverfügung abzustellen ist, sondern die der Pfändung zugrundeliegenden Steuerbescheide (bzw. - bei den kraft Gesetzes entstehenden Säumniszuschlägen - die Vorschrift des § 240 AO) den Grund für das Behaltendürfen der eingezogenen Gelder darstellen. Deshalb ist der Erstattungsanspruch auch dann durch Abrechnungsbescheid i.S.d. § 218 Abs. 2 AO festzustellen, wenn Gelder durch eine rechtswidrige Vollstreckungsmaßnahme erlangt worden sind. Eine Ausnahme hiervon gilt nur dann, wenn die Vollstreckungsmaßnahme gegen ein Pfändungs- und Vollstreckungsverbot verstoßen hat. In diesem Fall muss das Finanzamt das Erlangte an den Vollstreckungsschuldner herausgeben, da das Vollstreckungsverbot anderen falls keinerlei Schutzwirkung für den dadurch unmittelbar oder mittelbar begünstigten Vollstreckungsschuldner entfalten könnte (BFH, Beschluss vom 11.04.2001 – VII B 304/00, BStBl II 2001, 525). 31Nach diesen Grundsätzen kann der Kläger die Rückzahlung der vom Beklagten vereinnahmten Summe von 6.518,48 € nicht als Folgenbeseitigung beanspruchen. Denn weder rügt er einen Verstoß gegen ein Pfändungs- und Vollstreckungsverbot noch ist ein solcher Verstoß anderweitig ersichtlich. Die „einfache“ Rechtswidrigkeit einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung reicht - wie dargestellt - nicht aus, um eine von der (Steuer)Bescheidlage losgelöste Rückzahlungspflicht der Vollstreckungsbehörde zu begründen. 32C. I. Soweit die Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügungen begehrt wird, ist die Klage - außer betreffend die zum Az. 1473/19 ergangene Pfändungs- und Einziehungsverfügung (hierzu unter 2) - zulässig. 331) Dadurch, dass die Steuerforderungen, aufgrund derer die Vollstreckung betrieben wurde, durch freiwillige Zahlungen bzw. Drittschuldnerzahlungen erloschen sind, haben sich die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen erledigt. Erledigte Verwaltungsakte können (zulässig) weder mit dem Einspruch noch mit einer Anfechtungsklage angefochten werden. Tritt die Erledigung bereits während des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens oder – bei noch laufender Einspruchsfrist – sogar schon vor der Einspruchseinlegung ein, kann mit einer Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO die Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts begehrt werden (z.B. BFH, Beschluss vom 11.04.2001 – VII B 304/00, BStBl II 2001, 525). Lediglich dann, wenn der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Erledigung bereits bestandskräftig gewesen war oder ein Einspruch aus anderen Gründen nicht (mehr) zulässig gewesen wäre, ist eine Fortsetzungsfeststellungsklage ausgeschlossen. Im Streitfall war im Zeitpunkt der jeweiligen Erledigung noch keine Bestandskraft eingetreten. Gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen 2941/19, 267/20, 268/20 und 325/20 wurde fristgerecht Einspruch eingelegt und bezüglich der Pfändungs- und Einziehungsverfügung 1470/19 war die Einspruchsfrist im Zeitpunkt der Erledigung noch nicht abgelaufen. 34Bei vorprozessualer Erledigung eines vor Eintritt der Bestandskraft unwirksam gewordenen Verwaltungsaktes unterliegt die Fortsetzungsfeststellungsklage keiner Klagefrist (vgl. BFH, Urteil vom 24.02.1989 - III R 36/88, BStBl II 1989, 445). Sie ist gemäß § 100 Abs. 1 S. 4 FGO jedoch nur zulässig, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines zurückgenommenen oder anders erledigten Verwaltungsaktes hat. Für das berechtigte Interesse genügt jedes konkrete, vernünftigerweise anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art. Bei hoheitlichen Maßnahmen wie z.B. Pfändungs- und Einziehungsverfügungen, die nicht unwesentlich in den Grundrechtsbereich des Betroffenen eingreifen, sich aber typischerweise kurzfristig erledigen, ist das besondere Feststellungsinteresse regelmäßig zu bejahen. Denn ansonsten wäre eine gerichtliche Überprüfung der Maßnahme und eine Beseitigung ihrer Folgen in der von der Prozessordnung gegebenen Instanz kaum möglich, was einen mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht zu vereinbarenden Ausschluss jeglichen Rechtsschutzes zur Folge hätte (vgl. BFH, Urteil vom 11.12.2007 – VII R 52/06, BFH/NV 2008, 749). Entsprechend dieser Grundsätze ist auch im Streitfall das besondere Feststellungsinteresse zu bejahen. Hinzu kommt, dass der Beklagte regelmäßig – auch über den Streitfall hinaus – Konten der Kläger pfändet und somit Wiederholungsgefahr besteht. 352) Ungeachtet dessen ist die Klage unzulässig, soweit sie die mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 05.06.2019 erfolgte Pfändung von Konten der Klägerin bei der A Bank (Az.: 1473/19) betrifft. Da die Klägerin mit dieser Bank keine Geschäftsbeziehung unterhielt, ist die Pfändung ins Leere gegangen. Soweit die Kläger mit Schriftsatz vom 06.07.2022 das Gegenteil behaupten – nämlich, dass die Pfändung nicht ins Leere gegangen sei, sondern die Bank den gepfändeten Betrag ausgezahlt habe – wird dieser Vortrag durch das Schreiben der A Bank vom 02.07.2019 widerlegt. Darin weist die Bank die Pfändung „mangels Geschäftsbeziehung“ zur Klägerin ausdrücklich zurück. 36Durch eine ins Leere gegangene Pfändung wird der Vollstreckungsschuldner nicht beschwert. Bezogen auf den Streitfall hat dies zur Folge, dass die Klägerin gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung 1473/19 keinen (zulässigen) Einspruch einlegen konnte und deshalb auch keine (zulässige) Fortsetzungsfeststellungsklage erhoben werden konnte. Eine Fortsetzungsfeststellungsklage ist nur statthaft, wenn gegen den Verwaltungsakt vor dessen Erledigung zulässig Einspruch/Klage eingelegt/erhoben wurde oder – bei Wegdenken der Erledigung – noch zulässig hätte eingelegt/erhoben werden können. 37II. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist – soweit sie zulässig ist – auch begründet. 38Die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen 1470/19, 2941/19, 267/20, 268/20 und 325/20 sind rechtswidrig. Dabei kann dahinstehen, ob die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen der §§ 249, 251, 254 AO vorlagen. Denn es fehlt zumindest an einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung. 391) Wenngleich es zweifelhaft ist, ob den Finanzbehörden für das „Ob“ der Vollstreckung ein Ermessen eingeräumt ist (vgl. hierzu BFH, Urteil vom 22.10.2002 - VII R 56/00, BStBl II 2003, 109, unter 3 b), so liegt gleichwohl die Entscheidung über die weiteren Fragen des „Wann“ und des „Wie“ der Vollstreckung im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörden; dabei ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Ist - wie im Bereich der Auswahl zwischen verschiedenen möglichen Vollstreckungsmaßnahmen nach § 249 AO - für die Finanzbehörde ein Ermessensspielraum eröffnet, so hat sie nach § 5 AO das Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Die Behörde muss ihre Maßnahmen in jedem Einzelfall auf das unumgänglich Notwendige beschränken und prüfen, welche der zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeigneten Maßnahmen den Betroffenen am wenigsten belasten (BFH, Urteil vom 24.09.1991 - VII R 34/90, BStBl II 1992, 57). 40Damit der Betroffene und gegebenenfalls die Gerichte die Ermessenserwägungen der Finanzbehörde überprüfen können, muss eine Ermessensentscheidung grundsätzlich begründet werden. Die Begründung muss zeigen, dass die Finanzbehörde den Ermessensspielraum erkannt hat und von welchen Gesichtspunkten sie bei ihrer Ermessensentscheidung ausgegangen ist. Zwar ist unter den Voraussetzungen des § 121 Abs. 2 AO oder in Fällen, in denen die Ermessenserwägungen dem Betroffenen bereits bekannt sind, eine Begründung der Entscheidung nicht erforderlich. Daneben ist in bestimmten Bereichen des den Finanzbehörden eingeräumten Ermessens wie z.B. der Anordnung von Außenprüfungen die Ermessensentscheidung in einer Weise vorgeprägt, die eine besondere Begründung in der Regel entbehrlich macht. Der Bereich der Vollstreckung nach den Vorschriften der §§ 249 ff. AO zählt hierzu jedoch nicht (vgl. zu allem Niedersächsisches Finanzgericht, Beschluss vom 25.07.2014 – 15 V 164/14, EFG 2014, 1838). 412) Nach diesen Grundsätzen waren die angefochtenen Pfändungs- und Einziehungsverfügungen rechtswidrig, weil der Beklagte bei deren Erlass bzw. Änderung nicht diejenigen Erwägungen dargelegt hat, die der Auswahl und den Zeitpunkt der Vollstreckungsmaßnahme zugrunde lagen. Insbesondere enthalten die Mitteilungen, mit denen der Beklagte die Kläger über den Erlass von Pfändungs- und Einziehungsverfügungen gegenüber dem einzelnen Banken unterrichtet hat, keine Ermessenserwägungen. Aus den vorliegenden Akten ist nicht einmal erkennbar, ob dem Sachbearbeiter des Beklagten überhaupt bewusst war, dass er Ermessen auszuüben hatte. Es liegt damit ein Fall des sog. Ermessensnichtgebrauchs vor. 423) Der Beklagte war auch nicht berechtigt, die Ermessenserwägungen im Klageverfahren nachzuholen. Eine Ergänzung von Ermessenserwägungen nach § 102 Satz 2 FGO ist nur möglich, solange der Verwaltungsakt noch wirksam ist, und kommt deshalb bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage nicht in Betracht (BFH, Urteil vom 17.01.2017 – VIII R 52/14, BStBl II 2018, 740). Ungeachtet dessen würden die vom Beklagten im Schriftsatz vom 22.06.2022 dargelegten Ermessenserwägungen einer gerichtlichen Prüfung auch nicht standhalten, da es sich bei der Pfändung in Bankkonten keinesfalls um „die mildeste Form einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung“ handelt. Vielmehr stellt diese Art der Zwangsvollstreckung aufgrund der hierdurch typischerweise ausgelösten Folgen (u.a. Kündigung des Vertragsverhältnisses durch die Bank, Minderung der Kreditwürdigkeit des Vollstreckungsschuldners wegen Meldung an die SchuFa, Gefährdung sonstiger Vertragsverhältnisse durch Zahlungsverzug) regelmäßig die den Vollstreckungsschuldner am meisten belastende Form der Zwangsvollstreckung dar. 43Im Streitfall gilt dies in besonderem Maße bei Vergleich mit der – vom Beklagten in keiner Weise in Betracht gezogenen – Möglichkeit der Pfändung der erheblichen Pensions- und Rentenansprüche, welche für die Kläger (außer der Minderung der an sie ausgezahlten Leistungen) keine weiteren Folgen gehabt hätte. Soweit der Beklagte im Klageverfahren darauf verweist, dass Lohnpfändungen bei Arbeitnehmern die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber zur Folge haben könnten, vermag dies selbst bei aktiven Arbeitsverhältnissen angesichts weitgreifender Kündigungsschutzvorschriften kaum zu überzeugen. Bei Rentnern bzw. Pensionären kann es zu der vom Beklagten „befürchteten“ Kündigung schon deshalb nicht kommen, weil der Versorgungsträger kein Kündigungsrecht hat. 44D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.
es wird festgestellt, dass die den kläger betreffenden pfändungs- und einziehungsverfügungen vom 05.06.2019 (az.: 1470/19), 16.12.2019 (az.: 2941/19), 24.01.2020 (az.: 267/20) und 28.01.2020 (az.: 325/20) und die die klägerin betreffende pfändungs- und einziehungsverfügung vom 24.01.2020 (az.: 268/20) rechtswidrig waren. im übrigen wird die klage abgewiesen. die kosten des verfahrens tragen die kläger und der beklagte je zur hälfte. das urteil ist hinsichtlich der kosten ohne sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. der beklagte kann die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe des kostenerstattungsanspruchs der kläger abwenden, soweit nicht die kläger vor der vollstreckung sicherheit in gleicher höhe leisten. 1
2streitig ist, ob die rechtswidrigkeit von sechs pfändungs- und einziehungsverfügungen festzustellen ist. 3am 05.06.2019 richtete der beklagte zwei pfändungs- und einziehungsverfügungen an die a bank, mit denen er wegen rückständen i.h.v. 1.649,61 € sämtliche konten und ansprüche des klägers (az. 1470/19) bzw. der klägerin (az. 1473/19) aus der geschäftsbeziehung zu dem bankinstitut pfändete. bezüglich der klägerin teilte die a bank mit, dass es keine geschäftsbeziehung gebe. bezüglich des klägers erkannte die bank die pfändung an und zahlte den gepfändeten betrag am 08.07.2019 an den beklagten aus. die pfändungs- und einziehungsverfügung 1470/19 wurde daraufhin am 09.07.2019 aufgehoben. 4am 16.12.2019 (az. 2941/19) wurden die konten des klägers bei der a bank erneut gepfändet, und zwar wegen steuerrückständen i.h.v. 4.031,59 € (im wesentlichen bestehend aus säumniszuschlägen zur einkommensteuer 2001). der kläger erhob hiergegen am 07.01.2020 sprungklage, die als einspruch behandelte wurde. am 27.01.2020 zahlte die drittschuldnerin den offenen betrag an den beklagten, woraufhin der einspruch mit einspruchsentscheidung vom 13.05.2020 als unzulässig verworfen wurde. 5mit pfändungs- und einziehungsverfügungen vom 24.01.2020 pfändete der beklagte auch sämtliche konten und ansprüche aus der geschäftsbeziehung des klägers zu der b bank (az. 267/20) bzw. aus der geschäftsbeziehung der klägerin zu der c bank (az. 268/20), und zwar jeweils wegen steuerrückständen i.h.v. 5.821,59 €. in diesem betrag sind die steuerschulden, die gegenstand der gegenüber der a bank ergangenen pfändungs- und einziehungsverfügung 2941/19 waren, enthalten. die pfändungs- und einziehungsverfügungen 267/20 und 268/20 erledigten sich dadurch, dass die a bank – wie bereits dargestellt – am 27.01.2020 4.031,59 € an den beklagten überwies und der restbetrag von der tochter der kläger überwiesen wurde (1.756 € am 28.01.2020 und 64,11 € am 11.02.2020). auch gegen die pfändungs- und einziehungsverfügungen 267/20 und 268/20 hatten die kläger sprungklagen erhoben, welche als einspruch behandelt und mit einspruchsentscheidungen vom 13.05.2020 als unzulässig verworfen wurden. 6am 28.01.2020 (az. 325/20) pfändete der beklagte erneut die konten des klägers bei der a bank, und zwar diesmal wegen steuerrückständen i.h.v. 893,11 €. es handelt sich hierbei um aussetzungszinsen zur einkommensteuer / solidaritätszuschlag 2001, welche bis zum 05.12.2019 zu entrichten waren. die zahlung war mit schreiben vom 23.12.2019 angemahnt worden; eine vollstreckungsankündigung erging nicht. die pfändungs- und einziehungsverfügung erledigte sich dadurch, dass die tochter der kläger am 07.02.2020 893,11 € an den beklagten überwies. der eingelegte einspruch wurde als unzulässig verworfen. 7weder die o.g. sechs pfändungs- und einziehungsverfügungen noch die entsprechenden mitteilungen an die kläger enthalten ermessenserwägungen. solche ergeben sich auch nicht aus den übersandten akten. 8am 25.03.2020 haben die kläger klage erhoben, mit der sie die rechtswidrigkeit der o.g. sechs pfändungs- und einziehungsverfügungen rügen. im wege einer fortsetzungsfeststellungsklage nach § 100 abs. 1 satz 4 fgo werde die feststellung von deren rechtswidrigkeit beantragt. zudem seien sämtliche rechtswidrig eingezogenen zinsen und säumniszuschläge, die sich in der summe auf 6.518,48 € belaufen würden, zu erstatten. 9zu der zum az. 1473/19 ergangenen pfändungs- und einziehungsverfügung vom 05.06.2019 sei anzumerken, dass diese nicht „ins leere gegangen“ sei. vielmehr habe “die drittschuldnerin bank a dem beklagten aufgrund dieser pfändung den durch diesen gepfändeten betrag ausgezahlt“ (zitat aus dem schriftsatz der kläger vom 05.07.2022). ein feststellungsinteresse sei schon deshalb zu bejahen, weil der beklagte die kosten einer rechtswidrigen pfändungs- und einziehungsverfügung zu tragen habe. 10die rechtswidrigkeit der einzelnen pfändungs- und einziehungsverfügungen ergebe sich u.a. daraus, dass es für die in der jeweiligen „rückstandsaufstellung“ genannten einzelbeträge an säumniszuschlägen und zinsen keine bescheide als rechtsgrundlage gebe. außerdem habe der beklagte die konten, die mit den streitgegenständlichen pfändungs- und einziehungsverfügung gepfändet worden seien, durch einen rechtswidrigen kontenabruf nach § 93 b ao ermittelt, und teilweise seien vor der pfändung keine mahnungen oder vollstreckungsankündigungen versendet worden. hinsichtlich der einzelheiten der begründung der kläger sowie zu der berechnung des betrags von 6.518,48 € wird auf die ausführungen in der klageschrift und im schriftsatz vom 05.07.2022 bezug genommen. 11der zur mündlichen verhandlung nicht erschienene kläger beantragt, 12festzustellen, dass die ihn betreffenden pfändungs- und einziehungsverfügungen vom 05.06.2019, 16.12.2019, 24.01.2020 und 28.01.2020 rechtswidrig sind 13sowie den beklagten zu verpflichten, den aufgrund der o.g. pfändungs- und einziehungsverfügungen bereits eingezogenen betrag von 6.518,48 € an ihn zu erstatten. 14die ebenfalls zur mündlichen verhandlung nicht erschienene klägerin beantragt, 15festzustellen, dass die sie betreffenden pfändungs- und einziehungsverfügungen vom 05.06.2019 und 24.01.2020 rechtswidrig sind. 16der beklagte beantragt, 17die klage abzuweisen. 18er ist der auffassung, dass die klage bereits unzulässig sei, da es an einem besonderen feststellungsinteresse fehle. zudem sei die klage auch unbegründet. die streitgegenständlichen pfändungs- und einziehungsverfügungen seien rechtmäßig ausgesprochen. 19insbesondere sei es unschädlich, dass weder die pfändungs- und einziehungsverfügungen noch die hierzu ergangenen internen verfügungen ermessenserwägungen enthalten würden. solche seien nicht erforderlich gewesen, da die kläger sowohl kenntnis von den steuerrückständen als auch von der möglichkeit von vollstreckungsmaßnahmen bei nichtzahlung gehabt hätten. zudem habe sich die ausdrückliche darlegung von ermessenserwägungen schon deshalb erübrigt, weil er – der beklagte – „sich bewusst für das mildeste instrument einer pfändungs- und einziehungsverfügung entschieden habe“ (zitat aus schriftsatz vom 22.06.2022). eine kontenpfändung sei für den vollstreckungsschuldner deutlich weniger belastend als z.b. die pfändung von arbeitseinkommen oder die pfändung von bauspar- und lebensversicherungen. 20auch habe keine verpflichtung bestanden, vor der vollstreckung mahnungen und vollstreckungsankündigungen zu versenden. eine mahnung sei keine unerlässliche voraussetzung der vollstreckung und berühre daher die wirksamkeit einer vollstreckungsmaßnahme nicht (bfh, urteil vom 04.10.1983 – vii r 16/82 und vom 03.02.1970 – vii r 67/67). § 259 ao bestimme lediglich, dass der vollstreckungsschuldner in der regel vor beginn der vollstreckung mit einer zahlungsfrist von einer woche gemahnt werden solle (ermessensvorschrift). ebenso wenig gebe es eine gesetzliche regelung, die die versendung einer vollstreckungsankündigung vor einleitung der vollstreckung verlange. insbesondere finde § 63 des verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das land nordrhein-westfalen (vwvg nrw) keine anwendung, da die getroffene beitreibungsmaßnahme kein zwangsmittel i.s.d. § 57 vwvg nrw sei. zweck einer vollstreckungsankündigung sei es, die ernsthaftigkeit der situation zu verdeutlichen. sie könne von der vollstreckungsstelle ausgebracht werden, wenn damit zu rechnen sei, dass der schuldner daraufhin leisten werde. da die kläger bereits auf die mahnungen vom 23.09.2019 und 15.11.2019 sowie die vollstreckungsankündigung vom 28.10.2019 nicht vollständig gezahlt hätten, erscheine es ermessensgerecht, beitreibungsmaßnahmen auch ohne weitere mahnung und vollstreckungsankündigung auszubringen. 21dem stehe auch nicht der von den klägern herangezogene grundsatz der „selbstbindung der verwaltung“ entgegen, und zwar schon deshalb nicht, weil er – der beklagte – keinesfalls stets vollstreckungsankündigungen versende, sondern hiervon in geeigneten fällen auch ausnahmen mache. auch wenn die kläger früher mahnungen und vollstreckungsankündigungen erhalten hätten, könnten sie hieraus keinen vertrauensschutz ableiten, da derjenige, der sich fortgesetzt weigere, fällige beträge zu bezahlen, damit rechnen müsse, dass das finanzamt zukünftig vom versenden zusätzlicher mahnungen und vollstreckungsankündigungen absehen werde. 22die verpflichtung des finanzamts, die steuern nach maßgabe der gesetze gleichmäßig zu erheben (§ 85 satz 1 ao), erfordere eine konsequente vollstreckung. es seien daher zeitnah alle möglichen vollstreckungsmaßnahmen zu ergreifen, die geeignet seien, den angestrebten erfolg – d.h. die zumindest teilweise tilgung der rückstände - zu erreichen. dabei es auch zulässig, mehrere vollstreckungsmaßnahmen gleichzeitig zu ergreifen (abschn. 23 abs. 3 satz 1 der vollstreckungsanweisung -vollstra-). 23rechtsgrundlage für das im januar 2020 durchgeführte kontenabrufersuchen sei § 93 abs. 7 satz 1 nr. 4 ao. ein vorheriges auskunftsersuchen an die kläger sei nicht erfolgversprechend gewesen und hätte die vollstreckungsmaßnahmen möglicherweise sogar gefährdet. 24hinsichtlich der weiteren einzelheiten der begründung und der ermessenserwägungen wird auf die schriftsätze des beklagten vom 13.05.2020 und 22.06.2022 bezug genommen. 25
26a. das gericht war durch das nichterscheinen der kläger zur mündlichen verhandlung nicht an einer entscheidung gehindert. hinsichtlich der einzelheiten der begründung wird zwecks vermeidung von wiederholungen auf die begründung im urteil vom 22.07.2022 zum parallelverfahren 3 k 2405/19 e bezug genommen. 27b. die auf erstattung der eingezogenen bzw. freiwillig gezahlten säumniszuschläge und zinsen gerichtete klage hat keinen erfolg. 28ist eine steuer ohne rechtlichen grund gezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen rechnung die zahlung bewirkt worden ist, an den leistungsempfänger einen anspruch auf erstattung des gezahlten betrages (§ 37 abs. 2 satz 1 ao). ohne rechtlichen grund gezahlt ist eine steuer, wenn der rechtliche grund entweder von anfang an fehlt oder später wegfällt (§ 37 abs. 2 satz 2 ao). 291) unabhängig davon, ob die voraussetzungen eines erstattungsanspruchs im streitfall vorliegen, fehlt es jedenfalls an den formalen voraussetzungen für dessen geltendmachung. nach ständiger rechtsprechung des bfh kann eine auf zahlung gerichtete leistungsklage nur dann erfolg haben, wenn der auszahlungsanspruch zuvor aufgrund eines abgeschlossenen vorverfahrens durch verwaltungsakt – nämlich durch einen bescheid i.s. des § 218 abs. 1 ao - festgesetzt worden ist und nur dessen verwirklichung (erfüllung) noch aussteht (z.b. urteil vom 12.06.1986 - vii r 103/83, bstbl ii 1986, 702, beschluss vom 21.02.1992 – v b 75/91, bfh/nv 1992, 678 m.w.n., urteil vom 30.11.1999 – vii r 97/98, bfh/nv 2000, 412, beschluss vom 10.05.2007 – vii b 195/06, juris). im streitfall existiert jedoch kein bescheid, in dem festgestellt wird, dass der kläger – wie von ihm geltend gemacht wird - gegen den beklagten einen anspruch auf (rück)zahlung von säumniszuschlägen und zinsen i.h.v. 6.518,48 € hat. 302) der leistungsantrag hat auch unter dem gesichtspunkt der folgenbeseitigung (rückgängigmachung der durch die vollstreckungsmaßnahme bewirkten vermögensverschiebung) keinen erfolg. insoweit ist zu beachten, dass für die beantwortung der frage, ob eine zahlung ohne rechtlichen grund i.s.d. § 37 abs. 2 ao erfolgt ist, nicht auf die pfändungs- und einziehungsverfügung abzustellen ist, sondern die der pfändung zugrundeliegenden steuerbescheide (bzw. - bei den kraft gesetzes entstehenden säumniszuschlägen - die vorschrift des § 240 ao) den grund für das behaltendürfen der eingezogenen gelder darstellen. deshalb ist der erstattungsanspruch auch dann durch abrechnungsbescheid i.s.d. § 218 abs. 2 ao festzustellen, wenn gelder durch eine rechtswidrige vollstreckungsmaßnahme erlangt worden sind. eine ausnahme hiervon gilt nur dann, wenn die vollstreckungsmaßnahme gegen ein pfändungs- und vollstreckungsverbot verstoßen hat. in diesem fall muss das finanzamt das erlangte an den vollstreckungsschuldner herausgeben, da das vollstreckungsverbot anderen falls keinerlei schutzwirkung für den dadurch unmittelbar oder mittelbar begünstigten vollstreckungsschuldner entfalten könnte (bfh, beschluss vom 11.04.2001 – vii b 304/00, bstbl ii 2001, 525). 31nach diesen grundsätzen kann der kläger die rückzahlung der vom beklagten vereinnahmten summe von 6.518,48 € nicht als folgenbeseitigung beanspruchen. denn weder rügt er einen verstoß gegen ein pfändungs- und vollstreckungsverbot noch ist ein solcher verstoß anderweitig ersichtlich. die „einfache“ rechtswidrigkeit einer pfändungs- und einziehungsverfügung reicht - wie dargestellt - nicht aus, um eine von der (steuer)bescheidlage losgelöste rückzahlungspflicht der vollstreckungsbehörde zu begründen. 32c. i. soweit die kläger die feststellung der rechtswidrigkeit der pfändungs- und einziehungsverfügungen begehrt wird, ist die klage - außer betreffend die zum az. 1473/19 ergangene pfändungs- und einziehungsverfügung (hierzu unter 2) - zulässig. 331) dadurch, dass die steuerforderungen, aufgrund derer die vollstreckung betrieben wurde, durch freiwillige zahlungen bzw. drittschuldnerzahlungen erloschen sind, haben sich die pfändungs- und einziehungsverfügungen erledigt. erledigte verwaltungsakte können (zulässig) weder mit dem einspruch noch mit einer anfechtungsklage angefochten werden. tritt die erledigung bereits während des außergerichtlichen rechtsbehelfsverfahrens oder – bei noch laufender einspruchsfrist – sogar schon vor der einspruchseinlegung ein, kann mit einer fortsetzungsfeststellungsklage nach § 100 abs. 1 satz 4 fgo die feststellung der rechtswidrigkeit des erledigten verwaltungsakts begehrt werden (z.b. bfh, beschluss vom 11.04.2001 – vii b 304/00, bstbl ii 2001, 525). lediglich dann, wenn der verwaltungsakt im zeitpunkt der erledigung bereits bestandskräftig gewesen war oder ein einspruch aus anderen gründen nicht (mehr) zulässig gewesen wäre, ist eine fortsetzungsfeststellungsklage ausgeschlossen. im streitfall war im zeitpunkt der jeweiligen erledigung noch keine bestandskraft eingetreten. gegen die pfändungs- und einziehungsverfügungen 2941/19, 267/20, 268/20 und 325/20 wurde fristgerecht einspruch eingelegt und bezüglich der pfändungs- und einziehungsverfügung 1470/19 war die einspruchsfrist im zeitpunkt der erledigung noch nicht abgelaufen. 34bei vorprozessualer erledigung eines vor eintritt der bestandskraft unwirksam gewordenen verwaltungsaktes unterliegt die fortsetzungsfeststellungsklage keiner klagefrist (vgl. bfh, urteil vom 24.02.1989 - iii r 36/88, bstbl ii 1989, 445). sie ist gemäß § 100 abs. 1 s. 4 fgo jedoch nur zulässig, wenn der kläger ein berechtigtes interesse an der feststellung der rechtswidrigkeit eines zurückgenommenen oder anders erledigten verwaltungsaktes hat. für das berechtigte interesse genügt jedes konkrete, vernünftigerweise anzuerkennende schutzwürdige interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller art. bei hoheitlichen maßnahmen wie z.b. pfändungs- und einziehungsverfügungen, die nicht unwesentlich in den grundrechtsbereich des betroffenen eingreifen, sich aber typischerweise kurzfristig erledigen, ist das besondere feststellungsinteresse regelmäßig zu bejahen. denn ansonsten wäre eine gerichtliche überprüfung der maßnahme und eine beseitigung ihrer folgen in der von der prozessordnung gegebenen instanz kaum möglich, was einen mit art. 19 abs. 4 gg nicht zu vereinbarenden ausschluss jeglichen rechtsschutzes zur folge hätte (vgl. bfh, urteil vom 11.12.2007 – vii r 52/06, bfh/nv 2008, 749). entsprechend dieser grundsätze ist auch im streitfall das besondere feststellungsinteresse zu bejahen. hinzu kommt, dass der beklagte regelmäßig – auch über den streitfall hinaus – konten der kläger pfändet und somit wiederholungsgefahr besteht. 352) ungeachtet dessen ist die klage unzulässig, soweit sie die mit pfändungs- und einziehungsverfügung vom 05.06.2019 erfolgte pfändung von konten der klägerin bei der a bank (az.: 1473/19) betrifft. da die klägerin mit dieser bank keine geschäftsbeziehung unterhielt, ist die pfändung ins leere gegangen. soweit die kläger mit schriftsatz vom 06.07.2022 das gegenteil behaupten – nämlich, dass die pfändung nicht ins leere gegangen sei, sondern die bank den gepfändeten betrag ausgezahlt habe – wird dieser vortrag durch das schreiben der a bank vom 02.07.2019 widerlegt. darin weist die bank die pfändung „mangels geschäftsbeziehung“ zur klägerin ausdrücklich zurück. 36durch eine ins leere gegangene pfändung wird der vollstreckungsschuldner nicht beschwert. bezogen auf den streitfall hat dies zur folge, dass die klägerin gegen die pfändungs- und einziehungsverfügung 1473/19 keinen (zulässigen) einspruch einlegen konnte und deshalb auch keine (zulässige) fortsetzungsfeststellungsklage erhoben werden konnte. eine fortsetzungsfeststellungsklage ist nur statthaft, wenn gegen den verwaltungsakt vor dessen erledigung zulässig einspruch/klage eingelegt/erhoben wurde oder – bei wegdenken der erledigung – noch zulässig hätte eingelegt/erhoben werden können. 37ii. die fortsetzungsfeststellungsklage ist – soweit sie zulässig ist – auch begründet. 38die pfändungs- und einziehungsverfügungen 1470/19, 2941/19, 267/20, 268/20 und 325/20 sind rechtswidrig. dabei kann dahinstehen, ob die allgemeinen vollstreckungsvoraussetzungen der §§ 249, 251, 254 ao vorlagen. denn es fehlt zumindest an einer ordnungsgemäßen ermessensausübung. 391) wenngleich es zweifelhaft ist, ob den finanzbehörden für das „ob“ der vollstreckung ein ermessen eingeräumt ist (vgl. hierzu bfh, urteil vom 22.10.2002 - vii r 56/00, bstbl ii 2003, 109, unter 3 b), so liegt gleichwohl die entscheidung über die weiteren fragen des „wann“ und des „wie“ der vollstreckung im pflichtgemäßen ermessen der finanzbehörden; dabei ist der verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. ist - wie im bereich der auswahl zwischen verschiedenen möglichen vollstreckungsmaßnahmen nach § 249 ao - für die finanzbehörde ein ermessensspielraum eröffnet, so hat sie nach § 5 ao das ermessen entsprechend dem zweck der ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen grenzen des ermessens einzuhalten. die behörde muss ihre maßnahmen in jedem einzelfall auf das unumgänglich notwendige beschränken und prüfen, welche der zur erreichung des verfolgten zwecks geeigneten maßnahmen den betroffenen am wenigsten belasten (bfh, urteil vom 24.09.1991 - vii r 34/90, bstbl ii 1992, 57). 40damit der betroffene und gegebenenfalls die gerichte die ermessenserwägungen der finanzbehörde überprüfen können, muss eine ermessensentscheidung grundsätzlich begründet werden. die begründung muss zeigen, dass die finanzbehörde den ermessensspielraum erkannt hat und von welchen gesichtspunkten sie bei ihrer ermessensentscheidung ausgegangen ist. zwar ist unter den voraussetzungen des § 121 abs. 2 ao oder in fällen, in denen die ermessenserwägungen dem betroffenen bereits bekannt sind, eine begründung der entscheidung nicht erforderlich. daneben ist in bestimmten bereichen des den finanzbehörden eingeräumten ermessens wie z.b. der anordnung von außenprüfungen die ermessensentscheidung in einer weise vorgeprägt, die eine besondere begründung in der regel entbehrlich macht. der bereich der vollstreckung nach den vorschriften der §§ 249 ff. ao zählt hierzu jedoch nicht (vgl. zu allem niedersächsisches finanzgericht, beschluss vom 25.07.2014 – 15 v 164/14, efg 2014, 1838). 412) nach diesen grundsätzen waren die angefochtenen pfändungs- und einziehungsverfügungen rechtswidrig, weil der beklagte bei deren erlass bzw. änderung nicht diejenigen erwägungen dargelegt hat, die der auswahl und den zeitpunkt der vollstreckungsmaßnahme zugrunde lagen. insbesondere enthalten die mitteilungen, mit denen der beklagte die kläger über den erlass von pfändungs- und einziehungsverfügungen gegenüber dem einzelnen banken unterrichtet hat, keine ermessenserwägungen. aus den vorliegenden akten ist nicht einmal erkennbar, ob dem sachbearbeiter des beklagten überhaupt bewusst war, dass er ermessen auszuüben hatte. es liegt damit ein fall des sog. ermessensnichtgebrauchs vor. 423) der beklagte war auch nicht berechtigt, die ermessenserwägungen im klageverfahren nachzuholen. eine ergänzung von ermessenserwägungen nach § 102 satz 2 fgo ist nur möglich, solange der verwaltungsakt noch wirksam ist, und kommt deshalb bei einer fortsetzungsfeststellungsklage nicht in betracht (bfh, urteil vom 17.01.2017 – viii r 52/14, bstbl ii 2018, 740). ungeachtet dessen würden die vom beklagten im schriftsatz vom 22.06.2022 dargelegten ermessenserwägungen einer gerichtlichen prüfung auch nicht standhalten, da es sich bei der pfändung in bankkonten keinesfalls um „die mildeste form einer pfändungs- und einziehungsverfügung“ handelt. vielmehr stellt diese art der zwangsvollstreckung aufgrund der hierdurch typischerweise ausgelösten folgen (u.a. kündigung des vertragsverhältnisses durch die bank, minderung der kreditwürdigkeit des vollstreckungsschuldners wegen meldung an die schufa, gefährdung sonstiger vertragsverhältnisse durch zahlungsverzug) regelmäßig die den vollstreckungsschuldner am meisten belastende form der zwangsvollstreckung dar. 43im streitfall gilt dies in besonderem maße bei vergleich mit der – vom beklagten in keiner weise in betracht gezogenen – möglichkeit der pfändung der erheblichen pensions- und rentenansprüche, welche für die kläger (außer der minderung der an sie ausgezahlten leistungen) keine weiteren folgen gehabt hätte. soweit der beklagte im klageverfahren darauf verweist, dass lohnpfändungen bei arbeitnehmern die kündigung des arbeitsverhältnisses durch den arbeitgeber zur folge haben könnten, vermag dies selbst bei aktiven arbeitsverhältnissen angesichts weitgreifender kündigungsschutzvorschriften kaum zu überzeugen. bei rentnern bzw. pensionären kann es zu der vom beklagten „befürchteten“ kündigung schon deshalb nicht kommen, weil der versorgungsträger kein kündigungsrecht hat. 44d. die kostenentscheidung beruht auf § 136 abs. 1 satz 1 fgo.
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14 O 152/19
2022-07-21T00:00:00
Urteil
Tenor 1. Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Köln vom 22. November 2018 zum Az. 137 C 254/18 wird aufgehoben. 2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von 745,40 EUR nebst jährlicher Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6 Mai 2014 zu zahlen. 3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin einen weiteren Betrag über 249,- € nebst jährlicher Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6 Mai 2014 zu zahlen. 4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 5. Die Gerichtskosten tragen die Klägerin zu 91 % und die Beklagten zu 1.) – 3.) als Rechtsnachfolger des früheren Beklagten zu 1.) zu je 9 %. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Beklagten zu 1.) – 3.) als Rechtsnachfolger des früheren Beklagten zu 1.) zu 18 %. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1.) – 3.) als Rechtsnachfolger des früheren Beklagten zu 1.) trägt die Klägerin zu 82 %. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2.) trägt die Klägerin. 6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Alle Parteien können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H. v. 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit i. H. v. 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet. 1Tatbestand: 2Die Klägerin nimmt einerseits den während des Verfahrens verstorbenen ehemaligen Beklagten zu 1), Herrn I, als Internetanschlussinhaber, nunmehr dessen Erben als Rechtsnachfolger wegen Urheberrechtsverletzung über den Internetanschluss an dem Computerspiel „T S 0“ durch sogenanntes Filesharing wegen zweier behaupteter Verstöße am 22.02.2014 um 16:50:24 Uhr und um 18:30:00 Uhr (Bl. 19 d.A.) auf Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten und Schadensersatz in Anspruch. Andererseits nimmt sie den Beklagten zu 2) als unmittelbaren Täter der vorgenannten Verstöße in Anspruch. 3Die Umverpackung des Computerspiels „T S 0“ enthält folgenden Hinweis: „© 2013 and published by L N GmbH“. Es enthält auch das Logo „E T1“, das ein Label der Klägerin ist. Die Klägerin trägt ausführlich und unter Vorlage von Verträgen zur Rechtekette vor. Das Spiel „T S 0“ erschien im November 2011. 4Die Klägerin beauftragt regelmäßig Unternehmen mit der Ermittlung von Urheberrechtsverstößen im Internet mittels sogenannter Filesharing-Software, auch bezüglich des streitgegenständlichen Spiels. Das Unternehmen U ermittelte durch einen ihrer Mitarbeiter zwei entsprechende Verstöße am 22.02.2014 um 16:50:24 Uhr und um 18:30:00 Uhr, ausgehend von der IP-Adresse 00.000.00.00. Die Klägerin ließ beim Landgericht Köln ein entsprechendes Auskunftsverfahren durchführen (vgl. LG Köln, Az. 215 O 7/14), woraufhin der verstorbene Herr I als Inhaber des fraglichen Internetanschlusses ermittelt wurde. 5Die Klägerin mahnte Herrn I mit anwaltlichem Schreiben vom 24.04.2014 wegen Urheberrechtsverletzung durch Bereithaltung der Datei „T S 0“ mit dem Hashwert 00000 zum Download über die IP-Adresse 00.000.00.00 ab und forderte ihn zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung sowie zur Zahlung unter Fristsetzung bis zum 05.05.2014 auf. Herr I gab eine Unterlassungserklärung ab, weitere Ansprüche wurden nicht erfüllt. 6Die Klägerin macht klageweise Aufwendungsersatz in Höhe von 984,60 EUR nach einem Gegenstandswert von 20.000,00 EUR und Schadensersatz in Höhe von zuletzt 4.590,00 EUR geltend. Den Schadensersatz berechnet sie aus dem Faktor 250 des behaupteten Einzelpreises des streitgegenständlichen Spiels zum Stichtag der Rechtsverletzung in Höhe von 18,36 EUR. 7Die Klägerin ist im Wesentlichen der Ansicht, der Beklagte zu 2) sei der Täter der ermittelten Rechtsverletzungen. Dies ergebe sich schon daraus, dass der Beklagte zu 2) eingeräumt habe, das Spiel aus einem Trailer-Video zu kennen. Bei diesem Video handele es sich eigentlich um eine Anleitung zum Download über P2P-Börsen, was der Beklagte zu 2) dann auch in die Tat umgesetzt habe. Der Verstorbene hafte im Übrigen nach § 832 BGB wegen mangelnder Belehrung. 8Die Sache war zunächst beim AG Köln zum Az. 137 C 254/18 und nur gegen den verstorbenen Herrn I anhängig. Dort erging zunächst Versäumnisurteil gegen die Klägerin. Vor dem Versäumnisurteil teilte der damalige Beklagte zu 1.) in der Klageerwiderung mit, dass sein Anschluss ein Familienanschluss sei und von ihm, seiner Ehefrau und seinen beiden minderjährigen Kindern (Tochter N E1, geb. 00.00.0000, und Sohn N1 E1, geb. 00.00.0000) genutzt werde. Dem Sohn, also dem Beklagten zu 2.), sei das Spiel aus einem Trailer-Video bekannt, was er nach Befragung durch die Eltern erklärt habe. Im Übrigen haben alle Familienmitglieder die Tat abgestritten. 9Nach dem Versäumnisurteil erhob die Klägerin Einspruch und erweiterte die Klage in subjektiver Hinsicht auf den Beklagten zu 2.). Nach gerichtlichen Hinweisen in der Verhandlung über den Einspruch erweiterte die Klägerin die Klage der Höhe nach, sodass die Zuständigkeitsschwelle zum LG erreicht wurde. 10Nach weiterer mündlicher Verhandlung vor der erkennenden Kammer ist ein Beweisbeschluss ergangen. Nach Erlass des Beweisbeschlusses ist der frühere Beklagte zu 1.) verstorben. Auf Antrag seines Vertreters wurde der Rechtsstreit insoweit ausgesetzt nach § 246 ZPO. Unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung am 28.04.2022 erklärten die Ehefrau und die Kinder als Rechtsnachfolger des Beklagten zu 1) die Aufnahme des Rechtsstreits. 11Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten 2) ist im Termin zur mündlichen Verhandlung am 28.04.2022 trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen. 12Die Klägerin beantragt, 131. Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Köln v. 22. November 2018 zum Az. 137 C 254/18 wird aufgehoben. 142. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von 984,80 EUR nebst jährlicher Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6 Mai 2014 zu zahlen. 153. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin einen weiteren Betrag über 4.590,00 EUR nebst jährlicher Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6 Mai 2014 zu zahlen. 16Der Kläger beantragt außerdem, 17 gegen den Beklagten zu 2.) den Erlass eines Versäumnisurteil. 18Die Beklagten zu 1.) – 3.) als Rechtsnachfolger des verstorbenen Herrn I beantragen, 19 die Klage abzuweisen. 20Der Beklagte zu 2.) stellte im eigenen Namen mangels rechtsanwaltlicher Vertretung im Termin zur mündlichen Verhandlung am 28.04.2022 keinen Antrag. 21Der Beklagte zu 2.) wies zuvor schriftsätzlich seine Haftung zurück. Er sei nicht passivlegitimiert und die Klägerin komme ihrer uneingeschränkten Darlegungs- und Beweislast nicht nach. 22Die Beklagten behaupten, das gegenständliche Computerspiel sei zum Zeitpunkt der ermittelten Zurverfügungstellung für nur 2,49 € als PC Download zu erwerben gewesen. 23Die Rechtsnachfolger des Beklagten zu 1.) halten eine Haftung für ausgeschlossen, weil der Beklagte zu 1.) seiner sekundären Darlegungslast genügt habe. Er hafte auch nicht wegen nicht erfüllter Aufsichtspflicht der zur Tatzeit minderjährigen Kinder. Die Kinder seien hinreichend zur Nutzung des Internets und zum Verbot der Nutzung von Filesharingsoftware aufgeklärt worden. 24Die Beklagten insgesamt meinen, der geltend gemachte Lizenzschadensersatz sei überzogen, weil im Jahr 2014 das gegenständliche Computerspiel, das bereits seit 2011 auf dem Markt ist, bereits für Ramschpreise an Verbraucher angeboten worden sei. Die Abmahnkosten dürften nur aus dem nach § 97a Abs. 3 UrhG reduzierten Gegenstandswert berechnet werden. 25Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung am 28.04.2022 die Beklagte zu 1.) und den Beklagten zu 2.) persönlich angehört. 26Entscheidungsgründe: 27Die zulässige Klage hat nur in geringem Umfang Erfolg. 28I. Soweit das Verfahren als Einspruch gegen das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Köln vom 22.11.2018 zum Az. 137 C 254/18 geführt wird, d.h. im Verhältnis der Klägerin zu den Rechtsnachfolgern des früheren Beklagten zu 1.), Herrn I, also den nunmehrigen Beklagten zu 1.) – 3.), so ist der Einspruch zulässig. Er ist form- und fristgerecht am 18.12.2018 durch Fax (Bl. 83 GA) erhoben worden, nachdem das Versäumnisurteil der Klägerin am 04.12.2018 zugestellt worden ist (Bl. 81 GA). 29II. Die zulässige Klage ist teilweise begründet. 301. Nachdem der Rechtsstreit im Verhältnis der Klägerin zum verstorbenen früheren Beklagten zu 1.) nach §§ 239, 246 ZPO ausgesetzt war, haben die nunmehrigen Beklagten zu 1.) – 3.) den Rechtsstreit gem. §§ 239 Abs. 1, 246 Abs. 2, 250 ZPO aufgenommen. Die Rechtsnachfolge ist unbestritten, im Übrigen durch Erbschein belegt. Die Aufnehmenden sind demnach an die Stelle des Verstorbenen getreten und Parteien des Rechtsstreits geworden, wobei zu beachten ist, dass der Beklagte zu 2.) bereits zuvor Partei war. 312. Ein Versäumnisurteil gegen den Beklagten zu 2.) kommt nicht in Betracht. Da der Beklagte zu 2.) schon vor der Aufnahme der Rechtsnachfolger seines Vaters Partei des Rechtsstreits war, kommt ihm nach der Aufnahme eine „Doppelfunktion“ zu, da er einerseits als Rechtsnachfolger seines Vaters und andererseits im eigenen Namen in Anspruch genommen wird. Dies hat primär Folgen für die materiell-rechtliche Beurteilung. Vorliegend ist jedoch der vor Erklärung der Rechtsnachfolge für den Beklagten zu 2.) bestellte Prozessbevollmächtigte zum Termin nicht erschienen, weshalb die Klägerin des Erlass eines Versäumnisurteils beantragt. Zugleich war der Prozessbevollmächtigte des früheren Beklagten zu 1.) anwesend und stellte für die Rechtsnachfolger des Verstorbenen einen Sachantrag. Da der Beklagte zu 2.) auch Rechtsnachfolger ist, wurde auch für ihn ein solcher Sachantrag gestellt und zwar sowohl zu der Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils als auch der Klageabweisung. Vor diesem Hintergrund kommt kein Erlass eines (Teil-) Versäumnisurteils gegen den Beklagten zu 2.) in Betracht, weil dieser nicht zugleich säumig sein kann und zugleich einen Sachantrag stellen kann. Eine derartige Aufspaltung des Beklagten zu 2.) hat in prozessualer Hinsicht keine Grundlage. 323. Ein Versäumnisurteil gegen den Beklagten zu 2.) scheidet auch aus materiellen Gründen aus. Die Klage ist insoweit nicht schlüssig. Den Anspruch gegen den Beklagten zu 2.) stützt die Klägerin auf den Vorwurf unmittelbarer Täterschaft. Sie beruft sich hierzu auf die Mitteilungen des Verstorbenen im Rahmen dessen sekundärer Darlegungslast, wonach der Beklagte zu 2.) das streitgegenständliche Computerspiel kenne. Ohne weitere Begründung folgert die Klägerin hieraus, dass der Beklagte zu 2.) das Spiel über eine Filesharing Software heruntergeladen und zum Abruf durch Dritte bereitgehalten habe. Dies genügt für einen schlüssigen Sachvortrag nach Ansicht der Kammer jedoch deshalb nicht, weil ausweislich der Mitteilungen des Verstorbenen im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast auch die Schwester des Beklagten zu 2.), die nunmehrige Beklagte zu 3.) grundsätzlich Zugriff auf den Internetanschluss hatte. Die Klägerin bleibt aber jeglichen Vortrag dazu schuldig, wieso die Beklagte zu 3.) nicht als Täterin in Betracht komme, sondern allein der Beklagte zu 2.). Es verbleiben demnach, selbst wenn man an dieser Stelle eine Säumnis unterstellt und den klägerischen Vortrag als zugestanden ansieht, Zweifel an der Täterschaft des Beklagten zu 2.). 334. Die Klage gegen die Beklagten als Rechtsnachfolger des Verstorbenen ist teilweise begründet. 34Der Klägerin stehen gegen die Beklagten die geltend gemachten Ansprüche auf Ersatz vorgerichtlicher Abmahnkosten (Klageantrag zu 2.) zu in Höhe von 745,40 € gemäß § 97a Abs. 1 Satz 2 UrhG (in der bis zum 01.12.2020 geltenden Fassung; im Folgenden: a.F.; siehe dazu nachfolgende Ausführungen unter lit. b.) und auf Schadenersatz (Klageantrag zu 3.) gemäß § 832 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 97 Abs. 2 UrhG i.V.m. §§ 19a, 69c Nr. 4 UrhG in Höhe von 249,- € zu (siehe dazu die nachfolgenden Ausführungen lit. a.). 35a) Schadensersatz 36Der Anspruch folgt aus § 832 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 97 Abs. 2 UrhG i.V.m. §§ 19a, 69c Nr. 4 UrhG. 37aa) Die Bereitstellung eines Computerspiels – hier des streitgegenständlichen „T S 0“ – zum Herunterladen über eine Internettauschbörse verletzt das Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung gemäß §§ 19a, 69c Nr. 4 UrhG (vgl. BGH, GRUR-RR 2017, 484 Rn. 10 – Ego-Shooter, mwN; BGH, GRUR 2018, 1044 Rn. 10 – Dead Island). Soweit der Beklagte pauschal bestreitet, das streitgegenständliche Computerspiel sei über eine seinem Internetanschluss zugeordnete IP-Adresse zum Download angeboten worden, ist dies unbeachtlich. Die Klägerin hat detailliert unter Beweisangebot zu den Ermittlungen der U GmbH vorgetragen. Konkrete Anhaltspunkte, die etwa für eine Fehlzuordnung oder fehlerhafte Ermittlungen sprächen, zeigt der Beklagte nicht auf. 38bb) Die Klägerin ist als Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem Computerspiel „T S 0“ aktivlegitimiert. Soweit der Beklagte die Rechteinhaberschaft lediglich pauschal bestreitet, dringt er damit nicht durch. 39Die Klägerin hat unter Beweisantritt vorgetragen, dass die ausschließlichen Rechte des hier streitgegenständlichen Computerspiels „T S 0“ von ihr von den Entwicklern, der Fa. U Inc., erworben worden ist. Der Copyright-Vermerk auf den Umverpackungen des streitgegenständlichen Spiels weist nach dem insoweit vom Beklagten in der Sache unbestrittenen Vortrag der Klägerin auf die Klägerin hin und weist das Logo von „E T1“ auf, das ebenfalls der Klägerin zuzuordnen ist. Ein Nachweis der Urheberschaft und der Inhaberschaft an ausschließlichen Verwertungsrechten kann außerhalb des Anwendungsbereichs der in § 10 UrhG niedergelegten Vermutungsregeln auch durch einen Indizienbeweis erbracht werden, bei dem selbst mittelbare Tatsachen die Grundlage für die Annahme der Rechtsinhaberschaft liefern (BGH, GRUR 2016, 1280, 1281 Rn. 26 – Everytime we touch). Die Klägerin hat die Rechtekette lückenlos unter ausführlicher Darlegung und Belegung mit Vertragsdokumenten sowie einer entsprechenden Benennung in öffentlich zugänglichen Handelsquellen in Fachmedien der Spielebranche belegt. Der Beklagte hat dagegen keine erheblichen Einwendungen erhoben und auch nicht dargelegt, wem die Rechte anderweitig zustehen sollten. 40cc) Die Beklagten als Rechtsnachfolger des Herrn I haften auch für diese Verletzung. 41Wird ein urheberrechtlich geschütztes Werk oder eine urheberrechtlich geschützte Leistung der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, so spricht nach der Rechtsprechung des BGH eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. Da der Verstorbene Inhaber des Internetanschlusses zum maßgeblichen Zeitpunkt war, über den das Computerspiel in Tauschbörsen öffentlich zugänglich gemacht wurde, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass er für die von der Klägerin behauptete Verletzung ihrer Rechte verantwortlich ist. Diese tatsächliche Vermutung kann entkräftet werden, wenn die Gegenpartei Tatsachen darlegt und gegebenenfalls beweist, aus denen sich eine ernsthafte Möglichkeit eines vom gewöhnlichen abweichenden Geschehensablaufs ergibt. 42Diesen Anforderungen wird der Sachvortrag des früheren Beklagten zu 1.) insofern gerecht, als er dargelegt hat, dass es sich um einen Familienanschluss gehandelt hat und neben ihm seine Ehefrau und die beiden zur Tatzeit minderjährigen Kinder Zugriff auf das Internet hatten. Er führte auch zu den Kenntnissen und Nutzungsgewohnheiten seiner Familienmitglieder und seiner selbst aus. 43Auf dieser Grundlage sowie auf Grundlage der Anhörung der Beklagten zu 1.) ist die Kammer der Überzeugung, dass zunächst die Beklagte zu 1.) als Täterin nicht in Betracht kommt. Die Kammer ist außerdem auf Grundklage des Sach- und Streitstandes überzeugt, dass der Verstorbene, Herr I, selbst nicht Täter der Rechtsverletzung war. Dies folgt zunächst aus seinem Vortrag in der Klageerwiderung, in welcher er unter anderem ausführen ließ, dass er das streitgegenständliche Spiel vor Abmahnung nicht gekannt habe und den Internetanschluss nicht für "Online-Spiel" nutzte, während dies seine beiden Kinder beide taten. Auch aus der Anhörung der Beklagten zu 1.) und 2.) ergeben sich keinerlei Hinweise, dass der Verstorbene selbst als Spieler des streitgegenständlichen oder eines anderen Computerspiels in Betracht käme. Hingegen ist die Kammer überzeugt, dass die Rechtsverletzung über den Anschluss des Verstorbenen erfolgt ist und zwar durch eines der beiden Kinder, also der Beklagten zu 2. oder 3.), einzeln oder von ihnen gemeinsam. Dafür sprechen nach den obigen Ausführungen, dass ausweislich der Klageerwiderung beide Kinder durchschnittliche Computeranwenderkenntnisse hatten und "Online-Spiele" spielten. Bei dieser Kenntnis- und Interessenlage ist eine Nutzung von Tauschbörsen mit Blick auf Computerspiele jedenfalls möglich. Wie oben bereits ausgeführt, ist es jedoch nicht ersichtlich, dass nur der Beklagte zu 2.) als Täter in Betracht kommt, während seine Schwester, die Beklagte zu 3.), als Täterin auszuscheiden habe. Es ist nichts dafür vorgetragen oder ersichtlich, dass die Beklagte zu 3.) weder die Kenntnisse, noch die Möglichkeiten, noch das Interesse hatte, das streitgegenständliche Spiel über eine Tauschbörse herunterzuladen und zugleich zum Upload zur Verfügung zu stellen. Dass die Klägerin die Beklagte zu 3.) ggf. nicht zur Zielgruppe des streitgegenständlichen Spiels zählt, führt nicht zum Ausschluss als potentielle Täterin. 44Diese Umstände entlasten die Beklagtenseite jedoch nicht, da der Verstorbene seine Aufsichtspflicht gem. § 832 BGB gegenüber beiden Kindern verletzt hat. Der Verstorbene war kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über seine damals 17-jährige Tochter und seinen 12-jähirgen Sohn verpflichtet (§§ 1626 Abs. 1, 1631 Abs. 1 BGB). Gemäß § 832 Abs. 1 S. 1 BGB ist, wer kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, die – hier – wegen Minderjährigkeit der Beaufsichtigung bedarf, zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den diese Person einem Dritten widerrechtlich zufügt. Der Aufsichtspflichtige hat im Rahmen des § 832 BGB umfassend und konkret darzulegen und zu beweisen, was er zur Erfüllung der Aufsichtspflicht unternommen hat. Den Beklagten ist nicht der Beweis gelungen, dass der Verstorbene seine nach Überzeugung der Kammer als Täter in Betracht kommenden Kinder vor dem streitgegenständlichen Vorfall über das Verbot einer rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen ausreichend belehrt hat. Wer der beiden Kinder konkret die Rechtsverletzung begangen hat, kann dabei offenbleiben, weil mangels hinreichender Belehrung beider Kinder sowohl eine Rechtsverletzung des Sohnes als auch der Tochter als auch beider zusammen der Anknüpfungspunkt der Haftung nach § 832 BGB gegeben ist. In jedem Fall ist die Rechtsverletzung zur Überzeugung der Kammer in seiner Sphäre geschehen und seine unterbliebene Aufklärung ist kausal hierfür. 45Eltern sind verpflichtet, die Internetnutzung ihres minderjährigen Kindes zu beaufsichtigen, um eine Schädigung Dritter durch das Kind zu verhindern. Dazu zählt die Verhinderung der Urheberrechte verletzenden Teilnahme des Kindes an Tauschbörsen. Allerdings genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internets durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern erst verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt (BGH GRUR 2016, 184 – Tauschbörse II; GRUR 2013, 511 – Morpheus). 46Die Anforderungen an die Aufsichtspflicht, insbesondere die Pflicht zur Belehrung und Beaufsichtigung von Kindern, richten sich nach der Vorhersehbarkeit des schädigenden Verhaltens. Dabei hängt es hauptsächlich von den Eigenheiten des Kindes und seinem Befolgen von Erziehungsmaßahmen ab, in welchem Umfang allgemeine Belehrungen und Verbote ausreichen oder deren Beachtung auch überwacht werden muss (vgl. BGH, NJW 2009, 1952 Rn. 17; BGH, NJW 2009, 1954 Rn. 14). 47Diesen Maßstäben ist der Verstorbene vorliegend nicht gerecht geworden. Dabei hat die Kammer ihre Überzeugung auf Grundlage der persönlichen Anhörung der Beklagten zu 1.), der Ehefrau des Verstorbenen, und des Beklagten zu 2.), dem Sohn des Verstorbenen, gebildet. Der Beklagte zu 2.) gab von sich aus keine Aussage zu etwaigen Belehrungen. Er wurde insoweit nicht befragt. Er konnte sich aber auch zu einer Ansprache nach Zugang der Abmahnung schon nicht erinnern, sodass nicht davon auszugehen ist, dass er sich an einen noch früher zurückliegenden Zeitraum zuverlässig erinnern kann. Die Beklagte zu 1.) führte zwar aus, dass die Kinder im Zusammenhang mit der Nutzung des Internets über gewissen Verhaltensweisen belehrt worden ist. Sie bleibt aber insgesamt in Ihren Ausführungen vage, hat zum Teil keine eigenen Wahrnehmungen, soweit es ihren Ehemann betrifft, und sie widerspricht sich teilweise. So stellt sie einleitend klar, dass hauptsächlich der Verstorbene die Kinder belehrt haben soll. Zu den Inhalten der Belehrungen durch Ihren Ehemann kann sie aber nichts sagen. Sodann verweist sie wiederholt darauf, dass anlassbezogen belehrt worden sei, wenn im Fernsehen über entsprechenden Themen berichtet worden ist. Dabei sei es sicherlich auch um Filesharing bzw. Tauschbörsen gegangen. Zugleich weist sie darauf hin, dass für sie das Thema Filesharing unbekannt war, sie in diesem Zusammenhang „unbeleckt“ gewesen sei. 48Auf dieser Grundlage kann die Kammer nicht erkennen, dass die Kinder durch den Verstorbenen oder die Beklagte zu 1.) hinreichend deutlich über die Rechtswidrigkeit der Teilnahme an Tauschbörsen bzw. an Filesharing belehrt worden sind. Schon gar nicht ist erkennbar, dass diese Belehrung vor dem Tatzeitpunkt erfolgt ist. Es ist zur Überzeugung der Kammer unrealistisch, dass eine hinreichende Belehrung erfolgen kann, wenn man selbst die Problematik nicht erfasst und versteht. Dass der Verstorbene hier bessere Kenntnisse hatte und auf dieser Grundlage hinreichend und rechtzeitig belehrte, kann dem Sach- und Streitstand nicht entnommen werden. 49dd) § 832 BGB begründet eine Haftung für vermutetes Verschulden. Hingegen kommt es auf ein Verschulden des Aufsichtsbedürftigen nicht an. Vermutet wird ferner, dass zwischen der Verletzung der Aufsichtspflicht und dem entstandenen Schaden ein ursächlicher Zusammenhang besteht (vgl. Urteil der Kammer v. 17.5.2018 – 14 S 34/16, GRUR-RR 2018, 505). Nach den obigen Ausführungen gelingt der Beklagtenseite keine Exkulpation. 50ee) Der geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz ist der Höhe nach nur in Höhe von 249,- € begründet. 51Die Höhe der zu zahlenden Lizenzgebühr hat der Tatrichter gemäß § 287 ZPO unter Würdigung der besonderen Umstände des Einzelfalls nach seiner freien Überzeugung zu bemessen (vgl. BGH ZUM-RD 2010, 529 – Restwertbörse I; ZUM 2016, 173 – Tauschbörse I). Nicht entscheidend ist hingegen, ob der Verletzte überhaupt beabsichtigte, eine Lizenzierung vorzunehmen – die Zuerkennung einer angemessenen Lizenzgebühr kommt selbst dann in Betracht, wenn die vorherige Erteilung der Zustimmung als schlechthin undenkbar erscheint (vgl. BGH GRUR 1993, 55 – Tchibo/Rolex II) – oder ob der Verletzer selbst bereit gewesen wäre, für seine Benutzungshandlungen eine Vergütung zu zahlen (vgl. BGH NJW-RR 1995, 1320, 1321). Zur Ermittlung der angemessenen Lizenzgebühr ist zu fragen, was ein vernünftiger Lizenzgeber und ein vernünftiger Lizenznehmer anstelle der Parteien für die Übertragung des Rechts auf den Beklagten vereinbart hätten, infolge dessen dieser das streitgegenständliche Computerspiel im Internet im Rahmen eines Netzwerks für eine Vielzahl von Teilnehmern zum Download bereithalten durfte. 52Für den Schadensersatzanspruch ist als Anhaltspunkt für die Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO auf die Beträge abzustellen, die für vergleichbare Nutzungsarten vereinbart werden. Der Kammer ist aus einer Reihe von Fällen gerichtsbekannt, dass bereits für die zeitlich und räumlich beschränkte Lizenz zum Anbieten einer Musiksingle im Internet Lizenzgebühren im vierstelligen Euro-Bereich vereinbart werden. Auch aus diesem Grund setzt die Kammer in ständiger Rechtsprechung für das Angebot von Musikaufnahmen über Filesharingnetzwerke im Internet für den Regelfall jeweils 200,00 EUR pro Musiktitel als angemessenen Schadensersatz an. Dies entspricht der obergerichtlichen (vgl. etwa OLG Köln, Urteil vom 06.02.2015 – 6 U 209/13; OLG Hamburg, Urteil vom 05.11.2013 – 5 U 222/10; OLG Frankfurt, Urteil vom 15.07.2014 – 11 U 115/13; Urteil vom 16.12.2014 – 11 U/14) und auch der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH, Urteile vom 11.06.2015 zu I ZR 7/14, I ZR 19/14 und I ZR 75/14 – Tauschbörse I-III; Urteil vom 12.05.2016 – I ZR 48/15 – Everytime we touch). 53Vorliegend macht die Klägerin wegen der Zugänglichmachung des streitgegenständlichen Computerspiels am 22.02.2014 um 16:50:24 Uhr und um 18:30:00 Uhr über die IP-Adresse 00.000.00.00 einen Anspruch auf Lizenzschadensersatz i.H.v. 4.590,00 EUR geltend. Diesen Betrag erachtet die Kammer gemäß § 287 ZPO aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles als Lizenzschadensersatz für übersetzt. Streitgegenständlich ist die zweifache öffentliche Zugänglichmachung des Computerspiels „T S 0“ im Rahmen einer Filesharing-Tauschbörse. Rechtsverletzungen wurden am 22.02.2014 um 16:50:24 Uhr und um 18:30:00 Uhr zu zwei verschiedenen Zeitpunkten unter der gleichen IP-Adresse ermittelt. 54Zu berücksichtigen ist daneben auch der konkrete Zeitpunkt der Rechtsverletzungen. Die streitgegenständlichen Rechtsverletzungen erfolgten zu einem Zeitpunkt als das streitgegenständliche Computerspiel sich unstreitig nicht mehr auf dem Höhepunkt seines kommerziellen Ersterfolgs befand, sondern bereits der Nachfolger der Serie „T S 01“ erschienen war. Das streitgegenständliche „T S 0“ hingegen befand sich zur Tatzeit bereits ca. 2 ½ Jahre nach Erstveröffentlichung in einer nachgelagerten Verwertungsphase, in der das Spiel zum Teil zu erheblich reduzierten Preisen im Vergleich zum Preis bei Veröffentlichung von ca. 50 € zu erwerben war – nach Vortrag der Klägerin etwa als „Full Package“ für 18,36 € am 21.02.2014. Die öffentliche Zugänglichmachung eines Werkes in einer Filesharing-Tauschbörse und der damit verbundene Eingriff in die urheberrechtlich geschützten Verwertungsrechte stellt die kommerzielle Auswertung des Werks insgesamt in Frage (BGH, Urteil vom 12.05.2016, I ZR 1/15 - Tannöd, Juris Rn. 41). Das illegale Upload-Angebot im Rahmen einer Filesharing-Tauschbörse war vorliegend in besonderem Maße geeignet, die der Klägerin zustehenden Verwertungsrechte der öffentlichen Zugänglichmachung und auch des Vertriebs wirtschaftlich zu beeinträchtigen. Wegen der zeitlich weit entfernten Erstveröffentlichung und der zwischenzeitlichen Veröffentlichung des Nachfolgespiels hat die rechtswidrige öffentliche Zugänglichmachung der Klägerin die weitere wirtschaftliche Verwertung des Computerspieles zwar erschwert, dies aber nur in begrenztem Umfang. Denn durch die unstreitige erhebliche Reduzierung des Spielpreises auf zwischenzeitlich mindestens ca. 18 € ist eindeutig, dass die Nachfrage am Markt auch ohne die Beeinträchtigung durch Filesharing erheblich vermindert war. 55Vernünftige Vertragspartner anstelle der Parteien hätten diese Umstände bei der Bemessung der Lizenzgebühr für die von dem Beklagten in Anspruch genommene Nutzung berücksichtigt und im Hinblick auf die fehlende Aktualität des Computerspiels eine moderate Lizenzgebühr vereinbart. Der von der Klägerin angesetzte Lizenzschadensersatz i.H.v. 4.590,00 EUR, welcher wertmäßig dem Betrag entspricht, den die Klägerin für 250 Exemplare des am Tattag zum Einzelhandelspreis von (behaupteten) 18,36 EUR vertriebenen Computerspiels erzielen konnte, ist vor diesem Hintergrund zu hoch bemessen. Dabei ist zwar die ständige Rechtsprechung der Kammer zu berücksichtigen, dass auch ohne konkrete Kenntnis von der Zahl der Teilnehmer der Filesharing-Tauschbörse zu den jeweiligen Tatzeitpunkten eine Zahl von (mindestens) 400 möglichen Zugriffen auf ein in einer solchen Tauschbörse zum Download angebotenes, aktuelles Werk durchaus realistisch und zur Grundlage der Bemessung eines Anspruchs auf Lizenzschadensersatz geeignet ist (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 08.05.2013, 6 W 256/12, juris Rn. 9; OLG Frankfurt, Urteil vom 15.07.2014, 11 U 115/13; OLG Köln, Urteil vom 06.02.2015; 6 U 209/13; nicht beanstandet von BGH, Urteil vom 12.05.2016, I ZR 48/15 – Everytime we touch, juris Rn. 56). Bei einem nicht mehr aktuellen Titel unter den Umständen des Einzelfalls lässt sich dies jedoch nicht auf den Streitfall übertragen. Im hiesigen Einzelfall erachtet die Kammer vielmehr den Faktor 100 des Handelspreises des streitgegenständlichen Computerspiels für angemessen. 56Dabei ist jedoch entgegen der Ausführungen der Klägerin nicht von einem Verkaufspreis von 18,36 € auszugehen, sondern wie die Beklagtenseite zutreffend vorträgt von 2,49 €. Beide Parteien legen zur Substantiierung ihres Vortrags Ausdrucke aus dem Preismonitor der Webseite h.de vor. Jedoch ergibt sich aus dem klägerischen Screenshot (Anlage K6, Bl. 250 GA), dass hier der Preisverlauf für das Produkt „T S 0 – Full Package deutsch“ wiedergegeben ist. Aus dem Screenshot der Beklagtenseite (S. 2 des Schriftsatzes der RAe X C T2 v. 03.08.2020, Bl. 385 GA) ergibt sich für das Produkt „T S 0 – Download PC“ ein Preis am 22.02.2014 von 2,49 €. Letzteren Preis konnte das Gericht durch Einsichtnahme der Webseite h.de zum konkret genannten Produkt nachvollziehen. Ausweislich der Ermittlungen war die betroffene Datei bezeichnet als „T S 0“. Dass hiermit ein „Full Package“ betroffen war, vermag die Klägerin als Auftraggeberin der Ermittlungen nicht nachvollziehbar vorzutragen. Demnach ist davon auszugehen, dass nur die Standard-PC Version in der Datei enthalten war. 57Auf dieser Grundlage errechnet sich also ein Schadensersatz in Höhe von 249,- € (2,49 € x 100). Dieser Betrag ist angemessen und ausreichend, um den konkreten Schaden der Klägerin abzubilden. 58ff) Die Beklagten zu 1.) - 3.) haften als Erben in Erbengemeinschaft jeweils als Gesamtschuldner, § 2058 BGB. 59b) Abmahnkosten 60Der Klägerin steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Abmahnkosten in Höhe von 745,40 € gemäß § 97a Abs. 4 Satz 1 UrhG a.F. in der vom 09.10.2013 bis zum 02.12.2020 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.) zu. 61aa) Die Abmahnung vom 24.04.2014 war berechtigt, da der Klägerin gegen den Beklagten ein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 97 Abs. 1, 69c Nr. 4 UrhG i.V.m. § 832 BGB wegen der unberechtigten öffentlichen Zugänglichmachung des streitgegenständlichen Computerspiels zustand (s.o. zu den Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs, die ebenso für den Unterlassungsanspruch gelten). 62bb) Die Abmahnung vom 24.04.2014 war berechtigt und entsprach den Anforderungen des § 97a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 UrhG a.F. Der Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten ist nicht gemäß § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG a.F. (wortgleich mit neuer, aktueller Fassung) auf den Ersatz der erforderlichen Aufwendungen hinsichtlich der gesetzlichen Gebühren auf Gebühren nach einem Gegenstandswert für den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch von 1.000,00 EUR beschränkt. Insoweit greift vorliegend § 97a Abs. 3 Satz 4 UrhG, wonach § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG nicht gilt, wenn der genannte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalles unbillig ist. § 97a Abs. 3 UrhG ist im Lichte des Unionsrechts auszulegen. Danach kann vorliegend die Deckelung des Ersatzes der Abmahnkosten nicht zur Anwendung gelangen. 63(1) Art. 14 der Richtlinie 2004/48 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. 2004, L 157, S. 45, berichtigt im ABl. 2004, L 195, S. 16) ist dahin auszulegen, dass die Kosten, die einem Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums für seine Vertretung durch einen Beistand im Hinblick auf die außergerichtliche Durchsetzung dieser Rechte entstanden sind, wie z. B. die mit einer Abmahnung verbundenen Kosten, unter den Begriff „sonstige Kosten“ im Sinne dieser Bestimmung fallen (EuGH, Urteil vom 28. April 2022 – C-559/20 –, juris, Rn. 45). 64Art. 14 der Richtlinie 2004/48 besagt, dass die Prozesskosten und sonstigen Kosten der obsiegenden Partei in der Regel, soweit sie zumutbar und angemessen sind, von der unterlegenen Partei getragen werden. Zum anderen sieht Art. 14 der Richtlinie 2004/48 vor, dass die Prozesskosten und sonstigen von der unterlegenen Partei zu tragenden Kosten „angemessen“ sein müssen (EuGH, Urteil vom 28. April 2022 – C-559/20 –, juris, Rn. 48, 51). Aus dem 14. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/48 ergibt sich zwar, dass die Voraussetzung, dass die Rechtsverletzungen, um in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie zu fallen, in gewerblichem Ausmaß vorgenommen sein müssen, nur für Maßnahmen in Bezug auf Beweismittel, für Maßnahmen in Bezug auf das Auskunftsrecht und für einstweilige Maßnahmen und Sicherungsmaßnahmen gemäß Kapitel II der Richtlinie gilt, wobei die Mitgliedstaaten unbeschadet davon solche Maßnahmen auch bei nicht in gewerblichem Ausmaß vorgenommenen Rechtsverletzungen anwenden können (EuGH, Urteil vom 17. Juni 2021 – C-597/19 –, juris, Rn. 88). Diese Voraussetzung gilt aber nicht für die „Prozesskosten“ und die „sonstigen Kosten“ nach Art. 14 der Richtlinie 2004/48. Nach dieser Bestimmung kann somit auch gegenüber einzelnen Verletzern – also auch gegenüber einer Privatperson wie vorliegend – angeordnet werden, dass sie dem Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums diese Kosten vollständig zu erstatten haben, sofern sie zumutbar und angemessen sind. 65Art. 14 der Richtlinie 2004/48 sieht neben einer Prüfung der Zumutbarkeit und Angemessenheit der erstattungsfähigen Kosten vor, dass die allgemeine Regel der Aufteilung dieser Kosten keine Anwendung findet, wenn Billigkeitsgründe es verbieten, der unterlegenen Partei die Kosten der obsiegenden Partei aufzuerlegen, selbst wenn diese zumutbar und angemessen sind (EuGH, Urteil vom 28. April 2022 – C-559/20 –, juris, Rn. 58). Billigkeitsgründe können indes einen allgemeinen und bedingungslosen Ausschluss der Erstattung von Kosten, die eine bestimmte Obergrenze überschreiten, nicht rechtfertigen (EuGH, Urteil vom 28. Juli 2016 – C-57/15 –, juris, Rn. 31). 66Art. 14 der Richtlinie 2004/48 steht einer Regelung wie der des § 97a Abs. 3 UrhG nicht entgegen, da sie sicherstellen soll, dass die von der unterlegenen Partei zu tragenden Kosten zumutbar und angemessen sind, soweit sie dem Gericht, dem die Kostenentscheidung obliegt, die Möglichkeit gibt, in jedem Einzelfall dessen spezifische Merkmale zu berücksichtigen (EuGH, Urteil vom 28. April 2022 – C-559/20 –, juris, Rn. 64). 67(2) Gemäß § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG führt die Deckelung auf erstattungsfähige Gebühren nach einem Gegenstandswert von 1.000,00 EUR auf Grundlage eines 1,3-fachen Gebührensatzes zu einem Nettobetrag von lediglich 104,00 EUR. Der bundesdeutsche Gesetzgeber hat in § 97a Abs. 3 Satz 4 UrhG für den Fall, dass der Abgemahnte eine natürliche, nicht gewerblich oder beruflich handelnde Person ist, das Regel-Ausnahme-Verhältnis des Art. 14 Enforcement-RL umgekehrt. Nach dem Wortlaut des § 97a Abs. 3 Satz 4 UrhG a.F. kommt bei Beteiligung einer solchen natürlichen Person ein voller Kostenersatz nur dann in Betracht, wenn sonst das Ergebnis unbillig wäre. 68§ 97a Abs. 3 Satz 4 UrhG muss daher unionsrechtskonform so verstanden werden, dass der Streitwertdeckel in der Regel entfällt und nur gilt, wenn sonst das Ergebnis zum Nachteil des Verletzers unbillig wäre. Die nach dem Wortlaut von § 97 Abs. 3 Satz 4 UrhG zur vollen Kostenerstattung führende besondere Unbilligkeit ist bereits dann anzunehmen, wenn die Begrenzung des Gegenstandswertes dazu führen würde, dass der Verletzer nur einen geringen Teil der tatsächlichen Anwaltskosten des Rechteinhabers tragen muss. In der Konsequenz muss der Verletzer sich auf eine Unbilligkeit im Einzelfall berufen und die Darlegungs- und Beweislast für deren Vorliegen tragen. Denn nur dies ermöglicht dem Gericht den spezifischen Merkmalen jedes Falles hinreichend Rechnung zu tragen. 69(3) Vorliegend hat der abgemahnte Verstorbene zwar als natürliche Person gehandelt und das streitgegenständliche Computerspiel weder für eine gewerbliche noch für eine selbständige berufliche Tätigkeit verwendet; auch ist er nicht durch Vertrag, aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung oder einer einstweiligen Verfügung zur Unterlassung verpflichtet. Die Beschränkung des Ersatzes der erforderlichen Aufwendungen auf Gebühren nach einem Gegenstandswert in Höhe von 1.000,00 EUR erweist sich jedoch jedenfalls nach § 97a Abs. 3 Satz 4 UrhG als unbillig. 70Bei der öffentlichen Zugänglichmachung eines aktuellen, durchschnittlich erfolgreichen Computerspieles im Rahmen einer Filesharing-Tauschbörse ist regelmäßig von einem Gegenstandswert für den Unterlassungsanspruch von nicht unter 15.000,00 € auszugehen (BGH, ZUM-RD 2017, 25 Rn. 48). Bei einem überaus populären, kommerziell sehr erfolgreichen und mit hohem Marketingaufwand herausgebrachten Computerspiel – wie dem hier streitgegenständlichen – aber einer Rechtsverletzung erst ca. 2 ½ Jahre nach Erscheinen des Spiels erscheint ein Gegenstandswert von 10.000,00 EUR angemessen. Die obigen Ausführungen zur Schadenshöhe gelten entsprechend. 71Könnte der Beklagte hier nur zur Erstattung eines geringen Teils der zumutbaren Anwaltskosten verurteilt werden, welche der Klägerin entstandenen sind, würde die abschreckende Wirkung eines Verfahrens wegen Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums, entgegen der allgemeinen Verpflichtung aus Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2004/48 und dem mit dieser Richtlinie verfolgten Hauptziel, ein hohes Schutzniveau für geistiges Eigentum im Binnenmarkt zu gewährleisten, das ausdrücklich im zehnten Erwägungsgrund dieser Richtlinie genannt wird und im Einklang mit Art. 17 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union steht, erheblich geschwächt. Dem ist entgegenzuwirken, mit der Folge, dass die Abmahnkosten hier nach dem vollen Gegenstandwert von 10.000,00 EUR ersatzfähig sind (vgl. auch das Kammerurteil vom 24.05.2022, 14 O 244/20, unveröffentlicht). 72cc) Wie oben bereits beschrieben ist hier ein Gegenstandswert für den Unterlassungsanspruch aus einem Gegenstandswert von 10.000 € angemessen, nicht aber wie von der Klägerin angesetzt 20.000 €. Dadurch reduziert sich der geschuldete Kostenbetrag auf eine 1,3 Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG in Höhe von 725,40 € zzgl. 20,- € Kostenpauschale Nr. 7300 VV RVG, mithin 745,40 €. Umsatzsteuer macht die Klägerin nicht geltend. 73c) Die Zinsansprüche folgen aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Der Beklagte hat vorgerichtlich jede Zahlung verweigert. Die Abmahnung vom 24.04.2014 und die damit verbundene Zahlungsaufforderung erfolgten unter Fristsetzung bis zum 05.05.2014, sodass der Zinslauf in gesetzlicher Höhe sowohl für den Schadensersatzanspruch als auch für die zu erstattenden vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten mit dem 06.05.2014 zu laufen begann. 74III. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO. 75Bei der Kostenentscheidung war – anders als bei der Bewertung der Säumnis des Beklagten zu 2.) – zu beachten, dass im Verhältnis der Klägerin zum Beklagten zu 2.) schon vor dem Versterben des Herrn I und der Rechtsnachfolge sowie Aufnahme des Rechtsstreits durch die Rechtsnachfolger ein Prozessrechtsverhältnis begründet worden ist und der Beklagte zu 2.) sich deshalb eines Rechtsanwalts bedienen musste. Diese Kosten sind bereits vor der Aufnahme durch die Rechtsnachfolger entstanden. Hingegen hat sich durch die Aufnahme des Rechtsstreits im isoliert zu betrachtenden Prozessrechtsverhältnis der Klägerin zum früheren Beklagten zu 1.) in kostenrechtlicher Hinsicht kein maßgeblicher Unterschied ergeben. Demnach war für die Kostenentscheidung von einer einfachen Streitgenossenschaft der Rechtsnachfolger des Herrn I einerseits und des Beklagten zu 2.) andererseits auszugehen. Somit war die Kostenentscheidung auf Grundlage der Baumbach’schen Formel und dem anteiligen Unterliegen der Parteien zu fassen. Angesichts des überwiegenden Unterliegens der Klägerin liegen die Kosten weitestgehend wie tenoriert bei dieser. Eine Anwendung von § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO kam hingegen nicht in Betracht, weil das teilweise Obsiegen der Klägerin im Verhältnis zum einfachen Streitwert mehr als 10% beträgt. 76IV. Der Streitwert wird auf 5.574,60 EUR festgesetzt.
1. das versäumnisurteil des amtsgerichts köln vom 22. november 2018 zum az. 137 c 254/18 wird aufgehoben. 2. die beklagten werden als gesamtschuldner verurteilt, an die klägerin einen betrag von 745,40 eur nebst jährlicher zinsen in höhe von fünf prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz seit dem 6 mai 2014 zu zahlen. 3. die beklagten werden als gesamtschuldner verurteilt, an die klägerin einen weiteren betrag über 249,- € nebst jährlicher zinsen in höhe von fünf prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz seit dem 6 mai 2014 zu zahlen. 4. im übrigen wird die klage abgewiesen. 5. die gerichtskosten tragen die klägerin zu 91 % und die beklagten zu 1.) – 3.) als rechtsnachfolger des früheren beklagten zu 1.) zu je 9 %. die außergerichtlichen kosten der klägerin tragen die beklagten zu 1.) – 3.) als rechtsnachfolger des früheren beklagten zu 1.) zu 18 %. die außergerichtlichen kosten der beklagten zu 1.) – 3.) als rechtsnachfolger des früheren beklagten zu 1.) trägt die klägerin zu 82 %. die außergerichtlichen kosten des beklagten zu 2.) trägt die klägerin. 6. das urteil ist vorläufig vollstreckbar. alle parteien können die zwangsvollstreckung durch sicherheitsleistung i. h. v. 110% des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrags abwenden, wenn nicht die vollstreckende partei vor der zwangsvollstreckung sicherheit i. h. v. 110% des zu vollstreckenden betrags leistet. 1
2die klägerin nimmt einerseits den während des verfahrens verstorbenen ehemaligen beklagten zu 1), herrn i, als internetanschlussinhaber, nunmehr dessen erben als rechtsnachfolger wegen urheberrechtsverletzung über den internetanschluss an dem computerspiel „t s 0“ durch sogenanntes filesharing wegen zweier behaupteter verstöße am 22.02.2014 um 16:50:24 uhr und um 18:30:00 uhr (bl. 19 d.a.) auf erstattung vorgerichtlicher abmahnkosten und schadensersatz in anspruch. andererseits nimmt sie den beklagten zu 2) als unmittelbaren täter der vorgenannten verstöße in anspruch. 3die umverpackung des computerspiels „t s 0“ enthält folgenden hinweis: „© 2013 and published by l n gmbh“. es enthält auch das logo „e t1“, das ein label der klägerin ist. die klägerin trägt ausführlich und unter vorlage von verträgen zur rechtekette vor. das spiel „t s 0“ erschien im november 2011. 4die klägerin beauftragt regelmäßig unternehmen mit der ermittlung von urheberrechtsverstößen im internet mittels sogenannter filesharing-software, auch bezüglich des streitgegenständlichen spiels. das unternehmen u ermittelte durch einen ihrer mitarbeiter zwei entsprechende verstöße am 22.02.2014 um 16:50:24 uhr und um 18:30:00 uhr, ausgehend von der ip-adresse 00.000.00.00. die klägerin ließ beim landgericht köln ein entsprechendes auskunftsverfahren durchführen (vgl. lg köln, az. 215 o 7/14), woraufhin der verstorbene herr i als inhaber des fraglichen internetanschlusses ermittelt wurde. 5die klägerin mahnte herrn i mit anwaltlichem schreiben vom 24.04.2014 wegen urheberrechtsverletzung durch bereithaltung der datei „t s 0“ mit dem hashwert 00000 zum download über die ip-adresse 00.000.00.00 ab und forderte ihn zur abgabe einer strafbewehrten unterlassungsverpflichtungserklärung sowie zur zahlung unter fristsetzung bis zum 05.05.2014 auf. herr i gab eine unterlassungserklärung ab, weitere ansprüche wurden nicht erfüllt. 6die klägerin macht klageweise aufwendungsersatz in höhe von 984,60 eur nach einem gegenstandswert von 20.000,00 eur und schadensersatz in höhe von zuletzt 4.590,00 eur geltend. den schadensersatz berechnet sie aus dem faktor 250 des behaupteten einzelpreises des streitgegenständlichen spiels zum stichtag der rechtsverletzung in höhe von 18,36 eur. 7die klägerin ist im wesentlichen der ansicht, der beklagte zu 2) sei der täter der ermittelten rechtsverletzungen. dies ergebe sich schon daraus, dass der beklagte zu 2) eingeräumt habe, das spiel aus einem trailer-video zu kennen. bei diesem video handele es sich eigentlich um eine anleitung zum download über p2p-börsen, was der beklagte zu 2) dann auch in die tat umgesetzt habe. der verstorbene hafte im übrigen nach § 832 bgb wegen mangelnder belehrung. 8die sache war zunächst beim ag köln zum az. 137 c 254/18 und nur gegen den verstorbenen herrn i anhängig. dort erging zunächst versäumnisurteil gegen die klägerin. vor dem versäumnisurteil teilte der damalige beklagte zu 1.) in der klageerwiderung mit, dass sein anschluss ein familienanschluss sei und von ihm, seiner ehefrau und seinen beiden minderjährigen kindern (tochter n e1, geb. 00.00.0000, und sohn n1 e1, geb. 00.00.0000) genutzt werde. dem sohn, also dem beklagten zu 2.), sei das spiel aus einem trailer-video bekannt, was er nach befragung durch die eltern erklärt habe. im übrigen haben alle familienmitglieder die tat abgestritten. 9nach dem versäumnisurteil erhob die klägerin einspruch und erweiterte die klage in subjektiver hinsicht auf den beklagten zu 2.). nach gerichtlichen hinweisen in der verhandlung über den einspruch erweiterte die klägerin die klage der höhe nach, sodass die zuständigkeitsschwelle zum lg erreicht wurde. 10nach weiterer mündlicher verhandlung vor der erkennenden kammer ist ein beweisbeschluss ergangen. nach erlass des beweisbeschlusses ist der frühere beklagte zu 1.) verstorben. auf antrag seines vertreters wurde der rechtsstreit insoweit ausgesetzt nach § 246 zpo. unmittelbar vor der mündlichen verhandlung am 28.04.2022 erklärten die ehefrau und die kinder als rechtsnachfolger des beklagten zu 1) die aufnahme des rechtsstreits. 11der prozessbevollmächtigte des beklagten 2) ist im termin zur mündlichen verhandlung am 28.04.2022 trotz ordnungsgemäßer ladung nicht erschienen. 12die klägerin beantragt, 131. das versäumnisurteil des amtsgerichts köln v. 22. november 2018 zum az. 137 c 254/18 wird aufgehoben. 142. die beklagten werden als gesamtschuldner verurteilt, an die klägerin einen betrag von 984,80 eur nebst jährlicher zinsen in höhe von fünf prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz seit dem 6 mai 2014 zu zahlen. 153. die beklagten werden als gesamtschuldner verurteilt, an die klägerin einen weiteren betrag über 4.590,00 eur nebst jährlicher zinsen in höhe von fünf prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz seit dem 6 mai 2014 zu zahlen. 16der kläger beantragt außerdem, 17 gegen den beklagten zu 2.) den erlass eines versäumnisurteil. 18die beklagten zu 1.) – 3.) als rechtsnachfolger des verstorbenen herrn i beantragen, 19 die klage abzuweisen. 20der beklagte zu 2.) stellte im eigenen namen mangels rechtsanwaltlicher vertretung im termin zur mündlichen verhandlung am 28.04.2022 keinen antrag. 21der beklagte zu 2.) wies zuvor schriftsätzlich seine haftung zurück. er sei nicht passivlegitimiert und die klägerin komme ihrer uneingeschränkten darlegungs- und beweislast nicht nach. 22die beklagten behaupten, das gegenständliche computerspiel sei zum zeitpunkt der ermittelten zurverfügungstellung für nur 2,49 € als pc download zu erwerben gewesen. 23die rechtsnachfolger des beklagten zu 1.) halten eine haftung für ausgeschlossen, weil der beklagte zu 1.) seiner sekundären darlegungslast genügt habe. er hafte auch nicht wegen nicht erfüllter aufsichtspflicht der zur tatzeit minderjährigen kinder. die kinder seien hinreichend zur nutzung des internets und zum verbot der nutzung von filesharingsoftware aufgeklärt worden. 24die beklagten insgesamt meinen, der geltend gemachte lizenzschadensersatz sei überzogen, weil im jahr 2014 das gegenständliche computerspiel, das bereits seit 2011 auf dem markt ist, bereits für ramschpreise an verbraucher angeboten worden sei. die abmahnkosten dürften nur aus dem nach § 97a abs. 3 urhg reduzierten gegenstandswert berechnet werden. 25das gericht hat in der mündlichen verhandlung am 28.04.2022 die beklagte zu 1.) und den beklagten zu 2.) persönlich angehört. 26
27die zulässige klage hat nur in geringem umfang erfolg. 28i. soweit das verfahren als einspruch gegen das versäumnisurteil des amtsgerichts köln vom 22.11.2018 zum az. 137 c 254/18 geführt wird, d.h. im verhältnis der klägerin zu den rechtsnachfolgern des früheren beklagten zu 1.), herrn i, also den nunmehrigen beklagten zu 1.) – 3.), so ist der einspruch zulässig. er ist form- und fristgerecht am 18.12.2018 durch fax (bl. 83 ga) erhoben worden, nachdem das versäumnisurteil der klägerin am 04.12.2018 zugestellt worden ist (bl. 81 ga). 29ii. die zulässige klage ist teilweise begründet. 301. nachdem der rechtsstreit im verhältnis der klägerin zum verstorbenen früheren beklagten zu 1.) nach §§ 239, 246 zpo ausgesetzt war, haben die nunmehrigen beklagten zu 1.) – 3.) den rechtsstreit gem. §§ 239 abs. 1, 246 abs. 2, 250 zpo aufgenommen. die rechtsnachfolge ist unbestritten, im übrigen durch erbschein belegt. die aufnehmenden sind demnach an die stelle des verstorbenen getreten und parteien des rechtsstreits geworden, wobei zu beachten ist, dass der beklagte zu 2.) bereits zuvor partei war. 312. ein versäumnisurteil gegen den beklagten zu 2.) kommt nicht in betracht. da der beklagte zu 2.) schon vor der aufnahme der rechtsnachfolger seines vaters partei des rechtsstreits war, kommt ihm nach der aufnahme eine „doppelfunktion“ zu, da er einerseits als rechtsnachfolger seines vaters und andererseits im eigenen namen in anspruch genommen wird. dies hat primär folgen für die materiell-rechtliche beurteilung. vorliegend ist jedoch der vor erklärung der rechtsnachfolge für den beklagten zu 2.) bestellte prozessbevollmächtigte zum termin nicht erschienen, weshalb die klägerin des erlass eines versäumnisurteils beantragt. zugleich war der prozessbevollmächtigte des früheren beklagten zu 1.) anwesend und stellte für die rechtsnachfolger des verstorbenen einen sachantrag. da der beklagte zu 2.) auch rechtsnachfolger ist, wurde auch für ihn ein solcher sachantrag gestellt und zwar sowohl zu der aufrechterhaltung des versäumnisurteils als auch der klageabweisung. vor diesem hintergrund kommt kein erlass eines (teil-) versäumnisurteils gegen den beklagten zu 2.) in betracht, weil dieser nicht zugleich säumig sein kann und zugleich einen sachantrag stellen kann. eine derartige aufspaltung des beklagten zu 2.) hat in prozessualer hinsicht keine grundlage. 323. ein versäumnisurteil gegen den beklagten zu 2.) scheidet auch aus materiellen gründen aus. die klage ist insoweit nicht schlüssig. den anspruch gegen den beklagten zu 2.) stützt die klägerin auf den vorwurf unmittelbarer täterschaft. sie beruft sich hierzu auf die mitteilungen des verstorbenen im rahmen dessen sekundärer darlegungslast, wonach der beklagte zu 2.) das streitgegenständliche computerspiel kenne. ohne weitere begründung folgert die klägerin hieraus, dass der beklagte zu 2.) das spiel über eine filesharing software heruntergeladen und zum abruf durch dritte bereitgehalten habe. dies genügt für einen schlüssigen sachvortrag nach ansicht der kammer jedoch deshalb nicht, weil ausweislich der mitteilungen des verstorbenen im rahmen seiner sekundären darlegungslast auch die schwester des beklagten zu 2.), die nunmehrige beklagte zu 3.) grundsätzlich zugriff auf den internetanschluss hatte. die klägerin bleibt aber jeglichen vortrag dazu schuldig, wieso die beklagte zu 3.) nicht als täterin in betracht komme, sondern allein der beklagte zu 2.). es verbleiben demnach, selbst wenn man an dieser stelle eine säumnis unterstellt und den klägerischen vortrag als zugestanden ansieht, zweifel an der täterschaft des beklagten zu 2.). 334. die klage gegen die beklagten als rechtsnachfolger des verstorbenen ist teilweise begründet. 34der klägerin stehen gegen die beklagten die geltend gemachten ansprüche auf ersatz vorgerichtlicher abmahnkosten (klageantrag zu 2.) zu in höhe von 745,40 € gemäß § 97a abs. 1 satz 2 urhg (in der bis zum 01.12.2020 geltenden fassung; im folgenden: a.f.; siehe dazu nachfolgende ausführungen unter lit. b.) und auf schadenersatz (klageantrag zu 3.) gemäß § 832 abs. 1 s. 1 bgb i.v.m. § 97 abs. 2 urhg i.v.m. §§ 19a, 69c nr. 4 urhg in höhe von 249,- € zu (siehe dazu die nachfolgenden ausführungen lit. a.). 35a) schadensersatz 36der anspruch folgt aus § 832 abs. 1 s. 1 bgb i.v.m. § 97 abs. 2 urhg i.v.m. §§ 19a, 69c nr. 4 urhg. 37aa) die bereitstellung eines computerspiels – hier des streitgegenständlichen „t s 0“ – zum herunterladen über eine internettauschbörse verletzt das recht zur öffentlichen zugänglichmachung gemäß §§ 19a, 69c nr. 4 urhg (vgl. bgh, grur-rr 2017, 484 rn. 10 – ego-shooter, mwn; bgh, grur 2018, 1044 rn. 10 – dead island). soweit der beklagte pauschal bestreitet, das streitgegenständliche computerspiel sei über eine seinem internetanschluss zugeordnete ip-adresse zum download angeboten worden, ist dies unbeachtlich. die klägerin hat detailliert unter beweisangebot zu den ermittlungen der u gmbh vorgetragen. konkrete anhaltspunkte, die etwa für eine fehlzuordnung oder fehlerhafte ermittlungen sprächen, zeigt der beklagte nicht auf. 38bb) die klägerin ist als inhaberin der ausschließlichen nutzungs- und verwertungsrechte an dem computerspiel „t s 0“ aktivlegitimiert. soweit der beklagte die rechteinhaberschaft lediglich pauschal bestreitet, dringt er damit nicht durch. 39die klägerin hat unter beweisantritt vorgetragen, dass die ausschließlichen rechte des hier streitgegenständlichen computerspiels „t s 0“ von ihr von den entwicklern, der fa. u inc., erworben worden ist. der copyright-vermerk auf den umverpackungen des streitgegenständlichen spiels weist nach dem insoweit vom beklagten in der sache unbestrittenen vortrag der klägerin auf die klägerin hin und weist das logo von „e t1“ auf, das ebenfalls der klägerin zuzuordnen ist. ein nachweis der urheberschaft und der inhaberschaft an ausschließlichen verwertungsrechten kann außerhalb des anwendungsbereichs der in § 10 urhg niedergelegten vermutungsregeln auch durch einen indizienbeweis erbracht werden, bei dem selbst mittelbare tatsachen die grundlage für die annahme der rechtsinhaberschaft liefern (bgh, grur 2016, 1280, 1281 rn. 26 – everytime we touch). die klägerin hat die rechtekette lückenlos unter ausführlicher darlegung und belegung mit vertragsdokumenten sowie einer entsprechenden benennung in öffentlich zugänglichen handelsquellen in fachmedien der spielebranche belegt. der beklagte hat dagegen keine erheblichen einwendungen erhoben und auch nicht dargelegt, wem die rechte anderweitig zustehen sollten. 40cc) die beklagten als rechtsnachfolger des herrn i haften auch für diese verletzung. 41wird ein urheberrechtlich geschütztes werk oder eine urheberrechtlich geschützte leistung der öffentlichkeit von einer ip-adresse aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen zeitpunkt einer bestimmten person zugeteilt ist, so spricht nach der rechtsprechung des bgh eine tatsächliche vermutung dafür, dass diese person für die rechtsverletzung verantwortlich ist. da der verstorbene inhaber des internetanschlusses zum maßgeblichen zeitpunkt war, über den das computerspiel in tauschbörsen öffentlich zugänglich gemacht wurde, spricht eine tatsächliche vermutung dafür, dass er für die von der klägerin behauptete verletzung ihrer rechte verantwortlich ist. diese tatsächliche vermutung kann entkräftet werden, wenn die gegenpartei tatsachen darlegt und gegebenenfalls beweist, aus denen sich eine ernsthafte möglichkeit eines vom gewöhnlichen abweichenden geschehensablaufs ergibt. 42diesen anforderungen wird der sachvortrag des früheren beklagten zu 1.) insofern gerecht, als er dargelegt hat, dass es sich um einen familienanschluss gehandelt hat und neben ihm seine ehefrau und die beiden zur tatzeit minderjährigen kinder zugriff auf das internet hatten. er führte auch zu den kenntnissen und nutzungsgewohnheiten seiner familienmitglieder und seiner selbst aus. 43auf dieser grundlage sowie auf grundlage der anhörung der beklagten zu 1.) ist die kammer der überzeugung, dass zunächst die beklagte zu 1.) als täterin nicht in betracht kommt. die kammer ist außerdem auf grundklage des sach- und streitstandes überzeugt, dass der verstorbene, herr i, selbst nicht täter der rechtsverletzung war. dies folgt zunächst aus seinem vortrag in der klageerwiderung, in welcher er unter anderem ausführen ließ, dass er das streitgegenständliche spiel vor abmahnung nicht gekannt habe und den internetanschluss nicht für "online-spiel" nutzte, während dies seine beiden kinder beide taten. auch aus der anhörung der beklagten zu 1.) und 2.) ergeben sich keinerlei hinweise, dass der verstorbene selbst als spieler des streitgegenständlichen oder eines anderen computerspiels in betracht käme. hingegen ist die kammer überzeugt, dass die rechtsverletzung über den anschluss des verstorbenen erfolgt ist und zwar durch eines der beiden kinder, also der beklagten zu 2. oder 3.), einzeln oder von ihnen gemeinsam. dafür sprechen nach den obigen ausführungen, dass ausweislich der klageerwiderung beide kinder durchschnittliche computeranwenderkenntnisse hatten und "online-spiele" spielten. bei dieser kenntnis- und interessenlage ist eine nutzung von tauschbörsen mit blick auf computerspiele jedenfalls möglich. wie oben bereits ausgeführt, ist es jedoch nicht ersichtlich, dass nur der beklagte zu 2.) als täter in betracht kommt, während seine schwester, die beklagte zu 3.), als täterin auszuscheiden habe. es ist nichts dafür vorgetragen oder ersichtlich, dass die beklagte zu 3.) weder die kenntnisse, noch die möglichkeiten, noch das interesse hatte, das streitgegenständliche spiel über eine tauschbörse herunterzuladen und zugleich zum upload zur verfügung zu stellen. dass die klägerin die beklagte zu 3.) ggf. nicht zur zielgruppe des streitgegenständlichen spiels zählt, führt nicht zum ausschluss als potentielle täterin. 44diese umstände entlasten die beklagtenseite jedoch nicht, da der verstorbene seine aufsichtspflicht gem. § 832 bgb gegenüber beiden kindern verletzt hat. der verstorbene war kraft gesetzes zur führung der aufsicht über seine damals 17-jährige tochter und seinen 12-jähirgen sohn verpflichtet (§§ 1626 abs. 1, 1631 abs. 1 bgb). gemäß § 832 abs. 1 s. 1 bgb ist, wer kraft gesetzes zur führung der aufsicht über eine person verpflichtet ist, die – hier – wegen minderjährigkeit der beaufsichtigung bedarf, zum ersatz des schadens verpflichtet, den diese person einem dritten widerrechtlich zufügt. der aufsichtspflichtige hat im rahmen des § 832 bgb umfassend und konkret darzulegen und zu beweisen, was er zur erfüllung der aufsichtspflicht unternommen hat. den beklagten ist nicht der beweis gelungen, dass der verstorbene seine nach überzeugung der kammer als täter in betracht kommenden kinder vor dem streitgegenständlichen vorfall über das verbot einer rechtswidrigen teilnahme an internettauschbörsen ausreichend belehrt hat. wer der beiden kinder konkret die rechtsverletzung begangen hat, kann dabei offenbleiben, weil mangels hinreichender belehrung beider kinder sowohl eine rechtsverletzung des sohnes als auch der tochter als auch beider zusammen der anknüpfungspunkt der haftung nach § 832 bgb gegeben ist. in jedem fall ist die rechtsverletzung zur überzeugung der kammer in seiner sphäre geschehen und seine unterbliebene aufklärung ist kausal hierfür. 45eltern sind verpflichtet, die internetnutzung ihres minderjährigen kindes zu beaufsichtigen, um eine schädigung dritter durch das kind zu verhindern. dazu zählt die verhinderung der urheberrechte verletzenden teilnahme des kindes an tauschbörsen. allerdings genügen eltern ihrer aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes kind, das ihre grundlegenden gebote und verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das kind über die rechtswidrigkeit einer teilnahme an internettauschbörsen belehren und ihm eine teilnahme daran verbieten. eine verpflichtung der eltern, die nutzung des internets durch das kind zu überwachen, den computer des kindes zu überprüfen oder dem kind den zugang zum internet (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht. zu derartigen maßnahmen sind eltern erst verpflichtet, wenn sie konkrete anhaltspunkte dafür haben, dass das kind dem verbot zuwiderhandelt (bgh grur 2016, 184 – tauschbörse ii; grur 2013, 511 – morpheus). 46die anforderungen an die aufsichtspflicht, insbesondere die pflicht zur belehrung und beaufsichtigung von kindern, richten sich nach der vorhersehbarkeit des schädigenden verhaltens. dabei hängt es hauptsächlich von den eigenheiten des kindes und seinem befolgen von erziehungsmaßahmen ab, in welchem umfang allgemeine belehrungen und verbote ausreichen oder deren beachtung auch überwacht werden muss (vgl. bgh, njw 2009, 1952 rn. 17; bgh, njw 2009, 1954 rn. 14). 47diesen maßstäben ist der verstorbene vorliegend nicht gerecht geworden. dabei hat die kammer ihre überzeugung auf grundlage der persönlichen anhörung der beklagten zu 1.), der ehefrau des verstorbenen, und des beklagten zu 2.), dem sohn des verstorbenen, gebildet. der beklagte zu 2.) gab von sich aus keine aussage zu etwaigen belehrungen. er wurde insoweit nicht befragt. er konnte sich aber auch zu einer ansprache nach zugang der abmahnung schon nicht erinnern, sodass nicht davon auszugehen ist, dass er sich an einen noch früher zurückliegenden zeitraum zuverlässig erinnern kann. die beklagte zu 1.) führte zwar aus, dass die kinder im zusammenhang mit der nutzung des internets über gewissen verhaltensweisen belehrt worden ist. sie bleibt aber insgesamt in ihren ausführungen vage, hat zum teil keine eigenen wahrnehmungen, soweit es ihren ehemann betrifft, und sie widerspricht sich teilweise. so stellt sie einleitend klar, dass hauptsächlich der verstorbene die kinder belehrt haben soll. zu den inhalten der belehrungen durch ihren ehemann kann sie aber nichts sagen. sodann verweist sie wiederholt darauf, dass anlassbezogen belehrt worden sei, wenn im fernsehen über entsprechenden themen berichtet worden ist. dabei sei es sicherlich auch um filesharing bzw. tauschbörsen gegangen. zugleich weist sie darauf hin, dass für sie das thema filesharing unbekannt war, sie in diesem zusammenhang „unbeleckt“ gewesen sei. 48auf dieser grundlage kann die kammer nicht erkennen, dass die kinder durch den verstorbenen oder die beklagte zu 1.) hinreichend deutlich über die rechtswidrigkeit der teilnahme an tauschbörsen bzw. an filesharing belehrt worden sind. schon gar nicht ist erkennbar, dass diese belehrung vor dem tatzeitpunkt erfolgt ist. es ist zur überzeugung der kammer unrealistisch, dass eine hinreichende belehrung erfolgen kann, wenn man selbst die problematik nicht erfasst und versteht. dass der verstorbene hier bessere kenntnisse hatte und auf dieser grundlage hinreichend und rechtzeitig belehrte, kann dem sach- und streitstand nicht entnommen werden. 49dd) § 832 bgb begründet eine haftung für vermutetes verschulden. hingegen kommt es auf ein verschulden des aufsichtsbedürftigen nicht an. vermutet wird ferner, dass zwischen der verletzung der aufsichtspflicht und dem entstandenen schaden ein ursächlicher zusammenhang besteht (vgl. urteil der kammer v. 17.5.2018 – 14 s 34/16, grur-rr 2018, 505). nach den obigen ausführungen gelingt der beklagtenseite keine exkulpation. 50ee) der geltend gemachte anspruch auf schadensersatz ist der höhe nach nur in höhe von 249,- € begründet. 51die höhe der zu zahlenden lizenzgebühr hat der tatrichter gemäß § 287 zpo unter würdigung der besonderen umstände des einzelfalls nach seiner freien überzeugung zu bemessen (vgl. bgh zum-rd 2010, 529 – restwertbörse i; zum 2016, 173 – tauschbörse i). nicht entscheidend ist hingegen, ob der verletzte überhaupt beabsichtigte, eine lizenzierung vorzunehmen – die zuerkennung einer angemessenen lizenzgebühr kommt selbst dann in betracht, wenn die vorherige erteilung der zustimmung als schlechthin undenkbar erscheint (vgl. bgh grur 1993, 55 – tchibo/rolex ii) – oder ob der verletzer selbst bereit gewesen wäre, für seine benutzungshandlungen eine vergütung zu zahlen (vgl. bgh njw-rr 1995, 1320, 1321). zur ermittlung der angemessenen lizenzgebühr ist zu fragen, was ein vernünftiger lizenzgeber und ein vernünftiger lizenznehmer anstelle der parteien für die übertragung des rechts auf den beklagten vereinbart hätten, infolge dessen dieser das streitgegenständliche computerspiel im internet im rahmen eines netzwerks für eine vielzahl von teilnehmern zum download bereithalten durfte. 52für den schadensersatzanspruch ist als anhaltspunkt für die schadensschätzung gemäß § 287 zpo auf die beträge abzustellen, die für vergleichbare nutzungsarten vereinbart werden. der kammer ist aus einer reihe von fällen gerichtsbekannt, dass bereits für die zeitlich und räumlich beschränkte lizenz zum anbieten einer musiksingle im internet lizenzgebühren im vierstelligen euro-bereich vereinbart werden. auch aus diesem grund setzt die kammer in ständiger rechtsprechung für das angebot von musikaufnahmen über filesharingnetzwerke im internet für den regelfall jeweils 200,00 eur pro musiktitel als angemessenen schadensersatz an. dies entspricht der obergerichtlichen (vgl. etwa olg köln, urteil vom 06.02.2015 – 6 u 209/13; olg hamburg, urteil vom 05.11.2013 – 5 u 222/10; olg frankfurt, urteil vom 15.07.2014 – 11 u 115/13; urteil vom 16.12.2014 – 11 u/14) und auch der höchstrichterlichen rechtsprechung (bgh, urteile vom 11.06.2015 zu i zr 7/14, i zr 19/14 und i zr 75/14 – tauschbörse i-iii; urteil vom 12.05.2016 – i zr 48/15 – everytime we touch). 53vorliegend macht die klägerin wegen der zugänglichmachung des streitgegenständlichen computerspiels am 22.02.2014 um 16:50:24 uhr und um 18:30:00 uhr über die ip-adresse 00.000.00.00 einen anspruch auf lizenzschadensersatz i.h.v. 4.590,00 eur geltend. diesen betrag erachtet die kammer gemäß § 287 zpo aufgrund der konkreten umstände des einzelfalles als lizenzschadensersatz für übersetzt. streitgegenständlich ist die zweifache öffentliche zugänglichmachung des computerspiels „t s 0“ im rahmen einer filesharing-tauschbörse. rechtsverletzungen wurden am 22.02.2014 um 16:50:24 uhr und um 18:30:00 uhr zu zwei verschiedenen zeitpunkten unter der gleichen ip-adresse ermittelt. 54zu berücksichtigen ist daneben auch der konkrete zeitpunkt der rechtsverletzungen. die streitgegenständlichen rechtsverletzungen erfolgten zu einem zeitpunkt als das streitgegenständliche computerspiel sich unstreitig nicht mehr auf dem höhepunkt seines kommerziellen ersterfolgs befand, sondern bereits der nachfolger der serie „t s 01“ erschienen war. das streitgegenständliche „t s 0“ hingegen befand sich zur tatzeit bereits ca. 2 ½ jahre nach erstveröffentlichung in einer nachgelagerten verwertungsphase, in der das spiel zum teil zu erheblich reduzierten preisen im vergleich zum preis bei veröffentlichung von ca. 50 € zu erwerben war – nach vortrag der klägerin etwa als „full package“ für 18,36 € am 21.02.2014. die öffentliche zugänglichmachung eines werkes in einer filesharing-tauschbörse und der damit verbundene eingriff in die urheberrechtlich geschützten verwertungsrechte stellt die kommerzielle auswertung des werks insgesamt in frage (bgh, urteil vom 12.05.2016, i zr 1/15 - tannöd, juris rn. 41). das illegale upload-angebot im rahmen einer filesharing-tauschbörse war vorliegend in besonderem maße geeignet, die der klägerin zustehenden verwertungsrechte der öffentlichen zugänglichmachung und auch des vertriebs wirtschaftlich zu beeinträchtigen. wegen der zeitlich weit entfernten erstveröffentlichung und der zwischenzeitlichen veröffentlichung des nachfolgespiels hat die rechtswidrige öffentliche zugänglichmachung der klägerin die weitere wirtschaftliche verwertung des computerspieles zwar erschwert, dies aber nur in begrenztem umfang. denn durch die unstreitige erhebliche reduzierung des spielpreises auf zwischenzeitlich mindestens ca. 18 € ist eindeutig, dass die nachfrage am markt auch ohne die beeinträchtigung durch filesharing erheblich vermindert war. 55vernünftige vertragspartner anstelle der parteien hätten diese umstände bei der bemessung der lizenzgebühr für die von dem beklagten in anspruch genommene nutzung berücksichtigt und im hinblick auf die fehlende aktualität des computerspiels eine moderate lizenzgebühr vereinbart. der von der klägerin angesetzte lizenzschadensersatz i.h.v. 4.590,00 eur, welcher wertmäßig dem betrag entspricht, den die klägerin für 250 exemplare des am tattag zum einzelhandelspreis von (behaupteten) 18,36 eur vertriebenen computerspiels erzielen konnte, ist vor diesem hintergrund zu hoch bemessen. dabei ist zwar die ständige rechtsprechung der kammer zu berücksichtigen, dass auch ohne konkrete kenntnis von der zahl der teilnehmer der filesharing-tauschbörse zu den jeweiligen tatzeitpunkten eine zahl von (mindestens) 400 möglichen zugriffen auf ein in einer solchen tauschbörse zum download angebotenes, aktuelles werk durchaus realistisch und zur grundlage der bemessung eines anspruchs auf lizenzschadensersatz geeignet ist (vgl. olg köln, beschluss vom 08.05.2013, 6 w 256/12, juris rn. 9; olg frankfurt, urteil vom 15.07.2014, 11 u 115/13; olg köln, urteil vom 06.02.2015; 6 u 209/13; nicht beanstandet von bgh, urteil vom 12.05.2016, i zr 48/15 – everytime we touch, juris rn. 56). bei einem nicht mehr aktuellen titel unter den umständen des einzelfalls lässt sich dies jedoch nicht auf den streitfall übertragen. im hiesigen einzelfall erachtet die kammer vielmehr den faktor 100 des handelspreises des streitgegenständlichen computerspiels für angemessen. 56dabei ist jedoch entgegen der ausführungen der klägerin nicht von einem verkaufspreis von 18,36 € auszugehen, sondern wie die beklagtenseite zutreffend vorträgt von 2,49 €. beide parteien legen zur substantiierung ihres vortrags ausdrucke aus dem preismonitor der webseite h.de vor. jedoch ergibt sich aus dem klägerischen screenshot (anlage k6, bl. 250 ga), dass hier der preisverlauf für das produkt „t s 0 – full package deutsch“ wiedergegeben ist. aus dem screenshot der beklagtenseite (s. 2 des schriftsatzes der rae x c t2 v. 03.08.2020, bl. 385 ga) ergibt sich für das produkt „t s 0 – download pc“ ein preis am 22.02.2014 von 2,49 €. letzteren preis konnte das gericht durch einsichtnahme der webseite h.de zum konkret genannten produkt nachvollziehen. ausweislich der ermittlungen war die betroffene datei bezeichnet als „t s 0“. dass hiermit ein „full package“ betroffen war, vermag die klägerin als auftraggeberin der ermittlungen nicht nachvollziehbar vorzutragen. demnach ist davon auszugehen, dass nur die standard-pc version in der datei enthalten war. 57auf dieser grundlage errechnet sich also ein schadensersatz in höhe von 249,- € (2,49 € x 100). dieser betrag ist angemessen und ausreichend, um den konkreten schaden der klägerin abzubilden. 58ff) die beklagten zu 1.) - 3.) haften als erben in erbengemeinschaft jeweils als gesamtschuldner, § 2058 bgb. 59b) abmahnkosten 60der klägerin steht gegen die beklagten ein anspruch auf ersatz vorgerichtlicher abmahnkosten in höhe von 745,40 € gemäß § 97a abs. 4 satz 1 urhg a.f. in der vom 09.10.2013 bis zum 02.12.2020 geltenden fassung (im folgenden: a.f.) zu. 61aa) die abmahnung vom 24.04.2014 war berechtigt, da der klägerin gegen den beklagten ein unterlassungsanspruch gemäß §§ 97 abs. 1, 69c nr. 4 urhg i.v.m. § 832 bgb wegen der unberechtigten öffentlichen zugänglichmachung des streitgegenständlichen computerspiels zustand (s.o. zu den voraussetzungen des schadensersatzanspruchs, die ebenso für den unterlassungsanspruch gelten). 62bb) die abmahnung vom 24.04.2014 war berechtigt und entsprach den anforderungen des § 97a abs. 2 satz 1 nr. 1 bis 4 urhg a.f. der anspruch auf erstattung von abmahnkosten ist nicht gemäß § 97a abs. 3 satz 2 urhg a.f. (wortgleich mit neuer, aktueller fassung) auf den ersatz der erforderlichen aufwendungen hinsichtlich der gesetzlichen gebühren auf gebühren nach einem gegenstandswert für den unterlassungs- und beseitigungsanspruch von 1.000,00 eur beschränkt. insoweit greift vorliegend § 97a abs. 3 satz 4 urhg, wonach § 97a abs. 3 satz 2 urhg nicht gilt, wenn der genannte wert nach den besonderen umständen des einzelfalles unbillig ist. § 97a abs. 3 urhg ist im lichte des unionsrechts auszulegen. danach kann vorliegend die deckelung des ersatzes der abmahnkosten nicht zur anwendung gelangen. 63(1) art. 14 der richtlinie 2004/48 des europäischen parlaments und des rates vom 29. april 2004 zur durchsetzung der rechte des geistigen eigentums (abl. 2004, l 157, s. 45, berichtigt im abl. 2004, l 195, s. 16) ist dahin auszulegen, dass die kosten, die einem inhaber von rechten des geistigen eigentums für seine vertretung durch einen beistand im hinblick auf die außergerichtliche durchsetzung dieser rechte entstanden sind, wie z. b. die mit einer abmahnung verbundenen kosten, unter den begriff „sonstige kosten“ im sinne dieser bestimmung fallen (eugh, urteil vom 28. april 2022 – c-559/20 –, juris, rn. 45). 64art. 14 der richtlinie 2004/48 besagt, dass die prozesskosten und sonstigen kosten der obsiegenden partei in der regel, soweit sie zumutbar und angemessen sind, von der unterlegenen partei getragen werden. zum anderen sieht art. 14 der richtlinie 2004/48 vor, dass die prozesskosten und sonstigen von der unterlegenen partei zu tragenden kosten „angemessen“ sein müssen (eugh, urteil vom 28. april 2022 – c-559/20 –, juris, rn. 48, 51). aus dem 14. erwägungsgrund der richtlinie 2004/48 ergibt sich zwar, dass die voraussetzung, dass die rechtsverletzungen, um in den anwendungsbereich dieser richtlinie zu fallen, in gewerblichem ausmaß vorgenommen sein müssen, nur für maßnahmen in bezug auf beweismittel, für maßnahmen in bezug auf das auskunftsrecht und für einstweilige maßnahmen und sicherungsmaßnahmen gemäß kapitel ii der richtlinie gilt, wobei die mitgliedstaaten unbeschadet davon solche maßnahmen auch bei nicht in gewerblichem ausmaß vorgenommenen rechtsverletzungen anwenden können (eugh, urteil vom 17. juni 2021 – c-597/19 –, juris, rn. 88). diese voraussetzung gilt aber nicht für die „prozesskosten“ und die „sonstigen kosten“ nach art. 14 der richtlinie 2004/48. nach dieser bestimmung kann somit auch gegenüber einzelnen verletzern – also auch gegenüber einer privatperson wie vorliegend – angeordnet werden, dass sie dem inhaber von rechten des geistigen eigentums diese kosten vollständig zu erstatten haben, sofern sie zumutbar und angemessen sind. 65art. 14 der richtlinie 2004/48 sieht neben einer prüfung der zumutbarkeit und angemessenheit der erstattungsfähigen kosten vor, dass die allgemeine regel der aufteilung dieser kosten keine anwendung findet, wenn billigkeitsgründe es verbieten, der unterlegenen partei die kosten der obsiegenden partei aufzuerlegen, selbst wenn diese zumutbar und angemessen sind (eugh, urteil vom 28. april 2022 – c-559/20 –, juris, rn. 58). billigkeitsgründe können indes einen allgemeinen und bedingungslosen ausschluss der erstattung von kosten, die eine bestimmte obergrenze überschreiten, nicht rechtfertigen (eugh, urteil vom 28. juli 2016 – c-57/15 –, juris, rn. 31). 66art. 14 der richtlinie 2004/48 steht einer regelung wie der des § 97a abs. 3 urhg nicht entgegen, da sie sicherstellen soll, dass die von der unterlegenen partei zu tragenden kosten zumutbar und angemessen sind, soweit sie dem gericht, dem die kostenentscheidung obliegt, die möglichkeit gibt, in jedem einzelfall dessen spezifische merkmale zu berücksichtigen (eugh, urteil vom 28. april 2022 – c-559/20 –, juris, rn. 64). 67(2) gemäß § 97a abs. 3 satz 2 urhg führt die deckelung auf erstattungsfähige gebühren nach einem gegenstandswert von 1.000,00 eur auf grundlage eines 1,3-fachen gebührensatzes zu einem nettobetrag von lediglich 104,00 eur. der bundesdeutsche gesetzgeber hat in § 97a abs. 3 satz 4 urhg für den fall, dass der abgemahnte eine natürliche, nicht gewerblich oder beruflich handelnde person ist, das regel-ausnahme-verhältnis des art. 14 enforcement-rl umgekehrt. nach dem wortlaut des § 97a abs. 3 satz 4 urhg a.f. kommt bei beteiligung einer solchen natürlichen person ein voller kostenersatz nur dann in betracht, wenn sonst das ergebnis unbillig wäre. 68§ 97a abs. 3 satz 4 urhg muss daher unionsrechtskonform so verstanden werden, dass der streitwertdeckel in der regel entfällt und nur gilt, wenn sonst das ergebnis zum nachteil des verletzers unbillig wäre. die nach dem wortlaut von § 97 abs. 3 satz 4 urhg zur vollen kostenerstattung führende besondere unbilligkeit ist bereits dann anzunehmen, wenn die begrenzung des gegenstandswertes dazu führen würde, dass der verletzer nur einen geringen teil der tatsächlichen anwaltskosten des rechteinhabers tragen muss. in der konsequenz muss der verletzer sich auf eine unbilligkeit im einzelfall berufen und die darlegungs- und beweislast für deren vorliegen tragen. denn nur dies ermöglicht dem gericht den spezifischen merkmalen jedes falles hinreichend rechnung zu tragen. 69(3) vorliegend hat der abgemahnte verstorbene zwar als natürliche person gehandelt und das streitgegenständliche computerspiel weder für eine gewerbliche noch für eine selbständige berufliche tätigkeit verwendet; auch ist er nicht durch vertrag, aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen entscheidung oder einer einstweiligen verfügung zur unterlassung verpflichtet. die beschränkung des ersatzes der erforderlichen aufwendungen auf gebühren nach einem gegenstandswert in höhe von 1.000,00 eur erweist sich jedoch jedenfalls nach § 97a abs. 3 satz 4 urhg als unbillig. 70bei der öffentlichen zugänglichmachung eines aktuellen, durchschnittlich erfolgreichen computerspieles im rahmen einer filesharing-tauschbörse ist regelmäßig von einem gegenstandswert für den unterlassungsanspruch von nicht unter 15.000,00 € auszugehen (bgh, zum-rd 2017, 25 rn. 48). bei einem überaus populären, kommerziell sehr erfolgreichen und mit hohem marketingaufwand herausgebrachten computerspiel – wie dem hier streitgegenständlichen – aber einer rechtsverletzung erst ca. 2 ½ jahre nach erscheinen des spiels erscheint ein gegenstandswert von 10.000,00 eur angemessen. die obigen ausführungen zur schadenshöhe gelten entsprechend. 71könnte der beklagte hier nur zur erstattung eines geringen teils der zumutbaren anwaltskosten verurteilt werden, welche der klägerin entstandenen sind, würde die abschreckende wirkung eines verfahrens wegen verletzung eines rechts des geistigen eigentums, entgegen der allgemeinen verpflichtung aus art. 3 abs. 2 der richtlinie 2004/48 und dem mit dieser richtlinie verfolgten hauptziel, ein hohes schutzniveau für geistiges eigentum im binnenmarkt zu gewährleisten, das ausdrücklich im zehnten erwägungsgrund dieser richtlinie genannt wird und im einklang mit art. 17 abs. 2 der charta der grundrechte der europäischen union steht, erheblich geschwächt. dem ist entgegenzuwirken, mit der folge, dass die abmahnkosten hier nach dem vollen gegenstandwert von 10.000,00 eur ersatzfähig sind (vgl. auch das kammerurteil vom 24.05.2022, 14 o 244/20, unveröffentlicht). 72cc) wie oben bereits beschrieben ist hier ein gegenstandswert für den unterlassungsanspruch aus einem gegenstandswert von 10.000 € angemessen, nicht aber wie von der klägerin angesetzt 20.000 €. dadurch reduziert sich der geschuldete kostenbetrag auf eine 1,3 geschäftsgebühr nr. 2300 vv rvg in höhe von 725,40 € zzgl. 20,- € kostenpauschale nr. 7300 vv rvg, mithin 745,40 €. umsatzsteuer macht die klägerin nicht geltend. 73c) die zinsansprüche folgen aus §§ 288 abs. 1, 286 abs. 2 nr. 1 bgb. der beklagte hat vorgerichtlich jede zahlung verweigert. die abmahnung vom 24.04.2014 und die damit verbundene zahlungsaufforderung erfolgten unter fristsetzung bis zum 05.05.2014, sodass der zinslauf in gesetzlicher höhe sowohl für den schadensersatzanspruch als auch für die zu erstattenden vorgerichtlichen rechtsanwaltskosten mit dem 06.05.2014 zu laufen begann. 74iii. die prozessualen nebenentscheidungen beruhen auf § 92 abs. 1, 708 nr. 11, 711 zpo. 75bei der kostenentscheidung war – anders als bei der bewertung der säumnis des beklagten zu 2.) – zu beachten, dass im verhältnis der klägerin zum beklagten zu 2.) schon vor dem versterben des herrn i und der rechtsnachfolge sowie aufnahme des rechtsstreits durch die rechtsnachfolger ein prozessrechtsverhältnis begründet worden ist und der beklagte zu 2.) sich deshalb eines rechtsanwalts bedienen musste. diese kosten sind bereits vor der aufnahme durch die rechtsnachfolger entstanden. hingegen hat sich durch die aufnahme des rechtsstreits im isoliert zu betrachtenden prozessrechtsverhältnis der klägerin zum früheren beklagten zu 1.) in kostenrechtlicher hinsicht kein maßgeblicher unterschied ergeben. demnach war für die kostenentscheidung von einer einfachen streitgenossenschaft der rechtsnachfolger des herrn i einerseits und des beklagten zu 2.) andererseits auszugehen. somit war die kostenentscheidung auf grundlage der baumbach’schen formel und dem anteiligen unterliegen der parteien zu fassen. angesichts des überwiegenden unterliegens der klägerin liegen die kosten weitestgehend wie tenoriert bei dieser. eine anwendung von § 92 abs. 2 nr. 1 zpo kam hingegen nicht in betracht, weil das teilweise obsiegen der klägerin im verhältnis zum einfachen streitwert mehr als 10% beträgt. 76iv. der streitwert wird auf 5.574,60 eur festgesetzt.
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1 K 4624/19
2022-07-20T00:00:00
Urteil
Tenor Der Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Landesamtes für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei Nordrhein-Westfalen vom 7. Juni 2019 und unter Aufhebung dessen Widerspruchsbescheides vom 11. September 2019 verpflichtet, dem Kläger eine Zulage für die Wahrnehmung eines höherwertigen Amtes für den Zeitraum vom 19. Oktober 2017 bis zum 21. Mai 2019 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu gewähren. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Zulage für die Wahrnehmung eines höherwertigen Amtes für die Zeit während eines laufenden Disziplinarverfahrens. 3Der Kläger wurde im Jahr 2006 zum Kriminalhauptkommissar beim Landesamt für Aus- und Fortbildung der Polizei Nordrhein-Westfalen (nachfolgend: LAFP NRW) ernannt. Im streitgegenständlichen Zeitraum war er der Besoldungsgruppe A 12 gemäß LBesO zugeordnet. 4Zum 19. Januar 2015 wurde er in das Sekretariat der Abteilung 1 der Zentralabteilung des LAFP NRW umgesetzt und übernahm dort kommissarisch die Funktion eines Fachaufgabencontrollers, die der Besoldungsgruppe A 13 gemäß LBesO zugeordnet war. Am 19. Oktober 2017 wurde gegen den Kläger ein Disziplinarverfahren eingeleitet, das mit seiner Umsetzung in die Abteilung 5 des LAFP am 22. Mai 2019 noch nicht abgeschlossen war. Dort nahm er wieder Tätigkeiten wahr, die der Besoldungsgruppe A 12 gemäß LBesO zugeordnet waren. 5Mit Schreiben vom 5. September 2016 beantragte der Kläger beim Beklagten für seine Tätigkeit als Fachaufgabencontroller die Gewährung einer Zulage für die Wahrnehmung eines höherwertigen Amtes rückwirkend ab dem 19. Januar 2016. Mit Schreiben vom 6. Dezember 2018 nahm der Kläger seinen Antrag zurück. Mit E-Mail vom 11. Dezember 2018 erklärte er zudem den Verzicht auf die Zulage. Mit anwaltlichem Schreiben vom 21. März 2019 führte der Kläger sodann aus, sein Verzicht sei nicht rechtsverbindlich, da die Besoldung von Amts wegen zu gewähren sei, und begehrte erneut die Zulage. Nach Beendigung seiner Tätigkeit als Fachaufgabencontroller beantragte er mit Schreiben vom 22. Mai 2019 erneut die Gewährung der Zulage. 6Mit Bescheid vom 7. Juni 2019 gewährte das LAFP NRW dem Kläger die Zulage für die Wahrnehmung eines höherwertigen Amtes für den Zeitraum vom 19. Juli 2016 bis zum 18. Oktober 2017 und lehnte den Antrag für den darauffolgenden Zeitraum ab. Zur Begründung für die Teilablehnung führte das LAFP NRW im Wesentlichen aus, Voraussetzung für die Gewährung der Zulage sei, dass die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen gegeben seien, zu denen auch die für eine Ernennung bzw. Beförderung erforderlichen Bedingungen, die Beförderungsreife, gehörten. Wegen seines am 19. Oktober 2017 eingeleiteten Disziplinarverfahrens hätten sich aber Zweifel an der charakterlichen Eignung des Klägers ergeben, die für die Dauer des Verfahrens eine Ernennung sowie Beförderung ausschlössen, so dass die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen ab diesem Zeitpunkt nicht mehr vorgelegen hätten. Dies ergäbe sich auch aus dem Erlass des Ministeriums des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen vom 8. Dezember 2017 (403-42.07.08). 7Mit anwaltlichem Schreiben vom 4. Juli 2019 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 7. Juni 2019 ein und begründete dies im Wesentlichen damit, dass er auch für die Zeit des laufenden Disziplinarverfahrens, also vom 19. Oktober 2017 bis zum 21. Mai 2019, einen Anspruch auf die Zulage habe. Die Beförderungsreife sei nicht mit den laufbahnrechtlichen Voraussetzungen gleichzustellen. Aus den im Gesetz niedergelegten laufbahnrechtlichen Voraussetzungen sei keine „Beförderungssperre“ wegen eines laufenden Disziplinarverfahrens abzuleiten. 8Mit Widerspruchsbescheid vom 11. September 2019 wies das LAFP den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Gewährung der Zulage für die Wahrnehmung eines höherwertigen Amtes setze die Beförderungsreife voraus, die mit der Möglichkeit der Beförderung gleichzusetzen sei. Insoweit komme es für die Zulagengewährung auch darauf an, ob der Betroffene die persönliche Eignung für eine entsprechende Beförderung aufweise. Das sei aber anerkanntermaßen nicht der Fall, wenn der Verdacht eines Dienstvergehens im Raum stehe. Daher würden die Betroffenen auch bei laufenden Disziplinarverfahren von denkbaren Beförderungen ausgeschlossen. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 18. September 2019 zugestellt. 9Der Kläger hat am 17. Oktober 2019 Klage erhoben. Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf seine im Verwaltungsverfahren vorgebrachten Argumente. Ergänzend führt er aus, es sei widersprüchlich, ihm die persönliche Eignung für die Beförderung in Zweifel zu ziehen, aber gleichzeitig Aufgaben des entsprechend höher besoldeten Amtes zu übertragen. Insoweit könnten keine Zweifel an der persönlichen Eignung für die Übernahme des höherwertigen Dienstpostens bestehen. 10Der Kläger beantragt, 11den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Landesamtes für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei Nordrhein-Westfalen vom 7. Juni 2019 und unter Aufhebung dessen Widerspruchsbescheides vom 11. September 2019 zu verpflichten, ihm eine Zulage für die Wahrnehmung eines höherwertigen Amtes für den Zeitraum vom 19. Oktober 2017 bis zum 21. Mai 2019 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu gewähren. 12Der Beklagte beantragt, 13die Klage abzuweisen. 14Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen seine Argumente aus dem Verwaltungsverfahren. Ergänzend führt er aus, nach der gesetzlichen Regelung unterlägen Ernennungen auch im Laufbahnrecht den allgemeinen Anforderungen hinsichtlich Eignung, Befähigung und Leistung. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz habe insoweit in seinem Beschluss vom 12. September 2013 festgestellt, dass die Einleitung eines Disziplinarverfahrens zu einer fehlenden Eignung für eine Beförderung führe (Az. 2 B 10837/13). Dass der Kläger gleichwohl auch während des Disziplinarverfahrens mit der höherwertigen Tätigkeit betraut gewesen sei, ändere daran nichts, weil dies dem Organisationsermessen des Dienstherrn obliege. Aufgrund der Umstände des Einzelfalles habe er den Einsatz des Klägers auf dem höherwertigen Posten für vertretbar gehalten. Insofern sei hier kein widersprüchliches Verhalten erkennbar. 15Für weitere Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. 16Entscheidungsgründe: 17Die zulässige Verpflichtungsklage hat in der Sache Erfolg. 18Die mit Bescheid des LAFP NRW vom 7. Juni 2019 in Gestalt dessen Widerspruchsbescheides vom 11. September 2019 erfolgte Ablehnung der Gewährung der Zulage für die Wahrnehmung eines höherwertigen Amtes für den Zeitraum vom 19. Oktober 2017 bis zum 21. Mai 2019 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). 19Der Kläger hat für diesen Zeitraum gemäß der allein maßgeblichen Vorschrift des § 59 Abs. 1 des Landesbesoldungsgesetzes Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 14. Juni 2016 (LBesG NRW) einen Anspruch auf Gewährung der begehrten Zulage. Dass der Kläger seinen Antrag auf Zulagengewährung zurückgenommen sowie seinen Verzicht auf die Zulage erklärt hat, ist unerheblich (I.). Die Voraussetzungen für die Gewährung der Zulage liegen vor (II.). Die Höhe des Anspruches ergibt sich aus § 59 Abs. 2 LBesG NRW (III.). Ein Anspruch auf Zinsen ab Rechtshängigkeit ist ebenfalls zu bejahen (III.). 20I. 21Die Beteiligten gehen zu Recht davon aus, dass die vom Kläger erklärte Rücknahme seines Antrages auf Gewährung der Zulage für die Wahrnehmung eines höherwertigen Amtes rechtlich unerheblich ist. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 LBesG NRW haben Beamte einen Anspruch auf Besoldung, der mit Ernennung entsteht. Eines Antrages bedarf es insoweit nicht, die Rücknahme eines Antrages ist demnach ebenfalls rechtlich irrelevant. 22Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2001 - 2 C 48.00 -, juris, Rn. 13; Reich, in: Reich/Preißler, BBesG, 2. Auflage 2022, § 3 Rn. 19 (jeweils zur gleichlautenden Vorschrift für Bundesbeamte). 23Auch der überdies mit E-Mail vom 11. Dezember 2018 vom Kläger erklärte Verzicht auf die Gewährung der Zulage hat keine rechtlichen Folgen. Nach § 2 Abs. 3 LBesG kann nämlich auf die gesetzlich zustehende Besoldung weder ganz noch teilweise verzichtet werden, sofern es sich nicht um vermögenswirksame Leistungen handelt. Diese Regelung findet ihren Zweck einerseits in der Gewährleistung des Leistungsprinzips (Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes – GG) in Gestalt der Verhinderung der Ernennung „billigerer“ Beamten sowie andererseits in der Erfüllung des unbedingten und in der Fürsorgepflicht des Dienstherrn wurzelnden Alimentationsprinzips. 24Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. März 1967 - II C 43.64 -, juris, Rn. 18 ff. (zur einer früher geltenden, gleichlautenden Regelung für Bundesbeamten); Kathke, in: Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: Juni 2021, § 2 LBesG NRW, Rn. 109 ff. 25Die Zulagengewährung basiert – wie § 59 LBesG NRW zeigt – auf einer gesetzlichen Anspruchsgrundlage und ist damit zum Kreis nicht verzichtbarer gesetzlich zustehender Besoldung zu zählen. 26Vgl. Reich, in: Reich/Preißler, BBesG, 2. Auflage 2022, § 2 Rn. 33 (zur gleichlautenden Vorschrift für Bundesbeamte). 27II. 28Für den Zeitraum vom 19. Oktober 2017 bis zum 21. Mai 2019 liegen die Voraussetzungen für die Gewährung der Zulage für die Wahrnehmung eines höherwertigen Amtes nach § 59 Abs. 1 Satz 1 LBesG NRW vor. Danach wird einem Beamten die Zulage ab dem Zeitpunkt gewährt, in dem er zwölf Monate ununterbrochen die Aufgaben unter anderem eines Amtes der nächsthöheren Besoldungsgruppe vorübergehend vertretungsweise wahrgenommen hat, wenn zu diesem Zeitpunkt die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen für die Übertragung des wahrgenommenen höherwertigen Amtes und die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für die Übertragung des Amtes der nächsthöheren Besoldungsgruppe vorliegen. 291. 30Zum Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums, dem 19. Oktober 2017, hat der Kläger – wie auch zwischen den Beteiligten einhellig angenommen wird – bereits zwölf Monate ununterbrochen eine Aufgabe übernommen, die dem nächsthöheren Amt zugeordnet ist. Denn der Beklagte hat den Kläger zum 19. Januar 2015 in die Abteilung 1 der Zentralabteilung des LAFP NRW umgesetzt und ihm die Funktion des Fachaufgabencontrollers übertragen, die der Beklagte selbst ausdrücklich der Besoldungsgruppe A 13 gemäß LBesO und damit einer gegenüber der damaligen Besoldungsgruppe des Klägers um eine Gruppierungsstufe höheren Besoldungsgruppe zuordnet. 31Diese Funktion hat der Kläger auch vorübergehend vertretungsweise ausgeübt. Mit diesem Tatbestandsmerkmal soll gewährleistet werden, dass nur die sogenannte Vakanzvertretung, also das Tätigwerden im Rahmen einer (noch) unbesetzten Stelle, zulagenfähig ist und nicht die sogenannte Verhinderungsvertretung, die sich durch die Vertretung eines an sich eingesetzten, zum betroffenen Zeitpunkt aber aus etwa Krankheits- oder Urlaubsgründen verhinderten Stelleninhabers auszeichnet. 32Vgl. LT-Drs. 16/10380, S. 379; BVerwG, Urteile vom 28. April 2011 - 2 C 30.09 -, juris, Rn. 12 f., und vom 28. April 2005 - 2 C 29.04 -, juris, Rn. 18 (jeweils zur gleichlautenden Vorschrift für Bundesbeamte). 33So liegt die Sache hier. In der Umsetzungsverfügung des LAFP NRW vom 19. Januar 2015 ist ausdrücklich von der Betrauung des Klägers mit den Aufgaben des Fachaufgabencontrollings „bis zur endgültigen Besetzung in einem landesweiten Ausschreibungsverfahren“ und damit deutlich von einer beabsichtigten Vakanzvertretung die Rede. 342. 35Auch liegen die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen vor. Sinn und Zweck dieses einschränkenden Tatbestandsmerkmals ist, den Dienstherrn durch den Anspruch auf Zulagengewährung nicht mit Mehrausgaben zu belasten. 36Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2005 - 2 C 29.04 -, juris, Rn. 14 (zur gleichlautenden Vorschrift für Bundesbeamte). 37Vor diesem Hintergrund setzt die Zulage für die Wahrnehmung eines höherwertigen Amtes regelmäßig voraus, dass eine freie Planstelle vorhanden sein muss, auf deren Grundlage eine Beförderung des Beamten möglich (gewesen) wäre. Dies ist hier der Fall, da im Anspruchszeitraum monatlich jeweils mindestens eine Planstelle zur Verfügung stand. Dabei spielt die Frage, ob die haushaltsrechtlich zur Verfügung stehende Planstelle bereits einem konkreten Dienstposten fest zugeordnet war, oder erst – im Rahmen der sogenannten „Topfwirtschaft“ – nach und nach frei werdenden oder neu besetzten Dienstposten zugewiesen wurde, keine Rolle. Denn die Vorschrift des § 59 LBesG NRW gilt unabhängig vom System der Zuordnung der Planstellen zu einzelnen Dienstposten innerhalb der vom jeweiligen Haushaltstitel erfassten Behörden. 38Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. September 2014 - 2 C 16.13 -, juris, Rn. 16 ff. (zur gleichlautenden Vorschrift für Bundesbeamte). 393. 40Entgegen der Ansicht des Beklagten liegen beim Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum auch die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen vor. Zu diesen zählen allein laufbahnbezogene Aspekte (a.), die im streitgegenständlichen Zeitraum in der Person des Klägers im Hinblick auf das wahrgenommene Amt auch ungeachtet des damaligen Disziplinarverfahrens gegen ihn vorlagen (b.). 41a) 42Nach der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung, der die Kammer folgt und die auch von den Beteiligten übereinstimmend ihrer Argumentation zugrunde gelegt worden ist, liegen die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen nur vor, wenn eine Beförderung des Beamten in das höherwertige Amt, dem die wahrgenommene (höherwertige) Tätigkeit zugeordnet wird, möglich ist, der Betroffene mithin beförderungsreif ist. Beförderungsreife meint dabei konkret, dass einer Beförderung des Beamten keine normativen Regelungen des gesamten Laufbahnrechts entgegenstehen. 43Vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Dezember 2014 - 2 B 110.13 -, juris, Rn. 16, sowie Urteile vom 25. September 2014 - 2 C 16.13 -, juris, Rn. 19, vom 28. April 2011 - 2 C 30.09 -, juris, Rn. 22, und vom 7. April 2005 - 2 C 8.04 -, juris, Rn. 19 (jeweils zur gleichlautenden Vorschrift für Bundesbeamte). 44Zwar trifft es zu, dass ein Disziplinarverfahren – wie der Beklagte vorträgt – grundsätzlich Zweifel an der persönlichen Eignung eines Beamten für die Amtsausübung rechtfertigen und so den Ausschluss eines Bewerbers aus einem Beförderungsverfahren legitimieren kann. 45Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Mai 1987 - 6 C 32.85 -, juris, Rn. 12; OVG NRW, Beschlüsse vom 21. August 2018 - 1 B 1483/17 -, juris, Rn. 6 ff., vom 8. März 2017 - 1 B 1354/16 -, juris, Rn. 5 ff., vom 24. März 2016 - 1 B 1110/15 -, juris, Rn. 13 ff., und vom 12. Dezember 2011 - 6 B 1314/11 -, juris, Rn. 2 ff.; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 14. April 2022 - 1 L 318/22 -, n.v. 46Unabhängig davon aber, dass der Umstand eines laufenden Disziplinarverfahrens nicht stets und automatisch den Ausschluss aus einem Beförderungsverfahren zur Folge hat, sondern dies von den Begebenheiten des konkreten Falles abhängt und insoweit das Auseinandersetzen des Dienstherrn mit den Einzelheiten des Vorwurfs erforderlich ist, 47vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 24. März 2016 - 1 B 1110/15 -, juris, Rn. 15; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 14. April 2022 - 1 L 318/22 -, n.v., 48betrifft die Frage der (persönlichen) Eignung allein die beamtenrechtlichen Grundvoraussetzungen für eine Ernennung und nicht die nach § 59 Abs. 1 LBesG NRW einzig maßgeblichen laufbahnrechtlichen Voraussetzungen. Entgegen der Ansicht des Beklagten sind indes unter „Beförderungsreife“ nur diejenigen Aspekte zu verstehen, die die Ämterlaufbahn und nicht die allgemeine Frage nach der Einstellung und Beförderung, wie etwa die persönliche Eignung, betreffen. Entscheidend ist nach Auffassung der Kammer allein, ob nach den formellen Kriterien des Laufbahnrechts eine Beförderung in das nächsthöhere (Status-)Amt möglich wäre. Der dem entgegenstehenden und für das Gericht ohnehin nicht bindende Erlass des Ministeriums des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen vom 8. Dezember 2017 (403-42.07.08) ist insoweit rechtswidrig. 49Dies beruht zunächst auf der Überlegung, dass der Begriff der „laufbahnrechtlichen“ Voraussetzungen offenbar auf eine bestimmte Einengung abzielt. Insoweit wird gerade nicht von sämtlichen beamtenrechtlichen Ernennungs- und Beförderungsvoraussetzungen, sondern gerade nur von laufbahnbezogenen Voraussetzungen gesprochen. Der Normgeber scheint demnach zwischen Laufbahnvoraussetzungen und sonstigen Voraussetzungen für eine Beförderung zu differenzieren. 50Eine solche Differenzierung findet dabei ihre Stütze auch in der nordrhein-westfälischen beamtenrechtlichen Regelungssystematik, die einerseits allgemeine, d.h. grundsätzliche, Vorgaben zur Ernennung, andererseits aber auch spezifische Vorgaben zum Laufbahnaufstieg, also Bedingungen für eine Beförderung innerhalb einer Laufbahn vorsieht. Erstere zeichnen abstrakt die Mindestrahmenbedingungen für jede beamtenrechtliche Ernennung und damit auch Beförderung in Gestalt des Leistungsprinzips – Ernennungen sind nur nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorzunehmen – ab und finden sich an zentraler Stelle in formellen Gesetzen, wie etwa Art. 33 Abs. 2 GG, § 9 des Beamtentstatusgesetzes (BeamtStG) oder § 19 des Landesbeamtengesetzes Nordrhein-Westfalen (LBG NRW). Letztere hingegen differieren hinsichtlich des Tätigkeitsfeldes, werden teilweise für bestimmte Dienstzweige gesondert geregelt und finden sich daher auch auf Basis des § 9 bzw. § 110 Abs. 1 Satz 2 LBG NRW in landesrechtlichen Verordnungen, wie etwa hier in § 8 der Laufbahnverordnung der Polizei Nordrhein-Westfalen in der hier maßgeblichen, vom 4. März 1995 bzw. 20. März 2018 geltenden Fassung (LVOPol NRW 1995 bzw. 2018). Diese Trennung zeigt sich auch in § 3 Abs. 1 LVOPol NRW 1995 bzw. 2018, der die Einstellungs- und Beförderungsvoraussetzungen umschreibt und einerseits die allgemeinen – in der Verordnung selbst nicht geregelten – Voraussetzungen benennt, etwa „die Voraussetzungen für die Berufung in das Beamtenverhältnis“ (Nr. 1), andererseits aber auch die „nach dieser Verordnung vorgeschriebenen besonderen Einstellungsvoraussetzungen für den jeweiligen Laufbahnabschnitt“ (Nr. 4) zur Einstellungs- und Beförderungsbedingung – insbesondere also § 8 LVOPol NRW 1995 bzw. 2018 – als Bedingung für eine Einstellung festlegt. 51Insoweit greift auch das Argument des Beklagten, die Laufbahnverordnung verweise unter anderem auf das Beamtenstatusgesetz und mache so die Frage der persönlichen Eignung zur Bedingung des Laufbahnaufstieges, nicht durch. Denn es steht außer Frage, dass eine Beförderung im Rahmen der Laufbahn auch unter Beachtung der Grundvoraussetzungen und damit der persönlichen Eignung erfolgen muss. Davon zu unterscheiden ist aber die hier maßgebliche Frage, ob die auf die Beachtung der laufbahnrechtlichen Voraussetzungen beschränkte Gewährung der Zulage nach § 59 LBesG NRW ebenfalls diese Fragen zu beantworten hat. Insofern hängt die Gewährung der Zulage nur von einem Teil der Beförderungsvoraussetzungen, nämlich den formalen Bedingungen der Ämterlaufbahn, ab. 52Vor diesem Hintergrund wird nicht nur in § 59 Abs. 1 Satz 1 LBesG NRW selbst zwischen Voraussetzungen, die bei einer Ernennung und Beförderung gelten, und solchen nur an Beamte derselben Laufbahn gerichteten Bedingungen unterschieden. Dies bildet sich auch in der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung ab, die bei einer Beförderung allgemein zwischen den „Grundvoraussetzungen“ einerseits und den „laufbahnrechtlichen Voraussetzungen“ andererseits differenzieren. 53Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. April 2006 - 2 VR 2.05 -, Rn. 7; OVG NRW, Beschluss vom 18. Oktober 2013 - 1 B 1131/13 -, juris, Rn. 7 ff., insbesondere Rn. 10. 54Darüber hinaus gebietet der Zweck der Zulage für die Wahrnehmung eines höherwertigen Amtes lediglich die Betrachtung der laufbahnrechtlichen, nicht aber das Berücksichtigen der allgemeinen Beförderungsvoraussetzungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist es ein wesentliches Ziel der Zulage, den Dienstherrn davon abzuhalten, freie Stellen auf Dauer aus fiskalischen oder anderen „hausgemachten“ Gründen nicht entsprechend der Bewertung gemäß der Ämterordnung des Besoldungsrechts zu besetzen (Herv. nur hier). 55Vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 2018 - 2 C 52.17 -, juris, Rn. 25, vom 25. September 2014 - 2 C 16.13 - juris, Rn. 15, und vom 28. April 2005 - 2 C 29.04 -, juris, Rn. 14; VG Münster, Urteil vom 7. Juli 2016 - 4 K 1085/12 -, juris, Rn. 33 (jeweils zur gleichlautenden Vorschrift für Bundesbeamte). 56Mit anderen Worten soll der Dienstherr über die Zulage angehalten werden, nur solche Beamte auf vakante und höher besoldete Posten zu setzen, die den Posten allein aus Sicht der Ämterordnung auch im Wege einer Beförderung erhalten könnten. Insoweit dient das die Zulagengewährung einschränkende Tatbestandsmerkmal der laufbahnrechtlichen Voraussetzungen dazu, die Zulage auszuschließen, wenn ein laufbahnfremder, vor allem schlechter besoldeter, Beamter ein höherwertiges Amt bekleidet, damit die entsprechende Tätigkeit letztendlich über eine solche Praxis keinerlei Anreize mehr bietet. Der Anreiz der Stellenzulage und damit die Besetzung höherwertiger Ämter mit Beamten statusamtsniedrigerer Position sollen nur für solche Beamte gelten, die das höherwertige Amt laufbahnrechtlich übertragen bekommen können. 57Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2011 - 2 C 30.09 -, juris, Rn. 24 (zur gleichlautenden Vorschrift für Bundesbeamte). 58Die allgemeinen Anforderungen an eine beamtenrechtliche Ernennung, wie etwa die persönliche Eignung, spielen demnach für die Ziele der Zulagengewährung keine Rolle. Das Bundesverwaltungsgericht betont daher überzeugend, dass es im Rahmen der laufbahnrechtlichen Voraussetzungen ausschließlich auf die Bestimmungen des Laufbahnrechts ankommt und gerade nicht von Belang ist, ob der betreffende Beamte sich bei einer Leistungskonkurrenz um das Beförderungsamt durchsetzen würde. 59Vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 2018 - 2 C 52.17 -, juris, Rn. 11, und vom 25. September 2014 - 2 C 16.13 -, juris, Rn. 19 (jeweils zur gleichlautenden Vorschrift für Bundesbeamte). 60Andernfalls müsste für die Gewährung der Zulage nach § 59 LBesG NRW nicht nur die Bedingungen der Ämterlaufbahn beachtet, sondern auch die Frage nach Eignung, Leistung und Befähigung beantwortet, mithin letztlich Bestenauslese betrieben werden. Dies erweist sich nicht nur vor dem Hintergrund des bereits genannten Zwecks der Zulage, sondern gerade auch angesichts des in der mündlichen Verhandlung vom Kläger vorgebrachten Aspektes, dass die Wahrnehmung eines höherwertigen Amtes zum einen zeitlich befristet und zum anderen gerade nicht durch Beförderung, sondern durch eine von Fragen der Bestenauslese und damit auch der persönlichen Eignung unabhängige Umsetzung erfolgt, als unangemessen. 61Entscheidend ist demnach die Beförderungsreife und nicht die Beförderungsfähigkeit. Es nimmt daher nicht Wunder, dass auch das Bundesverwaltungsgericht in seinen Entscheidungen – soweit ersichtlich – rein auf laufbahnbezogene Kriterien eingeht, nicht aber prüft, ob die allgemeinen Grundvoraussetzungen der Ernennung gegeben sind. 62Vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 2018 - 2 C 52.17 -, juris, Rn. 13 ff., und vom 28. April 2011 - 2 C 30.09 -, juris, Rn. 30 ff. (jeweils zur gleichlautenden Vorschrift für Bundesbeamte). 63Im Übrigen gibt die Kammer zu bedenken, dass vor dem Hintergrund des genannten Zweckes eine andere Auffassung zum Umfang der laufbahnrechtlichen Voraussetzungen im vorliegenden Fall eines laufenden Disziplinarverfahrens sich für den betroffenen Beamten als unverhältnismäßig erwiese. Denn der Hauptgrund dafür, dass ein Dienstherr einen Beamten wegen eines laufenden Disziplinarverfahrens regelmäßig aus einem Stellenbesetzungsverfahren ausschließen darf, liegt in der Überlegung, dass er sich in Widerspruch setzen würde, wenn er dem Beamten einerseits ein Dienstvergehen vorwirft, ihn andererseits für beförderungsfähig hält. 64Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Mai 1987 - 6 C 32.85 -, juris, Rn. 12; OVG NRW, Beschluss vom 21. August 2018 - 1 B 1483/17 -, juris, Rn. 6 ff. 65Genau diesem Widerspruch setzt sich aber – wie der Kläger zu Recht vorträgt – auch ein Dienstherr aus, der einen Beamten einerseits in einem höherwertigen Statusamt tatsächlich einsetzt, ihm zugleich die Zulagengewährung wegen Zweifel an der (persönlichen) Eignung ausschlägt. Soweit der Beklagte hiergegen einwendet, die Entscheidung hierüber obliege dem Organisationsermessen des Dienstherrn und sei aufgrund einer Gesamtabwägung aller Einzelfallumstände zu treffen, mag dies zutreffen. Es hat aber keine Auswirkungen auf die Gewährung der Zulage für die Tätigkeit. Insoweit kann er die Zulagengewährung durch die Entbindung des Beamtenvon der höherwertigen Tätigkeit verhindern, nicht aber dadurch, dass er sehenden Auges einen beförderungsreifen, nicht aber beförderungsfähigen Beamten für eine höherwertige Tätigkeit einsetzt. 66b) 67Unter Beachtung der soeben dargelegten Maßgaben lagen für den streitgegenständlichen Zeitraum die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen in der Person des Klägers und im Hinblick auf das konkret ausgeübte höherwertige Amt vor. Insoweit konnte er nach der Ämterordnung, wie sie sich aus der für den streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen LVOPol NRW 1995 bzw. LVOPol NRW 2018 ergibt, in das ausgeübte nächsthöhere Statusamt befördert werden. Insbesondere lag die nach § 8 Abs. 1 LVOPol NRW 1995 noch erforderliche Dienstzeit vor. Auch sind Beförderungsverbote nach § 8 Abs. 4 LVOPol NRW 1995 bzw. § 8 Abs. 2 LVOPol NRW 2018 weder vorgetragen noch ersichtlich. Im Übrigen sind auch weiter keine Aspekte ersichtlich, die dem Kläger die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen abzusprechen vermögen könnten, zumal der Kläger bis zum Beginn des Disziplinarverfahrens die begehrte Zulage gewährt bekommen hatte, der Beklagte ihm die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen ohne laufendes Disziplinarverfahrens offenkundig auch nicht abgesprochen hätte. 68III. 69Die Höhe der Zulage des Klägers für den Zeitraum vom 19. Oktober 2017 bis zum 21. Mai 2019 bemisst sich gemäß § 59 Abs. 2 LBesG NRW nach dem Unterschiedsbetrag zwischen den im betroffenen Zeitraum jeweils unter Beachtung der jeweiligen Erfahrungsstufe (hier: 12) geltenden Grundgehältern der Besoldungsgruppen A 12 und A 13 gemäß der Landesbesoldungsordnung. 70Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich dieser Differenzbetrag in den Fällen, in denen die Anzahl der Anspruchsberechtigten die Anzahl der besetzbaren Planstellen der entsprechenden Wertigkeit übersteigt, nur anteilig gezahlt werden kann, da die Zulage nach besagtem Zweck zu keiner finanziellen Mehrbelastung der Behörde führen darf. 71Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2005 - 2 C 29.04 -, juris, Rn. 14 (zur gleichlautenden Vorschrift für Bundesbeamte). 72Es ist deshalb für den Anspruchszeitraum und den etatisierten Behördenbereich – hier alle Polizeibehörden des Landes Nordrhein-Westfalen – monatlich die Anzahl der Anspruchsberechtigten und die Anzahl der besetzbaren Planstellen der entsprechenden Wertigkeit zu berechnen und ins Verhältnis zu setzen. Maßgeblich für diese Berechnung sind stets die Verhältnisse in dem Monat, für den die Zulage berechnet wird. 73Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. September 2014 - 2 C 16.13 -, juris, Rn. 21 f. (zur gleichlautenden Vorschrift für Bundesbeamte). 74Dies zugrunde gelegt ergibt sich auf Grundlage der vom Kläger nicht angegriffenen und nicht erkennbar fehlerhaften Unterlagen des Beklagten insgesamt ein Anspruch auf Zulage für die Wahrnehmung eines höherwertigen Amtes in Höhe von 7550,92 Euro: 75Monat Besoldungs-tabelle Differenz des Grundgehaltes in Erfahrungsstufe 12 Quote Betrag 19. - 31. Oktober 2017 (13 Tage) ab 1.4.17 4974,36 (A13) - 4481,37 (A12) = 492,99 : 31 x 13 = 206,73 1 206,74 November 2017 492,99 1 492,99 Dezember 2017 492,99 1 492,99 Januar 2018 ab 1.1.18 5091,26-4586,68 = 504,58 1 504,58 Februar 2018 504,58 1 504,58 März 2018 504,58 1 504,58 April 2018 504,58 0,5978 301,64 Mai 2018 504,58 0,7598 383,38 Juni 2018 504,58 0,6422 324,04 Juli 2018 504,58 0,9525 480,61 August 2018 504,58 0,9525 480,61 September 2018 504,58 0,8969 452,56 Oktober 2018 504,58 1 504,58 November 2018 504,58 1 504,58 Dezember 2018 504,58 1 504,58 Januar 2019 1.1.19 5254,18-4733,45 = 520,73 0,2312 120,39 Februar 2019 520,73 0,2893 150,65 März 2019 520,73 0,2613 136,07 April 2019 520,73 0,5696 296,61 1. bis 21. Mai 2019 520,73 : 31 x 21 = 352,75 0,5788 204,17 7550,93 76IV. 77Der Kläger hat schließlich auch einen Anspruch auf Prozesszinsen. Zwar regelt § 2 Abs. 5 LBesG NRW, dass bei verspäteter Zahlung von Bezügen kein Anspruch auf Verzugszinsen besteht. Wegen der Spezialität dieser auf die beamtenrechtliche Besoldung beschränkten Regelung darf auch nicht auf die allgemeine Vorschrift des § 288 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zurückgegriffen werden. 78OVG NRW, Urteil vom 21. April 2005 - 1 A 3099/03 -, juris, Rn. 118 ff. m.w.N. (zur gleichlautenden Vorschrift für Bundesbeamte). 79Allerdings regelt § 2 Abs. 5 LBesG NRW ausschließlich die Zinsen wegen verspäteter Zahlung, mithin Verzugszinsen, und nicht die vom Kläger hier geltend gemachten Prozesszinsen. Insoweit ist geklärt, dass Prozesszinsen in entsprechender Anwendung des § 291 BGB gewährt werden können, weil das Fachrecht – wie hier das Landesbesoldungsgesetz Nordrhein-Westfalen – gerade zu diesen Zinsen keine abweichende Regelung trifft. 80Vgl. BVerwG, Urteile vom 30. Oktober 2002 - 2 C 24.01 -, juris, Rn. 20, und vom 28. Mai 1998 - 2 C 28.97 -, juris, Rn. 10 m.w.N. (jeweils zur gleichlautenden Vorschrift für Bundesbeamte). 81Die Voraussetzungen des § 291 Satz 1 BGB (analog) liegen vor. Danach sind Geldschulden von dem Eintritt ihrer Rechtshängigkeit an – unabhängig von der Frage einer unverschuldeten Nichtzahlung – zu verzinsen. Dabei wird eine Geldschuld nur dann mit Klageerhebung rechtshängig (vgl. § 90 VwGO), wenn der Prozess mit dem Zuspruch einer eindeutig bestimmten Geldleistung endet. Entscheidend ist, dass die Höhe der Geldleistung am Ende des Prozesses eindeutig feststeht bzw. rechnerisch unzweifelhaft ermittelt werden kann und keinem, von der Behörde noch auszuübenden Regelungsspielraum unterliegt. Denn im letzteren Fall kann die Geldschuld mangels Bestimmtheit ihrer Höhe noch nicht mit Klageerhebung rechtshängig geworden sein. 82Vgl. BVerwG, Urteile 28. Mai 1998 - 2 C 28.97 -, juris, Rn. 13, und vom 28. Juni 1995 - 11 C 22.94 -, juris, Rn. 10; OVG NRW, Urteil vom 21. April 2005 - 1 A 3099/03 -, juris, Rn. 140. 83Ein solcher Fall liegt hier aber auch nicht vor. Die Höhe der vom Beklagten zu gewährenden Zulage steht nach Vorstehendem eindeutig fest, ohne dass eine weitere Rechtsanwendung oder Berechnung durch den Beklagten erforderlich wäre. Sie ist insoweit auch mit Klageerhebung am 17. Oktober 2019 rechtshängig geworden. Dabei spielt es keine Rolle, dass der Beklagte nicht unmittelbar zur Zahlung, sondern nur zum Erlass eines die Zahlung der bestimmten Geldsumme unmittelbar auslösenden Verwaltungsaktes verpflichtet wird. Denn aufgrund des für öffentlich-rechtliche Zahlungsansprüche geltenden Verfahrensrechts ist es dem Berechtigten häufig – und wie hier – nicht möglich, unmittelbar auf Leistung zu klagen, sondern auch im Falle eines der Höhe nach bestimmten Geldleistungsanspruchs muss er zunächst auf den Erlass eines zusprechenden Verwaltungsaktes klagen. Insoweit reicht es für die Rechtshängigkeit der Geldschuld aus, dass die Klage auf Erlass des die Geldzahlung auslösenden Verwaltungsaktes gerichtet ist. 84Vgl. BVerwG, Urteile 28. Mai 1998 - 2 C 28.97 -, juris, Rn. 13, und vom 28. Juni 1995 - 11 C 22.94 -, juris, Rn. 10; OVG NRW, Urteil vom 21. April 2005 - 1 A 3099/03 -, juris, Rn. 140. 85Die Höhe der Zinsen richtet sich dabei in entsprechender Anwendung nach § 291 Satz 2 BGB in Verbindung mit §§ 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 sowie § 289 Satz 1 BGB und beträgt fünf Prozentpunkte über dem für das Jahr jeweils geltenden Basiszinssatz. Der Beginn des Zinsanspruches ist mit dem 18. Oktober 2019 zu datieren, weil der Tag des den Zinsanspruch auslösenden Ereignisses – die Rechtshängigkeit am 17. Oktober 2019 – in entsprechender Anwendung des § 187 Abs. 1 BGB nicht mitzurechnen ist. 86Vgl. Nds. OVG, Urteil vom 2. November 1999 - 7 L 3034/97 -, juris, Rn. 127; BGH, Urteile vom 10. Oktober 2017 - XI ZR 555/16 -, juris, Rn. 21, und vom 4. Juli 2017 - XI ZR 562/15 -, juris, Rn. 103. 87V. 88Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO. 89Rechtsmittelbelehrung: 90Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn 911. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 922. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 933. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 944. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 955. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. 96Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, zu beantragen. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich einzureichen. 97Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 98Im Berufungsverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO.
der beklagte wird unter teilweiser aufhebung des bescheides des landesamtes für ausbildung, fortbildung und personalangelegenheiten der polizei nordrhein-westfalen vom 7. juni 2019 und unter aufhebung dessen widerspruchsbescheides vom 11. september 2019 verpflichtet, dem kläger eine zulage für die wahrnehmung eines höherwertigen amtes für den zeitraum vom 19. oktober 2017 bis zum 21. mai 2019 nebst zinsen in höhe von fünf prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz seit rechtshängigkeit zu gewähren. der beklagte trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der beklagte kann die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht der kläger vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1
2die beteiligten streiten um die gewährung einer zulage für die wahrnehmung eines höherwertigen amtes für die zeit während eines laufenden disziplinarverfahrens. 3der kläger wurde im jahr 2006 zum kriminalhauptkommissar beim landesamt für aus- und fortbildung der polizei nordrhein-westfalen (nachfolgend: lafp nrw) ernannt. im streitgegenständlichen zeitraum war er der besoldungsgruppe a 12 gemäß lbeso zugeordnet. 4zum 19. januar 2015 wurde er in das sekretariat der abteilung 1 der zentralabteilung des lafp nrw umgesetzt und übernahm dort kommissarisch die funktion eines fachaufgabencontrollers, die der besoldungsgruppe a 13 gemäß lbeso zugeordnet war. am 19. oktober 2017 wurde gegen den kläger ein disziplinarverfahren eingeleitet, das mit seiner umsetzung in die abteilung 5 des lafp am 22. mai 2019 noch nicht abgeschlossen war. dort nahm er wieder tätigkeiten wahr, die der besoldungsgruppe a 12 gemäß lbeso zugeordnet waren. 5mit schreiben vom 5. september 2016 beantragte der kläger beim beklagten für seine tätigkeit als fachaufgabencontroller die gewährung einer zulage für die wahrnehmung eines höherwertigen amtes rückwirkend ab dem 19. januar 2016. mit schreiben vom 6. dezember 2018 nahm der kläger seinen antrag zurück. mit e-mail vom 11. dezember 2018 erklärte er zudem den verzicht auf die zulage. mit anwaltlichem schreiben vom 21. märz 2019 führte der kläger sodann aus, sein verzicht sei nicht rechtsverbindlich, da die besoldung von amts wegen zu gewähren sei, und begehrte erneut die zulage. nach beendigung seiner tätigkeit als fachaufgabencontroller beantragte er mit schreiben vom 22. mai 2019 erneut die gewährung der zulage. 6mit bescheid vom 7. juni 2019 gewährte das lafp nrw dem kläger die zulage für die wahrnehmung eines höherwertigen amtes für den zeitraum vom 19. juli 2016 bis zum 18. oktober 2017 und lehnte den antrag für den darauffolgenden zeitraum ab. zur begründung für die teilablehnung führte das lafp nrw im wesentlichen aus, voraussetzung für die gewährung der zulage sei, dass die laufbahnrechtlichen voraussetzungen gegeben seien, zu denen auch die für eine ernennung bzw. beförderung erforderlichen bedingungen, die beförderungsreife, gehörten. wegen seines am 19. oktober 2017 eingeleiteten disziplinarverfahrens hätten sich aber zweifel an der charakterlichen eignung des klägers ergeben, die für die dauer des verfahrens eine ernennung sowie beförderung ausschlössen, so dass die laufbahnrechtlichen voraussetzungen ab diesem zeitpunkt nicht mehr vorgelegen hätten. dies ergäbe sich auch aus dem erlass des ministeriums des innern des landes nordrhein-westfalen vom 8. dezember 2017 (403-42.07.08). 7mit anwaltlichem schreiben vom 4. juli 2019 legte der kläger widerspruch gegen den bescheid vom 7. juni 2019 ein und begründete dies im wesentlichen damit, dass er auch für die zeit des laufenden disziplinarverfahrens, also vom 19. oktober 2017 bis zum 21. mai 2019, einen anspruch auf die zulage habe. die beförderungsreife sei nicht mit den laufbahnrechtlichen voraussetzungen gleichzustellen. aus den im gesetz niedergelegten laufbahnrechtlichen voraussetzungen sei keine „beförderungssperre“ wegen eines laufenden disziplinarverfahrens abzuleiten. 8mit widerspruchsbescheid vom 11. september 2019 wies das lafp den widerspruch zurück. zur begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die gewährung der zulage für die wahrnehmung eines höherwertigen amtes setze die beförderungsreife voraus, die mit der möglichkeit der beförderung gleichzusetzen sei. insoweit komme es für die zulagengewährung auch darauf an, ob der betroffene die persönliche eignung für eine entsprechende beförderung aufweise. das sei aber anerkanntermaßen nicht der fall, wenn der verdacht eines dienstvergehens im raum stehe. daher würden die betroffenen auch bei laufenden disziplinarverfahren von denkbaren beförderungen ausgeschlossen. der widerspruchsbescheid wurde dem kläger am 18. september 2019 zugestellt. 9der kläger hat am 17. oktober 2019 klage erhoben. zur begründung verweist er im wesentlichen auf seine im verwaltungsverfahren vorgebrachten argumente. ergänzend führt er aus, es sei widersprüchlich, ihm die persönliche eignung für die beförderung in zweifel zu ziehen, aber gleichzeitig aufgaben des entsprechend höher besoldeten amtes zu übertragen. insoweit könnten keine zweifel an der persönlichen eignung für die übernahme des höherwertigen dienstpostens bestehen. 10der kläger beantragt, 11den beklagten unter teilweiser aufhebung des bescheides des landesamtes für ausbildung, fortbildung und personalangelegenheiten der polizei nordrhein-westfalen vom 7. juni 2019 und unter aufhebung dessen widerspruchsbescheides vom 11. september 2019 zu verpflichten, ihm eine zulage für die wahrnehmung eines höherwertigen amtes für den zeitraum vom 19. oktober 2017 bis zum 21. mai 2019 nebst zinsen in höhe von fünf prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz zu gewähren. 12der beklagte beantragt, 13die klage abzuweisen. 14zur begründung wiederholt er im wesentlichen seine argumente aus dem verwaltungsverfahren. ergänzend führt er aus, nach der gesetzlichen regelung unterlägen ernennungen auch im laufbahnrecht den allgemeinen anforderungen hinsichtlich eignung, befähigung und leistung. das oberverwaltungsgericht rheinland-pfalz habe insoweit in seinem beschluss vom 12. september 2013 festgestellt, dass die einleitung eines disziplinarverfahrens zu einer fehlenden eignung für eine beförderung führe (az. 2 b 10837/13). dass der kläger gleichwohl auch während des disziplinarverfahrens mit der höherwertigen tätigkeit betraut gewesen sei, ändere daran nichts, weil dies dem organisationsermessen des dienstherrn obliege. aufgrund der umstände des einzelfalles habe er den einsatz des klägers auf dem höherwertigen posten für vertretbar gehalten. insofern sei hier kein widersprüchliches verhalten erkennbar. 15für weitere einzelheiten zum sach- und streitstand wird auf die gerichtsakte sowie die beigezogenen verwaltungsvorgänge verwiesen. 16
17die zulässige verpflichtungsklage hat in der sache erfolg. 18die mit bescheid des lafp nrw vom 7. juni 2019 in gestalt dessen widerspruchsbescheides vom 11. september 2019 erfolgte ablehnung der gewährung der zulage für die wahrnehmung eines höherwertigen amtes für den zeitraum vom 19. oktober 2017 bis zum 21. mai 2019 ist rechtswidrig und verletzt den kläger in seinen rechten (vgl. § 113 abs. 5 satz 1 der verwaltungsgerichtsordnung – vwgo). 19der kläger hat für diesen zeitraum gemäß der allein maßgeblichen vorschrift des § 59 abs. 1 des landesbesoldungsgesetzes nordrhein-westfalen in der fassung vom 14. juni 2016 (lbesg nrw) einen anspruch auf gewährung der begehrten zulage. dass der kläger seinen antrag auf zulagengewährung zurückgenommen sowie seinen verzicht auf die zulage erklärt hat, ist unerheblich (i.). die voraussetzungen für die gewährung der zulage liegen vor (ii.). die höhe des anspruches ergibt sich aus § 59 abs. 2 lbesg nrw (iii.). ein anspruch auf zinsen ab rechtshängigkeit ist ebenfalls zu bejahen (iii.). 20i. 21die beteiligten gehen zu recht davon aus, dass die vom kläger erklärte rücknahme seines antrages auf gewährung der zulage für die wahrnehmung eines höherwertigen amtes rechtlich unerheblich ist. nach § 3 abs. 1 satz 1 lbesg nrw haben beamte einen anspruch auf besoldung, der mit ernennung entsteht. eines antrages bedarf es insoweit nicht, die rücknahme eines antrages ist demnach ebenfalls rechtlich irrelevant. 22vgl. bverwg, urteil vom 28. juni 2001 - 2 c 48.00 -, juris, rn. 13; reich, in: reich/preißler, bbesg, 2. auflage 2022, § 3 rn. 19 (jeweils zur gleichlautenden vorschrift für bundesbeamte). 23auch der überdies mit e-mail vom 11. dezember 2018 vom kläger erklärte verzicht auf die gewährung der zulage hat keine rechtlichen folgen. nach § 2 abs. 3 lbesg kann nämlich auf die gesetzlich zustehende besoldung weder ganz noch teilweise verzichtet werden, sofern es sich nicht um vermögenswirksame leistungen handelt. diese regelung findet ihren zweck einerseits in der gewährleistung des leistungsprinzips (art. 33 abs. 2 des grundgesetzes – gg) in gestalt der verhinderung der ernennung „billigerer“ beamten sowie andererseits in der erfüllung des unbedingten und in der fürsorgepflicht des dienstherrn wurzelnden alimentationsprinzips. 24vgl. bverwg, urteil vom 9. märz 1967 - ii c 43.64 -, juris, rn. 18 ff. (zur einer früher geltenden, gleichlautenden regelung für bundesbeamten); kathke, in: schwegmann/summer, besoldungsrecht des bundes und der länder, stand: juni 2021, § 2 lbesg nrw, rn. 109 ff. 25die zulagengewährung basiert – wie § 59 lbesg nrw zeigt – auf einer gesetzlichen anspruchsgrundlage und ist damit zum kreis nicht verzichtbarer gesetzlich zustehender besoldung zu zählen. 26vgl. reich, in: reich/preißler, bbesg, 2. auflage 2022, § 2 rn. 33 (zur gleichlautenden vorschrift für bundesbeamte). 27ii. 28für den zeitraum vom 19. oktober 2017 bis zum 21. mai 2019 liegen die voraussetzungen für die gewährung der zulage für die wahrnehmung eines höherwertigen amtes nach § 59 abs. 1 satz 1 lbesg nrw vor. danach wird einem beamten die zulage ab dem zeitpunkt gewährt, in dem er zwölf monate ununterbrochen die aufgaben unter anderem eines amtes der nächsthöheren besoldungsgruppe vorübergehend vertretungsweise wahrgenommen hat, wenn zu diesem zeitpunkt die haushaltsrechtlichen voraussetzungen für die übertragung des wahrgenommenen höherwertigen amtes und die laufbahnrechtlichen voraussetzungen für die übertragung des amtes der nächsthöheren besoldungsgruppe vorliegen. 291. 30zum beginn des streitgegenständlichen zeitraums, dem 19. oktober 2017, hat der kläger – wie auch zwischen den beteiligten einhellig angenommen wird – bereits zwölf monate ununterbrochen eine aufgabe übernommen, die dem nächsthöheren amt zugeordnet ist. denn der beklagte hat den kläger zum 19. januar 2015 in die abteilung 1 der zentralabteilung des lafp nrw umgesetzt und ihm die funktion des fachaufgabencontrollers übertragen, die der beklagte selbst ausdrücklich der besoldungsgruppe a 13 gemäß lbeso und damit einer gegenüber der damaligen besoldungsgruppe des klägers um eine gruppierungsstufe höheren besoldungsgruppe zuordnet. 31diese funktion hat der kläger auch vorübergehend vertretungsweise ausgeübt. mit diesem tatbestandsmerkmal soll gewährleistet werden, dass nur die sogenannte vakanzvertretung, also das tätigwerden im rahmen einer (noch) unbesetzten stelle, zulagenfähig ist und nicht die sogenannte verhinderungsvertretung, die sich durch die vertretung eines an sich eingesetzten, zum betroffenen zeitpunkt aber aus etwa krankheits- oder urlaubsgründen verhinderten stelleninhabers auszeichnet. 32vgl. lt-drs. 16/10380, s. 379; bverwg, urteile vom 28. april 2011 - 2 c 30.09 -, juris, rn. 12 f., und vom 28. april 2005 - 2 c 29.04 -, juris, rn. 18 (jeweils zur gleichlautenden vorschrift für bundesbeamte). 33so liegt die sache hier. in der umsetzungsverfügung des lafp nrw vom 19. januar 2015 ist ausdrücklich von der betrauung des klägers mit den aufgaben des fachaufgabencontrollings „bis zur endgültigen besetzung in einem landesweiten ausschreibungsverfahren“ und damit deutlich von einer beabsichtigten vakanzvertretung die rede. 342. 35auch liegen die haushaltsrechtlichen voraussetzungen vor. sinn und zweck dieses einschränkenden tatbestandsmerkmals ist, den dienstherrn durch den anspruch auf zulagengewährung nicht mit mehrausgaben zu belasten. 36vgl. bverwg, urteil vom 28. april 2005 - 2 c 29.04 -, juris, rn. 14 (zur gleichlautenden vorschrift für bundesbeamte). 37vor diesem hintergrund setzt die zulage für die wahrnehmung eines höherwertigen amtes regelmäßig voraus, dass eine freie planstelle vorhanden sein muss, auf deren grundlage eine beförderung des beamten möglich (gewesen) wäre. dies ist hier der fall, da im anspruchszeitraum monatlich jeweils mindestens eine planstelle zur verfügung stand. dabei spielt die frage, ob die haushaltsrechtlich zur verfügung stehende planstelle bereits einem konkreten dienstposten fest zugeordnet war, oder erst – im rahmen der sogenannten „topfwirtschaft“ – nach und nach frei werdenden oder neu besetzten dienstposten zugewiesen wurde, keine rolle. denn die vorschrift des § 59 lbesg nrw gilt unabhängig vom system der zuordnung der planstellen zu einzelnen dienstposten innerhalb der vom jeweiligen haushaltstitel erfassten behörden. 38vgl. bverwg, urteil vom 25. september 2014 - 2 c 16.13 -, juris, rn. 16 ff. (zur gleichlautenden vorschrift für bundesbeamte). 393. 40entgegen der ansicht des beklagten liegen beim kläger im streitgegenständlichen zeitraum auch die laufbahnrechtlichen voraussetzungen vor. zu diesen zählen allein laufbahnbezogene aspekte (a.), die im streitgegenständlichen zeitraum in der person des klägers im hinblick auf das wahrgenommene amt auch ungeachtet des damaligen disziplinarverfahrens gegen ihn vorlagen (b.). 41a) 42nach der höchstrichterlichen und obergerichtlichen rechtsprechung, der die kammer folgt und die auch von den beteiligten übereinstimmend ihrer argumentation zugrunde gelegt worden ist, liegen die laufbahnrechtlichen voraussetzungen nur vor, wenn eine beförderung des beamten in das höherwertige amt, dem die wahrgenommene (höherwertige) tätigkeit zugeordnet wird, möglich ist, der betroffene mithin beförderungsreif ist. beförderungsreife meint dabei konkret, dass einer beförderung des beamten keine normativen regelungen des gesamten laufbahnrechts entgegenstehen. 43vgl. bverwg, beschluss vom 29. dezember 2014 - 2 b 110.13 -, juris, rn. 16, sowie urteile vom 25. september 2014 - 2 c 16.13 -, juris, rn. 19, vom 28. april 2011 - 2 c 30.09 -, juris, rn. 22, und vom 7. april 2005 - 2 c 8.04 -, juris, rn. 19 (jeweils zur gleichlautenden vorschrift für bundesbeamte). 44zwar trifft es zu, dass ein disziplinarverfahren – wie der beklagte vorträgt – grundsätzlich zweifel an der persönlichen eignung eines beamten für die amtsausübung rechtfertigen und so den ausschluss eines bewerbers aus einem beförderungsverfahren legitimieren kann. 45vgl. bverwg, urteil vom 13. mai 1987 - 6 c 32.85 -, juris, rn. 12; ovg nrw, beschlüsse vom 21. august 2018 - 1 b 1483/17 -, juris, rn. 6 ff., vom 8. märz 2017 - 1 b 1354/16 -, juris, rn. 5 ff., vom 24. märz 2016 - 1 b 1110/15 -, juris, rn. 13 ff., und vom 12. dezember 2011 - 6 b 1314/11 -, juris, rn. 2 ff.; vg gelsenkirchen, beschluss vom 14. april 2022 - 1 l 318/22 -, n.v. 46unabhängig davon aber, dass der umstand eines laufenden disziplinarverfahrens nicht stets und automatisch den ausschluss aus einem beförderungsverfahren zur folge hat, sondern dies von den begebenheiten des konkreten falles abhängt und insoweit das auseinandersetzen des dienstherrn mit den einzelheiten des vorwurfs erforderlich ist, 47vgl. dazu ovg nrw, beschluss vom 24. märz 2016 - 1 b 1110/15 -, juris, rn. 15; vg gelsenkirchen, beschluss vom 14. april 2022 - 1 l 318/22 -, n.v., 48betrifft die frage der (persönlichen) eignung allein die beamtenrechtlichen grundvoraussetzungen für eine ernennung und nicht die nach § 59 abs. 1 lbesg nrw einzig maßgeblichen laufbahnrechtlichen voraussetzungen. entgegen der ansicht des beklagten sind indes unter „beförderungsreife“ nur diejenigen aspekte zu verstehen, die die ämterlaufbahn und nicht die allgemeine frage nach der einstellung und beförderung, wie etwa die persönliche eignung, betreffen. entscheidend ist nach auffassung der kammer allein, ob nach den formellen kriterien des laufbahnrechts eine beförderung in das nächsthöhere (status-)amt möglich wäre. der dem entgegenstehenden und für das gericht ohnehin nicht bindende erlass des ministeriums des innern des landes nordrhein-westfalen vom 8. dezember 2017 (403-42.07.08) ist insoweit rechtswidrig. 49dies beruht zunächst auf der überlegung, dass der begriff der „laufbahnrechtlichen“ voraussetzungen offenbar auf eine bestimmte einengung abzielt. insoweit wird gerade nicht von sämtlichen beamtenrechtlichen ernennungs- und beförderungsvoraussetzungen, sondern gerade nur von laufbahnbezogenen voraussetzungen gesprochen. der normgeber scheint demnach zwischen laufbahnvoraussetzungen und sonstigen voraussetzungen für eine beförderung zu differenzieren. 50eine solche differenzierung findet dabei ihre stütze auch in der nordrhein-westfälischen beamtenrechtlichen regelungssystematik, die einerseits allgemeine, d.h. grundsätzliche, vorgaben zur ernennung, andererseits aber auch spezifische vorgaben zum laufbahnaufstieg, also bedingungen für eine beförderung innerhalb einer laufbahn vorsieht. erstere zeichnen abstrakt die mindestrahmenbedingungen für jede beamtenrechtliche ernennung und damit auch beförderung in gestalt des leistungsprinzips – ernennungen sind nur nach eignung, befähigung und fachlicher leistung vorzunehmen – ab und finden sich an zentraler stelle in formellen gesetzen, wie etwa art. 33 abs. 2 gg, § 9 des beamtentstatusgesetzes (beamtstg) oder § 19 des landesbeamtengesetzes nordrhein-westfalen (lbg nrw). letztere hingegen differieren hinsichtlich des tätigkeitsfeldes, werden teilweise für bestimmte dienstzweige gesondert geregelt und finden sich daher auch auf basis des § 9 bzw. § 110 abs. 1 satz 2 lbg nrw in landesrechtlichen verordnungen, wie etwa hier in § 8 der laufbahnverordnung der polizei nordrhein-westfalen in der hier maßgeblichen, vom 4. märz 1995 bzw. 20. märz 2018 geltenden fassung (lvopol nrw 1995 bzw. 2018). diese trennung zeigt sich auch in § 3 abs. 1 lvopol nrw 1995 bzw. 2018, der die einstellungs- und beförderungsvoraussetzungen umschreibt und einerseits die allgemeinen – in der verordnung selbst nicht geregelten – voraussetzungen benennt, etwa „die voraussetzungen für die berufung in das beamtenverhältnis“ (nr. 1), andererseits aber auch die „nach dieser verordnung vorgeschriebenen besonderen einstellungsvoraussetzungen für den jeweiligen laufbahnabschnitt“ (nr. 4) zur einstellungs- und beförderungsbedingung – insbesondere also § 8 lvopol nrw 1995 bzw. 2018 – als bedingung für eine einstellung festlegt. 51insoweit greift auch das argument des beklagten, die laufbahnverordnung verweise unter anderem auf das beamtenstatusgesetz und mache so die frage der persönlichen eignung zur bedingung des laufbahnaufstieges, nicht durch. denn es steht außer frage, dass eine beförderung im rahmen der laufbahn auch unter beachtung der grundvoraussetzungen und damit der persönlichen eignung erfolgen muss. davon zu unterscheiden ist aber die hier maßgebliche frage, ob die auf die beachtung der laufbahnrechtlichen voraussetzungen beschränkte gewährung der zulage nach § 59 lbesg nrw ebenfalls diese fragen zu beantworten hat. insofern hängt die gewährung der zulage nur von einem teil der beförderungsvoraussetzungen, nämlich den formalen bedingungen der ämterlaufbahn, ab. 52vor diesem hintergrund wird nicht nur in § 59 abs. 1 satz 1 lbesg nrw selbst zwischen voraussetzungen, die bei einer ernennung und beförderung gelten, und solchen nur an beamte derselben laufbahn gerichteten bedingungen unterschieden. dies bildet sich auch in der höchstrichterlichen und obergerichtlichen rechtsprechung ab, die bei einer beförderung allgemein zwischen den „grundvoraussetzungen“ einerseits und den „laufbahnrechtlichen voraussetzungen“ andererseits differenzieren. 53vgl. bverwg, beschluss vom 6. april 2006 - 2 vr 2.05 -, rn. 7; ovg nrw, beschluss vom 18. oktober 2013 - 1 b 1131/13 -, juris, rn. 7 ff., insbesondere rn. 10. 54darüber hinaus gebietet der zweck der zulage für die wahrnehmung eines höherwertigen amtes lediglich die betrachtung der laufbahnrechtlichen, nicht aber das berücksichtigen der allgemeinen beförderungsvoraussetzungen. nach der rechtsprechung des bundesverwaltungsgerichts ist es ein wesentliches ziel der zulage, den dienstherrn davon abzuhalten, freie stellen auf dauer aus fiskalischen oder anderen „hausgemachten“ gründen nicht entsprechend der bewertung gemäß der ämterordnung des besoldungsrechts zu besetzen (herv. nur hier). 55vgl. bverwg, urteile vom 13. dezember 2018 - 2 c 52.17 -, juris, rn. 25, vom 25. september 2014 - 2 c 16.13 - juris, rn. 15, und vom 28. april 2005 - 2 c 29.04 -, juris, rn. 14; vg münster, urteil vom 7. juli 2016 - 4 k 1085/12 -, juris, rn. 33 (jeweils zur gleichlautenden vorschrift für bundesbeamte). 56mit anderen worten soll der dienstherr über die zulage angehalten werden, nur solche beamte auf vakante und höher besoldete posten zu setzen, die den posten allein aus sicht der ämterordnung auch im wege einer beförderung erhalten könnten. insoweit dient das die zulagengewährung einschränkende tatbestandsmerkmal der laufbahnrechtlichen voraussetzungen dazu, die zulage auszuschließen, wenn ein laufbahnfremder, vor allem schlechter besoldeter, beamter ein höherwertiges amt bekleidet, damit die entsprechende tätigkeit letztendlich über eine solche praxis keinerlei anreize mehr bietet. der anreiz der stellenzulage und damit die besetzung höherwertiger ämter mit beamten statusamtsniedrigerer position sollen nur für solche beamte gelten, die das höherwertige amt laufbahnrechtlich übertragen bekommen können. 57vgl. bverwg, urteil vom 28. april 2011 - 2 c 30.09 -, juris, rn. 24 (zur gleichlautenden vorschrift für bundesbeamte). 58die allgemeinen anforderungen an eine beamtenrechtliche ernennung, wie etwa die persönliche eignung, spielen demnach für die ziele der zulagengewährung keine rolle. das bundesverwaltungsgericht betont daher überzeugend, dass es im rahmen der laufbahnrechtlichen voraussetzungen ausschließlich auf die bestimmungen des laufbahnrechts ankommt und gerade nicht von belang ist, ob der betreffende beamte sich bei einer leistungskonkurrenz um das beförderungsamt durchsetzen würde. 59vgl. bverwg, urteile vom 13. dezember 2018 - 2 c 52.17 -, juris, rn. 11, und vom 25. september 2014 - 2 c 16.13 -, juris, rn. 19 (jeweils zur gleichlautenden vorschrift für bundesbeamte). 60andernfalls müsste für die gewährung der zulage nach § 59 lbesg nrw nicht nur die bedingungen der ämterlaufbahn beachtet, sondern auch die frage nach eignung, leistung und befähigung beantwortet, mithin letztlich bestenauslese betrieben werden. dies erweist sich nicht nur vor dem hintergrund des bereits genannten zwecks der zulage, sondern gerade auch angesichts des in der mündlichen verhandlung vom kläger vorgebrachten aspektes, dass die wahrnehmung eines höherwertigen amtes zum einen zeitlich befristet und zum anderen gerade nicht durch beförderung, sondern durch eine von fragen der bestenauslese und damit auch der persönlichen eignung unabhängige umsetzung erfolgt, als unangemessen. 61entscheidend ist demnach die beförderungsreife und nicht die beförderungsfähigkeit. es nimmt daher nicht wunder, dass auch das bundesverwaltungsgericht in seinen entscheidungen – soweit ersichtlich – rein auf laufbahnbezogene kriterien eingeht, nicht aber prüft, ob die allgemeinen grundvoraussetzungen der ernennung gegeben sind. 62vgl. etwa bverwg, urteile vom 13. dezember 2018 - 2 c 52.17 -, juris, rn. 13 ff., und vom 28. april 2011 - 2 c 30.09 -, juris, rn. 30 ff. (jeweils zur gleichlautenden vorschrift für bundesbeamte). 63im übrigen gibt die kammer zu bedenken, dass vor dem hintergrund des genannten zweckes eine andere auffassung zum umfang der laufbahnrechtlichen voraussetzungen im vorliegenden fall eines laufenden disziplinarverfahrens sich für den betroffenen beamten als unverhältnismäßig erwiese. denn der hauptgrund dafür, dass ein dienstherr einen beamten wegen eines laufenden disziplinarverfahrens regelmäßig aus einem stellenbesetzungsverfahren ausschließen darf, liegt in der überlegung, dass er sich in widerspruch setzen würde, wenn er dem beamten einerseits ein dienstvergehen vorwirft, ihn andererseits für beförderungsfähig hält. 64vgl. bverwg, urteil vom 13. mai 1987 - 6 c 32.85 -, juris, rn. 12; ovg nrw, beschluss vom 21. august 2018 - 1 b 1483/17 -, juris, rn. 6 ff. 65genau diesem widerspruch setzt sich aber – wie der kläger zu recht vorträgt – auch ein dienstherr aus, der einen beamten einerseits in einem höherwertigen statusamt tatsächlich einsetzt, ihm zugleich die zulagengewährung wegen zweifel an der (persönlichen) eignung ausschlägt. soweit der beklagte hiergegen einwendet, die entscheidung hierüber obliege dem organisationsermessen des dienstherrn und sei aufgrund einer gesamtabwägung aller einzelfallumstände zu treffen, mag dies zutreffen. es hat aber keine auswirkungen auf die gewährung der zulage für die tätigkeit. insoweit kann er die zulagengewährung durch die entbindung des beamtenvon der höherwertigen tätigkeit verhindern, nicht aber dadurch, dass er sehenden auges einen beförderungsreifen, nicht aber beförderungsfähigen beamten für eine höherwertige tätigkeit einsetzt. 66b) 67unter beachtung der soeben dargelegten maßgaben lagen für den streitgegenständlichen zeitraum die laufbahnrechtlichen voraussetzungen in der person des klägers und im hinblick auf das konkret ausgeübte höherwertige amt vor. insoweit konnte er nach der ämterordnung, wie sie sich aus der für den streitgegenständlichen zeitraum maßgeblichen lvopol nrw 1995 bzw. lvopol nrw 2018 ergibt, in das ausgeübte nächsthöhere statusamt befördert werden. insbesondere lag die nach § 8 abs. 1 lvopol nrw 1995 noch erforderliche dienstzeit vor. auch sind beförderungsverbote nach § 8 abs. 4 lvopol nrw 1995 bzw. § 8 abs. 2 lvopol nrw 2018 weder vorgetragen noch ersichtlich. im übrigen sind auch weiter keine aspekte ersichtlich, die dem kläger die laufbahnrechtlichen voraussetzungen abzusprechen vermögen könnten, zumal der kläger bis zum beginn des disziplinarverfahrens die begehrte zulage gewährt bekommen hatte, der beklagte ihm die laufbahnrechtlichen voraussetzungen ohne laufendes disziplinarverfahrens offenkundig auch nicht abgesprochen hätte. 68iii. 69die höhe der zulage des klägers für den zeitraum vom 19. oktober 2017 bis zum 21. mai 2019 bemisst sich gemäß § 59 abs. 2 lbesg nrw nach dem unterschiedsbetrag zwischen den im betroffenen zeitraum jeweils unter beachtung der jeweiligen erfahrungsstufe (hier: 12) geltenden grundgehältern der besoldungsgruppen a 12 und a 13 gemäß der landesbesoldungsordnung. 70dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich dieser differenzbetrag in den fällen, in denen die anzahl der anspruchsberechtigten die anzahl der besetzbaren planstellen der entsprechenden wertigkeit übersteigt, nur anteilig gezahlt werden kann, da die zulage nach besagtem zweck zu keiner finanziellen mehrbelastung der behörde führen darf. 71vgl. bverwg, urteil vom 28. april 2005 - 2 c 29.04 -, juris, rn. 14 (zur gleichlautenden vorschrift für bundesbeamte). 72es ist deshalb für den anspruchszeitraum und den etatisierten behördenbereich – hier alle polizeibehörden des landes nordrhein-westfalen – monatlich die anzahl der anspruchsberechtigten und die anzahl der besetzbaren planstellen der entsprechenden wertigkeit zu berechnen und ins verhältnis zu setzen. maßgeblich für diese berechnung sind stets die verhältnisse in dem monat, für den die zulage berechnet wird. 73vgl. bverwg, urteil vom 25. september 2014 - 2 c 16.13 -, juris, rn. 21 f. (zur gleichlautenden vorschrift für bundesbeamte). 74dies zugrunde gelegt ergibt sich auf grundlage der vom kläger nicht angegriffenen und nicht erkennbar fehlerhaften unterlagen des beklagten insgesamt ein anspruch auf zulage für die wahrnehmung eines höherwertigen amtes in höhe von 7550,92 euro: 75monat besoldungs-tabelle differenz des grundgehaltes in erfahrungsstufe 12 quote betrag 19. - 31. oktober 2017 (13 tage) ab 1.4.17 4974,36 (a13) - 4481,37 (a12) = 492,99 : 31 x 13 = 206,73 1 206,74 november 2017 492,99 1 492,99 dezember 2017 492,99 1 492,99 januar 2018 ab 1.1.18 5091,26-4586,68 = 504,58 1 504,58 februar 2018 504,58 1 504,58 märz 2018 504,58 1 504,58 april 2018 504,58 0,5978 301,64 mai 2018 504,58 0,7598 383,38 juni 2018 504,58 0,6422 324,04 juli 2018 504,58 0,9525 480,61 august 2018 504,58 0,9525 480,61 september 2018 504,58 0,8969 452,56 oktober 2018 504,58 1 504,58 november 2018 504,58 1 504,58 dezember 2018 504,58 1 504,58 januar 2019 1.1.19 5254,18-4733,45 = 520,73 0,2312 120,39 februar 2019 520,73 0,2893 150,65 märz 2019 520,73 0,2613 136,07 april 2019 520,73 0,5696 296,61 1. bis 21. mai 2019 520,73 : 31 x 21 = 352,75 0,5788 204,17 7550,93 76iv. 77der kläger hat schließlich auch einen anspruch auf prozesszinsen. zwar regelt § 2 abs. 5 lbesg nrw, dass bei verspäteter zahlung von bezügen kein anspruch auf verzugszinsen besteht. wegen der spezialität dieser auf die beamtenrechtliche besoldung beschränkten regelung darf auch nicht auf die allgemeine vorschrift des § 288 des bürgerlichen gesetzbuches (bgb) zurückgegriffen werden. 78ovg nrw, urteil vom 21. april 2005 - 1 a 3099/03 -, juris, rn. 118 ff. m.w.n. (zur gleichlautenden vorschrift für bundesbeamte). 79allerdings regelt § 2 abs. 5 lbesg nrw ausschließlich die zinsen wegen verspäteter zahlung, mithin verzugszinsen, und nicht die vom kläger hier geltend gemachten prozesszinsen. insoweit ist geklärt, dass prozesszinsen in entsprechender anwendung des § 291 bgb gewährt werden können, weil das fachrecht – wie hier das landesbesoldungsgesetz nordrhein-westfalen – gerade zu diesen zinsen keine abweichende regelung trifft. 80vgl. bverwg, urteile vom 30. oktober 2002 - 2 c 24.01 -, juris, rn. 20, und vom 28. mai 1998 - 2 c 28.97 -, juris, rn. 10 m.w.n. (jeweils zur gleichlautenden vorschrift für bundesbeamte). 81die voraussetzungen des § 291 satz 1 bgb (analog) liegen vor. danach sind geldschulden von dem eintritt ihrer rechtshängigkeit an – unabhängig von der frage einer unverschuldeten nichtzahlung – zu verzinsen. dabei wird eine geldschuld nur dann mit klageerhebung rechtshängig (vgl. § 90 vwgo), wenn der prozess mit dem zuspruch einer eindeutig bestimmten geldleistung endet. entscheidend ist, dass die höhe der geldleistung am ende des prozesses eindeutig feststeht bzw. rechnerisch unzweifelhaft ermittelt werden kann und keinem, von der behörde noch auszuübenden regelungsspielraum unterliegt. denn im letzteren fall kann die geldschuld mangels bestimmtheit ihrer höhe noch nicht mit klageerhebung rechtshängig geworden sein. 82vgl. bverwg, urteile 28. mai 1998 - 2 c 28.97 -, juris, rn. 13, und vom 28. juni 1995 - 11 c 22.94 -, juris, rn. 10; ovg nrw, urteil vom 21. april 2005 - 1 a 3099/03 -, juris, rn. 140. 83ein solcher fall liegt hier aber auch nicht vor. die höhe der vom beklagten zu gewährenden zulage steht nach vorstehendem eindeutig fest, ohne dass eine weitere rechtsanwendung oder berechnung durch den beklagten erforderlich wäre. sie ist insoweit auch mit klageerhebung am 17. oktober 2019 rechtshängig geworden. dabei spielt es keine rolle, dass der beklagte nicht unmittelbar zur zahlung, sondern nur zum erlass eines die zahlung der bestimmten geldsumme unmittelbar auslösenden verwaltungsaktes verpflichtet wird. denn aufgrund des für öffentlich-rechtliche zahlungsansprüche geltenden verfahrensrechts ist es dem berechtigten häufig – und wie hier – nicht möglich, unmittelbar auf leistung zu klagen, sondern auch im falle eines der höhe nach bestimmten geldleistungsanspruchs muss er zunächst auf den erlass eines zusprechenden verwaltungsaktes klagen. insoweit reicht es für die rechtshängigkeit der geldschuld aus, dass die klage auf erlass des die geldzahlung auslösenden verwaltungsaktes gerichtet ist. 84vgl. bverwg, urteile 28. mai 1998 - 2 c 28.97 -, juris, rn. 13, und vom 28. juni 1995 - 11 c 22.94 -, juris, rn. 10; ovg nrw, urteil vom 21. april 2005 - 1 a 3099/03 -, juris, rn. 140. 85die höhe der zinsen richtet sich dabei in entsprechender anwendung nach § 291 satz 2 bgb in verbindung mit §§ 288 abs. 1 satz 2, abs. 2 sowie § 289 satz 1 bgb und beträgt fünf prozentpunkte über dem für das jahr jeweils geltenden basiszinssatz. der beginn des zinsanspruches ist mit dem 18. oktober 2019 zu datieren, weil der tag des den zinsanspruch auslösenden ereignisses – die rechtshängigkeit am 17. oktober 2019 – in entsprechender anwendung des § 187 abs. 1 bgb nicht mitzurechnen ist. 86vgl. nds. ovg, urteil vom 2. november 1999 - 7 l 3034/97 -, juris, rn. 127; bgh, urteile vom 10. oktober 2017 - xi zr 555/16 -, juris, rn. 21, und vom 4. juli 2017 - xi zr 562/15 -, juris, rn. 103. 87v. 88die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 1 vwgo, die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit auf § 167 vwgo in verbindung mit §§ 708 nr. 11, 709 satz 2, 711 zpo. 89rechtsmittelbelehrung: 90gegen dieses urteil steht den beteiligten die berufung an das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. die berufung ist nur zuzulassen, wenn 911. ernstliche zweifel an der richtigkeit des urteils bestehen, 922. die rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche schwierigkeiten aufweist, 933. die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat, 944. das urteil von einer entscheidung des oberverwaltungsgerichts, des bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen senats der obersten gerichtshöfe des bundes oder des bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser abweichung beruht oder 955. ein der beurteilung des berufungsgerichts unterliegender verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die entscheidung beruhen kann. 96die zulassung der berufung ist innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils schriftlich bei dem verwaltungsgericht gelsenkirchen, bahnhofsvorplatz 3, 45879 gelsenkirchen, zu beantragen. der antrag muss das angefochtene urteil bezeichnen. innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils sind die gründe darzulegen, aus denen die berufung zuzulassen ist. die begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem antrag vorgelegt worden ist, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen, aegidiikirchplatz 5, 48143 münster, schriftlich einzureichen. 97auf die unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung von schriftstücken als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 98im berufungsverfahren muss sich jeder beteiligte durch einen prozessbevollmächtigten vertreten lassen. dies gilt auch für den antrag auf zulassung der berufung. der kreis der als prozessbevollmächtigte zugelassenen personen und organisationen bestimmt sich nach § 67 abs. 4 vwgo.
346,024
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1 K 4894/19
2022-07-20T00:00:00
Urteil
Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Lehrzulage anlässlich der Tätigkeit als Behördenmultiplikator für die sog. ViVA-Software (Verfahren zur integrierten Vorgangsbearbeitung und Auskunft). 3Der Kläger steht als Polizeihauptkommissar im Dienst des Beklagten mit Stammdienststelle beim Polizeipräsidium C. . Vom 1. September 2018 bis zum 9. August 2020 wurde er dort als Behördenmultiplikator für das in der Polizei Nordrhein-Westfalen neu eingesetzte ViVA-System – einem digitalen Vorgangsbearbeitungssystem für die gesamte nordrhein-westfälische Polizeibehörde – eingesetzt. Seine Aufgabe war es im Wesentlichen, im Rahmen von eigens durchgeführten Schulungen den Umgang mit dem System ViVA und dessen Funktionsweise in seiner Behörde den Adressaten zu vermitteln. 4Mit anwaltlichem Schreiben vom 6. September 2019 beantragte der Kläger beim Polizeipräsidium C. die Gewährung einer Lehrzulage. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür seien gegeben, insbesondere vermittele er im Rahmen seiner Multiplikatorentätigkeit vorwiegend theoretisches Wissen, da er nicht nur die Grundsätze und die Grundphilosophie, sondern auch die allgemeine Strukturen und Abläufe des komplexen und anspruchsvollen Systems erklären müsse, damit die künftigen Anwender ein Grundverständnis für das System erlernten. Nahezu jeder einzelne Schritt müsse erklärend begleitet werden. Im Übrigen müsse er ein erhöhtes Maß an Anpassung aufbauen, da sich das ViVA-System ständig in der Weiterentwicklung befinde. 5Mit Bescheid vom 28. Oktober 2019 lehnte das Polizeipräsidium C. den Antrag des Klägers ab. Zur Begründung verwies es auf den Erlass des Ministeriums des Innern Nordrhein-Westfalen vom 7. Januar 2019 (Az. 403/42.06.02), nach dessen Ziffer 2 ViVA-Behördenmultiplikatoren keinen Anspruch auf Gewährung einer Lehrzulage hätten. 6Mit Schreiben vom 30. Oktober 2010 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 26. Oktober 2019 und begründete diesen vorwiegend mit seinen bereits im Antrag ausgeführten Argumenten. Mit Widerspruchsbescheid vom 31. Oktober 2019 wies das Polizeipräsidium C. den Widerspruch zurück und begründete dies im Wesentlichen mit der praktischen Natur des im Rahmen der ViVA-Schulungen vermittelten Wissens. Es gehe bei diesen Veranstaltungen überwiegend um die praktische Anwendung der neuen Software. 7Der Kläger hat am 6. November 2019 Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, der vom Polizeipräsidium C. herangezogene Erlass sei rechtswidrig, da es den ViVA-Schulungen um die Vermittlung vorwiegend theoretischen Wissens gehe. Dies bezeugten bereits die für die Schulung landesweit erstellten Konzepte, insbesondere das „ViVA-Fachkonzept“ und die „ViVA-Rahmendienstanweisung“. Nach diesen bestehe etwa die Schulung im Grundmodul aus einer Demonstration des Programmes, die bereits zeitlich betrachtet einen Anteil von mehr als 50 Prozent ausmache. Im Übrigen seien in der Schulung auch zahlreiche Aspekte entscheidend, die keine Praxisanwendung, sondern allein theoretische Wissensvermittlung beträfen, etwa die Themen „Philosophie“, „Systemarchitektur“ und „Datenqualität“. Die theoretische Natur des Wissens ergebe sich auch daraus, dass die Methodik der Wissensvermittlung aufgrund der laufenden Weiterentwicklung des Systems regelmäßig fortgeschrieben werden müsse. Auch müssten in den Schulungen die Hintergründe des Systems erläutert werden, etwa die Schnittstellen zu anderen Softwareanwendungen sowie die datenschutz- und IT-rechtlichen Voraussetzungen. Ferner zeige sich die theoretische Seite der Schulung anhand der zehntätigen Multiplikatorenausbildung selbst, in der es vor allem um Methodik und Didaktik gehe. Schließlich umfassten die in den ViVA-Schulungen durchgeführten Anwendungsfälle lediglich einen Bruchteil der gesamten Seminarzeit. 8Der Kläger beantragt, 9den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Polizeipräsidiums C. vom 28. Oktober 2019 in Gestalt dessen Widerspruchsbescheides vom 31. Oktober 2019 zu verpflichten, dem Kläger für seine Tätigkeit als ViVA-Behördenmultiplikator eine Lehrzulage für den Zeitraum vom 1. September 2018 bis zum 9. August 2020 mit Ausnahme der Monate April und Mai 2020 zu gewähren. 10Der Beklagte beantragt, 11die Klage abzuweisen. 12Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen seine Argumente aus dem Verwaltungsverfahren. Ergänzend und konkretisierend führt er aus, das vorrangige Ziel der ViVA-Schulungen sei es, die Endanwender in die Lage zu versetzen, die ViVA-Software ordnungsgemäß zu bedienen. Bei den insoweit angesetzten Seminaren und Schulungen machten daher die Übungseinheiten mit 60 % den größten Anteil aus. Präsentationen nähmen hingegen gerade einmal 10 % der gesamten Schulungsdauer ein. Von einem vorwiegend theoretischen Wissen könne daher nicht die Rede sein. Soweit der Kläger auf womöglich theoretische Inhalte wie etwa die Datenqualität, die rechtlichen Voraussetzungen der Software oder die allgemeine Struktur verweist, handelte es sich stets um Randbereiche, die nur im Überblick vorgestellt werden müssten. Die Ausrichtung der Schulung auf die praktische Softwareanwendung könne dadurch nicht beseitigt werden. Entsprechendes gelte für die regelmäßige Softwareweiterentwicklung und den landesweiten Einsatz der Software nebst Schnittstellen zu anderen Programmen. Dass die Multiplikatorenausbildung ihren Schwerpunkt in Methodik und Didaktik habe, stelle eine sachgerechte Schulung sicher und sei mit einer praktischen Wissensvermittlung daher vereinbar. Schließlich müsse die Lehrzulage auch nicht vor dem Hintergrund des allgemeinen Zwecks von Lehrzulagen, der nach höchstrichterlicher Rechtsprechung in der Gewinnung von Nachwuchs und der Abgeltung der erhöhten Anforderungen an Lehrpersonal liege, gezahlt werden. Dieser Zweck greife hier nicht, zumal es für die hiesige Multiplikatorentätigkeit – anders als bei der Vermittlung theoretischen Wissens – nicht vergleichbar der mehrjährigen Berufsausbildung und Praxiserfahrung bedürfe. 13Für weitere Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. 14Entscheidungsgründe: 15Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Die mit Bescheid des Polizeipräsidiums C. vom 28. Oktober 2019 in Gestalt dessen Widerspruchsbescheides vom 31. Oktober 2019 erfolgte Ablehnung der Gewährung der Lehrzulage ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). 16Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer entsprechenden Zulage für seine Tätigkeit als Multiplikator im Rahmen der Einführung der ViVA-Software. 17Anspruchsgrundlage für die begehrte Lehrzulagengewährung ist § 1 Abs. 1 Satz 1 der Lehrzulagenverordnung Nordrhein-Westfalen (LehrzulV NRW). Danach erhalten u.a. Beamte, die in ihrem Hauptamt durchschnittlich mindestens zur Hälfte in der dienstlichen Aus- oder Fortbildung als Lehrkräfte tätig sind, eine Stellenzulage (Lehrzulage), wobei gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 LehrzulV NRW Lehrtätigkeit im Sinne dieser Verordnung die methodische Vermittlung vorwiegend theoretischen Wissens als Lehrende an bestimmten Einrichtungen oder im Rahmen bestimmter Module bedeutet. Entscheidend ist dabei der Schwerpunkt der Lehrveranstaltung(en) („vorwiegend“). 18Im vorliegenden Fall fehlt es für die Annahme einer zulagenrelevanten Lehrtätigkeit bereits an der methodischen Vermittlung vorwiegend theoretischen Wissens. 191. 20Soweit der Kläger die theoretische Natur seiner Lehrtätigkeit über die Art und Weise der Wissensvermittlung unter Verweis auf die zahlreichen Präsentationen und allgemeinen Erläuterungen zu begründen versucht, dringt er damit bereits deshalb nicht durch, weil es auf diesen Aspekt nicht ankommt. Ausweislich des Wortlautes des § 2 Abs. 1 Satz 1 LehrzulV NRW bezieht sich das Attribut des Theoretischen auf das vermittelte Wissen, also den Schulungsinhalt, und nicht auf den Wissensvermittlungsvorgang. Die theoretische Natur eines Lehrinhaltes kann demnach nicht mit einer vermeintlichen „theoretischen“ Lehrmethode begründet werden. Auch wenn der Kläger den Schulungsteilnehmern die gesamte Funktionsweise und die Anwendung des Programms abstrakt erläutert haben sollte, hat dies – unabhängig davon, ob eine abstrakte Darstellung automatisch einer theoretischen Vermittlung entspricht –, keinen Einfluss auf die Natur des Lehrinhaltes. Insofern kommt es auch nicht darauf an, wie viele konkrete Anwendungsfälle in den Seminaren und Lehrveranstaltungen durchgeführt werden und welchen Zeitumfang sie eingenommen haben, weil auch dieser Aspekt die Art der Wissensvermittlung, nicht aber deren Inhalt betrifft. Entsprechend vermögen auch die erforderliche Weiterentwicklung des Systems sowie die daran angepasste Methodik der Wissensvermittlung damit den theoretischen Bezug nicht zu begründen. Es ist bereits nicht erkennbar, wie dieser jedem System immanente Aspekt dem Inhalt des zu vermittelnden Wissens ein theoretisches Gewand zu geben imstande wäre. Dass die „methodische Wissensvermittlung“ überwiege, wie der Kläger meint, ist offensichtlich ohne Relevanz, weil es nach der maßgeblichen Vorschrift um die methodische Vermittlung gerade theoretischen Wissens geht. 212. 22Der im Zusammenhang mit der ViVA-Multiplikatorentätigkeit auszumachende Schulungsinhalt erweist sich aber nicht als theoretisches Wissen, jedenfalls fehlt es an dem erforderlichen Übergewicht des theoretischen Schulungsinhaltes. 23a) 24Dabei bedeutet das vom griechischen Wort für (wissenschaftliche) Erkenntnis abgeleitete Wort „Theorie“ nicht jede Form des abstrakten Denkens. Vielmehr geht es allgemeinhin im Sinne einer Metaebene um hinter wahrnehmbaren oder angenommenen Phänomenen liegende allgemeine Strukturen, Systeme und Prinzipien. Von daher liegt „Theorie“ erst dann vor, wenn es primär um die hinter einer praktischen Anwendung liegenden Leitbilder und Ideen geht und Ziel der Wissensvermittlung nicht in der Anwendung selbst liegt. Von daher schließt § 2 Abs. 2 LehrzulV NRW auch unter anderem praktische Ausbildungstätigkeiten sowie die Unterweisung und Anleitung an Einrichtungen, Maschinen, Geräten und Ähnlichem aus. Vor diesem Hintergrund hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen auch angenommen, dass die Vermittlung (vorwiegend) theoretischen Wissens in Bezug auf eine Software nur vorliegt, wenn Inhalt der Lehrveranstaltung die Darlegung von Hintergrundwissen der Informatik, wie mathematisch-logische Grundlagen, formale Sprachen und Programmiersprachen, Algorithmen, Berechenbarkeit und ihre prinzipiellen Grenzen oder die Übersetzung von Programmiersprache, betrifft. 25Vgl. OVG NRW, Urteil vom 20. Juni 2007 - 21 A 2702/06 -, juris, Rn. 22. 26Mit anderen Worten darf es für die Annahme theoretischen und nicht praktischen Wissens im Zusammenhang mit einer Software gerade nicht schwerpunktmäßig auf ihre Anwendung ankommen, sondern auf die dahinter liegenden Prinzipien der Informatik. Insoweit geht das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen von einer vorwiegend auf die Praxis bezogenen Lehrveranstaltung aus, wenn es ihr schwerpunktmäßig auf die praktische Hilfestellungen ankommt, die die Betroffenen in die Lage versetzen sollen, Schritt für Schritt die neue Software zu erarbeiten, und die vorrangig auf die praktische Bewältigung der Aufgabe gerichtet ist zu erfahren, welche Anwendungsmöglichkeiten die neue Software im Alltag eröffnet und mit welchen Arbeitsschritten man sich dieser neuen Möglichkeiten bedienen kann. 27Vgl. OVG NRW, Urteil vom 20. Juni 2007 - 21 A 2702/06 -, juris, Rn. 22. 28Nach diesem Maßstab wohnt der Tätigkeit als ViVA-Multiplikator keine Vermittlung theoretischen Wissens inne. Denn software- oder programmierbezogene Hintergründe waren keineswegs Gegenstand der ViVA-Schulungen, wie der Kläger auch in der mündlichen Verhandlung zugegeben hat. Nach der Fortbildungskonzeption ViVA ging es bei der Multiplikatorentätigkeit um die Einführung der neuen Software. Die Tätigkeit sollte darin bestehen, die Bediensteten der Polizeibehörden in die Lage zu versetzen, mit dem neuen Softwareprogramm erfolgreich zu arbeiten und die diesbezüglichen praxisrelevanten Informationen zu vermitteln. Die Bediensteten der Polizeibehörden sollten die Fähigkeit erwerben, über verschiedene Zielgruppen das Programm ViVA „in der gebotenen Tiefe qualitativ hochwertig anzuwenden“ sowie „bestimmungsgemäß zu bedienen“ (S. 14 und 48 der Fortbildungskonzeption). Theoretische Momente sind daher bei der Grundzielbestimmung des Multiplikatorenkonzepts nicht auszumachen. Auch die in der Fortbildungskonzeption dargestellten Inhalte der Schulungen weisen einen ausschließlich praktischen Bezug auf. So soll es dort vor allem um die Anwendung des Systems gehen, etwa hinsichtlich der Ausschreibung von Vermissten- oder Sachfahndungen, der Entnahme von DNA-Material, des kriminaltechnischen Antrags oder der Erfassung von Verkehrsunfällen und Verkehrsstraftaten (S. 51 ff. des Fortbildungskonzepts). 29Soweit der Kläger den theoretischen Bezug des von ihm in den Schulungen vermittelten Wissens damit begründet, dass eine Anwendung der ViVA-Software angesichts ihrer Komplexität ohne ihre „philosophischen“ Hintergründe, ein Gesamtverständnis für das System und die Erläuterung der entsprechenden Kontexte nicht möglich sei, ändert dies daran nichts. Auch wenn es sich nicht um die unmittelbare Anwendung des Systems, sondern um abstrakte Hintergrundinformationen handeln mag, kann deshalb nach besagtem Maßstab noch nicht sogleich von „Theorie“ im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 LehrzulV NRW gesprochen werden. Denn nur weil es sich um abstrakte Überlegungen und Verständnisinhalte handelt, verliert die Schulung dadurch nicht ihren Anwendungsbezug. Auch Hintergründe der Praxisanwendung bleiben im Allgemeinen praxisbezogen und entwickeln nicht per se eine theoretische Grundierung. Sie sind insoweit einer anwendungsbezogenen Wissensvermittlung immanent. Das hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung auch eindrucksvoll unter Beweis gestellt, als er ausführlich und anschaulich die Notwendigkeit der Hintergrundinformationen und Kontextwissen erläutert, dies aber ausschließlich in Bezug auf die Bedienung und Anwendung der ViVA-Software bezogen und so den Praxisbezug seiner Schulungen deutlich unterstrichen hat. Letztlich zeigt dies auch das vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Grundmodul-Übungsheft, in dem es ausschließlich um die Softwareanwendung geht. Dass hierfür (abstrakte) Informationen zwingend sind, soll nicht in Abrede gestellt werden, ändert aber nichts an der praxisbezogenen Natur des Schulungsinhaltes. Dass – so der Kläger – ein vertieftes Verständnis für die Software erforderlich ist, erklärt sich dabei vor allem angesichts der Komplexität der Software, die aber auf die Frage der Natur des Schulungsinhaltes keine Auswirkungen hat. 30Entsprechendes gilt für den klägerischen Vortrag, es handele sich bei ViVA um ein landesweit eingesetztes und mit zahlreichen anderen Systemen verknüpftes Programm, weswegen auch die allgemeinen Strukturen dargestellt werden müssten. Denn auch hier geht es gleichwohl letztlich um die – landeseinheitliche – Systemanwendung, da nicht zuletzt der Kläger selbst ausführt, dass es im Wesentlichen auch auf die „Abläufe“ ankomme und es einem Betroffenen ohne diese Kenntnisse nicht möglich sei, „im Einzelfall auch nur einen einzigen Anwendungsfall problemlos aufzunehmen oder abzuschließen“ (Bl. 22 der Gerichtsakte). Besser kann der Anwendungsbezug der Multiplikatorentätigkeit nicht beschrieben werden. 31Schließlich bieten auch die Schulung der ViVA-Multiplikatoren selbst und deren Inhalt – unabhängig von der Relevanz dieses Aspekts für die Frage nach der Klassifizierung des Inhaltes der später durch die Multiplikatoren durchgeführten Schulungen – keinen Anlass dafür, entgegen der soeben dargestellten Argumente doch von der Vermittlung (vorwiegend) theoretischen Wissens auszugehen. Das zeigen bereits die in der Fortbildungskonzeption niedergelegten Aufgaben der ViVA-Multiplikatoren und deren Ausbildung. So sollen die Multiplikatoren in der Lage sein, „aufgaben- und adressatenbezogene“ – also: praxisbezogene – Schulungen durchzuführen (S. 34 der Fortbildungskonzeption). Die Kompetenzziele weisen dabei fast ausschließlich anwendungsbezogene Inhalte auf: Vorgangserfassung und -bearbeitung, Zuarbeiten, Ersuchen, Vorgangsberechtigungen, Vorgangsabschluss, Zuarbeit, Fachaufsicht, Leitungsrolle, Posteingangsverantwortlicher usf. (S. 35 der Fortbildungskonzeption). Dass bei der Ausbildung und später bei den Multiplikatorenschulungen didaktische Fragestellungen eine besondere Rolle spielen, wie auch der Kläger vorträgt, dürfte letztendlich die Natur des Schulungsinhaltes nicht berühren. Dass ein praktischer Schulungsinhalt didaktische Fragestellungen obsolet werden lässt, wie der Kläger meint, leuchtet nicht ein – im Gegenteil. Systemumstellungen in Behörden unterliegen gerade der besonderen Herausforderung, alle Mitarbeitende mit dem System vertraut zu machen. Dies lässt didaktische Aspekte sogar in besonderer Weise notwendig erscheinen. Unabhängig davon treffen didaktische Inhalte keine Aussagen zur Natur des Schulungsinhaltes selbst. 32b) 33Selbst wenn man einzelnen Inhalten der Schulungen (vornehmlich im Rahmen des Grundmoduls) theoretische Bezüge attestieren wollte, ist hierin keineswegs ein Schwerpunkt der Lehrveranstaltung zu sehen. Denn die für die Qualifizierung als theoretische Inhalte in Betracht kommenden Aspekte betreffen keineswegs den Kern der Wissensvermittlung, sondern erweisen sich offenkundig als Randbereiche, um deren Kenntnis es nicht explizit, sondern nur der selbständigen Anwendung wegen geht. Es ist nicht erkennbar, dass etwa das Thema Datenqualität – gerade vor dem Hintergrund des genannten Zwecks der Schulung – einen solchen Raum einnimmt, dass die Anwendung des Programmes nicht mehr im Vordergrund stünde. 34c) 35Angesichts der dargestellten Definition des Theoriebegriffes zeigt sich letztlich in einer Gesamtschau, dass die ViVA-Multiplikatorentätigkeit die Vermittlung der Systemanwendung zum basalen Ziel hat und hierbei im Wesentlichen praxisbezogene Inhalte aufweist. Zwar ist es offensichtlich, dass hierfür die reine „Schritt-für-Schritt-Anleitung“ nicht genügt, sondern es auch abstrakter Hintergrundinformationen bedarf, wie etwa der „Philosophie“ des Systems, sein allgemeiner Aufbau oder auch seine allgemeinen Ziele. Dies lässt nach besagter Definition die entsprechende Schulung bzw. genauer das dort vermittelte Wissen aber nicht in einem theoretischen Gewand erscheinen, da diese Aspekte gleichwohl weiterhin dem Anwendung als Oberziel dienen und letztlich nicht Hintergrundinformationen des Systems, sondern die Anwendung des Systems betreffen. 363. 37Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 der Zivilprozessordnung. 38Rechtsmittelbelehrung: 39Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn 401. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 412. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 423. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 434. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 445. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. 45Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, zu beantragen. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich einzureichen. 46Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 47Im Berufungsverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO.
die klage wird abgewiesen. der kläger trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der kläger kann die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1
2die beteiligten streiten über die gewährung einer lehrzulage anlässlich der tätigkeit als behördenmultiplikator für die sog. viva-software (verfahren zur integrierten vorgangsbearbeitung und auskunft). 3der kläger steht als polizeihauptkommissar im dienst des beklagten mit stammdienststelle beim polizeipräsidium c. . vom 1. september 2018 bis zum 9. august 2020 wurde er dort als behördenmultiplikator für das in der polizei nordrhein-westfalen neu eingesetzte viva-system – einem digitalen vorgangsbearbeitungssystem für die gesamte nordrhein-westfälische polizeibehörde – eingesetzt. seine aufgabe war es im wesentlichen, im rahmen von eigens durchgeführten schulungen den umgang mit dem system viva und dessen funktionsweise in seiner behörde den adressaten zu vermitteln. 4mit anwaltlichem schreiben vom 6. september 2019 beantragte der kläger beim polizeipräsidium c. die gewährung einer lehrzulage. zur begründung führte er im wesentlichen aus, die gesetzlichen voraussetzungen hierfür seien gegeben, insbesondere vermittele er im rahmen seiner multiplikatorentätigkeit vorwiegend theoretisches wissen, da er nicht nur die grundsätze und die grundphilosophie, sondern auch die allgemeine strukturen und abläufe des komplexen und anspruchsvollen systems erklären müsse, damit die künftigen anwender ein grundverständnis für das system erlernten. nahezu jeder einzelne schritt müsse erklärend begleitet werden. im übrigen müsse er ein erhöhtes maß an anpassung aufbauen, da sich das viva-system ständig in der weiterentwicklung befinde. 5mit bescheid vom 28. oktober 2019 lehnte das polizeipräsidium c. den antrag des klägers ab. zur begründung verwies es auf den erlass des ministeriums des innern nordrhein-westfalen vom 7. januar 2019 (az. 403/42.06.02), nach dessen ziffer 2 viva-behördenmultiplikatoren keinen anspruch auf gewährung einer lehrzulage hätten. 6mit schreiben vom 30. oktober 2010 erhob der kläger widerspruch gegen den bescheid vom 26. oktober 2019 und begründete diesen vorwiegend mit seinen bereits im antrag ausgeführten argumenten. mit widerspruchsbescheid vom 31. oktober 2019 wies das polizeipräsidium c. den widerspruch zurück und begründete dies im wesentlichen mit der praktischen natur des im rahmen der viva-schulungen vermittelten wissens. es gehe bei diesen veranstaltungen überwiegend um die praktische anwendung der neuen software. 7der kläger hat am 6. november 2019 klage erhoben. zur begründung führt er aus, der vom polizeipräsidium c. herangezogene erlass sei rechtswidrig, da es den viva-schulungen um die vermittlung vorwiegend theoretischen wissens gehe. dies bezeugten bereits die für die schulung landesweit erstellten konzepte, insbesondere das „viva-fachkonzept“ und die „viva-rahmendienstanweisung“. nach diesen bestehe etwa die schulung im grundmodul aus einer demonstration des programmes, die bereits zeitlich betrachtet einen anteil von mehr als 50 prozent ausmache. im übrigen seien in der schulung auch zahlreiche aspekte entscheidend, die keine praxisanwendung, sondern allein theoretische wissensvermittlung beträfen, etwa die themen „philosophie“, „systemarchitektur“ und „datenqualität“. die theoretische natur des wissens ergebe sich auch daraus, dass die methodik der wissensvermittlung aufgrund der laufenden weiterentwicklung des systems regelmäßig fortgeschrieben werden müsse. auch müssten in den schulungen die hintergründe des systems erläutert werden, etwa die schnittstellen zu anderen softwareanwendungen sowie die datenschutz- und it-rechtlichen voraussetzungen. ferner zeige sich die theoretische seite der schulung anhand der zehntätigen multiplikatorenausbildung selbst, in der es vor allem um methodik und didaktik gehe. schließlich umfassten die in den viva-schulungen durchgeführten anwendungsfälle lediglich einen bruchteil der gesamten seminarzeit. 8der kläger beantragt, 9den beklagten unter aufhebung des bescheides des polizeipräsidiums c. vom 28. oktober 2019 in gestalt dessen widerspruchsbescheides vom 31. oktober 2019 zu verpflichten, dem kläger für seine tätigkeit als viva-behördenmultiplikator eine lehrzulage für den zeitraum vom 1. september 2018 bis zum 9. august 2020 mit ausnahme der monate april und mai 2020 zu gewähren. 10der beklagte beantragt, 11die klage abzuweisen. 12zur begründung wiederholt er im wesentlichen seine argumente aus dem verwaltungsverfahren. ergänzend und konkretisierend führt er aus, das vorrangige ziel der viva-schulungen sei es, die endanwender in die lage zu versetzen, die viva-software ordnungsgemäß zu bedienen. bei den insoweit angesetzten seminaren und schulungen machten daher die übungseinheiten mit 60 % den größten anteil aus. präsentationen nähmen hingegen gerade einmal 10 % der gesamten schulungsdauer ein. von einem vorwiegend theoretischen wissen könne daher nicht die rede sein. soweit der kläger auf womöglich theoretische inhalte wie etwa die datenqualität, die rechtlichen voraussetzungen der software oder die allgemeine struktur verweist, handelte es sich stets um randbereiche, die nur im überblick vorgestellt werden müssten. die ausrichtung der schulung auf die praktische softwareanwendung könne dadurch nicht beseitigt werden. entsprechendes gelte für die regelmäßige softwareweiterentwicklung und den landesweiten einsatz der software nebst schnittstellen zu anderen programmen. dass die multiplikatorenausbildung ihren schwerpunkt in methodik und didaktik habe, stelle eine sachgerechte schulung sicher und sei mit einer praktischen wissensvermittlung daher vereinbar. schließlich müsse die lehrzulage auch nicht vor dem hintergrund des allgemeinen zwecks von lehrzulagen, der nach höchstrichterlicher rechtsprechung in der gewinnung von nachwuchs und der abgeltung der erhöhten anforderungen an lehrpersonal liege, gezahlt werden. dieser zweck greife hier nicht, zumal es für die hiesige multiplikatorentätigkeit – anders als bei der vermittlung theoretischen wissens – nicht vergleichbar der mehrjährigen berufsausbildung und praxiserfahrung bedürfe. 13für weitere einzelheiten zum sach- und streitstand wird auf die gerichtsakte sowie die beigezogenen verwaltungsvorgänge verwiesen. 14
15die zulässige klage hat keinen erfolg. die mit bescheid des polizeipräsidiums c. vom 28. oktober 2019 in gestalt dessen widerspruchsbescheides vom 31. oktober 2019 erfolgte ablehnung der gewährung der lehrzulage ist rechtmäßig und verletzt den kläger nicht in seinen rechten verletzen (vgl. § 113 abs. 5 satz 1 der verwaltungsgerichtsordnung – vwgo). 16der kläger hat keinen anspruch auf die gewährung einer entsprechenden zulage für seine tätigkeit als multiplikator im rahmen der einführung der viva-software. 17anspruchsgrundlage für die begehrte lehrzulagengewährung ist § 1 abs. 1 satz 1 der lehrzulagenverordnung nordrhein-westfalen (lehrzulv nrw). danach erhalten u.a. beamte, die in ihrem hauptamt durchschnittlich mindestens zur hälfte in der dienstlichen aus- oder fortbildung als lehrkräfte tätig sind, eine stellenzulage (lehrzulage), wobei gemäß § 2 abs. 1 satz 1 lehrzulv nrw lehrtätigkeit im sinne dieser verordnung die methodische vermittlung vorwiegend theoretischen wissens als lehrende an bestimmten einrichtungen oder im rahmen bestimmter module bedeutet. entscheidend ist dabei der schwerpunkt der lehrveranstaltung(en) („vorwiegend“). 18im vorliegenden fall fehlt es für die annahme einer zulagenrelevanten lehrtätigkeit bereits an der methodischen vermittlung vorwiegend theoretischen wissens. 191. 20soweit der kläger die theoretische natur seiner lehrtätigkeit über die art und weise der wissensvermittlung unter verweis auf die zahlreichen präsentationen und allgemeinen erläuterungen zu begründen versucht, dringt er damit bereits deshalb nicht durch, weil es auf diesen aspekt nicht ankommt. ausweislich des wortlautes des § 2 abs. 1 satz 1 lehrzulv nrw bezieht sich das attribut des theoretischen auf das vermittelte wissen, also den schulungsinhalt, und nicht auf den wissensvermittlungsvorgang. die theoretische natur eines lehrinhaltes kann demnach nicht mit einer vermeintlichen „theoretischen“ lehrmethode begründet werden. auch wenn der kläger den schulungsteilnehmern die gesamte funktionsweise und die anwendung des programms abstrakt erläutert haben sollte, hat dies – unabhängig davon, ob eine abstrakte darstellung automatisch einer theoretischen vermittlung entspricht –, keinen einfluss auf die natur des lehrinhaltes. insofern kommt es auch nicht darauf an, wie viele konkrete anwendungsfälle in den seminaren und lehrveranstaltungen durchgeführt werden und welchen zeitumfang sie eingenommen haben, weil auch dieser aspekt die art der wissensvermittlung, nicht aber deren inhalt betrifft. entsprechend vermögen auch die erforderliche weiterentwicklung des systems sowie die daran angepasste methodik der wissensvermittlung damit den theoretischen bezug nicht zu begründen. es ist bereits nicht erkennbar, wie dieser jedem system immanente aspekt dem inhalt des zu vermittelnden wissens ein theoretisches gewand zu geben imstande wäre. dass die „methodische wissensvermittlung“ überwiege, wie der kläger meint, ist offensichtlich ohne relevanz, weil es nach der maßgeblichen vorschrift um die methodische vermittlung gerade theoretischen wissens geht. 212. 22der im zusammenhang mit der viva-multiplikatorentätigkeit auszumachende schulungsinhalt erweist sich aber nicht als theoretisches wissen, jedenfalls fehlt es an dem erforderlichen übergewicht des theoretischen schulungsinhaltes. 23a) 24dabei bedeutet das vom griechischen wort für (wissenschaftliche) erkenntnis abgeleitete wort „theorie“ nicht jede form des abstrakten denkens. vielmehr geht es allgemeinhin im sinne einer metaebene um hinter wahrnehmbaren oder angenommenen phänomenen liegende allgemeine strukturen, systeme und prinzipien. von daher liegt „theorie“ erst dann vor, wenn es primär um die hinter einer praktischen anwendung liegenden leitbilder und ideen geht und ziel der wissensvermittlung nicht in der anwendung selbst liegt. von daher schließt § 2 abs. 2 lehrzulv nrw auch unter anderem praktische ausbildungstätigkeiten sowie die unterweisung und anleitung an einrichtungen, maschinen, geräten und ähnlichem aus. vor diesem hintergrund hat das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen auch angenommen, dass die vermittlung (vorwiegend) theoretischen wissens in bezug auf eine software nur vorliegt, wenn inhalt der lehrveranstaltung die darlegung von hintergrundwissen der informatik, wie mathematisch-logische grundlagen, formale sprachen und programmiersprachen, algorithmen, berechenbarkeit und ihre prinzipiellen grenzen oder die übersetzung von programmiersprache, betrifft. 25vgl. ovg nrw, urteil vom 20. juni 2007 - 21 a 2702/06 -, juris, rn. 22. 26mit anderen worten darf es für die annahme theoretischen und nicht praktischen wissens im zusammenhang mit einer software gerade nicht schwerpunktmäßig auf ihre anwendung ankommen, sondern auf die dahinter liegenden prinzipien der informatik. insoweit geht das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen von einer vorwiegend auf die praxis bezogenen lehrveranstaltung aus, wenn es ihr schwerpunktmäßig auf die praktische hilfestellungen ankommt, die die betroffenen in die lage versetzen sollen, schritt für schritt die neue software zu erarbeiten, und die vorrangig auf die praktische bewältigung der aufgabe gerichtet ist zu erfahren, welche anwendungsmöglichkeiten die neue software im alltag eröffnet und mit welchen arbeitsschritten man sich dieser neuen möglichkeiten bedienen kann. 27vgl. ovg nrw, urteil vom 20. juni 2007 - 21 a 2702/06 -, juris, rn. 22. 28nach diesem maßstab wohnt der tätigkeit als viva-multiplikator keine vermittlung theoretischen wissens inne. denn software- oder programmierbezogene hintergründe waren keineswegs gegenstand der viva-schulungen, wie der kläger auch in der mündlichen verhandlung zugegeben hat. nach der fortbildungskonzeption viva ging es bei der multiplikatorentätigkeit um die einführung der neuen software. die tätigkeit sollte darin bestehen, die bediensteten der polizeibehörden in die lage zu versetzen, mit dem neuen softwareprogramm erfolgreich zu arbeiten und die diesbezüglichen praxisrelevanten informationen zu vermitteln. die bediensteten der polizeibehörden sollten die fähigkeit erwerben, über verschiedene zielgruppen das programm viva „in der gebotenen tiefe qualitativ hochwertig anzuwenden“ sowie „bestimmungsgemäß zu bedienen“ (s. 14 und 48 der fortbildungskonzeption). theoretische momente sind daher bei der grundzielbestimmung des multiplikatorenkonzepts nicht auszumachen. auch die in der fortbildungskonzeption dargestellten inhalte der schulungen weisen einen ausschließlich praktischen bezug auf. so soll es dort vor allem um die anwendung des systems gehen, etwa hinsichtlich der ausschreibung von vermissten- oder sachfahndungen, der entnahme von dna-material, des kriminaltechnischen antrags oder der erfassung von verkehrsunfällen und verkehrsstraftaten (s. 51 ff. des fortbildungskonzepts). 29soweit der kläger den theoretischen bezug des von ihm in den schulungen vermittelten wissens damit begründet, dass eine anwendung der viva-software angesichts ihrer komplexität ohne ihre „philosophischen“ hintergründe, ein gesamtverständnis für das system und die erläuterung der entsprechenden kontexte nicht möglich sei, ändert dies daran nichts. auch wenn es sich nicht um die unmittelbare anwendung des systems, sondern um abstrakte hintergrundinformationen handeln mag, kann deshalb nach besagtem maßstab noch nicht sogleich von „theorie“ im sinne des § 2 abs. 1 satz 1 lehrzulv nrw gesprochen werden. denn nur weil es sich um abstrakte überlegungen und verständnisinhalte handelt, verliert die schulung dadurch nicht ihren anwendungsbezug. auch hintergründe der praxisanwendung bleiben im allgemeinen praxisbezogen und entwickeln nicht per se eine theoretische grundierung. sie sind insoweit einer anwendungsbezogenen wissensvermittlung immanent. das hat der kläger in der mündlichen verhandlung auch eindrucksvoll unter beweis gestellt, als er ausführlich und anschaulich die notwendigkeit der hintergrundinformationen und kontextwissen erläutert, dies aber ausschließlich in bezug auf die bedienung und anwendung der viva-software bezogen und so den praxisbezug seiner schulungen deutlich unterstrichen hat. letztlich zeigt dies auch das vom kläger in der mündlichen verhandlung vorgelegte grundmodul-übungsheft, in dem es ausschließlich um die softwareanwendung geht. dass hierfür (abstrakte) informationen zwingend sind, soll nicht in abrede gestellt werden, ändert aber nichts an der praxisbezogenen natur des schulungsinhaltes. dass – so der kläger – ein vertieftes verständnis für die software erforderlich ist, erklärt sich dabei vor allem angesichts der komplexität der software, die aber auf die frage der natur des schulungsinhaltes keine auswirkungen hat. 30entsprechendes gilt für den klägerischen vortrag, es handele sich bei viva um ein landesweit eingesetztes und mit zahlreichen anderen systemen verknüpftes programm, weswegen auch die allgemeinen strukturen dargestellt werden müssten. denn auch hier geht es gleichwohl letztlich um die – landeseinheitliche – systemanwendung, da nicht zuletzt der kläger selbst ausführt, dass es im wesentlichen auch auf die „abläufe“ ankomme und es einem betroffenen ohne diese kenntnisse nicht möglich sei, „im einzelfall auch nur einen einzigen anwendungsfall problemlos aufzunehmen oder abzuschließen“ (bl. 22 der gerichtsakte). besser kann der anwendungsbezug der multiplikatorentätigkeit nicht beschrieben werden. 31schließlich bieten auch die schulung der viva-multiplikatoren selbst und deren inhalt – unabhängig von der relevanz dieses aspekts für die frage nach der klassifizierung des inhaltes der später durch die multiplikatoren durchgeführten schulungen – keinen anlass dafür, entgegen der soeben dargestellten argumente doch von der vermittlung (vorwiegend) theoretischen wissens auszugehen. das zeigen bereits die in der fortbildungskonzeption niedergelegten aufgaben der viva-multiplikatoren und deren ausbildung. so sollen die multiplikatoren in der lage sein, „aufgaben- und adressatenbezogene“ – also: praxisbezogene – schulungen durchzuführen (s. 34 der fortbildungskonzeption). die kompetenzziele weisen dabei fast ausschließlich anwendungsbezogene inhalte auf: vorgangserfassung und -bearbeitung, zuarbeiten, ersuchen, vorgangsberechtigungen, vorgangsabschluss, zuarbeit, fachaufsicht, leitungsrolle, posteingangsverantwortlicher usf. (s. 35 der fortbildungskonzeption). dass bei der ausbildung und später bei den multiplikatorenschulungen didaktische fragestellungen eine besondere rolle spielen, wie auch der kläger vorträgt, dürfte letztendlich die natur des schulungsinhaltes nicht berühren. dass ein praktischer schulungsinhalt didaktische fragestellungen obsolet werden lässt, wie der kläger meint, leuchtet nicht ein – im gegenteil. systemumstellungen in behörden unterliegen gerade der besonderen herausforderung, alle mitarbeitende mit dem system vertraut zu machen. dies lässt didaktische aspekte sogar in besonderer weise notwendig erscheinen. unabhängig davon treffen didaktische inhalte keine aussagen zur natur des schulungsinhaltes selbst. 32b) 33selbst wenn man einzelnen inhalten der schulungen (vornehmlich im rahmen des grundmoduls) theoretische bezüge attestieren wollte, ist hierin keineswegs ein schwerpunkt der lehrveranstaltung zu sehen. denn die für die qualifizierung als theoretische inhalte in betracht kommenden aspekte betreffen keineswegs den kern der wissensvermittlung, sondern erweisen sich offenkundig als randbereiche, um deren kenntnis es nicht explizit, sondern nur der selbständigen anwendung wegen geht. es ist nicht erkennbar, dass etwa das thema datenqualität – gerade vor dem hintergrund des genannten zwecks der schulung – einen solchen raum einnimmt, dass die anwendung des programmes nicht mehr im vordergrund stünde. 34c) 35angesichts der dargestellten definition des theoriebegriffes zeigt sich letztlich in einer gesamtschau, dass die viva-multiplikatorentätigkeit die vermittlung der systemanwendung zum basalen ziel hat und hierbei im wesentlichen praxisbezogene inhalte aufweist. zwar ist es offensichtlich, dass hierfür die reine „schritt-für-schritt-anleitung“ nicht genügt, sondern es auch abstrakter hintergrundinformationen bedarf, wie etwa der „philosophie“ des systems, sein allgemeiner aufbau oder auch seine allgemeinen ziele. dies lässt nach besagter definition die entsprechende schulung bzw. genauer das dort vermittelte wissen aber nicht in einem theoretischen gewand erscheinen, da diese aspekte gleichwohl weiterhin dem anwendung als oberziel dienen und letztlich nicht hintergrundinformationen des systems, sondern die anwendung des systems betreffen. 363. 37die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 1 vwgo, die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit auf § 167 vwgo in verbindung mit §§ 708 nr. 11, 709 satz 2, 711 der zivilprozessordnung. 38rechtsmittelbelehrung: 39gegen dieses urteil steht den beteiligten die berufung an das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. die berufung ist nur zuzulassen, wenn 401. ernstliche zweifel an der richtigkeit des urteils bestehen, 412. die rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche schwierigkeiten aufweist, 423. die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat, 434. das urteil von einer entscheidung des oberverwaltungsgerichts, des bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen senats der obersten gerichtshöfe des bundes oder des bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser abweichung beruht oder 445. ein der beurteilung des berufungsgerichts unterliegender verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die entscheidung beruhen kann. 45die zulassung der berufung ist innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils schriftlich bei dem verwaltungsgericht gelsenkirchen, bahnhofsvorplatz 3, 45879 gelsenkirchen, zu beantragen. der antrag muss das angefochtene urteil bezeichnen. innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils sind die gründe darzulegen, aus denen die berufung zuzulassen ist. die begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem antrag vorgelegt worden ist, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen, aegidiikirchplatz 5, 48143 münster, schriftlich einzureichen. 46auf die unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung von schriftstücken als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 47im berufungsverfahren muss sich jeder beteiligte durch einen prozessbevollmächtigten vertreten lassen. dies gilt auch für den antrag auf zulassung der berufung. der kreis der als prozessbevollmächtigte zugelassenen personen und organisationen bestimmt sich nach § 67 abs. 4 vwgo.
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14 K 4207/19
2022-07-19T00:00:00
Urteil
Tenor Es wird festgestellt, dass die Auflösung der Eilversammlung der Klägerin am 13. September 2019 auf dem E. O.-markt rechtswidrig gewesen ist. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Die Klägerin begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Auflösung einer Eilversammlung. 3Die Klägerin meldete, vertreten durch ihren stellvertretenden Landesvorsitzenden, mit E-Mail vom 9. September 2019 bei dem Beklagten eine Versammlung für den 13. September 2019, einen Freitag an. Diese sollte als Mahnwache von 19:30 bis 22:00 Uhr auf dem E. O.-markt mit dem Thema „Während die Polizei in E2. eine Wand ‚bewacht‘, entfaltet sich auf dem O.-markt überwiegend fremdvölkische Kriminalität“ stattfinden. Als verantwortlicher Leiter der Versammlung wurde der stellvertretende Landesvorsitzende der Klägerin benannt. In der Anmeldung wurde außerdem mitgeteilt, dass für die Versammlung 30 bis 50 Teilnehmer zu erwarten seien. Als Hilfsmittel wurde neben Fahnen, Transparenten, einem Infotisch und Megaphonen auch eine Lautsprecheranlage nebst Lautsprecherwagen angegeben. 4Der Beklagte bestätigte zunächst mit Bescheid vom 12. September 2019 gegenüber der Klägerin die angemeldete Versammlung und machte deren Durchführung nach § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz (VersG) von insgesamt elf Auflagen abhängig. 5Mit Bescheid vom 13. September 2019 erließ der Beklagte unter Aufhebung des vorherigen Bescheides eine neue, weitgehend gleichlautende Versammlungsbestätigung, durch die eine der erlassenen Auflagen inhaltlich abgeändert wurde. 6Wie bereits die ursprüngliche Versammlungsbestätigung enthielt auch dieser Bescheid neben den als solche gekennzeichneten Auflagen die folgende Formulierung: 7„Ich weise Sie darauf hin, dass die Anreise und die Abreise keinen Aufzugscharakter durch einen gemeinsamen Marsch/Aufzug oder die Verwendung von Hilfsmitteln (Transparente/Fahnen etc.) haben dürfen. Ich würde dies rechtlich als unangemeldeten Aufzug werten.“ 8Am Abend des 13. September 2019 wurde die Versammlung zunächst wie angemeldet durchgeführt. Gegen 19:30 Uhr erreichten 40-50 Versammlungsteilnehmer mit der U-Bahn die Haltestelle M.-straße in E. und wurden von dort als Gruppe von der Polizei zu dem ca. 1 Kilometer entfernten O.-markt geführt. Gegen 19:45 Uhr begann die Kundgebung der Klägerin, an der insgesamt etwa 60 Personen teilnahmen. Die Polizei war am Abend der streitgegenständlichen Versammlung mit insgesamt 280 Polizeivollzugsbeamten im Einsatz, insbesondere um die klägerische Versammlung auf dem O.-markt gegenüber den erwarteten Gegenprotesten zu sichern. 9Gegen 20:30 Uhr traten die beiden von dem Beklagten eingesetzten Kommunikationsbeamten an den Versammlungsleiter C. heran und fragten an, wie die Abreise der Versammlungsteilnehmer geplant sei. Dieser teilte mit, dass es keine konkrete Planung gebe. Wichtig sei nur, dass das bei der Versammlung als Lautsprecherwagen eingesetzte Fahrzeug, ein Ford Transit Kleintransporter, geschlossen mit den Versammlungsteilnehmern „im Pulk“ aus dem Bereich der Innenstadt geführt werde, bis eine größere freie Straße erreicht sei, von der aus die Abfahrt beginnen könne. Hierdurch solle vermieden werden, dass Gegendemonstranten das Fahrzeug in den kleinen und verwinkelten Straßen um den O.-markt durch Flaschen- oder Steinwürfe beschädigen könnten. Ein effektiver Schutz des Fahrzeugs vor Gegendemonstranten sei nur gewährleistet, wenn es gemeinsam mit den Teilnehmern unter dem Schutz des gesamten Polizeiaufgebots aus der Innenstadt geführt werde. 10Nach Rücksprache mit der Einsatzleitung teilten die Kommunikationsbeamten des Beklagten dem Versammlungsleiter mit, dass die Abreise der Versammlungsteilnehmer nicht „im Pulk“ mit dem Lautsprecherwagen, sondern als Fußgruppe erfolgen solle, da eine solche sich insbesondere im Falle von Blockaden flexibler bewegen könne. In der Folge kam es zu einer Diskussion über die Durchführung der Abreise, deren Einzelheiten teilweise zwischen den Beteiligten streitig sind. 11Um 21:00 Uhr erklärte der Versammlungsleiter der Klägerin die Kundgebung für beendet. Daraufhin traten die Kommunikationsbeamten des Beklagten schließlich erneut an den Versammlungsleiter heran und teilten ihm mit, dass eine gemeinsame Abreise der Teilnehmer zusammen mit dem Lautsprecherfahrzeug nicht zugelassen werde. Zur Begründung verwiesen die Beamten den Versammlungsleiter auf den in der Versammlungsbestätigung enthaltenen Hinweis, nach dem die An- und Abreise keinen Aufzugscharakter haben dürfe. 12Der Versammlungsleiter der Klägerin erklärte sich damit nicht einverstanden und teilte gegenüber den Beamten mit, ab 21:15 Uhr eine „Spontandemonstration“ als Folgeveranstaltung zu der beendeten Kundgebung durchzuführen. Diese sollte am O.-markt beginnen und dann als Demonstrationszug zum Hauptbahnhof ziehen. Die Kommunikationsbeamten des Beklagten erklärten daraufhin, keine Versammlungsanmeldungen entgegenzunehmen. 13Das Einsatztagebuch der Polizei enthält diesbezüglich unter Beleg Nr. 155 folgenden Eintrag: 14„21.07: PF: C. meldet Spontandemo an gegen Maßnahme, dass sein Fz nicht mit den TN fahren darf: 15Es wird nicht kooperiert: Ablehnung aus folgenden Gründen: 161. bei der morgigen Demo kann er seinen Unmut über die Maßnahme kundtun 172. hat mit der heutigen Versammlungsbestätigung mitgeteilt bekommen, dass seine Abmarschphase keinen Aufzugscharakter haben darf. Das würde bei einem nachgeführten bzw. vorherfahrenden Fz den Eindruck eines Aufzuges kommen und deshalb abgelehnt. (…)“ 18Um 21:15 Uhr begann der Versammlungsleiter der Klägerin die angekündigte Kundgebung zum Thema „Polizeiwillkür“, wofür die bereits abgebaute Lautsprecheranlage vor Ort auf dem O.-markt wieder aufgebaut wurde, teilte den Anwesenden den Grund für die Kundgebung mit und äußerte Kritik am Vorgehen der Polizeibehörde. Kurz nach Beginn dieser Lautsprecheransprache traten etwa zehn Polizeibeamte des Beklagten an den Versammlungsleiter heran und forderten ihn auf, die Lautsprecheranlage sofort abzustellen. 19Auf Nachfrage gaben die Polizeibeamten gegenüber dem Versammlungsleiter bekannt, dass die Versammlung verboten und damit aufzulösen sei und sprachen Platzverweise gegen die anwesenden Teilnehmer aus. Zur Begründung verwiesen die Polizeibeamten darauf, dass das Versammlungsanliegen bis zu der bereits für den Folgetag durch die Klägerin ebenfalls in E. angemeldeten Versammlung warten könne und deshalb kein Grund für die begehrte Versammlung bestehe. 20Das Einsatztagebuch der Polizei enthält diesbezüglich unter Beleg Nr. 159 folgenden Eintrag: 21„21:19: PF teilt telefonisch mit, dass die Versammlung vor Ort durch Herrn C. nicht als Spontanversammlung (siehe Beleg 155) gewertet wurde und Herr C. aber weiter seine Lautsprecherdurchsagen betrieben hat, liegt kein Verstoß gegen die Auflagen vor, sondern ein Verstoß gegen LImschG. 22Durch Einsatzkräfte erhält er eine Auflösungsverfügung, da er faktisch eine Versammlung betreibt. Er wird aufgefordert, die Lautsprecher abzustellen und einzuladen und erhält einen Platzverweis (auch Mitfahrer in seinem Fz) für die Örtlichkeit.“ 23Der Versammlungsleiter teilte den Anwesenden sodann über die Lautsprecheranlage die Auflösung der Versammlung durch die Polizei mit. Die ca. 60 ehemaligen Versammlungsteilnehmer verließen daraufhin den O.-markt und begaben sich in einer Gruppe, die von den eingesetzten Polizeikräften umringt begleitet wurde, zur U-Bahnstation M.-straße. Der Lautsprecherwagen blieb zunächst auf dem O.-markt zurück. Während der Abreise skandierten die ehemaligen Versammlungsteilnehmer „Hier marschiert der nationale Widerstand“ und andere Parolen. Einzelne Gegendemonstranten, die sich am Straßenrand des Abreisewegs befanden, machten sich lautstark bemerkbar und beschimpften die Abreisenden. Zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kam es nicht. 24Die Klägerin hat am 17. September 2019 Klage erhoben, mit der sie die Feststellung der Rechtswidrigkeit sowohl der Versammlungsauflösung als auch der erteilten Platzverweise begehrt hat. 25Zur Begründung trägt sie vor, dass die Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig sei. Die Klägerin sei insbesondere auch hinsichtlich der angeordneten Platzverweise klagebefugt, weil sich diese Maßnahmen gegen alle Teilnehmer der im Namen der Klägerin angemeldeten Spontan- bzw. Eilversammlung gerichtet hätten und insofern die Rechte der Klägerin betroffen seien. 26Ferner habe die Klägerin auch das notwendige Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Es bestehe zum einen ein Rehabilitationsinteresse, weil die Klägerin durch die Maßnahmen des Beklagten in der Öffentlichkeit bloßgestellt worden sei. Außerdem bestehe Wiederholungsgefahr. Diese folge insbesondere daraus, dass die eingesetzten Kommunikationsbeamten des Beklagten nach der Beendigung der ursprünglichen Mahnwache die Entgegennahme der Anmeldung der Spontan- bzw. Eilversammlung zu Unrecht abgelehnt und den Versammlungsleiter der Klägerin zur Begründung darauf verwiesen hätten, dass das Versammlungsanliegen auch bis zu der für den Folgetag bereits angemeldeten Versammlung ebenfalls in E. warten könne. Es sei jedoch nicht die Aufgabe der Polizei, die Sinnhaftigkeit und Nachvollziehbarkeit einer angemeldeten Versammlung zu hinterfragen. Zudem gehe die Polizeibehörde offenbar unzutreffend davon aus, dass es das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit nur rationiert gebe und Versammlungen nur zulässig seien, wenn sie innerhalb der 48-Stunden Frist angemeldet würden. Auch der in der Versammlungsbestätigung des Beklagten enthaltene Hinweis zur An- und Abreise der Versammlungsteilnehmer suggeriere, dass die Behörde der unzutreffenden Auffassung sei, dass unangemeldete Versammlungen grundsätzlich zu untersagen seien. Daher sei zu befürchten, dass die Polizeibehörde auch in Zukunft entsprechend gegen Versammlungen der Klägerin vorgehen werde. 27Die Klage sei auch begründet, weil die Auflösung der Versammlung rechtswidrig gewesen sei. 28Die Klägerin führt aus, dass eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht vorgelegen habe. Eine solche sei von der Polizeibehörde in der Situation vor Ort nicht einmal behauptet worden. Erst dadurch, dass nach der Auflösung der Versammlung die Polizei nahezu alle Kräfte vom Ort der Kundgebung abgezogen habe, um die abreisenden Teilnehmer zu begleiten, und das Lautsprecherfahrzeug der Klägerin nur noch von wenigen Beamten geschützt zurückgeblieben sei, sei es zu einem Angriffsversuch der Gegendemonstranten auf das Fahrzeug gekommen, welchen die Polizei jedoch habe abwehren können. 29Die Klägerin macht außerdem geltend, dass sie vorliegend nicht zur Abwehr der von den Gegendemonstranten ausgehenden Gefahren hätte polizeilich in Anspruch genommen werden dürfen. Die Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes hätten nicht vorgelegen. Die E. Polizei habe ausreichende Erfahrung mit Versammlungen in der E. O. , sei in der streitgegenständlichen Situation mit einem großen Aufgebot an Polizeikräften vor Ort gewesen und habe dem Kundgebungsort weiträumig abgesichert. Es sei nicht bekannt, dass es während der Anreise der Versammlungsteilnehmer und der Durchführung der Kundgebung zu Straftaten durch Gegendemonstranten gekommen sei. Dass es auf der Plattform Twitter von Seiten des linken Spektrums im Minutentakt zu Meldungen und Berichterstattung über den Verlauf der Versammlung komme, um den Gegenprotest zu organisieren, sei im Übrigen bei nahezu jeder Versammlung der Klägerin festzustellen. Die Polizei sei in der streitgegenständlichen Situation ausreichend präsent gewesen, um die Versammlung zu sichern. Dies zeige sich auch daran, dass die Polizeikräfte nach Auflösung der Versammlung die unverzüglich angetretene Abreise der Teilnehmer habe gewährleisten können. Wenn es tatsächlich große Gruppen von Störern gegeben hätte, hätte der Abreiseweg hingegen zunächst durch die Polizei abgesperrt werden müssen. Obwohl solche Absperrungen nicht errichtet gewesen seien, sei es bei der Abreise nur durch wenige Gegendemonstranten am Rande zu Pöbeleien gekommen. Übergriffe habe es hierbei jedoch nicht gegeben. 30Die Klägerin meint ferner, dass nicht nachvollziehbar sei, weshalb die kurzfristig angemeldete Folgeversammlung nicht wenigstens wie bereits die vorherige Mahnwache als Standkundgebung stattfinden durfte, sondern unmittelbar vor Ort aufgelöst wurde. Der Versammlungsleiter habe bei der Anmeldung der Folgeversammlung erklärt, dass auch diese zunächst als Standkundgebung stattfinden und – sobald die Polizei bereit sei – als Demonstrationszug zum Hauptbahnhof fortgesetzt werden solle. Diese Standkundgebung habe bereits mit der Lautsprecheransprache des Versammlungsleiters begonnen. Selbst wenn der Aufzug zum Hauptbahnhof angesichts dessen Gefahrenpotenzials nicht durchführbar gewesen sein sollte, sei die Auflösung der Kundgebung noch am Ort der vorherigen Versammlung jedenfalls unverhältnismäßig gewesen. Denn die vorherige Mahnwache sei ohnehin für eine reguläre Dauer bis 22:00 Uhr angemeldet und von der Polizeibehörde bestätigt worden. Zudem sei es in der Zwischenzeit weder zu einer Veränderung der Sicherheitsvorkehrungen der Polizei noch zu Störungen durch die Gegendemonstranten gekommen. 31Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung am 19. Juli 2022 das Verfahren hinsichtlich der ursprünglich begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit der erteilten Platzverweise für in der Hauptsache erledigt erklärt. 32Der Beklagte hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen. 33Die Klägerin beantragt, 34351. festzustellen, dass die Auflösung ihrer Spontanversammlung am 13. September 2019 auf demE. O.-markt rechtswidrig gewesen ist, 362. festzustellen, dass sich der Rechtsstreit hinsichtlich der im Anschluss an die Auflösung durch die Polizei gegenüber allen Versammlungsteilnehmern erteilten Platzverweise in der Hauptsache erledigt hat. 37Der Beklagte beantragt, 38 die Klage abzuweisen. 39Zur Begründung trägt er vor, dass die Klage bereits unzulässig sei. Die Klägerin sei weder klagebefugt noch habe sie ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der angegriffenen Maßnahmen. Durch die Versammlungsauflösung seien keinerlei Rechte und Interessen der Klägerin betroffen gewesen. Da es sich bei der aufgelösten Versammlung um eine Spontanversammlung gehandelt habe, sei die Klägerin nämlich weder Veranstalterin noch Leiterin der Versammlung gewesen. Insbesondere seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich gewesen, dass der stellvertretende Landesvorsitzende der Klägerin bei der Anmeldung der Folgeversammlung in deren Namen gehandelt habe, weshalb sich auch insofern eine Veranstaltereigenschaft der Klägerin nicht annehmen lasse. 40Die Klage sei außerdem unbegründet. Denn die Auflösung der Versammlung sei rechtmäßig ergangen. Die öffentliche Sicherheit sei vorliegend unmittelbar gefährdet gewesen, weil mit einem unfriedlichen Verlauf der Versammlung zu rechnen gewesen sei. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Auflösung hätten konkrete Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass es bei Durchführung des Aufzugs zeitnah und höchstwahrscheinlich zu körperlichen Auseinandersetzungen zwischen den Teilnehmern und den Gegendemonstranten gekommen wäre. Insofern sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu befürchten gewesen, dass es zu Straftaten nach §§ 223 ff. Strafgesetzbuch (StGB) sowie Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit von Versammlungsteilnehmern, Gegendemonstranten, zum Einschreiten verpflichteter Polizeibeamter und unbeteiligter Dritter komme. 41Zur Begründung der Gefahrenprognose verweist der Beklagte darauf, dass es in der E. O. in jüngerer Vergangenheit bereits bei mehreren Versammlungen der Klägerin zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Versammlungsteilnehmern und Angehörigen des linken Spektrums gekommen sei. 42Der streitgegenständlichen Auflösungsverfügung habe im Erlasszeitpunkt zudem folgendes Lagebild zugrunde gelegen: Bereits im Vorfeld der angemeldeten Versammlung sei die Planungsgrundlage hinsichtlich des zu erwartenden Gegenprotests unklar gewesen, da keine Gegendemonstration angemeldet worden sei. Lediglich durch das stetige Überprüfen sozialer Medien habe festgestellt werden können, dass die linke Szene eine sehr große Anzahl von Gegendemonstranten mobilisiert habe. Die Anzahl der eingesetzten Polizeikräfte sei insofern für den Schutz der Standkundgebung sowie den erwarteten Gegenprotest dimensioniert gewesen. Am Tag der Versammlung seien die Gegendemonstranten in hohem Maße organisiert gewesen. Überall in der O. hätten sogenannte Späher die polizeilichen Bewegungen beobachtet, um daraus den Fortgang der Versammlung der Klägerin zu erkennen. Bereits bei der Anreise der Versammlungsteilnehmer der Klägerin hätten sich die linken Gegendemonstranten über Meldungen auf Twitter über die Bewegung der Versammlungsteilnehmer informiert, um den Gegenprotest dementsprechend zu positionieren. Zu diesem Zeitpunkt hätten sich drei Gruppen des linken Spektrums von jeweils 20 bis 70 Personen an der N.-straße , an der N1.-straße und an der kleinen C1.-straße positioniert. Zudem sei die Anreise der Versammlungsteilnehmer durch eine Sitzblockade von circa 20 Personen auf der N.-straße gestört worden. Über den konkreten Verlauf der Anreise der rechten Versammlungsteilnehmer sei innerhalb der linken Szene im Minutentakt durch Twitter-Meldungen informiert worden. Nach Beginn der Standkundgebung der Klägerin hätten sich schließlich die einzelnen Gruppen des linken Spektrums zu einer großen Gruppe von insgesamt circa 300 Gegendemonstranten um den O.-markt versammelt, eine Hälfte südlich des O.-marktes im Bereich der N.-straße, die andere Hälfte im nördlichen Bereich an der Sperrlinie der Polizei. Der Beklagte führt aus, es habe zu jenem Zeitpunkt bereits Anhaltspunkte für die Konfliktbereitschaft der Gegendemonstranten gegeben. Szenekundige Polizeibeamte hätten unter den circa 150 Gegendemonstranten im nördlichen Bereich mindestens 20 gewaltbereite Personen erkannt. Mindestens 20 Personen hätten sich vermummt und gegen eine Person sei wegen des Mitführens von Vermummungsmaterial ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet worden. Kurz vor Beendigung der Standkundgebung der Klägerin hätten sich die Gegendemonstranten der linken Szene erneut über Twitter über das bevorstehende Ende der Versammlung sowie den mutmaßlichen Verlauf der Abreise der rechten Versammlungsteilnehmer informiert. Daraufhin hätten sich die beiden großen Personengruppen wieder in einzelne kleinere Gruppen zersplittert. 20 Gegendemonstranten hätten sich dabei an der Haltestelle Brunnenstraße positioniert, von der die Abreise der rechten Versammlungsteilnehmer geplant gewesen sei. 43Im Zeitpunkt der sodann zwischen dem Versammlungsleiter der Klägerin und den Kommunikationsbeamten geführten Diskussion über die Modalitäten der Abreise sei es in den kleinen und unübersichtlichen Straßen um den O.-markt bereits dunkel gewesen. Die linken Gegendemonstranten hätten sich sodann über Twitter gegenseitig über die angemeldete Spontanversammlung sowie deren geplante Route informiert. Daraufhin sei es zu einem starken Rückfluss der Gegendemonstranten zum O.-markt gekommen, wobei jedoch eine genaue Zählung durch die Polizeibeamten aufgrund der schlechten Sichtverhältnisse, der örtlichen Gegebenheiten sowie der mehrfachen Veränderung der Gruppen, in denen sich die Gegendemonstranten bewegten, nicht möglich gewesen sei. Die aggressiv skandierende Menge an Gegendemonstranten am O.-markt sei im Verlauf der Diskussion über die Abreise immer größer geworden. Im Zeitpunkt des Erlasses der Auflösungsverfügung durch den Polizeiführer sei von weit mehr als 300 Personen des linken Spektrums auszugehen gewesen, von denen nunmehr mindestens 150 als gewaltbereit einzustufen gewesen seien. In dieser Situation sei die Gruppendynamik der Gegendemonstranten darauf ausgelegt gewesen, die Polizeikräfte von der Kundgebung wegzulocken, um sodann die Versammlung der Klägerin anzugreifen. Die Beurteilungslage habe sich für die Polizei insgesamt sehr schwierig dargestellt. 44Die klägerische Versammlung sei ferner auch zu Recht in Anspruch genommen worden sei, da die Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes vorgelegen hätten. Maßnahmen gegen die vorrangig in Anspruch zu nehmenden Störer seien nicht oder nicht rechtzeitig möglich gewesen und hätten keinen Erfolg versprochen. Der Beklagte führt insofern aus, dass sich die Einsatzlage für die Polizei entscheidend geändert hätte, wenn die Klägerin ihre Standkundgebung als Aufzug fortgesetzt hätte. Das Aufgebot der 280 eingesetzten Polizeikräfte sei darauf ausgelegt gewesen, ausschließlich eine Standkundgebung abzusichern. Da ein Aufzug demgegenüber jedoch ein erhöhtes Gefahrenpotential für Angriffe von außen wie auch für Provokationen durch Versammlungsteilnehmer selbst aufweise, hätten die eingesetzten Polizeikräfte in Anbetracht der erheblichen Anzahl von 300 teils gewaltbereiten Gegendemonstranten die zu erwartenden Angriffe auf die Versammlung nicht mit hinreichender Sicherheit abwehren können. In der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit sei eine Sicherung des geplanten Aufzugs weder vorab noch auf andere Weise möglich gewesen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass zu Beginn der Spontanversammlung bereits ein Teil der Polizeikräfte vom Ort der Kundgebung entsandt worden sei, um die Abreise der Versammlungsteilnehmer vorzubereiten und die entsprechende Strecke zu sichern. Am O.-markt hätten sich deshalb nur noch etwa 100 bis 120 Einsatzkräfte befunden. Effektive Verstärkung habe aufgrund der kurzen Zeitspanne zwischen der Anmeldung und dem geplanten Beginn des Aufzugs von nur elf Minuten nicht angefordert und bereitgestellt werden können. 45Die Auflösung der klägerischen Versammlung sei schließlich auch ermessenfehlerfrei ergangen. Der Beklagte beruft sich darauf, dass hinsichtlich der Versammlungsauflösung Ermessensfehler bereits deshalb nicht gegeben seien, weil mit der Auflösung lediglich ein zuvor verhängtes Verbot der Folgeversammlung umgesetzt worden sei und die insofern einschlägige Vorschrift des § 15 Abs. 4 VersG keinen Ermessenspielraum vorsehe. Die Versammlungsauflösung sei im Übrigen verhältnismäßig gewesen. Weniger eingriffsintensive Maßnahmen wie etwa eine versammlungsrechtliche Auflage zur zeitlichen Begrenzung oder örtlichen Verlegung der Versammlung seien angesichts der kurzen Zeitspanne nicht gleichermaßen zur Gefahrenabwehr geeignet gewesen. Die Polizeibehörde sei ferner nicht gehalten gewesen, der Klägerin anstelle des angemeldeten Aufzuges zum Hauptbahnhof eine Standkundgebung an derselben Stelle am O.-markt anzubieten bzw. aufzugeben. Dem stehe zum einen entgegen, dass die Klägerin durch die vorzeitige Beendigung der ursprünglich bis 22:00 Uhr gestatteten Standkundgebung auf die weitere Durchführung einer solchen verzichtet habe. Insofern verweist der Beklagte auf die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 24.09.2019 ‑ 15 A 3186/17). Zum anderen sei eine solche Auflage aufgrund des gegebenen Lagebildes nicht gleichermaßen zur Abwehr der beschriebenen Gefahren geeignet gewesen. 46Die Kammer hat mit Beschluss vom 19. Juli 2022 das Verfahren, soweit der Klageantrag zu 2. betroffen ist, abgetrennt. 47Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten einschließlich der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten. 48Entscheidungsgründe: 49Nach Abtrennung des Verfahrens hinsichtlich des Klageantrags zu 2. ist im vorliegenden Verfahren allein noch die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Versammlungsauflösung Streitgegenstand. 50Insoweit hat die Klage Erfolg. 51Sie ist als Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Abs. 1 Satz 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig. 52Die angegriffene Versammlungsauflösung hat sich unmittelbar mit deren Befolgung bzw. Durchsetzung am 13. September 2019 gemäß § 43 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) „auf andere Weise“ erledigt. Über den Wortlaut des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO hinaus ist die Fortsetzungsfeststellungsklage auch dann statthaft, wenn die Erledigung wie hier bereits vor Klageerhebung eingetreten ist. 53Vgl. Kopp/Schenke, VwGO Kommentar, 27. Aufl. 2021, § 113 Rn. 99 m.w.N. 54Die Klägerin ist auch klagebefugt nach § 42 Abs. 2 VwGO. Als Landesverband einer Partei kann sie sich auf eine mögliche Verletzung ihrer Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG berufen. Inländische juristische Personen des Privatrechts und ihnen gleichgestellte nichtrechtsfähige Personenvereinigungen wie Parteien und Vereine können nach Art. 19 Abs. 3 GG als Veranstalter einer Versammlung Grundrechtsträger sein. 55Vgl. Dürig-Friedl/Enders, Versammlungsrecht, 2016, Einleitung Rn. 21. 56Die Klägerin war vorliegend als Veranstalterin der aufgelösten Versammlung anzusehen. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass es sich bei der aufgelösten Versammlung nicht mehr um die ursprünglich angemeldete und bestätigte Mahnwache der Klägerin handelte. Denn auch hinsichtlich der Folgeversammlung war die Klägerin als Veranstalterin anzusehen. Bei dieser Versammlung handelte es sich um eine Eilversammlung, da der Versammlungsleiter und stellvertretende Landesvorsitzende der Klägerin die geplante Versammlung – wenn auch äußerst kurzfristig – gegenüber den Kommunikationsbeamten des Beklagten vor Ort angemeldet hatte. 57Zur Abgrenzung von Eil- und Spontanversammlung siehe Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 23.10.1991 - 1 BvR 850/88, juris Rn. 24. 58Die Veranstaltereigenschaft der Klägerin hinsichtlich dieser Eilversammlung folgt daraus, dass der stellvertretende Landesvorsitzende der Klägerin erkennbar in ihrem Namen handelte, als er die Versammlung gegenüber der Polizei vor Ort anzeigte. Die aufgelöste Versammlung stand nämlich nicht nur zeitlich, sondern auch inhaltlich in einem unmittelbaren Zusammengang mit der ursprünglichen Mahnwache der Klägerin, weil der Anlass für die Eilversammlung zum Thema „Polizeiwillkür“ die Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Abreisemodalitäten zu der vorangegangenen Versammlung waren. Insofern diente die Eilversammlung ersichtlich der Ausübung der verbandsbezogenen Versammlungsfreiheit der Klägerin. Zudem hatte der stellvertretende Landesvorsitzende der Klägerin bereits in der Vergangenheit mehrfach Versammlungen in ihrem Namen bei der Versammlungsbehörde angemeldet. 59Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Ein solches folgt vorliegend neben einer Wiederholungsgefahr auch daraus, dass mit der angegriffenen Versammlungsauflösung ein schwerwiegender Eingriff in die Versammlungsfreiheit der Klägerin aus Art. 8 Grundgesetz (GG) gegeben ist. Die Auflösung einer Versammlung stellt ‑ neben dem Verbot im Vorfeld ‑ den gravierendsten Eingriff in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit dar. In diesen Fällen gebietet die Bedeutung der Versammlungsfreiheit in einer Demokratie stets die Möglichkeit nachträglichen Rechtsschutzes. 60Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 ‑ 1 BvR 461/03 ‑, BVerfGE 110, 77, juris Rn. 37. 61Die Klage ist auch begründet. Denn die Auflösung der Eilversammlung war rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und 4 VwGO). 62Die streitgegenständliche Auflösungsverfügung beruhte auf einem Ermessensfehlgebrauch des Beklagten und war unverhältnismäßig. Zudem waren die Voraussetzungen für eine polizeirechtliche Inanspruchnahme der klägerischen Versammlung nicht gegeben. 63Der Beklagte hat das ihm vorliegend nach dem im maßgeblichen Erlasszeitpunkt geltenden und der Verfügung als Ermächtigungsgrundlage zugrunde gelegten § 15 des Versammlungsgesetzes des Bundes (VersG) eingeräumte Ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt. 64Nach § 15 Abs. 3 VersG kann die zuständige Behörde eine Versammlung auflösen, wenn sie nicht angemeldet ist, wenn von den Angaben der Anmeldung abgewichen oder den Auflagen zuwidergehandelt wird oder wenn die Voraussetzungen zu einem Verbot nach Absatz 1 oder 2 gegeben sind. 65Entgegen der Ansicht des Beklagten handelte es sich bei der streitgegenständlichen Versammlungsauflösung nicht um eine solche nach § 15 Abs. 4 VersG, durch die lediglich ein zuvor gemäß § 15 Abs. 1 VersG erlassenes Verbot der Versammlung vollzogen wurde. Denn ein solches Verbot ist gegen die Eilversammlung der Klägerin nicht erlassen worden. Ein Versammlungsverbot im Sinne des § 15 Abs. 1 VersG ist die vor Beginn der Versammlung erfolgende Untersagung einer geplanten Versammlung mit dem Ziel, ihre Durchführung zu verhindern. In Abgrenzung zur Auflösung nach § 15 Abs. 3 VersG handelt es sich bei einem Versammlungsverbot um eine vorbeugende Maßnahme. 66Vgl. Dürig-Friedl/Enders, Versammlungsrecht, § 15 Rn. 115; Ridder/Breitbach/Deiseroth, Versammlungsrecht, 2 . Aufl. 2020, § 15 Rn. 342. 67Vorliegend ist die Eilversammlung der Klägerin nicht vor ihrem Beginn durch den Beklagten untersagt worden. Ein Versammlungsverbot lässt sich insbesondere nicht darin erblicken, dass die eingesetzten Kommunikationsbeamten gegenüber dem Versammlungsleiter äußerten, eine Versammlungsanmeldung nicht entgegenzunehmen, als dieser nach Beendigung der ursprünglichen Mahnwache erklärte, kurzfristig eine weitere Versammlung durchführen zu wollen. Eine ausdrückliche Untersagung der Versammlung ist mit dieser Äußerung jedenfalls nicht gegeben. Aber auch unter Berücksichtigung der sonstigen Umstände lässt sich dieser Erklärung kein konkludent erteiltes Versammlungsverbot erblicken. Weil Versammlungen im Sinne des Art. 8 GG genehmigungsfrei sind, dürfen sie auch dann durchgeführt werden, wenn die Versammlungsanmeldung nicht förmlich bestätigt oder entgegengenommen wird. Die Verweigerung oder auch Ablehnung der „Entgegennahme“ einer Versammlungsmeldung durch die Polizei enthält deshalb keinen verbindlichen Erklärungswert dahingehend, dass die Versammlung nicht durchgeführt werden darf. Eine Auflösung der Versammlung zur Durchsetzung eines vorbeugenden Verbotes war daher vorliegend nicht möglich. 68Unabhängig davon wäre selbst in dem Fall, dass ein vorbeugendes Verbot gegen die streitgegenständliche Eilversammlung - wie der Beklagte meint - anzunehmen wäre, das Klagebegehren dahingehend auszulegen, dass dann das Verbot und nicht erst die darauffolgende (zwingende) Auflösung Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung wäre. Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit eines solchen Versammlungsverbots nach § 15 Abs. 1 VersG würden dabei vorliegend dieselben Maßstäbe wie hinsichtlich der Auflösung nach § 15 Abs. 3 VersG gelten, weshalb auch ein derartiges Verständnis im Ergebnis zu keiner anderen Beurteilung führen würde. 69Die dem Beklagten nach § 15 Abs. 3 VersG hinsichtlich der Versammlungsauflösung eingeräumte Ermessensentscheidung unterliegt der gerichtlichen Überprüfung nach Maßgabe des § 114 Satz 1 VwGO. Danach prüft das Gericht, ob ein Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die Behörde die Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. 70Vorliegend beruhte die streitgegenständliche Auflösungsverfügung des Beklagten auf einem Ermessensfehlgebrauch. Denn die Ermessensausübung entsprach im konkreten Fall nicht dem Zweck der Ermächtigungsnorm. Vielmehr lagen der behördlichen Entscheidung sachfremde Erwägungen zugrunde. 71Welche Belange bei der Ermessensausübung berücksichtigt und welche nicht berücksichtigt werden dürfen, ist durch Auslegung des ermächtigenden Gesetzes zu ermitteln. 72Vgl. Eyermann, VwGO Kommentar, 16. Aufl. 2022, § 114 Rn. 21; Sodan/Ziekow, VwGO Kommentar, 5 . Aufl. 2018, § 114 Rn. 172. 73Die Vorschrift des § 15 Abs. 3 VersG dient dem Zweck der Gefahrenabwehr. Verbote und Auflösungen von Versammlungen dürfen bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung des § 15 VersG wegen des hohen Stellenwertes der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG stets nur zur Verhinderung einer unmittelbaren, aus erkennbaren Umständen herleitbaren Gefährdung wichtiger Gemeinschaftsgüter erfolgen. Aus diesem Grund lässt sich eine Versammlungsauflösung entgegen dem Wortlaut des § 15 Abs. 3 VersG auch nicht einzig auf einen formellen Verstoß gegen die Anmeldungspflicht aus § 14 VersG stützen, sondern es müssen für die Rechtfertigung eines solchen Eingriffs stets weitere (Gefahren-)Umstände hinzutreten. 74Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985 ‑ 1 BvR 233/81, juris Rn. 72 ff., 80; Dürig-Friedl/Enders, Versammlungsrecht, 2016, § 15 Rn. 162. 75Vorliegend stützte die Polizeibehörde ihre Ermessensentscheidung erkennbar auf Gesichtspunkte, die nicht dem Zweck der Gefahrenabwehr entsprachen. 76Zur Begründung der Auflösungsverfügung erklärten die Kommunikationsbeamten des Beklagten ausweislich der Eintragung im Einsatzbericht und darüber hinaus unstreitig gegenüber dem Versammlungsleiter der Klägerin, dass das Versammlungsanliegen der begehrten Eilversammlung bis zu der bereits für den Folgetag angemeldeten Versammlung der Klägerin, die ebenfalls in E3. stattfinden sollte, warten könne und für die Durchführung der Versammlung deshalb kein Grund bestehe. Im Einsatzbericht wird die Versammlungsauflösung maßgeblich damit begründet, dass die Versammlung der Klägerin nicht als solche gewertet worden sei (siehe Beleg Nr. 159). Diese Bewertung stützte die Polizeibehörde wiederum auf die durch die Klägerin bereits für den Folgetag angemeldete Versammlung in E3. sowie auf den Verstoß gegen den in der ursprünglichen Versammlungsbestätigung enthaltenen Hinweis, nach dem die Abreise der Versammlungsteilnehmer keinen Aufzugscharakter haben dürfe (siehe Beleg Nr. 155). 77Hierbei handelt es sich um sachfremde Ermessenserwägungen. Insbesondere die Erwägung, dass für die Durchführung der Eilversammlung angesichts der für den Folgetag angemeldeten Versammlung der Klägerin kein Grund bestehe, steht in keinem Zusammenhang mit dem legitimen Zweck der Gefahrenabwehr. Vielmehr maßt sich der Beklagte hierdurch eine inhaltliche Überprüfung der Berechtigung des klägerischen Versammlungsanliegens an. Eine derartige Inhaltskontrolle steht ihm nicht zu und bedeutet einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG, die das Recht gewährleistet, über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Versammlung selbst zu bestimmen. 78Vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Dezember 2012 - 1 BvR 2794/10, juris Rn. 16; Urteil vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 699/06, BVerfGE 128, 226, juris Rn. 64. 79Auch soweit die Polizeibehörde ihre Entscheidung darauf stützte, dass die Durchführung der klägerischen Eilversammlung gegen den in der Versammlungsbestätigung zur ursprünglichen Mahnwache enthaltenen Hinweis verstoßen würde, dass die An- und Abreise keinen Versammlungscharakter haben dürfe, entsprachen ihre Erwägungen nicht dem Zweck der Gefahrenabwehr. Denn es ist bereits nicht ersichtlich, dass der weder verbindliche noch näher begründete Hinweis zu den Modalitäten der An- und Abreise selbst auf einer Gefahrenprognose des Beklagten beruhte. Vielmehr lässt die konkret gewählte Formulierung („Ich würde dies rechtlich als unangemeldeten Aufzug werten.“) erkennen, dass durch diesen Hinweis lediglich die formale Einhaltung der Anmeldepflicht gewährleistet werden sollte. Dementsprechend ist auch in der schlichten Bezugnahme im Einsatzbericht der Polizei darauf, dass die klägerische Versammlung gegen diesen Hinweis verstoßen würde, eine Ermessensausübung zum Zweck der Gefahrenabwehr nicht zu erblicken, weil sich die angestellten Erwägungen insoweit in der Annahme eines „formalen“ Verstoßes gegen den Hinweis erschöpfen. 80Die sachfremden Erwägungen haben sich im Ergebnis der getroffenen Ermessensentscheidung niedergeschlagen. Etwas anderes folgt nicht daraus, dass sich im Einsatzbericht der Polizei neben den genannten Erwägungen auch der Hinweis findet, dass mit dem weiteren Betreiben von Lautsprecherdurchsagen durch den Versammlungsleiter der Klägerin ein Verstoß gegen das Landesimmissionsschutzgesetz gegeben sei (Beleg Nr. 159). Da ein immissionsschutzrechtlicher Verstoß vom Beklagten nicht ansatzweise - etwa unter Verweis auf entsprechende Messergebnisse - begründet wurde, ist bereits zweifelhaft, ob die Behörde den Aspekt etwaiger immissionsschutzrechtlicher Gefahren tatsächlich in ihre Ermessensentscheidung miteinbezogen hat. Jedenfalls waren immissionsschutzrechtliche Erwägungen vor diesem Hintergrund neben den sachfremden Erwägungen erkennbar nicht alleintragend für die erlassene Auflösungsverfügung und damit nicht geeignet eine Fehlerfreiheit der Entscheidung zu bewirken. 81Vgl. dazu Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 19. Mai 1981 - 1 C 169/79, BVerwGE 62, 215, juris Rn. 22; Eyermann, VwGO Kommentar, 16. Aufl. 2022, § 114 Rn. 26. 82Die Prognose, dass im Erlasszeitpunkt von gewaltbereiten Gegendemonstranten in der E. Innenstadt eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgegangen sei, hat der Beklagte erstmals im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zur Begründung der Versammlungsauflösung angeführt. Dass dieser Umstand bereits im Zeitpunkt der der Ermessensausübung tatsächlich in die Entscheidung miteingeflossen ist, hat der Beklagte weder dargelegt noch ist dies unter Berücksichtigung der Einsatzdokumentation des Beklagten oder der mündlich geäußerten Begründung der Maßnahme durch die Kommunikationsbeamten sonst ersichtlich. 83Diese in der Klageerwiderung erstmals angeführte Erwägung ist nach Maßgabe des § 114 Satz 2 VwGO in die gerichtliche Überprüfung der Ermessensausübung des Beklagten miteinzubeziehen. Danach kann die Verwaltungsbehörde ihre Ermessenserwägungen auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen. Ein zulässiges Nachschieben von Ermessenserwägungen liegt jedoch nur dann vor, wenn der Verwaltungsakt durch die nachträgliche Begründung nicht in seinem Wesen verändert und der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt wird. Ein Nachschieben von Ermessenserwägungen ist insbesondere dann unzulässig, wenn die ursprüngliche Ermessensentscheidung dadurch in ihrem Kern ausgetauscht wird. 84Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 46/12, BVerwGE 147, 81, juris Rn. 32; Eyermann, VwGO Kommentar, 16. Aufl. 2022, § 114 Rn. 90a. 85Die Voraussetzungen für eine nachträgliche Behebung des Ermessensfehlers durch eine Ergänzung der bisherigen Erwägungen sind vorliegend nicht gegeben. Denn die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgetragene Gefahrenprognose erweist sich im Vergleich zu den tatsächlich angestellten Erwägungen deshalb als wesentlich anders, weil hierdurch die Versammlungsauflösung erstmals auf eine von gewaltbereiten Gegendemonstranten ausgehende Gefährdung und erstmals auf das Vorliegen eines polizeilichen Notstands gestützt worden ist. Die bisherigen Erwägungen, die sich allesamt auf unmittelbar von der klägerischen Versammlung ausgehende überwiegend mit der Anmeldepflicht im Zusammenhang stehende Umstände bezogen, wurden durch die nachträgliche Begründung damit im Kern ausgetauscht. 86Auch wenn unterstellt wird, dass die - nachgeschobene - Gefahrenprognose auf tatsachengestützten Anhaltspunkten beruht, hat der Beklagte zudem das ihm eingeräumte Ermessen überschritten. Die Versammlungsauflösung war unverhältnismäßig, weil die Maßnahme selbst unter Zugrundelegung der nachgeschobenen Gefahrenprognose des Beklagten zur Gefahrenabwehr nicht erforderlich war. 87Ein gefahrenabwehrrechtlicher Eingriff ist dann nicht erforderlich, wenn sich die Gefahr auch durch weniger grundrechtsbelastende Maßnahmen abwehren lässt. Für die Anwendung des § 15 Abs. 3 und 1 VersG folgt daraus eine Maßnahmenstaffelung: Das Verbot oder die Auflösung einer Versammlung setzen als ultima ratio voraus, dass das mildere Mittel der Auflagenerteilung ausgeschöpft ist. 88Vgl. BVerwG, Beschluss vom 05.05.2020 - 6 B 1/20, juris Rn. 8; BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985 - 1 BvR 233/81, juris Rn. 79; Ridder/Breitbach/Deiseroth, Versammlungsrecht, 2. Aufl. 2020, § 15 Rn. 199. 89Vorliegend hätte die von dem Beklagten behauptete Gefahrenlage auch durch eine Beschränkung der Versammlung auf eine Standkundgebung wirksam abgewehrt werden können. 90Zu den Voraussetzungen einer derartigen Beschränkung vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 7. Oktober 2016 - 15 B 1154/16; BVerfG, Beschluss vom 20. Dezember 2012 - 1 BvR 2794/10, juris Rn. 16; Dürig-Friedl/Enders, Versammlungsrecht, § 15 Rn. 101. 91Eine solche Auflage wäre gegenüber der Versammlungsauflösung das mildere Mittel gewesen, da sie die von Art. 8 GG geschützte Freiheitswahrnehmung nicht vollumfänglich unterbunden, sondern lediglich beschränkt hätte. Eine Beschränkung auf eine Standkundgebung wäre auch jedenfalls gleichermaßen zur Gefahrenabwehr geeignet gewesen. Der Beklagte hat die Versammlungsauflösung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren maßgeblich damit begründet, dass ein Demonstrationszug der Klägerin durch die umliegenden Straßen der E. Innenstadt aufgrund des erhöhten Gefahrenpotentials eines Aufzugs sowie angesichts der entlang der geplanten Route in Kleingruppen agierenden Gegendemonstranten besonders gefährdet gewesen wäre. Dass in der Situation unmittelbar auf dem O.-markt nach dem dortigen Beginn der Eilversammlung gewaltsame Übergriffe zu befürchten gewesen seien, hat der Beklagte hingegen weder behauptet noch ist dies sonst ersichtlich. Hiergegen spricht insbesondere, dass die kurz zuvor beendete Mahnwache der Klägerin auf dem O.-markt gegenüber den stattfindenden Gegenprotesten erfolgreich durch die Polizei abgesichert werden konnte. Vor diesem Hintergrund hätte es zur effektiven Vermeidung von gewalttätigen Angriffen der Gegendemonstranten auf den geplanten Demonstrationszug jedenfalls genügt, die Eilversammlung auf eine Standkundgebung am O.-markt zu beschränken, welche der Versammlungsleiter der Klägerin als Auftakt des geplanten Demonstrationszuges ohnehin bereits vor Ort begonnen hatte. 92Zum Vorrang der Beschränkung auf eine Standkundgebung vgl. Kniesel/Poscher, in Handbuch des Polizeirechts, 7 Aufl. 2021, Kapitel J Rn. 352. 93Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von dem Beklagten angeführten Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, 94OVG NRW, Urteil vom 24.09.2019 ‑ 15 A 3186/17 , juris Rn. 124, 95nach der die Polizei den Veranstalter einer Versammlung vor deren Auflösung nicht auf die Durchführung einer Standkundgebung verweisen muss, wenn ausdrücklich nur ein Aufzug angemeldet wurde und an einer Standkundgebung ersichtlich kein Interesse besteht. 96Diese Rechtsprechung lässt sich auf das vorliegende Verfahren nicht übertragen, da hier nicht anzunehmen war, dass die Klägerin an der Durchführung einer Standkundgebung kein Interesse hatte. Der Versammlungsleiter der Klägerin hatte nach deren unwidersprochenem Vortrag bei der Anmeldung der Eilversammlung gegenüber den Polizeibeamten ausdrücklich erklärt, dass diese zunächst als Standkundgebung auf dem O.-markt beginnen sollte, bis die Polizei bereit sei, den geplanten Demonstrationszug zu begleiten. Zudem hatte die Versammlung im Zeitpunkt der Auflösung in dieser Form bereits tatsächlich begonnen. Ein Interesse der Klägerin, die anlässlich der Diskussion zur Durchführung der Abreise kurzfristig begehrte Eilversammlung wenigstens als Standkundgebung durchzuführen, war somit eindeutig erkennbar. Dem steht auch nicht entgegen, dass die ursprüngliche Mahnwache, die ohnehin bis 22:00 Uhr angemeldet war, bereits gegen 21:00 Uhr vorzeitig durch den Versammlungsleiter beendet wurde. Auch wenn die Klägerin hierdurch auf die weitere Durchführung der ursprünglichen Mahnwache verzichtet hat, lässt sich dem jedenfalls nicht entnehmen, dass für den entsprechenden Zeitraum darüber hinaus auch endgültig und unwiderruflich auf die Durchführung sämtlicher anderer, unter Umständen kurzfristig begehrter Versammlungen verzichtet werden sollte. 97Unabhängig von den festgestellten Ermessensfehlern waren vorliegend auch bereits die Voraussetzungen für eine polizeiliche Inanspruchnahme der klägerischen Versammlung nicht gegeben. 98Soweit der Beklagte zur Begründung der Versammlungsauflösung vorgetragen hat, dass die (uneingeschränkte) Durchführung der Eilversammlung einschließlich des begehrten Aufzuges zum E. Hauptbahnhof wegen zu erwartender Angriffe von Seiten gewaltbereiter Gegendemonstranten mit einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Sinne des § 15 Abs. 1 VersG verbunden gewesen wäre, ging eine solche Gefahr jedenfalls nicht unmittelbar von der klägerischen Versammlung selbst aus. Insbesondere vermochte auch eine von der begehrten Eilversammlung ausgehende Provokationswirkung eine Störereigenschaft der klägerischen Versammlung nicht zu begründen, da es versammlungstypisch und damit grundgesetzlich geschützt ist, im Rahmen der Straffreiheit und der öffentlichen Ordnung zu provozieren. Weil die Klägerin somit Nichtstörerin war, durfte die Polizei gegen sie nur unter den Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes einschreiten. 99Sind Störungen der öffentlichen Sicherheit vorwiegend aufgrund des Verhaltens Dritter - insbesondere von Gegendemonstranten - zu befürchten, während sich Veranstalter und Versammlungsteilnehmer überwiegend friedlich verhalten, so sind behördliche Maßnahmen primär gegen die Störer zu richten. Gegen die friedliche Versammlung selbst kann dann nur unter den besonderen, eng auszulegenden Voraussetzungen des polizeilichen Notstands eingeschritten werden. Dies setzt voraus, dass die Versammlungsbehörde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit andernfalls wegen der Erfüllung vorrangiger staatlicher Aufgaben und trotz des Bemühens, gegebenenfalls externe Polizeikräfte hinzuzuziehen, zum Schutz der angemeldeten Versammlung nicht in der Lage wäre. Keinesfalls darf der Nichtstörer einem Störer gleichgestellt und die Auswahl des Adressaten der versammlungsrechtlichen Verfügung von bloßen Zweckmäßigkeitserwägungen abhängig gemacht werden. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines polizeilichen Notstandes liegt wiederum bei der Behörde. Eine pauschale Behauptung dieses Inhalts reicht nicht. 100Vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Dezember 2012 - 1 BvR 2794/10 , juris Rn. 17; Beschluss vom 11. September 2015 - 1 BvR 2211/15 , juris Rn. 3; OVG NRW, Urteil vom 24. September 2019 - 15 A 3186/17, juris Rn. 109. 101Nach diesen Maßstäben war ein polizeilicher Notstand bei Erlass der streitgegenständlichen Auflösungsverfügung nicht gegeben. Hinreichende tatsachengestützte Anhaltspunkte dafür, dass die Polizei in der Situation am 13. September 2019 in E. nicht in der Lage war, die angemeldete Eilversammlung der Klägerin durch ein Einschreiten gegen die Gegendemonstranten als Primärstörer zu schützen, hat der Beklagte nicht dargelegt und sind auch sonst nicht ersichtlich. 102Die Annahme eines polizeilichen Notstandes ließ sich jedenfalls nicht pauschal auf den Umstand stützen, dass von einem Aufzug ein gegenüber einer Standkundgebung allgemein erhöhtes Gefahrenpotenzial ausgeht. Ein Einschreiten der Polizei gegen nichtstörende Demonstrationszüge wäre ansonsten stets ohne weiteres möglich und der grundrechtliche Schutz aus Art. 8 GG würde ausgehöhlt. Auch im Hinblick darauf, dass in der streitgegenständlichen Situation insgesamt 280 Polizeikräfte des Beklagten vor Ort im Einsatz waren, während die klägerische Eilversammlung, an der lediglich 60 Personen teilnahmen und bei der außerdem ein Lautsprecherfahrzeug mitgeführt werden sollte, von eher überschaubarer Größe war, ließ sich nicht ohne weiteres annehmen, dass eine effektive Absicherung des Aufzugs gegenüber den Gegendemonstranten nicht möglich gewesen wäre. Soweit sich der Beklagte darauf beruft, dass es bereits bei früheren Versammlungen der Klägerin zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen sei und sich vorliegend die Gegendemonstranten bereits im Vorfeld der klägerischen Versammlung durch ein hohes Maß an Organisation ausgezeichnet hätten, hat er nicht dargelegt, weshalb aufgrund dieser Beobachtungen nicht schon frühzeitig weitere Polizeikräfte zur Verstärkung des Einsatzes mobilisiert worden sind. 103Ein polizeilicher Notstand wäre vor diesem Hintergrund nur dann anzunehmen gewesen, wenn im Zeitpunkt der Auflösung der Versammlung davon auszugehen gewesen wäre, dass es von Seiten der Gegendemonstranten zu Übergriffen in einem so erheblichen Umfang kommen würde, dass der Aufzug der Klägerin nicht mehr geschützt werden könnte. Konkrete und tatsachengestützte Anhaltspunkte hierfür hat der Beklagte jedoch nicht benannt. 104Der Beklagte hat zwar behauptet, dass bei Erlass der Auflösungsverfügung von den insgesamt mehr als 300 Gegendemonstranten am O.-markt mindestens 150 Personen als gewaltbereit einzustufen gewesen seien. Dabei bleibt jedoch bereits unklar, inwiefern die pauschale Einschätzung als „gewaltbereit“ bedeutete, dass von den Personen im konkreten Fall gewalttätige Übergriffe auf einen polizeilich geschützten Aufzug zu erwarten waren. Zudem hat der Beklagte nicht erläutert, an welchen konkreten Anhaltspunkten diese Einschätzung festzumachen war. Allein der Umstand, dass die Menge der Gegendemonstranten die Parole „Nazi Schweine“ skandierte, trägt diese Einschätzung jedenfalls nicht. Ansonsten hat der Beklagte lediglich ausgeführt, dass noch während der ursprünglichen Mahnwache szenekundige Beamte unter den 150 Gegendemonstranten nördlich des O.-marktes mindestens 20 gewaltbereite Personen erkannt hätten und sich zudem mindestens 20 Personen vermummt hätten. Worauf sich demgegenüber die zum späteren Zeitpunkt der Auflösung der Eilversammlung getroffene Einschätzung stützte, dass nunmehr von insgesamt mindestens 150 gewaltbereiten Personen auszugehen sei, ist jedoch nicht ersichtlich und lässt sich insbesondere auch nicht anhand der Einsatzdokumentation des Beklagten nachvollziehen. Vielmehr wurde mit Eintragung von 20:39 Uhr (Beleg Nr. 139) im Einsatztagebuch des Beklagten festgehalten, dass die Personengruppe südlich des O.-marktes „gut-bürgerlich“ und „völlig unproblematisch“ sei. Hinsichtlich der Personengruppe im nördlichen Bereich wurde mit Eintragung von 20:30 Uhr (Beleg Nr. 134) dokumentiert, dass von den 150 Personen 20 Personen der „Kategorie gelb“ und der Rest „grün“ zuzuordnen sei. Mit Eintragung von 20:45 Uhr (Beleg Nr. 143) wurde schließlich festgehalten, dass im „Bereich der Ordnungsdienste (alte Apotheke)“ 80 Personen als „eher gewaltbereit“ einzuschätzen seien. Auch die Einsatzdokumentation des Beklagten liefert insofern weder ein klares noch erkennbar tatsachengestütztes Bild zur Gewaltbereitschaft der Gegendemonstranten in der streitgegenständlichen Situation. 105Ein polizeirechtlicher Notstand lässt sich ferner auch nicht damit begründen, dass nach Beendigung der ursprünglichen Mahnwache der Klägerin bereits einige Polizeikräfte den O.-markt verlassen hatten, um die Abreise vorzubereiten, und sich deshalb im Zeitpunkt der Versammlungsauflösung nur noch 100-120 Polizeibeamte am O.-markt befanden. Denn der Beklagte hat bereits nicht dargelegt, inwiefern die Absicherung der klägerischen Eilversammlung einerseits einen höheren Aufwand als die Vorbereitung der Abreise der Versammlungsteilnehmer bedeutet und andererseits die Anwesenheit der entsandten Polizeikräfte unmittelbar auf dem O.-markt erfordert hätte. Es erscheint vielmehr naheliegend, dass die Maßnahmen der entsandten Beamten zur Absicherung der Abreise der Versammlungsteilnehmer bis zur U‑Bahnhaltestelle M.-straße gerade auch geeignet gewesen wären, den angemeldeten Aufzug zum Hauptbahnhof oder wenigstens einen durch eine - im Verhältnis zur Auflösung der Versammlung weniger einschneidende - Auflage bis zur U‑Bahnhaltestelle verkürzten Aufzug zu sichern, weil die entsprechende Route (weitgehend) auf derselben Strecke wie die Abreise verlaufen wäre. 106Da also schon nicht ersichtlich ist, inwiefern eine Rückkehr der entsandten Polizeikräfte zum O.-markt , bzw. der Einsatz weiterer - nicht zur Verfügung stehender - Einsatzkräfte überhaupt notwendig war, bietet auch die Behauptung des Beklagten, dass im Erlasszeitpunkt der Versammlungsauflösung nur noch elf Minuten bis zum geplanten Beginn des Aufzuges verblieben seien, keine tragfähige Grundlage für die Annahme eines polizeilichen Notstandes. Dies gilt insbesondere, weil der Versammlungsleiter der Klägerin nach unwidersprochenem Vortrag bei der Anmeldung erklärte, den Aufzug erst dann zu beginnen, wenn die Polizei dazu bereit sei. 107Zudem ist nicht dargetan, weshalb die bereits zur Vorbereitung und Absicherung der Abreise entsendeten Polizeikräfte, soweit erforderlich, zur Absicherung einer Standkundgebung nicht auch kurzfristig zum O.-markt zurückkehren konnten. 108Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. 109Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. 110Rechtsmittelbelehrung: 111Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn 1121. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 1132. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 1143. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 1154. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 1165. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. 117Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, zu beantragen. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich einzureichen. 118Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 119Im Berufungsverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO. 120Beschluss 121Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt. 122Gründe: 123Die Entscheidung beruht auf § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes. 124Rechtsmittelbelehrung: 125Gegen diesen Beschluss findet Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt. 126Die Beschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Über die Beschwerde entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, falls das beschließende Gericht ihr nicht abhilft. 127Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
es wird festgestellt, dass die auflösung der eilversammlung der klägerin am 13. september 2019 auf dem e. o.-markt rechtswidrig gewesen ist. die kosten des verfahrens trägt der beklagte. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der beklagte darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110% des aufgrund des urteils gegen ihn vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht die klägerin vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1
2die klägerin begehrt die feststellung der rechtswidrigkeit der auflösung einer eilversammlung. 3die klägerin meldete, vertreten durch ihren stellvertretenden landesvorsitzenden, mit e-mail vom 9. september 2019 bei dem beklagten eine versammlung für den 13. september 2019, einen freitag an. diese sollte als mahnwache von 19:30 bis 22:00 uhr auf dem e. o.-markt mit dem thema „während die polizei in e2. eine wand ‚bewacht‘, entfaltet sich auf dem o.-markt überwiegend fremdvölkische kriminalität“ stattfinden. als verantwortlicher leiter der versammlung wurde der stellvertretende landesvorsitzende der klägerin benannt. in der anmeldung wurde außerdem mitgeteilt, dass für die versammlung 30 bis 50 teilnehmer zu erwarten seien. als hilfsmittel wurde neben fahnen, transparenten, einem infotisch und megaphonen auch eine lautsprecheranlage nebst lautsprecherwagen angegeben. 4der beklagte bestätigte zunächst mit bescheid vom 12. september 2019 gegenüber der klägerin die angemeldete versammlung und machte deren durchführung nach § 15 abs. 1 versammlungsgesetz (versg) von insgesamt elf auflagen abhängig. 5mit bescheid vom 13. september 2019 erließ der beklagte unter aufhebung des vorherigen bescheides eine neue, weitgehend gleichlautende versammlungsbestätigung, durch die eine der erlassenen auflagen inhaltlich abgeändert wurde. 6wie bereits die ursprüngliche versammlungsbestätigung enthielt auch dieser bescheid neben den als solche gekennzeichneten auflagen die folgende formulierung: 7„ich weise sie darauf hin, dass die anreise und die abreise keinen aufzugscharakter durch einen gemeinsamen marsch/aufzug oder die verwendung von hilfsmitteln (transparente/fahnen etc.) haben dürfen. ich würde dies rechtlich als unangemeldeten aufzug werten.“ 8am abend des 13. september 2019 wurde die versammlung zunächst wie angemeldet durchgeführt. gegen 19:30 uhr erreichten 40-50 versammlungsteilnehmer mit der u-bahn die haltestelle m.-straße in e. und wurden von dort als gruppe von der polizei zu dem ca. 1 kilometer entfernten o.-markt geführt. gegen 19:45 uhr begann die kundgebung der klägerin, an der insgesamt etwa 60 personen teilnahmen. die polizei war am abend der streitgegenständlichen versammlung mit insgesamt 280 polizeivollzugsbeamten im einsatz, insbesondere um die klägerische versammlung auf dem o.-markt gegenüber den erwarteten gegenprotesten zu sichern. 9gegen 20:30 uhr traten die beiden von dem beklagten eingesetzten kommunikationsbeamten an den versammlungsleiter c. heran und fragten an, wie die abreise der versammlungsteilnehmer geplant sei. dieser teilte mit, dass es keine konkrete planung gebe. wichtig sei nur, dass das bei der versammlung als lautsprecherwagen eingesetzte fahrzeug, ein ford transit kleintransporter, geschlossen mit den versammlungsteilnehmern „im pulk“ aus dem bereich der innenstadt geführt werde, bis eine größere freie straße erreicht sei, von der aus die abfahrt beginnen könne. hierdurch solle vermieden werden, dass gegendemonstranten das fahrzeug in den kleinen und verwinkelten straßen um den o.-markt durch flaschen- oder steinwürfe beschädigen könnten. ein effektiver schutz des fahrzeugs vor gegendemonstranten sei nur gewährleistet, wenn es gemeinsam mit den teilnehmern unter dem schutz des gesamten polizeiaufgebots aus der innenstadt geführt werde. 10nach rücksprache mit der einsatzleitung teilten die kommunikationsbeamten des beklagten dem versammlungsleiter mit, dass die abreise der versammlungsteilnehmer nicht „im pulk“ mit dem lautsprecherwagen, sondern als fußgruppe erfolgen solle, da eine solche sich insbesondere im falle von blockaden flexibler bewegen könne. in der folge kam es zu einer diskussion über die durchführung der abreise, deren einzelheiten teilweise zwischen den beteiligten streitig sind. 11um 21:00 uhr erklärte der versammlungsleiter der klägerin die kundgebung für beendet. daraufhin traten die kommunikationsbeamten des beklagten schließlich erneut an den versammlungsleiter heran und teilten ihm mit, dass eine gemeinsame abreise der teilnehmer zusammen mit dem lautsprecherfahrzeug nicht zugelassen werde. zur begründung verwiesen die beamten den versammlungsleiter auf den in der versammlungsbestätigung enthaltenen hinweis, nach dem die an- und abreise keinen aufzugscharakter haben dürfe. 12der versammlungsleiter der klägerin erklärte sich damit nicht einverstanden und teilte gegenüber den beamten mit, ab 21:15 uhr eine „spontandemonstration“ als folgeveranstaltung zu der beendeten kundgebung durchzuführen. diese sollte am o.-markt beginnen und dann als demonstrationszug zum hauptbahnhof ziehen. die kommunikationsbeamten des beklagten erklärten daraufhin, keine versammlungsanmeldungen entgegenzunehmen. 13das einsatztagebuch der polizei enthält diesbezüglich unter beleg nr. 155 folgenden eintrag: 14„21.07: pf: c. meldet spontandemo an gegen maßnahme, dass sein fz nicht mit den tn fahren darf: 15es wird nicht kooperiert: ablehnung aus folgenden gründen: 161. bei der morgigen demo kann er seinen unmut über die maßnahme kundtun 172. hat mit der heutigen versammlungsbestätigung mitgeteilt bekommen, dass seine abmarschphase keinen aufzugscharakter haben darf. das würde bei einem nachgeführten bzw. vorherfahrenden fz den eindruck eines aufzuges kommen und deshalb abgelehnt. (…)“ 18um 21:15 uhr begann der versammlungsleiter der klägerin die angekündigte kundgebung zum thema „polizeiwillkür“, wofür die bereits abgebaute lautsprecheranlage vor ort auf dem o.-markt wieder aufgebaut wurde, teilte den anwesenden den grund für die kundgebung mit und äußerte kritik am vorgehen der polizeibehörde. kurz nach beginn dieser lautsprecheransprache traten etwa zehn polizeibeamte des beklagten an den versammlungsleiter heran und forderten ihn auf, die lautsprecheranlage sofort abzustellen. 19auf nachfrage gaben die polizeibeamten gegenüber dem versammlungsleiter bekannt, dass die versammlung verboten und damit aufzulösen sei und sprachen platzverweise gegen die anwesenden teilnehmer aus. zur begründung verwiesen die polizeibeamten darauf, dass das versammlungsanliegen bis zu der bereits für den folgetag durch die klägerin ebenfalls in e. angemeldeten versammlung warten könne und deshalb kein grund für die begehrte versammlung bestehe. 20das einsatztagebuch der polizei enthält diesbezüglich unter beleg nr. 159 folgenden eintrag: 21„21:19: pf teilt telefonisch mit, dass die versammlung vor ort durch herrn c. nicht als spontanversammlung (siehe beleg 155) gewertet wurde und herr c. aber weiter seine lautsprecherdurchsagen betrieben hat, liegt kein verstoß gegen die auflagen vor, sondern ein verstoß gegen limschg. 22durch einsatzkräfte erhält er eine auflösungsverfügung, da er faktisch eine versammlung betreibt. er wird aufgefordert, die lautsprecher abzustellen und einzuladen und erhält einen platzverweis (auch mitfahrer in seinem fz) für die örtlichkeit.“ 23der versammlungsleiter teilte den anwesenden sodann über die lautsprecheranlage die auflösung der versammlung durch die polizei mit. die ca. 60 ehemaligen versammlungsteilnehmer verließen daraufhin den o.-markt und begaben sich in einer gruppe, die von den eingesetzten polizeikräften umringt begleitet wurde, zur u-bahnstation m.-straße. der lautsprecherwagen blieb zunächst auf dem o.-markt zurück. während der abreise skandierten die ehemaligen versammlungsteilnehmer „hier marschiert der nationale widerstand“ und andere parolen. einzelne gegendemonstranten, die sich am straßenrand des abreisewegs befanden, machten sich lautstark bemerkbar und beschimpften die abreisenden. zu gewalttätigen auseinandersetzungen kam es nicht. 24die klägerin hat am 17. september 2019 klage erhoben, mit der sie die feststellung der rechtswidrigkeit sowohl der versammlungsauflösung als auch der erteilten platzverweise begehrt hat. 25zur begründung trägt sie vor, dass die klage als fortsetzungsfeststellungsklage zulässig sei. die klägerin sei insbesondere auch hinsichtlich der angeordneten platzverweise klagebefugt, weil sich diese maßnahmen gegen alle teilnehmer der im namen der klägerin angemeldeten spontan- bzw. eilversammlung gerichtet hätten und insofern die rechte der klägerin betroffen seien. 26ferner habe die klägerin auch das notwendige fortsetzungsfeststellungsinteresse. es bestehe zum einen ein rehabilitationsinteresse, weil die klägerin durch die maßnahmen des beklagten in der öffentlichkeit bloßgestellt worden sei. außerdem bestehe wiederholungsgefahr. diese folge insbesondere daraus, dass die eingesetzten kommunikationsbeamten des beklagten nach der beendigung der ursprünglichen mahnwache die entgegennahme der anmeldung der spontan- bzw. eilversammlung zu unrecht abgelehnt und den versammlungsleiter der klägerin zur begründung darauf verwiesen hätten, dass das versammlungsanliegen auch bis zu der für den folgetag bereits angemeldeten versammlung ebenfalls in e. warten könne. es sei jedoch nicht die aufgabe der polizei, die sinnhaftigkeit und nachvollziehbarkeit einer angemeldeten versammlung zu hinterfragen. zudem gehe die polizeibehörde offenbar unzutreffend davon aus, dass es das grundrecht auf versammlungsfreiheit nur rationiert gebe und versammlungen nur zulässig seien, wenn sie innerhalb der 48-stunden frist angemeldet würden. auch der in der versammlungsbestätigung des beklagten enthaltene hinweis zur an- und abreise der versammlungsteilnehmer suggeriere, dass die behörde der unzutreffenden auffassung sei, dass unangemeldete versammlungen grundsätzlich zu untersagen seien. daher sei zu befürchten, dass die polizeibehörde auch in zukunft entsprechend gegen versammlungen der klägerin vorgehen werde. 27die klage sei auch begründet, weil die auflösung der versammlung rechtswidrig gewesen sei. 28die klägerin führt aus, dass eine gefährdung der öffentlichen sicherheit und ordnung nicht vorgelegen habe. eine solche sei von der polizeibehörde in der situation vor ort nicht einmal behauptet worden. erst dadurch, dass nach der auflösung der versammlung die polizei nahezu alle kräfte vom ort der kundgebung abgezogen habe, um die abreisenden teilnehmer zu begleiten, und das lautsprecherfahrzeug der klägerin nur noch von wenigen beamten geschützt zurückgeblieben sei, sei es zu einem angriffsversuch der gegendemonstranten auf das fahrzeug gekommen, welchen die polizei jedoch habe abwehren können. 29die klägerin macht außerdem geltend, dass sie vorliegend nicht zur abwehr der von den gegendemonstranten ausgehenden gefahren hätte polizeilich in anspruch genommen werden dürfen. die voraussetzungen des polizeilichen notstandes hätten nicht vorgelegen. die e. polizei habe ausreichende erfahrung mit versammlungen in der e. o. , sei in der streitgegenständlichen situation mit einem großen aufgebot an polizeikräften vor ort gewesen und habe dem kundgebungsort weiträumig abgesichert. es sei nicht bekannt, dass es während der anreise der versammlungsteilnehmer und der durchführung der kundgebung zu straftaten durch gegendemonstranten gekommen sei. dass es auf der plattform twitter von seiten des linken spektrums im minutentakt zu meldungen und berichterstattung über den verlauf der versammlung komme, um den gegenprotest zu organisieren, sei im übrigen bei nahezu jeder versammlung der klägerin festzustellen. die polizei sei in der streitgegenständlichen situation ausreichend präsent gewesen, um die versammlung zu sichern. dies zeige sich auch daran, dass die polizeikräfte nach auflösung der versammlung die unverzüglich angetretene abreise der teilnehmer habe gewährleisten können. wenn es tatsächlich große gruppen von störern gegeben hätte, hätte der abreiseweg hingegen zunächst durch die polizei abgesperrt werden müssen. obwohl solche absperrungen nicht errichtet gewesen seien, sei es bei der abreise nur durch wenige gegendemonstranten am rande zu pöbeleien gekommen. übergriffe habe es hierbei jedoch nicht gegeben. 30die klägerin meint ferner, dass nicht nachvollziehbar sei, weshalb die kurzfristig angemeldete folgeversammlung nicht wenigstens wie bereits die vorherige mahnwache als standkundgebung stattfinden durfte, sondern unmittelbar vor ort aufgelöst wurde. der versammlungsleiter habe bei der anmeldung der folgeversammlung erklärt, dass auch diese zunächst als standkundgebung stattfinden und – sobald die polizei bereit sei – als demonstrationszug zum hauptbahnhof fortgesetzt werden solle. diese standkundgebung habe bereits mit der lautsprecheransprache des versammlungsleiters begonnen. selbst wenn der aufzug zum hauptbahnhof angesichts dessen gefahrenpotenzials nicht durchführbar gewesen sein sollte, sei die auflösung der kundgebung noch am ort der vorherigen versammlung jedenfalls unverhältnismäßig gewesen. denn die vorherige mahnwache sei ohnehin für eine reguläre dauer bis 22:00 uhr angemeldet und von der polizeibehörde bestätigt worden. zudem sei es in der zwischenzeit weder zu einer veränderung der sicherheitsvorkehrungen der polizei noch zu störungen durch die gegendemonstranten gekommen. 31die klägerin hat in der mündlichen verhandlung am 19. juli 2022 das verfahren hinsichtlich der ursprünglich begehrten feststellung der rechtswidrigkeit der erteilten platzverweise für in der hauptsache erledigt erklärt. 32der beklagte hat sich der erledigungserklärung nicht angeschlossen. 33die klägerin beantragt, 34351. festzustellen, dass die auflösung ihrer spontanversammlung am 13. september 2019 auf deme. o.-markt rechtswidrig gewesen ist, 362. festzustellen, dass sich der rechtsstreit hinsichtlich der im anschluss an die auflösung durch die polizei gegenüber allen versammlungsteilnehmern erteilten platzverweise in der hauptsache erledigt hat. 37der beklagte beantragt, 38 die klage abzuweisen. 39zur begründung trägt er vor, dass die klage bereits unzulässig sei. die klägerin sei weder klagebefugt noch habe sie ein berechtigtes interesse an der feststellung der rechtswidrigkeit der angegriffenen maßnahmen. durch die versammlungsauflösung seien keinerlei rechte und interessen der klägerin betroffen gewesen. da es sich bei der aufgelösten versammlung um eine spontanversammlung gehandelt habe, sei die klägerin nämlich weder veranstalterin noch leiterin der versammlung gewesen. insbesondere seien keine anhaltspunkte dafür ersichtlich gewesen, dass der stellvertretende landesvorsitzende der klägerin bei der anmeldung der folgeversammlung in deren namen gehandelt habe, weshalb sich auch insofern eine veranstaltereigenschaft der klägerin nicht annehmen lasse. 40die klage sei außerdem unbegründet. denn die auflösung der versammlung sei rechtmäßig ergangen. die öffentliche sicherheit sei vorliegend unmittelbar gefährdet gewesen, weil mit einem unfriedlichen verlauf der versammlung zu rechnen gewesen sei. zum zeitpunkt des ausspruchs der auflösung hätten konkrete anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass es bei durchführung des aufzugs zeitnah und höchstwahrscheinlich zu körperlichen auseinandersetzungen zwischen den teilnehmern und den gegendemonstranten gekommen wäre. insofern sei mit an sicherheit grenzender wahrscheinlichkeit zu befürchten gewesen, dass es zu straftaten nach §§ 223 ff. strafgesetzbuch (stgb) sowie beeinträchtigungen der körperlichen unversehrtheit von versammlungsteilnehmern, gegendemonstranten, zum einschreiten verpflichteter polizeibeamter und unbeteiligter dritter komme. 41zur begründung der gefahrenprognose verweist der beklagte darauf, dass es in der e. o. in jüngerer vergangenheit bereits bei mehreren versammlungen der klägerin zu gewalttätigen auseinandersetzungen zwischen den versammlungsteilnehmern und angehörigen des linken spektrums gekommen sei. 42der streitgegenständlichen auflösungsverfügung habe im erlasszeitpunkt zudem folgendes lagebild zugrunde gelegen: bereits im vorfeld der angemeldeten versammlung sei die planungsgrundlage hinsichtlich des zu erwartenden gegenprotests unklar gewesen, da keine gegendemonstration angemeldet worden sei. lediglich durch das stetige überprüfen sozialer medien habe festgestellt werden können, dass die linke szene eine sehr große anzahl von gegendemonstranten mobilisiert habe. die anzahl der eingesetzten polizeikräfte sei insofern für den schutz der standkundgebung sowie den erwarteten gegenprotest dimensioniert gewesen. am tag der versammlung seien die gegendemonstranten in hohem maße organisiert gewesen. überall in der o. hätten sogenannte späher die polizeilichen bewegungen beobachtet, um daraus den fortgang der versammlung der klägerin zu erkennen. bereits bei der anreise der versammlungsteilnehmer der klägerin hätten sich die linken gegendemonstranten über meldungen auf twitter über die bewegung der versammlungsteilnehmer informiert, um den gegenprotest dementsprechend zu positionieren. zu diesem zeitpunkt hätten sich drei gruppen des linken spektrums von jeweils 20 bis 70 personen an der n.-straße , an der n1.-straße und an der kleinen c1.-straße positioniert. zudem sei die anreise der versammlungsteilnehmer durch eine sitzblockade von circa 20 personen auf der n.-straße gestört worden. über den konkreten verlauf der anreise der rechten versammlungsteilnehmer sei innerhalb der linken szene im minutentakt durch twitter-meldungen informiert worden. nach beginn der standkundgebung der klägerin hätten sich schließlich die einzelnen gruppen des linken spektrums zu einer großen gruppe von insgesamt circa 300 gegendemonstranten um den o.-markt versammelt, eine hälfte südlich des o.-marktes im bereich der n.-straße, die andere hälfte im nördlichen bereich an der sperrlinie der polizei. der beklagte führt aus, es habe zu jenem zeitpunkt bereits anhaltspunkte für die konfliktbereitschaft der gegendemonstranten gegeben. szenekundige polizeibeamte hätten unter den circa 150 gegendemonstranten im nördlichen bereich mindestens 20 gewaltbereite personen erkannt. mindestens 20 personen hätten sich vermummt und gegen eine person sei wegen des mitführens von vermummungsmaterial ein ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet worden. kurz vor beendigung der standkundgebung der klägerin hätten sich die gegendemonstranten der linken szene erneut über twitter über das bevorstehende ende der versammlung sowie den mutmaßlichen verlauf der abreise der rechten versammlungsteilnehmer informiert. daraufhin hätten sich die beiden großen personengruppen wieder in einzelne kleinere gruppen zersplittert. 20 gegendemonstranten hätten sich dabei an der haltestelle brunnenstraße positioniert, von der die abreise der rechten versammlungsteilnehmer geplant gewesen sei. 43im zeitpunkt der sodann zwischen dem versammlungsleiter der klägerin und den kommunikationsbeamten geführten diskussion über die modalitäten der abreise sei es in den kleinen und unübersichtlichen straßen um den o.-markt bereits dunkel gewesen. die linken gegendemonstranten hätten sich sodann über twitter gegenseitig über die angemeldete spontanversammlung sowie deren geplante route informiert. daraufhin sei es zu einem starken rückfluss der gegendemonstranten zum o.-markt gekommen, wobei jedoch eine genaue zählung durch die polizeibeamten aufgrund der schlechten sichtverhältnisse, der örtlichen gegebenheiten sowie der mehrfachen veränderung der gruppen, in denen sich die gegendemonstranten bewegten, nicht möglich gewesen sei. die aggressiv skandierende menge an gegendemonstranten am o.-markt sei im verlauf der diskussion über die abreise immer größer geworden. im zeitpunkt des erlasses der auflösungsverfügung durch den polizeiführer sei von weit mehr als 300 personen des linken spektrums auszugehen gewesen, von denen nunmehr mindestens 150 als gewaltbereit einzustufen gewesen seien. in dieser situation sei die gruppendynamik der gegendemonstranten darauf ausgelegt gewesen, die polizeikräfte von der kundgebung wegzulocken, um sodann die versammlung der klägerin anzugreifen. die beurteilungslage habe sich für die polizei insgesamt sehr schwierig dargestellt. 44die klägerische versammlung sei ferner auch zu recht in anspruch genommen worden sei, da die voraussetzungen des polizeilichen notstandes vorgelegen hätten. maßnahmen gegen die vorrangig in anspruch zu nehmenden störer seien nicht oder nicht rechtzeitig möglich gewesen und hätten keinen erfolg versprochen. der beklagte führt insofern aus, dass sich die einsatzlage für die polizei entscheidend geändert hätte, wenn die klägerin ihre standkundgebung als aufzug fortgesetzt hätte. das aufgebot der 280 eingesetzten polizeikräfte sei darauf ausgelegt gewesen, ausschließlich eine standkundgebung abzusichern. da ein aufzug demgegenüber jedoch ein erhöhtes gefahrenpotential für angriffe von außen wie auch für provokationen durch versammlungsteilnehmer selbst aufweise, hätten die eingesetzten polizeikräfte in anbetracht der erheblichen anzahl von 300 teils gewaltbereiten gegendemonstranten die zu erwartenden angriffe auf die versammlung nicht mit hinreichender sicherheit abwehren können. in der kürze der zur verfügung stehenden zeit sei eine sicherung des geplanten aufzugs weder vorab noch auf andere weise möglich gewesen. dabei sei zu berücksichtigen, dass zu beginn der spontanversammlung bereits ein teil der polizeikräfte vom ort der kundgebung entsandt worden sei, um die abreise der versammlungsteilnehmer vorzubereiten und die entsprechende strecke zu sichern. am o.-markt hätten sich deshalb nur noch etwa 100 bis 120 einsatzkräfte befunden. effektive verstärkung habe aufgrund der kurzen zeitspanne zwischen der anmeldung und dem geplanten beginn des aufzugs von nur elf minuten nicht angefordert und bereitgestellt werden können. 45die auflösung der klägerischen versammlung sei schließlich auch ermessenfehlerfrei ergangen. der beklagte beruft sich darauf, dass hinsichtlich der versammlungsauflösung ermessensfehler bereits deshalb nicht gegeben seien, weil mit der auflösung lediglich ein zuvor verhängtes verbot der folgeversammlung umgesetzt worden sei und die insofern einschlägige vorschrift des § 15 abs. 4 versg keinen ermessenspielraum vorsehe. die versammlungsauflösung sei im übrigen verhältnismäßig gewesen. weniger eingriffsintensive maßnahmen wie etwa eine versammlungsrechtliche auflage zur zeitlichen begrenzung oder örtlichen verlegung der versammlung seien angesichts der kurzen zeitspanne nicht gleichermaßen zur gefahrenabwehr geeignet gewesen. die polizeibehörde sei ferner nicht gehalten gewesen, der klägerin anstelle des angemeldeten aufzuges zum hauptbahnhof eine standkundgebung an derselben stelle am o.-markt anzubieten bzw. aufzugeben. dem stehe zum einen entgegen, dass die klägerin durch die vorzeitige beendigung der ursprünglich bis 22:00 uhr gestatteten standkundgebung auf die weitere durchführung einer solchen verzichtet habe. insofern verweist der beklagte auf die rechtsprechung des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen (urteil vom 24.09.2019 ‑ 15 a 3186/17). zum anderen sei eine solche auflage aufgrund des gegebenen lagebildes nicht gleichermaßen zur abwehr der beschriebenen gefahren geeignet gewesen. 46die kammer hat mit beschluss vom 19. juli 2022 das verfahren, soweit der klageantrag zu 2. betroffen ist, abgetrennt. 47wegen der weiteren einzelheiten des sach-und streitstandes wird bezug genommen auf die gerichtsakten einschließlich der beigezogenen verwaltungsvorgänge des beklagten. 48
49nach abtrennung des verfahrens hinsichtlich des klageantrags zu 2. ist im vorliegenden verfahren allein noch die feststellung der rechtswidrigkeit der versammlungsauflösung streitgegenstand. 50insoweit hat die klage erfolg. 51sie ist als fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 abs. 1 satz 4 verwaltungsgerichtsordnung (vwgo) zulässig. 52die angegriffene versammlungsauflösung hat sich unmittelbar mit deren befolgung bzw. durchsetzung am 13. september 2019 gemäß § 43 abs. 2 verwaltungsverfahrensgesetz für das land nordrhein-westfalen (vwvfg nrw) „auf andere weise“ erledigt. über den wortlaut des § 113 abs. 1 satz 4 vwgo hinaus ist die fortsetzungsfeststellungsklage auch dann statthaft, wenn die erledigung wie hier bereits vor klageerhebung eingetreten ist. 53vgl. kopp/schenke, vwgo kommentar, 27. aufl. 2021, § 113 rn. 99 m.w.n. 54die klägerin ist auch klagebefugt nach § 42 abs. 2 vwgo. als landesverband einer partei kann sie sich auf eine mögliche verletzung ihrer versammlungsfreiheit aus art. 8 abs. 1 gg berufen. inländische juristische personen des privatrechts und ihnen gleichgestellte nichtrechtsfähige personenvereinigungen wie parteien und vereine können nach art. 19 abs. 3 gg als veranstalter einer versammlung grundrechtsträger sein. 55vgl. dürig-friedl/enders, versammlungsrecht, 2016, einleitung rn. 21. 56die klägerin war vorliegend als veranstalterin der aufgelösten versammlung anzusehen. dem steht insbesondere nicht entgegen, dass es sich bei der aufgelösten versammlung nicht mehr um die ursprünglich angemeldete und bestätigte mahnwache der klägerin handelte. denn auch hinsichtlich der folgeversammlung war die klägerin als veranstalterin anzusehen. bei dieser versammlung handelte es sich um eine eilversammlung, da der versammlungsleiter und stellvertretende landesvorsitzende der klägerin die geplante versammlung – wenn auch äußerst kurzfristig – gegenüber den kommunikationsbeamten des beklagten vor ort angemeldet hatte. 57zur abgrenzung von eil- und spontanversammlung siehe bundesverfassungsgericht (bverfg), beschluss vom 23.10.1991 - 1 bvr 850/88, juris rn. 24. 58die veranstaltereigenschaft der klägerin hinsichtlich dieser eilversammlung folgt daraus, dass der stellvertretende landesvorsitzende der klägerin erkennbar in ihrem namen handelte, als er die versammlung gegenüber der polizei vor ort anzeigte. die aufgelöste versammlung stand nämlich nicht nur zeitlich, sondern auch inhaltlich in einem unmittelbaren zusammengang mit der ursprünglichen mahnwache der klägerin, weil der anlass für die eilversammlung zum thema „polizeiwillkür“ die meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der abreisemodalitäten zu der vorangegangenen versammlung waren. insofern diente die eilversammlung ersichtlich der ausübung der verbandsbezogenen versammlungsfreiheit der klägerin. zudem hatte der stellvertretende landesvorsitzende der klägerin bereits in der vergangenheit mehrfach versammlungen in ihrem namen bei der versammlungsbehörde angemeldet. 59die klägerin hat auch ein berechtigtes interesse an der begehrten feststellung. ein solches folgt vorliegend neben einer wiederholungsgefahr auch daraus, dass mit der angegriffenen versammlungsauflösung ein schwerwiegender eingriff in die versammlungsfreiheit der klägerin aus art. 8 grundgesetz (gg) gegeben ist. die auflösung einer versammlung stellt ‑ neben dem verbot im vorfeld ‑ den gravierendsten eingriff in das grundrecht der versammlungsfreiheit dar. in diesen fällen gebietet die bedeutung der versammlungsfreiheit in einer demokratie stets die möglichkeit nachträglichen rechtsschutzes. 60vgl. bverfg, beschluss vom 3. märz 2004 ‑ 1 bvr 461/03 ‑, bverfge 110, 77, juris rn. 37. 61die klage ist auch begründet. denn die auflösung der eilversammlung war rechtswidrig und verletzte die klägerin in ihren rechten (§ 113 abs. 1 satz 1 und 4 vwgo). 62die streitgegenständliche auflösungsverfügung beruhte auf einem ermessensfehlgebrauch des beklagten und war unverhältnismäßig. zudem waren die voraussetzungen für eine polizeirechtliche inanspruchnahme der klägerischen versammlung nicht gegeben. 63der beklagte hat das ihm vorliegend nach dem im maßgeblichen erlasszeitpunkt geltenden und der verfügung als ermächtigungsgrundlage zugrunde gelegten § 15 des versammlungsgesetzes des bundes (versg) eingeräumte ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt. 64nach § 15 abs. 3 versg kann die zuständige behörde eine versammlung auflösen, wenn sie nicht angemeldet ist, wenn von den angaben der anmeldung abgewichen oder den auflagen zuwidergehandelt wird oder wenn die voraussetzungen zu einem verbot nach absatz 1 oder 2 gegeben sind. 65entgegen der ansicht des beklagten handelte es sich bei der streitgegenständlichen versammlungsauflösung nicht um eine solche nach § 15 abs. 4 versg, durch die lediglich ein zuvor gemäß § 15 abs. 1 versg erlassenes verbot der versammlung vollzogen wurde. denn ein solches verbot ist gegen die eilversammlung der klägerin nicht erlassen worden. ein versammlungsverbot im sinne des § 15 abs. 1 versg ist die vor beginn der versammlung erfolgende untersagung einer geplanten versammlung mit dem ziel, ihre durchführung zu verhindern. in abgrenzung zur auflösung nach § 15 abs. 3 versg handelt es sich bei einem versammlungsverbot um eine vorbeugende maßnahme. 66vgl. dürig-friedl/enders, versammlungsrecht, § 15 rn. 115; ridder/breitbach/deiseroth, versammlungsrecht, 2 . aufl. 2020, § 15 rn. 342. 67vorliegend ist die eilversammlung der klägerin nicht vor ihrem beginn durch den beklagten untersagt worden. ein versammlungsverbot lässt sich insbesondere nicht darin erblicken, dass die eingesetzten kommunikationsbeamten gegenüber dem versammlungsleiter äußerten, eine versammlungsanmeldung nicht entgegenzunehmen, als dieser nach beendigung der ursprünglichen mahnwache erklärte, kurzfristig eine weitere versammlung durchführen zu wollen. eine ausdrückliche untersagung der versammlung ist mit dieser äußerung jedenfalls nicht gegeben. aber auch unter berücksichtigung der sonstigen umstände lässt sich dieser erklärung kein konkludent erteiltes versammlungsverbot erblicken. weil versammlungen im sinne des art. 8 gg genehmigungsfrei sind, dürfen sie auch dann durchgeführt werden, wenn die versammlungsanmeldung nicht förmlich bestätigt oder entgegengenommen wird. die verweigerung oder auch ablehnung der „entgegennahme“ einer versammlungsmeldung durch die polizei enthält deshalb keinen verbindlichen erklärungswert dahingehend, dass die versammlung nicht durchgeführt werden darf. eine auflösung der versammlung zur durchsetzung eines vorbeugenden verbotes war daher vorliegend nicht möglich. 68unabhängig davon wäre selbst in dem fall, dass ein vorbeugendes verbot gegen die streitgegenständliche eilversammlung - wie der beklagte meint - anzunehmen wäre, das klagebegehren dahingehend auszulegen, dass dann das verbot und nicht erst die darauffolgende (zwingende) auflösung gegenstand der gerichtlichen überprüfung wäre. hinsichtlich der rechtmäßigkeit eines solchen versammlungsverbots nach § 15 abs. 1 versg würden dabei vorliegend dieselben maßstäbe wie hinsichtlich der auflösung nach § 15 abs. 3 versg gelten, weshalb auch ein derartiges verständnis im ergebnis zu keiner anderen beurteilung führen würde. 69die dem beklagten nach § 15 abs. 3 versg hinsichtlich der versammlungsauflösung eingeräumte ermessensentscheidung unterliegt der gerichtlichen überprüfung nach maßgabe des § 114 satz 1 vwgo. danach prüft das gericht, ob ein verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die behörde die grenzen des ermessens überschritten oder von dem ermessen in einer dem zweck der ermächtigung nicht entsprechenden weise gebrauch gemacht hat. 70vorliegend beruhte die streitgegenständliche auflösungsverfügung des beklagten auf einem ermessensfehlgebrauch. denn die ermessensausübung entsprach im konkreten fall nicht dem zweck der ermächtigungsnorm. vielmehr lagen der behördlichen entscheidung sachfremde erwägungen zugrunde. 71welche belange bei der ermessensausübung berücksichtigt und welche nicht berücksichtigt werden dürfen, ist durch auslegung des ermächtigenden gesetzes zu ermitteln. 72vgl. eyermann, vwgo kommentar, 16. aufl. 2022, § 114 rn. 21; sodan/ziekow, vwgo kommentar, 5 . aufl. 2018, § 114 rn. 172. 73die vorschrift des § 15 abs. 3 versg dient dem zweck der gefahrenabwehr. verbote und auflösungen von versammlungen dürfen bei der gebotenen verfassungskonformen auslegung des § 15 versg wegen des hohen stellenwertes der versammlungsfreiheit aus art. 8 gg stets nur zur verhinderung einer unmittelbaren, aus erkennbaren umständen herleitbaren gefährdung wichtiger gemeinschaftsgüter erfolgen. aus diesem grund lässt sich eine versammlungsauflösung entgegen dem wortlaut des § 15 abs. 3 versg auch nicht einzig auf einen formellen verstoß gegen die anmeldungspflicht aus § 14 versg stützen, sondern es müssen für die rechtfertigung eines solchen eingriffs stets weitere (gefahren-)umstände hinzutreten. 74vgl. bverfg, beschluss vom 14.05.1985 ‑ 1 bvr 233/81, juris rn. 72 ff., 80; dürig-friedl/enders, versammlungsrecht, 2016, § 15 rn. 162. 75vorliegend stützte die polizeibehörde ihre ermessensentscheidung erkennbar auf gesichtspunkte, die nicht dem zweck der gefahrenabwehr entsprachen. 76zur begründung der auflösungsverfügung erklärten die kommunikationsbeamten des beklagten ausweislich der eintragung im einsatzbericht und darüber hinaus unstreitig gegenüber dem versammlungsleiter der klägerin, dass das versammlungsanliegen der begehrten eilversammlung bis zu der bereits für den folgetag angemeldeten versammlung der klägerin, die ebenfalls in e3. stattfinden sollte, warten könne und für die durchführung der versammlung deshalb kein grund bestehe. im einsatzbericht wird die versammlungsauflösung maßgeblich damit begründet, dass die versammlung der klägerin nicht als solche gewertet worden sei (siehe beleg nr. 159). diese bewertung stützte die polizeibehörde wiederum auf die durch die klägerin bereits für den folgetag angemeldete versammlung in e3. sowie auf den verstoß gegen den in der ursprünglichen versammlungsbestätigung enthaltenen hinweis, nach dem die abreise der versammlungsteilnehmer keinen aufzugscharakter haben dürfe (siehe beleg nr. 155). 77hierbei handelt es sich um sachfremde ermessenserwägungen. insbesondere die erwägung, dass für die durchführung der eilversammlung angesichts der für den folgetag angemeldeten versammlung der klägerin kein grund bestehe, steht in keinem zusammenhang mit dem legitimen zweck der gefahrenabwehr. vielmehr maßt sich der beklagte hierdurch eine inhaltliche überprüfung der berechtigung des klägerischen versammlungsanliegens an. eine derartige inhaltskontrolle steht ihm nicht zu und bedeutet einen schwerwiegenden verstoß gegen die versammlungsfreiheit nach art. 8 gg, die das recht gewährleistet, über ort, zeitpunkt, art und inhalt der versammlung selbst zu bestimmen. 78vgl. bverfg, beschluss vom 20. dezember 2012 - 1 bvr 2794/10, juris rn. 16; urteil vom 22. februar 2011 - 1 bvr 699/06, bverfge 128, 226, juris rn. 64. 79auch soweit die polizeibehörde ihre entscheidung darauf stützte, dass die durchführung der klägerischen eilversammlung gegen den in der versammlungsbestätigung zur ursprünglichen mahnwache enthaltenen hinweis verstoßen würde, dass die an- und abreise keinen versammlungscharakter haben dürfe, entsprachen ihre erwägungen nicht dem zweck der gefahrenabwehr. denn es ist bereits nicht ersichtlich, dass der weder verbindliche noch näher begründete hinweis zu den modalitäten der an- und abreise selbst auf einer gefahrenprognose des beklagten beruhte. vielmehr lässt die konkret gewählte formulierung („ich würde dies rechtlich als unangemeldeten aufzug werten.“) erkennen, dass durch diesen hinweis lediglich die formale einhaltung der anmeldepflicht gewährleistet werden sollte. dementsprechend ist auch in der schlichten bezugnahme im einsatzbericht der polizei darauf, dass die klägerische versammlung gegen diesen hinweis verstoßen würde, eine ermessensausübung zum zweck der gefahrenabwehr nicht zu erblicken, weil sich die angestellten erwägungen insoweit in der annahme eines „formalen“ verstoßes gegen den hinweis erschöpfen. 80die sachfremden erwägungen haben sich im ergebnis der getroffenen ermessensentscheidung niedergeschlagen. etwas anderes folgt nicht daraus, dass sich im einsatzbericht der polizei neben den genannten erwägungen auch der hinweis findet, dass mit dem weiteren betreiben von lautsprecherdurchsagen durch den versammlungsleiter der klägerin ein verstoß gegen das landesimmissionsschutzgesetz gegeben sei (beleg nr. 159). da ein immissionsschutzrechtlicher verstoß vom beklagten nicht ansatzweise - etwa unter verweis auf entsprechende messergebnisse - begründet wurde, ist bereits zweifelhaft, ob die behörde den aspekt etwaiger immissionsschutzrechtlicher gefahren tatsächlich in ihre ermessensentscheidung miteinbezogen hat. jedenfalls waren immissionsschutzrechtliche erwägungen vor diesem hintergrund neben den sachfremden erwägungen erkennbar nicht alleintragend für die erlassene auflösungsverfügung und damit nicht geeignet eine fehlerfreiheit der entscheidung zu bewirken. 81vgl. dazu bundesverwaltungsgericht (bverwg), urteil vom 19. mai 1981 - 1 c 169/79, bverwge 62, 215, juris rn. 22; eyermann, vwgo kommentar, 16. aufl. 2022, § 114 rn. 26. 82die prognose, dass im erlasszeitpunkt von gewaltbereiten gegendemonstranten in der e. innenstadt eine gefahr für die öffentliche sicherheit ausgegangen sei, hat der beklagte erstmals im verwaltungsgerichtlichen verfahren zur begründung der versammlungsauflösung angeführt. dass dieser umstand bereits im zeitpunkt der der ermessensausübung tatsächlich in die entscheidung miteingeflossen ist, hat der beklagte weder dargelegt noch ist dies unter berücksichtigung der einsatzdokumentation des beklagten oder der mündlich geäußerten begründung der maßnahme durch die kommunikationsbeamten sonst ersichtlich. 83diese in der klageerwiderung erstmals angeführte erwägung ist nach maßgabe des § 114 satz 2 vwgo in die gerichtliche überprüfung der ermessensausübung des beklagten miteinzubeziehen. danach kann die verwaltungsbehörde ihre ermessenserwägungen auch noch im verwaltungsgerichtlichen verfahren ergänzen. ein zulässiges nachschieben von ermessenserwägungen liegt jedoch nur dann vor, wenn der verwaltungsakt durch die nachträgliche begründung nicht in seinem wesen verändert und der betroffene nicht in seiner rechtsverteidigung beeinträchtigt wird. ein nachschieben von ermessenserwägungen ist insbesondere dann unzulässig, wenn die ursprüngliche ermessensentscheidung dadurch in ihrem kern ausgetauscht wird. 84vgl. bverwg, urteil vom 20. juni 2013 - 8 c 46/12, bverwge 147, 81, juris rn. 32; eyermann, vwgo kommentar, 16. aufl. 2022, § 114 rn. 90a. 85die voraussetzungen für eine nachträgliche behebung des ermessensfehlers durch eine ergänzung der bisherigen erwägungen sind vorliegend nicht gegeben. denn die im verwaltungsgerichtlichen verfahren vorgetragene gefahrenprognose erweist sich im vergleich zu den tatsächlich angestellten erwägungen deshalb als wesentlich anders, weil hierdurch die versammlungsauflösung erstmals auf eine von gewaltbereiten gegendemonstranten ausgehende gefährdung und erstmals auf das vorliegen eines polizeilichen notstands gestützt worden ist. die bisherigen erwägungen, die sich allesamt auf unmittelbar von der klägerischen versammlung ausgehende überwiegend mit der anmeldepflicht im zusammenhang stehende umstände bezogen, wurden durch die nachträgliche begründung damit im kern ausgetauscht. 86auch wenn unterstellt wird, dass die - nachgeschobene - gefahrenprognose auf tatsachengestützten anhaltspunkten beruht, hat der beklagte zudem das ihm eingeräumte ermessen überschritten. die versammlungsauflösung war unverhältnismäßig, weil die maßnahme selbst unter zugrundelegung der nachgeschobenen gefahrenprognose des beklagten zur gefahrenabwehr nicht erforderlich war. 87ein gefahrenabwehrrechtlicher eingriff ist dann nicht erforderlich, wenn sich die gefahr auch durch weniger grundrechtsbelastende maßnahmen abwehren lässt. für die anwendung des § 15 abs. 3 und 1 versg folgt daraus eine maßnahmenstaffelung: das verbot oder die auflösung einer versammlung setzen als ultima ratio voraus, dass das mildere mittel der auflagenerteilung ausgeschöpft ist. 88vgl. bverwg, beschluss vom 05.05.2020 - 6 b 1/20, juris rn. 8; bverfg, beschluss vom 14.05.1985 - 1 bvr 233/81, juris rn. 79; ridder/breitbach/deiseroth, versammlungsrecht, 2. aufl. 2020, § 15 rn. 199. 89vorliegend hätte die von dem beklagten behauptete gefahrenlage auch durch eine beschränkung der versammlung auf eine standkundgebung wirksam abgewehrt werden können. 90zu den voraussetzungen einer derartigen beschränkung vgl. oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen (ovg nrw), beschluss vom 7. oktober 2016 - 15 b 1154/16; bverfg, beschluss vom 20. dezember 2012 - 1 bvr 2794/10, juris rn. 16; dürig-friedl/enders, versammlungsrecht, § 15 rn. 101. 91eine solche auflage wäre gegenüber der versammlungsauflösung das mildere mittel gewesen, da sie die von art. 8 gg geschützte freiheitswahrnehmung nicht vollumfänglich unterbunden, sondern lediglich beschränkt hätte. eine beschränkung auf eine standkundgebung wäre auch jedenfalls gleichermaßen zur gefahrenabwehr geeignet gewesen. der beklagte hat die versammlungsauflösung im verwaltungsgerichtlichen verfahren maßgeblich damit begründet, dass ein demonstrationszug der klägerin durch die umliegenden straßen der e. innenstadt aufgrund des erhöhten gefahrenpotentials eines aufzugs sowie angesichts der entlang der geplanten route in kleingruppen agierenden gegendemonstranten besonders gefährdet gewesen wäre. dass in der situation unmittelbar auf dem o.-markt nach dem dortigen beginn der eilversammlung gewaltsame übergriffe zu befürchten gewesen seien, hat der beklagte hingegen weder behauptet noch ist dies sonst ersichtlich. hiergegen spricht insbesondere, dass die kurz zuvor beendete mahnwache der klägerin auf dem o.-markt gegenüber den stattfindenden gegenprotesten erfolgreich durch die polizei abgesichert werden konnte. vor diesem hintergrund hätte es zur effektiven vermeidung von gewalttätigen angriffen der gegendemonstranten auf den geplanten demonstrationszug jedenfalls genügt, die eilversammlung auf eine standkundgebung am o.-markt zu beschränken, welche der versammlungsleiter der klägerin als auftakt des geplanten demonstrationszuges ohnehin bereits vor ort begonnen hatte. 92zum vorrang der beschränkung auf eine standkundgebung vgl. kniesel/poscher, in handbuch des polizeirechts, 7 aufl. 2021, kapitel j rn. 352. 93etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von dem beklagten angeführten rechtsprechung des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen, 94ovg nrw, urteil vom 24.09.2019 ‑ 15 a 3186/17 , juris rn. 124, 95nach der die polizei den veranstalter einer versammlung vor deren auflösung nicht auf die durchführung einer standkundgebung verweisen muss, wenn ausdrücklich nur ein aufzug angemeldet wurde und an einer standkundgebung ersichtlich kein interesse besteht. 96diese rechtsprechung lässt sich auf das vorliegende verfahren nicht übertragen, da hier nicht anzunehmen war, dass die klägerin an der durchführung einer standkundgebung kein interesse hatte. der versammlungsleiter der klägerin hatte nach deren unwidersprochenem vortrag bei der anmeldung der eilversammlung gegenüber den polizeibeamten ausdrücklich erklärt, dass diese zunächst als standkundgebung auf dem o.-markt beginnen sollte, bis die polizei bereit sei, den geplanten demonstrationszug zu begleiten. zudem hatte die versammlung im zeitpunkt der auflösung in dieser form bereits tatsächlich begonnen. ein interesse der klägerin, die anlässlich der diskussion zur durchführung der abreise kurzfristig begehrte eilversammlung wenigstens als standkundgebung durchzuführen, war somit eindeutig erkennbar. dem steht auch nicht entgegen, dass die ursprüngliche mahnwache, die ohnehin bis 22:00 uhr angemeldet war, bereits gegen 21:00 uhr vorzeitig durch den versammlungsleiter beendet wurde. auch wenn die klägerin hierdurch auf die weitere durchführung der ursprünglichen mahnwache verzichtet hat, lässt sich dem jedenfalls nicht entnehmen, dass für den entsprechenden zeitraum darüber hinaus auch endgültig und unwiderruflich auf die durchführung sämtlicher anderer, unter umständen kurzfristig begehrter versammlungen verzichtet werden sollte. 97unabhängig von den festgestellten ermessensfehlern waren vorliegend auch bereits die voraussetzungen für eine polizeiliche inanspruchnahme der klägerischen versammlung nicht gegeben. 98soweit der beklagte zur begründung der versammlungsauflösung vorgetragen hat, dass die (uneingeschränkte) durchführung der eilversammlung einschließlich des begehrten aufzuges zum e. hauptbahnhof wegen zu erwartender angriffe von seiten gewaltbereiter gegendemonstranten mit einer gefahr für die öffentliche sicherheit im sinne des § 15 abs. 1 versg verbunden gewesen wäre, ging eine solche gefahr jedenfalls nicht unmittelbar von der klägerischen versammlung selbst aus. insbesondere vermochte auch eine von der begehrten eilversammlung ausgehende provokationswirkung eine störereigenschaft der klägerischen versammlung nicht zu begründen, da es versammlungstypisch und damit grundgesetzlich geschützt ist, im rahmen der straffreiheit und der öffentlichen ordnung zu provozieren. weil die klägerin somit nichtstörerin war, durfte die polizei gegen sie nur unter den voraussetzungen des polizeilichen notstandes einschreiten. 99sind störungen der öffentlichen sicherheit vorwiegend aufgrund des verhaltens dritter - insbesondere von gegendemonstranten - zu befürchten, während sich veranstalter und versammlungsteilnehmer überwiegend friedlich verhalten, so sind behördliche maßnahmen primär gegen die störer zu richten. gegen die friedliche versammlung selbst kann dann nur unter den besonderen, eng auszulegenden voraussetzungen des polizeilichen notstands eingeschritten werden. dies setzt voraus, dass die versammlungsbehörde mit hinreichender wahrscheinlichkeit andernfalls wegen der erfüllung vorrangiger staatlicher aufgaben und trotz des bemühens, gegebenenfalls externe polizeikräfte hinzuzuziehen, zum schutz der angemeldeten versammlung nicht in der lage wäre. keinesfalls darf der nichtstörer einem störer gleichgestellt und die auswahl des adressaten der versammlungsrechtlichen verfügung von bloßen zweckmäßigkeitserwägungen abhängig gemacht werden. die darlegungs- und beweislast für das vorliegen eines polizeilichen notstandes liegt wiederum bei der behörde. eine pauschale behauptung dieses inhalts reicht nicht. 100vgl. bverfg, beschluss vom 20. dezember 2012 - 1 bvr 2794/10 , juris rn. 17; beschluss vom 11. september 2015 - 1 bvr 2211/15 , juris rn. 3; ovg nrw, urteil vom 24. september 2019 - 15 a 3186/17, juris rn. 109. 101nach diesen maßstäben war ein polizeilicher notstand bei erlass der streitgegenständlichen auflösungsverfügung nicht gegeben. hinreichende tatsachengestützte anhaltspunkte dafür, dass die polizei in der situation am 13. september 2019 in e. nicht in der lage war, die angemeldete eilversammlung der klägerin durch ein einschreiten gegen die gegendemonstranten als primärstörer zu schützen, hat der beklagte nicht dargelegt und sind auch sonst nicht ersichtlich. 102die annahme eines polizeilichen notstandes ließ sich jedenfalls nicht pauschal auf den umstand stützen, dass von einem aufzug ein gegenüber einer standkundgebung allgemein erhöhtes gefahrenpotenzial ausgeht. ein einschreiten der polizei gegen nichtstörende demonstrationszüge wäre ansonsten stets ohne weiteres möglich und der grundrechtliche schutz aus art. 8 gg würde ausgehöhlt. auch im hinblick darauf, dass in der streitgegenständlichen situation insgesamt 280 polizeikräfte des beklagten vor ort im einsatz waren, während die klägerische eilversammlung, an der lediglich 60 personen teilnahmen und bei der außerdem ein lautsprecherfahrzeug mitgeführt werden sollte, von eher überschaubarer größe war, ließ sich nicht ohne weiteres annehmen, dass eine effektive absicherung des aufzugs gegenüber den gegendemonstranten nicht möglich gewesen wäre. soweit sich der beklagte darauf beruft, dass es bereits bei früheren versammlungen der klägerin zu gewalttätigen ausschreitungen gekommen sei und sich vorliegend die gegendemonstranten bereits im vorfeld der klägerischen versammlung durch ein hohes maß an organisation ausgezeichnet hätten, hat er nicht dargelegt, weshalb aufgrund dieser beobachtungen nicht schon frühzeitig weitere polizeikräfte zur verstärkung des einsatzes mobilisiert worden sind. 103ein polizeilicher notstand wäre vor diesem hintergrund nur dann anzunehmen gewesen, wenn im zeitpunkt der auflösung der versammlung davon auszugehen gewesen wäre, dass es von seiten der gegendemonstranten zu übergriffen in einem so erheblichen umfang kommen würde, dass der aufzug der klägerin nicht mehr geschützt werden könnte. konkrete und tatsachengestützte anhaltspunkte hierfür hat der beklagte jedoch nicht benannt. 104der beklagte hat zwar behauptet, dass bei erlass der auflösungsverfügung von den insgesamt mehr als 300 gegendemonstranten am o.-markt mindestens 150 personen als gewaltbereit einzustufen gewesen seien. dabei bleibt jedoch bereits unklar, inwiefern die pauschale einschätzung als „gewaltbereit“ bedeutete, dass von den personen im konkreten fall gewalttätige übergriffe auf einen polizeilich geschützten aufzug zu erwarten waren. zudem hat der beklagte nicht erläutert, an welchen konkreten anhaltspunkten diese einschätzung festzumachen war. allein der umstand, dass die menge der gegendemonstranten die parole „nazi schweine“ skandierte, trägt diese einschätzung jedenfalls nicht. ansonsten hat der beklagte lediglich ausgeführt, dass noch während der ursprünglichen mahnwache szenekundige beamte unter den 150 gegendemonstranten nördlich des o.-marktes mindestens 20 gewaltbereite personen erkannt hätten und sich zudem mindestens 20 personen vermummt hätten. worauf sich demgegenüber die zum späteren zeitpunkt der auflösung der eilversammlung getroffene einschätzung stützte, dass nunmehr von insgesamt mindestens 150 gewaltbereiten personen auszugehen sei, ist jedoch nicht ersichtlich und lässt sich insbesondere auch nicht anhand der einsatzdokumentation des beklagten nachvollziehen. vielmehr wurde mit eintragung von 20:39 uhr (beleg nr. 139) im einsatztagebuch des beklagten festgehalten, dass die personengruppe südlich des o.-marktes „gut-bürgerlich“ und „völlig unproblematisch“ sei. hinsichtlich der personengruppe im nördlichen bereich wurde mit eintragung von 20:30 uhr (beleg nr. 134) dokumentiert, dass von den 150 personen 20 personen der „kategorie gelb“ und der rest „grün“ zuzuordnen sei. mit eintragung von 20:45 uhr (beleg nr. 143) wurde schließlich festgehalten, dass im „bereich der ordnungsdienste (alte apotheke)“ 80 personen als „eher gewaltbereit“ einzuschätzen seien. auch die einsatzdokumentation des beklagten liefert insofern weder ein klares noch erkennbar tatsachengestütztes bild zur gewaltbereitschaft der gegendemonstranten in der streitgegenständlichen situation. 105ein polizeirechtlicher notstand lässt sich ferner auch nicht damit begründen, dass nach beendigung der ursprünglichen mahnwache der klägerin bereits einige polizeikräfte den o.-markt verlassen hatten, um die abreise vorzubereiten, und sich deshalb im zeitpunkt der versammlungsauflösung nur noch 100-120 polizeibeamte am o.-markt befanden. denn der beklagte hat bereits nicht dargelegt, inwiefern die absicherung der klägerischen eilversammlung einerseits einen höheren aufwand als die vorbereitung der abreise der versammlungsteilnehmer bedeutet und andererseits die anwesenheit der entsandten polizeikräfte unmittelbar auf dem o.-markt erfordert hätte. es erscheint vielmehr naheliegend, dass die maßnahmen der entsandten beamten zur absicherung der abreise der versammlungsteilnehmer bis zur u‑bahnhaltestelle m.-straße gerade auch geeignet gewesen wären, den angemeldeten aufzug zum hauptbahnhof oder wenigstens einen durch eine - im verhältnis zur auflösung der versammlung weniger einschneidende - auflage bis zur u‑bahnhaltestelle verkürzten aufzug zu sichern, weil die entsprechende route (weitgehend) auf derselben strecke wie die abreise verlaufen wäre. 106da also schon nicht ersichtlich ist, inwiefern eine rückkehr der entsandten polizeikräfte zum o.-markt , bzw. der einsatz weiterer - nicht zur verfügung stehender - einsatzkräfte überhaupt notwendig war, bietet auch die behauptung des beklagten, dass im erlasszeitpunkt der versammlungsauflösung nur noch elf minuten bis zum geplanten beginn des aufzuges verblieben seien, keine tragfähige grundlage für die annahme eines polizeilichen notstandes. dies gilt insbesondere, weil der versammlungsleiter der klägerin nach unwidersprochenem vortrag bei der anmeldung erklärte, den aufzug erst dann zu beginnen, wenn die polizei dazu bereit sei. 107zudem ist nicht dargetan, weshalb die bereits zur vorbereitung und absicherung der abreise entsendeten polizeikräfte, soweit erforderlich, zur absicherung einer standkundgebung nicht auch kurzfristig zum o.-markt zurückkehren konnten. 108die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 1 vwgo. 109die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit beruht auf § 167 vwgo i. v. m. §§ 708 nr. 11, 711 zpo. 110rechtsmittelbelehrung: 111gegen dieses urteil steht den beteiligten die berufung an das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. die berufung ist nur zuzulassen, wenn 1121. ernstliche zweifel an der richtigkeit des urteils bestehen, 1132. die rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche schwierigkeiten aufweist, 1143. die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat, 1154. das urteil von einer entscheidung des oberverwaltungsgerichts, des bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen senats der obersten gerichtshöfe des bundes oder des bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser abweichung beruht oder 1165. ein der beurteilung des berufungsgerichts unterliegender verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die entscheidung beruhen kann. 117die zulassung der berufung ist innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils schriftlich bei dem verwaltungsgericht gelsenkirchen, bahnhofsvorplatz 3, 45879 gelsenkirchen, zu beantragen. der antrag muss das angefochtene urteil bezeichnen. innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils sind die gründe darzulegen, aus denen die berufung zuzulassen ist. die begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem antrag vorgelegt worden ist, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen, aegidiikirchplatz 5, 48143 münster, schriftlich einzureichen. 118auf die unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung von schriftstücken als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 119im berufungsverfahren muss sich jeder beteiligte durch einen prozessbevollmächtigten vertreten lassen. dies gilt auch für den antrag auf zulassung der berufung. der kreis der als prozessbevollmächtigte zugelassenen personen und organisationen bestimmt sich nach § 67 abs. 4 vwgo. 120beschluss 121der streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt. 122gründe: 123die entscheidung beruht auf § 52 abs. 2 des gerichtskostengesetzes. 124rechtsmittelbelehrung: 125gegen diesen beschluss findet beschwerde statt, wenn der wert des beschwerdegegenstandes 200 euro übersteigt. 126die beschwerde ist bei dem verwaltungsgericht gelsenkirchen, bahnhofsvorplatz 3, 45879 gelsenkirchen, innerhalb von sechs monaten, nachdem die entscheidung in der hauptsache rechtskraft erlangt oder das verfahren sich anderweitig erledigt hat, schriftlich oder zur niederschrift des urkundsbeamten der geschäftsstelle einzulegen. über die beschwerde entscheidet das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen, aegidiikirchplatz 5, 48143 münster, falls das beschließende gericht ihr nicht abhilft. 127auf die unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung von schriftstücken als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen.
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14 K 1768/21
2022-07-19T00:00:00
Urteil
Tenor Es wird festgestellt, dass die Auflage Nr. 1 aus dem Auflagenbescheid vom 30. April 2021 rechtswidrig war. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet. 1Tatbestand: 2Am Freitag dem 23. April 2021 meldete der Kläger, für den Landesverband der Partei die Rechte, dessen Vorsitzender er ist, eine Mahnwache auf dem X.-platz in E. E1. am 1. Mai 2021 für die Zeit von 11:00 Uhr bis 12:00 Uhr an. 3Als Versammlungsleiter wurde der Kläger benannt. Das Veranstaltungsthema lautete „Heraus zum Tag der Arbeit“, die erwartete Teilnehmerzahl wurde mit ca. 15 - 20 angegeben. Als Hilfsmittel wurden unter anderem eine Lautsprecheranlage und ein Lautsprecherfahrzeug angemeldet. Des Weiteren wurden Sicherheitsmaßnahmen bezüglich der Corona Pandemie dargestellt. 4Am 28. April 2021 fand gegen 11:00 Uhr ein telefonisches Kooperationsgespräch mit dem Kläger statt. Ausweislich des darüber vom Beklagten gefertigten Vermerks zeichnete sich zu diesem Zeitpunkt bereits eine erhebliche Mobilisierung der linken Szene ab. Der Kläger erläuterte, sich mit den Versammlungsteilnehmern am X.-platz versammeln zu wollen, dort einen Redebeitrag von I. stattfinden zu lassen und dann gemeinsam Richtung S-Bahn zu gehen um zu einer anschließenden Versammlung nach F. zu fahren. Ausweislich des Vermerks wurde ihm die Einschätzung des Beklagten in Bezug auf die „Rechts-Links“ Problematik und der daraus folgenden Infektionsrisiken erläutert. Insbesondere seine geplante Abreise, welche rein faktisch einen Aufzug darstelle, mache es unmöglich eine Konfrontation zu unterbinden. Der Kläger sei gefragt worden, ob für ihn auch der S-Bahn Vorplatz als Versammlungsort infrage kommen würde und habe darauf geantwortet, dass ihm der X.-platz schon recht wichtig sei und dass er, wenn irgend möglich, dort seine Versammlung abhalten wolle. 5Am 29. April 2022 fand um 16:25 Uhr ein weiteres telefonisches Kooperationsgespräch mit dem Kläger statt, da sich die Gefahrenprognose erheblich verändert hatte. Dem Kläger wurde ausweislich des über das Gespräch angefertigten Vermerks mitgeteilt, die auf Tatsachen gestützte Gefährdungsanalyse lasse den Schluss zu, dass es zu erheblichen Konfrontationen während der Versammlung und vor allem während der Abreise kommen werde. Dies habe ein erhebliches Infektionsrisiko zur Folge. Die dahingehende Einschätzung werde durch die Kontaktierung der örtlichen Ordnungsbehörde und des Robert Koch Institutes gestützt. Einzige Möglichkeit dieses Risiko zu minimieren sei eine Standkundgebung am S-Bahn Vorplatz bzw. Parkplatz. Der Kläger habe darauf erwidert, dass Sinn seiner Versammlung sei, andere Personen zu erreichen, insbesondere Unterstützer aus E1. . Da im Umfeld der S-Bahn nichts wäre, wäre der Versammlungszweck verfehlt. Er würde sich noch auf einen anderen ortskernnahen Bereich einigen, wie die Dresdner Straße. Ihm sei darauf entgegnet worden, dass der Versammlungszeck keineswegs verloren gehe, da sein Versammlungsthema keinen örtlichen Bezug habe und eine Hauptverkehrsanbindung von E1. , welche auch nur knapp 500 m vom gewünschten Versammlungsort entfernt wäre, garantiere, dass Bürger erreicht würden. Der Kläger habe daraufhin einen Auflagenbescheid verlangt, dies sei durch die Vertreter des Beklagten verneint worden, da die vorgeschlagene Alternative rigoros abgelehnt worden sei. Folge sei nunmehr eine Verbotsverfügung auf Grundlage des Infektionsschutzes mit der oben genannten Begründung. 6In einer internen Stellungnahme des Beklagten vom 29. April 2021 wird dargelegt, dass am selbigen Tag dem Beklagten zwei Versammlungen im unmittelbaren Umfeld der Versammlung des Klägers bekannt geworden seien. Die Versammlungen seien als Gegenprotest zur Ursprungsanmeldung zu werten. Nach Angaben der Anmelder werde mit einer Gesamtteilnehmerzahl von 135 Personen gerechnet. Nach staatsschutzrechtlichen Bewertungen sei die vom Kläger angemeldete Teilnehmerzahl seiner Versammlung als zu gering zu erachten. Eine Teilnehmerzahl von bis zu 80 Personen erscheine dabei realistisch. Im Umfeld des zentralen X.-platzes könnten den jeweiligen Versammlungen Örtlichkeiten zugewiesen werden, welche einen Aufenthalt einer derartig großen Personenanzahl aus Infektionsschutzgründen unter Einhaltung der gebotenen Abstände zulasse. Für die als möglich erachteten Reisewege der klägerischen Versammlung entweder über den S-Bahnhof E. E1. oder das U-Bahn Stadtbahnnetz zur Weiterreise nach F. wurde folgende Gefahrenprognose abgegeben: 7Beide politischen Spektren befänden sich derzeit in einem hoch emotionalisierten Zustand. Aus Sicht des linksextremistischen Spektrums wögen staatliche Einschnitte durch getroffene Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona Pandemie schwer und zurückliegende Ereignisse, wie die Einführung des DEIG [„Taser“] und dessen Benutzung, die Feststellung rassistischer Chat-Gruppen, avisierte Videobeobachtung und generelle Rassismus Vorwürfe gegen die Polizei, wirkten erheblich. Die rechtsextremistische Szene befinde sich augenscheinlich in einem strukturellen Umbruch und sei in jüngerer Vergangenheit in der Öffentlichkeit wenig wahrnehmbar. Vorliegende Erkenntnisse, dass der vorgesehene Redner I. - eine wesentliche Reizfigur der rechtsextremistischen Szene - Teil der Versammlung des Klägers sei, dürfte gewaltbereite und erlebnisorientierte Versammlungsteilnehmer des Gegenprotestes maximal provozieren. Nicht zuletzt aufgrund der Ereignisse um den NSU-Komplex mit einem Tötungsdelikt in E. , einer bereits nachgewiesenen Verbindung des vorgesehenen Redners als Teil dieses Netzwerkes und dessen Nähe zur rechtsterroristischen Verbindung „Blood & Honour“ sowie der verbotenen Organisation „Combat 18“ müsse die Installation gerade dieser Person als versuchte Machtdemonstration der rechtsextremistischen Szene verstanden werden. 8Eine der beiden Versammlungen des Gegenprotestes zeichne sich hinsichtlich der Teilnehmerzusammensetzung vornehmlich durch gewaltbereite Antifaschisten und Linksextremisten aus. Unter den Gegendemonstranten seien Personen zu erwarten, die dem C-Bündnis angehörten und es sich zum Ziel gemacht hätten rechtsextremistische Versammlungen, auch unter Anwendung von Gewalt, zu blockieren. Entsprechend seien Übergriffe und sich daraus entwickelnde wechselseitige Beschimpfungen und Schmähungen wahrscheinlich. 9Der durch die Anmelderin gewählte Standort der Versammlung befinde sich unmittelbar im Bereich des Aus- und Umstiegs der Stadtbahnhaltestelle. Abwandernde Versammlungsteilnehmer der Versammlung des Klägers müssten bis auf wenige Meter an beiden Versammlungen des Gegenprotestes vorbeigeführt werden. Bauliche Trennungen bestünden hier nicht. Der Versuch von Distanzunterschreitungen sei unausweichlich zu erwarten. Die Schaffung eines geschützten Korridors sei aufgrund der örtlichen und technisch vorgegebenen Gegebenheiten kaum möglich. Im vorliegenden Fall sei eine Stauchung der Teilnehmer aller Versammlungen unausweichlich. Abstände zur Infektionsvermeidung würden unterlaufen. Ebenso seien versammlungstypische Verhaltensweisen wie Schreien, Rufen, Pfeifen, die Benutzung von Trillerpfeifen und weiteren Blasinstrumenten wahrscheinlich, was ebenso zu einem erhöhten Aerosolausstoß führen würde. Die oberirdisch verlaufende U-Bahn Strecke sei im weiteren Verlauf erheblich störanfällig für die Einflussnahme von außen z.B. durch Blockaden. Dies führe zu einer unnötig langen Verweildauer in einer möglicherweise überfüllten Stadtbahn mit einer damit einhergehenden erhöhten Infektionsgefahr. 10Bei einer Weiterreise mit der S-Bahn müssten die Versammlungsteilnehmer der klägerischen Versammlung fußläufig über einspurige Straßen, gegebenenfalls über Ausweichrouten zum S-Bahnhof E. E1. begleitet werden. Die Strecke vom Versammlungsort zum Bahnhof betrage ca. 500 m. Entlang dieser Strecke befänden sich aufgrund örtlicher Gegebenheiten Möglichkeiten der verdeckten Annäherung an die Versammlungsteilnehmer. In jedem Falle seien Sitzblockaden von Gegendemonstranten auf der Transitstrecke einzukalkulieren. Sich daran beteiligende Personen müssten zwangsläufig gebotene Abstände unterschreiten. Darüber hinaus müssten die Versammlungsteilnehmer der klägerischen Versammlung angehalten, aufgestaut, oder umgeleitet werden. Diese Maßnahmen wären einerseits zum Schutz der Personen erforderlich, andererseits würden sie ebenfalls zum Unterschreiten gebotener Abstände führen. 11In jedem Fall sei festzustellen, dass alle Transitbewegungen bei gesteigerter Emotionalität bei allen Beteiligten zu einer Unterschreitung von Abständen führen werde. Ebenso werde infrage gestellt, dass sich alle Personen bei entsprechender Emotionalisierung weiterhin an das Gebot zum Tragen von Mundnaseschutz oder ähnlichen hielten. 12Die Gefahrenprognose stütze sich auf Einsatzerfahrungen unter Beteiligung der gleichen Personenklientel, teilweise aufgrund von zu erwartenden Personenidentitäten. Ebenso werde auf die Gefahrenprognose der Stadt E. hinsichtlich der Durchführung von Aufzügen verwiesen. Der vorläufige Transit von Versammlungsteilnehmern anlässlich der durch sie beabsichtigten Weiterreise müsse aus hiesiger Sicht unwidersprochen zu einer Erhöhung des Infektionsrisikos führen. Er werde faktisch als Aufzug durchgeführt. 13Unter dem 30. April 2021 bestätigte der Beklagte dem Kläger die angemeldete Versammlung für den 1. Mai 2021 mit einer insgesamt einundfünfzig Seiten umfassenden Versammlungsbestätigung. 14Abweichend von der Anmeldung wurde durch die Auflage Nr. 1 als Veranstaltungsort der Vorplatz des S-Bahnhofs E. E1. benannt. Der genaue Aufstellungsort werde vor Ort mit den Einsatzkräften abgestimmt. 15Zur deren Begründung stellte der Beklagte im Kern auf die Rechtsgrundlage des § 15 Abs. 1 VersammlG ab. Diese werde durch die infektionsschutzrechtlichen Möglichkeiten, eine Versammlung einzuschränken, nicht beschränkt, was in Anbetracht der Tatsache, dass ein infektionsschutzrechtlicher Verstoß zugleich einen solchen gegen die Rechtsordnung darstellen könne, konsequent erscheine. Dabei werde nicht verkannt, dass das Gestaltungsrecht des Veranstalters einer Versammlung grundsätzlich auch die Art und Weise der Versammlung erfasse. 16Im Rahmen des Kooperationsgesprächs habe der Kläger den ihm angebotenen Kundgebungsort auf dem Vorplatz des S-Bahnhofs E. E1. abgelehnt, sodass die dadurch entstehende Kollision mit den öffentlichen Interessen durch die Versammlungsbehörde zum Ausgleich gebracht werden müsse. 17Vor diesem Hintergrund sei nach dem derzeitigen Kenntnisstand (30.04.2021) von einer Gesamtlage im Stadtgebiet mit fünf Versammlungen aus dem linken Spektrum und drei weiteren Versammlungen auszugehen. So seien auch für E1. - auf und an dem X.-platz - zwei Versammlungen angemeldet und bereits bestätigt worden. Nach Angaben der Anmelder werde derzeit mit einer Gesamtteilnehmerzahl von mindestens 135 Personen gerechnet. Auf Grund der polizeilichen Gefahrenprognose sei angesichts der Mobilisierung der linken Szene in den sozialen Medien mit einer hohen Teilnehmerzahl zu rechnen. Damit scheide der X.-platz für die Versammlung des Klägers als Standort aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und des Infektionsschutzes aus. 18Es habe sich eine taktische Lage ergeben, die erhebliche Auseinandersetzungen zwischen den Versammlungsteilnehmern links und rechts erwarten lasse. Dabei sei zum einen I. als angegebener Redner und wesentliche Reizfigur der rechtsextremistischen Szene zu berücksichtigen, dessen aktiver Beitrag geeignet sei, gewaltbereite und erlebnisorientierte Versammlungsteilnehmer des Gegenprotestes maximal zu provozieren. Zum anderen weise die angemeldete Versammlung der linken Szene unter dem Motto „Gegen jeden Antisemitismus" hinsichtlich ihrer Teilnehmerzusammensetzung vornehmlich gewaltbereite Antifaschisten und Linksextremisten aus. Zudem sei mit Sicherheit davon auszugehen, dass diese Versammlung weiteren Zulauf durch die vier zeitlich später beginnenden Versammlungen in E. mit 580 angemeldeten Versammlungsteilnehmern, welche in Teilen der linksextremistischen Szene zuzuordnen seien, erfahren werde. 19In Anbetracht dieser konfrontativ, aufgeladenen Gemengelage, bei der die gewählten Standorte der drei Versammlungen im unmittelbaren Nahbereich gelegen seien, sei eine konsequente Trennung bereits unter normalen Umständen schwer zu erreichen. 20Aus Gründen des Infektionsschutzes sei jedoch nach den in der Verfügung näher benannten Bestimmungen der CoronaSchVO ein notwendiger Abstand zwischen potentiellen Versammlungsteilnehmern von mindestens 1,5 Metern durchgehend sicherzustellen. Dies gelte erst recht im Rahmen der zu erwartenden, versammlungstypischen Verhaltensweisen, die einen erhöhten Aerosolausstoß zur Folge haben könnten. 21In Ermangelung einer vorhandenen baulichen Trennung, käme einzig die Schaffung eines geschützten Korridors als räumliche Trennung in Betracht, um diese Vorgaben durchzusetzen. Dieser sei jedoch aufgrund der in der Begründung - auf die insoweit Bezug genommen wird - näher aufgeführten örtlichen und technisch vorgegebenen Gegebenheiten kaum möglich. 22Hinzu komme, dass die ursprüngliche Standkundgebung aufgrund der in Anbetracht der zu erwartenden Gegenproteste im Wege der Abreise der Teilnehmer in einer Form eskortiert werden müsse, durch die sich eine aufzugsähnliche Dynamik ergebe, die aus infektionsschutzrechtlicher Sicht nicht hinnehmbar sei. 23Ergänzend wurde die infektionsrechtliche Bewertung der Stadt E. anlässlich einer Versammlung in E. am 28. April 2022 in Bezug genommen und hinsichtlich der medizinischen Einschätzung der Infektionsrisiken unter Berücksichtigung der Infektionslage in E. im Wortlaut zitiert. 24Aufgrund der polizeilichen Gefahrenprognose gehe der Beklagte wegen der linksorientierten Versammlungen im gesamten Stadtgebiet und der Mobilisierung der linken Szene von einem massiven Gegenprotest aus, deshalb stelle sich die Verlegung des Versammlungsortes auch als verhältnismäßig dar. 25Ausschlaggebend sei hierbei, dass die Gefahr für die körperliche Unversehrtheit nicht allein durch das Auftreten zu erwartender Gegendemonstranten eintrete, sondern durch die dadurch hervorgerufene erhöhte Gefahr einer Tröpfchen- oder Schmierinfektion mit dem Covid 19-Virus. Sowohl bei dem Transit von dem angemeldeten Versammlungsort als auch auf dem Weg von einem näher zum S-Bahnhof E. E1. gelegenen Versammlungsort sei zu erwarten, dass die zur Absicherung des Aufzuges des Klägers eingesetzten Polizeibeamten nicht nur vereinzelt im Wege des unmittelbaren Zwangs und durch körperlichen Einsatz gegen Gegendemonstranten und ggf. auch gegen Teilnehmer ihres Aufzuges vorgehen müssten, sodass eine Unterschreitung des Mindestabstandes mitunter nicht nur von kurzfristiger Dauer in Betracht komme. 26Die Verlegung des Versammlungsortes sei auch angemessen, da sie geeignet sei, im Wege der praktischen Konkordanz die gegenläufigen Interessen der Versammlungsteilnehmer, Gegendemonstranten, Passanten und beteiligten Polizeibeamten, unbeteiligter Dritter und der objektiven Rechtsordnung schonend auszugleichen sowie die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Gesundheitswesens zu schützen. 27Hinzu komme, dass im Falle einer Infektion von Polizeibeamten oder (Gegen-) Demonstranten eine Nachverfolgung der Infektionsketten gänzlich ausgeschlossen sein dürfte. 28Letztlich beschränke die Verlegung des Versammlungsortes auf den Vorplatz des S‑Bahnhofs E. -E1. weder die Teilnehmer noch den Wirkungsbereich der Versammlung. 29Die Versammlungsbestätigung wurde, adressiert an den „Landesverband ‚Die Rechte‘, z.Hd. Herrn E2. “, dem Kläger ausweislich des Zusatzes im Adressfeld per E-Mail bekannt gegeben und dem Gericht am 30. April 2021 per Telefax übermittelt. 30Der Kläger hat am 29. April 2021 Klage erhoben und einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt (‑ 14 L 618/21 ‑). Nach Durchführung der Versammlung hat der Kläger klargestellt, dass die Klage mit dem Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Auflage Nr. 1 fortgeführt werden solle. 31Die Fortsetzungsfeststellungsklage sei zulässig, da nicht ausgeschlossen sei, dass auch in Zukunft Demonstrationen in einer pandemischen Lage stattfänden. Die gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der hier ausgesprochenen Auflage sei daher geeignet auch für künftige Versammlungen Auswirkungen auf die Entscheidungspraxis des Beklagten zu haben. Zur Begründung der Klage werde im Übrigen auf die Gründe des Beschlusses der Kammer vom 30. April 2021 im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes Bezug genommen. 32Ergänzend führt er aus, die originäre Versammlung sei mit 15 bis 20 Teilnehmern relativ klein. Der X.-platz in E. -E1. sei groß genug, um einer so geringen Zahl von Teilnehmern bei einer rein stationären Kundgebung die Einhaltung von Mindestabständen von 1,5 oder auch 2 Metern zueinander ohne Probleme zu ermöglichen. Außerdem sei die Gefahr sich anzustecken unter freiem Himmel ohnehin minimal. Auch unter Berücksichtigung der seinerzeitigen Infektionslage sei nicht nachzuvollziehen, warum in E3. und F. größere Umzüge möglich seien, währen in E. repressiver vorgegangen werde. 33Mit dem Auftreten von nennenswerten Mengen von Meinungsgegnern, die vielleicht versuchten, auf die Kundgebung (oder mindestens auf die diese abschirmenden Polizeibeamten) körperlich einzuwirken und dabei den Mindestabstand missachteten, sei in E. nicht zu rechnen, wie die Erfahrung der letzten Jahre zeige. 34Darüber hinaus wären solche Störungen dem Kläger als Anmelder und Versammlungsleiter nicht zuzurechnen. 35Der Kläger beantragt, 36 festzustellen, dass die Auflage Nr. 1 aus dem Auflagenbescheid vom 30. April 2021 rechtswidrig war. 37Der Beklagte beantragt, 38 die Klage abzuweisen. 39Die gegen die Auflage Nr. 1 gerichtete Klage sei unzulässig da dem Kläger das erforderliche Feststellungsinteresse fehle. 40Die Versammlung habe nach Durchführung des Verfahrens im vorläufigen Rechtsschutz wie angemeldet stattfinden können. Die streitgegenständliche Auflage sei dadurch erledigt. Bei künftigen Anmeldungen von Versammlungen seien diese immer eigenständig und einzelfallbezogen zu prüfen und zu bewerten. 41Unabhängig vom Fortbestand einer pandemischen Lage nationaler Bedeutung würde in der jetzigen Situation eine Verlegung der Versammlung - wie seinerzeit angedacht ‑ nunmehr nicht mehr per se aus infektionsschutzrechtlichen Gründen erfolgen. 42Die vom Kläger angenommene Wiederholungsgefahr bestehe daher nicht. 43Die Klage sei darüber hinaus unbegründet. 44Aufgrund der angemeldeten Versammlung des Klägers sowie der hierdurch zu erwartenden Gegenproteste sei von einer Gefahr für die Rechtsgüter Leib und Leben gem. Art. 2 Abs. 2 GG für Versammlungsteilnehmer, unbeteiligte Dritte und die Polizeibeamte auszugehen gewesen. 45Im Hinblick auf die der Gefahrenprognose zugrundegelegten Versammlungsdynamik zwischen der klägerischen Versammlung und den Gegendemonstranten habe davon ausgegangen werden müssen, dass eine konsequente Trennung der Versammlungen nicht ohne weiteres zu erreichen wäre, obgleich die Einhaltung des Mindestabstandes zur Minimierung der Infektionsgefahr von entscheidender Bedeutung gewesen sei. Zur weiteren Begründung wiederholt er die Gründe aus dem Auflagenbescheid. 46Soweit die Kammer in ihrem Beschluss vom 30. April 2021 davon ausgegangen sei, der Kläger sei als Nichtstörer heranzuziehen, habe dieser Annahme eine zu einseitige, rein versammlungsrechtliche Bewertung des Störerbegriffs zugrundegelegen. Vorliegend habe nicht allein der dem Versammlungsrecht typische Interessenausgleich der einzelnen Versammlungen in den Blick genommen werden dürfen, sondern es könne ausschlaggebend sein, dass die Gefahr für die körperliche Unversehrtheit nicht allein durch das Auftreten zu erwartender Gegendemonstranten eintritt, sondern bereits – versammlungsunabhängig – von der durch eine Versammlung hervorgerufenen erhöhten Gefahr einer Tröpfchen- oder Schmierinfektion mit dem Coronavirus. 47Teilnehmer einer Versammlung könnten daher jedenfalls dann als „Störer“ in Anspruch genommen werden, wenn die Versammlung in ihrer geplanten Form infektionsschutzrechtlich unvertretbar wäre. 48Dieser Möglichkeit einer versammlungsrechtlichen Regelung habe dabei auch nicht entgegengestanden, dass Maßnahmen zu Gunsten des Infektionsschutzes nur durch die zuständigen Behörden vorgenommen werden durften, da die an die Ordnungsbehörden adressierten Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes (maßgeblich §§ 28, 28a Abs. 1 Nr. 10, Abs. 2 Nr. 1 IfSG) gegenüber den versammlungsrechtlichen Vorschriften jedenfalls dann keine Sperrwirkung entfalteten, wenn die Versammlungsbehörde ihre Verfügung auch mit versammlungsspezifischen Gründen versehe. 49Die Versammlungsbehörde habe zu prüfen, ob die infektionsschutzrechtliche Vertretbarkeit einer Versammlung durch Beschränkungen sichergestellt werden könne, wobei die angezeigte Teilnehmerzahl, die Versammlungsörtlichkeit bzw. Wegstrecke, die Art und Weise der Versammlung, die Gewährleistung der Einhaltung des Mindestabstands und der Maskenpflicht sowie die aktuelle pandemische Lage einschließlich der 7-Tage-Inzidenz zu berücksichtigen seien. Zu diesen könne, wie auch im streitgegenständlichen Fall angeführt, die Gefahr von Auseinandersetzungen mit Gegendemonstranten herangezogen werden. 50Infolgedessen stelle daher die Annahme der Rechtsprechung, dass bei Menschenansammlungen Krankheitserreger besonders leicht übertragen werden können und daher gem. § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG auch (sonstige) Dritte („Nichtstörer“) Adressat von Maßnahmen sein können, eine Erweiterung des Störerbegriffs dar, so dass die Grundsätze des § 28 Abs. 1 IfSG dazu führen könnten, dass infektionsschutzrechtliche Belange es erforderlich werden lassen, eine Versammlung losgelöst von etwaigen Gegendemonstranten als infektionsschutzrechtlichen Störer in Anspruch zu nehmen. 51Auch auf Rechtsfolgenseite seien keine Ermessensfehler des Beklagten ersichtlich. Zwar erscheine es richtig, dass als Störer nach dem Versammlungsgesetz auch die Gegendemonstration herangezogen werden könne. Allerdings ermögliche das Infektionsschutzgesetz entsprechend der obigen Ausführungen eine unmittelbare Störerauswahl im Hinblick auf die Versammlung des Klägers. 52Die Interessen der Versammlungsteilnehmenden der am streitgegenständlichen Tag angemeldeten Versammlungen erschienen dabei jedenfalls unter Berücksichtigung der infektionsschutzrechtlichen Perspektive mindestens gleichwertig. Somit hätte grundsätzlich jede einzelne Versammlung herangezogen werden können, die zu erwartende Dynamik sowie die Provokationswirkung gingen jedoch von der Versammlung des Klägers aus und seien durch den beabsichtigten faktischen Aufzug der Versammlung des Klägers derart verstärkt worden, dass deren Inanspruchnahme als infektionsschutzrechtlicher Dritter als Auslöser nahe gelegen habe. Im Übrigen wären auch infektionsschutzrechtliche Beschränkungen gegenüber den linken Versammlungen letztlich nicht vergleichbar effektiv gewesen, da deren Teilnehmende trotzdem erschienen wären. 53Die Verlegung der Versammlung sei auch verhältnismäßig, da sie geeignet und angemessen gewesen sei. Ein milderes Mittel sei nicht ersichtlich gewesen und die Einschränkung des Klägers gering, da mindestens gleichwertig ein unmittelbarer Zugang zur Weiterfahrt nach F. gewährleistet gewesen sei. 54Ergänzend sei neben dem Schutz der Versammlungsteilnehmer, der Schutz der eingesetzten Polizeikräfte maßgeblich. 55Die Kammer hat mit Beschluss vom 30. April 2021 ‑ 14 L 618/21 ‑, die aufschiebende Wirkung der Klage 14 K 1768/21 gegen die Auflage Nr. 1 der Versammlungsbestätigung vom selben Tag wiederhergestellt. 56Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten auch des Verfahrens ‑ 14 L 618/21 ‑ einschließlich der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Beiakte Heft 1 zu 14 L 618/21). 57Entscheidungsgründe: 58Die Klage ist in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft und im Übrigen auch zulässig. 59Der Kläger ist klagebefugt. 60Zwar wurde die streitgegenständliche Versammlung durch ihn für den Landesverband der Partei „Die Rechte“ als Veranstalter angemeldet und die Versammlungsbestätigung an den Landesverband der Partei „z.Hd. Herrn E2. “ adressiert, während er die Klage offenbar als „Privatperson“, ohne Bezug zu seiner Funktion als Vertreter der Partei und nicht in deren Namen erhoben hat. 61Als förmlicher Nichtadressat kommt es insoweit darauf an, ob subjektive Rechte oder zumindest anderweitig geschützte Interessen des Klägers verletzt sein können. 62Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 21. Januar 1993 ‑ 4 B 206.92 ‑, m.w.N., juris. 63Eine Klagebefugnis ist nur dann zu verneinen, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die vom Kläger behaupteten Rechte bestehen oder ihm zustehen können. 64Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 1963 ‑ V C 219.62 ‑, juris. 65Gemessen daran ist von einer Klagebefugnis auszugehen. Denn abgesehen davon, dass der Beklagte in dem streitgegenständlichen Bescheid den Landesverband der Partei „Die Rechte“ ausdrücklich als Veranstalter benannt hat, hat er diesen Bescheid dem die Anmeldung durchführenden Landesvorsitzenden der Partei ‑ dem Kläger - als Anmelder und in seiner Eigenschaft als Versammlungsleiter, auf den der Veranstalter das Leitungsrecht gem. § 7 des hier anzuwendenden Versammlungsgesetz des Bundes (VersG) übertragen hatte, an dessen private E-Mail-Adresse übersandt. Im Rahmen dieser Funktion war der Kläger zumindest „Inhaltsadressat“, 66vgl. dazu auch OVG Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 9. Juni 2005 ‑ 9 A 1150/03 ‑. juris, VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. Juli 2018 ‑ 2 S 1228/18 ‑, juris, 67der als verantwortlicher Versammlungsleiter im Rahmen der §§ 8, 10, 11 VersG u.a. zur Bekanntgabe der Auflagen in Anspruch genommen und von dem als verantwortlichem Leiter auch eine Kontrolle der Einhaltung der Auflagen mit einem Einschreiten bis hin zur Auflösung der Versammlung abverlangt wurde. Insoweit war der Bescheid mit seinen Auflagen bzw. mit einem Teil der Auflagen auch an den Kläger gerichtet, 68Vgl. zur Rolle des Versammlungsleiters und seiner Klagebefugnis Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 10. Juli 2018 - 10 BV 17.2405 - , BayVBl. 2019, 20 f., VG Leipzig, Urteil vom 17. Juni 2016 - 1 K 259/12 -, juris, VG Karlsruhe, Urteil vom 14. Mai 2020 - 3 K 5923/18 -, juris, 69der sich neben Veranstalter und Teilnehmern grundsätzlich auf das Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 Grundgesetz (GG) berufen kann. 70Dieter/Ginztel/Kniesel, Versammlungsgesetze, 17. Aufl., § 8 Rdnr. 6. 71Dass der Kläger insoweit (auch) als Leiter der von ihm angemeldeten Versammlung durch die streitgegenständliche Auflage in seinen Rechtspositionen verletzt sein könnte, erscheint mithin nicht unmöglich und der Kläger hat im Rechtsstaat einen Anspruch darauf, dass er in seinen Rechten nur durch Akte beeinträchtigt wird, die mit dem geltenden Recht in Einklang stehen. 72Vgl. auch VG Gelsenkirchen, Urteil vom 19. November 2021 -14 K 1638/15-, juris. 73Es besteht für die Fortsetzungsfeststellungsklage auch unabhängig vom einer möglichen Wiederholungsgefahr ein berechtigtes Interesse Klägers an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Auflage. 74Das erforderliche Feststellungsinteresse des Klägers ist vorliegend bereits aufgrund der Möglichkeit einer kurzfristig erledigten, aber schwerwiegenden Beeinträchtigung der in Art. 8 GG garantierten Versammlungsfreiheit gegeben. 75Das Grundrecht auf wirksamen und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG wird in erster Linie von den Prozessordnungen gewährleistet, die wiederum Vorkehrungen dafür treffen, dass der Einzelne seine Rechte auch tatsächlich wirksam durchsetzen kann und die Folgen staatlicher Eingriffe im Regelfall nicht ohne die Möglichkeit fachgerichtlicher Prüfung zu tragen hat. 76Die Zulässigkeit eines Rechtsschutzbegehrens ist allerdings vom Vorliegen eines schutzwürdigen Interesses bei der Verfolgung eines subjektiven Rechts abhängig. Damit der Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht unzumutbar beschränkt wird, dürfen an ein solches Rechtsschutzbedürfnis keine aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Anforderungen gestellt werden. 77Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 ‑ 1 BvR 461/03 ‑, m.w.N., BVerfGE 110, 77ff und juris. 78In versammlungsrechtlichen Verfahren sind zudem die Anforderungen an das Fortsetzungsfeststellungsinteresse unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Versammlungsfreiheit anzuwenden. Das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz gebietet darüber hinaus nämlich, die Möglichkeit einer gerichtlichen Klärung in Fällen gewichtiger, allerdings in tatsächlicher Hinsicht überholter Grundrechtseingriffe zu eröffnen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann. 79Vgl. Beschluss vom 30. April 1997 ‑ 2 BvR 817/90 ‑,BVerfGE 96, 27ff und juris. 80Solche Eingriffe können auch durch Beeinträchtigungen des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit bewirkt werden, gegen die Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren in dem dafür verfügbaren Zeitraum typischerweise nicht zu erreichen ist. 81Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 ‑ 1 BvR 461/03 ‑, BVerfGE 110, 77ff und juris. 82Zwar begründet nicht jeder Eingriff in die Versammlungsfreiheit ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. So ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse beispielsweise nicht begründet, wenn die Abweichungen bloße Modalitäten der Versammlungsdurchführung betroffen haben. 83Die durch die hier streitige Auflage durch den Beklagten verfügte Verlegung des Versammlungsortes von dem in der Anmeldung benannten X.-platz in E. -E1. auf den Vorplatz des S-Bahnhofs E. -E1. betrifft jedoch nicht lediglich die Modalitäten der Versammlungsdurchführung. Eine Verlegung des Versammlungsortes durch die Versammlungsbehörde ist regelmäßig dazu geeignet, den geschützten Kernbereich des Art. 8 GG zu betreffen und demzufolge einen erheblichen Grundrechtseingriff zu bewirken. 84Auch wenn das gewählte Motto der Versammlung keinen konkreten Ortsbezug hat, ist vorliegend die ‑ für die Annahme eines Feststellungsinteresses ausreichende ‑ Möglichkeit der Grundrechtsbeeinträchtigung gegeben. 85Anders als der als Versammlungsort angemeldete X.-platz , der sich inmitten der Wohnbebauung des Stadtviertels befindet, wird der Vorplatz des S-Bahnhofs im Osten von dem Zugang zu den Bahnsteigen, im Norden und Süden durch Bahngleise und im Westen durch den umzäunten Parkplatz der „Eventkirche E1. “ begrenzt. Abgesehen von Personen, welche am 1. Mai die S - Bahn nutzen wollen, ist dort nicht mit Passanten oder vorbeifahrenden Fahrzeugen zu rechnen, so dass die Wahrnehmungsreichweite der Versammlung - unabhängig von ihrem Thema - stark eingeschränkt wird. 86Ob diese Beeinträchtigung letztlich als eine (rechtswidrige) Grundrechtsbeeinträchtigung zu werten ist, ist für die Frage des Feststellungsinteresses ohne Belang, denn dafür ist ausreichend, dass eine Beeinträchtigung nicht von vornherein unter jedweder Betrachtungsweise auszuschließen ist. 87Allein der Umstand, dass die Versammlung aufgrund des Beschlusses der Kammer vom 30. April 2022 - 14 L 618 21 - in der vom Anmelder und Veranstalter vorgesehenen Form auf dem X.-platz stattfinden konnte, lässt das Feststellungsinteresse nicht entfallen. Denn der Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren wird durch das Eilverfahren nicht überflüssig. 88Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 ‑ 1 BvR 461/03 ‑, BVerfGE 110, 77ff und juris. 89Unterschiede bestehen in verfahrensrechtlicher und in materiellrechtlicher Hinsicht. Die Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutz wird allein auf Grundlage einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage im Weg einer materiell-akzessorischen Interessenabwägung getroffen, welche gerade keine endgültige Klärung tatsächlicher oder rechtlicher Fragen herbeiführt, sondern allein dem Ausgleich der widerstreitenden öffentlichen und privaten Interessen an dem Suspensiveffekt eines Rechtsbehelfs - hier der Klage - dient. 90Zwar entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass die gerichtliche Prüfung in versammlungsrechtlichen Eilverfahren deutlich intensiver ausfällt, als es auf anderen Rechtsgebieten der Fall sein mag, da die Folgen von Anordnungen, die die Durchführung einer Versammlung beschränken, regelmäßig nicht reversibel sind. Das verwaltungsgerichtliche Eilverfahren muss deshalb hier zum Teil Schutzfunktionen übernehmen, die sonst das Hauptsacheverfahren erfüllt. 91Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 ‑ 1 BvR 233/81 ‑, BVerfGE 69, 315ff. 92In der Sache bleibt es im vorläufigen Rechtsschutz aber im Grundsatz stets, also auch bei der Prüfung der Rechtmäßigkeitserfordernisse, bei einer nur vorläufigen Überprüfung der behördlichen Entscheidung, die ohne umfassende Sachaufklärung von Amts wegen und ohne abschließende Rechtsprüfung erfolgt. Der Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren kann deshalb durch das Eilverfahren grundsätzlich nicht überflüssig werden. 93Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 ‑ 1 BvR 461/03 ‑, BVerfGE 110, 77ff und juris. 94Unabhängig von dem hier aufgrund des möglichen Grundrechtseingriffs anzunehmenden Feststellungsinteresses, besteht ein solches Interesse außerdem dann, wenn die Gefahr einer Wiederholung des Eingriffs besteht. Das Erfordernis der Wiederholungsgefahr setzt dabei zum einen die Möglichkeit einer erneuten Durchführung einer vergleichbaren Versammlung durch den Betroffenen voraus, zum anderen, dass die Behörde voraussichtlich an ihrer Rechtsauffassung festhalten wird. 95Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 ‑ 1 BvR 461/03 ‑, BVerfGE 110, 77ff und juris. 96Da der im Eilverfahren zu erreichende Schutz nicht dem Rechtsschutz, der im Hauptsacheverfahren erlangt werden kann, entspricht, entfällt das auf eine Wiederholungsgefahr gegründete Rechtsschutzinteresse nicht etwa deshalb, weil der Kläger in zukünftigen Fällen erneut Eilrechtsschutz in Anspruch nehmen kann. 97Insbesondere ist es weder dem Veranstalter einer Versammlung noch dem Kläger als dem regelmäßig bei den Versammlungen der Partei „Die Rechte“ angemeldeten Versammlungsleiter zuzumuten, den durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG garantierten Rechtsschutz stets nur vorläufig und mit Unsicherheit für die Behandlung zukünftiger Fälle erlangen zu können. Dies wäre auch dem Freiheitsrecht des GG Art. 8 abträglich und könnte sich langfristig auf die Funktionsweise der Demokratie auswirken. 98Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist grundsätzlich insbesondere dann zu bejahen, wenn gerichtlicher Eilrechtsschutz erlangt worden ist, aber Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Behörde sich nicht an den im vorangegangenen Eilverfahren vorgenommenen gerichtlichen Bewertungen ausrichten wird. 99Vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Februar 2011 ‑ 1 BvR 1946/06 ‑, juris 100Dabei reicht es aus, dass der Wille des Betroffenen erkennbar ist, in Zukunft Versammlungen abzuhalten, die ihrer Art nach zu den gleichen Rechtsproblemen und damit der gleichen Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit führen können. Angesichts des verfassungsrechtlich geschützten Rechts des Veranstalters, über das Ziel sowie die Art und Weise der Durchführung einer Versammlung selbst zu bestimmen, darf für die Bejahung des Feststellungsinteresses hingegen nicht verlangt werden, dass die möglichen weiteren Versammlungen unter gleichen Umständen, mit einem identischen Motto und am selben Ort durchgeführt werden. Jedoch sind Anhaltspunkte dafür zu fordern, dass die Behörde das Verbot solcher weiteren Versammlungen oder die Beschränkung ihrer Durchführung voraussichtlich wieder mit den gleichen Gründen rechtfertigen wird. Ist gerichtlicher Eilrechtsschutz erlangt worden, bestehen aber Anhaltspunkte dafür, dass eine Behörde sich nicht an den im vorangegangenen Eilverfahren vorgenommenen gerichtlichen Bewertungen ausrichten wird, ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu bejahen, es sei denn die konkret betroffene Behörde hat eindeutig erkennen lassen, in Zukunft von einer Wiederholung der Beschränkung unter Verwendung der von ihr ursprünglich gegebenen Begründung absehen zu wollen. 101Vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Februar 2011 ‑ 1 BvR 1946/06 ‑, juris 102Letzteres ist vorliegend nicht der Fall. 103Der Beklagte hat - insbesondere im Rahmen der Klageerwiderung, in welcher er seine Begründung erweitert und vertieft hat - zu erkennen gegeben, dass er die Rechtsauffassung der Kammer nicht teilt und sich folglich auch in Zukunft nicht an dieser ausrichten will. 104Zwar hat der Beklagte im Rahmen der Klageerwiderung erklärt, dass unabhängig vom Fortbestand einer pandemischen Lage nationaler Bedeutung in der jetzigen Situation eine Verlegung der Versammlung - wie seinerzeit angedacht - nunmehr nicht mehr per se aus infektionsschutzrechtlichen Gründen erfolgen würde. 105Diese Erklärung lässt jedoch nicht hinreichend deutlich erkennen, dass die hier zur Entscheidung stehende Konstellation sich in Zukunft nicht wiederholen kann. 106Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Erklärung selbst, die eine Verlegung aus infektionsschutzrechtlichen Gründen nicht ausschließt, sondern lediglich deutlich macht, eine solche erfolge nicht „per se“, also „von selbst“. 107Vor dem Hintergrund der für die Verlegung des Versammlungsortes sowohl in der Versammlungsbestätigung als auch nachfolgend im gerichtlichen Verfahren durch den Beklagten abgegebenen Begründung, die neben den Belangen des Infektionsschutzes als Ursache für die infektionsschutzrechtliche Gefahrenlage maßgeblich auf die Konfrontation mit Gegendemonstranten und die daraus zwangsläufig folgenden Abstandsunterschreitungen in der durch den Kläger geleiteten Versammlung abstellt, schließt diese Erklärung eine mögliche Wiederholungsgefahr nicht derart aus, dass ein Feststellungsinteresse des Klägers zu verneinen wäre. Denn, wie der Kammer aus zahlreichen Verfahren bekannt ist, begründet der Beklagte gegenüber der Partei „Die Rechte“ und auch dem Kläger, sofern er Anmelder der Versammlung ist, den Erlass von beschränkenden Auflagen hinsichtlich des Versammlungsortes oder der Art der Versammlung bis hin zu deren Auflösung regelmäßig mit der Gefahr von Übergriffen durch Gegendemonstranten. Auch wenn die Versammlungsbehörde mit ihrer Erklärung von der infektionsschutzrechtlichen Begründung (teilweise) abrückt, ohne jedoch insgesamt, insbesondere hinsichtlich der Inanspruchnahme der klägerischen Versammlung an Stelle der Gegendemonstrationen, deutlich zu machen, sich vollständig von der seinerzeitigen Begründung zu distanzieren, so liegen darin hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass sie an ihrer Rechtsauffassung festhalten und deshalb vergleichbare Versammlungen der Partei „Die Rechte“ oder des Klägers, der gerichtsbekannt oftmals auch als Veranstalter von Versammlungen auftritt, aus den gleichen Gründen wie bisher durch Auflagen beschränken wird. 108Die zulässige Klage ist auch begründet, denn die Auflage Nr. 1 in der Versammlungsbestätigung vom 30. April 2021 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen, aus seiner Funktion als Versammlungsleiter folgenden, Rechten. 109Insoweit nimmt die Kammer zunächst Bezug auf die Begründung des Beschlusses vom 30. April 2021, an der sie nach der Überprüfung der Sach- und Rechtslage im Hauptsacheverfahren auch angesichts der im Klageverfahren erfolgten weiteren Begründung des Beklagten festhält. 110Soweit der Beklagte in der weiteren Begründung im Rahmen der Klageerwiderung auf §§ 28 Abs. 2 und 28a Abs. 1 Nr. 10 Infektionsschutzgesetz IFSG abstellt, geht auch die Kammer auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung davon aus, dass infektionsschutzrechtliche Anforderungen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit grundsätzlich Grundlage für versammlungsrechtliche Auflagen und Beschränkungen nach § 15 Abs. 1 VersG sein können. 111Neben der tatbestandlichen Voraussetzung, dass tatsachengestützte Anhaltspunkte dafür bestehen, die Durchführung der Versammlung könne eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellen, bedarf es auf der Rechtsfolgenseite einer Ermessensentscheidung der Behörde, ob und welche Maßnahmen gegen welchen Störer zu richten sind. 112Zwar dürfte vorliegend die tatbestandliche Annahme des Beklagten, es könne zu Gefahren für die öffentliche Sicherheit kommen, weil die infektionsschutzrechtlich gebotenen Abstände im Fall von Störungen der durch den Kläger geleiteten Versammlung durch Gegendemonstranten nicht mehr einzuhalten wären, nicht zu beanstanden sein. 113Die Entscheidung, Maßnahmen - konkret die Verlegung des Versammlungsortes ‑ gegen die von dem Kläger geleitete Versammlung zu richten, stellt sich vorliegend jedoch als ermessensfehlerhaft dar. 114Das auf der Rechtsfolgenseite zu betätigende Ermessen kann gerichtlich nur in den Grenzen des § 114 VwGO überprüft werden. Das Gericht prüft ausschließlich, ob die Behörde in der Erkenntnis des ihr eingeräumten Ermessens alle die den Rechtsstreit kennzeichnenden Belange in ihre Erwägung eingestellt hat, dabei von richtigen und vollständigen Tatsachen ausgegangen ist, die Gewichtung dieser Belange der Sache angemessen erfolgt ist und das Abwägungsergebnis vertretbar ist, insbesondere nicht gegen höherrangiges Recht verstößt. Dabei sind Ermessenserwägungen bis zur letzten Verwaltungsentscheidung zu berücksichtigen, die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren noch ergänzt werden können (§ 114 Satz 2 VwGO). 115Auch dann, wenn versammlungsrechtliche Beschränkungen - wie vorliegend auf infektionsschutzrechtliche Grundlagen gestützt werden, hat die Ermessensausübung unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu erfolgen. Dies macht die Beachtung sämtlicher Umstände des Einzelfalls einschließlich des aktuellen Stands des dynamischen und tendenziell volatilen Infektionsgeschehens erforderlich. 116Vgl. BVerfG, Ablehnung einer einstweiligen Anordnung vom 30. August 2020 ‑ 1 BvQ 94/20 ‑, juris; OVG NRW Beschluss vom 9. März 2021 ‑ 15 B 339/21 ‑ m.w.N., www.nrwe.de und juris. 117Es ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass um eine Unterschreitung notwendiger Mindestabstände zu verhindern, zu der es aufgrund der Dynamiken in einer großen Menschenmenge oder des Zuschnitts und Charakters einer Versammlung im Einzelfall selbst dann kommen kann, wenn bezogen auf die erwartete Teilnehmerzahl eine rein rechnerisch hinreichend groß bemessene Versammlungsfläche zur Verfügung steht, als weitere Regelungen der Modalitäten die Durchführung als ortsfeste Kundgebung anstatt als Aufzug oder auch die Verlegung an einen aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vorzugswürdigen Alternativstandort in Betracht kommen. 118Die fehlerfreie Ermessensausübung erfordert - gerade im durch Art. 8 GG geschützten Bereich der Versammlungsfreiheit - eine sorgfältige Abwägung, gegen wen sich Maßnahmen richten müssen bzw. dürfen, um einer prognostizierten Gefahr zu begegnen. 119Vorliegend hat der Beklagte maßgeblich darauf abgestellt, eine Verlegung der Versammlung auf den Platz vor dem S-Bahnhof mindere das Infektionsrisiko deshalb, weil dort nicht mit Übergriffen von Gegendemonstranten zu rechnen sei, bzw. die Versammlung besser vor solchen Übergriffen geschützt werden könne. 120Die konkret prognostizierte Gefahr für die durch das Infektionsschutzgesetz geschützten Rechtsgüter, nämlich Leib und Leben der Versammlungsteilnehmer sowie Dritter, einschließlich der eingesetzten Polizeibeamtinnen und -beamten und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesen, geht vorliegend nicht von den Modalitäten der angemeldeten Versammlungsdurchführung aus. Dies gilt unabhängig davon, ob aus der hier maßgeblichen „ex-ante“ Sicht die Zahl der Versammlungsteilnehmer sich auf die in der Anmeldung genannten 20 beschränkt oder von der - auch im Klageverfahren nicht weiter substantiierten - Einschätzung des Beklagten mit einer Teilnehmerzahl von 80 Personen auszugehen war. Die Gefahr entsteht nach allen Prognosen erst durch die erwarteten Übergriffe Dritter auf die von dem Kläger geleitete Versammlung. 121Wie die Kammer bereits in dem Beschluss vom 30. April 2021 im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ausgeführt hat, handelt es sich bei diesen Erwägungen um die klassische Situation der Inanspruchnahme eines Nichtstörers, die grundsätzlich nur unter besonders restriktiven Voraussetzungen zulässig ist und im Versammlungsrecht regelmäßig einen polizeilichen Notstand erfordert. 122Sind nämlich Störungen der öffentlichen Sicherheit vorwiegend aufgrund des Verhaltens Dritter - insbesondere von Gegendemonstranten - zu befürchten, während sich Veranstalter und Versammlungsteilnehmer überwiegend friedlich verhalten, so sind behördliche Maßnahmen primär gegen die Störer zu richten. Gegen die friedliche Versammlung selbst kann dann nur unter den besonderen, eng auszulegenden Voraussetzungen des polizeilichen Notstands eingeschritten werden. Dies setzt voraus, dass die Versammlungsbehörde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit andernfalls wegen der Erfüllung vorrangiger staatlicher Aufgaben und trotz des Bemühens, gegebenenfalls externe Polizeikräfte hinzuzuziehen, zum Schutz der angemeldeten Versammlung nicht in der Lage wäre. Keinesfalls darf der Nichtstörer einem Störer gleichgestellt und die Auswahl des Adressaten der versammlungsrechtlichen Verfügung von bloßen Zweckmäßigkeitserwägungen abhängig gemacht werden. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines polizeilichen Notstandes liegt wiederum bei der Behörde. Eine pauschale Behauptung dieses Inhalts reicht nicht. 123Vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Dezember 2012 ‑ 1 BvR 2794/10 -; Beschluss vom 11. September 2015 ‑ 1 BvR 2211/15 ‑; OVG NRW, Urteil vom 24. September 2019 ‑ 15 A 3186/17 ‑, sämtlich juris. 124Daran ändern auch die von dem Beklagten in der Klageerwiderung herangezogenen Bestimmungen des Infektionsschutzgesetzes nichts. Insbesondere lässt sich daraus nicht die Qualifikation der vom Kläger geleiteten Versammlung als Störerin ableiten. 125Die §§ 28 und 28a IFSG modifizieren den Störerbegriff nicht so weit, dass die allgemeinen Grundsätze zur Störerauswahl sowie die im Versammlungsrecht maßgeblichen Ermessensmaßstäbe völlig in den Hintergrund treten. 126Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IFSG in der am 30. April 2021 geltenden Fassung können die zuständigen Behörden Schutzmaßnahmen, insbesondere nach § 28a Absatz 1 IFSG treffen, soweit und solange es zur Verhinderung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Sie können insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihnen bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. Nach Satz 2 dieser Bestimmung sind unter den Voraussetzungen des Satzes 1 die Beschränkung und das Verbot von Veranstaltungen oder sonstigen Ansammlungen von Menschen zulässig. 127§ 28a Abs. 1 Nr. 10 IFSG in der zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Behördenentscheidung geltenden und seither unveränderten Fassung vom 10. Dezember 2021 ergänzt und konkretisiert § 28 Abs. 1 IFSG hinsichtlich der zulässigen Maßnahmen dahingehend, dass für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Absatz 1 Satz 1 durch den Deutschen Bundestag insbesondere die Erteilung von Auflagen für das Abhalten von Veranstaltungen, Ansammlungen, Aufzügen, und Versammlungen möglich sein kann. 128Zwar ermöglichen die Generalklausel des § 28 IFSG sowie ihre Konkretisierung in § 28a IFSG für den Fall, dass Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Erkrankungen erforderlich sind, ein Vorgehen grundsätzlich nicht nur gegenüber den in § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG genannten Personen, also gegenüber Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen oder Ausscheidern, sondern - soweit erforderlich - auch gegenüber Dritten. 129Dies führt jedoch nicht dazu, dass jeder potentiell Ansteckungsgefährdete oder jede Veranstaltung oder Versammlung als Störer angesehen werden könnte. 130Allein eine im Gesetz ermöglichte Inanspruchnahme Dritter macht jene nicht zu Störern. Dies ergibt sich auch aus einem Vergleich mit den Bestimmungen zur Verantwortlichkeit im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht. Weder aus § 28 IFSG noch aus § 28a IFSG lassen sich Grundsätze über die Voraussetzungen der Inanspruchnahme der dort erwähnten Dritten ableiten, noch dass diese bei einer möglichen Auswahl parallel in Anspruch zu nehmenden Störern gleichgestellt wären. Folglich verbleibt es bei den allgemeinen Grundsätzen. 131Die erforderliche Betrachtung im Einzelfall zeigt, dass die in der streitgegenständlichen Auflage zur Versammlung ausgesprochene Verlegung des Versammlungsortes nicht dazu dient, die Versammlung zu ermöglichen, etwa weil der zuvor ausgewählte Versammlungsort - unter Einbeziehung der seinerzeit geltenden infektionsschutzrechtlichen Anforderungen - nicht ausreichte, um die aus einer Menschenansammlung von ‑ je nach Betrachtungsweise - 20 bis 80 Personen folgende Infektionsgefahr zu vermeiden. Der Kläger als Vertreter der Versammlungsanmelderin hat in der Anmeldung ein Infektionsschutzkonzept vorgelegt, welches den seinerzeit üblichen Anforderungen entsprach. 132Auch der Beklagte stellt - wie bereits dargelegt - für die Gefahrverursachung maßgeblich nicht auf die Modalitäten der Versammlung an dem vorgesehen Ort selber ab, sondern auf den Umstand, dass er zuvor zwei nach Anmeldung der durch den Kläger geleiteten Versammlung angemeldete Versammlungen aus dem linken Spektrum auf oder in unmittelbare Nähe des X.-platzes bestätigt hat, von denen er ausweislich der Gefahrenprognosen ausging, dass sie gegenüber der durch den Kläger angemeldeten Versammlung gewalttätig werden könnten. 133Nach den hergebrachten Grundsätzen, welche - wie dargelegt - durch das Infektionsschutzrecht insoweit nicht grundlegend modifiziert werden, ist daher nicht die durch den Kläger geleitete Versammlung als Störerin anzusehen. 134Auch die von dem Beklagten in der Klagebegründung zur Begründung seiner Auffassung, die von dem Kläger geleitete Versammlung sei unter den Voraussetzungen des Infektionsschutzgesetzes als Störer zu betrachten, herangezogene Rechtsprechung trägt diese Argumentation nicht. 135Die Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein - Westfalen, 136OVG NRW, Beschluss vom 6. April 2020 ‑ 13 B 398/20.NE ‑, juris, 137und des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, 138OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. März 2020 ‑ OVG 11 S 12/20 ‑, juris, 139befassen sich im Rahmen der Normenkontrolle mit der generell bestehenden Möglichkeit, Maßnahmen zum allgemeinen Infektionsschutz zulässigerweise auch gegen nicht infizierte Personen (hier Betreiber von durch die Coronaschutzverordnung NRW generell geschlossenen Ladenlokalen und Menschenansammlungen) richten zu können. 140Die herangezogenen Entscheidungen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs, sowie des Verwaltungsgerichts Kassel und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, 141Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 19. März 2021 ‑ 2 B 588/21 ‑; VG Kassel, Beschluss vom 17. März 2021 ‑ 6 L 573/21.KS ‑; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 21. Februar 2021 ‑ 10 CS 21.526 ‑, sämtlich juris, 142betrafen Versammlungen mit 500 bis zu 6.000 Teilnehmenden, teilweise auf belebten Innenstadtplätzen. 143All diesen Entscheidungen ist gemein, dass die infektionsschutzrechtlich begründeten Gefahren stets unmittelbar von der Veranstaltung, bzw. Versammlung ausgingen, ohne dass die Gefahr erst durch das Hinzutreten gefahrerhöhender oder ‑begründender Handlungen Dritter drohte. Es bedurfte somit keiner weiteren Erwägungen, welche die von dem Beklagten vertretene Erweiterung des Störerbegriffs stützen könnten. 144Im Gegenteil führt das Verwaltungsgericht Kassel in seinem Beschluss, unter Darstellung der allgemein geltenden versammlungsrechtlichen Grundsätze zum polizeilichen Notstand im Übrigen, ausdrücklich aus: 145„Ein Verbot lässt sich vorliegend auch nicht ohne Weiteres mit der Gefahr einer Auseinandersetzung zwischen den Teilnehmern der vom Antragsteller angemeldeten Versammlung und potentiellen Gegendemonstranten oder anderen Gruppierungen sowie einer damit einhergehenden Gefährdung der Gesundheit der Bevölkerung rechtfertigen. Denn Störungen der öffentlichen Sicherheit, die vorwiegend aufgrund des Verhaltens Dritter – insbesondere durch Gegendemonstranten – zu befürchten sind, während sich Veranstalter und Versammlungsteilnehmer überwiegend friedlich verhalten, ist mit behördlichen Maßnahmen primär gegen die Störer zu begegnen. […]“ 146Weitere Umstände, welche die Inanspruchnahme der klägerischen Versammlung als Nichtstörerin rechtfertigen könnten, ergeben sich weder aus der Versammlungsbestätigung noch den im Klageverfahren ergänzten Ermessenserwägungen. 147Die Einschätzung des Beklagten, die Interessen der Versammlungsteilnehmenden der am streitgegenständlichen Tag angemeldeten Versammlungen seien bei der Abwägung der gegenläufigen Interessen jedenfalls unter Berücksichtigung der infektionsschutzrechtlichen Perspektive mindestens gleichwertig, somit hätte grundsätzlich jede einzelne Versammlung herangezogen werden können, die zu erwartende Dynamik sowie die Provokationswirkung seien jedoch von der Versammlung des Klägers ausgegangen und durch den beabsichtigten faktischen Aufzug der Versammlung des Klägers derart verstärkt worden, dass deren Inanspruchnahme als infektionsschutzrechtlicher Dritter als Auslöser nahe gelegen habe, trägt die vorgenommene Störerauswahl folglich nicht, da sie außer Acht lässt, dass nicht die Versammlung des Klägers für die prognostizierte Gefahrenlage verantwortlich ist. 148Allein die von dieser Versammlung ausgehende Provokationswirkung rechtfertigt ihre Inanspruchnahme nicht, solange die Provokationswirkung sich im Rahmen dessen bewegt, was als versammlungstypisches Verhalten anzusehen ist und aus sich selbst heraus keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung befürchten lässt. 149Durch die Provokationswirkung einer Versammlung verursachte Übergriffe Dritter auf die Versammlung können versammlungsbeschränkende Maßnahmen der Versammlungsbehörde mithin nur dann rechtfertigen, wenn andere polizeiliche Maßnahmen, wie etwa die räumliche Trennung von Demonstration und Gegendemonstration, keinen Erfolg versprechen, oder unter jedem denkbaren Gesichtspunkt unmöglich sind, mithin die Voraussetzungen eines polizeilichen Notstandes gegeben sind. 150Dafür ist vorliegend nichts ersichtlich, so dass die Kammer bei ihrer Einschätzung in dem Beschluss vom 30. April 2021 - 14 L 618/21 - auch nach der Überprüfung im Hauptsacheverfahren verbleibt. 151Soweit der Beklagte in der Gefahrenprognose auf zu erwartende Provokationen der vom Kläger geleiteten Versammlung abstellt, ergibt sich weder aus der vorliegenden Gefahrenprognose noch aus dem weiteren Vorbringen im Rahmen des Klageverfahrens, dass diese derart intendiert wären, dass die Versammlung unter dem Aspekt des „Zweckveranlassers“ für Übergriffe Dritter auf die Versammlung als Störer anzusehen sein könnte. 152Abschließend ist ergänzend anzumerken, dass die im Rahmen der Klageerwiderung angestellte Erwägung des Beklagten, 153„Im Übrigen wären auch infektionsschutzrechtliche Beschränkungen gegenüber den linken Versammlungen letztlich nicht vergleichbar effektiv gewesen, da deren Teilnehmende trotzdem erschienen wären.“ 154offensichtlich sachfremd ist und deshalb schon für sich einen erheblichen Ermessensfehler darstellt. 155Reichte diese Einschätzung zur Rechtfertigung der Inanspruchnahme sich rechtmäßig verhaltender Versammlungen aus, wäre ein Einschreiten der Polizei gegen nichtstörende Demonstrationen stets ohne weiteres möglich und der grundrechtliche Schutz aus Art. 8 GG würde ausgehöhlt. Dies käme einer Kapitulation des Rechtsstaats gleich. 156Die Möglichkeit Inanspruchnahme der durch den Kläger geleiteten Versammlung als Störerin unter anderen Gesichtspunkten ist nicht ersichtlich oder gar tatsachengestützt begründet. 157Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. 158Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. 159Rechtsmittelbelehrung: 160Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn 1611. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 1622. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 1633. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 1644. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 1655. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. 166Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, zu beantragen. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich einzureichen. 167Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 168Im Berufungsverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO. 169Beschluss 170Der Streitwert wird auf 5.000,- € festgesetzt. 171Gründe: 172Die Entscheidung beruht auf § 52 Abs. 2 Satz des Gerichtskostengesetzes. 173Rechtsmittelbelehrung: 174Gegen diesen Beschluss findet innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt. 175Die Beschwerde ist schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen einzulegen. Über sie entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, falls das beschließende Gericht ihr nicht abhilft. 176Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
es wird festgestellt, dass die auflage nr. 1 aus dem auflagenbescheid vom 30. april 2021 rechtswidrig war. der beklagte trägt die kosten des rechtsstreits das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der beklagte darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung oder hinterlegung in höhe des beizutreibenden betrages abwenden, wenn nicht der kläger vor der vollstreckung in gleicher höhe sicherheit leistet. 1
2am freitag dem 23. april 2021 meldete der kläger, für den landesverband der partei die rechte, dessen vorsitzender er ist, eine mahnwache auf dem x.-platz in e. e1. am 1. mai 2021 für die zeit von 11:00 uhr bis 12:00 uhr an. 3als versammlungsleiter wurde der kläger benannt. das veranstaltungsthema lautete „heraus zum tag der arbeit“, die erwartete teilnehmerzahl wurde mit ca. 15 - 20 angegeben. als hilfsmittel wurden unter anderem eine lautsprecheranlage und ein lautsprecherfahrzeug angemeldet. des weiteren wurden sicherheitsmaßnahmen bezüglich der corona pandemie dargestellt. 4am 28. april 2021 fand gegen 11:00 uhr ein telefonisches kooperationsgespräch mit dem kläger statt. ausweislich des darüber vom beklagten gefertigten vermerks zeichnete sich zu diesem zeitpunkt bereits eine erhebliche mobilisierung der linken szene ab. der kläger erläuterte, sich mit den versammlungsteilnehmern am x.-platz versammeln zu wollen, dort einen redebeitrag von i. stattfinden zu lassen und dann gemeinsam richtung s-bahn zu gehen um zu einer anschließenden versammlung nach f. zu fahren. ausweislich des vermerks wurde ihm die einschätzung des beklagten in bezug auf die „rechts-links“ problematik und der daraus folgenden infektionsrisiken erläutert. insbesondere seine geplante abreise, welche rein faktisch einen aufzug darstelle, mache es unmöglich eine konfrontation zu unterbinden. der kläger sei gefragt worden, ob für ihn auch der s-bahn vorplatz als versammlungsort infrage kommen würde und habe darauf geantwortet, dass ihm der x.-platz schon recht wichtig sei und dass er, wenn irgend möglich, dort seine versammlung abhalten wolle. 5am 29. april 2022 fand um 16:25 uhr ein weiteres telefonisches kooperationsgespräch mit dem kläger statt, da sich die gefahrenprognose erheblich verändert hatte. dem kläger wurde ausweislich des über das gespräch angefertigten vermerks mitgeteilt, die auf tatsachen gestützte gefährdungsanalyse lasse den schluss zu, dass es zu erheblichen konfrontationen während der versammlung und vor allem während der abreise kommen werde. dies habe ein erhebliches infektionsrisiko zur folge. die dahingehende einschätzung werde durch die kontaktierung der örtlichen ordnungsbehörde und des robert koch institutes gestützt. einzige möglichkeit dieses risiko zu minimieren sei eine standkundgebung am s-bahn vorplatz bzw. parkplatz. der kläger habe darauf erwidert, dass sinn seiner versammlung sei, andere personen zu erreichen, insbesondere unterstützer aus e1. . da im umfeld der s-bahn nichts wäre, wäre der versammlungszweck verfehlt. er würde sich noch auf einen anderen ortskernnahen bereich einigen, wie die dresdner straße. ihm sei darauf entgegnet worden, dass der versammlungszeck keineswegs verloren gehe, da sein versammlungsthema keinen örtlichen bezug habe und eine hauptverkehrsanbindung von e1. , welche auch nur knapp 500 m vom gewünschten versammlungsort entfernt wäre, garantiere, dass bürger erreicht würden. der kläger habe daraufhin einen auflagenbescheid verlangt, dies sei durch die vertreter des beklagten verneint worden, da die vorgeschlagene alternative rigoros abgelehnt worden sei. folge sei nunmehr eine verbotsverfügung auf grundlage des infektionsschutzes mit der oben genannten begründung. 6in einer internen stellungnahme des beklagten vom 29. april 2021 wird dargelegt, dass am selbigen tag dem beklagten zwei versammlungen im unmittelbaren umfeld der versammlung des klägers bekannt geworden seien. die versammlungen seien als gegenprotest zur ursprungsanmeldung zu werten. nach angaben der anmelder werde mit einer gesamtteilnehmerzahl von 135 personen gerechnet. nach staatsschutzrechtlichen bewertungen sei die vom kläger angemeldete teilnehmerzahl seiner versammlung als zu gering zu erachten. eine teilnehmerzahl von bis zu 80 personen erscheine dabei realistisch. im umfeld des zentralen x.-platzes könnten den jeweiligen versammlungen örtlichkeiten zugewiesen werden, welche einen aufenthalt einer derartig großen personenanzahl aus infektionsschutzgründen unter einhaltung der gebotenen abstände zulasse. für die als möglich erachteten reisewege der klägerischen versammlung entweder über den s-bahnhof e. e1. oder das u-bahn stadtbahnnetz zur weiterreise nach f. wurde folgende gefahrenprognose abgegeben: 7beide politischen spektren befänden sich derzeit in einem hoch emotionalisierten zustand. aus sicht des linksextremistischen spektrums wögen staatliche einschnitte durch getroffene maßnahmen zur bekämpfung der corona pandemie schwer und zurückliegende ereignisse, wie die einführung des deig [„taser“] und dessen benutzung, die feststellung rassistischer chat-gruppen, avisierte videobeobachtung und generelle rassismus vorwürfe gegen die polizei, wirkten erheblich. die rechtsextremistische szene befinde sich augenscheinlich in einem strukturellen umbruch und sei in jüngerer vergangenheit in der öffentlichkeit wenig wahrnehmbar. vorliegende erkenntnisse, dass der vorgesehene redner i. - eine wesentliche reizfigur der rechtsextremistischen szene - teil der versammlung des klägers sei, dürfte gewaltbereite und erlebnisorientierte versammlungsteilnehmer des gegenprotestes maximal provozieren. nicht zuletzt aufgrund der ereignisse um den nsu-komplex mit einem tötungsdelikt in e. , einer bereits nachgewiesenen verbindung des vorgesehenen redners als teil dieses netzwerkes und dessen nähe zur rechtsterroristischen verbindung „blood & honour“ sowie der verbotenen organisation „combat 18“ müsse die installation gerade dieser person als versuchte machtdemonstration der rechtsextremistischen szene verstanden werden. 8eine der beiden versammlungen des gegenprotestes zeichne sich hinsichtlich der teilnehmerzusammensetzung vornehmlich durch gewaltbereite antifaschisten und linksextremisten aus. unter den gegendemonstranten seien personen zu erwarten, die dem c-bündnis angehörten und es sich zum ziel gemacht hätten rechtsextremistische versammlungen, auch unter anwendung von gewalt, zu blockieren. entsprechend seien übergriffe und sich daraus entwickelnde wechselseitige beschimpfungen und schmähungen wahrscheinlich. 9der durch die anmelderin gewählte standort der versammlung befinde sich unmittelbar im bereich des aus- und umstiegs der stadtbahnhaltestelle. abwandernde versammlungsteilnehmer der versammlung des klägers müssten bis auf wenige meter an beiden versammlungen des gegenprotestes vorbeigeführt werden. bauliche trennungen bestünden hier nicht. der versuch von distanzunterschreitungen sei unausweichlich zu erwarten. die schaffung eines geschützten korridors sei aufgrund der örtlichen und technisch vorgegebenen gegebenheiten kaum möglich. im vorliegenden fall sei eine stauchung der teilnehmer aller versammlungen unausweichlich. abstände zur infektionsvermeidung würden unterlaufen. ebenso seien versammlungstypische verhaltensweisen wie schreien, rufen, pfeifen, die benutzung von trillerpfeifen und weiteren blasinstrumenten wahrscheinlich, was ebenso zu einem erhöhten aerosolausstoß führen würde. die oberirdisch verlaufende u-bahn strecke sei im weiteren verlauf erheblich störanfällig für die einflussnahme von außen z.b. durch blockaden. dies führe zu einer unnötig langen verweildauer in einer möglicherweise überfüllten stadtbahn mit einer damit einhergehenden erhöhten infektionsgefahr. 10bei einer weiterreise mit der s-bahn müssten die versammlungsteilnehmer der klägerischen versammlung fußläufig über einspurige straßen, gegebenenfalls über ausweichrouten zum s-bahnhof e. e1. begleitet werden. die strecke vom versammlungsort zum bahnhof betrage ca. 500 m. entlang dieser strecke befänden sich aufgrund örtlicher gegebenheiten möglichkeiten der verdeckten annäherung an die versammlungsteilnehmer. in jedem falle seien sitzblockaden von gegendemonstranten auf der transitstrecke einzukalkulieren. sich daran beteiligende personen müssten zwangsläufig gebotene abstände unterschreiten. darüber hinaus müssten die versammlungsteilnehmer der klägerischen versammlung angehalten, aufgestaut, oder umgeleitet werden. diese maßnahmen wären einerseits zum schutz der personen erforderlich, andererseits würden sie ebenfalls zum unterschreiten gebotener abstände führen. 11in jedem fall sei festzustellen, dass alle transitbewegungen bei gesteigerter emotionalität bei allen beteiligten zu einer unterschreitung von abständen führen werde. ebenso werde infrage gestellt, dass sich alle personen bei entsprechender emotionalisierung weiterhin an das gebot zum tragen von mundnaseschutz oder ähnlichen hielten. 12die gefahrenprognose stütze sich auf einsatzerfahrungen unter beteiligung der gleichen personenklientel, teilweise aufgrund von zu erwartenden personenidentitäten. ebenso werde auf die gefahrenprognose der stadt e. hinsichtlich der durchführung von aufzügen verwiesen. der vorläufige transit von versammlungsteilnehmern anlässlich der durch sie beabsichtigten weiterreise müsse aus hiesiger sicht unwidersprochen zu einer erhöhung des infektionsrisikos führen. er werde faktisch als aufzug durchgeführt. 13unter dem 30. april 2021 bestätigte der beklagte dem kläger die angemeldete versammlung für den 1. mai 2021 mit einer insgesamt einundfünfzig seiten umfassenden versammlungsbestätigung. 14abweichend von der anmeldung wurde durch die auflage nr. 1 als veranstaltungsort der vorplatz des s-bahnhofs e. e1. benannt. der genaue aufstellungsort werde vor ort mit den einsatzkräften abgestimmt. 15zur deren begründung stellte der beklagte im kern auf die rechtsgrundlage des § 15 abs. 1 versammlg ab. diese werde durch die infektionsschutzrechtlichen möglichkeiten, eine versammlung einzuschränken, nicht beschränkt, was in anbetracht der tatsache, dass ein infektionsschutzrechtlicher verstoß zugleich einen solchen gegen die rechtsordnung darstellen könne, konsequent erscheine. dabei werde nicht verkannt, dass das gestaltungsrecht des veranstalters einer versammlung grundsätzlich auch die art und weise der versammlung erfasse. 16im rahmen des kooperationsgesprächs habe der kläger den ihm angebotenen kundgebungsort auf dem vorplatz des s-bahnhofs e. e1. abgelehnt, sodass die dadurch entstehende kollision mit den öffentlichen interessen durch die versammlungsbehörde zum ausgleich gebracht werden müsse. 17vor diesem hintergrund sei nach dem derzeitigen kenntnisstand (30.04.2021) von einer gesamtlage im stadtgebiet mit fünf versammlungen aus dem linken spektrum und drei weiteren versammlungen auszugehen. so seien auch für e1. - auf und an dem x.-platz - zwei versammlungen angemeldet und bereits bestätigt worden. nach angaben der anmelder werde derzeit mit einer gesamtteilnehmerzahl von mindestens 135 personen gerechnet. auf grund der polizeilichen gefahrenprognose sei angesichts der mobilisierung der linken szene in den sozialen medien mit einer hohen teilnehmerzahl zu rechnen. damit scheide der x.-platz für die versammlung des klägers als standort aus gründen der öffentlichen sicherheit und des infektionsschutzes aus. 18es habe sich eine taktische lage ergeben, die erhebliche auseinandersetzungen zwischen den versammlungsteilnehmern links und rechts erwarten lasse. dabei sei zum einen i. als angegebener redner und wesentliche reizfigur der rechtsextremistischen szene zu berücksichtigen, dessen aktiver beitrag geeignet sei, gewaltbereite und erlebnisorientierte versammlungsteilnehmer des gegenprotestes maximal zu provozieren. zum anderen weise die angemeldete versammlung der linken szene unter dem motto „gegen jeden antisemitismus" hinsichtlich ihrer teilnehmerzusammensetzung vornehmlich gewaltbereite antifaschisten und linksextremisten aus. zudem sei mit sicherheit davon auszugehen, dass diese versammlung weiteren zulauf durch die vier zeitlich später beginnenden versammlungen in e. mit 580 angemeldeten versammlungsteilnehmern, welche in teilen der linksextremistischen szene zuzuordnen seien, erfahren werde. 19in anbetracht dieser konfrontativ, aufgeladenen gemengelage, bei der die gewählten standorte der drei versammlungen im unmittelbaren nahbereich gelegen seien, sei eine konsequente trennung bereits unter normalen umständen schwer zu erreichen. 20aus gründen des infektionsschutzes sei jedoch nach den in der verfügung näher benannten bestimmungen der coronaschvo ein notwendiger abstand zwischen potentiellen versammlungsteilnehmern von mindestens 1,5 metern durchgehend sicherzustellen. dies gelte erst recht im rahmen der zu erwartenden, versammlungstypischen verhaltensweisen, die einen erhöhten aerosolausstoß zur folge haben könnten. 21in ermangelung einer vorhandenen baulichen trennung, käme einzig die schaffung eines geschützten korridors als räumliche trennung in betracht, um diese vorgaben durchzusetzen. dieser sei jedoch aufgrund der in der begründung - auf die insoweit bezug genommen wird - näher aufgeführten örtlichen und technisch vorgegebenen gegebenheiten kaum möglich. 22hinzu komme, dass die ursprüngliche standkundgebung aufgrund der in anbetracht der zu erwartenden gegenproteste im wege der abreise der teilnehmer in einer form eskortiert werden müsse, durch die sich eine aufzugsähnliche dynamik ergebe, die aus infektionsschutzrechtlicher sicht nicht hinnehmbar sei. 23ergänzend wurde die infektionsrechtliche bewertung der stadt e. anlässlich einer versammlung in e. am 28. april 2022 in bezug genommen und hinsichtlich der medizinischen einschätzung der infektionsrisiken unter berücksichtigung der infektionslage in e. im wortlaut zitiert. 24aufgrund der polizeilichen gefahrenprognose gehe der beklagte wegen der linksorientierten versammlungen im gesamten stadtgebiet und der mobilisierung der linken szene von einem massiven gegenprotest aus, deshalb stelle sich die verlegung des versammlungsortes auch als verhältnismäßig dar. 25ausschlaggebend sei hierbei, dass die gefahr für die körperliche unversehrtheit nicht allein durch das auftreten zu erwartender gegendemonstranten eintrete, sondern durch die dadurch hervorgerufene erhöhte gefahr einer tröpfchen- oder schmierinfektion mit dem covid 19-virus. sowohl bei dem transit von dem angemeldeten versammlungsort als auch auf dem weg von einem näher zum s-bahnhof e. e1. gelegenen versammlungsort sei zu erwarten, dass die zur absicherung des aufzuges des klägers eingesetzten polizeibeamten nicht nur vereinzelt im wege des unmittelbaren zwangs und durch körperlichen einsatz gegen gegendemonstranten und ggf. auch gegen teilnehmer ihres aufzuges vorgehen müssten, sodass eine unterschreitung des mindestabstandes mitunter nicht nur von kurzfristiger dauer in betracht komme. 26die verlegung des versammlungsortes sei auch angemessen, da sie geeignet sei, im wege der praktischen konkordanz die gegenläufigen interessen der versammlungsteilnehmer, gegendemonstranten, passanten und beteiligten polizeibeamten, unbeteiligter dritter und der objektiven rechtsordnung schonend auszugleichen sowie die funktionsfähigkeit des öffentlichen gesundheitswesens zu schützen. 27hinzu komme, dass im falle einer infektion von polizeibeamten oder (gegen-) demonstranten eine nachverfolgung der infektionsketten gänzlich ausgeschlossen sein dürfte. 28letztlich beschränke die verlegung des versammlungsortes auf den vorplatz des s‑bahnhofs e. -e1. weder die teilnehmer noch den wirkungsbereich der versammlung. 29die versammlungsbestätigung wurde, adressiert an den „landesverband ‚die rechte‘, z.hd. herrn e2. “, dem kläger ausweislich des zusatzes im adressfeld per e-mail bekannt gegeben und dem gericht am 30. april 2021 per telefax übermittelt. 30der kläger hat am 29. april 2021 klage erhoben und einen antrag auf vorläufigen rechtsschutz gestellt (‑ 14 l 618/21 ‑). nach durchführung der versammlung hat der kläger klargestellt, dass die klage mit dem ziel der feststellung der rechtswidrigkeit der auflage nr. 1 fortgeführt werden solle. 31die fortsetzungsfeststellungsklage sei zulässig, da nicht ausgeschlossen sei, dass auch in zukunft demonstrationen in einer pandemischen lage stattfänden. die gerichtliche feststellung der rechtswidrigkeit der hier ausgesprochenen auflage sei daher geeignet auch für künftige versammlungen auswirkungen auf die entscheidungspraxis des beklagten zu haben. zur begründung der klage werde im übrigen auf die gründe des beschlusses der kammer vom 30. april 2021 im verfahren vorläufigen rechtsschutzes bezug genommen. 32ergänzend führt er aus, die originäre versammlung sei mit 15 bis 20 teilnehmern relativ klein. der x.-platz in e. -e1. sei groß genug, um einer so geringen zahl von teilnehmern bei einer rein stationären kundgebung die einhaltung von mindestabständen von 1,5 oder auch 2 metern zueinander ohne probleme zu ermöglichen. außerdem sei die gefahr sich anzustecken unter freiem himmel ohnehin minimal. auch unter berücksichtigung der seinerzeitigen infektionslage sei nicht nachzuvollziehen, warum in e3. und f. größere umzüge möglich seien, währen in e. repressiver vorgegangen werde. 33mit dem auftreten von nennenswerten mengen von meinungsgegnern, die vielleicht versuchten, auf die kundgebung (oder mindestens auf die diese abschirmenden polizeibeamten) körperlich einzuwirken und dabei den mindestabstand missachteten, sei in e. nicht zu rechnen, wie die erfahrung der letzten jahre zeige. 34darüber hinaus wären solche störungen dem kläger als anmelder und versammlungsleiter nicht zuzurechnen. 35der kläger beantragt, 36 festzustellen, dass die auflage nr. 1 aus dem auflagenbescheid vom 30. april 2021 rechtswidrig war. 37der beklagte beantragt, 38 die klage abzuweisen. 39die gegen die auflage nr. 1 gerichtete klage sei unzulässig da dem kläger das erforderliche feststellungsinteresse fehle. 40die versammlung habe nach durchführung des verfahrens im vorläufigen rechtsschutz wie angemeldet stattfinden können. die streitgegenständliche auflage sei dadurch erledigt. bei künftigen anmeldungen von versammlungen seien diese immer eigenständig und einzelfallbezogen zu prüfen und zu bewerten. 41unabhängig vom fortbestand einer pandemischen lage nationaler bedeutung würde in der jetzigen situation eine verlegung der versammlung - wie seinerzeit angedacht ‑ nunmehr nicht mehr per se aus infektionsschutzrechtlichen gründen erfolgen. 42die vom kläger angenommene wiederholungsgefahr bestehe daher nicht. 43die klage sei darüber hinaus unbegründet. 44aufgrund der angemeldeten versammlung des klägers sowie der hierdurch zu erwartenden gegenproteste sei von einer gefahr für die rechtsgüter leib und leben gem. art. 2 abs. 2 gg für versammlungsteilnehmer, unbeteiligte dritte und die polizeibeamte auszugehen gewesen. 45im hinblick auf die der gefahrenprognose zugrundegelegten versammlungsdynamik zwischen der klägerischen versammlung und den gegendemonstranten habe davon ausgegangen werden müssen, dass eine konsequente trennung der versammlungen nicht ohne weiteres zu erreichen wäre, obgleich die einhaltung des mindestabstandes zur minimierung der infektionsgefahr von entscheidender bedeutung gewesen sei. zur weiteren begründung wiederholt er die gründe aus dem auflagenbescheid. 46soweit die kammer in ihrem beschluss vom 30. april 2021 davon ausgegangen sei, der kläger sei als nichtstörer heranzuziehen, habe dieser annahme eine zu einseitige, rein versammlungsrechtliche bewertung des störerbegriffs zugrundegelegen. vorliegend habe nicht allein der dem versammlungsrecht typische interessenausgleich der einzelnen versammlungen in den blick genommen werden dürfen, sondern es könne ausschlaggebend sein, dass die gefahr für die körperliche unversehrtheit nicht allein durch das auftreten zu erwartender gegendemonstranten eintritt, sondern bereits – versammlungsunabhängig – von der durch eine versammlung hervorgerufenen erhöhten gefahr einer tröpfchen- oder schmierinfektion mit dem coronavirus. 47teilnehmer einer versammlung könnten daher jedenfalls dann als „störer“ in anspruch genommen werden, wenn die versammlung in ihrer geplanten form infektionsschutzrechtlich unvertretbar wäre. 48dieser möglichkeit einer versammlungsrechtlichen regelung habe dabei auch nicht entgegengestanden, dass maßnahmen zu gunsten des infektionsschutzes nur durch die zuständigen behörden vorgenommen werden durften, da die an die ordnungsbehörden adressierten vorgaben des infektionsschutzgesetzes (maßgeblich §§ 28, 28a abs. 1 nr. 10, abs. 2 nr. 1 ifsg) gegenüber den versammlungsrechtlichen vorschriften jedenfalls dann keine sperrwirkung entfalteten, wenn die versammlungsbehörde ihre verfügung auch mit versammlungsspezifischen gründen versehe. 49die versammlungsbehörde habe zu prüfen, ob die infektionsschutzrechtliche vertretbarkeit einer versammlung durch beschränkungen sichergestellt werden könne, wobei die angezeigte teilnehmerzahl, die versammlungsörtlichkeit bzw. wegstrecke, die art und weise der versammlung, die gewährleistung der einhaltung des mindestabstands und der maskenpflicht sowie die aktuelle pandemische lage einschließlich der 7-tage-inzidenz zu berücksichtigen seien. zu diesen könne, wie auch im streitgegenständlichen fall angeführt, die gefahr von auseinandersetzungen mit gegendemonstranten herangezogen werden. 50infolgedessen stelle daher die annahme der rechtsprechung, dass bei menschenansammlungen krankheitserreger besonders leicht übertragen werden können und daher gem. § 28 abs. 1 s. 2 ifsg auch (sonstige) dritte („nichtstörer“) adressat von maßnahmen sein können, eine erweiterung des störerbegriffs dar, so dass die grundsätze des § 28 abs. 1 ifsg dazu führen könnten, dass infektionsschutzrechtliche belange es erforderlich werden lassen, eine versammlung losgelöst von etwaigen gegendemonstranten als infektionsschutzrechtlichen störer in anspruch zu nehmen. 51auch auf rechtsfolgenseite seien keine ermessensfehler des beklagten ersichtlich. zwar erscheine es richtig, dass als störer nach dem versammlungsgesetz auch die gegendemonstration herangezogen werden könne. allerdings ermögliche das infektionsschutzgesetz entsprechend der obigen ausführungen eine unmittelbare störerauswahl im hinblick auf die versammlung des klägers. 52die interessen der versammlungsteilnehmenden der am streitgegenständlichen tag angemeldeten versammlungen erschienen dabei jedenfalls unter berücksichtigung der infektionsschutzrechtlichen perspektive mindestens gleichwertig. somit hätte grundsätzlich jede einzelne versammlung herangezogen werden können, die zu erwartende dynamik sowie die provokationswirkung gingen jedoch von der versammlung des klägers aus und seien durch den beabsichtigten faktischen aufzug der versammlung des klägers derart verstärkt worden, dass deren inanspruchnahme als infektionsschutzrechtlicher dritter als auslöser nahe gelegen habe. im übrigen wären auch infektionsschutzrechtliche beschränkungen gegenüber den linken versammlungen letztlich nicht vergleichbar effektiv gewesen, da deren teilnehmende trotzdem erschienen wären. 53die verlegung der versammlung sei auch verhältnismäßig, da sie geeignet und angemessen gewesen sei. ein milderes mittel sei nicht ersichtlich gewesen und die einschränkung des klägers gering, da mindestens gleichwertig ein unmittelbarer zugang zur weiterfahrt nach f. gewährleistet gewesen sei. 54ergänzend sei neben dem schutz der versammlungsteilnehmer, der schutz der eingesetzten polizeikräfte maßgeblich. 55die kammer hat mit beschluss vom 30. april 2021 ‑ 14 l 618/21 ‑, die aufschiebende wirkung der klage 14 k 1768/21 gegen die auflage nr. 1 der versammlungsbestätigung vom selben tag wiederhergestellt. 56wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird bezug genommen auf die gerichtsakten auch des verfahrens ‑ 14 l 618/21 ‑ einschließlich der beigezogenen verwaltungsvorgänge der beklagten (beiakte heft 1 zu 14 l 618/21). 57
58die klage ist in entsprechender anwendung des § 113 abs. 1 satz 4 vwgo als fortsetzungsfeststellungsklage statthaft und im übrigen auch zulässig. 59der kläger ist klagebefugt. 60zwar wurde die streitgegenständliche versammlung durch ihn für den landesverband der partei „die rechte“ als veranstalter angemeldet und die versammlungsbestätigung an den landesverband der partei „z.hd. herrn e2. “ adressiert, während er die klage offenbar als „privatperson“, ohne bezug zu seiner funktion als vertreter der partei und nicht in deren namen erhoben hat. 61als förmlicher nichtadressat kommt es insoweit darauf an, ob subjektive rechte oder zumindest anderweitig geschützte interessen des klägers verletzt sein können. 62vgl. bundesverwaltungsgericht (bverwg), beschluss vom 21. januar 1993 ‑ 4 b 206.92 ‑, m.w.n., juris. 63eine klagebefugnis ist nur dann zu verneinen, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner betrachtungsweise die vom kläger behaupteten rechte bestehen oder ihm zustehen können. 64vgl. bverwg, urteil vom 30. oktober 1963 ‑ v c 219.62 ‑, juris. 65gemessen daran ist von einer klagebefugnis auszugehen. denn abgesehen davon, dass der beklagte in dem streitgegenständlichen bescheid den landesverband der partei „die rechte“ ausdrücklich als veranstalter benannt hat, hat er diesen bescheid dem die anmeldung durchführenden landesvorsitzenden der partei ‑ dem kläger - als anmelder und in seiner eigenschaft als versammlungsleiter, auf den der veranstalter das leitungsrecht gem. § 7 des hier anzuwendenden versammlungsgesetz des bundes (versg) übertragen hatte, an dessen private e-mail-adresse übersandt. im rahmen dieser funktion war der kläger zumindest „inhaltsadressat“, 66vgl. dazu auch ovg nordrhein-westfalen (ovg nrw), beschluss vom 9. juni 2005 ‑ 9 a 1150/03 ‑. juris, vgh baden-württemberg, beschluss vom 27. juli 2018 ‑ 2 s 1228/18 ‑, juris, 67der als verantwortlicher versammlungsleiter im rahmen der §§ 8, 10, 11 versg u.a. zur bekanntgabe der auflagen in anspruch genommen und von dem als verantwortlichem leiter auch eine kontrolle der einhaltung der auflagen mit einem einschreiten bis hin zur auflösung der versammlung abverlangt wurde. insoweit war der bescheid mit seinen auflagen bzw. mit einem teil der auflagen auch an den kläger gerichtet, 68vgl. zur rolle des versammlungsleiters und seiner klagebefugnis bayerischer verwaltungsgerichtshof, urteil vom 10. juli 2018 - 10 bv 17.2405 - , bayvbl. 2019, 20 f., vg leipzig, urteil vom 17. juni 2016 - 1 k 259/12 -, juris, vg karlsruhe, urteil vom 14. mai 2020 - 3 k 5923/18 -, juris, 69der sich neben veranstalter und teilnehmern grundsätzlich auf das grundrecht aus art. 8 abs. 1 grundgesetz (gg) berufen kann. 70dieter/ginztel/kniesel, versammlungsgesetze, 17. aufl., § 8 rdnr. 6. 71dass der kläger insoweit (auch) als leiter der von ihm angemeldeten versammlung durch die streitgegenständliche auflage in seinen rechtspositionen verletzt sein könnte, erscheint mithin nicht unmöglich und der kläger hat im rechtsstaat einen anspruch darauf, dass er in seinen rechten nur durch akte beeinträchtigt wird, die mit dem geltenden recht in einklang stehen. 72vgl. auch vg gelsenkirchen, urteil vom 19. november 2021 -14 k 1638/15-, juris. 73es besteht für die fortsetzungsfeststellungsklage auch unabhängig vom einer möglichen wiederholungsgefahr ein berechtigtes interesse klägers an der feststellung der rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen auflage. 74das erforderliche feststellungsinteresse des klägers ist vorliegend bereits aufgrund der möglichkeit einer kurzfristig erledigten, aber schwerwiegenden beeinträchtigung der in art. 8 gg garantierten versammlungsfreiheit gegeben. 75das grundrecht auf wirksamen und möglichst lückenlosen richterlichen rechtsschutz gegen akte der öffentlichen gewalt aus art. 19 abs. 4 satz 1 gg wird in erster linie von den prozessordnungen gewährleistet, die wiederum vorkehrungen dafür treffen, dass der einzelne seine rechte auch tatsächlich wirksam durchsetzen kann und die folgen staatlicher eingriffe im regelfall nicht ohne die möglichkeit fachgerichtlicher prüfung zu tragen hat. 76die zulässigkeit eines rechtsschutzbegehrens ist allerdings vom vorliegen eines schutzwürdigen interesses bei der verfolgung eines subjektiven rechts abhängig. damit der rechtsschutz nach art. 19 abs. 4 satz 1 gg nicht unzumutbar beschränkt wird, dürfen an ein solches rechtsschutzbedürfnis keine aus sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden anforderungen gestellt werden. 77vgl. bverfg, beschluss vom 3. märz 2004 ‑ 1 bvr 461/03 ‑, m.w.n., bverfge 110, 77ff und juris. 78in versammlungsrechtlichen verfahren sind zudem die anforderungen an das fortsetzungsfeststellungsinteresse unter berücksichtigung der besonderheiten der versammlungsfreiheit anzuwenden. das grundrecht auf effektiven rechtsschutz gebietet darüber hinaus nämlich, die möglichkeit einer gerichtlichen klärung in fällen gewichtiger, allerdings in tatsächlicher hinsicht überholter grundrechtseingriffe zu eröffnen, wenn die direkte belastung durch den angegriffenen hoheitsakt sich nach dem typischen verfahrensablauf auf eine zeitspanne beschränkt, in welcher der betroffene eine gerichtliche entscheidung kaum erlangen kann. 79vgl. beschluss vom 30. april 1997 ‑ 2 bvr 817/90 ‑,bverfge 96, 27ff und juris. 80solche eingriffe können auch durch beeinträchtigungen des grundrechts auf versammlungsfreiheit bewirkt werden, gegen die rechtsschutz im hauptsacheverfahren in dem dafür verfügbaren zeitraum typischerweise nicht zu erreichen ist. 81vgl. bverfg, beschluss vom 3. märz 2004 ‑ 1 bvr 461/03 ‑, bverfge 110, 77ff und juris. 82zwar begründet nicht jeder eingriff in die versammlungsfreiheit ein fortsetzungsfeststellungsinteresse. so ist ein fortsetzungsfeststellungsinteresse beispielsweise nicht begründet, wenn die abweichungen bloße modalitäten der versammlungsdurchführung betroffen haben. 83die durch die hier streitige auflage durch den beklagten verfügte verlegung des versammlungsortes von dem in der anmeldung benannten x.-platz in e. -e1. auf den vorplatz des s-bahnhofs e. -e1. betrifft jedoch nicht lediglich die modalitäten der versammlungsdurchführung. eine verlegung des versammlungsortes durch die versammlungsbehörde ist regelmäßig dazu geeignet, den geschützten kernbereich des art. 8 gg zu betreffen und demzufolge einen erheblichen grundrechtseingriff zu bewirken. 84auch wenn das gewählte motto der versammlung keinen konkreten ortsbezug hat, ist vorliegend die ‑ für die annahme eines feststellungsinteresses ausreichende ‑ möglichkeit der grundrechtsbeeinträchtigung gegeben. 85anders als der als versammlungsort angemeldete x.-platz , der sich inmitten der wohnbebauung des stadtviertels befindet, wird der vorplatz des s-bahnhofs im osten von dem zugang zu den bahnsteigen, im norden und süden durch bahngleise und im westen durch den umzäunten parkplatz der „eventkirche e1. “ begrenzt. abgesehen von personen, welche am 1. mai die s - bahn nutzen wollen, ist dort nicht mit passanten oder vorbeifahrenden fahrzeugen zu rechnen, so dass die wahrnehmungsreichweite der versammlung - unabhängig von ihrem thema - stark eingeschränkt wird. 86ob diese beeinträchtigung letztlich als eine (rechtswidrige) grundrechtsbeeinträchtigung zu werten ist, ist für die frage des feststellungsinteresses ohne belang, denn dafür ist ausreichend, dass eine beeinträchtigung nicht von vornherein unter jedweder betrachtungsweise auszuschließen ist. 87allein der umstand, dass die versammlung aufgrund des beschlusses der kammer vom 30. april 2022 - 14 l 618 21 - in der vom anmelder und veranstalter vorgesehenen form auf dem x.-platz stattfinden konnte, lässt das feststellungsinteresse nicht entfallen. denn der rechtsschutz im hauptsacheverfahren wird durch das eilverfahren nicht überflüssig. 88vgl. bverfg, beschluss vom 3. märz 2004 ‑ 1 bvr 461/03 ‑, bverfge 110, 77ff und juris. 89unterschiede bestehen in verfahrensrechtlicher und in materiellrechtlicher hinsicht. die entscheidung im vorläufigen rechtsschutz wird allein auf grundlage einer summarischen prüfung der sach- und rechtslage im weg einer materiell-akzessorischen interessenabwägung getroffen, welche gerade keine endgültige klärung tatsächlicher oder rechtlicher fragen herbeiführt, sondern allein dem ausgleich der widerstreitenden öffentlichen und privaten interessen an dem suspensiveffekt eines rechtsbehelfs - hier der klage - dient. 90zwar entspricht es der ständigen rechtsprechung des bundesverfassungsgerichts, dass die gerichtliche prüfung in versammlungsrechtlichen eilverfahren deutlich intensiver ausfällt, als es auf anderen rechtsgebieten der fall sein mag, da die folgen von anordnungen, die die durchführung einer versammlung beschränken, regelmäßig nicht reversibel sind. das verwaltungsgerichtliche eilverfahren muss deshalb hier zum teil schutzfunktionen übernehmen, die sonst das hauptsacheverfahren erfüllt. 91vgl. bverfg, beschluss vom 14. mai 1985 ‑ 1 bvr 233/81 ‑, bverfge 69, 315ff. 92in der sache bleibt es im vorläufigen rechtsschutz aber im grundsatz stets, also auch bei der prüfung der rechtmäßigkeitserfordernisse, bei einer nur vorläufigen überprüfung der behördlichen entscheidung, die ohne umfassende sachaufklärung von amts wegen und ohne abschließende rechtsprüfung erfolgt. der rechtsschutz im hauptsacheverfahren kann deshalb durch das eilverfahren grundsätzlich nicht überflüssig werden. 93vgl. bverfg, beschluss vom 3. märz 2004 ‑ 1 bvr 461/03 ‑, bverfge 110, 77ff und juris. 94unabhängig von dem hier aufgrund des möglichen grundrechtseingriffs anzunehmenden feststellungsinteresses, besteht ein solches interesse außerdem dann, wenn die gefahr einer wiederholung des eingriffs besteht. das erfordernis der wiederholungsgefahr setzt dabei zum einen die möglichkeit einer erneuten durchführung einer vergleichbaren versammlung durch den betroffenen voraus, zum anderen, dass die behörde voraussichtlich an ihrer rechtsauffassung festhalten wird. 95vgl. bverfg, beschluss vom 3. märz 2004 ‑ 1 bvr 461/03 ‑, bverfge 110, 77ff und juris. 96da der im eilverfahren zu erreichende schutz nicht dem rechtsschutz, der im hauptsacheverfahren erlangt werden kann, entspricht, entfällt das auf eine wiederholungsgefahr gegründete rechtsschutzinteresse nicht etwa deshalb, weil der kläger in zukünftigen fällen erneut eilrechtsschutz in anspruch nehmen kann. 97insbesondere ist es weder dem veranstalter einer versammlung noch dem kläger als dem regelmäßig bei den versammlungen der partei „die rechte“ angemeldeten versammlungsleiter zuzumuten, den durch art. 19 abs. 4 satz 1 gg garantierten rechtsschutz stets nur vorläufig und mit unsicherheit für die behandlung zukünftiger fälle erlangen zu können. dies wäre auch dem freiheitsrecht des gg art. 8 abträglich und könnte sich langfristig auf die funktionsweise der demokratie auswirken. 98ein fortsetzungsfeststellungsinteresse ist grundsätzlich insbesondere dann zu bejahen, wenn gerichtlicher eilrechtsschutz erlangt worden ist, aber anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine behörde sich nicht an den im vorangegangenen eilverfahren vorgenommenen gerichtlichen bewertungen ausrichten wird. 99vgl. bverfg, beschluss vom 8. februar 2011 ‑ 1 bvr 1946/06 ‑, juris 100dabei reicht es aus, dass der wille des betroffenen erkennbar ist, in zukunft versammlungen abzuhalten, die ihrer art nach zu den gleichen rechtsproblemen und damit der gleichen beurteilung ihrer rechtmäßigkeit führen können. angesichts des verfassungsrechtlich geschützten rechts des veranstalters, über das ziel sowie die art und weise der durchführung einer versammlung selbst zu bestimmen, darf für die bejahung des feststellungsinteresses hingegen nicht verlangt werden, dass die möglichen weiteren versammlungen unter gleichen umständen, mit einem identischen motto und am selben ort durchgeführt werden. jedoch sind anhaltspunkte dafür zu fordern, dass die behörde das verbot solcher weiteren versammlungen oder die beschränkung ihrer durchführung voraussichtlich wieder mit den gleichen gründen rechtfertigen wird. ist gerichtlicher eilrechtsschutz erlangt worden, bestehen aber anhaltspunkte dafür, dass eine behörde sich nicht an den im vorangegangenen eilverfahren vorgenommenen gerichtlichen bewertungen ausrichten wird, ist ein fortsetzungsfeststellungsinteresse zu bejahen, es sei denn die konkret betroffene behörde hat eindeutig erkennen lassen, in zukunft von einer wiederholung der beschränkung unter verwendung der von ihr ursprünglich gegebenen begründung absehen zu wollen. 101vgl. bverfg, beschluss vom 8. februar 2011 ‑ 1 bvr 1946/06 ‑, juris 102letzteres ist vorliegend nicht der fall. 103der beklagte hat - insbesondere im rahmen der klageerwiderung, in welcher er seine begründung erweitert und vertieft hat - zu erkennen gegeben, dass er die rechtsauffassung der kammer nicht teilt und sich folglich auch in zukunft nicht an dieser ausrichten will. 104zwar hat der beklagte im rahmen der klageerwiderung erklärt, dass unabhängig vom fortbestand einer pandemischen lage nationaler bedeutung in der jetzigen situation eine verlegung der versammlung - wie seinerzeit angedacht - nunmehr nicht mehr per se aus infektionsschutzrechtlichen gründen erfolgen würde. 105diese erklärung lässt jedoch nicht hinreichend deutlich erkennen, dass die hier zur entscheidung stehende konstellation sich in zukunft nicht wiederholen kann. 106dies ergibt sich bereits aus dem wortlaut der erklärung selbst, die eine verlegung aus infektionsschutzrechtlichen gründen nicht ausschließt, sondern lediglich deutlich macht, eine solche erfolge nicht „per se“, also „von selbst“. 107vor dem hintergrund der für die verlegung des versammlungsortes sowohl in der versammlungsbestätigung als auch nachfolgend im gerichtlichen verfahren durch den beklagten abgegebenen begründung, die neben den belangen des infektionsschutzes als ursache für die infektionsschutzrechtliche gefahrenlage maßgeblich auf die konfrontation mit gegendemonstranten und die daraus zwangsläufig folgenden abstandsunterschreitungen in der durch den kläger geleiteten versammlung abstellt, schließt diese erklärung eine mögliche wiederholungsgefahr nicht derart aus, dass ein feststellungsinteresse des klägers zu verneinen wäre. denn, wie der kammer aus zahlreichen verfahren bekannt ist, begründet der beklagte gegenüber der partei „die rechte“ und auch dem kläger, sofern er anmelder der versammlung ist, den erlass von beschränkenden auflagen hinsichtlich des versammlungsortes oder der art der versammlung bis hin zu deren auflösung regelmäßig mit der gefahr von übergriffen durch gegendemonstranten. auch wenn die versammlungsbehörde mit ihrer erklärung von der infektionsschutzrechtlichen begründung (teilweise) abrückt, ohne jedoch insgesamt, insbesondere hinsichtlich der inanspruchnahme der klägerischen versammlung an stelle der gegendemonstrationen, deutlich zu machen, sich vollständig von der seinerzeitigen begründung zu distanzieren, so liegen darin hinreichende anhaltspunkte dafür, dass sie an ihrer rechtsauffassung festhalten und deshalb vergleichbare versammlungen der partei „die rechte“ oder des klägers, der gerichtsbekannt oftmals auch als veranstalter von versammlungen auftritt, aus den gleichen gründen wie bisher durch auflagen beschränken wird. 108die zulässige klage ist auch begründet, denn die auflage nr. 1 in der versammlungsbestätigung vom 30. april 2021 ist rechtswidrig und verletzt den kläger in seinen, aus seiner funktion als versammlungsleiter folgenden, rechten. 109insoweit nimmt die kammer zunächst bezug auf die begründung des beschlusses vom 30. april 2021, an der sie nach der überprüfung der sach- und rechtslage im hauptsacheverfahren auch angesichts der im klageverfahren erfolgten weiteren begründung des beklagten festhält. 110soweit der beklagte in der weiteren begründung im rahmen der klageerwiderung auf §§ 28 abs. 2 und 28a abs. 1 nr. 10 infektionsschutzgesetz ifsg abstellt, geht auch die kammer auf der grundlage der höchstrichterlichen rechtsprechung davon aus, dass infektionsschutzrechtliche anforderungen zum schutz der öffentlichen sicherheit grundsätzlich grundlage für versammlungsrechtliche auflagen und beschränkungen nach § 15 abs. 1 versg sein können. 111neben der tatbestandlichen voraussetzung, dass tatsachengestützte anhaltspunkte dafür bestehen, die durchführung der versammlung könne eine gefahr für die öffentliche sicherheit oder ordnung darstellen, bedarf es auf der rechtsfolgenseite einer ermessensentscheidung der behörde, ob und welche maßnahmen gegen welchen störer zu richten sind. 112zwar dürfte vorliegend die tatbestandliche annahme des beklagten, es könne zu gefahren für die öffentliche sicherheit kommen, weil die infektionsschutzrechtlich gebotenen abstände im fall von störungen der durch den kläger geleiteten versammlung durch gegendemonstranten nicht mehr einzuhalten wären, nicht zu beanstanden sein. 113die entscheidung, maßnahmen - konkret die verlegung des versammlungsortes ‑ gegen die von dem kläger geleitete versammlung zu richten, stellt sich vorliegend jedoch als ermessensfehlerhaft dar. 114das auf der rechtsfolgenseite zu betätigende ermessen kann gerichtlich nur in den grenzen des § 114 vwgo überprüft werden. das gericht prüft ausschließlich, ob die behörde in der erkenntnis des ihr eingeräumten ermessens alle die den rechtsstreit kennzeichnenden belange in ihre erwägung eingestellt hat, dabei von richtigen und vollständigen tatsachen ausgegangen ist, die gewichtung dieser belange der sache angemessen erfolgt ist und das abwägungsergebnis vertretbar ist, insbesondere nicht gegen höherrangiges recht verstößt. dabei sind ermessenserwägungen bis zur letzten verwaltungsentscheidung zu berücksichtigen, die im verwaltungsgerichtlichen verfahren noch ergänzt werden können (§ 114 satz 2 vwgo). 115auch dann, wenn versammlungsrechtliche beschränkungen - wie vorliegend auf infektionsschutzrechtliche grundlagen gestützt werden, hat die ermessensausübung unter strikter wahrung des grundsatzes der verhältnismäßigkeit zu erfolgen. dies macht die beachtung sämtlicher umstände des einzelfalls einschließlich des aktuellen stands des dynamischen und tendenziell volatilen infektionsgeschehens erforderlich. 116vgl. bverfg, ablehnung einer einstweiligen anordnung vom 30. august 2020 ‑ 1 bvq 94/20 ‑, juris; ovg nrw beschluss vom 9. märz 2021 ‑ 15 b 339/21 ‑ m.w.n., www.nrwe.de und juris. 117es ist in der höchstrichterlichen rechtsprechung anerkannt, dass um eine unterschreitung notwendiger mindestabstände zu verhindern, zu der es aufgrund der dynamiken in einer großen menschenmenge oder des zuschnitts und charakters einer versammlung im einzelfall selbst dann kommen kann, wenn bezogen auf die erwartete teilnehmerzahl eine rein rechnerisch hinreichend groß bemessene versammlungsfläche zur verfügung steht, als weitere regelungen der modalitäten die durchführung als ortsfeste kundgebung anstatt als aufzug oder auch die verlegung an einen aus infektionsschutzrechtlicher sicht vorzugswürdigen alternativstandort in betracht kommen. 118die fehlerfreie ermessensausübung erfordert - gerade im durch art. 8 gg geschützten bereich der versammlungsfreiheit - eine sorgfältige abwägung, gegen wen sich maßnahmen richten müssen bzw. dürfen, um einer prognostizierten gefahr zu begegnen. 119vorliegend hat der beklagte maßgeblich darauf abgestellt, eine verlegung der versammlung auf den platz vor dem s-bahnhof mindere das infektionsrisiko deshalb, weil dort nicht mit übergriffen von gegendemonstranten zu rechnen sei, bzw. die versammlung besser vor solchen übergriffen geschützt werden könne. 120die konkret prognostizierte gefahr für die durch das infektionsschutzgesetz geschützten rechtsgüter, nämlich leib und leben der versammlungsteilnehmer sowie dritter, einschließlich der eingesetzten polizeibeamtinnen und -beamten und der funktionsfähigkeit des gesundheitswesen, geht vorliegend nicht von den modalitäten der angemeldeten versammlungsdurchführung aus. dies gilt unabhängig davon, ob aus der hier maßgeblichen „ex-ante“ sicht die zahl der versammlungsteilnehmer sich auf die in der anmeldung genannten 20 beschränkt oder von der - auch im klageverfahren nicht weiter substantiierten - einschätzung des beklagten mit einer teilnehmerzahl von 80 personen auszugehen war. die gefahr entsteht nach allen prognosen erst durch die erwarteten übergriffe dritter auf die von dem kläger geleitete versammlung. 121wie die kammer bereits in dem beschluss vom 30. april 2021 im vorläufigen rechtsschutzverfahren ausgeführt hat, handelt es sich bei diesen erwägungen um die klassische situation der inanspruchnahme eines nichtstörers, die grundsätzlich nur unter besonders restriktiven voraussetzungen zulässig ist und im versammlungsrecht regelmäßig einen polizeilichen notstand erfordert. 122sind nämlich störungen der öffentlichen sicherheit vorwiegend aufgrund des verhaltens dritter - insbesondere von gegendemonstranten - zu befürchten, während sich veranstalter und versammlungsteilnehmer überwiegend friedlich verhalten, so sind behördliche maßnahmen primär gegen die störer zu richten. gegen die friedliche versammlung selbst kann dann nur unter den besonderen, eng auszulegenden voraussetzungen des polizeilichen notstands eingeschritten werden. dies setzt voraus, dass die versammlungsbehörde mit hinreichender wahrscheinlichkeit andernfalls wegen der erfüllung vorrangiger staatlicher aufgaben und trotz des bemühens, gegebenenfalls externe polizeikräfte hinzuzuziehen, zum schutz der angemeldeten versammlung nicht in der lage wäre. keinesfalls darf der nichtstörer einem störer gleichgestellt und die auswahl des adressaten der versammlungsrechtlichen verfügung von bloßen zweckmäßigkeitserwägungen abhängig gemacht werden. die darlegungs- und beweislast für das vorliegen eines polizeilichen notstandes liegt wiederum bei der behörde. eine pauschale behauptung dieses inhalts reicht nicht. 123vgl. bverfg, beschluss vom 20. dezember 2012 ‑ 1 bvr 2794/10 -; beschluss vom 11. september 2015 ‑ 1 bvr 2211/15 ‑; ovg nrw, urteil vom 24. september 2019 ‑ 15 a 3186/17 ‑, sämtlich juris. 124daran ändern auch die von dem beklagten in der klageerwiderung herangezogenen bestimmungen des infektionsschutzgesetzes nichts. insbesondere lässt sich daraus nicht die qualifikation der vom kläger geleiteten versammlung als störerin ableiten. 125die §§ 28 und 28a ifsg modifizieren den störerbegriff nicht so weit, dass die allgemeinen grundsätze zur störerauswahl sowie die im versammlungsrecht maßgeblichen ermessensmaßstäbe völlig in den hintergrund treten. 126nach § 28 abs. 1 satz 1 ifsg in der am 30. april 2021 geltenden fassung können die zuständigen behörden schutzmaßnahmen, insbesondere nach § 28a absatz 1 ifsg treffen, soweit und solange es zur verhinderung übertragbarer krankheiten erforderlich ist. sie können insbesondere personen verpflichten, den ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten bedingungen zu verlassen oder von ihnen bestimmte orte oder öffentliche orte nicht oder nur unter bestimmten bedingungen zu betreten. nach satz 2 dieser bestimmung sind unter den voraussetzungen des satzes 1 die beschränkung und das verbot von veranstaltungen oder sonstigen ansammlungen von menschen zulässig. 127§ 28a abs. 1 nr. 10 ifsg in der zum hier maßgeblichen zeitpunkt der behördenentscheidung geltenden und seither unveränderten fassung vom 10. dezember 2021 ergänzt und konkretisiert § 28 abs. 1 ifsg hinsichtlich der zulässigen maßnahmen dahingehend, dass für die dauer der feststellung einer epidemischen lage von nationaler tragweite nach § 5 absatz 1 satz 1 durch den deutschen bundestag insbesondere die erteilung von auflagen für das abhalten von veranstaltungen, ansammlungen, aufzügen, und versammlungen möglich sein kann. 128zwar ermöglichen die generalklausel des § 28 ifsg sowie ihre konkretisierung in § 28a ifsg für den fall, dass schutzmaßnahmen zur verhinderung der verbreitung übertragbarer erkrankungen erforderlich sind, ein vorgehen grundsätzlich nicht nur gegenüber den in § 28 abs. 1 satz 1 halbsatz 1 ifsg genannten personen, also gegenüber kranken, krankheitsverdächtigen, ansteckungsverdächtigen oder ausscheidern, sondern - soweit erforderlich - auch gegenüber dritten. 129dies führt jedoch nicht dazu, dass jeder potentiell ansteckungsgefährdete oder jede veranstaltung oder versammlung als störer angesehen werden könnte. 130allein eine im gesetz ermöglichte inanspruchnahme dritter macht jene nicht zu störern. dies ergibt sich auch aus einem vergleich mit den bestimmungen zur verantwortlichkeit im allgemeinen polizei- und ordnungsrecht. weder aus § 28 ifsg noch aus § 28a ifsg lassen sich grundsätze über die voraussetzungen der inanspruchnahme der dort erwähnten dritten ableiten, noch dass diese bei einer möglichen auswahl parallel in anspruch zu nehmenden störern gleichgestellt wären. folglich verbleibt es bei den allgemeinen grundsätzen. 131die erforderliche betrachtung im einzelfall zeigt, dass die in der streitgegenständlichen auflage zur versammlung ausgesprochene verlegung des versammlungsortes nicht dazu dient, die versammlung zu ermöglichen, etwa weil der zuvor ausgewählte versammlungsort - unter einbeziehung der seinerzeit geltenden infektionsschutzrechtlichen anforderungen - nicht ausreichte, um die aus einer menschenansammlung von ‑ je nach betrachtungsweise - 20 bis 80 personen folgende infektionsgefahr zu vermeiden. der kläger als vertreter der versammlungsanmelderin hat in der anmeldung ein infektionsschutzkonzept vorgelegt, welches den seinerzeit üblichen anforderungen entsprach. 132auch der beklagte stellt - wie bereits dargelegt - für die gefahrverursachung maßgeblich nicht auf die modalitäten der versammlung an dem vorgesehen ort selber ab, sondern auf den umstand, dass er zuvor zwei nach anmeldung der durch den kläger geleiteten versammlung angemeldete versammlungen aus dem linken spektrum auf oder in unmittelbare nähe des x.-platzes bestätigt hat, von denen er ausweislich der gefahrenprognosen ausging, dass sie gegenüber der durch den kläger angemeldeten versammlung gewalttätig werden könnten. 133nach den hergebrachten grundsätzen, welche - wie dargelegt - durch das infektionsschutzrecht insoweit nicht grundlegend modifiziert werden, ist daher nicht die durch den kläger geleitete versammlung als störerin anzusehen. 134auch die von dem beklagten in der klagebegründung zur begründung seiner auffassung, die von dem kläger geleitete versammlung sei unter den voraussetzungen des infektionsschutzgesetzes als störer zu betrachten, herangezogene rechtsprechung trägt diese argumentation nicht. 135die beschlüsse des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein - westfalen, 136ovg nrw, beschluss vom 6. april 2020 ‑ 13 b 398/20.ne ‑, juris, 137und des oberverwaltungsgerichts berlin-brandenburg, 138ovg berlin-brandenburg, beschluss vom 23. märz 2020 ‑ ovg 11 s 12/20 ‑, juris, 139befassen sich im rahmen der normenkontrolle mit der generell bestehenden möglichkeit, maßnahmen zum allgemeinen infektionsschutz zulässigerweise auch gegen nicht infizierte personen (hier betreiber von durch die coronaschutzverordnung nrw generell geschlossenen ladenlokalen und menschenansammlungen) richten zu können. 140die herangezogenen entscheidungen des hessischen verwaltungsgerichtshofs, sowie des verwaltungsgerichts kassel und des bayerischen verwaltungsgerichtshofs, 141hessischer verwaltungsgerichtshof, beschluss vom 19. märz 2021 ‑ 2 b 588/21 ‑; vg kassel, beschluss vom 17. märz 2021 ‑ 6 l 573/21.ks ‑; bayerischer verwaltungsgerichtshof, beschluss vom 21. februar 2021 ‑ 10 cs 21.526 ‑, sämtlich juris, 142betrafen versammlungen mit 500 bis zu 6.000 teilnehmenden, teilweise auf belebten innenstadtplätzen. 143all diesen entscheidungen ist gemein, dass die infektionsschutzrechtlich begründeten gefahren stets unmittelbar von der veranstaltung, bzw. versammlung ausgingen, ohne dass die gefahr erst durch das hinzutreten gefahrerhöhender oder ‑begründender handlungen dritter drohte. es bedurfte somit keiner weiteren erwägungen, welche die von dem beklagten vertretene erweiterung des störerbegriffs stützen könnten. 144im gegenteil führt das verwaltungsgericht kassel in seinem beschluss, unter darstellung der allgemein geltenden versammlungsrechtlichen grundsätze zum polizeilichen notstand im übrigen, ausdrücklich aus: 145„ein verbot lässt sich vorliegend auch nicht ohne weiteres mit der gefahr einer auseinandersetzung zwischen den teilnehmern der vom antragsteller angemeldeten versammlung und potentiellen gegendemonstranten oder anderen gruppierungen sowie einer damit einhergehenden gefährdung der gesundheit der bevölkerung rechtfertigen. denn störungen der öffentlichen sicherheit, die vorwiegend aufgrund des verhaltens dritter – insbesondere durch gegendemonstranten – zu befürchten sind, während sich veranstalter und versammlungsteilnehmer überwiegend friedlich verhalten, ist mit behördlichen maßnahmen primär gegen die störer zu begegnen. […]“ 146weitere umstände, welche die inanspruchnahme der klägerischen versammlung als nichtstörerin rechtfertigen könnten, ergeben sich weder aus der versammlungsbestätigung noch den im klageverfahren ergänzten ermessenserwägungen. 147die einschätzung des beklagten, die interessen der versammlungsteilnehmenden der am streitgegenständlichen tag angemeldeten versammlungen seien bei der abwägung der gegenläufigen interessen jedenfalls unter berücksichtigung der infektionsschutzrechtlichen perspektive mindestens gleichwertig, somit hätte grundsätzlich jede einzelne versammlung herangezogen werden können, die zu erwartende dynamik sowie die provokationswirkung seien jedoch von der versammlung des klägers ausgegangen und durch den beabsichtigten faktischen aufzug der versammlung des klägers derart verstärkt worden, dass deren inanspruchnahme als infektionsschutzrechtlicher dritter als auslöser nahe gelegen habe, trägt die vorgenommene störerauswahl folglich nicht, da sie außer acht lässt, dass nicht die versammlung des klägers für die prognostizierte gefahrenlage verantwortlich ist. 148allein die von dieser versammlung ausgehende provokationswirkung rechtfertigt ihre inanspruchnahme nicht, solange die provokationswirkung sich im rahmen dessen bewegt, was als versammlungstypisches verhalten anzusehen ist und aus sich selbst heraus keine gefahr für die öffentliche sicherheit oder ordnung befürchten lässt. 149durch die provokationswirkung einer versammlung verursachte übergriffe dritter auf die versammlung können versammlungsbeschränkende maßnahmen der versammlungsbehörde mithin nur dann rechtfertigen, wenn andere polizeiliche maßnahmen, wie etwa die räumliche trennung von demonstration und gegendemonstration, keinen erfolg versprechen, oder unter jedem denkbaren gesichtspunkt unmöglich sind, mithin die voraussetzungen eines polizeilichen notstandes gegeben sind. 150dafür ist vorliegend nichts ersichtlich, so dass die kammer bei ihrer einschätzung in dem beschluss vom 30. april 2021 - 14 l 618/21 - auch nach der überprüfung im hauptsacheverfahren verbleibt. 151soweit der beklagte in der gefahrenprognose auf zu erwartende provokationen der vom kläger geleiteten versammlung abstellt, ergibt sich weder aus der vorliegenden gefahrenprognose noch aus dem weiteren vorbringen im rahmen des klageverfahrens, dass diese derart intendiert wären, dass die versammlung unter dem aspekt des „zweckveranlassers“ für übergriffe dritter auf die versammlung als störer anzusehen sein könnte. 152abschließend ist ergänzend anzumerken, dass die im rahmen der klageerwiderung angestellte erwägung des beklagten, 153„im übrigen wären auch infektionsschutzrechtliche beschränkungen gegenüber den linken versammlungen letztlich nicht vergleichbar effektiv gewesen, da deren teilnehmende trotzdem erschienen wären.“ 154offensichtlich sachfremd ist und deshalb schon für sich einen erheblichen ermessensfehler darstellt. 155reichte diese einschätzung zur rechtfertigung der inanspruchnahme sich rechtmäßig verhaltender versammlungen aus, wäre ein einschreiten der polizei gegen nichtstörende demonstrationen stets ohne weiteres möglich und der grundrechtliche schutz aus art. 8 gg würde ausgehöhlt. dies käme einer kapitulation des rechtsstaats gleich. 156die möglichkeit inanspruchnahme der durch den kläger geleiteten versammlung als störerin unter anderen gesichtspunkten ist nicht ersichtlich oder gar tatsachengestützt begründet. 157die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 1 vwgo. 158die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit beruht auf § 167 vwgo i.v.m. §§ 708 nr. 11, 711 zpo. 159rechtsmittelbelehrung: 160gegen dieses urteil steht den beteiligten die berufung an das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. die berufung ist nur zuzulassen, wenn 1611. ernstliche zweifel an der richtigkeit des urteils bestehen, 1622. die rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche schwierigkeiten aufweist, 1633. die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat, 1644. das urteil von einer entscheidung des oberverwaltungsgerichts, des bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen senats der obersten gerichtshöfe des bundes oder des bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser abweichung beruht oder 1655. ein der beurteilung des berufungsgerichts unterliegender verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die entscheidung beruhen kann. 166die zulassung der berufung ist innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils schriftlich bei dem verwaltungsgericht gelsenkirchen, bahnhofsvorplatz 3, 45879 gelsenkirchen, zu beantragen. der antrag muss das angefochtene urteil bezeichnen. innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils sind die gründe darzulegen, aus denen die berufung zuzulassen ist. die begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem antrag vorgelegt worden ist, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen, aegidiikirchplatz 5, 48143 münster, schriftlich einzureichen. 167auf die unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung von schriftstücken als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 168im berufungsverfahren muss sich jeder beteiligte durch einen prozessbevollmächtigten vertreten lassen. dies gilt auch für den antrag auf zulassung der berufung. der kreis der als prozessbevollmächtigte zugelassenen personen und organisationen bestimmt sich nach § 67 abs. 4 vwgo. 169beschluss 170der streitwert wird auf 5.000,- € festgesetzt. 171gründe: 172die entscheidung beruht auf § 52 abs. 2 satz des gerichtskostengesetzes. 173rechtsmittelbelehrung: 174gegen diesen beschluss findet innerhalb von sechs monaten, nachdem die entscheidung in der hauptsache rechtskraft erlangt oder das verfahren sich anderweitig erledigt hat, beschwerde statt, wenn der wert des beschwerdegegenstandes 200 euro übersteigt. 175die beschwerde ist schriftlich oder zur niederschrift des urkundsbeamten der geschäftsstelle beim verwaltungsgericht gelsenkirchen, bahnhofsvorplatz 3, 45879 gelsenkirchen einzulegen. über sie entscheidet das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen, aegidiikirchplatz 5, 48143 münster, falls das beschließende gericht ihr nicht abhilft. 176auf die unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung von schriftstücken als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach 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14 K 3693/21
2022-07-19T00:00:00
Urteil
Tenor Es wird festgestellt, dass die Auflage Nr. 4 der Versammlungsbestätigung vom 30. April 2021 rechtswidrig war, soweit jede sprachliche Verwendung der Parole „E. -E1. Nazi Kiez“ untersagt wurde. Im Übrigen wird die Klage wird abgewiesen. Der Beklagte und der Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits jeweils zur Hälfte. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet. 1Tatbestand: 2Am Freitag dem 23. April 2021 meldete der Kläger, für den Landesverband der Partei „Die Rechte“, dessen Vorsitzender er ist, eine Mahnwache auf dem X.-platz in E. E1. am 1. Mai 2021 für die Zeit von 11:00 Uhr bis 12:00 Uhr an. 3Als Versammlungsleiter wurde der Kläger benannt. Das Veranstaltungsthema lautete „Heraus zum Tag der Arbeit“, die erwartete Teilnehmerzahl wurde mit ca. 15-20 angegeben. Als Hilfsmittel wurden unter anderem eine Lautsprecheranlage und ein Lautsprecherfahrzeug angemeldet. 4Unter dem 30. April 2021 bestätigte das der Beklagte dem Kläger die angemeldete Versammlung für den 1. Mai 2021 mit einer insgesamt einundfünfzig Seiten umfassenden Versammlungsbestätigung. 5Die Auflage Nr. 4 zu der Versammlungsbestätigung lautet: 6„Das Mitführen von Transparenten, Plakaten, Fahnen oder anderen Gegenständen mit der Aufschrift E. -E1. Nazi-Kiez" und „National befreite Zone" sowie das Skandieren und jede andere sprachliche Verwendung der Parolen „E. -E1. Nazi-Kiez" und „National befreite Zone" ist untersagt und daher zu unterlassen. Verboten sind ferner alle inhaltlich gleichbedeutenden Umgehungsformulierungen (z.B. E1. ist unser Kiez, „Nazi Kiez statt „E. -E1. Nazi-Kiez, „Nationalen... erkämpfen" statt „National befreit").“ 7Zur Begründung der Auflage in Ziffer 4. führte der Beklagte aus, diese Auflage werde erlassen, um die von den Versammlungen des Klägers ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung zu verhindern. 8Eine solche könne insbesondere durch die Zurschaustellung von Transparenten, Fahnen, Plakaten oder anderen Gegenständen mit entsprechenden Aufschriften oder dem Skandieren von Parolen bewirkt werden, die nach dem Inhalt der Äußerungen für sich betrachtet noch nicht den Straftatbestand der Volksverhetzung verwirklichten, jedoch nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung prognostizierbaren Umständen durch die Art und Weise der Durchführung der Versammlung eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Ordnung begründen werden. Dazu gehörten auch die benannten Parolen „E. -E1. Nazi Kiez" und „National befreite Zone". Mit „inhaltlich gleichbedeutenden Formulierungen" seien solche Formulierungen gemeint, durch die in gleicher Weise ein territorialer Dominanzanspruch" im Hinblick auf das Stadtgebiet E1. geltend gemacht werde. 9In der Folge werden Verhaltensweisen und Vorfälle im Stadtteil E. E1. , insbesondere im Bereich des X.-platzes geschildert, welche diesen räumlichen Dominanzanspruch der „rechten Szene“ deutlich machten, die E. Bevölkerung mit Besorgnis erfüllten und ein besonderes Präsenzkonzept der E. Polizei in jenem Bereich erforderlich machten. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf die den Beteiligten bekannte Begründung des Bescheides Bezug genommen. 10Da Rechtsextremisten Andersdenkenden nicht den allgemein üblichen und notwendigen Respekt bzw. die erforderliche Akzeptanz entgegenbrächten, sei ein gedeihliches Zusammenleben nicht nur in E1. gefährdet. Mit den Begriffen „Nazi-Kiez" und „National befreite Zone“ werde der Anspruch erhoben, Andersdenkende aus dem Stadtteil E1. zu vertreiben und einzuschüchtern. Dabei werde durch die Verwendung des Begriffs „Nazi-Kiez“ für die Partei „Die Rechte“ und deren Mitglieder eine unmittelbare Verbindung zum Nationalsozialismus hergestellt. Darüber hinaus mache die Verbindung der Begriffe „Nazi" und Kiez" deutlich, dass eine Vorherrschaft im Stadtteil E1. angestrebt werde. Zum anderen beinhalte der Ausspruch für Andersdenkende die Aufforderung und Drohung, sich aus dem vermeintlichen „Nazi-Kiez“ besser fernzuhalten. 11Die Parolen dienten der gezielten Schaffung eines Angstraumes im Stadtteil E1. und verfolgten das Ziel, die „nationale Kontrolle“ über diesen Stadtteil zu gewinnen. 12Es sei mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass diese Parolen bzw. Transparente und/oder Plakate auch in der Versammlung in E. am 1. Mai 2021 skandiert bzw. mitgeführt werden. 13Die Auflage sei verhältnismäßig und insbesondere erforderlich, da ein Einschreiten erst während der Versammlung und nach dem Skandieren dieser Parolen hier nicht gleich geeignet sei, die Gefahr für die öffentliche Ordnung abzuwehren. Dabei sei das Interesse unbeteiligter Dritter, insbesondere von Menschen mit Migrationshintergrund sowie anderer Minderheiten zu berücksichtigen und abzuwägen. Ein durch die Parolen zum Ausdruck kommender offener Bezug zum Nationalsozialismus sei nicht mit dem Standort der Versammlung vereinbar. 14Die Versammlungsbestätigung ist mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen, in der es u.a. heißt: 15„Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Zustellung Klage erhoben werden“ 16Die Versammlungsbestätigung wurde dem Kläger ausweislich des Zusatzes im Adressfeld per E-Mail bekannt gegeben und dem Gericht am 30. April 2021 per Telefax übermittelt. 17Der Kläger hat am 24. September 2021 Fortsetzungsfeststellungsklage gegen die Auflage Nr. 4 erhoben. 18Zur Begründung bezweifelt der Kläger, dass der durchschnittliche E. -Bürger mit dem aus dem Norddeutschen stammenden Begriff „Kiez“ überhaupt etwas anfangen könne. Bei der Bewertung einer Parole oder Wortfolge oder Meinungsäußerung komme es vornehmlich darauf an, wie der verständige Durchschnittshörer (oder Durchschnittsleser) sie verstehe. Es liege auf der Hand, dass es hier in Deutschland regionale Unterschiede gebe. Dies hätte der Beklagte berücksichtigen müssen. 19Unabhängig davon sei nicht hinreichend dargelegt, warum damit ein "territorialer Dominanzanspruch" hinsichtlich des Stadtteils E1. geltend gemacht werde, der andere "ausschließen und einschüchtern" solle. 20Bloße Behauptungen seien kein Rechtsgrund für eine Einschränkung des Versammlungsrechts oder - verbunden mit einer Versammlung - des Rechts auf freie Meinungsäußerung. Auch für die Behauptungen, die rechtsextremistische Szene habe gezeigt, dass sie sich "über jegliche Anstandsregeln hinwegsetze" und die "Atmosphäre gegenseitiger Rücksicht und Achtung in der E1. Wohnbevölkerung dadurch gefährdet sei, sowie dass „vielfache Beschwerden“ darüber vorlägen und ein polizeiliches Präsenzkonzept nötig geworden sei, um u.a. strafrechtlich relevantes Verhalten zu unterbinden, habe der Beklagte Beweis zu erbringen. 21Der Kläger beantragt, 22festzustellen, dass die Auflage Nr. 4 aus dem Auflagenbescheid vom 30. April 2021 rechtswidrig war soweit damit die Verwendung des Begriffes "E. –E1. -Nazi-Kiez" auf Transparenten, Fahnen, Plakaten oder anderen Gegenständen sowie das Skandieren und jede andere sprachliche Verwendung dieses Begriffes untersagt wird. 23Der Beklagte beantragt, 24die Klage abzuweisen. 25Die Klage sei unabhängig von der Einhaltung der Klagefrist unzulässig, weil die Zulässigkeit eines solchen ausnahmsweise zulässigen Rechtsschutzbegehrens vom Vorliegen eines schutzwürdigen Interesses bei der Verfolgung eines subjektiven Rechts abhänge. Daran fehle es jedoch, da durch die Auflage der spezifische Charakter der Versammlung nicht verändert und insbesondere das kommunikative Anliegen nicht wesentlich erschwert worden sei. 26Darüber hinaus seien wegen des Inkrafttretens des nordrhein-westfälischen Versammlungsgesetzes Auflagen mit Bezug auf die öffentliche Ordnung nicht mehr zu erwarten, da dieses Schutzgut im Gesetz nicht mehr vorgesehen sei. Es fehle daher an einer Wiederholungsgefahr. 27Die Klage sei außerdem unbegründet, denn es hätten zum Entscheidungserheblichen Zeitpunkt im Rahmen der ex-ante Betrachtung konkrete Tatsachen dafür vorgelegen, dass das mit der Auflage untersagte Verhalten, sofern es nicht im Vorfeld unterbunden würde, durch die Versammlungsteilnehmer im Rahmen der Versammlung seine Wiederholung finde, obgleich bereits gerichtlich im Verfahren VG Gelsenkirchen - 14 L 1456/19 - durch Beschluss vom 20. September 2019 und mit Beschluss des OVG NRW vom 20. September 2019 - 15 B 1298/19 ‑ festgestellt worden sei, dass eben dieses Verhalten in Verbindung mit der Art und Weise der Durchführung einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung zu begründen vermag. 28Unter Berücksichtigung der Bewertung des Verwaltungsgerichts zum damaligen Entscheidungszeitpunkt der Versammlungsbestätigung sei daher einzig durch die gegenständliche Auflage der Schutz der öffentlichen Ordnung zu sichern gewesen. Die Gefahr der Wiederholung habe sich hinsichtlich des Klägers bzw. aus seiner Funktion als Versammlungsleiter sowie der zu erwartenden Versammlungsteilnehmer und der hiermit verbundenen Überschneidungen der Teilnehmerkreise zu den vorhergehenden Versammlungskonstellationen als hinreichend wahrscheinlich dargestellt. Insoweit sei zu erwarten gewesen, dass nicht nur erneut die inhaltliche Wiedergabe der Parole sondern vielmehr auch angesichts des Versammlungsortes am X.-platz die die Parole begleitenden Umstände auftreten würden. 29Vor dem Hintergrund des näher beschriebenen tatsächlichen Verhaltens der rechten Szene in E. –E1. erscheine es fernliegend, dass der Durchschnittliche E. -Bürger mit der Begrifflichkeit nichts anfangen könne. 30Die Auflage, ein bewusst machtdominierendes Verhalten in Form des Skandierens der Parole sowie der Zurschaustellung auf Bannern und Transparenten zu untersagen, sei auch ermessensfehlerfrei und insbesondere verhältnismäßig. Sie sei geeignet ein Klima der Einschüchterung zu verhindern und unbeteiligte Dritte vor provokativen und aggressiven Wirkungen zu schützen. 31Sie sei auch erforderlich gewesen, da ein Verhindern der oben dargestellten Verhaltensweise nicht mit milderen Mitteln zu erreichen gewesen sei. Insbesondere sei es nicht zumutbar, einen Verstoß abzuwarten. Denn hinsichtlich einer möglichen Auflösung gegenüber dem präventiven Verbot könne darauf verwiesen werden, dass diese nicht gleich geeignet sei, um einer irreparablen Verwirklichung der Gefahrensituation zu begegnen. Anderenfalls liefe die Versammlungsbehörde stets sehenden Auges in eine sich ergebende Gefahr für die öffentliche Ordnung. 32Die Versammlungsteilnehmer seien allein hinsichtlich der in der Auflage benannten Formulierung beschränkt worden. Die darüber hinaus bestehenden, generellen versammlungstypischen Formen gemeinsamer Meinungskundgabe, wie dem lauten gemeinsamen Rufen oder Skandieren sowie der Verwendung von Transparenten oder Flugblättern seien hierdurch nicht berührt. Dies gelte erst recht vor dem Hintergrund der Tatsache, dass das Motto der hier gegenständlichen Versammlung „Heraus zum Tag der Arbeit“ keinen Bezug zu der untersagten Form der Parole aufweise. 33Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten auch des Verfahrens ‑ 14 L 618/21 ‑ einschließlich der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Beiakte Heft 1 zu 14 L 618/21). 34Entscheidungsgründe: 35Die Klage ist in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft und im Übrigen auch zulässig. 36Der Kläger ist klagebefugt. 37Zwar wurde die streitgegenständliche Versammlung durch ihn für den Landesverband der Partei „Die Rechte“ als Veranstalter angemeldet und die Versammlungsbestätigung an den Landesverband der Partei „z.Hd. Herrn E2. “ adressiert, während er die Klage offenbar als „Privatperson“, ohne Bezug zu seiner Funktion als Vertreter der Partei und nicht in deren Namen erhoben hat. 38Als förmlicher Nichtadressat kommt es insoweit darauf an, ob subjektive Rechte oder zumindest anderweitig geschützte Interessen des Klägers verletzt sein können. 39Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 21. Januar 1993 -4 B 206.92, m.w.N., juris. 40Eine Klagebefugnis ist nur dann zu verneinen, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die vom Kläger behaupteten Rechte bestehen oder ihm zustehen können. 41Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 1963 ‑ V C 219.62 ‑, juris. 42Gemessen daran ist von einer Klagebefugnis auszugehen. Denn abgesehen davon, dass der Beklagte in dem streitgegenständlichen Bescheid den Landesverband der Partei „Die Rechte“ ausdrücklich als Veranstalter benannt hat, hat er diesen Bescheid dem die Anmeldung durchführenden Landesvorsitzenden der Partei ‑ dem Kläger - unter dessen Privatanschrift als Anmelder und in seiner Eigenschaft als Versammlungsleiter, auf den der Veranstalter das Leitungsrecht gem. § 7 des Versammlungsgesetzes des Bundes (VersG), das bis zum Inkrafttreten des nordrhein-westfälischen Versammlungsgesetzes am 18. Dezember 2021 und damit im Erlasszeitpunkt der Maßnahme gültig war, übertragen hatte, übersandt. Im Rahmen dieser Funktion war der Kläger zumindest „Inhaltsadressat“, 43vgl. dazu auch Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein - Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 9. Juni 2005 ‑ 9 A 1150/03 ‑. juris, Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. Juli 2018 ‑ 2 S 1228/18 ‑, juris, 44der als verantwortlicher Versammlungsleiter im Rahmen der §§ 8, 10, 11 VersG u.a. zur Bekanntgabe der Auflagen in Anspruch genommen und von dem als verantwortlichen Leiter auch eine Kontrolle der Einhaltung der Auflagen mit einem Einschreiten bis hin zur Auflösung der Versammlung abverlangt wurde. Insoweit war der Bescheid mit der in diesem Verfahren allein streitigen Auflage auch an den Kläger gerichtet, 45vgl. zur Rolle des Versammlungsleiters und seiner Klagebefugnis Bayerischer VGH, Urteil vom 10. Juli 2018 ‑ 10 BV 17.2405 ‑ , BayVBl. 2019, 20 f., VG Leipzig, Urteil vom 17. Juni 2016 ‑ 1 K 259/12‑ , juris, VG Karlsruhe, Urteil vom 14. Mai 2020 ‑ 3 K 5923/18 ‑, juris, 46der sich neben Veranstalter und Teilnehmern grundsätzlich auf das Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 GG berufen kann. 47Vgl. Dieter/Ginztel/Kniesel, Versammlungsgesetze, 17. Aufl., § 8 Rdnr. 6. 48Dass der Kläger insoweit (auch) als Leiter der von ihm angemeldeten Versammlung durch die streitgegenständliche Auflage in seinen Rechtspositionen verletzt sein könnte, erscheint mithin nicht unmöglich und der Kläger hat im Rechtsstaat einen Anspruch darauf, dass er in seinen Rechten nur durch Akte beeinträchtigt wird, die mit dem geltenden Recht in Einklang stehen. 49Vgl. auch VG Gelsenkirchen, Urteil vom 19. November 2021 ‑ 14 K 1638/15 ‑, juris. 50Es besteht für die Fortsetzungsfeststellungsklage auch unabhängig von der Frage, ob angesichts des Inkrafttretens des Versammlungsgesetzes des Landes NRW eine Wiederholungsgefahr für eine auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gerichtete Auflage noch möglich ist, ein berechtigtes Interesse Klägers. Das erforderliche Feststellungsinteresse des Klägers ist vorliegend bereits aufgrund der Möglichkeit einer kurzfristig erledigten, aber schwerwiegenden Beeinträchtigung der in Art. 8 des Grundgesetzes - GG - garantierten Versammlungsfreiheit gegeben. 51In versammlungsrechtlichen Verfahren sind die Anforderungen an das Fortsetzungsfeststellungsinteresse unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Versammlungsfreiheit anzuwenden. Zwar begründet nicht jeder Eingriff in die Versammlungsfreiheit ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. 52Die Beurteilung, ob der Kläger sich auf ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines in tatsächlicher Hinsicht bereits überholten Grundrechtseingriffs berufen kann, erfolgt im Lichte des Art. 19 Abs. 4 GG. Diese Norm enthält ein Grundrecht auf wirksamen und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt. An das für die Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage erforderliche Rechtsschutzinteresse dürfen deshalb keine aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Anforderungen gestellt werden. 53Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 8. Februar 2011 ‑ 1 BvR 1946/06 ‑, juris; Beschluss vom 3. März 2004 ‑ 1 BvR 461/03 ‑, BVerfGE 110, 77 und juris. 54In versammlungsrechtlichen Verfahren sind bei der Beurteilung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses die Besonderheiten des Grundrechts der Versammlungsfreiheit zu berücksichtigen. Auch hier begründet nicht jeder Eingriff ein berechtigtes Interesse an der nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit. Ein solches Interesse besteht aber insbesondere dann, wenn die angegriffene Maßnahme die Versammlungsfreiheit schwer beeinträchtigt. 55Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 ‑1 BvR 461/03 ‑, BVerfGE 110, 77 und juris. 56Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz gerade auch in den Fällen gewichtiger Grundrechtseingriffe, die sich typischerweise so kurzfristig erledigen, dass ein vorheriger Rechtsschutz in der Hauptsache regelmäßig nicht zu erreichen ist, die Möglichkeit einer gerichtlichen Klärung gebietet. 57Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 ‑ 1 BvR 461/03 ‑, BVerfGE 110, 77 und juris; Beschluss vom 5. Dezember 2001 ‑ 2 BvR 527/99 ‑, BVerfGE 104, 220 und juris; BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 ‑ 8 C 20/12 ‑, juris. 58Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist ein Forstsetzungsfeststellungsinteresse nicht nur dann anzunehmen, wenn eine Versammlung verboten oder aufgelöst wurde sondern ebenso zu bejahen, wenn die Versammlung zwar durchgeführt werden konnte, aber infolge von versammlungsbehördlichen Auflagen gemäß § 15 Abs. 1 VersG nur in einer Weise, die ihren spezifischen Charakter verändert, insbesondere die Verwirklichung ihres kommunikativen Anliegens wesentlich erschwert hat. Demgegenüber ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht begründet, wenn die Abweichungen bloße Modalitäten der Versammlungsdurchführung betroffen haben. 59Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 ‑ 1 BvR 461/03 ‑, BVerfGE 110, 77 und juris. 60Für die Frage, ob ein Feststellungsinteresse besteht, kommt es nicht darauf an, ob diese Beschränkung der Versammlung rechtmäßig war, oder nicht, dies ist eine Frage der Begründetheit der Klage. 61Das streitgegenständliche Verbot jeglicher sprachlichen Verwendung der Parole „E. –E1. Nazi-Kiez“ auf Transparenten, Fahnen, Plakaten oder anderen Gegenständen sowie das Skandieren und jede andere sprachliche Verwendung dieses Begriffes, ist grundsätzlich dazu geeignet die Verwirklichung des kommunikativen Anliegens der von dem Kläger geleiteten Versammlung wesentlich zu erschweren. 62Das angemeldete Versammlungsmotto „Heraus zum Tag der Arbeit“ hat zwar keinen unmittelbaren Bezug zu der untersagten Verwendung der streitgegenständlichen Parole. Wie sich aber aus der Begründung der Auflage Nr. 4 ergibt, geht der Beklagte jedoch davon aus, dass die Parole Ausdruck eines wesentlichen Kommunikationsanliegens der Versammlung sei. Sie diene der Raumergreifungsstrategie der Partei „Die Rechte“ und der gezielten Schaffung eines Angstraumes im Stadtteil E1. . Die Teilnehmer der Versammlung verfolgten danach das Ziel, die „nationale Kontrolle“ über diesen Stadtteil zu gewinnen, deshalb sei zu erwarten gewesen, dass diese Parole im Laufe der Versammlung verwendet werden sollte. 63Unabhängig von den Zweifeln hinsichtlich seiner Bestimmtheit begegnet die Reichweite des Verwendungsverbots Bedenken hinsichtlich seiner Verhältnismäßigkeit. Die Reichweite des Verbots war durch den Zusatz „und jede andere sprachliche Verwendung dieses Begriffes“ nicht konkret festgelegt. Es ließ sich für den Kläger jedenfalls nicht ohne weiteres überblicken wie weit dieses „globale“ Verwendungsverbot reichen soll. Dies machte er in der mündlichen Verhandlung plastisch deutlich, indem er darauf hinwies, dass nicht einmal ein inhaltliches Abrücken von dieser Parole in Redebeiträgen möglich sei, wenn das Verbot wörtlich genommen werde. 64Ein nachträglicher Rechtsschutz im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage ist zudem auch deshalb geboten, weil sich die streitgegenständliche Beschränkung, welche dem Kläger mit der Versammlungsbestätigung vom 30. April 2021 bekanntgegeben wurde, bereits mit Ablauf der Versammlung am darauffolgenden Tag erledigte und ein vorheriger Rechtsschutz in der Hauptsache damit nicht zu erreichen war. 65Das Feststellungsinteresse ist nicht dadurch entfallen, dass der Kläger die Klage erst am 24. September 2021, über vier Monate nach dem Erhalt der streitgegenständlichen Verfügung erhoben hat. 66Die Erledigung der streitgegenständlichen Auflage trat mit dem Ende der Versammlung am 1. Mai 2021, also vor der Klageerhebung ein. 67Zwar war der Auflagenbescheid vom 30. April 2021 mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Diese setzte jedoch die Klagefrist des § 74 VwGO nicht in Gang, denn im Text der Belehrung wird für den Beginn der Frist auf die Zustellung des Bescheides abgestellt. Dieser wurde dem Kläger jedoch lediglich per E-Mail bekannt gegeben, so dass die Klagefrist nie zu laufen begann. 68Es kann deshalb vorliegend dahinstehen, ob das Feststellungsinteresse aufgrund des Grundsatzes, dass alleine die Erledigung eine unzulässige Anfechtungsklage nicht in eine zulässige Fortsetzungsfeststellungsklage verwandeln kann, aufgrund des Ablaufs der einmonatigen Klagefrist des § 74 Abs. 1 VwGO entfallen könnte. Ebenso kann offen bleiben, ob das Feststellungsinteresse entsprechend dem Grundsatz des § 58 Abs. 2 VwGO nach mehr als einem Jahr entfallen kann, denn die Klage wurde innerhalb von knapp fünf Monaten nach der Bekanntgabe erhoben. 69Die zulässige Klage ist begründet, soweit sie die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Zusatzes „und jede andere sprachliche Verwendung dieses Begriffes [ist] untersagt“ verfolgt. Soweit die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Untersagung der Parole „E. –E1. Nazi-Kiez“ Gegenstand des Feststellungsbegehrens ist, ist die Klage unbegründet. 70Rechtsgrundlage für die angegriffene Auflage war § 15 Abs. 1 VersG. Nach der Vorschrift kann die zuständige Behörde die Durchführung einer Versammlung von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. 71Der Beklagte stellt hinsichtlich des Verbots der Parole „E. -E4. Nazi-Kiez“ auf die in der Verwendung dieses Begriffs gründende Gefahr für die öffentliche Ordnung ab. 72Der Begriff der öffentlichen Sicherheit umfasst den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen. Dabei wird in der Regel eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit angenommen, wenn eine strafbare Verletzung dieser Schutzgüter droht. 73Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. April 2001 ‑ 1 BvQ 17/01 ‑, juris. 74Für den Begriff der öffentlichen Ordnung ist demgegenüber kennzeichnend, dass er auf ungeschriebene Regeln verweist, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden und mit dem Wertgehalt des Grundgesetzes zu vereinbarenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebiets angesehen wird. 75Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2007 ‑ 1 BvR 2793/04 ‑, NVwZ 2008, 671. 76Soweit Beschränkungen mit dem Inhalt der während der Versammlung zu erwartenden Meinungsäußerungen begründet werden, ist die besondere Gewährleistung der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 GG zu berücksichtigen. Der Inhalt von Meinungsäußerungen, der im Rahmen des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 GG nicht unterbunden werden darf, kann auch nicht zur Rechtfertigung von Maßnahmen herangezogen werden, die das Grundrecht des Art. 8 Abs. 1 GG beschränken. Die Vorschrift des § 15 Abs. 1 VersG dient zwar dem Schutz schlechthin geschützter Rechtsgüter unabhängig davon, ob sie durch Meinungsäußerungen oder auf andere Weise gefährdet werden. Der Inhalt von Meinungsäußerungen als solcher ist versammlungsrechtlich aber nur relevant, wenn es sich um Äußerungen handelt, die einen Straftatbestand erfüllen. Werden die entsprechenden Strafgesetze missachtet, liegt darin eine Verletzung der öffentlichen Sicherheit, die durch die Ordnungsbehörden abgewehrt werden kann, und zwar auch mit Auswirkungen auf Versammlungen. Das Grundgesetz baut zwar auf der Erwartung auf, dass die Bürger die allgemeinen Werte der Verfassung akzeptieren und verwirklichen, erzwingt die Wertloyalität aber nicht. Kritik an der Verfassung und ihren wesentlichen Elementen ist ebenso erlaubt wie die Äußerung der Forderung, tragende Bestandteile der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu ändern. 77Zudem bedarf § 15 Abs. 1 VersG wegen der Bedeutung von Art. 8 Abs. 1 GG einer einschränkenden Auslegung dahingehend, dass eine Gefahr für die öffentliche Ordnung als Grundlage beschränkender Verfügungen ausscheidet, soweit sie im Inhalt von Äußerungen gesehen wird. 78Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2007, ‑ 1 BvR 2793/04 ‑, NVwZ 2008, 671 und Beschluss vom 23. Juni 2004 ‑ 1BvQ 19/04 ‑, juris. 79Beschränkende Verfügungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung sind verfassungsrechtlich nur dann unbedenklich, als sich die in § 15 Abs. 1 VersG vorausgesetzte Gefahr nicht aus dem Inhalt der Äußerung, sondern aus der Art und Weise der Durchführung der Versammlung ergibt. Eine Gefahr für die öffentliche Ordnung infolge der Art und Weise der Durchführung einer Versammlung kann beispielsweise bei einer aggressiven und provokativen, die Bürger einschüchternden Verhalten der Versammlungsteilnehmer bestehen, durch das ein Klima der Gewaltdemonstration und potentieller Gewaltbereitschaft erzeugt wird. Ein entsprechender Anlass kann ferner gegeben sein, wenn Rechtsextremisten einen Aufzug an einem speziell der Erinnerung an das Unrecht des Nationalsozialismus und den Holocaust dienenden Feiertag so durchführen, dass von seiner Art und Weise Provokationen ausgehen, die das sittliche Empfinden der Bürgerinnen und Bürger erheblich beeinträchtigen. Gleiches gilt, wenn ein Aufzug sich durch sein Gesamtgepräge mit den Riten und Symbolen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft identifiziert und durch Wachrufen der Schrecken des vergangenen totalitären und unmenschlichen Regimes andere Bürger einschüchtert. 80Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2007, ‑ 1 BvR 2793/04 ‑, NVwZ 2008, 671 und Beschluss vom 23. Juni 2004 ‑ 1BvQ 19/04 ‑, juris. 81Die für eine beschränkende Verfügung notwendige unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung setzt dabei eine Sachlage voraus, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Interessen führt. Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit darf die Behörde bei dem Erlass von vorbeugenden Verfügungen aber keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen. Es müssen zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung erkennbare Umstände vorliegen, aus denen sich die unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ergibt. Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich; bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen nicht aus. 82Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2007, ‑ 1 BvR 2793/04 ‑, NVwZ 2008, 671. 83Zwar betrifft das Verbot der Parole „E. –E1. Nazi Kiez“ in seinem Kern eine Meinungsäußerung, die - auch nach der Auffassung des Beklagten - die Grenzen der Strafbarkeit nicht überschreitet. 84Vorliegend treten neben die bloße Meinungsäußerung jedoch äußere Umstände hinzu, welche dazu geeignet sind, bei der Äußerung dieser Parole, sei es durch das skandieren aus der Versammlung heraus oder in schriftlicher Form auf Plakaten, Transparenten, etc., eine Gefahr für die öffentliche Ordnung zu begründen. 85Es ist namentlich zu berücksichtigen, dass die Versammlung auf dem X.-platz stattfand. Der Beklagte hat tatsachengestützt belegt, dass es sich bei diesem Platz um einen Raum handelt, der in besonderer Weise durch Angehörige der rechten Szene und namentlich durch Mitglieder der Partei „Die Rechte“, darunter auch der Kläger, im Zusammenhang mit dem sogenannten „Raumkampf“ exklusiv „für sich“ beansprucht wird. 86Die Gefahrenprognose des Beklagten stützte sich nicht ausschließlich auf die Verwendung versammlungstypischer Ausdrucksformen. Insofern ist zu beachten, dass es mit der Bedeutung der Versammlungsfreiheit unvereinbar wäre, bereits aus den versammlungstypischen Formen gemeinsamer Meinungskundgabe, wie dem lauten gemeinsamen Rufen oder Skandieren sowie der Verwendung von Transparenten oder Flugblättern, jene versammlungsspezifischen Wirkungen ableiten zu wollen, die zu der bloßen Äußerung bestimmter Meinungsinhalte hinzutreten müssen, um Beschränkungen der Versammlungsfreiheit unter Berufung auf die öffentliche Ordnung zu rechtfertigen. 87Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2007 ‑ 1 BvR 2793/04 ‑, juris; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 19. November 2021 ‑ 14 K 6634/18 ‑, juris. 88Der Beklagte hat in der Begründung der hier streitgegenständlichen Auflage maßgeblich weder auf diese versammlungstypischen Verhaltensweisen noch allein auf den - nicht strafbaren - Inhalt der Parole abgestellt, sondern diese in den Zusammenhang mit der Örtlichkeit des X.-platzes in E. E1. und der daraus folgenden Wirkung auf die Bevölkerung dieses Stadtteile und der unmittelbaren Umgebung des X.-platzes gestellt. 89Die Kammer folgt der Einschätzung, dass die hier allein streitgegenständliche Parole überwiegend unmittelbar auf die Ideologie und Herrschaft des Nationalsozialismus Bezug nimmt. Der Gesamtkontext, in dem die ausdrücklich untersagte Parole verwendet worden wäre, hätte der Versammlung ein Gepräge gegeben, welches darauf gerichtet und jedenfalls geeignet wäre, von anderen Bürgern als Herrschaftsanspruch und Geltung dieser Ideologie und seiner Normen auch speziell für den Bereich des X.-platzes in E1. verstanden zu werden mit der Folge, Andersdenkende einzuschüchtern und auszuschließen. In jener Parole kommt der auch territoriale Dominanzanspruch der Klägerin verbunden mit der Negation des staatlichen Gewaltmonopols für das von ihr - jedenfalls auch ‑ als Nazi-Kiez bezeichnete Gebiet in E. E1. zum Ausdruck. 90Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 20. September 2019 ‑ 14 L 1456/19 ‑, juris 91Soweit die Kammer in ihrem Urteil vom heutigen Tage im Verfahren 14 K 4257/19 an dem oben genannten Beschluss nicht mehr festhält, sei zur Klarstellung angemerkt, dass dies lediglich das in dem oben genannten Klageverfahren allein streitgegenständliche Verbot von Umgehungsformulierungen betrifft. Dieses ist vorliegend nicht Streitgegenstand. 92Der Umstand, dass der Kläger in der Klagebegründung und in der mündlichen Verhandlung die von dem Beklagten beschriebenen Verhaltensweisen auf dem X.-platz gegenüber Personen mit Migrationshintergrund oder einer offen zu erkennenden anderen politischen Auffassung bestritten bzw. relativiert hat, ist nicht geeignet, die Kammer davon zu überzeugen, dass die in der Begründung der Verfügung des Beklagten dargestellten Intentionen der Parole „E. –E1. Nazi Kiez“ unzutreffend wären. Bei diesem Vortrag handelt sich vielmehr offensichtlich um verfahrensangepasste Ausflüchte. 93Die Verwendung der konkret untersagten Parole „E. –E1. Nazi Kiez“ bei einer Kundgebung unmittelbar auf dem X.-platz und in dessen näheren Umgebung stellt daher einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung dar. 94Da die Parole bei vorhergehenden Versammlungen der Anmelderin unabhängig vom Thema der Versammlung bereits Verwendung fand und gelegentlich dieser Versammlungen, namentlich bei einer Versammlung am 12. September 2019, seitens Vertretern der Partei „Die Rechte“ deutlich gemacht wurde, diese Parole auch künftig verwenden zu wollen, durfte der Beklagte insbesondere angesichts des Versammlungsortes davon ausgehen, dass dies auch bei der hier streitgegenständlichen Versammlung der Fall sein würde. 95Die Untersagung der Parole durch den Beklagten stellt sich auch als ermessensfehlerfrei und verhältnismäßig dar. 96Da im hier allein zu entscheidenden konkreten Fall aufgrund der oben dargestellten Gesamtumstände bereits im Vorfeld der Versammlung die Gefahr für die öffentliche Ordnung hinreichend sicher zu erwarten war, ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte ihr bereits in der Versammlungsbestätigung mit einer Auflage begegnete. 97Ob die Verwendung dieser Parole an einem anderen Ort innerhalb oder außerhalb E. einer Versammlung ein solches, einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung begründendes Gepräge geben könnte, welches ein präventives Verbot der Parole rechtfertigen könnte, kann vorliegend offen gelassen werden. Streitgegenstand dieses Verfahrens ist allein die Untersagung der Parole in der Versammlungsbestätigung vom 30. April 2021 für den Bereich des X.-platzes. 98Ohne dass es vorliegend darauf ankommt, geht die Kammer jedoch davon aus, dass die einschüchternde Wirkung dieser Parole und damit die Gefahr für die öffentliche Ordnung, mit zunehmender Entfernung von E. –E1. , möglicherweise sogar bis hin zur Bedeutungslosigkeit der in ihr zu sehenden Meinungsäußerung, abnimmt. 99Die Klage hat allerdings Erfolg, soweit mit ihr die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Untersagung jeder anderen sprachlichen Verwendung dieses Begriffes untersagt wird. 100Die Auflage begegnet insoweit bereits Bedenken hinsichtlich ihrer Bestimmtheit. Vorliegend sind aufgrund der gesellschaftlichen Relevanz der von der Auflage betroffenen Grundrechte der Versammlungs- und Meinungsfreiheit erhöhte Anforderungen an deren Bestimmtheit zu stellen. Ein versammlungsrechtliches Verbot von Parolen genügt nur dann dem in § 37 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) normierten Bestimmtheitsgrundsatz, wenn die untersagte Formulierung nicht bloß generalisierend, sondern konkret festgelegt wird. 101Vgl. zum Verbot von „Umgehungsformulierungen“ Urteil der Kammer vom heutigen Tage, 14 K 4257/19, m.w.N. 102Das Verbot „jedweder sprachlichen Verwendung“ geht trotz dessen eindeutig zu erkennenden Zwecks aufgrund der Kontextgebundenheit einer „sprachlichen Verwendung“, auch unter Heranziehung der Begründung der Verfügung im Rahmen einer Auslegung, mit erheblicher Unklarheit einher, welches die zu unterlassenden Äußerungen sind. Es sind vielerlei Grenzfälle denkbar, in denen sich die mit dem generalisierenden Verbot offen gelassene Subsumtion unter den Begriff der „sprachlichen Verwendung“ durchaus in die eine wie auch in die andere Richtung entscheiden ließe. Diese Entscheidung darf in der Verbotsverfügung jedoch nicht offengelassen werden. Denn für die Adressaten des Verbots würde anderenfalls nicht hinreichend klar, welches im Einzelnen die zu unterlassenden Äußerungen sind. Dies birgt jedenfalls abstrakt die Gefahr, dass die Adressaten zur Vermeidung unklarer Zweifelsfälle von dem Gebrauch der Meinungsfreiheit über Gebühr absehen. 103Das Verbot jedweder sprachlicher Verwendung der Parole „E. –E1. Nazi Kiez“ stellt sich unabhängig von den Zweifeln an dessen Reichweite jedenfalls als unverhältnismäßig dar. 104Zwar ist im vorliegenden Fall die Untersagung der Parole „E. –E1. Nazi Kiez“ im Rahmen der versammlungstypischen Verhaltensweisen, etwa durch Rufen oder auf Transparenten, rechtmäßig. Die Untersagung „jeder sprachlichen Verwendung“ geht jedoch weit darüber hinaus. Sie erfasst nämlich auch paraphrasierende Wiedergaben, etwa im Rahmen einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Verbot oder auch mit der Parole selbst, die aufgrund des Kontextes in dem sie stehen, den Zweck des Verbots, eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu verhindern, nicht tangieren. 105Dadurch beschränkt sich die Auflage allein auf die - nicht strafbewehrte - inhaltliche Äußerung, ohne die äußeren Umstände in die Betrachtung mit einzubeziehen. Dies ist - wie oben bereits dargelegt - keine taugliche Grundlage für eine auf die Gefahr für die öffentliche Ordnung gestützte versammlungsrechtliche Auflage. 106Sie verletzt daher die Rechte des Klägers, der als Versammlungsleiter diese Auflage gegebenenfalls durchzusetzen hätte. 107Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. 108Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
es wird festgestellt, dass die auflage nr. 4 der versammlungsbestätigung vom 30. april 2021 rechtswidrig war, soweit jede sprachliche verwendung der parole „e. -e1. nazi kiez“ untersagt wurde. im übrigen wird die klage wird abgewiesen. der beklagte und der kläger tragen die kosten des rechtsstreits jeweils zur hälfte. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der jeweilige vollstreckungsschuldner darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung oder hinterlegung in höhe des beizutreibenden betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige vollstreckungsgläubiger vor der vollstreckung in gleicher höhe sicherheit leistet. 1
2am freitag dem 23. april 2021 meldete der kläger, für den landesverband der partei „die rechte“, dessen vorsitzender er ist, eine mahnwache auf dem x.-platz in e. e1. am 1. mai 2021 für die zeit von 11:00 uhr bis 12:00 uhr an. 3als versammlungsleiter wurde der kläger benannt. das veranstaltungsthema lautete „heraus zum tag der arbeit“, die erwartete teilnehmerzahl wurde mit ca. 15-20 angegeben. als hilfsmittel wurden unter anderem eine lautsprecheranlage und ein lautsprecherfahrzeug angemeldet. 4unter dem 30. april 2021 bestätigte das der beklagte dem kläger die angemeldete versammlung für den 1. mai 2021 mit einer insgesamt einundfünfzig seiten umfassenden versammlungsbestätigung. 5die auflage nr. 4 zu der versammlungsbestätigung lautet: 6„das mitführen von transparenten, plakaten, fahnen oder anderen gegenständen mit der aufschrift e. -e1. nazi-kiez" und „national befreite zone" sowie das skandieren und jede andere sprachliche verwendung der parolen „e. -e1. nazi-kiez" und „national befreite zone" ist untersagt und daher zu unterlassen. verboten sind ferner alle inhaltlich gleichbedeutenden umgehungsformulierungen (z.b. e1. ist unser kiez, „nazi kiez statt „e. -e1. nazi-kiez, „nationalen... erkämpfen" statt „national befreit").“ 7zur begründung der auflage in ziffer 4. führte der beklagte aus, diese auflage werde erlassen, um die von den versammlungen des klägers ausgehende gefährdung der öffentlichen ordnung zu verhindern. 8eine solche könne insbesondere durch die zurschaustellung von transparenten, fahnen, plakaten oder anderen gegenständen mit entsprechenden aufschriften oder dem skandieren von parolen bewirkt werden, die nach dem inhalt der äußerungen für sich betrachtet noch nicht den straftatbestand der volksverhetzung verwirklichten, jedoch nach den zur zeit des erlasses der verfügung prognostizierbaren umständen durch die art und weise der durchführung der versammlung eine unmittelbare gefährdung der öffentlichen ordnung begründen werden. dazu gehörten auch die benannten parolen „e. -e1. nazi kiez" und „national befreite zone". mit „inhaltlich gleichbedeutenden formulierungen" seien solche formulierungen gemeint, durch die in gleicher weise ein territorialer dominanzanspruch" im hinblick auf das stadtgebiet e1. geltend gemacht werde. 9in der folge werden verhaltensweisen und vorfälle im stadtteil e. e1. , insbesondere im bereich des x.-platzes geschildert, welche diesen räumlichen dominanzanspruch der „rechten szene“ deutlich machten, die e. bevölkerung mit besorgnis erfüllten und ein besonderes präsenzkonzept der e. polizei in jenem bereich erforderlich machten. wegen der einzelheiten wird insoweit auf die den beteiligten bekannte begründung des bescheides bezug genommen. 10da rechtsextremisten andersdenkenden nicht den allgemein üblichen und notwendigen respekt bzw. die erforderliche akzeptanz entgegenbrächten, sei ein gedeihliches zusammenleben nicht nur in e1. gefährdet. mit den begriffen „nazi-kiez" und „national befreite zone“ werde der anspruch erhoben, andersdenkende aus dem stadtteil e1. zu vertreiben und einzuschüchtern. dabei werde durch die verwendung des begriffs „nazi-kiez“ für die partei „die rechte“ und deren mitglieder eine unmittelbare verbindung zum nationalsozialismus hergestellt. darüber hinaus mache die verbindung der begriffe „nazi" und kiez" deutlich, dass eine vorherrschaft im stadtteil e1. angestrebt werde. zum anderen beinhalte der ausspruch für andersdenkende die aufforderung und drohung, sich aus dem vermeintlichen „nazi-kiez“ besser fernzuhalten. 11die parolen dienten der gezielten schaffung eines angstraumes im stadtteil e1. und verfolgten das ziel, die „nationale kontrolle“ über diesen stadtteil zu gewinnen. 12es sei mit hoher wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass diese parolen bzw. transparente und/oder plakate auch in der versammlung in e. am 1. mai 2021 skandiert bzw. mitgeführt werden. 13die auflage sei verhältnismäßig und insbesondere erforderlich, da ein einschreiten erst während der versammlung und nach dem skandieren dieser parolen hier nicht gleich geeignet sei, die gefahr für die öffentliche ordnung abzuwehren. dabei sei das interesse unbeteiligter dritter, insbesondere von menschen mit migrationshintergrund sowie anderer minderheiten zu berücksichtigen und abzuwägen. ein durch die parolen zum ausdruck kommender offener bezug zum nationalsozialismus sei nicht mit dem standort der versammlung vereinbar. 14die versammlungsbestätigung ist mit einer rechtsmittelbelehrung versehen, in der es u.a. heißt: 15„gegen diesen bescheid kann innerhalb eines monats nach zustellung klage erhoben werden“ 16die versammlungsbestätigung wurde dem kläger ausweislich des zusatzes im adressfeld per e-mail bekannt gegeben und dem gericht am 30. april 2021 per telefax übermittelt. 17der kläger hat am 24. september 2021 fortsetzungsfeststellungsklage gegen die auflage nr. 4 erhoben. 18zur begründung bezweifelt der kläger, dass der durchschnittliche e. -bürger mit dem aus dem norddeutschen stammenden begriff „kiez“ überhaupt etwas anfangen könne. bei der bewertung einer parole oder wortfolge oder meinungsäußerung komme es vornehmlich darauf an, wie der verständige durchschnittshörer (oder durchschnittsleser) sie verstehe. es liege auf der hand, dass es hier in deutschland regionale unterschiede gebe. dies hätte der beklagte berücksichtigen müssen. 19unabhängig davon sei nicht hinreichend dargelegt, warum damit ein "territorialer dominanzanspruch" hinsichtlich des stadtteils e1. geltend gemacht werde, der andere "ausschließen und einschüchtern" solle. 20bloße behauptungen seien kein rechtsgrund für eine einschränkung des versammlungsrechts oder - verbunden mit einer versammlung - des rechts auf freie meinungsäußerung. auch für die behauptungen, die rechtsextremistische szene habe gezeigt, dass sie sich "über jegliche anstandsregeln hinwegsetze" und die "atmosphäre gegenseitiger rücksicht und achtung in der e1. wohnbevölkerung dadurch gefährdet sei, sowie dass „vielfache beschwerden“ darüber vorlägen und ein polizeiliches präsenzkonzept nötig geworden sei, um u.a. strafrechtlich relevantes verhalten zu unterbinden, habe der beklagte beweis zu erbringen. 21der kläger beantragt, 22festzustellen, dass die auflage nr. 4 aus dem auflagenbescheid vom 30. april 2021 rechtswidrig war soweit damit die verwendung des begriffes "e. –e1. -nazi-kiez" auf transparenten, fahnen, plakaten oder anderen gegenständen sowie das skandieren und jede andere sprachliche verwendung dieses begriffes untersagt wird. 23der beklagte beantragt, 24die klage abzuweisen. 25die klage sei unabhängig von der einhaltung der klagefrist unzulässig, weil die zulässigkeit eines solchen ausnahmsweise zulässigen rechtsschutzbegehrens vom vorliegen eines schutzwürdigen interesses bei der verfolgung eines subjektiven rechts abhänge. daran fehle es jedoch, da durch die auflage der spezifische charakter der versammlung nicht verändert und insbesondere das kommunikative anliegen nicht wesentlich erschwert worden sei. 26darüber hinaus seien wegen des inkrafttretens des nordrhein-westfälischen versammlungsgesetzes auflagen mit bezug auf die öffentliche ordnung nicht mehr zu erwarten, da dieses schutzgut im gesetz nicht mehr vorgesehen sei. es fehle daher an einer wiederholungsgefahr. 27die klage sei außerdem unbegründet, denn es hätten zum entscheidungserheblichen zeitpunkt im rahmen der ex-ante betrachtung konkrete tatsachen dafür vorgelegen, dass das mit der auflage untersagte verhalten, sofern es nicht im vorfeld unterbunden würde, durch die versammlungsteilnehmer im rahmen der versammlung seine wiederholung finde, obgleich bereits gerichtlich im verfahren vg gelsenkirchen - 14 l 1456/19 - durch beschluss vom 20. september 2019 und mit beschluss des ovg nrw vom 20. september 2019 - 15 b 1298/19 ‑ festgestellt worden sei, dass eben dieses verhalten in verbindung mit der art und weise der durchführung einen verstoß gegen die öffentliche ordnung zu begründen vermag. 28unter berücksichtigung der bewertung des verwaltungsgerichts zum damaligen entscheidungszeitpunkt der versammlungsbestätigung sei daher einzig durch die gegenständliche auflage der schutz der öffentlichen ordnung zu sichern gewesen. die gefahr der wiederholung habe sich hinsichtlich des klägers bzw. aus seiner funktion als versammlungsleiter sowie der zu erwartenden versammlungsteilnehmer und der hiermit verbundenen überschneidungen der teilnehmerkreise zu den vorhergehenden versammlungskonstellationen als hinreichend wahrscheinlich dargestellt. insoweit sei zu erwarten gewesen, dass nicht nur erneut die inhaltliche wiedergabe der parole sondern vielmehr auch angesichts des versammlungsortes am x.-platz die die parole begleitenden umstände auftreten würden. 29vor dem hintergrund des näher beschriebenen tatsächlichen verhaltens der rechten szene in e. –e1. erscheine es fernliegend, dass der durchschnittliche e. -bürger mit der begrifflichkeit nichts anfangen könne. 30die auflage, ein bewusst machtdominierendes verhalten in form des skandierens der parole sowie der zurschaustellung auf bannern und transparenten zu untersagen, sei auch ermessensfehlerfrei und insbesondere verhältnismäßig. sie sei geeignet ein klima der einschüchterung zu verhindern und unbeteiligte dritte vor provokativen und aggressiven wirkungen zu schützen. 31sie sei auch erforderlich gewesen, da ein verhindern der oben dargestellten verhaltensweise nicht mit milderen mitteln zu erreichen gewesen sei. insbesondere sei es nicht zumutbar, einen verstoß abzuwarten. denn hinsichtlich einer möglichen auflösung gegenüber dem präventiven verbot könne darauf verwiesen werden, dass diese nicht gleich geeignet sei, um einer irreparablen verwirklichung der gefahrensituation zu begegnen. anderenfalls liefe die versammlungsbehörde stets sehenden auges in eine sich ergebende gefahr für die öffentliche ordnung. 32die versammlungsteilnehmer seien allein hinsichtlich der in der auflage benannten formulierung beschränkt worden. die darüber hinaus bestehenden, generellen versammlungstypischen formen gemeinsamer meinungskundgabe, wie dem lauten gemeinsamen rufen oder skandieren sowie der verwendung von transparenten oder flugblättern seien hierdurch nicht berührt. dies gelte erst recht vor dem hintergrund der tatsache, dass das motto der hier gegenständlichen versammlung „heraus zum tag der arbeit“ keinen bezug zu der untersagten form der parole aufweise. 33wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird bezug genommen auf die gerichtsakten auch des verfahrens ‑ 14 l 618/21 ‑ einschließlich der beigezogenen verwaltungsvorgänge der beklagten (beiakte heft 1 zu 14 l 618/21). 34
35die klage ist in entsprechender anwendung des § 113 abs. 1 satz 4 vwgo als fortsetzungsfeststellungsklage statthaft und im übrigen auch zulässig. 36der kläger ist klagebefugt. 37zwar wurde die streitgegenständliche versammlung durch ihn für den landesverband der partei „die rechte“ als veranstalter angemeldet und die versammlungsbestätigung an den landesverband der partei „z.hd. herrn e2. “ adressiert, während er die klage offenbar als „privatperson“, ohne bezug zu seiner funktion als vertreter der partei und nicht in deren namen erhoben hat. 38als förmlicher nichtadressat kommt es insoweit darauf an, ob subjektive rechte oder zumindest anderweitig geschützte interessen des klägers verletzt sein können. 39vgl. bundesverwaltungsgericht (bverwg), beschluss vom 21. januar 1993 -4 b 206.92, m.w.n., juris. 40eine klagebefugnis ist nur dann zu verneinen, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner betrachtungsweise die vom kläger behaupteten rechte bestehen oder ihm zustehen können. 41vgl. bverwg, urteil vom 30. oktober 1963 ‑ v c 219.62 ‑, juris. 42gemessen daran ist von einer klagebefugnis auszugehen. denn abgesehen davon, dass der beklagte in dem streitgegenständlichen bescheid den landesverband der partei „die rechte“ ausdrücklich als veranstalter benannt hat, hat er diesen bescheid dem die anmeldung durchführenden landesvorsitzenden der partei ‑ dem kläger - unter dessen privatanschrift als anmelder und in seiner eigenschaft als versammlungsleiter, auf den der veranstalter das leitungsrecht gem. § 7 des versammlungsgesetzes des bundes (versg), das bis zum inkrafttreten des nordrhein-westfälischen versammlungsgesetzes am 18. dezember 2021 und damit im erlasszeitpunkt der maßnahme gültig war, übertragen hatte, übersandt. im rahmen dieser funktion war der kläger zumindest „inhaltsadressat“, 43vgl. dazu auch oberverwaltungsgericht für das land nordrhein - westfalen (ovg nrw), beschluss vom 9. juni 2005 ‑ 9 a 1150/03 ‑. juris, verwaltungsgerichtshof (vgh) baden-württemberg, beschluss vom 27. juli 2018 ‑ 2 s 1228/18 ‑, juris, 44der als verantwortlicher versammlungsleiter im rahmen der §§ 8, 10, 11 versg u.a. zur bekanntgabe der auflagen in anspruch genommen und von dem als verantwortlichen leiter auch eine kontrolle der einhaltung der auflagen mit einem einschreiten bis hin zur auflösung der versammlung abverlangt wurde. insoweit war der bescheid mit der in diesem verfahren allein streitigen auflage auch an den kläger gerichtet, 45vgl. zur rolle des versammlungsleiters und seiner klagebefugnis bayerischer vgh, urteil vom 10. juli 2018 ‑ 10 bv 17.2405 ‑ , bayvbl. 2019, 20 f., vg leipzig, urteil vom 17. juni 2016 ‑ 1 k 259/12‑ , juris, vg karlsruhe, urteil vom 14. mai 2020 ‑ 3 k 5923/18 ‑, juris, 46der sich neben veranstalter und teilnehmern grundsätzlich auf das grundrecht aus art. 8 abs. 1 gg berufen kann. 47vgl. dieter/ginztel/kniesel, versammlungsgesetze, 17. aufl., § 8 rdnr. 6. 48dass der kläger insoweit (auch) als leiter der von ihm angemeldeten versammlung durch die streitgegenständliche auflage in seinen rechtspositionen verletzt sein könnte, erscheint mithin nicht unmöglich und der kläger hat im rechtsstaat einen anspruch darauf, dass er in seinen rechten nur durch akte beeinträchtigt wird, die mit dem geltenden recht in einklang stehen. 49vgl. auch vg gelsenkirchen, urteil vom 19. november 2021 ‑ 14 k 1638/15 ‑, juris. 50es besteht für die fortsetzungsfeststellungsklage auch unabhängig von der frage, ob angesichts des inkrafttretens des versammlungsgesetzes des landes nrw eine wiederholungsgefahr für eine auf die aufrechterhaltung der öffentlichen ordnung gerichtete auflage noch möglich ist, ein berechtigtes interesse klägers. das erforderliche feststellungsinteresse des klägers ist vorliegend bereits aufgrund der möglichkeit einer kurzfristig erledigten, aber schwerwiegenden beeinträchtigung der in art. 8 des grundgesetzes - gg - garantierten versammlungsfreiheit gegeben. 51in versammlungsrechtlichen verfahren sind die anforderungen an das fortsetzungsfeststellungsinteresse unter berücksichtigung der besonderheiten der versammlungsfreiheit anzuwenden. zwar begründet nicht jeder eingriff in die versammlungsfreiheit ein fortsetzungsfeststellungsinteresse. 52die beurteilung, ob der kläger sich auf ein berechtigtes interesse an der feststellung der rechtswidrigkeit eines in tatsächlicher hinsicht bereits überholten grundrechtseingriffs berufen kann, erfolgt im lichte des art. 19 abs. 4 gg. diese norm enthält ein grundrecht auf wirksamen und möglichst lückenlosen richterlichen rechtsschutz gegen akte der öffentlichen gewalt. an das für die zulässigkeit einer fortsetzungsfeststellungsklage erforderliche rechtsschutzinteresse dürfen deshalb keine aus sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden anforderungen gestellt werden. 53vgl. bundesverfassungsgericht (bverfg), beschluss vom 8. februar 2011 ‑ 1 bvr 1946/06 ‑, juris; beschluss vom 3. märz 2004 ‑ 1 bvr 461/03 ‑, bverfge 110, 77 und juris. 54in versammlungsrechtlichen verfahren sind bei der beurteilung des fortsetzungsfeststellungsinteresses die besonderheiten des grundrechts der versammlungsfreiheit zu berücksichtigen. auch hier begründet nicht jeder eingriff ein berechtigtes interesse an der nachträglichen feststellung der rechtswidrigkeit. ein solches interesse besteht aber insbesondere dann, wenn die angegriffene maßnahme die versammlungsfreiheit schwer beeinträchtigt. 55vgl. bverfg, beschluss vom 3. märz 2004 ‑1 bvr 461/03 ‑, bverfge 110, 77 und juris. 56dabei ist zu berücksichtigen, dass das grundrecht auf effektiven rechtsschutz gerade auch in den fällen gewichtiger grundrechtseingriffe, die sich typischerweise so kurzfristig erledigen, dass ein vorheriger rechtsschutz in der hauptsache regelmäßig nicht zu erreichen ist, die möglichkeit einer gerichtlichen klärung gebietet. 57vgl. bverfg, beschluss vom 3. märz 2004 ‑ 1 bvr 461/03 ‑, bverfge 110, 77 und juris; beschluss vom 5. dezember 2001 ‑ 2 bvr 527/99 ‑, bverfge 104, 220 und juris; bverwg, urteil vom 16. mai 2013 ‑ 8 c 20/12 ‑, juris. 58unter berücksichtigung dieser maßstäbe ist ein forstsetzungsfeststellungsinteresse nicht nur dann anzunehmen, wenn eine versammlung verboten oder aufgelöst wurde sondern ebenso zu bejahen, wenn die versammlung zwar durchgeführt werden konnte, aber infolge von versammlungsbehördlichen auflagen gemäß § 15 abs. 1 versg nur in einer weise, die ihren spezifischen charakter verändert, insbesondere die verwirklichung ihres kommunikativen anliegens wesentlich erschwert hat. demgegenüber ist ein fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht begründet, wenn die abweichungen bloße modalitäten der versammlungsdurchführung betroffen haben. 59vgl. bverfg, beschluss vom 3. märz 2004 ‑ 1 bvr 461/03 ‑, bverfge 110, 77 und juris. 60für die frage, ob ein feststellungsinteresse besteht, kommt es nicht darauf an, ob diese beschränkung der versammlung rechtmäßig war, oder nicht, dies ist eine frage der begründetheit der klage. 61das streitgegenständliche verbot jeglicher sprachlichen verwendung der parole „e. –e1. nazi-kiez“ auf transparenten, fahnen, plakaten oder anderen gegenständen sowie das skandieren und jede andere sprachliche verwendung dieses begriffes, ist grundsätzlich dazu geeignet die verwirklichung des kommunikativen anliegens der von dem kläger geleiteten versammlung wesentlich zu erschweren. 62das angemeldete versammlungsmotto „heraus zum tag der arbeit“ hat zwar keinen unmittelbaren bezug zu der untersagten verwendung der streitgegenständlichen parole. wie sich aber aus der begründung der auflage nr. 4 ergibt, geht der beklagte jedoch davon aus, dass die parole ausdruck eines wesentlichen kommunikationsanliegens der versammlung sei. sie diene der raumergreifungsstrategie der partei „die rechte“ und der gezielten schaffung eines angstraumes im stadtteil e1. . die teilnehmer der versammlung verfolgten danach das ziel, die „nationale kontrolle“ über diesen stadtteil zu gewinnen, deshalb sei zu erwarten gewesen, dass diese parole im laufe der versammlung verwendet werden sollte. 63unabhängig von den zweifeln hinsichtlich seiner bestimmtheit begegnet die reichweite des verwendungsverbots bedenken hinsichtlich seiner verhältnismäßigkeit. die reichweite des verbots war durch den zusatz „und jede andere sprachliche verwendung dieses begriffes“ nicht konkret festgelegt. es ließ sich für den kläger jedenfalls nicht ohne weiteres überblicken wie weit dieses „globale“ verwendungsverbot reichen soll. dies machte er in der mündlichen verhandlung plastisch deutlich, indem er darauf hinwies, dass nicht einmal ein inhaltliches abrücken von dieser parole in redebeiträgen möglich sei, wenn das verbot wörtlich genommen werde. 64ein nachträglicher rechtsschutz im wege der fortsetzungsfeststellungsklage ist zudem auch deshalb geboten, weil sich die streitgegenständliche beschränkung, welche dem kläger mit der versammlungsbestätigung vom 30. april 2021 bekanntgegeben wurde, bereits mit ablauf der versammlung am darauffolgenden tag erledigte und ein vorheriger rechtsschutz in der hauptsache damit nicht zu erreichen war. 65das feststellungsinteresse ist nicht dadurch entfallen, dass der kläger die klage erst am 24. september 2021, über vier monate nach dem erhalt der streitgegenständlichen verfügung erhoben hat. 66die erledigung der streitgegenständlichen auflage trat mit dem ende der versammlung am 1. mai 2021, also vor der klageerhebung ein. 67zwar war der auflagenbescheid vom 30. april 2021 mit einer rechtsbehelfsbelehrung versehen. diese setzte jedoch die klagefrist des § 74 vwgo nicht in gang, denn im text der belehrung wird für den beginn der frist auf die zustellung des bescheides abgestellt. dieser wurde dem kläger jedoch lediglich per e-mail bekannt gegeben, so dass die klagefrist nie zu laufen begann. 68es kann deshalb vorliegend dahinstehen, ob das feststellungsinteresse aufgrund des grundsatzes, dass alleine die erledigung eine unzulässige anfechtungsklage nicht in eine zulässige fortsetzungsfeststellungsklage verwandeln kann, aufgrund des ablaufs der einmonatigen klagefrist des § 74 abs. 1 vwgo entfallen könnte. ebenso kann offen bleiben, ob das feststellungsinteresse entsprechend dem grundsatz des § 58 abs. 2 vwgo nach mehr als einem jahr entfallen kann, denn die klage wurde innerhalb von knapp fünf monaten nach der bekanntgabe erhoben. 69die zulässige klage ist begründet, soweit sie die feststellung der rechtswidrigkeit des zusatzes „und jede andere sprachliche verwendung dieses begriffes [ist] untersagt“ verfolgt. soweit die feststellung der rechtswidrigkeit der untersagung der parole „e. –e1. nazi-kiez“ gegenstand des feststellungsbegehrens ist, ist die klage unbegründet. 70rechtsgrundlage für die angegriffene auflage war § 15 abs. 1 versg. nach der vorschrift kann die zuständige behörde die durchführung einer versammlung von bestimmten auflagen abhängig machen, wenn nach den zur zeit des erlasses der verfügung erkennbaren umständen die öffentliche sicherheit oder ordnung bei durchführung der versammlung unmittelbar gefährdet ist. 71der beklagte stellt hinsichtlich des verbots der parole „e. -e4. nazi-kiez“ auf die in der verwendung dieses begriffs gründende gefahr für die öffentliche ordnung ab. 72der begriff der öffentlichen sicherheit umfasst den schutz zentraler rechtsgüter wie leben, gesundheit, freiheit, ehre, eigentum und vermögen des einzelnen sowie die unversehrtheit der rechtsordnung und der staatlichen einrichtungen. dabei wird in der regel eine gefährdung der öffentlichen sicherheit angenommen, wenn eine strafbare verletzung dieser schutzgüter droht. 73vgl. bverfg, beschluss vom 7. april 2001 ‑ 1 bvq 17/01 ‑, juris. 74für den begriff der öffentlichen ordnung ist demgegenüber kennzeichnend, dass er auf ungeschriebene regeln verweist, deren befolgung nach den jeweils herrschenden und mit dem wertgehalt des grundgesetzes zu vereinbarenden sozialen und ethischen anschauungen als unerlässliche voraussetzung eines geordneten menschlichen zusammenlebens innerhalb eines bestimmten gebiets angesehen wird. 75vgl. bverfg, beschluss vom 19. dezember 2007 ‑ 1 bvr 2793/04 ‑, nvwz 2008, 671. 76soweit beschränkungen mit dem inhalt der während der versammlung zu erwartenden meinungsäußerungen begründet werden, ist die besondere gewährleistung der meinungsfreiheit aus art. 5 abs. 1 satz 1 hs. 1 gg zu berücksichtigen. der inhalt von meinungsäußerungen, der im rahmen des art. 5 abs. 1 satz 1 hs. 1 gg nicht unterbunden werden darf, kann auch nicht zur rechtfertigung von maßnahmen herangezogen werden, die das grundrecht des art. 8 abs. 1 gg beschränken. die vorschrift des § 15 abs. 1 versg dient zwar dem schutz schlechthin geschützter rechtsgüter unabhängig davon, ob sie durch meinungsäußerungen oder auf andere weise gefährdet werden. der inhalt von meinungsäußerungen als solcher ist versammlungsrechtlich aber nur relevant, wenn es sich um äußerungen handelt, die einen straftatbestand erfüllen. werden die entsprechenden strafgesetze missachtet, liegt darin eine verletzung der öffentlichen sicherheit, die durch die ordnungsbehörden abgewehrt werden kann, und zwar auch mit auswirkungen auf versammlungen. das grundgesetz baut zwar auf der erwartung auf, dass die bürger die allgemeinen werte der verfassung akzeptieren und verwirklichen, erzwingt die wertloyalität aber nicht. kritik an der verfassung und ihren wesentlichen elementen ist ebenso erlaubt wie die äußerung der forderung, tragende bestandteile der freiheitlichen demokratischen grundordnung zu ändern. 77zudem bedarf § 15 abs. 1 versg wegen der bedeutung von art. 8 abs. 1 gg einer einschränkenden auslegung dahingehend, dass eine gefahr für die öffentliche ordnung als grundlage beschränkender verfügungen ausscheidet, soweit sie im inhalt von äußerungen gesehen wird. 78vgl. bverfg, beschluss vom 19. dezember 2007, ‑ 1 bvr 2793/04 ‑, nvwz 2008, 671 und beschluss vom 23. juni 2004 ‑ 1bvq 19/04 ‑, juris. 79beschränkende verfügungen zum schutz der öffentlichen ordnung sind verfassungsrechtlich nur dann unbedenklich, als sich die in § 15 abs. 1 versg vorausgesetzte gefahr nicht aus dem inhalt der äußerung, sondern aus der art und weise der durchführung der versammlung ergibt. eine gefahr für die öffentliche ordnung infolge der art und weise der durchführung einer versammlung kann beispielsweise bei einer aggressiven und provokativen, die bürger einschüchternden verhalten der versammlungsteilnehmer bestehen, durch das ein klima der gewaltdemonstration und potentieller gewaltbereitschaft erzeugt wird. ein entsprechender anlass kann ferner gegeben sein, wenn rechtsextremisten einen aufzug an einem speziell der erinnerung an das unrecht des nationalsozialismus und den holocaust dienenden feiertag so durchführen, dass von seiner art und weise provokationen ausgehen, die das sittliche empfinden der bürgerinnen und bürger erheblich beeinträchtigen. gleiches gilt, wenn ein aufzug sich durch sein gesamtgepräge mit den riten und symbolen der nationalsozialistischen gewaltherrschaft identifiziert und durch wachrufen der schrecken des vergangenen totalitären und unmenschlichen regimes andere bürger einschüchtert. 80vgl. bverfg, beschluss vom 19. dezember 2007, ‑ 1 bvr 2793/04 ‑, nvwz 2008, 671 und beschluss vom 23. juni 2004 ‑ 1bvq 19/04 ‑, juris. 81die für eine beschränkende verfügung notwendige unmittelbare gefährdung der öffentlichen sicherheit oder ordnung setzt dabei eine sachlage voraus, die bei ungehindertem geschehensablauf mit hoher wahrscheinlichkeit zu einem schaden für die der versammlungsfreiheit entgegenstehenden interessen führt. unter berücksichtigung der bedeutung der versammlungsfreiheit darf die behörde bei dem erlass von vorbeugenden verfügungen aber keine zu geringen anforderungen an die gefahrenprognose stellen. es müssen zum zeitpunkt des erlasses der verfügung erkennbare umstände vorliegen, aus denen sich die unmittelbare gefährdung der öffentlichen sicherheit oder ordnung ergibt. als grundlage der gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche anhaltspunkte erforderlich; bloße verdachtsmomente oder vermutungen reichen nicht aus. 82vgl. bverfg, beschluss vom 19. dezember 2007, ‑ 1 bvr 2793/04 ‑, nvwz 2008, 671. 83zwar betrifft das verbot der parole „e. –e1. nazi kiez“ in seinem kern eine meinungsäußerung, die - auch nach der auffassung des beklagten - die grenzen der strafbarkeit nicht überschreitet. 84vorliegend treten neben die bloße meinungsäußerung jedoch äußere umstände hinzu, welche dazu geeignet sind, bei der äußerung dieser parole, sei es durch das skandieren aus der versammlung heraus oder in schriftlicher form auf plakaten, transparenten, etc., eine gefahr für die öffentliche ordnung zu begründen. 85es ist namentlich zu berücksichtigen, dass die versammlung auf dem x.-platz stattfand. der beklagte hat tatsachengestützt belegt, dass es sich bei diesem platz um einen raum handelt, der in besonderer weise durch angehörige der rechten szene und namentlich durch mitglieder der partei „die rechte“, darunter auch der kläger, im zusammenhang mit dem sogenannten „raumkampf“ exklusiv „für sich“ beansprucht wird. 86die gefahrenprognose des beklagten stützte sich nicht ausschließlich auf die verwendung versammlungstypischer ausdrucksformen. insofern ist zu beachten, dass es mit der bedeutung der versammlungsfreiheit unvereinbar wäre, bereits aus den versammlungstypischen formen gemeinsamer meinungskundgabe, wie dem lauten gemeinsamen rufen oder skandieren sowie der verwendung von transparenten oder flugblättern, jene versammlungsspezifischen wirkungen ableiten zu wollen, die zu der bloßen äußerung bestimmter meinungsinhalte hinzutreten müssen, um beschränkungen der versammlungsfreiheit unter berufung auf die öffentliche ordnung zu rechtfertigen. 87vgl. bverfg, beschluss vom 19. dezember 2007 ‑ 1 bvr 2793/04 ‑, juris; vg gelsenkirchen, urteil vom 19. november 2021 ‑ 14 k 6634/18 ‑, juris. 88der beklagte hat in der begründung der hier streitgegenständlichen auflage maßgeblich weder auf diese versammlungstypischen verhaltensweisen noch allein auf den - nicht strafbaren - inhalt der parole abgestellt, sondern diese in den zusammenhang mit der örtlichkeit des x.-platzes in e. e1. und der daraus folgenden wirkung auf die bevölkerung dieses stadtteile und der unmittelbaren umgebung des x.-platzes gestellt. 89die kammer folgt der einschätzung, dass die hier allein streitgegenständliche parole überwiegend unmittelbar auf die ideologie und herrschaft des nationalsozialismus bezug nimmt. der gesamtkontext, in dem die ausdrücklich untersagte parole verwendet worden wäre, hätte der versammlung ein gepräge gegeben, welches darauf gerichtet und jedenfalls geeignet wäre, von anderen bürgern als herrschaftsanspruch und geltung dieser ideologie und seiner normen auch speziell für den bereich des x.-platzes in e1. verstanden zu werden mit der folge, andersdenkende einzuschüchtern und auszuschließen. in jener parole kommt der auch territoriale dominanzanspruch der klägerin verbunden mit der negation des staatlichen gewaltmonopols für das von ihr - jedenfalls auch ‑ als nazi-kiez bezeichnete gebiet in e. e1. zum ausdruck. 90vgl. vg gelsenkirchen, beschluss vom 20. september 2019 ‑ 14 l 1456/19 ‑, juris 91soweit die kammer in ihrem urteil vom heutigen tage im verfahren 14 k 4257/19 an dem oben genannten beschluss nicht mehr festhält, sei zur klarstellung angemerkt, dass dies lediglich das in dem oben genannten klageverfahren allein streitgegenständliche verbot von umgehungsformulierungen betrifft. dieses ist vorliegend nicht streitgegenstand. 92der umstand, dass der kläger in der klagebegründung und in der mündlichen verhandlung die von dem beklagten beschriebenen verhaltensweisen auf dem x.-platz gegenüber personen mit migrationshintergrund oder einer offen zu erkennenden anderen politischen auffassung bestritten bzw. relativiert hat, ist nicht geeignet, die kammer davon zu überzeugen, dass die in der begründung der verfügung des beklagten dargestellten intentionen der parole „e. –e1. nazi kiez“ unzutreffend wären. bei diesem vortrag handelt sich vielmehr offensichtlich um verfahrensangepasste ausflüchte. 93die verwendung der konkret untersagten parole „e. –e1. nazi kiez“ bei einer kundgebung unmittelbar auf dem x.-platz und in dessen näheren umgebung stellt daher einen verstoß gegen die öffentliche ordnung dar. 94da die parole bei vorhergehenden versammlungen der anmelderin unabhängig vom thema der versammlung bereits verwendung fand und gelegentlich dieser versammlungen, namentlich bei einer versammlung am 12. september 2019, seitens vertretern der partei „die rechte“ deutlich gemacht wurde, diese parole auch künftig verwenden zu wollen, durfte der beklagte insbesondere angesichts des versammlungsortes davon ausgehen, dass dies auch bei der hier streitgegenständlichen versammlung der fall sein würde. 95die untersagung der parole durch den beklagten stellt sich auch als ermessensfehlerfrei und verhältnismäßig dar. 96da im hier allein zu entscheidenden konkreten fall aufgrund der oben dargestellten gesamtumstände bereits im vorfeld der versammlung die gefahr für die öffentliche ordnung hinreichend sicher zu erwarten war, ist es nicht zu beanstanden, dass der beklagte ihr bereits in der versammlungsbestätigung mit einer auflage begegnete. 97ob die verwendung dieser parole an einem anderen ort innerhalb oder außerhalb e. einer versammlung ein solches, einen verstoß gegen die öffentliche ordnung begründendes gepräge geben könnte, welches ein präventives verbot der parole rechtfertigen könnte, kann vorliegend offen gelassen werden. streitgegenstand dieses verfahrens ist allein die untersagung der parole in der versammlungsbestätigung vom 30. april 2021 für den bereich des x.-platzes. 98ohne dass es vorliegend darauf ankommt, geht die kammer jedoch davon aus, dass die einschüchternde wirkung dieser parole und damit die gefahr für die öffentliche ordnung, mit zunehmender entfernung von e. –e1. , möglicherweise sogar bis hin zur bedeutungslosigkeit der in ihr zu sehenden meinungsäußerung, abnimmt. 99die klage hat allerdings erfolg, soweit mit ihr die feststellung der rechtswidrigkeit der untersagung jeder anderen sprachlichen verwendung dieses begriffes untersagt wird. 100die auflage begegnet insoweit bereits bedenken hinsichtlich ihrer bestimmtheit. vorliegend sind aufgrund der gesellschaftlichen relevanz der von der auflage betroffenen grundrechte der versammlungs- und meinungsfreiheit erhöhte anforderungen an deren bestimmtheit zu stellen. ein versammlungsrechtliches verbot von parolen genügt nur dann dem in § 37 verwaltungsverfahrensgesetz (vwvfg) normierten bestimmtheitsgrundsatz, wenn die untersagte formulierung nicht bloß generalisierend, sondern konkret festgelegt wird. 101vgl. zum verbot von „umgehungsformulierungen“ urteil der kammer vom heutigen tage, 14 k 4257/19, m.w.n. 102das verbot „jedweder sprachlichen verwendung“ geht trotz dessen eindeutig zu erkennenden zwecks aufgrund der kontextgebundenheit einer „sprachlichen verwendung“, auch unter heranziehung der begründung der verfügung im rahmen einer auslegung, mit erheblicher unklarheit einher, welches die zu unterlassenden äußerungen sind. es sind vielerlei grenzfälle denkbar, in denen sich die mit dem generalisierenden verbot offen gelassene subsumtion unter den begriff der „sprachlichen verwendung“ durchaus in die eine wie auch in die andere richtung entscheiden ließe. diese entscheidung darf in der verbotsverfügung jedoch nicht offengelassen werden. denn für die adressaten des verbots würde anderenfalls nicht hinreichend klar, welches im einzelnen die zu unterlassenden äußerungen sind. dies birgt jedenfalls abstrakt die gefahr, dass die adressaten zur vermeidung unklarer zweifelsfälle von dem gebrauch der meinungsfreiheit über gebühr absehen. 103das verbot jedweder sprachlicher verwendung der parole „e. –e1. nazi kiez“ stellt sich unabhängig von den zweifeln an dessen reichweite jedenfalls als unverhältnismäßig dar. 104zwar ist im vorliegenden fall die untersagung der parole „e. –e1. nazi kiez“ im rahmen der versammlungstypischen verhaltensweisen, etwa durch rufen oder auf transparenten, rechtmäßig. die untersagung „jeder sprachlichen verwendung“ geht jedoch weit darüber hinaus. sie erfasst nämlich auch paraphrasierende wiedergaben, etwa im rahmen einer inhaltlichen auseinandersetzung mit dem verbot oder auch mit der parole selbst, die aufgrund des kontextes in dem sie stehen, den zweck des verbots, eine gefahr für die öffentliche sicherheit zu verhindern, nicht tangieren. 105dadurch beschränkt sich die auflage allein auf die - nicht strafbewehrte - inhaltliche äußerung, ohne die äußeren umstände in die betrachtung mit einzubeziehen. dies ist - wie oben bereits dargelegt - keine taugliche grundlage für eine auf die gefahr für die öffentliche ordnung gestützte versammlungsrechtliche auflage. 106sie verletzt daher die rechte des klägers, der als versammlungsleiter diese auflage gegebenenfalls durchzusetzen hätte. 107die kostenentscheidung folgt aus § 155 abs. 1 vwgo. 108die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit beruht auf § 167 vwgo i.v.m. §§ 708 nr. 11, 711 zpo.
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8 D 241/21.AK
2022-07-13T00:00:00
Urteil
Tenor Die im Bescheid des Beklagten vom 29. April 2021 enthaltene Auflage Nr. 1 zum Landschafts- und Artenschutz wird aufgehoben. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin das bereits gezahlte Ersatzgeld in Höhe von 1.180 Euro zu erstatten Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Revision wird nicht zugelassen. 1Tatbestand: 2Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer landschafts- und artenschutzrechtlichen Auflage in einer der Klägerin von dem Beklagten erteilten Genehmigung zur wesentlichen Änderung des Betriebs einer Windenergieanlage. 3Die Klägerin betreibt auf dem Grundstück Gemarkung I. , Flur X, Flurstück Y/Z in O. -I. auf Grundlage der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung des Beklagten vom 11. Juli 2013 eine Windenergieanlage des Typs Enercon E-101. Im Zuge der Errichtung der Anlage wurde auch ein 60 bis 80 Zentimeter tief geschotterter und befestigter Platz als Kranstellfläche angelegt, auf den die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung angewandt wurde. Mit am 7. Dezember 2020 bei dem Beklagten eingegangenem Schreiben beantragte die Klägerin die Erteilung einer Genehmigung nach § 16 BImSchG für die wesentliche Änderung dieser Anlage durch die Errichtung einer Photovoltaikanlage mit einer Länge von 33,92 Metern und einer Breite von 17,37 Metern auf der Kranstellfläche. Mit Schreiben vom 8. März 2021 reichte die Klägerin zur Erläuterung der Aufstellsituation der Photovoltaikanlage eine Schnittzeichnung sowie exemplarische Fotos ein und führte hierzu aus, dass die Module eine Gesamthöhe von 50 Zentimetern über Grund nicht überschreiten würden. 4Mit Bescheid vom 29. April 2021 genehmigte der Beklagte die beantragte Maßnahme. Der Bescheid enthält unter dem Punkt „Landschafts- und Artenschutz“ folgende Auflage: 5„Der Ausgleich für den Eingriff in Natur und Landschaft in Höhe von 295 Wertpunkten ist entweder 6a. durch Abbuchung 14 Tage vor Baubeginn durch ein Ökokonto auszugleichen, oder 7b. durch die Zahlung eines Ersatzgeldes in Höhe von 1.180,00 € 14 Tage vor Baubeginn […] auszugleichen.“ 8In der Begründung des Bescheides wird sinngemäß ausgeführt, die Aufnahme der vorstehenden Nebenbestimmung trage der Stellungnahme der Unteren Naturschutzbehörde des Beklagten vom 28. April 2021 Rechnung. In dieser heißt es, mit der Aufstellung der Photovoltaikanlage gehe eine Veränderung der Oberfläche durch eine teilweise Vollversiegelung sowie eine Veränderung der Niederschlagsversickerung einher. Gleichzeitig wirke sich die Aufstellung der Anlage auf das Landschaftsbild aus. Die Kranstellfläche sei bislang als teilversiegelte Fläche mit einem Wertpunkt gemäß dem numerischen Verfahren NRW (2008) bewertet worden. Die Veränderung der Oberfläche werde durch einen Malus von 0,5 Wertpunkten berücksichtigt. Somit bestehe auf der Aufstellfläche ein Defizit von gerundet 295 Wertpunkten (33,92 m x 17,37 m x 0,5 WP/m²). Artenschutzrechtliche Konflikte seien bei der Aufstellung der Anlage nicht zu besorgen. 9Mit Schreiben vom 1. Mai 2021 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie das in der genannten Auflage festgesetzte Ersatzgeld „unter Vorbehalt der Rechtmäßigkeit“ zahle. 10Am 27. Mai 2021 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung führt sie aus, die vorgenannte Auflage entbehre jeglicher Grundlage. Die Kranstellfläche sei ein zwischen 60 und 80 Zentimeter tief geschotterter und befestigter Platz, der mit der Hauptgenehmigung der Windenergieanlage genehmigt und artenschutz- sowie landschaftsschutztechnisch bereits ökologisch ausgeglichen worden sei. Mit der Errichtung der Photovoltaikanlage sei weder neue Fläche versiegelt noch neuer Boden in irgendeiner Weise berührt worden. Die Module lägen nicht flach auf dem Boden, sondern seien leicht aufgeständert und auf einem wasser- und luftdurchlässigen Vlies verlegt. Die Kabel seien in der geschotterten Fläche verlegt worden. Niederschlagswasser könne weiter über die Module ungehindert auf den Platz fließen. Ein neuer Eingriff in die Natur finde nicht statt. Die Anlage habe eine Gesamthöhe von 35 Zentimetern über Grund und sei schon im Abstand von wenigen Metern kaum noch von der restlichen Kranstellfläche zu unterscheiden. Hierin liege kein Eingriff in die Landschaft. Diese Wertung teile wohl auch der nordrhein-westfälische Gesetzgeber, da nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. e) BauO NRW 2018 Photovoltaikanlagen auf Kranstellflächen von Windenergieanlagen zwischenzeitlich verfahrensfrei geworden seien. 11Die Klägerin beantragt sinngemäß, 121. die im Bescheid des Beklagten vom 29. April 2021 enthaltene Auflage Nr. 1 zum Landschafts- und Artenschutz aufzuheben, und 132. den Beklagten zu verurteilen, ihr das bereits gezahlte Ersatzgeld in Höhe von 1.180 Euro zu erstatten. 14Der Beklagte beantragt, 15die Klage abzuweisen. 16Er führt aus, die angefochtene Nebenbestimmung finde ihre Grundlage in § 15 Abs. 6 BNatSchG. Die Festsetzung eines Ersatzgeldes sei vorliegend notwendig. Zwar seien die Beeinträchtigungen auf das Landschaftsbild aufgrund der geringen Höhe der Anlage offensichtlich gering, allerdings sei die erhöhte Lage des Standorts der Photovoltaikanlage zu beachten. Diese befinde sich neben der Windenergieanlage auf einer plateauähnlichen Struktur, welche in drei Richtungen leicht abfalle. Insbesondere von dem auf südlicher Seite befindlichen Wirtschaftsweg in Richtung der Ortschaft C. , welcher sich auf einer ähnlichen Höhe befinde, sei die Anlage - sofern kein Bewuchs auf den Feldern stehe - leicht zu sehen. Im Ergebnis sei hier eine geringe Beeinträchtigung anzunehmen, allerdings sei dies auch nicht die alleinige Grundlage für die Festsetzung des Ersatzgeldes gewesen. Vielmehr gehe mit der Aufstellung der Photovoltaikanlage in jedem Falle eine Veränderung der Oberfläche und dessen Struktur einher. Die vorhandene und bereits im Verfahren zu Errichtung der Windenergieanlage ausgeglichene Kranstellfläche diene in diesem Falle noch als Ruderalfläche für Pionierarten und Kleininsekten (Schrecken und Laufkäfer). Durch die Belegung mit der Photovoltaikanlage gehe dieser Lebensraum verloren und das Kleinklima verändere sich. Darüber hinaus sei auch nicht auszuschließen, dass einige Vogelarten von der Lockwirkung der Schotterfläche angezogen würden. Einige Vögel (z. B. Grauammern) besäßen einen Muskelmagen und schluckten daher kleine Steine, sodass die im Magen befindliche Nahrung besser verkleinert werden könne. Durch die Belegung eines Großteils der Kranstellfläche durch die Photovoltaikanlage gehe diese Oberflächenfunktion zumindest teilweise verloren. In weiteren Studien werde gezeigt, dass auch andere Vogelarten von der Diversität der Pflanzenstruktur auf Ruderalflächen profitieren könnten (z. B. Rebhühner). Darüber hinaus sei das in der Klageschrift angeführte wasser- und luftdurchlässige Vlies in keiner Weise Gegenstand des Antrags und der dazugehörigen Unterlagen gewesen. Er habe erstmals am 28. Mai 2021 von dem Einsatz einer solchen Struktur Kenntnis erlangt, als die Anlage nach Errichtung in Augenschein genommen worden sei. Zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung hätten keine Anhaltspunkte für den Einsatz eines solchen Untergrunds bestanden, sodass davon auszugehen gewesen sei, dass sich das Kleinklima im Bereich der Photovoltaikanlage verändern könne. Auch die Berechnung des Ersatzgeldes und dessen Höhe seien nicht zu beanstanden. Bisher sei die Kranstellfläche als teilversiegelte Fläche mit einem Wertpunkt gemäß dem numerischen Verfahren NRW (2008) bewertet worden. Es sei in diesem Falle nicht davon auszugehen, dass die Errichtung der Photovoltaikanlage mit einer Vollversiegelung gleichzusetzen sei. Herangezogen worden sei daher ein Malus von 0,5 Wertpunkten für die Veränderung der Oberflächenstruktur. Bei der Bemessung der Höhe des Ersatzgeldes sei auch berücksichtigt worden, dass aufgrund der potentiellen vollständigen naturschutzfachlichen Entwertung des betroffenen Teils der Kranstellfläche gegebenenfalls sogar eine Bewertung, die sich näher an einer Vollversiegelung orientiere, denkbar gewesen wäre. Allerdings sei hier sowohl aufgrund der weiterhin möglichen Niederschlagswasserversickerung als auch der geringen Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes eine Abwägung zu Gunsten der Klägerin erfolgt. 17Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 14. April 2022, der Beklagte mit Schriftsatz vom 25. April 2022 jeweils ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter erklärt. 18Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen. 19Entscheidungsgründe: 20Die Klage, über die der Berichterstatter mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§§ 87a Abs. 2 und 3, 101 Abs. 2 VwGO), hat Erfolg. Die Auflage Nr. 1 zum Landschafts- und Artenschutz im Bescheid des Beklagten vom 29. April 2021 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO - dazu I.). Hieraus folgt ein Erstattungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten (dazu II.). 21I. Die der Klägerin auferlegte Pflicht, entweder ein Ökokonto zu belasten oder ein Ersatzgeld zu zahlen, findet im Gesetz keine Stütze. 221. Bedenken bestehen bereits hinsichtlich der der Klägerin in der Auflage eröffneten Wahlmöglichkeit zwischen der Belastung eines Ökokontos und der Leistung eines Ersatzgeldes. Letzteres ist nach § 15 Abs. 6 Satz 1 BNatSchG dann vorgesehen, wenn ein Eingriff nach § 15 Abs. 5 BNatSchG zugelassen oder durchgeführt wird, obwohl die Beeinträchtigungen nicht zu vermeiden oder nicht in angemessener Frist auszugleichen oder zu ersetzen sind. Das Ökokonto wiederum ist ein Institut, um vorgezogene Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen i. S. d. § 16 Abs. 1 BNatSchG (Kompensationsmaßnahmen) nach Durchführung der Maßnahmen zu dokumentieren und durch Einbuchung oder Abbuchung zu verwalten (vgl. § 16 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG, § 1 Satz 1 der Verordnung über die Führung eines Ökokontos nach § 32 des Landesnaturschutzgesetzes - Ökokonto VO - vom 18. April 2018, GV. NRW. S. 379; geändert durch Gesetz vom 15. November 2016, GV. NRW. S. 934). Die Inanspruchnahme eines Ökokontos führt folglich dazu, dass ein Eingriff in Natur und Landschaft als ausgeglichen oder ersetzt gilt (vgl. § 6 Abs. 3 Ökokonto VO). Gibt der Beklagte hier also durch die der Klägerin alternativ auferlegte Pflicht zur Inanspruchnahme eines Ökokontos zu erkennen, dass er den von ihm angenommenen Eingriff in Natur und Landschaft für kompensierbar hält, ist für die Festsetzung eines Ersatzgeldes kein Raum mehr. Jedenfalls aber kann er es nicht der Entscheidung der Klägerin überlassen, ob eine Realkompensation erfolgt oder nicht; die Ersatzgeldzahlung ist der Kompensation gegenüber nachrangig. 23Vgl. Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht (Dez. 2021), § 15 BNatSchG Rn. 49 m. w. N. 242. Hierauf kommt es im Ergebnis jedoch nicht an, da der von dem Beklagten angenommene Eingriff in Natur und Landschaft i. S. d. § 14 Abs. 1 BNatSchG, der Voraussetzung sowohl für die Forderung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen als auch für die Leistung von Ersatzgeld ist (§ 15 Abs. 2 und 6 BNatSchG), hier nicht vorliegt. Das folgt allerdings nicht bereits aus § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. e) BauO NRW 2018 in der Fassung des Gesetzes vom 30. Juni 2021 (GV. NRW. S. 822). Die Norm stellt Photovoltaikanlagen auf Kranstellflächen von Windenergieanlagen verfahrensfrei. Eine Regelung zu anderen öffentlich-rechtlichen Genehmigungserfordernissen, insbesondere solchen des Umweltrechts, enthält sie nicht (vgl. LT-Drs. 17/14088, S. 8). Ob ein Eingriff vorliegt, bestimmt sich daher nach der maßgeblichen Regelung des Bundesnaturschutzgesetzes. 25a) Eingriffe in Natur und Landschaft im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes sind Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen oder Veränderungen des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels, die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können (§ 14 Abs. 1 BNatSchG). 26Solche Veränderungen beeinträchtigen i. S. d. § 14 Abs. 1 BNatSchG das - aus den Faktoren Boden, Wasser, Luft, Tier- und Pflanzenwelt einschließlich ihrer vielfältigen Wechselwirkungen gebildete - ökologische Wirkungsgefüge einer Grundfläche, wenn einzelne dieser Faktoren oder ihr ökologisches Zusammenwirken in einer Weise gestört werden, die sich nach ökologischen Maßstäben als Verschlechterung darstellt. Eine Beeinträchtigung kann daher insbesondere angenommen werden, wenn Populationen von Tier- und Pflanzenarten die Lebensgrundlage entzogen wird, die Artenvielfalt abnimmt oder sich die Individuenzahl der Arten verringert. Der Eingriffstatbestand ist jedoch nicht auf diese Fälle beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf die isolierte Beeinträchtigung eines der Faktoren. Die Möglichkeit einer solchen Beeinträchtigung reicht aus. Sie ist erheblich i. S. d. § 14 Abs. 1 BNatSchG, wenn sie mehr als eine Bagatelle ist. 27Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. Februar 2017 ‑ 8 A 2206/15 -, juris Rn. 10 f. 28Bezogen auf das Landschaftsbild ist eine erhebliche Beeinträchtigung anzunehmen, wenn die Veränderung von einem gegenüber den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachter als nachteilig und störend empfunden wird. 29Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juli 2021 - 4 A 14.19 ‑, juris Rn. 93. 30Bei der Prüfung, ob ein Eingriffstatbestand vorliegt, ist das Gericht nicht an die Einschätzung der Behörde gebunden. Zwar steht der Behörde bei der Bewertung der Wirkungen eines Vorhabens ebenso wie bei der Bewertung der Kompensationswirkung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zu, sodass die im Genehmigungsbescheid vorgenommenen Quantifizierungen bei Eingriffswirkungen und Kompensationsmaßnahmen nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle zugänglich sind. 31Vgl. in Bezug auf das Planfeststellungsrecht BVerwG, Urteil vom 27. Juli 2021 - 4 A 14.19 ‑, juris Rn. 93 m. w. N. 32Dies liegt darin begründet, dass die Bestandsaufnahme und Bilanzierung des Eingriffs über die zu erwartenden Kompensationsmaßnahmen in hohem Maße auf naturschutzfachlichen Sachverstand angewiesen ist, der bei der gerichtlichen Beurteilung eines Sachverhalts im Regelfall nicht vorhanden ist. 33Vgl. Schrader, in: Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht (April 2022), § 15 BNatSchG Rn. 5; Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht (Dezember 2021), § 15 BNatSchG Rn. 40. 34Ob hinsichtlich der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts die Bagatellschwelle überschritten ist oder ob eine Veränderung i. S. d. § 14 BNatSchG von einem Durchschnittsbetrachter als nachteilig und störend empfunden wird, kann demgegenüber ohne Rückgriff auf naturschutzfachliches Spezialwissen beantwortet werden. Daher ist die Frage der Qualifizierung eines Vorhabens - also danach, ob überhaupt ein Eingriff vorliegt - gerichtlich voll überprüfbar. 35Vgl. OVG Rh.-Pf., Urteil vom 28. August 2019 ‑ 8 A 11472/18 -, juris Rn. 32 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 9. Februar 2017 ‑ 8 A 2206/15 -, juris Rn. 15 ff.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29. Juni 1995 - 5 S 1537/94 -, juris Rn. 44, in denen das Vorliegen eines Eingriffs jeweils in vollem Umfang geprüft wird; wohl auch Schrader, in: Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht (April 2022), § 15 BNatSchG Rn. 5. 36b) Anhand dieses Maßstabes erweist sich die Annahme des Beklagten, dass es sich bei der Errichtung der Photovoltaikanlage auf der Kranstellfläche der Windenergieanlage um einen Eingriff in Natur und Landschaft handelt, im vorliegenden Einzelfall als unzutreffend. 37Das streitgegenständliche Vorhaben zählt ersichtlich nicht zu den in § 30 Abs. 1 LNatSchG NRW aufgeführten, nach Landesrecht als Eingriff geltenden Vorhaben. Es verursacht auch keine zusätzlichen, über die - im Zusammenhang mit der Genehmigung der Windenergieanlage naturschutzrechtlich bestandskräftig kompensierte - Anlegung der Schotterfläche hinausgehenden erheblichen Beeinträchtigungen im Sinne des § 14 Abs. 1 BNatSchG. 38aa) Die Stellungnahme der Unteren Naturschutzbehörde des Beklagten vom 28. April 2021, die von der angefochtenen Genehmigung in Bezug genommen wird, begründet die Annahme eines Eingriffs hinsichtlich der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts damit, dass die Errichtung der Photovoltaikanlage eine „teilweise Vollversiegelung“ sowie eine Veränderung der Niederschlagsversickerung bewirke. Dem setzt die Klägerin zu Recht entgegen, dass die Photovoltaikanlage nicht flach auf dem Boden, sondern aufgeständert und auf einem wasser- und luftdurchlässigen Vlies errichtet ist. Dies dürfte zwar tatsächlich zu einer Veränderung der Niederschlagsversickerung führen. Dass diese aber „erheblich“ i. S. d. § 14 BNatSchG ist, behauptet selbst die Untere Naturschutzbehörde zumindest nicht ausdrücklich. Hierfür bestehen auch keine Anhaltspunkte. Insbesondere Regenwasser kann weiterhin - zwar von den einzelnen Modulen der Photovoltaikanlage geleitet, aber dennoch - ortsnah und dezentral auf der Schotterfläche versickern. Dies erkennt letztlich auch der Beklagte in seiner Klageerwiderung an: Im vorliegenden Zusammenhang trägt er lediglich vor, dass das verwendete Vlies in keiner Weise Gegenstand des Genehmigungsantrags und die Auflage daher zum Zeitpunkt ihres Erlasses rechtmäßig gewesen sei. Dies ist schon in tatsächlicher Hinsicht nicht nachvollziehbar, weil jedenfalls eine zusätzliche bauliche Befestigung des Untergrunds unterhalb der Photovoltaikanlage nicht Gegenstand des Genehmigungsantrags und ersichtlich von der Klägerin auch zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt war. Unabhängig von der Frage, auf welchen Zeitpunkt es vorliegend ankommt, ist dem diesbezüglichen Vortrag des Beklagten auch sonst nicht zu folgen. Denn die Klägerin hatte die Aufstellungsweise der Photovoltaikanlage im Genehmigungsverfahren mit Schreiben vom 8. März 2021 anhand eines Querschnitts und von beispielhaften Fotografien erläutert. Zwar ist sie hierbei auf die Verwendung eines Vlieses nicht ausdrücklich eingegangen. Ein Vlies ist auf den Fotografien aber zu erkennen. Auch hierauf kommt es letztlich aber nicht an, da sich die geringen Auswirkungen auf das Versickerungsverhalten maßgeblich aus der angewendeten Ständerbauweise ergeben. Schon diese sorgt dafür, dass Niederschlag von der überbauten Fläche nicht komplett ferngehalten, sondern „zwischen den Modulreihen“ durchgelassen wird. Erst hiernach trifft der Niederschlag auf das auf der Schotterfläche liegende, im Übrigen auch nicht in den Boden eingebrachte Vlies, welches das Abflussverhalten aber nach den plausiblen und vom Beklagten auch nach einer Inaugenscheinnahme nicht substantiiert in Frage gestellten Angaben der Klägerin nicht weiter erheblich negativ beeinflusst. 39bb) Dass eine erhebliche Beeinträchtigung i. S. d. § 14 Abs. 1 BNatSchG vorliegt, ergibt sich auch nicht aus dem ergänzenden Vorbringen des Beklagten in der Klageerwiderung, dass die Belegung der Schotterfläche mit der Photovoltaikanlage mit einer Veränderung der Oberflächenstruktur einhergehe, durch die diese als Lebensraum beispielsweise für Pionierarten, Kleininsekten und einige Vogelarten zumindest teilweise verloren gehe. Hierbei handelt es sich um in tatsächlicher Hinsicht nicht hinreichend belegte Behauptungen und Vermutungen, die keinen konkreten Bezug zu der hier in Rede stehenden Fläche erkennen lassen. Zwar mag es zutreffen, dass Kranstellflächen der vorliegenden Art als - grundsätzlich schützenswerte, 40vgl. Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht (Dezember 2021), § 14 BNatSchG Rn. 8; Schrader, in: Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht (April 2022), § 14 BNatSchG Rn. 12, - 41Ruderalflächen für Pionierarten und Kleininsekten dienen können und dass beispielsweise auch Rebhühner von der auf solchen Flächen möglicherweise anzutreffenden Diversität der Pflanzenstruktur profitieren. Solche Flächen können als durch menschliche Tätigkeit (um-)gestaltete Landschaftsbestandteile, in denen sich infolge Zeitablaufs und natürlichen Besatzes ein schützenswerter Lebensraum für Tiere und Pflanzen gebildet hat (sog. Sekundär-Biotope), auch der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung unterliegen. 42Vgl. OVG Rh.-Pf., Urteil vom 28. August 2019 ‑ 8 A 11472/18 -, juris Rn. 40; OVG NRW, Beschluss vom 17. Februar 1994 - 10 B 350/94 -, NVwZ 1995, 308 (309). 43Dass ein derart schützenswerter Lebensraum hier in der kurzen Zeit zwischen der Errichtung der Windenergieanlage und der Photovoltaikanlage - schon - entstanden wäre, ist aber weder von der insoweit orts- und fachkundigen Unteren Naturschutzbehörde substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die vorliegenden Fotos zeigen eine gänzlich von Bewuchs freie Schotterfläche. Soweit es der Beklagte ferner „nicht ausschließt“, dass einige Vogelarten von der Lockwirkung der Schotterfläche angezogen werden, ist zumindest keine erhebliche Beeinträchtigung erkennbar. Insbesondere seine Behauptung, Grauammern und andere Vögel mit Muskelmägen fänden im Umfeld der Windenergieanlage keine Steine mehr, um diese zur Verbesserung ihrer Verdauungsleistung zu schlucken, ist fernliegend, da in diesem Bereich ersichtlich kein Mangel an Steinen herrscht. 44cc) Eine erhebliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes liegt ebenfalls nicht vor. Die gegenteilige Annahme begründet die Untere Naturschutzbehörde des Beklagten in ihrer von der angegriffenen Genehmigung in Bezug genommenen Stellungnahme nicht weitergehend. In der Klageerwiderung trägt der Beklagte sogar selbst vor, die Beeinträchtigungen seien „aufgrund der geringen Höhe der Anlage offensichtlich gering“, was ohne weiteres gegen die Annahme einer mehr als bagatellmäßigen Beeinträchtigung spricht. Hiervon unabhängig folgt aus seinem - von ihm selbst offensichtlich schon für nicht entscheidungserheblich eingestuften - Vortrag, die Photovoltaikanlage sei, sofern kein Bewuchs auf den Feldern stehe, von dem auf südlicher Seite befindlichen Wirtschaftsweg aus zu sehen, für sich genommen noch keine erhebliche Beeinträchtigung. Die Sichtbarkeit einer Anlage allein führt noch nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Landschaftsbildes. Nach den vorstehend ausgeführten Maßstäben muss ein Störempfinden des Durchschnittsbetrachters hinzutreten, für dessen Vorliegen hier in Anbetracht der vorliegenden, aussagekräftigen Lichtbilder nichts ersichtlich ist. 45II. Der Erfolg des nach § 113 Abs. 4 VwGO zulässigen Erstattungsantrages der Klägerin beruht auf dem ihr gegenüber dem Beklagten infolge der Aufhebung der angefochtenen Auflage zustehenden öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch. 46III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. 47Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Sätze 1 und 2, 709 Satz 2 ZPO. Bei der Verknüpfung von Anfechtungsklage und Leistungsklage nach § 113 Abs. 4 VwGO darf das Urteil zur Vermeidung einer Umgehung des § 167 Abs. 2 VwGO auch hinsichtlich des Leistungsausspruchs nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden. 48Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. November 2021 ‑ 9 A 118/16 -, juris Rn. 287 m. w. N. 49Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
die im bescheid des beklagten vom 29. april 2021 enthaltene auflage nr. 1 zum landschafts- und artenschutz wird aufgehoben. der beklagte wird verurteilt, der klägerin das bereits gezahlte ersatzgeld in höhe von 1.180 euro zu erstatten der beklagte trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der beklagte darf die vollstreckung gegen sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht die klägerin vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. die revision wird nicht zugelassen. 1
2die beteiligten streiten über die rechtmäßigkeit einer landschafts- und artenschutzrechtlichen auflage in einer der klägerin von dem beklagten erteilten genehmigung zur wesentlichen änderung des betriebs einer windenergieanlage. 3die klägerin betreibt auf dem grundstück gemarkung i. , flur x, flurstück y/z in o. -i. auf grundlage der immissionsschutzrechtlichen genehmigung des beklagten vom 11. juli 2013 eine windenergieanlage des typs enercon e-101. im zuge der errichtung der anlage wurde auch ein 60 bis 80 zentimeter tief geschotterter und befestigter platz als kranstellfläche angelegt, auf den die naturschutzrechtliche eingriffsregelung angewandt wurde. mit am 7. dezember 2020 bei dem beklagten eingegangenem schreiben beantragte die klägerin die erteilung einer genehmigung nach § 16 bimschg für die wesentliche änderung dieser anlage durch die errichtung einer photovoltaikanlage mit einer länge von 33,92 metern und einer breite von 17,37 metern auf der kranstellfläche. mit schreiben vom 8. märz 2021 reichte die klägerin zur erläuterung der aufstellsituation der photovoltaikanlage eine schnittzeichnung sowie exemplarische fotos ein und führte hierzu aus, dass die module eine gesamthöhe von 50 zentimetern über grund nicht überschreiten würden. 4mit bescheid vom 29. april 2021 genehmigte der beklagte die beantragte maßnahme. der bescheid enthält unter dem punkt „landschafts- und artenschutz“ folgende auflage: 5„der ausgleich für den eingriff in natur und landschaft in höhe von 295 wertpunkten ist entweder 6a. durch abbuchung 14 tage vor baubeginn durch ein ökokonto auszugleichen, oder 7b. durch die zahlung eines ersatzgeldes in höhe von 1.180,00 € 14 tage vor baubeginn […] auszugleichen.“ 8in der begründung des bescheides wird sinngemäß ausgeführt, die aufnahme der vorstehenden nebenbestimmung trage der stellungnahme der unteren naturschutzbehörde des beklagten vom 28. april 2021 rechnung. in dieser heißt es, mit der aufstellung der photovoltaikanlage gehe eine veränderung der oberfläche durch eine teilweise vollversiegelung sowie eine veränderung der niederschlagsversickerung einher. gleichzeitig wirke sich die aufstellung der anlage auf das landschaftsbild aus. die kranstellfläche sei bislang als teilversiegelte fläche mit einem wertpunkt gemäß dem numerischen verfahren nrw (2008) bewertet worden. die veränderung der oberfläche werde durch einen malus von 0,5 wertpunkten berücksichtigt. somit bestehe auf der aufstellfläche ein defizit von gerundet 295 wertpunkten (33,92 m x 17,37 m x 0,5 wp/m²). artenschutzrechtliche konflikte seien bei der aufstellung der anlage nicht zu besorgen. 9mit schreiben vom 1. mai 2021 teilte die klägerin dem beklagten mit, dass sie das in der genannten auflage festgesetzte ersatzgeld „unter vorbehalt der rechtmäßigkeit“ zahle. 10am 27. mai 2021 hat die klägerin klage erhoben. zur begründung führt sie aus, die vorgenannte auflage entbehre jeglicher grundlage. die kranstellfläche sei ein zwischen 60 und 80 zentimeter tief geschotterter und befestigter platz, der mit der hauptgenehmigung der windenergieanlage genehmigt und artenschutz- sowie landschaftsschutztechnisch bereits ökologisch ausgeglichen worden sei. mit der errichtung der photovoltaikanlage sei weder neue fläche versiegelt noch neuer boden in irgendeiner weise berührt worden. die module lägen nicht flach auf dem boden, sondern seien leicht aufgeständert und auf einem wasser- und luftdurchlässigen vlies verlegt. die kabel seien in der geschotterten fläche verlegt worden. niederschlagswasser könne weiter über die module ungehindert auf den platz fließen. ein neuer eingriff in die natur finde nicht statt. die anlage habe eine gesamthöhe von 35 zentimetern über grund und sei schon im abstand von wenigen metern kaum noch von der restlichen kranstellfläche zu unterscheiden. hierin liege kein eingriff in die landschaft. diese wertung teile wohl auch der nordrhein-westfälische gesetzgeber, da nach § 62 abs. 1 satz 1 nr. 3 buchst. e) bauo nrw 2018 photovoltaikanlagen auf kranstellflächen von windenergieanlagen zwischenzeitlich verfahrensfrei geworden seien. 11die klägerin beantragt sinngemäß, 121. die im bescheid des beklagten vom 29. april 2021 enthaltene auflage nr. 1 zum landschafts- und artenschutz aufzuheben, und 132. den beklagten zu verurteilen, ihr das bereits gezahlte ersatzgeld in höhe von 1.180 euro zu erstatten. 14der beklagte beantragt, 15die klage abzuweisen. 16er führt aus, die angefochtene nebenbestimmung finde ihre grundlage in § 15 abs. 6 bnatschg. die festsetzung eines ersatzgeldes sei vorliegend notwendig. zwar seien die beeinträchtigungen auf das landschaftsbild aufgrund der geringen höhe der anlage offensichtlich gering, allerdings sei die erhöhte lage des standorts der photovoltaikanlage zu beachten. diese befinde sich neben der windenergieanlage auf einer plateauähnlichen struktur, welche in drei richtungen leicht abfalle. insbesondere von dem auf südlicher seite befindlichen wirtschaftsweg in richtung der ortschaft c. , welcher sich auf einer ähnlichen höhe befinde, sei die anlage - sofern kein bewuchs auf den feldern stehe - leicht zu sehen. im ergebnis sei hier eine geringe beeinträchtigung anzunehmen, allerdings sei dies auch nicht die alleinige grundlage für die festsetzung des ersatzgeldes gewesen. vielmehr gehe mit der aufstellung der photovoltaikanlage in jedem falle eine veränderung der oberfläche und dessen struktur einher. die vorhandene und bereits im verfahren zu errichtung der windenergieanlage ausgeglichene kranstellfläche diene in diesem falle noch als ruderalfläche für pionierarten und kleininsekten (schrecken und laufkäfer). durch die belegung mit der photovoltaikanlage gehe dieser lebensraum verloren und das kleinklima verändere sich. darüber hinaus sei auch nicht auszuschließen, dass einige vogelarten von der lockwirkung der schotterfläche angezogen würden. einige vögel (z. b. grauammern) besäßen einen muskelmagen und schluckten daher kleine steine, sodass die im magen befindliche nahrung besser verkleinert werden könne. durch die belegung eines großteils der kranstellfläche durch die photovoltaikanlage gehe diese oberflächenfunktion zumindest teilweise verloren. in weiteren studien werde gezeigt, dass auch andere vogelarten von der diversität der pflanzenstruktur auf ruderalflächen profitieren könnten (z. b. rebhühner). darüber hinaus sei das in der klageschrift angeführte wasser- und luftdurchlässige vlies in keiner weise gegenstand des antrags und der dazugehörigen unterlagen gewesen. er habe erstmals am 28. mai 2021 von dem einsatz einer solchen struktur kenntnis erlangt, als die anlage nach errichtung in augenschein genommen worden sei. zum zeitpunkt der genehmigungserteilung hätten keine anhaltspunkte für den einsatz eines solchen untergrunds bestanden, sodass davon auszugehen gewesen sei, dass sich das kleinklima im bereich der photovoltaikanlage verändern könne. auch die berechnung des ersatzgeldes und dessen höhe seien nicht zu beanstanden. bisher sei die kranstellfläche als teilversiegelte fläche mit einem wertpunkt gemäß dem numerischen verfahren nrw (2008) bewertet worden. es sei in diesem falle nicht davon auszugehen, dass die errichtung der photovoltaikanlage mit einer vollversiegelung gleichzusetzen sei. herangezogen worden sei daher ein malus von 0,5 wertpunkten für die veränderung der oberflächenstruktur. bei der bemessung der höhe des ersatzgeldes sei auch berücksichtigt worden, dass aufgrund der potentiellen vollständigen naturschutzfachlichen entwertung des betroffenen teils der kranstellfläche gegebenenfalls sogar eine bewertung, die sich näher an einer vollversiegelung orientiere, denkbar gewesen wäre. allerdings sei hier sowohl aufgrund der weiterhin möglichen niederschlagswasserversickerung als auch der geringen beeinträchtigungen des landschaftsbildes eine abwägung zu gunsten der klägerin erfolgt. 17die klägerin hat mit schriftsatz vom 14. april 2022, der beklagte mit schriftsatz vom 25. april 2022 jeweils ihr einverständnis mit einer entscheidung ohne mündliche verhandlung durch den berichterstatter erklärt. 18hinsichtlich des weiteren sach- und streitstands wird auf die gerichtsakte und den beigezogenen verwaltungsvorgang des beklagten verwiesen. 19
20die klage, über die der berichterstatter mit einverständnis der beteiligten ohne mündliche verhandlung entscheiden kann (§§ 87a abs. 2 und 3, 101 abs. 2 vwgo), hat erfolg. die auflage nr. 1 zum landschafts- und artenschutz im bescheid des beklagten vom 29. april 2021 ist rechtswidrig und verletzt die klägerin in ihren rechten (§ 113 abs. 1 satz 1 vwgo - dazu i.). hieraus folgt ein erstattungsanspruch der klägerin gegen den beklagten (dazu ii.). 21i. die der klägerin auferlegte pflicht, entweder ein ökokonto zu belasten oder ein ersatzgeld zu zahlen, findet im gesetz keine stütze. 221. bedenken bestehen bereits hinsichtlich der der klägerin in der auflage eröffneten wahlmöglichkeit zwischen der belastung eines ökokontos und der leistung eines ersatzgeldes. letzteres ist nach § 15 abs. 6 satz 1 bnatschg dann vorgesehen, wenn ein eingriff nach § 15 abs. 5 bnatschg zugelassen oder durchgeführt wird, obwohl die beeinträchtigungen nicht zu vermeiden oder nicht in angemessener frist auszugleichen oder zu ersetzen sind. das ökokonto wiederum ist ein institut, um vorgezogene ausgleichs- und ersatzmaßnahmen i. s. d. § 16 abs. 1 bnatschg (kompensationsmaßnahmen) nach durchführung der maßnahmen zu dokumentieren und durch einbuchung oder abbuchung zu verwalten (vgl. § 16 abs. 2 satz 1 bnatschg, § 1 satz 1 der verordnung über die führung eines ökokontos nach § 32 des landesnaturschutzgesetzes - ökokonto vo - vom 18. april 2018, gv. nrw. s. 379; geändert durch gesetz vom 15. november 2016, gv. nrw. s. 934). die inanspruchnahme eines ökokontos führt folglich dazu, dass ein eingriff in natur und landschaft als ausgeglichen oder ersetzt gilt (vgl. § 6 abs. 3 ökokonto vo). gibt der beklagte hier also durch die der klägerin alternativ auferlegte pflicht zur inanspruchnahme eines ökokontos zu erkennen, dass er den von ihm angenommenen eingriff in natur und landschaft für kompensierbar hält, ist für die festsetzung eines ersatzgeldes kein raum mehr. jedenfalls aber kann er es nicht der entscheidung der klägerin überlassen, ob eine realkompensation erfolgt oder nicht; die ersatzgeldzahlung ist der kompensation gegenüber nachrangig. 23vgl. gellermann, in: landmann/rohmer, umweltrecht (dez. 2021), § 15 bnatschg rn. 49 m. w. n. 242. hierauf kommt es im ergebnis jedoch nicht an, da der von dem beklagten angenommene eingriff in natur und landschaft i. s. d. § 14 abs. 1 bnatschg, der voraussetzung sowohl für die forderung von ausgleichs- und ersatzmaßnahmen als auch für die leistung von ersatzgeld ist (§ 15 abs. 2 und 6 bnatschg), hier nicht vorliegt. das folgt allerdings nicht bereits aus § 62 abs. 1 satz 1 nr. 3 buchst. e) bauo nrw 2018 in der fassung des gesetzes vom 30. juni 2021 (gv. nrw. s. 822). die norm stellt photovoltaikanlagen auf kranstellflächen von windenergieanlagen verfahrensfrei. eine regelung zu anderen öffentlich-rechtlichen genehmigungserfordernissen, insbesondere solchen des umweltrechts, enthält sie nicht (vgl. lt-drs. 17/14088, s. 8). ob ein eingriff vorliegt, bestimmt sich daher nach der maßgeblichen regelung des bundesnaturschutzgesetzes. 25a) eingriffe in natur und landschaft im sinne des bundesnaturschutzgesetzes sind veränderungen der gestalt oder nutzung von grundflächen oder veränderungen des mit der belebten bodenschicht in verbindung stehenden grundwasserspiegels, die die leistungs- und funktionsfähigkeit des naturhaushalts oder das landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können (§ 14 abs. 1 bnatschg). 26solche veränderungen beeinträchtigen i. s. d. § 14 abs. 1 bnatschg das - aus den faktoren boden, wasser, luft, tier- und pflanzenwelt einschließlich ihrer vielfältigen wechselwirkungen gebildete - ökologische wirkungsgefüge einer grundfläche, wenn einzelne dieser faktoren oder ihr ökologisches zusammenwirken in einer weise gestört werden, die sich nach ökologischen maßstäben als verschlechterung darstellt. eine beeinträchtigung kann daher insbesondere angenommen werden, wenn populationen von tier- und pflanzenarten die lebensgrundlage entzogen wird, die artenvielfalt abnimmt oder sich die individuenzahl der arten verringert. der eingriffstatbestand ist jedoch nicht auf diese fälle beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf die isolierte beeinträchtigung eines der faktoren. die möglichkeit einer solchen beeinträchtigung reicht aus. sie ist erheblich i. s. d. § 14 abs. 1 bnatschg, wenn sie mehr als eine bagatelle ist. 27vgl. ovg nrw, beschluss vom 9. februar 2017 ‑ 8 a 2206/15 -, juris rn. 10 f. 28bezogen auf das landschaftsbild ist eine erhebliche beeinträchtigung anzunehmen, wenn die veränderung von einem gegenüber den belangen des naturschutzes und der landschaftspflege aufgeschlossenen durchschnittsbetrachter als nachteilig und störend empfunden wird. 29vgl. bverwg, urteil vom 27. juli 2021 - 4 a 14.19 ‑, juris rn. 93. 30bei der prüfung, ob ein eingriffstatbestand vorliegt, ist das gericht nicht an die einschätzung der behörde gebunden. zwar steht der behörde bei der bewertung der wirkungen eines vorhabens ebenso wie bei der bewertung der kompensationswirkung von ausgleichs- und ersatzmaßnahmen eine naturschutzfachliche einschätzungsprärogative zu, sodass die im genehmigungsbescheid vorgenommenen quantifizierungen bei eingriffswirkungen und kompensationsmaßnahmen nur einer eingeschränkten gerichtlichen kontrolle zugänglich sind. 31vgl. in bezug auf das planfeststellungsrecht bverwg, urteil vom 27. juli 2021 - 4 a 14.19 ‑, juris rn. 93 m. w. n. 32dies liegt darin begründet, dass die bestandsaufnahme und bilanzierung des eingriffs über die zu erwartenden kompensationsmaßnahmen in hohem maße auf naturschutzfachlichen sachverstand angewiesen ist, der bei der gerichtlichen beurteilung eines sachverhalts im regelfall nicht vorhanden ist. 33vgl. schrader, in: giesberts/reinhardt, beckok umweltrecht (april 2022), § 15 bnatschg rn. 5; gellermann, in: landmann/rohmer, umweltrecht (dezember 2021), § 15 bnatschg rn. 40. 34ob hinsichtlich der leistungs- und funktionsfähigkeit des naturhaushalts die bagatellschwelle überschritten ist oder ob eine veränderung i. s. d. § 14 bnatschg von einem durchschnittsbetrachter als nachteilig und störend empfunden wird, kann demgegenüber ohne rückgriff auf naturschutzfachliches spezialwissen beantwortet werden. daher ist die frage der qualifizierung eines vorhabens - also danach, ob überhaupt ein eingriff vorliegt - gerichtlich voll überprüfbar. 35vgl. ovg rh.-pf., urteil vom 28. august 2019 ‑ 8 a 11472/18 -, juris rn. 32 ff.; ovg nrw, beschluss vom 9. februar 2017 ‑ 8 a 2206/15 -, juris rn. 15 ff.; vgh bad.-württ., urteil vom 29. juni 1995 - 5 s 1537/94 -, juris rn. 44, in denen das vorliegen eines eingriffs jeweils in vollem umfang geprüft wird; wohl auch schrader, in: giesberts/reinhardt, beckok umweltrecht (april 2022), § 15 bnatschg rn. 5. 36b) anhand dieses maßstabes erweist sich die annahme des beklagten, dass es sich bei der errichtung der photovoltaikanlage auf der kranstellfläche der windenergieanlage um einen eingriff in natur und landschaft handelt, im vorliegenden einzelfall als unzutreffend. 37das streitgegenständliche vorhaben zählt ersichtlich nicht zu den in § 30 abs. 1 lnatschg nrw aufgeführten, nach landesrecht als eingriff geltenden vorhaben. es verursacht auch keine zusätzlichen, über die - im zusammenhang mit der genehmigung der windenergieanlage naturschutzrechtlich bestandskräftig kompensierte - anlegung der schotterfläche hinausgehenden erheblichen beeinträchtigungen im sinne des § 14 abs. 1 bnatschg. 38aa) die stellungnahme der unteren naturschutzbehörde des beklagten vom 28. april 2021, die von der angefochtenen genehmigung in bezug genommen wird, begründet die annahme eines eingriffs hinsichtlich der leistungs- und funktionsfähigkeit des naturhaushalts damit, dass die errichtung der photovoltaikanlage eine „teilweise vollversiegelung“ sowie eine veränderung der niederschlagsversickerung bewirke. dem setzt die klägerin zu recht entgegen, dass die photovoltaikanlage nicht flach auf dem boden, sondern aufgeständert und auf einem wasser- und luftdurchlässigen vlies errichtet ist. dies dürfte zwar tatsächlich zu einer veränderung der niederschlagsversickerung führen. dass diese aber „erheblich“ i. s. d. § 14 bnatschg ist, behauptet selbst die untere naturschutzbehörde zumindest nicht ausdrücklich. hierfür bestehen auch keine anhaltspunkte. insbesondere regenwasser kann weiterhin - zwar von den einzelnen modulen der photovoltaikanlage geleitet, aber dennoch - ortsnah und dezentral auf der schotterfläche versickern. dies erkennt letztlich auch der beklagte in seiner klageerwiderung an: im vorliegenden zusammenhang trägt er lediglich vor, dass das verwendete vlies in keiner weise gegenstand des genehmigungsantrags und die auflage daher zum zeitpunkt ihres erlasses rechtmäßig gewesen sei. dies ist schon in tatsächlicher hinsicht nicht nachvollziehbar, weil jedenfalls eine zusätzliche bauliche befestigung des untergrunds unterhalb der photovoltaikanlage nicht gegenstand des genehmigungsantrags und ersichtlich von der klägerin auch zu keinem zeitpunkt beabsichtigt war. unabhängig von der frage, auf welchen zeitpunkt es vorliegend ankommt, ist dem diesbezüglichen vortrag des beklagten auch sonst nicht zu folgen. denn die klägerin hatte die aufstellungsweise der photovoltaikanlage im genehmigungsverfahren mit schreiben vom 8. märz 2021 anhand eines querschnitts und von beispielhaften fotografien erläutert. zwar ist sie hierbei auf die verwendung eines vlieses nicht ausdrücklich eingegangen. ein vlies ist auf den fotografien aber zu erkennen. auch hierauf kommt es letztlich aber nicht an, da sich die geringen auswirkungen auf das versickerungsverhalten maßgeblich aus der angewendeten ständerbauweise ergeben. schon diese sorgt dafür, dass niederschlag von der überbauten fläche nicht komplett ferngehalten, sondern „zwischen den modulreihen“ durchgelassen wird. erst hiernach trifft der niederschlag auf das auf der schotterfläche liegende, im übrigen auch nicht in den boden eingebrachte vlies, welches das abflussverhalten aber nach den plausiblen und vom beklagten auch nach einer inaugenscheinnahme nicht substantiiert in frage gestellten angaben der klägerin nicht weiter erheblich negativ beeinflusst. 39bb) dass eine erhebliche beeinträchtigung i. s. d. § 14 abs. 1 bnatschg vorliegt, ergibt sich auch nicht aus dem ergänzenden vorbringen des beklagten in der klageerwiderung, dass die belegung der schotterfläche mit der photovoltaikanlage mit einer veränderung der oberflächenstruktur einhergehe, durch die diese als lebensraum beispielsweise für pionierarten, kleininsekten und einige vogelarten zumindest teilweise verloren gehe. hierbei handelt es sich um in tatsächlicher hinsicht nicht hinreichend belegte behauptungen und vermutungen, die keinen konkreten bezug zu der hier in rede stehenden fläche erkennen lassen. zwar mag es zutreffen, dass kranstellflächen der vorliegenden art als - grundsätzlich schützenswerte, 40vgl. gellermann, in: landmann/rohmer, umweltrecht (dezember 2021), § 14 bnatschg rn. 8; schrader, in: giesberts/reinhardt, beckok umweltrecht (april 2022), § 14 bnatschg rn. 12, - 41ruderalflächen für pionierarten und kleininsekten dienen können und dass beispielsweise auch rebhühner von der auf solchen flächen möglicherweise anzutreffenden diversität der pflanzenstruktur profitieren. solche flächen können als durch menschliche tätigkeit (um-)gestaltete landschaftsbestandteile, in denen sich infolge zeitablaufs und natürlichen besatzes ein schützenswerter lebensraum für tiere und pflanzen gebildet hat (sog. sekundär-biotope), auch der naturschutzrechtlichen eingriffsregelung unterliegen. 42vgl. ovg rh.-pf., urteil vom 28. august 2019 ‑ 8 a 11472/18 -, juris rn. 40; ovg nrw, beschluss vom 17. februar 1994 - 10 b 350/94 -, nvwz 1995, 308 (309). 43dass ein derart schützenswerter lebensraum hier in der kurzen zeit zwischen der errichtung der windenergieanlage und der photovoltaikanlage - schon - entstanden wäre, ist aber weder von der insoweit orts- und fachkundigen unteren naturschutzbehörde substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. die vorliegenden fotos zeigen eine gänzlich von bewuchs freie schotterfläche. soweit es der beklagte ferner „nicht ausschließt“, dass einige vogelarten von der lockwirkung der schotterfläche angezogen werden, ist zumindest keine erhebliche beeinträchtigung erkennbar. insbesondere seine behauptung, grauammern und andere vögel mit muskelmägen fänden im umfeld der windenergieanlage keine steine mehr, um diese zur verbesserung ihrer verdauungsleistung zu schlucken, ist fernliegend, da in diesem bereich ersichtlich kein mangel an steinen herrscht. 44cc) eine erhebliche beeinträchtigung des landschaftsbildes liegt ebenfalls nicht vor. die gegenteilige annahme begründet die untere naturschutzbehörde des beklagten in ihrer von der angegriffenen genehmigung in bezug genommenen stellungnahme nicht weitergehend. in der klageerwiderung trägt der beklagte sogar selbst vor, die beeinträchtigungen seien „aufgrund der geringen höhe der anlage offensichtlich gering“, was ohne weiteres gegen die annahme einer mehr als bagatellmäßigen beeinträchtigung spricht. hiervon unabhängig folgt aus seinem - von ihm selbst offensichtlich schon für nicht entscheidungserheblich eingestuften - vortrag, die photovoltaikanlage sei, sofern kein bewuchs auf den feldern stehe, von dem auf südlicher seite befindlichen wirtschaftsweg aus zu sehen, für sich genommen noch keine erhebliche beeinträchtigung. die sichtbarkeit einer anlage allein führt noch nicht zu einer erheblichen beeinträchtigung des landschaftsbildes. nach den vorstehend ausgeführten maßstäben muss ein störempfinden des durchschnittsbetrachters hinzutreten, für dessen vorliegen hier in anbetracht der vorliegenden, aussagekräftigen lichtbilder nichts ersichtlich ist. 45ii. der erfolg des nach § 113 abs. 4 vwgo zulässigen erstattungsantrages der klägerin beruht auf dem ihr gegenüber dem beklagten infolge der aufhebung der angefochtenen auflage zustehenden öffentlich-rechtlichen erstattungsanspruch. 46iii. die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 1 vwgo. 47die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit folgt aus § 167 vwgo i. v. m. §§ 708 nr. 11, 711 sätze 1 und 2, 709 satz 2 zpo. bei der verknüpfung von anfechtungsklage und leistungsklage nach § 113 abs. 4 vwgo darf das urteil zur vermeidung einer umgehung des § 167 abs. 2 vwgo auch hinsichtlich des leistungsausspruchs nur wegen der kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden. 48vgl. ovg nrw, urteil vom 30. november 2021 ‑ 9 a 118/16 -, juris rn. 287 m. w. n. 49die voraussetzungen für die zulassung der revision nach § 132 abs. 2 vwgo liegen nicht vor.
346,217
{ "id": 845, "jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit", "level_of_appeal": null, "name": "Verwaltungsgericht Minden", "state": 12 }
9 K 829/20
2022-07-06T00:00:00
Urteil
Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Art und Höhe leistet. 1Tatbestand: 2Die Klägerin vermietet gewerblich von ihr errichtete Werbeanlagen für Plakatwerbung. 3Im Januar 2020 stellte sie einen Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer beleuchteten Plakatanschlagstafel an der Hauswand des Gebäudes in E. , Q.-------straße 19 (Gemarkung E. , Flur 10, Flurstück 220). Das Grundstück steht im Miteigentum der S. S1. F. GmbH (Anteil 667/1000 verbunden mit Sondereigentum an der Hochbebauung 4 des Aufteilungsplanes), der Beklagten und der T. Q1. -E. (Anteil je 166,5/1000 mit dem Sondereigentum an den Tiefgaragen-Ebenen 1 und 2). Die Vereinbarung über die Aufteilung von Teileigentum wurde in dem notariellen Vertrag vom 13. Juli 1992 getroffen. In § 1 der Anlage zur Teilungsurkunde ist zur Zweckbestimmung des Gebäudes geregelt, dass die Hochbebauung Wohnzwecken, freiberuflichen und gewerbliche Zwecken dient. Diese Zweckbestimmung ist verpflichtend für alle Eigentümer und Bewohner (Abs. 2). Eine Änderung dieses Bestimmungszwecks der Hochbebauung und der Tiefgaragenebenen 1 und 2 bedarf der Beschlussfassung der Eigentümerversammlung (Abs. 3). In der Eigentümerversammlung haben nach § 14 der benannten Anlage die Eigentümer der Tiefgaragenebenen jeweils 1 Stimme und der Eigentümer der Hochbebauung 2 Stimmen. 4Nach Anhörung der Klägerin lehnte die Beklagte deren Bauantrag mit Bescheid vom 5. März 2020 ab. 5Hiergegen richtet sich die am 31. März 2020 erhobene Klage. 6Die S. S1. F. GmbH erklärte mit Schreiben vom 21. Februar 2022 ihr Einverständnis mit dem Vorhaben der Klägerin. Die T. Q1. -E. verweigerte am 7. März 2022 ihre Zustimmung zu dem Vorhaben gegenüber der Beklagten. 7Die Klägerin trägt vor, dem Vorhaben stünden öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegen. Die Eigentumsverhältnisse an dem Vorhabengrundstück stünden einem Sachbescheidungsinteresse nicht entgegen. Die Frage, ob das Werbevorhaben zivilrechtlich wird errichtet werden können, sei eine Rechtsfrage, die sich rein zivilrechtlich entscheiden werde. Ob die Beklagte aufgrund ihrer Bruchteilseigentümerstellung zivilrechtlich die Errichtung der Werbeanlage werde nach dem WEG verhindern können, sei zu bezweifeln und im Streitfall einer Entscheidung durch die Zivilgerichtsbarkeit vorbehalten. Insoweit dürfte dieser Umstand einer Baugenehmigungserteilung nicht entgegenstehen, da Baugenehmigungen unbeschadet der Rechte Dritter erteilt würden. Es könne im Vorfeld nicht ausgeschlossen werden, dass sie einen Anspruch gegenüber den Miteigentümern habe, einen Teil des Gemeinschaftseigentums für ihre gewerbliche Nutzung in Form der Anbringung der Plakatanschlagstafel auszunutzen. Unter Umständen komme auch die Einräumung eines Sondernutzungsrechtes in Betracht. Die S. S1. F. GmbH habe ihr signalisiert, dass sie sich für berechtigt halte, ohne Rücksprache mit der Beklagten und der T. Q1. -E. ihr ein Recht einzuräumen, eine Werbeanlage am Hochbau anzubringen, wenn die Baugenehmigung vorliege. Nach der Anlage zur Teilungsurkunde fielen Veränderungen am Hochbau in die alleinige Zuständigkeit des jeweiligen Eigentümers des Hochbaus. Bei der beantragten Werbeanlage handele es sich zudem um einen gewerblichen Zweck, da Fremdwerbeanlagen, die begrifflich der BauNVO unbekannt seien, unter dem Auffangtatbestand eines sonstigen Gewerbebetriebes subsumiert würden. 8Die Klägerin beantragt, 9die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 5. März 2020 zu verpflichten, ihr die Baugenehmigung zur Anbringung einer statischen, beleuchteten Plakatanschlagstafel auf der Liegenschaft E. , Q.-------straße 19, gemäß näherer Darstellung in den Bauvorlagen, zu erteilen. 10Die Beklagte beantragt, 11die Klage abzuweisen. 12Die Beklagte trägt vor, die Klage sei unzulässig. Der Klägerin fehle das Sachbescheidungsinteresse, weil das Vorhaben aus zivilrechtlichen Gründen nicht umgesetzt werden könne. Sie würde als Teileigentümerin des Gebäudes, an dem die Werbeanlage angebracht werden solle, dem Vorhaben der Klägerin nicht zustimmen. Die Außenwand, an der die Plakattafel angebracht werden solle, dürfte zum Gemeinschaftseigentum gehören. Die Anbringung einer gewerblichen Hauptnutzung gehe über die bloße äußere Gestaltung der Fassade, über die der Miteigentümer bestimmen dürfe, hinaus. Ferner seien schwierige zivilrechtliche Wertungsspielräume hier nicht ersichtlich. 13Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt. 14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen. 15Entscheidungsgründe: 16Aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten konnte durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung anstelle der Kammer entschieden werden, §§ 87a Abs. 3, Abs. 2, 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). 17Die statthafte Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1, Var. 2 VwGO) ist unzulässig, weil es an einem Rechtsschutzbedürfnis für die begehrte Baugenehmigung fehlt. 18Das Rechtsschutzbedürfnis ist zu verneinen, wenn der bei Gericht um Rechtsschutz Nachsuchende seine Rechtsstellung mit der begehrten gerichtlichen Entscheidung in keiner Hinsicht verbessern kann und die Inanspruchnahme des Gerichts deshalb als für ihn nutzlos erscheinen muss. 19Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 9. Februar 1989 – 4 NB 1/89 –, juris Rn. 6, und vom 25. Mai 1993 – 4 NB 50/92 –, juris Rn. 10. 20In diesem Sinne nutzlos ist eine Rechtsverfolgung auch dann, wenn ihr Ziel die Erteilung einer Genehmigung ist, die sich mit Rücksicht auf die privatrechtlichen Verhältnisse nicht verwirklichen lässt. Hat der zivilrechtlich Berechtigte seine Zustimmung verweigert, so steht der Verwertung einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung ein schlechthin nicht ausräumbares Hindernis entgegen, solange nichts auf seine Bereitschaft hindeutet, den von ihm nach außen hin dokumentierten Standpunkt aufzugeben. Maßgeblich sind jeweils die Umstände des Einzelfalls. 21Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10. Februar 1988 – 4 B 11/88 –, juris Rn. 4, und vom 31. Juli 1992 – 4 B 140/92 –, juris Rn. 5; OVG NRW, Urteile vom 25. September 1996 – 11 A 3535/94 –, juris Rn. 11, und vom 3. September 2015 – 7 A 1589/13 –, juris Rn. 26. 22Insoweit gelten keine strengeren Anforderungen als in Bezug auf das im Rahmen der Begründetheit einer Klage auf Erteilung einer Baugenehmigung zu prüfende Sachbescheidungsinteresse. Hierfür ist anerkannt, dass das Sachbescheidungsinteresse mit Blick auf ein entsprechendes zivilrechtliches Hindernis nur dann fehlt, wenn das Bestehen dieses Hindernisses rechtskräftig festgestellt oder offensichtlich ist. 23Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. April 2015 – 7 A 1237/13 –, juris Rn. 36. 24Ausgehend hiervon kann die begehrte gerichtliche Entscheidung die Rechtsstellung der Klägerin in keiner Hinsicht verbessern, weil sie ihr keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann. Denn dem beantragten Vorhaben steht offensichtlich ein Hindernis zivilrechtlicher Art entgegen. Hierzu bedarf es entgegen dem Klagevorbringen auch keiner zivilgerichtlichen Klärung. 25Das klägerische Werbevorhaben steht im Widerspruch zu der in § 1 Abs. 2 der Anlage zur Teilungsurkunde vom 13. Juli 1992 normierten Zweckbestimmung des Gebäudes. Danach dient die Hochbebauung Wohnzwecken, freiberuflichen und gewerbliche Zwecken. Diese Zweckbestimmung ist verpflichtend für alle Eigentümer und Bewohner. Diese Zweckbestimmung bestimmt sich nach dem durch interessengerechte Auslegung zu ermittelnden Willen der Parteien (§§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) auf die Nutzung der Innenräume zu den aufgeführten Zwecken. Auf die Außenfassade der Hochbebauung abzielende Werbezwecke fallen aufgrund der hier maßgeblichen zivilrechtlichen Vereinbarung entgegen dem Klagevorbringen auch nicht unter den vereinbarten gewerblichen Zweck, weshalb es unerheblich ist, wie der gewerbliche Zweck nach der Baunutzungsverordnung (BauNVO) auszulegen ist. Auch die sonstigen Regelungen der Teilungsurkunde und ihrer Anlagen lassen keine andere Auslegung zu, insbesondere § 7 Abs. 1 Satz 1 der Anlage der Teilungsurkunde nicht, der dem jeweiligen Eigentümer der Hochbebauung die Befugnis einräumt, an der äußeren Gestaltung des Gebäudes Änderungen vorzunehmen. Unter die äußere Gestaltung des Gebäudes fällt nicht dessen Nutzung, vor allem nicht zu Zwecken, die nicht vertraglich vereinbart sind, was systematisch auch aus der in § 7 Abs. 1 Satz 2 aufgestellten Anforderung an den Außenanstrich sowie aus der Überschrift des § 7 „Instandhaltung des Miteigentums“ geschlossen werden kann. Danach unterfallen der Regelung Veränderungen nur insoweit, als sie der Instandhaltung bzw. Renovierung unterfallen. 26Liegt das klägerische Vorhaben außerhalb der vertraglich zulässigen Nutzungszwecke, bedarf dessen Realisierung zwingend einer Änderung des Bestimmungszwecks durch Beschlussfassung der Eigentümerversammlung, die jedoch aufgrund der Stimmrechtsverhältnisse derzeit nicht herbeigeführt werden kann (vgl. § 25 Abs. 1 Wohnungseigentumsgesetz (WEG)), da die Beklagte und die T. -E. sich eindeutig gegen das klägerische Vorhaben positioniert haben und damit ein Mehrheitsbeschluss nicht herbeigeführt werden kann. Dass die weitere Eigentümerin gegen die Beklagte und die T. Q1. -E. zivilgerichtlich eine Beschlussfassung zur Änderung der Zweckbestimmung des Gebäudes herbeiführen könnte, liegt fern, da eine Anspruchsgrundlage hierfür nicht in Betracht kommt. Auch ein sonstiger zivilrechtlicher Anspruch zur Durchsetzung des klägerischen Vorhabens ohne Änderung des Bestimmungszwecks ist nicht ersichtlich. 27Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. 28Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis beruhen auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
die klage wird abgewiesen. die klägerin trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. die klägerin darf eine vollstreckung durch sicherheitsleistung oder hinterlegung in höhe von 110 % des auf grund des urteils beizutreibenden betrags abwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in gleicher art und höhe leistet. 1
2die klägerin vermietet gewerblich von ihr errichtete werbeanlagen für plakatwerbung. 3im januar 2020 stellte sie einen antrag auf erteilung einer baugenehmigung für die errichtung einer beleuchteten plakatanschlagstafel an der hauswand des gebäudes in e. , q.-------straße 19 (gemarkung e. , flur 10, flurstück 220). das grundstück steht im miteigentum der s. s1. f. gmbh (anteil 667/1000 verbunden mit sondereigentum an der hochbebauung 4 des aufteilungsplanes), der beklagten und der t. q1. -e. (anteil je 166,5/1000 mit dem sondereigentum an den tiefgaragen-ebenen 1 und 2). die vereinbarung über die aufteilung von teileigentum wurde in dem notariellen vertrag vom 13. juli 1992 getroffen. in § 1 der anlage zur teilungsurkunde ist zur zweckbestimmung des gebäudes geregelt, dass die hochbebauung wohnzwecken, freiberuflichen und gewerbliche zwecken dient. diese zweckbestimmung ist verpflichtend für alle eigentümer und bewohner (abs. 2). eine änderung dieses bestimmungszwecks der hochbebauung und der tiefgaragenebenen 1 und 2 bedarf der beschlussfassung der eigentümerversammlung (abs. 3). in der eigentümerversammlung haben nach § 14 der benannten anlage die eigentümer der tiefgaragenebenen jeweils 1 stimme und der eigentümer der hochbebauung 2 stimmen. 4nach anhörung der klägerin lehnte die beklagte deren bauantrag mit bescheid vom 5. märz 2020 ab. 5hiergegen richtet sich die am 31. märz 2020 erhobene klage. 6die s. s1. f. gmbh erklärte mit schreiben vom 21. februar 2022 ihr einverständnis mit dem vorhaben der klägerin. die t. q1. -e. verweigerte am 7. märz 2022 ihre zustimmung zu dem vorhaben gegenüber der beklagten. 7die klägerin trägt vor, dem vorhaben stünden öffentlich-rechtliche vorschriften nicht entgegen. die eigentumsverhältnisse an dem vorhabengrundstück stünden einem sachbescheidungsinteresse nicht entgegen. die frage, ob das werbevorhaben zivilrechtlich wird errichtet werden können, sei eine rechtsfrage, die sich rein zivilrechtlich entscheiden werde. ob die beklagte aufgrund ihrer bruchteilseigentümerstellung zivilrechtlich die errichtung der werbeanlage werde nach dem weg verhindern können, sei zu bezweifeln und im streitfall einer entscheidung durch die zivilgerichtsbarkeit vorbehalten. insoweit dürfte dieser umstand einer baugenehmigungserteilung nicht entgegenstehen, da baugenehmigungen unbeschadet der rechte dritter erteilt würden. es könne im vorfeld nicht ausgeschlossen werden, dass sie einen anspruch gegenüber den miteigentümern habe, einen teil des gemeinschaftseigentums für ihre gewerbliche nutzung in form der anbringung der plakatanschlagstafel auszunutzen. unter umständen komme auch die einräumung eines sondernutzungsrechtes in betracht. die s. s1. f. gmbh habe ihr signalisiert, dass sie sich für berechtigt halte, ohne rücksprache mit der beklagten und der t. q1. -e. ihr ein recht einzuräumen, eine werbeanlage am hochbau anzubringen, wenn die baugenehmigung vorliege. nach der anlage zur teilungsurkunde fielen veränderungen am hochbau in die alleinige zuständigkeit des jeweiligen eigentümers des hochbaus. bei der beantragten werbeanlage handele es sich zudem um einen gewerblichen zweck, da fremdwerbeanlagen, die begrifflich der baunvo unbekannt seien, unter dem auffangtatbestand eines sonstigen gewerbebetriebes subsumiert würden. 8die klägerin beantragt, 9die beklagte unter aufhebung des ablehnungsbescheides vom 5. märz 2020 zu verpflichten, ihr die baugenehmigung zur anbringung einer statischen, beleuchteten plakatanschlagstafel auf der liegenschaft e. , q.-------straße 19, gemäß näherer darstellung in den bauvorlagen, zu erteilen. 10die beklagte beantragt, 11die klage abzuweisen. 12die beklagte trägt vor, die klage sei unzulässig. der klägerin fehle das sachbescheidungsinteresse, weil das vorhaben aus zivilrechtlichen gründen nicht umgesetzt werden könne. sie würde als teileigentümerin des gebäudes, an dem die werbeanlage angebracht werden solle, dem vorhaben der klägerin nicht zustimmen. die außenwand, an der die plakattafel angebracht werden solle, dürfte zum gemeinschaftseigentum gehören. die anbringung einer gewerblichen hauptnutzung gehe über die bloße äußere gestaltung der fassade, über die der miteigentümer bestimmen dürfe, hinaus. ferner seien schwierige zivilrechtliche wertungsspielräume hier nicht ersichtlich. 13die beteiligten haben sich mit einer entscheidung ohne mündliche verhandlung durch den berichterstatter einverstanden erklärt. 14wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakte und des beigezogenen verwaltungsvorgangs der beklagten bezug genommen. 15
16aufgrund des einverständnisses der beteiligten konnte durch den berichterstatter ohne mündliche verhandlung anstelle der kammer entschieden werden, §§ 87a abs. 3, abs. 2, 101 abs. 2 verwaltungsgerichtsordnung (vwgo). 17die statthafte verpflichtungsklage (§ 42 abs. 1, var. 2 vwgo) ist unzulässig, weil es an einem rechtsschutzbedürfnis für die begehrte baugenehmigung fehlt. 18das rechtsschutzbedürfnis ist zu verneinen, wenn der bei gericht um rechtsschutz nachsuchende seine rechtsstellung mit der begehrten gerichtlichen entscheidung in keiner hinsicht verbessern kann und die inanspruchnahme des gerichts deshalb als für ihn nutzlos erscheinen muss. 19vgl. bverwg, beschlüsse vom 9. februar 1989 – 4 nb 1/89 –, juris rn. 6, und vom 25. mai 1993 – 4 nb 50/92 –, juris rn. 10. 20in diesem sinne nutzlos ist eine rechtsverfolgung auch dann, wenn ihr ziel die erteilung einer genehmigung ist, die sich mit rücksicht auf die privatrechtlichen verhältnisse nicht verwirklichen lässt. hat der zivilrechtlich berechtigte seine zustimmung verweigert, so steht der verwertung einer öffentlich-rechtlichen genehmigung ein schlechthin nicht ausräumbares hindernis entgegen, solange nichts auf seine bereitschaft hindeutet, den von ihm nach außen hin dokumentierten standpunkt aufzugeben. maßgeblich sind jeweils die umstände des einzelfalls. 21vgl. bverwg, beschlüsse vom 10. februar 1988 – 4 b 11/88 –, juris rn. 4, und vom 31. juli 1992 – 4 b 140/92 –, juris rn. 5; ovg nrw, urteile vom 25. september 1996 – 11 a 3535/94 –, juris rn. 11, und vom 3. september 2015 – 7 a 1589/13 –, juris rn. 26. 22insoweit gelten keine strengeren anforderungen als in bezug auf das im rahmen der begründetheit einer klage auf erteilung einer baugenehmigung zu prüfende sachbescheidungsinteresse. hierfür ist anerkannt, dass das sachbescheidungsinteresse mit blick auf ein entsprechendes zivilrechtliches hindernis nur dann fehlt, wenn das bestehen dieses hindernisses rechtskräftig festgestellt oder offensichtlich ist. 23vgl. ovg nrw, urteil vom 23. april 2015 – 7 a 1237/13 –, juris rn. 36. 24ausgehend hiervon kann die begehrte gerichtliche entscheidung die rechtsstellung der klägerin in keiner hinsicht verbessern, weil sie ihr keinerlei rechtliche oder tatsächliche vorteile bringen kann. denn dem beantragten vorhaben steht offensichtlich ein hindernis zivilrechtlicher art entgegen. hierzu bedarf es entgegen dem klagevorbringen auch keiner zivilgerichtlichen klärung. 25das klägerische werbevorhaben steht im widerspruch zu der in § 1 abs. 2 der anlage zur teilungsurkunde vom 13. juli 1992 normierten zweckbestimmung des gebäudes. danach dient die hochbebauung wohnzwecken, freiberuflichen und gewerbliche zwecken. diese zweckbestimmung ist verpflichtend für alle eigentümer und bewohner. diese zweckbestimmung bestimmt sich nach dem durch interessengerechte auslegung zu ermittelnden willen der parteien (§§ 133, 157 bürgerliches gesetzbuch (bgb)) auf die nutzung der innenräume zu den aufgeführten zwecken. auf die außenfassade der hochbebauung abzielende werbezwecke fallen aufgrund der hier maßgeblichen zivilrechtlichen vereinbarung entgegen dem klagevorbringen auch nicht unter den vereinbarten gewerblichen zweck, weshalb es unerheblich ist, wie der gewerbliche zweck nach der baunutzungsverordnung (baunvo) auszulegen ist. auch die sonstigen regelungen der teilungsurkunde und ihrer anlagen lassen keine andere auslegung zu, insbesondere § 7 abs. 1 satz 1 der anlage der teilungsurkunde nicht, der dem jeweiligen eigentümer der hochbebauung die befugnis einräumt, an der äußeren gestaltung des gebäudes änderungen vorzunehmen. unter die äußere gestaltung des gebäudes fällt nicht dessen nutzung, vor allem nicht zu zwecken, die nicht vertraglich vereinbart sind, was systematisch auch aus der in § 7 abs. 1 satz 2 aufgestellten anforderung an den außenanstrich sowie aus der überschrift des § 7 „instandhaltung des miteigentums“ geschlossen werden kann. danach unterfallen der regelung veränderungen nur insoweit, als sie der instandhaltung bzw. renovierung unterfallen. 26liegt das klägerische vorhaben außerhalb der vertraglich zulässigen nutzungszwecke, bedarf dessen realisierung zwingend einer änderung des bestimmungszwecks durch beschlussfassung der eigentümerversammlung, die jedoch aufgrund der stimmrechtsverhältnisse derzeit nicht herbeigeführt werden kann (vgl. § 25 abs. 1 wohnungseigentumsgesetz (weg)), da die beklagte und die t. -e. sich eindeutig gegen das klägerische vorhaben positioniert haben und damit ein mehrheitsbeschluss nicht herbeigeführt werden kann. dass die weitere eigentümerin gegen die beklagte und die t. q1. -e. zivilgerichtlich eine beschlussfassung zur änderung der zweckbestimmung des gebäudes herbeiführen könnte, liegt fern, da eine anspruchsgrundlage hierfür nicht in betracht kommt. auch ein sonstiger zivilrechtlicher anspruch zur durchsetzung des klägerischen vorhabens ohne änderung des bestimmungszwecks ist nicht ersichtlich. 27die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 1 vwgo. 28die entscheidungen über die vorläufige vollstreckbarkeit und die abwendungsbefugnis beruhen auf § 167 vwgo i.v.m. §§ 708 nr. 11, 711 zivilprozessordnung (zpo).
345,992
{ "id": 647, "jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit", "level_of_appeal": "Amtsgericht", "name": "Amtsgericht Dortmund", "state": 12 }
413 C 2710/20
2022-07-06T00:00:00
Urteil
Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Die Parteien streiten um auf die Klägerin nach § 86 VVG übergegangene Schadensersatzansprüche anlässlich von Fräsarbeiten der Beklagten zur Verlegung von Elektroleitungen. 3Die Klägerin ist Haftpflichtversicherer der Firma D GmbH (im Folgenden VN) in Dortmund, welche als Hauptunternehmerin für die Bauleitung für das im Jahr 1965 erbaute Bauvorhaben Mehrfamilienhaus I in M zuständig war. Das Mehrfamilienhaus wurde vollmodernisiert. Die VN beauftragte die Beklagte mit der Durchführung der Elektroarbeiten als Subunternehmerin. Dabei informierte sie die Beklagte nicht darüber, dass im Rahmen der späteren Schadensstelle im Deckenbereich eine Putz- bzw Betonüberdeckung der Bewehrung von lediglich 1,3 cm gegeben war. Im Zuge dieser Arbeiten führten Mitarbeiter der Beklagten in dem vorbenannten Objekt im Deckenbereich Fräsarbeiten durch, die die Stabilität der Decke beeinträchtigten. Zur Stabilisierung war die vorhandene Stahlbetondecke durch Unterzüge, die in die tragenden Wände eingelegt wurden, zu verstärken. Sowohl die VN als auch die Beklagte meldeten den Schaden ihren Versicherungen. Als Versicherer des Hauptunternehmers trat die Klägerin sodann für ihre Versicherungsnehmerin in die Regulierung ein. Sie zahlte Schadensbeseitigungskosten für die vorbenannten Arbeiten in Höhe von 19.707,45 EUR sowie Regulierungskosten in Höhe von 1.127,57 EUR. Nach erfolgter Zahlung forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung in Höhe von 19.707,54 EUR auf. Die Haftpflichtversicherung der Beklagten zahlte in der Folge 14.266,00 EUR an die Klägerin und brachte dabei zunächst eine Selbstbeteiligung der Beklagten in Höhe von 1.500 sowie einen 20%igen Mithaftungsanteil der VN in Abzug. Die Beklagte zahlte in der Folge den Eigenanteil in Höhe von 1.500,00 EUR an die Klägerin. 4Die Klägerin ist der Ansicht, dass eine Mithaftung ihrer Versicherungsnehmerin für die Entstehung des Schadens nicht anzunehmen sei. Sie sei nicht zur Überwachung der Arbeiten der Beklagten verpflichtet gewesen. 5Sie beantragt, 6die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.941,54 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 10.09.2019 zu zahlen. 7Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. 8Die Beklagte behauptet, dass erst beim Ausbrechen der Schlitze bemerkt worden sei, dass Bewehrung durchtrennt worden ist. 9Sie ist der Ansicht, dass durch die VN eine Aufklärung über die konkreten Umstände vor Ort, insbesondere der geringen Überdeckung der Bewehrung im Deckenbereich, hätte erfolgen müssen. 10Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 13.01.2022 sowie das Ergänzungsgutachten vom 25.04.2022 verwiesen. Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie den weiteren Akteninhalt verwiesen. 11Das Gericht hat mit Zustimmung beider Parteien eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren unter Nachlass einer Schriftsatzfrist bis 22.06.2022 angeordnet. 12Entscheidungsgründe: 13A. 14Die zulässige Klage ist unbegründet. 15Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen auf sie gemäß § 86 I 1 VVG übergegangenen Anspruch auf Zahlung von 3.941,54 EUR zuzüglich der begehrten Zinsen. 16Der Schadensersatzanspruch der VN gemäß §§ 280 I, 631 I BGB gegenüber der Beklagten ist durch Erfüllung erloschen, § 362 I BGB. Ein über die insgesamt durch die mit Wirkung für die Beklagte erfolgte Zahlung hinausgehender Anspruch auf Schadensersatz bestand für die VN nicht und konnte daher auch nicht auf die Klägerin übergehen. 17Die Beklagte hat schuldhaft einen Schaden verursacht. Durch die Schlitzarbeiten im Deckenbereich des streitgegenständlichen Bauvorhabens ist Bewehrung in einem Ausmaße beschädigt worden, welches Stabilisierungsarbeiten in einem Kostenvolumen von 19.707.54 EUR erforderlich machte. Indes hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden der VN von mindestens 20 % mitgewirkt, § 254 I BGB. Insoweit kann es dahinstehen, ob seitens der VN eine Bauüberwachungspflicht der Schlitzarbeiten bestand. Jedenfalls hat die VN gegen die ihr gegenüber der Beklagten obliegende Informationspflicht hinsichtlich der genauen Begebenheiten vor Ort sowie gegen die ihr als Generalunternehmerin obliegende Koordinationspflicht verstoßen. 18I. 19Es hätte der VN oblegen, sich mit den Örtlichkeiten dergestalt vertraut zu machen, dass die Putzüberdeckung des Betons bekannt gewesen und an die Beklagte weitergegeben worden wäre. Der VN mussten Baujahr und Zustand des Objektes bekannt sein. Gemäß der überzeugenden und nachvollziehbaren – im Übrigen von keiner Seite angegriffenen - Angaben der Sachverständigen bestand bereits aufgrund des Baustandards zum Zeitpunkt des Baujahres Anlass zur Ermittlung der tatsächlichen Putzüberdeckung der Betondecke, da Schlitzarbeiten in den Beton im Deckenbereich ohne Vorgabe des Statikers unzulässig sind. Insoweit steht zudem zu beachten, dass der VN die Ermittlung der Putzüberdeckung durch Probebohrungen problemlos zumindest dergestalt möglich gewesen wäre, festzustellen, dass diese kritisch gering ist. Es ist jedoch klägerseits trotz des Alters der Immobilie keinerlei relevante Informationsweitergabe an die Beklagte ausgeführt worden. 20II. 21Darüber hinaus hat die VN auch gegen die ihr als Generalunternehmerin obliegende Koordinierungspflicht verstoßen. Sie hat gemäß der Ausführungen der Sachverständigen die Art der Ausführung der jeweiligen Gewerke gemäß den örtlichen Gegebenheiten im Zusammenspiel der Gewerke festzulegen. Dem ist die VN nicht nachgekommen. Weder hat sie gegenüber ihrem Auftraggeber Bedenken gegenüber der Ausführung der Verlegung der Leitungen unter Putz angemeldet, noch hat sie die Durchführung im Deckenbereich auf Putz der Beklagten vorgegeben. 22III. 23Das Gericht bewertet den Mitverschuldensanteil gemäß § 254 I BGB auf mindestens 20 %. Die Koordinierungsarbeiten samt der damit einhergehenden Informationspflichten der Subunternehmer stellt für den Generalunternehmer nicht nur eine untergeordnete Nebenpflicht dar. Dies muss insbesondere für den Fall sicherheitsrelevanter Vorgaben – wie vorliegend – gelten. Dem Generalunternehmen sind gerade die genauen Örtlichkeiten bekannt und er hat Zugriff auf sämtliche planungsrelevanten Unterlagen wie beispielsweise die Statik. Die Subunternehmen sind aus diesem Grunde entweder auf Vorlage der entsprechenden Unterlagen oder auf genaue Vorgaben und Informationen angewiesen. 24Dabei wird nicht übersehen, dass im Rahmen der Schlitzarbeiten ggfls hätte auffallen müssen/können, dass Bewehrung durchtrennt wurde. Dies führt zu einer ganz wesentlichen Haftung der Beklagten. Aus den vorbenannten Gründen aber haftet die Beklagte nicht vollumfänglich. 25B. 26Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I, 708 Nr.11, 711 ZPO. 27Der Streitwert wird auf 3.941,54 EUR festgesetzt. 28Rechtsbehelfsbelehrung: 29A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist, 301. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder 312. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist. 32Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils bei dem Landgericht Dortmund, Kaiserstr. 34, 44135 Dortmund, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten. 33Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils gegenüber dem Landgericht Dortmund zu begründen. 34Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Dortmund durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein. 35Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden. 36B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Dortmund statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Dortmund, Gerichtsstraße 22, 44135 Dortmund, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. 37Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 38Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr: 39Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Auf die Pflicht zur elektronischen Einreichung durch professionelle Einreicher/innen ab dem 01.01.2022 durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013, das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5. Juli 2017 und das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 05.10.2021 wird hingewiesen.
die klage wird abgewiesen. die kosten des rechtsstreits hat die klägerin zu tragen. das urteil ist vorläufig vollstreckbar. der klägerin wird nachgelassen, die vollstreckung durch die beklagte gegen sicherheitsleistung in höhe von 120 % des auf grund des urteils vollstreckbaren betrages abzuwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1
2die parteien streiten um auf die klägerin nach § 86 vvg übergegangene schadensersatzansprüche anlässlich von fräsarbeiten der beklagten zur verlegung von elektroleitungen. 3die klägerin ist haftpflichtversicherer der firma d gmbh (im folgenden vn) in dortmund, welche als hauptunternehmerin für die bauleitung für das im jahr 1965 erbaute bauvorhaben mehrfamilienhaus i in m zuständig war. das mehrfamilienhaus wurde vollmodernisiert. die vn beauftragte die beklagte mit der durchführung der elektroarbeiten als subunternehmerin. dabei informierte sie die beklagte nicht darüber, dass im rahmen der späteren schadensstelle im deckenbereich eine putz- bzw betonüberdeckung der bewehrung von lediglich 1,3 cm gegeben war. im zuge dieser arbeiten führten mitarbeiter der beklagten in dem vorbenannten objekt im deckenbereich fräsarbeiten durch, die die stabilität der decke beeinträchtigten. zur stabilisierung war die vorhandene stahlbetondecke durch unterzüge, die in die tragenden wände eingelegt wurden, zu verstärken. sowohl die vn als auch die beklagte meldeten den schaden ihren versicherungen. als versicherer des hauptunternehmers trat die klägerin sodann für ihre versicherungsnehmerin in die regulierung ein. sie zahlte schadensbeseitigungskosten für die vorbenannten arbeiten in höhe von 19.707,45 eur sowie regulierungskosten in höhe von 1.127,57 eur. nach erfolgter zahlung forderte die klägerin die beklagte zur zahlung in höhe von 19.707,54 eur auf. die haftpflichtversicherung der beklagten zahlte in der folge 14.266,00 eur an die klägerin und brachte dabei zunächst eine selbstbeteiligung der beklagten in höhe von 1.500 sowie einen 20%igen mithaftungsanteil der vn in abzug. die beklagte zahlte in der folge den eigenanteil in höhe von 1.500,00 eur an die klägerin. 4die klägerin ist der ansicht, dass eine mithaftung ihrer versicherungsnehmerin für die entstehung des schadens nicht anzunehmen sei. sie sei nicht zur überwachung der arbeiten der beklagten verpflichtet gewesen. 5sie beantragt, 6die beklagte zu verurteilen, an sie 3.941,54 eur nebst zinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz ab dem 10.09.2019 zu zahlen. 7die beklagte beantragt, die klage abzuweisen. 8die beklagte behauptet, dass erst beim ausbrechen der schlitze bemerkt worden sei, dass bewehrung durchtrennt worden ist. 9sie ist der ansicht, dass durch die vn eine aufklärung über die konkreten umstände vor ort, insbesondere der geringen überdeckung der bewehrung im deckenbereich, hätte erfolgen müssen. 10das gericht hat beweis erhoben durch einholung eines sachverständigengutachtens. wegen des ergebnisses der beweisaufnahme wird auf das gutachten vom 13.01.2022 sowie das ergänzungsgutachten vom 25.04.2022 verwiesen. wegen des sach- und streitstandes im übrigen wird auf die gewechselten schriftsätze sowie den weiteren akteninhalt verwiesen. 11das gericht hat mit zustimmung beider parteien eine entscheidung im schriftlichen verfahren unter nachlass einer schriftsatzfrist bis 22.06.2022 angeordnet. 12
13a. 14die zulässige klage ist unbegründet. 15die klägerin hat gegen die beklagte keinen auf sie gemäß § 86 i 1 vvg übergegangenen anspruch auf zahlung von 3.941,54 eur zuzüglich der begehrten zinsen. 16der schadensersatzanspruch der vn gemäß §§ 280 i, 631 i bgb gegenüber der beklagten ist durch erfüllung erloschen, § 362 i bgb. ein über die insgesamt durch die mit wirkung für die beklagte erfolgte zahlung hinausgehender anspruch auf schadensersatz bestand für die vn nicht und konnte daher auch nicht auf die klägerin übergehen. 17die beklagte hat schuldhaft einen schaden verursacht. durch die schlitzarbeiten im deckenbereich des streitgegenständlichen bauvorhabens ist bewehrung in einem ausmaße beschädigt worden, welches stabilisierungsarbeiten in einem kostenvolumen von 19.707.54 eur erforderlich machte. indes hat bei der entstehung des schadens ein verschulden der vn von mindestens 20 % mitgewirkt, § 254 i bgb. insoweit kann es dahinstehen, ob seitens der vn eine bauüberwachungspflicht der schlitzarbeiten bestand. jedenfalls hat die vn gegen die ihr gegenüber der beklagten obliegende informationspflicht hinsichtlich der genauen begebenheiten vor ort sowie gegen die ihr als generalunternehmerin obliegende koordinationspflicht verstoßen. 18i. 19es hätte der vn oblegen, sich mit den örtlichkeiten dergestalt vertraut zu machen, dass die putzüberdeckung des betons bekannt gewesen und an die beklagte weitergegeben worden wäre. der vn mussten baujahr und zustand des objektes bekannt sein. gemäß der überzeugenden und nachvollziehbaren – im übrigen von keiner seite angegriffenen - angaben der sachverständigen bestand bereits aufgrund des baustandards zum zeitpunkt des baujahres anlass zur ermittlung der tatsächlichen putzüberdeckung der betondecke, da schlitzarbeiten in den beton im deckenbereich ohne vorgabe des statikers unzulässig sind. insoweit steht zudem zu beachten, dass der vn die ermittlung der putzüberdeckung durch probebohrungen problemlos zumindest dergestalt möglich gewesen wäre, festzustellen, dass diese kritisch gering ist. es ist jedoch klägerseits trotz des alters der immobilie keinerlei relevante informationsweitergabe an die beklagte ausgeführt worden. 20ii. 21darüber hinaus hat die vn auch gegen die ihr als generalunternehmerin obliegende koordinierungspflicht verstoßen. sie hat gemäß der ausführungen der sachverständigen die art der ausführung der jeweiligen gewerke gemäß den örtlichen gegebenheiten im zusammenspiel der gewerke festzulegen. dem ist die vn nicht nachgekommen. weder hat sie gegenüber ihrem auftraggeber bedenken gegenüber der ausführung der verlegung der leitungen unter putz angemeldet, noch hat sie die durchführung im deckenbereich auf putz der beklagten vorgegeben. 22iii. 23das gericht bewertet den mitverschuldensanteil gemäß § 254 i bgb auf mindestens 20 %. die koordinierungsarbeiten samt der damit einhergehenden informationspflichten der subunternehmer stellt für den generalunternehmer nicht nur eine untergeordnete nebenpflicht dar. dies muss insbesondere für den fall sicherheitsrelevanter vorgaben – wie vorliegend – gelten. dem generalunternehmen sind gerade die genauen örtlichkeiten bekannt und er hat zugriff auf sämtliche planungsrelevanten unterlagen wie beispielsweise die statik. die subunternehmen sind aus diesem grunde entweder auf vorlage der entsprechenden unterlagen oder auf genaue vorgaben und informationen angewiesen. 24dabei wird nicht übersehen, dass im rahmen der schlitzarbeiten ggfls hätte auffallen müssen/können, dass bewehrung durchtrennt wurde. dies führt zu einer ganz wesentlichen haftung der beklagten. aus den vorbenannten gründen aber haftet die beklagte nicht vollumfänglich. 25b. 26die nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 i, 708 nr.11, 711 zpo. 27der streitwert wird auf 3.941,54 eur festgesetzt. 28rechtsbehelfsbelehrung: 29a) gegen dieses urteil ist das rechtsmittel der berufung für jeden zulässig, der durch dieses urteil in seinen rechten benachteiligt ist, 301. wenn der wert des beschwerdegegenstandes 600,00 eur übersteigt oder 312. wenn die berufung in dem urteil durch das amtsgericht zugelassen worden ist. 32die berufung muss innerhalb einer notfrist von einem monat nach zustellung dieses urteils bei dem landgericht dortmund, kaiserstr. 34, 44135 dortmund, eingegangen sein. die berufungsschrift muss die bezeichnung des urteils, gegen das die berufung gerichtet wird, sowie die erklärung, dass gegen dieses urteil berufung eingelegt werde, enthalten. 33die berufung ist, sofern nicht bereits in der berufungsschrift erfolgt, binnen zwei monaten nach zustellung dieses urteils gegenüber dem landgericht dortmund zu begründen. 34die parteien müssen sich vor dem landgericht dortmund durch einen rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die berufungs- und die berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein. 35mit der berufungsschrift soll eine ausfertigung oder beglaubigte abschrift des angefochtenen urteils vorgelegt werden. 36b) gegen die streitwertfestsetzung ist die beschwerde an das amtsgericht dortmund statthaft, wenn der wert des beschwerdegegenstandes 200,00 eur übersteigt oder das amtsgericht die beschwerde zugelassen hat. die beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs monaten, nachdem die entscheidung in der hauptsache rechtskraft erlangt oder das verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem amtsgericht dortmund, gerichtsstraße 22, 44135 dortmund, schriftlich in deutscher sprache oder zur niederschrift des urkundsbeamten der geschäftsstelle einzulegen. die beschwerde kann auch zur niederschrift der geschäftsstelle eines jeden amtsgerichtes abgegeben werden. 37ist der streitwert später als einen monat vor ablauf dieser frist festgesetzt worden, so kann die beschwerde noch innerhalb eines monats nach zustellung oder formloser mitteilung des festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 38hinweis zum elektronischen rechtsverkehr: 39die einlegung ist auch durch übertragung eines elektronischen dokuments an die elektronische poststelle des gerichts möglich. das elektronische dokument muss für die bearbeitung durch das gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen signatur der verantwortenden person versehen sein oder von der verantwortenden person signiert und auf einem sicheren übermittlungsweg gemäß § 130a zpo nach näherer maßgabe der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (bgbl. 2017 i, s. 3803) eingereicht werden. auf die pflicht zur elektronischen einreichung durch professionelle einreicher/innen ab dem 01.01.2022 durch das gesetz zum ausbau des elektronischen rechtsverkehrs mit den gerichten vom 10. oktober 2013, das gesetz zur einführung der elektronischen akte in der justiz und zur weiteren förderung des elektronischen rechtsverkehrs vom 5. juli 2017 und das gesetz zum ausbau des elektronischen rechtsverkehrs mit den gerichten und zur änderung weiterer vorschriften vom 05.10.2021 wird hingewiesen.
346,096
{ "id": 818, "jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit", "level_of_appeal": "Landgericht", "name": "Landgericht Wuppertal", "state": 12 }
1 O 361/20
2022-07-05T00:00:00
Urteil
Tenor Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, ihre baulichen Anlagen so einzurichten, dass Niederschlagswasser von ihren Grundstücken mit den Flurstück Nrn. yyy und ### in V nicht auf das Grundstück des Klägers mit der Flurstück Nr. xxx abgeleitet wird oder übertritt. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, ihre baulichen Anlagen so einzurichten, dass Abwässer nicht von ihren unter Ziff. 1 genannten Grundstücken auf das Grundstück des Klägers übertreten. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) und 3) sowie 40 % der Gerichtskosten trägt der Kläger. Die Beklagte zu 1) trägt 60 % der Kosten des Klägers und der Gerichtskosten. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Das Urteil ist hinsichtlich der Ziffern 1) und 2) vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000 € und hinsichtlich der Kosten in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags. 1Tatbestand: 2Die Parteien streiten über nachbarrechtliche Beseitigungsansprüche wegen starkregenbedingter Wasserüberläufe. 3Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks ***** in Wuppertal (Flurstück Nr. xxx). Dabei handelt es sich um ein Grundstück in Tal- bzw. Muldenlage. Die Beklagte zu 1) ist Eigentümerin des Wiesengrundstücks (Flurstück Nr. ###), welches insgesamt als Grünfläche ausgewiesen ist und oberhalb der Grundstücke des Klägers und der Beklagten zu 2) und 3) liegt, sowie des sich darüber befindlichen Grundstücks (Flurstück yyy). Die Beklagten zu 2) und 3) sind Eigentümer des Nachbargrundstücks *** das etwas oberhalb des klägerischen Grundstücks liegt. Über das im Eigentum der Beklagten zu 1) stehende Flurstück ### führt eine geteerte Zufahrt zum Grundstück der Beklagten zu 2) und 3), wo sie in eine ebenfalls geteerte Fläche mündet. Dieser Stichweg ist leicht abfallend zu den darunter liegenden Grundstücken der Beklagten zu 2) und 3) und des Klägers. Am oberen Ende der Zufahrt befindet sich eine Drainagerinne, um insbesondere Niederschlagswasser abzuführen. Zudem befindet sich dort in Richtung des Flurstückes yyy ein Gully. Über das Flurstück yyy verläuft steil ein gepflasterter Fußweg. Das Gefälle führt zum Grundstück mit der Flurstück-Nr. ### und in Richtung der Grundstücke der Beklagten zu 2) und 3) und des Klägers. Von der geteerten Grundstücksfläche der Beklagten zu 2) und 3) aus führt ein ebenfalls geteerter Weg zum Grundstück des Klägers. Vor der Garage befindet sich eine Drainagerinne, um das Grundstück zu entwässern. Auf den Grundstücken der Beklagten zu 2) und 3) und des Klägers befinden sich zudem zwei Revisionsschächte und ein Gully. Im unteren Teil des klägerischen Gartens verläuft zudem ein verrohrter Bach. Im Jahr 2008 kam es aufgrund enormen Starkregens zu einer Wasserblasenbildung unterhalb des klägerischen Rasens. Der Kläger prozessierte bereits gegen die Beklagte zu 1). Die Beklagte zu 1) nahm zudem im Zeitraum vom 24.02. bis zum 05.03.2020 Veränderungen an der Regenwasserkanalisation vor. Insbesondere errichtete sie einen Erdwall auf der Grünfläche, um Zulauf von Wasser auf das klägerische Grundstück zu vermeiden. Am 26.07.2008 sowie am 28.05.2018 kam es zu außergewöhnlich starken Regenfällen. 4Die Stadt V entwickelte mit der YYY Energie & Wasser AG und der Dr. B eine Starkregengefahrenkarte. Diese lässt sich im Internet abrufen und stellt Bereiche im Stadtgebiet dar, die durch Starkregenereignisse besonders betroffen sein können. Die Karte wurde Ende 2018 erstellt und im Jahr 2021 noch einmal überarbeitet und neu eingestellt. 5Der Kläger behauptet, die asphaltierte Straße auf dem Grundstück der Beklagten zu 1) würde bei Starkregenereignissen, die in den letzten 15 Jahren viermal vorgekommen seien, dazu führen, dass sowohl das Wasser, das nicht von der Drainagerinne am Anfang der Stichstraße abgefangen wird, als auch eigentlich wild abfließendes Wasser über das Grundstück der Beklagten zu 2) und 3) auf sein Grundstück fließt. Dabei sei es bereits mehrfach zu Überschwemmungen gekommen; insbesondere seien sein Keller und seine Garage überschwemmt worden. 6Er habe auch nach der Ergreifung der Maßnahmen durch die Beklagte zu 1) zwei Beschädigungen durch Niederschlagswasser erlitten. Dies liege unter anderem auch daran, dass das Regenwasser aufgrund mangelhafter Abfließmöglichkeiten und der Ableitung des Regenwassers in mangelhafte Rohre zu Rückstauungen und Übertritten auf das klägerische Grundstück trete. 7Es müsse der Beklagten zu 1) jedenfalls möglich sein, das Gefälle so zu verändern, dass das Niederschlagswasser nicht mehr auf sein Grundstück fließt. 8Der Kläger beantragt, 91. 10die Beklagte zu 1) zu verurteilen, ihre baulichen Anlagen so einzurichten, dass Niederschlagswasser von ihren Grundstücken mit den Flurstück Nrn. yyy und ### in V nicht auf sein Grundstück mit der Flurstück Nr. xxx abgeleitet wird oder übertritt; 112. 12die Beklagte zu 1) zu verurteilen, ihre baulichen Anlagen so einzurichten, dass Abwässer nicht von ihren unter Ziff. 1 genannten Grundstücken auf sein Grundstück übertreten; 133. 14die Beklagte zu 1) zu verurteilen, geeignete Maßnahmen zu treffen, damit der natürliche Ablauf des wild abfließenden Wassers von ihren unter Ziff. 1 genannten Grundstücken nicht zum Nachteil seines tieferliegenden Grundstücks verstärkt oder auf andere Weise verändert wird; 154. 16die Beklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihre baulichen Anlagen so einzurichten, dass Niederschlagswasser nicht von ihrem Grundstück mit der Flurstück Nr. ddd in V auf sein Grundstück mit der Flurstück Nr. xxx abgeleitet wird oder übertritt; 175. 18die Beklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihre baulichen Anlagen so einzurichten, dass Abwässer nicht von ihrem unter Ziff. 4 genannten Grundstück auf sein Grundstück übertreten. 19Die Beklagten beantragen, 20 die Klage abzuweisen. 21Die Beklagte zu 1) ist der Ansicht, das angerufene Gericht sei funktional unzuständig, da insoweit der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sei. Zudem sei sie nicht für die Entwässerung der Zufahrtsfläche verantwortlich, da es sich lediglich um eine Baulast zugunsten des Klägers handele. Sie sei aufgrund der besonderen (sehr tiefliegenden) Lage auch nicht dazu verpflichtet, das klägerische Grundstück vor ganz ungewöhnlich starkem Regen zu schützen. Die Drainagerinne vor der Garage des Klägers sei zudem unterdimensioniert. 22Die Kammer hat am 26.11.2021 im Rahmen eines Ortstermins die Örtlichkeiten in Augenschein genommen. Es wird insoweit Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26.11.2021 (Blatt 280 der Akte). Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den übrigen Akteninhalt verwiesen. Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten zu 1) vom 19.05.2022 wird gesondert in den Entscheidungsgründen behandelt. 23Entscheidungsgründe: 24Die Klage ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet. 25I. 26Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht Wuppertal funktional zuständig. Auch soweit es das Verhältnis des Klägers zur Beklagten zu 1) betrifft, ist der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet. Zwar handelt es sich bei der Beklagten zu 1) um eine juristische Person des öffentlichen Rechts. Allerdings führt der Kläger den Rechtsstreit gerade nicht gegen die Beklagte zu 1) als Behörde oder Verwaltungsträger, sondern gegen diese in ihrer Position als Eigentümerin der Nachbargrundstücke. Zudem hat der Kläger offen gelassen, wie die Beklagte zu 1) den von ihm geltend gemachten Anspruch umsetzt. Er begehrt von dieser gerade kein öffentlich-rechtliches Handeln, sondern lediglich dasjenige Handeln, das er aufgrund des zivilrechtlichen nachbarrechtlichen Rechtsverhältnisses verlangen kann. 27Es kommt auch nicht darauf an, dass der Kläger keine Schadensersatzansprüche im Sinne von § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG geltend macht. Aus der Möglichkeit, Schadensersatzansprüche geltend zu machen, ist eine Ausschließlichkeit gegenüber anderen Ansprüchen nicht ableitbar. 28II. 29Die Klage ist gegenüber der Beklagten zu 1) überwiegend begründet, gegenüber den Beklagten zu 2) und 3) unbegründet. 301. Der Klageantrag zu 1. ist begründet. 31Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1) einen Anspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 27 Abs. 1 NachbG NRW. Der Eigentümer eines Grundstücks kann sich gegen die von einem benachbarten Grundstück ausgehenden Einwirkungen zur Wehr setzen, soweit sein Eigentum dadurch beeinträchtigt wird (§ 1004 BGB). Der Inhalt und der Umfang dieses Anspruchs ergeben sich insbesondere auch aus dem Nachbarrecht, vorliegend aus § 27 Abs. 1 NachbG NRW. Danach ist die Beklagte zu 1) dazu verpflichtet, ihre baulichen Anlagen so einzurichten, dass Niederschlagwasser nicht auf das Nachbargrundstück tropft, auf dieses abgeleitet wird oder übertritt. 32Derartige bauliche Veränderungen hat die Beklagte zu 1) auf beiden sich in ihrem Eigentum befindlichen streitgegenständlichen Grundstücken (Flurstücke yyy und ###) vorgenommen. Sowohl der gepflasterte Fußweg auf dem Flurstück yyy als auch der geteerte Stichweg über das Wiesengrundstück mit der Flurstück-Nr. ### stellen bauliche Anlagen dar. Durch die Pflasterung bzw. Teerung dieser Wege kann darauf fallendes Niederschlagswasser nicht versickern. Gleichzeitig nimmt das Wasser durch das (im Falle des Fußwegs auf dem Flurstück yyy sogar recht steile) Gefälle beider Wege zudem eine bestimmte Fließrichtung auf. Durch den Stichweg auf dem Flurstück ### wird Niederschlagswasser direkt zum Grundstück der Beklagten zu 2) und 3) und von dort zum Grundstück des Klägers abgeleitet. Über den gepflasterten Fußweg (Flurstück yyy) wird Niederschlagswasser zunächst auf das Flurstück ### und von dort im genannten weiteren Verlauf abgeleitet. 33Es kommt nicht auf den in der Rechtsprechung und Literatur stark umstrittenen Begriff des "Jahrhundertregens" an, also auf die Frage, wie besonders seltene Extremwetterereignisse zu behandeln sind. Die Beklagte zu 1) hat selbst im Internet eine Niederschlagskarte veröffentlicht, über die sowohl die Fließgeschwindigkeiten als auch die Pegelstände bei unterschiedlicher Niederschlagsintensität an der streitgegenständlichen Örtlichkeit simuliert werden können. Diese Karte zeigt, dass nicht nur in Extremfällen, sondern bereits bei Starkregenereignissen geringerer Intensität das Grundstück des Klägers in eklatanter Weise betroffen sein kann. Auf die Frage, ob ein Anspruch des Klägers ausgeschlossen sein könnte, weil Schäden nur bei ganz ungewöhnlichem und seltenem Starkregen im Sinne entsprechender Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH, Urteil vom 22.04.2004 – III ZR 108/03, NZV 2004, 395) entstünden, kam es demgemäß nicht an. Ein Schaden kann vorliegend bereits bei weniger dramatischen Regenereignissen entstehen. 34Soweit die Beklagte zu 1) bereits in der Klageerwiderung unter Beweisantritt (Sachverständigengutachten) vorgetragen hat, die bisher getroffenen Maßnahmen seien ausreichend, ist dies nicht (mehr) beachtlich. Denn die eigene im Internet veröffentlichte Starkregenkarte hat die Beklagte zu 1) bezüglich ihrer Aussagekraft bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht angezweifelt, so dass das bisherige Vorbringen überholt war. Dies kam auch besonders dadurch deutlich zum Ausdruck, dass die Beklagte zu 1) nach der eindrücklichen Vorführung in der mündlichen Verhandlung auf den großen Saalmonitoren nicht etwa die Richtigkeit in Zweifel gezogen, sondern um einen weiträumigen Verkündungstermin gebeten hat zur Auslotung außergerichtlicher Vergleichsmöglichkeiten. Auf den nicht nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten zu 1) vom 19.05.2022 wird im Folgenden noch eingegangen. 35Der Anspruch ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der asphaltierte Stichweg im Interesse der Beklagten zu 2) und 3) und insbesondere des Klägers angelegt ist. Es kommt nicht darauf an, dass bzw. ob dieser Weg aufgrund einer Baulast zugunsten des Klägers errichtet worden ist. Insbesondere ist der Anspruch nicht gemäß § 242 BGB ausgeschlossen. Der Kläger hat der Beklagten zu 1) in diesem Rechtsstreit allenfalls Vorschläge zur Änderung des derzeitigen Zustands unterbreitet. Bestimmte Handlungen hat er nicht vorgeschrieben. Die Beklagte zu 1) ist nicht gehindert, auch Maßnahmen betreffend den Stichweg vorzunehmen. Zudem ist aber eine Vielzahl weiterer Maßnahmen möglich, welche in der mündlichen Verhandlung auch erörtert worden sind. Die Beklagte zu 1) ist zur Beseitigung obiger Zustände nicht allein darauf verwiesen, den Stichweg zu beseitigen und damit möglicherweise eine Maßnahme vorzunehmen, welche den Interessen des Klägers widerspräche. Denn es wäre der Beklagten zu 1) möglich, den Weg zu erhalten und etwa eine Ablaufmöglichkeit unterhalb des Stichweges zu installieren. 362. Auch der Klageantrag zu 2. ist begründet. 37Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1) einen Anspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 29 Abs. 1 NachbG NRW. Gemäß § 29 Abs. 1 NachbG NRW ist die Beklagte zu 1) dazu verpflichtet, ihre baulichen Anlagen so einzurichten, dass Abwässer und andere Flüssigkeiten nicht auf das Nachbargrundstück übertreten. 38Abwasser ist das von Niederschlägen aus dem Bereich von bebauten oder befestigten Flächen gesammelt abfließende Wasser (vgl. § 54 Abs. 1 Nr. 2 WHG). Es handelt sich also um das auf bebauten Flächen gesammelte Niederschlagswasser, welches sodann auf das Nachbargrundstück übertritt. Dabei ist es unerheblich, ob das Wasser direkt übertritt oder erst nach einer gewissen Zeit des Sammelns. 39Es kann nichts anderes gelten als bezüglich der Verpflichtung der Beklagten zu 1) aus § 27 Abs. 1 NachbG NRW. Sowohl auf dem asphaltierten Stichweg auf dem Flurstück ### als auch auf dem gepflasterten Fußweg auf dem Flurstück yyy sammelt sich Niederschlagswasser, welches dort nicht versickern kann. Auf der Niederschlagskarte der Beklagten zu 1) lässt sich erkennen, dass dieses Wasser sodann mit großer Geschwindigkeit und in großer Menge zum Grundstück des Klägers gelangt. Dieser Zustand widerspricht § 29 Abs. 1 NachbG NRW. 403. 41Auf das nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung nicht nachgelassene Vorbringen der Beklagten zu 1) bezüglich der Unverwertbarkeit der in der mündlichen Verhandlung besprochenen Starkregenkarte der Beklagten zu 1) war die mündliche Verhandlung nicht wiederzueröffnen. 42a) 43Zunächst liegt kein Fall der obligatorischen Wiedereröffnung gem. § 156 Abs. 2 ZPO vor. Weder ist der Kammer ein Verfahrensfehler unterlaufen (§ 156 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), noch liegen ein Wiederaufnahmegrund oder das Ausscheiden eines Richters vor (§ 156 Abs. 2 Nr. 2 und 3 ZPO). 44b) 45Weiter ist die mündliche Verhandlung auch nicht nach § 156 Abs. 1 ZPO wiederzueröffnen. Dies wäre dann der Fall gewesen, wenn der weitere Vortrag Tatsachen enthielte, die einen Wiederaufnahmegrund bildeten. Dies ist nicht der Fall. 46Auch wenn die aktualisierte Starkregenkarte nunmehr auch die fraglichen getroffenen Maßnahmen abbildet, so stellt sich die Situation zwar so dar, dass auch bei stärkeren Regenfällen an den von der Beklagten zu 1) genannten Stellen sich die Fließrichtung des Niederschlagswassers ändert. Allerdings führt dies nicht zu einer Ableitung vom klägerischen Grundstück bzw. um dieses herum. Vielmehr wird das Wasser dadurch zwar umgeleitet, gelangt dann jedoch über den oben genannten Stichweg über das Flurstück ### dennoch letztlich zum Grundstück des Klägers. Dabei verringert sich die Niederschlagsmenge jedenfalls nicht genügend. Denn es sind auch bei Berücksichtigung dieser Maßnahmen durch die neue Karte unmittelbar vor dem klägerischen Gebäude eine rote Einzeichnung und damit massive Pegelstände abgebildet. 47Es bedarf auch nach den neuerlichen Eingaben der Beklagten keiner Entscheidung über sogenannte „Jahrhundertregenereignisse“ bzw. einer Änderung der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht der Kammer. Aus der Starkregenkarte ist ersichtlich, dass bei dem Starkregenindex 6 bereits erhebliche Niederschlagsmengen zum Grundstück des Klägers gelangen. 48Zwar soll ein solcher Starkregenindex laut der Legende der Beklagten zu 1) nur alle 50 Jahre erreicht werden. Allerdings ist diese Angabe bereits nach den eigenen weiteren Angaben der Beklagten zu 1) insoweit überholt, als das Regenereignis vom 29.05.2018 dem Starkregenindex 11 entspricht. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass auch am 26.07.2008 ein ähnlich starkes Regenereignis stattgefunden hat. Wenn jedoch in den letzten 15 Jahren bereits zweimal der Starkregenindex 11 erreicht worden ist, für eine ernsthafte Überflutungsgefahr für das klägerische Grundstück jedoch nach der eigenen (überarbeiteten) Starkregenkarte der Beklagten zu 1) bereits ein Ereignis des Starkregenindexes 6) genügt, besteht kein Zweifel daran, dass derartige Regenereignisse mehr als nur ein „Jahrhundertereignis“ darstellen. 49Es kommt auch nicht darauf an, dass bzw. ob es sich bei der Starkregenkarte nach eigenen Angaben der Beklagten zu 1) lediglich um eine Modellberechnung anhand der groben Geländestruktur und keine Darstellung tatsächlicher Regenereignisse handelt. Zum einen ist dies bereits deswegen zweifelhaft, weil die überarbeitete Regenkarte eindeutig Unterschiede zur Starkregenkarte aus dem Jahr 2018 insoweit aufweist, als sie die von der Beklagten zu 1) in der Anlage B1 dargestellten Maßnahmen sowie den errichteten Erdwall auf dem Wiesengrundstück (Flurstück Nr. ###) sehr eindeutig darstellt und dies über eine lediglich grobe Wiedergabe der Geländestruktur hinausgeht. Zum anderen kommt es auf die genaue Darstellung der örtlichen Verhältnisse auch nicht an. Die Starkregenkarte veranschaulicht in erster Linie, wo sich das Niederschlagswasser sammelt und aus welchen Richtungen es heranfließt. Auf die exakte Menge oder die Fließgeschwindigkeiten kommt es demgemäß zur Beurteilung der Auswirkungen auf den Kläger nicht an. Im Übrigen kommt es ohnehin im Rahmen der §§ 27, 29 NachbG NRW auf die genaue Menge des übertretenden Wassers - wie bereits betont - nicht an. Die Beklagte zu 1) könnte sich zudem gemäß § 242 BGB auch nicht darauf berufen, dass die Verhältnisse vor Ort falsch angegeben sind, da sie diese Karte selbst veröffentlicht hat, um es Bürgerinnen und Bürgern zu ermöglichen, ihre eigene Gefährdung abzuschätzen. Dieses Ziel wäre bereits verfehlt, wenn die Karte aufgrund zu ungenauer Angaben gänzlich nicht herangezogen werden könnte, um die Gefahren vor Ort zu kalkulieren. Es ist auch äußerst widersprüchlich, wenn die Beklagte zu 1) auf der einen Seite meint, ihre eigene Starkregenkarte sei nicht aussagekräftig, animiert sie doch auf der anderen Seite durch den begleitenden Appell, dass sich die Bürger auf vermehrte Überschwemmungen einzustellen haben, was diese regelrecht dazu veranlasst, Schutzmaßnahmen für ihr Eigentum zu ergreifen, was hier bedeutete, dass der Kläger regelrecht sein Haus abschotten müsste. 50Letztlich ist auch unerheblich, dass es während der Starkregenereignisse im Jahr 2021 zu keinen Schäden beim Kläger gekommen ist. Aus einzelnen Regenereignissen können keine Schlüsse auf allgemeingültige Zustände gezogen werden. Solche Ereignisse unterscheiden sich stets im Hinblick auf die Regenmenge insgesamt sowie auf die Regenmenge pro Zeit. Die Regenfälle im Jahr 2021 zeichneten sich insbesondere durch eine besonders lange Dauer aus, während das Regenereignis aus dem Jahr 2018 wesentlich kürzer ausfiel. 51Aus dem Vorgenannten folgt, dass der nunmehr erstmaligen und unter Beweisantritt getätigten Behauptung der Unbrauchbarkeit der Starkregenkarte nicht nachzugehen war. Schließlich liegt auch auf der Hand, dass der Kläger nunmehr die Unbrauchbarkeit der Starkregenkarte nicht unstreitig stellt, gründet er doch maßgeblich seine Klageansprüche auch auf diese Karte. 524. 53Der Klageantrag zu 3. ist unbegründet. Dieser ist gerichtet auf einen Anspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 37 Abs. 1 S. 2 WHG. Ein solcher besteht jedoch nicht. Gemäß § 37 Abs. 1 S. 2 WHG darf der natürliche Ablauf wild abfließenden Wassers nicht zum Nachteil eines tiefer liegenden Grundstücks verstärkt oder auf andere Weise verändert werden. 54Der Kläger macht vorliegend Ansprüche aus dem Nachbarrecht sowie aus dem Wasserrecht geltend. Die wasserrechtliche Vorschrift des § 37 WHG findet jedoch nur auf wild abfließendes Wasser Anwendung, also auf Wasser, das unmittelbar auf den unversiegelten Boden fällt. Davon zu unterscheiden ist sog. Baulichkeitswasser, also jenes Wasser, das von einem auf dem benachbarten überbauten Grundstück auf das danebenliegende Grundstück und sodann auf das Nachbargrundstück gelaufen ist. Auf dieses Wasser finden die Vorschriften des NachbG NRW Anwendung (siehe bereits oben). Dieser Vorrang des Nachbarrechts vor dem Wasserrecht gilt selbst dann, wenn Niederschlagswasser zunächst auf das eigene Grundstück abfließt und erst anschließend auf das Nachbargrundstück abläuft (BGH, Urteil vom 12.06.2015 - V ZR 168/14, Rn. 10). 55Der natürliche Ablauf des wild abfließenden Wassers wird vorliegend durch den gepflasterten Fußweg verändert. Dort kann das Wasser zunächst nicht versickern. Vor allem aber wird der Wasserabfluss durch den Weg abschüssig beschleunigt und kanalisiert in Richtung des Flurstücks ### und erst sodann den Grundstücken der Beklagten zu 2) und 3) und des Klägers abgeleitet. 56Dieses Wasser wird entsprechend obiger Grundsätze dadurch, dass es über das Wiesengrundstück der Beklagten zu 1) (Flurstück ###) läuft, nicht wieder zu wild abfließendem Wasser. Denn der Wasserfluss ist zu diesem Zeitpunkt bereits durch das höhergelegene ebenfalls im Eigentum der Beklagten zu 1) stehende Flurstück yyy verändert worden. Diese Veränderung ist jedoch durch den Kläger nicht im Wege des Wasserrechts abzuwehren, sondern nach den Vorschriften des NachbG NRW. 575. 58Die Klageanträge zu 4. und 5. sind unbegründet. Dem Kläger stehen gegen die Beklagten zu 2) und 3) die geltend gemachten Ansprüche aus keinem rechtlichen Grund zu. Ein Anspruch folgt weder aus § 1004 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 27 Abs. 1 NachbG NRW noch in Verbindung mit § 29 Abs. 1 NachbG NRW. 59Ein derartiger Anspruch bestünde nur dann, wenn durch die bauliche Gestaltung des Grundstücks vermehrt Niederschlagswasser, Abwässer oder andere Flüssigkeiten auf das benachbarte Grundstück überträten (BGH, Urteil vom 12.06.2015 – V ZR 168/14, NJW-RR 2016, 24). Dies ist hier nicht der Fall. Denn die Menge des Niederschlags, welche auf das Grundstück der Beklagten zu 2) und 3) fällt, ist auch nach den eigens durch den Kläger angestellten Berechnungen gegenüber der Menge von den städtischen Grundstücken derart gering, dass diese demgegenüber zurücktreten. 60Die Kammer verkennt dabei nicht, dass der Anspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB grundsätzlich verschuldensunabhängig besteht. Ein etwaiger Anspruch ist allerdings jedenfalls gemäß § 242 BGB ausgeschlossen. Vorliegend nimmt der Kläger die Beklagte zu 1) in Anspruch. Diese ist angesichts der Topografie der streitgegenständlichen Grundstücke eindeutig verantwortlich für die Wassermengen, die auf dem Grundstück des Klägers ankommen. 61Demnach sind Maßnahmen der Beklagten zu 2) und 3) überhaupt nicht erforderlich, wenn die dort ankommenden Wassermengen durch die Beklagte zu 1) unterbunden werden. Die Beklagte zu 1) kann insoweit wesentlich wirksamer tätig werden als die Beklagten zu 2) und 3). Wenn die Beklagten zu 2) und 3) nun für die Zukunft Maßnahmen wie etwa die Legung neuer Leitungen treffen müssten, wären sie unbillig zur Beseitigung eines Zustandes verpflichtet, welcher sich durch ein Tätigwerden der Beklagten zu 1) ohnehin erledigen würde. 62Der Kläger wird auch durch diese Entscheidung nicht in seinen Rechten unbillig eingeschränkt. Denn es ist davon auszugehen, dass die Beklagte zu 1) als juristische Person des öffentlichen Rechts der Entscheidung Folge leisten wird, sodass keine Befürchtung besteht, dass der Kläger nicht effektiv seine Rechte verfolgen kann. 63Schließlich kommt hinzu, dass die Beklagten zu 2) und 3) nach dem eigenen Vorbringen des Klägers keine wirksamen Maßnahmen zum Schutz des Klägers ergreifen können, ohne ihm die Zufahrt auf sein Grundstück zu nehmen. Denn das Wasser kommt nach dem Vorbringen des Klägers von den höher gelegenen Grundstücken der Beklagten zu 1) bei Starkregen herangeschossen, sodass Rinnen schlichtweg überspült werden. Die Beklagten müssten regelrecht einen Damm errichten, der aber die Zufahrt auf das klägerische Grundstück maßgeblich behindert wird. 64III. 65Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 ZPO. 66Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1, S. 2 ZPO. 67Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.
die beklagte zu 1) wird verurteilt, ihre baulichen anlagen so einzurichten, dass niederschlagswasser von ihren grundstücken mit den flurstück nrn. yyy und ### in v nicht auf das grundstück des klägers mit der flurstück nr. xxx abgeleitet wird oder übertritt. die beklagte zu 1) wird verurteilt, ihre baulichen anlagen so einzurichten, dass abwässer nicht von ihren unter ziff. 1 genannten grundstücken auf das grundstück des klägers übertreten. im übrigen wird die klage abgewiesen. die außergerichtlichen kosten der beklagten zu 2) und 3) sowie 40 % der gerichtskosten trägt der kläger. die beklagte zu 1) trägt 60 % der kosten des klägers und der gerichtskosten. im übrigen tragen die parteien ihre außergerichtlichen kosten selbst. das urteil ist hinsichtlich der ziffern 1) und 2) vorläufig vollstreckbar gegen sicherheitsleistung in höhe von 10.000 € und hinsichtlich der kosten in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrags. 1
2die parteien streiten über nachbarrechtliche beseitigungsansprüche wegen starkregenbedingter wasserüberläufe. 3der kläger ist eigentümer des grundstücks ***** in wuppertal (flurstück nr. xxx). dabei handelt es sich um ein grundstück in tal- bzw. muldenlage. die beklagte zu 1) ist eigentümerin des wiesengrundstücks (flurstück nr. ###), welches insgesamt als grünfläche ausgewiesen ist und oberhalb der grundstücke des klägers und der beklagten zu 2) und 3) liegt, sowie des sich darüber befindlichen grundstücks (flurstück yyy). die beklagten zu 2) und 3) sind eigentümer des nachbargrundstücks *** das etwas oberhalb des klägerischen grundstücks liegt. über das im eigentum der beklagten zu 1) stehende flurstück ### führt eine geteerte zufahrt zum grundstück der beklagten zu 2) und 3), wo sie in eine ebenfalls geteerte fläche mündet. dieser stichweg ist leicht abfallend zu den darunter liegenden grundstücken der beklagten zu 2) und 3) und des klägers. am oberen ende der zufahrt befindet sich eine drainagerinne, um insbesondere niederschlagswasser abzuführen. zudem befindet sich dort in richtung des flurstückes yyy ein gully. über das flurstück yyy verläuft steil ein gepflasterter fußweg. das gefälle führt zum grundstück mit der flurstück-nr. ### und in richtung der grundstücke der beklagten zu 2) und 3) und des klägers. von der geteerten grundstücksfläche der beklagten zu 2) und 3) aus führt ein ebenfalls geteerter weg zum grundstück des klägers. vor der garage befindet sich eine drainagerinne, um das grundstück zu entwässern. auf den grundstücken der beklagten zu 2) und 3) und des klägers befinden sich zudem zwei revisionsschächte und ein gully. im unteren teil des klägerischen gartens verläuft zudem ein verrohrter bach. im jahr 2008 kam es aufgrund enormen starkregens zu einer wasserblasenbildung unterhalb des klägerischen rasens. der kläger prozessierte bereits gegen die beklagte zu 1). die beklagte zu 1) nahm zudem im zeitraum vom 24.02. bis zum 05.03.2020 veränderungen an der regenwasserkanalisation vor. insbesondere errichtete sie einen erdwall auf der grünfläche, um zulauf von wasser auf das klägerische grundstück zu vermeiden. am 26.07.2008 sowie am 28.05.2018 kam es zu außergewöhnlich starken regenfällen. 4die stadt v entwickelte mit der yyy energie & wasser ag und der dr. b eine starkregengefahrenkarte. diese lässt sich im internet abrufen und stellt bereiche im stadtgebiet dar, die durch starkregenereignisse besonders betroffen sein können. die karte wurde ende 2018 erstellt und im jahr 2021 noch einmal überarbeitet und neu eingestellt. 5der kläger behauptet, die asphaltierte straße auf dem grundstück der beklagten zu 1) würde bei starkregenereignissen, die in den letzten 15 jahren viermal vorgekommen seien, dazu führen, dass sowohl das wasser, das nicht von der drainagerinne am anfang der stichstraße abgefangen wird, als auch eigentlich wild abfließendes wasser über das grundstück der beklagten zu 2) und 3) auf sein grundstück fließt. dabei sei es bereits mehrfach zu überschwemmungen gekommen; insbesondere seien sein keller und seine garage überschwemmt worden. 6er habe auch nach der ergreifung der maßnahmen durch die beklagte zu 1) zwei beschädigungen durch niederschlagswasser erlitten. dies liege unter anderem auch daran, dass das regenwasser aufgrund mangelhafter abfließmöglichkeiten und der ableitung des regenwassers in mangelhafte rohre zu rückstauungen und übertritten auf das klägerische grundstück trete. 7es müsse der beklagten zu 1) jedenfalls möglich sein, das gefälle so zu verändern, dass das niederschlagswasser nicht mehr auf sein grundstück fließt. 8der kläger beantragt, 91. 10die beklagte zu 1) zu verurteilen, ihre baulichen anlagen so einzurichten, dass niederschlagswasser von ihren grundstücken mit den flurstück nrn. yyy und ### in v nicht auf sein grundstück mit der flurstück nr. xxx abgeleitet wird oder übertritt; 112. 12die beklagte zu 1) zu verurteilen, ihre baulichen anlagen so einzurichten, dass abwässer nicht von ihren unter ziff. 1 genannten grundstücken auf sein grundstück übertreten; 133. 14die beklagte zu 1) zu verurteilen, geeignete maßnahmen zu treffen, damit der natürliche ablauf des wild abfließenden wassers von ihren unter ziff. 1 genannten grundstücken nicht zum nachteil seines tieferliegenden grundstücks verstärkt oder auf andere weise verändert wird; 154. 16die beklagten zu 2) und 3) als gesamtschuldner zu verurteilen, ihre baulichen anlagen so einzurichten, dass niederschlagswasser nicht von ihrem grundstück mit der flurstück nr. ddd in v auf sein grundstück mit der flurstück nr. xxx abgeleitet wird oder übertritt; 175. 18die beklagten zu 2) und 3) als gesamtschuldner zu verurteilen, ihre baulichen anlagen so einzurichten, dass abwässer nicht von ihrem unter ziff. 4 genannten grundstück auf sein grundstück übertreten. 19die beklagten beantragen, 20 die klage abzuweisen. 21die beklagte zu 1) ist der ansicht, das angerufene gericht sei funktional unzuständig, da insoweit der verwaltungsrechtsweg eröffnet sei. zudem sei sie nicht für die entwässerung der zufahrtsfläche verantwortlich, da es sich lediglich um eine baulast zugunsten des klägers handele. sie sei aufgrund der besonderen (sehr tiefliegenden) lage auch nicht dazu verpflichtet, das klägerische grundstück vor ganz ungewöhnlich starkem regen zu schützen. die drainagerinne vor der garage des klägers sei zudem unterdimensioniert. 22die kammer hat am 26.11.2021 im rahmen eines ortstermins die örtlichkeiten in augenschein genommen. es wird insoweit bezug genommen auf das protokoll der mündlichen verhandlung vom 26.11.2021 (blatt 280 der akte). wegen der einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der zwischen den parteien gewechselten schriftsätze nebst anlagen und den übrigen akteninhalt verwiesen. der nicht nachgelassene schriftsatz der beklagten zu 1) vom 19.05.2022 wird gesondert in den entscheidungsgründen behandelt. 23
24die klage ist zulässig und im tenorierten umfang begründet. 25i. 26die klage ist zulässig. insbesondere ist das landgericht wuppertal funktional zuständig. auch soweit es das verhältnis des klägers zur beklagten zu 1) betrifft, ist der verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet. zwar handelt es sich bei der beklagten zu 1) um eine juristische person des öffentlichen rechts. allerdings führt der kläger den rechtsstreit gerade nicht gegen die beklagte zu 1) als behörde oder verwaltungsträger, sondern gegen diese in ihrer position als eigentümerin der nachbargrundstücke. zudem hat der kläger offen gelassen, wie die beklagte zu 1) den von ihm geltend gemachten anspruch umsetzt. er begehrt von dieser gerade kein öffentlich-rechtliches handeln, sondern lediglich dasjenige handeln, das er aufgrund des zivilrechtlichen nachbarrechtlichen rechtsverhältnisses verlangen kann. 27es kommt auch nicht darauf an, dass der kläger keine schadensersatzansprüche im sinne von § 839 bgb in verbindung mit art. 34 gg geltend macht. aus der möglichkeit, schadensersatzansprüche geltend zu machen, ist eine ausschließlichkeit gegenüber anderen ansprüchen nicht ableitbar. 28ii. 29die klage ist gegenüber der beklagten zu 1) überwiegend begründet, gegenüber den beklagten zu 2) und 3) unbegründet. 301. der klageantrag zu 1. ist begründet. 31der kläger hat gegen die beklagte zu 1) einen anspruch gemäß § 1004 abs. 1 bgb in verbindung mit § 27 abs. 1 nachbg nrw. der eigentümer eines grundstücks kann sich gegen die von einem benachbarten grundstück ausgehenden einwirkungen zur wehr setzen, soweit sein eigentum dadurch beeinträchtigt wird (§ 1004 bgb). der inhalt und der umfang dieses anspruchs ergeben sich insbesondere auch aus dem nachbarrecht, vorliegend aus § 27 abs. 1 nachbg nrw. danach ist die beklagte zu 1) dazu verpflichtet, ihre baulichen anlagen so einzurichten, dass niederschlagwasser nicht auf das nachbargrundstück tropft, auf dieses abgeleitet wird oder übertritt. 32derartige bauliche veränderungen hat die beklagte zu 1) auf beiden sich in ihrem eigentum befindlichen streitgegenständlichen grundstücken (flurstücke yyy und ###) vorgenommen. sowohl der gepflasterte fußweg auf dem flurstück yyy als auch der geteerte stichweg über das wiesengrundstück mit der flurstück-nr. ### stellen bauliche anlagen dar. durch die pflasterung bzw. teerung dieser wege kann darauf fallendes niederschlagswasser nicht versickern. gleichzeitig nimmt das wasser durch das (im falle des fußwegs auf dem flurstück yyy sogar recht steile) gefälle beider wege zudem eine bestimmte fließrichtung auf. durch den stichweg auf dem flurstück ### wird niederschlagswasser direkt zum grundstück der beklagten zu 2) und 3) und von dort zum grundstück des klägers abgeleitet. über den gepflasterten fußweg (flurstück yyy) wird niederschlagswasser zunächst auf das flurstück ### und von dort im genannten weiteren verlauf abgeleitet. 33es kommt nicht auf den in der rechtsprechung und literatur stark umstrittenen begriff des "jahrhundertregens" an, also auf die frage, wie besonders seltene extremwetterereignisse zu behandeln sind. die beklagte zu 1) hat selbst im internet eine niederschlagskarte veröffentlicht, über die sowohl die fließgeschwindigkeiten als auch die pegelstände bei unterschiedlicher niederschlagsintensität an der streitgegenständlichen örtlichkeit simuliert werden können. diese karte zeigt, dass nicht nur in extremfällen, sondern bereits bei starkregenereignissen geringerer intensität das grundstück des klägers in eklatanter weise betroffen sein kann. auf die frage, ob ein anspruch des klägers ausgeschlossen sein könnte, weil schäden nur bei ganz ungewöhnlichem und seltenem starkregen im sinne entsprechender rechtsprechung des bgh (vgl. bgh, urteil vom 22.04.2004 – iii zr 108/03, nzv 2004, 395) entstünden, kam es demgemäß nicht an. ein schaden kann vorliegend bereits bei weniger dramatischen regenereignissen entstehen. 34soweit die beklagte zu 1) bereits in der klageerwiderung unter beweisantritt (sachverständigengutachten) vorgetragen hat, die bisher getroffenen maßnahmen seien ausreichend, ist dies nicht (mehr) beachtlich. denn die eigene im internet veröffentlichte starkregenkarte hat die beklagte zu 1) bezüglich ihrer aussagekraft bis zum schluss der mündlichen verhandlung nicht angezweifelt, so dass das bisherige vorbringen überholt war. dies kam auch besonders dadurch deutlich zum ausdruck, dass die beklagte zu 1) nach der eindrücklichen vorführung in der mündlichen verhandlung auf den großen saalmonitoren nicht etwa die richtigkeit in zweifel gezogen, sondern um einen weiträumigen verkündungstermin gebeten hat zur auslotung außergerichtlicher vergleichsmöglichkeiten. auf den nicht nachgelassenen schriftsatz der beklagten zu 1) vom 19.05.2022 wird im folgenden noch eingegangen. 35der anspruch ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der asphaltierte stichweg im interesse der beklagten zu 2) und 3) und insbesondere des klägers angelegt ist. es kommt nicht darauf an, dass bzw. ob dieser weg aufgrund einer baulast zugunsten des klägers errichtet worden ist. insbesondere ist der anspruch nicht gemäß § 242 bgb ausgeschlossen. der kläger hat der beklagten zu 1) in diesem rechtsstreit allenfalls vorschläge zur änderung des derzeitigen zustands unterbreitet. bestimmte handlungen hat er nicht vorgeschrieben. die beklagte zu 1) ist nicht gehindert, auch maßnahmen betreffend den stichweg vorzunehmen. zudem ist aber eine vielzahl weiterer maßnahmen möglich, welche in der mündlichen verhandlung auch erörtert worden sind. die beklagte zu 1) ist zur beseitigung obiger zustände nicht allein darauf verwiesen, den stichweg zu beseitigen und damit möglicherweise eine maßnahme vorzunehmen, welche den interessen des klägers widerspräche. denn es wäre der beklagten zu 1) möglich, den weg zu erhalten und etwa eine ablaufmöglichkeit unterhalb des stichweges zu installieren. 362. auch der klageantrag zu 2. ist begründet. 37der kläger hat gegen die beklagte zu 1) einen anspruch gemäß § 1004 abs. 1 bgb in verbindung mit § 29 abs. 1 nachbg nrw. gemäß § 29 abs. 1 nachbg nrw ist die beklagte zu 1) dazu verpflichtet, ihre baulichen anlagen so einzurichten, dass abwässer und andere flüssigkeiten nicht auf das nachbargrundstück übertreten. 38abwasser ist das von niederschlägen aus dem bereich von bebauten oder befestigten flächen gesammelt abfließende wasser (vgl. § 54 abs. 1 nr. 2 whg). es handelt sich also um das auf bebauten flächen gesammelte niederschlagswasser, welches sodann auf das nachbargrundstück übertritt. dabei ist es unerheblich, ob das wasser direkt übertritt oder erst nach einer gewissen zeit des sammelns. 39es kann nichts anderes gelten als bezüglich der verpflichtung der beklagten zu 1) aus § 27 abs. 1 nachbg nrw. sowohl auf dem asphaltierten stichweg auf dem flurstück ### als auch auf dem gepflasterten fußweg auf dem flurstück yyy sammelt sich niederschlagswasser, welches dort nicht versickern kann. auf der niederschlagskarte der beklagten zu 1) lässt sich erkennen, dass dieses wasser sodann mit großer geschwindigkeit und in großer menge zum grundstück des klägers gelangt. dieser zustand widerspricht § 29 abs. 1 nachbg nrw. 403. 41auf das nach dem schluss der mündlichen verhandlung nicht nachgelassene vorbringen der beklagten zu 1) bezüglich der unverwertbarkeit der in der mündlichen verhandlung besprochenen starkregenkarte der beklagten zu 1) war die mündliche verhandlung nicht wiederzueröffnen. 42a) 43zunächst liegt kein fall der obligatorischen wiedereröffnung gem. § 156 abs. 2 zpo vor. weder ist der kammer ein verfahrensfehler unterlaufen (§ 156 abs. 2 nr. 1 zpo), noch liegen ein wiederaufnahmegrund oder das ausscheiden eines richters vor (§ 156 abs. 2 nr. 2 und 3 zpo). 44b) 45weiter ist die mündliche verhandlung auch nicht nach § 156 abs. 1 zpo wiederzueröffnen. dies wäre dann der fall gewesen, wenn der weitere vortrag tatsachen enthielte, die einen wiederaufnahmegrund bildeten. dies ist nicht der fall. 46auch wenn die aktualisierte starkregenkarte nunmehr auch die fraglichen getroffenen maßnahmen abbildet, so stellt sich die situation zwar so dar, dass auch bei stärkeren regenfällen an den von der beklagten zu 1) genannten stellen sich die fließrichtung des niederschlagswassers ändert. allerdings führt dies nicht zu einer ableitung vom klägerischen grundstück bzw. um dieses herum. vielmehr wird das wasser dadurch zwar umgeleitet, gelangt dann jedoch über den oben genannten stichweg über das flurstück ### dennoch letztlich zum grundstück des klägers. dabei verringert sich die niederschlagsmenge jedenfalls nicht genügend. denn es sind auch bei berücksichtigung dieser maßnahmen durch die neue karte unmittelbar vor dem klägerischen gebäude eine rote einzeichnung und damit massive pegelstände abgebildet. 47es bedarf auch nach den neuerlichen eingaben der beklagten keiner entscheidung über sogenannte „jahrhundertregenereignisse“ bzw. einer änderung der in der mündlichen verhandlung geäußerten ansicht der kammer. aus der starkregenkarte ist ersichtlich, dass bei dem starkregenindex 6 bereits erhebliche niederschlagsmengen zum grundstück des klägers gelangen. 48zwar soll ein solcher starkregenindex laut der legende der beklagten zu 1) nur alle 50 jahre erreicht werden. allerdings ist diese angabe bereits nach den eigenen weiteren angaben der beklagten zu 1) insoweit überholt, als das regenereignis vom 29.05.2018 dem starkregenindex 11 entspricht. zwischen den parteien ist unstreitig, dass auch am 26.07.2008 ein ähnlich starkes regenereignis stattgefunden hat. wenn jedoch in den letzten 15 jahren bereits zweimal der starkregenindex 11 erreicht worden ist, für eine ernsthafte überflutungsgefahr für das klägerische grundstück jedoch nach der eigenen (überarbeiteten) starkregenkarte der beklagten zu 1) bereits ein ereignis des starkregenindexes 6) genügt, besteht kein zweifel daran, dass derartige regenereignisse mehr als nur ein „jahrhundertereignis“ darstellen. 49es kommt auch nicht darauf an, dass bzw. ob es sich bei der starkregenkarte nach eigenen angaben der beklagten zu 1) lediglich um eine modellberechnung anhand der groben geländestruktur und keine darstellung tatsächlicher regenereignisse handelt. zum einen ist dies bereits deswegen zweifelhaft, weil die überarbeitete regenkarte eindeutig unterschiede zur starkregenkarte aus dem jahr 2018 insoweit aufweist, als sie die von der beklagten zu 1) in der anlage b1 dargestellten maßnahmen sowie den errichteten erdwall auf dem wiesengrundstück (flurstück nr. ###) sehr eindeutig darstellt und dies über eine lediglich grobe wiedergabe der geländestruktur hinausgeht. zum anderen kommt es auf die genaue darstellung der örtlichen verhältnisse auch nicht an. die starkregenkarte veranschaulicht in erster linie, wo sich das niederschlagswasser sammelt und aus welchen richtungen es heranfließt. auf die exakte menge oder die fließgeschwindigkeiten kommt es demgemäß zur beurteilung der auswirkungen auf den kläger nicht an. im übrigen kommt es ohnehin im rahmen der §§ 27, 29 nachbg nrw auf die genaue menge des übertretenden wassers - wie bereits betont - nicht an. die beklagte zu 1) könnte sich zudem gemäß § 242 bgb auch nicht darauf berufen, dass die verhältnisse vor ort falsch angegeben sind, da sie diese karte selbst veröffentlicht hat, um es bürgerinnen und bürgern zu ermöglichen, ihre eigene gefährdung abzuschätzen. dieses ziel wäre bereits verfehlt, wenn die karte aufgrund zu ungenauer angaben gänzlich nicht herangezogen werden könnte, um die gefahren vor ort zu kalkulieren. es ist auch äußerst widersprüchlich, wenn die beklagte zu 1) auf der einen seite meint, ihre eigene starkregenkarte sei nicht aussagekräftig, animiert sie doch auf der anderen seite durch den begleitenden appell, dass sich die bürger auf vermehrte überschwemmungen einzustellen haben, was diese regelrecht dazu veranlasst, schutzmaßnahmen für ihr eigentum zu ergreifen, was hier bedeutete, dass der kläger regelrecht sein haus abschotten müsste. 50letztlich ist auch unerheblich, dass es während der starkregenereignisse im jahr 2021 zu keinen schäden beim kläger gekommen ist. aus einzelnen regenereignissen können keine schlüsse auf allgemeingültige zustände gezogen werden. solche ereignisse unterscheiden sich stets im hinblick auf die regenmenge insgesamt sowie auf die regenmenge pro zeit. die regenfälle im jahr 2021 zeichneten sich insbesondere durch eine besonders lange dauer aus, während das regenereignis aus dem jahr 2018 wesentlich kürzer ausfiel. 51aus dem vorgenannten folgt, dass der nunmehr erstmaligen und unter beweisantritt getätigten behauptung der unbrauchbarkeit der starkregenkarte nicht nachzugehen war. schließlich liegt auch auf der hand, dass der kläger nunmehr die unbrauchbarkeit der starkregenkarte nicht unstreitig stellt, gründet er doch maßgeblich seine klageansprüche auch auf diese karte. 524. 53der klageantrag zu 3. ist unbegründet. dieser ist gerichtet auf einen anspruch gemäß § 1004 abs. 1 bgb in verbindung mit § 37 abs. 1 s. 2 whg. ein solcher besteht jedoch nicht. gemäß § 37 abs. 1 s. 2 whg darf der natürliche ablauf wild abfließenden wassers nicht zum nachteil eines tiefer liegenden grundstücks verstärkt oder auf andere weise verändert werden. 54der kläger macht vorliegend ansprüche aus dem nachbarrecht sowie aus dem wasserrecht geltend. die wasserrechtliche vorschrift des § 37 whg findet jedoch nur auf wild abfließendes wasser anwendung, also auf wasser, das unmittelbar auf den unversiegelten boden fällt. davon zu unterscheiden ist sog. baulichkeitswasser, also jenes wasser, das von einem auf dem benachbarten überbauten grundstück auf das danebenliegende grundstück und sodann auf das nachbargrundstück gelaufen ist. auf dieses wasser finden die vorschriften des nachbg nrw anwendung (siehe bereits oben). dieser vorrang des nachbarrechts vor dem wasserrecht gilt selbst dann, wenn niederschlagswasser zunächst auf das eigene grundstück abfließt und erst anschließend auf das nachbargrundstück abläuft (bgh, urteil vom 12.06.2015 - v zr 168/14, rn. 10). 55der natürliche ablauf des wild abfließenden wassers wird vorliegend durch den gepflasterten fußweg verändert. dort kann das wasser zunächst nicht versickern. vor allem aber wird der wasserabfluss durch den weg abschüssig beschleunigt und kanalisiert in richtung des flurstücks ### und erst sodann den grundstücken der beklagten zu 2) und 3) und des klägers abgeleitet. 56dieses wasser wird entsprechend obiger grundsätze dadurch, dass es über das wiesengrundstück der beklagten zu 1) (flurstück ###) läuft, nicht wieder zu wild abfließendem wasser. denn der wasserfluss ist zu diesem zeitpunkt bereits durch das höhergelegene ebenfalls im eigentum der beklagten zu 1) stehende flurstück yyy verändert worden. diese veränderung ist jedoch durch den kläger nicht im wege des wasserrechts abzuwehren, sondern nach den vorschriften des nachbg nrw. 575. 58die klageanträge zu 4. und 5. sind unbegründet. dem kläger stehen gegen die beklagten zu 2) und 3) die geltend gemachten ansprüche aus keinem rechtlichen grund zu. ein anspruch folgt weder aus § 1004 abs. 1 bgb in verbindung mit § 27 abs. 1 nachbg nrw noch in verbindung mit § 29 abs. 1 nachbg nrw. 59ein derartiger anspruch bestünde nur dann, wenn durch die bauliche gestaltung des grundstücks vermehrt niederschlagswasser, abwässer oder andere flüssigkeiten auf das benachbarte grundstück überträten (bgh, urteil vom 12.06.2015 – v zr 168/14, njw-rr 2016, 24). dies ist hier nicht der fall. denn die menge des niederschlags, welche auf das grundstück der beklagten zu 2) und 3) fällt, ist auch nach den eigens durch den kläger angestellten berechnungen gegenüber der menge von den städtischen grundstücken derart gering, dass diese demgegenüber zurücktreten. 60die kammer verkennt dabei nicht, dass der anspruch gemäß § 1004 abs. 1 bgb grundsätzlich verschuldensunabhängig besteht. ein etwaiger anspruch ist allerdings jedenfalls gemäß § 242 bgb ausgeschlossen. vorliegend nimmt der kläger die beklagte zu 1) in anspruch. diese ist angesichts der topografie der streitgegenständlichen grundstücke eindeutig verantwortlich für die wassermengen, die auf dem grundstück des klägers ankommen. 61demnach sind maßnahmen der beklagten zu 2) und 3) überhaupt nicht erforderlich, wenn die dort ankommenden wassermengen durch die beklagte zu 1) unterbunden werden. die beklagte zu 1) kann insoweit wesentlich wirksamer tätig werden als die beklagten zu 2) und 3). wenn die beklagten zu 2) und 3) nun für die zukunft maßnahmen wie etwa die legung neuer leitungen treffen müssten, wären sie unbillig zur beseitigung eines zustandes verpflichtet, welcher sich durch ein tätigwerden der beklagten zu 1) ohnehin erledigen würde. 62der kläger wird auch durch diese entscheidung nicht in seinen rechten unbillig eingeschränkt. denn es ist davon auszugehen, dass die beklagte zu 1) als juristische person des öffentlichen rechts der entscheidung folge leisten wird, sodass keine befürchtung besteht, dass der kläger nicht effektiv seine rechte verfolgen kann. 63schließlich kommt hinzu, dass die beklagten zu 2) und 3) nach dem eigenen vorbringen des klägers keine wirksamen maßnahmen zum schutz des klägers ergreifen können, ohne ihm die zufahrt auf sein grundstück zu nehmen. denn das wasser kommt nach dem vorbringen des klägers von den höher gelegenen grundstücken der beklagten zu 1) bei starkregen herangeschossen, sodass rinnen schlichtweg überspült werden. die beklagten müssten regelrecht einen damm errichten, der aber die zufahrt auf das klägerische grundstück maßgeblich behindert wird. 64iii. 65die entscheidung über die kosten beruht auf § 92 zpo. 66die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit beruht auf § 709 s. 1, s. 2 zpo. 67der streitwert wird auf 10.000,00 eur festgesetzt.
345,919
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5 O 382/21
2022-07-05T00:00:00
Urteil
Tenor Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin 2.453,70 € nebst Zinsen hieraus seit dem 19.02.2022 zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt das beklagte Land. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. 1Tatbestand: 2Am Samstag, den 06.10.2018, wurde gegen 18:50 Uhr der im Alleineigentum der Klägerin stehende und auf diese zugelassene sowie von dem bei ihr angestellten Berufskraftfahrer Q gesteuerte Kraftomnibus mit dem amtl. Kennzeichen AB-CD 000 ("G") während einer gewerblichen Personenbeförderung mit Fahrgästen in M, Ortsteil X, I-Straße/G-Haltestelle, einer Verkehrskontrolle durch die beiden Beamtinnen des Polizeipräsidiums Köln PKin Q1 und PKin T unterzogen. 3Die beiden Polizeibeamtinnen beanstandeten einen nicht ordnungsgemäßen und verkehrsunsicheren Zustand der Fahrzeugbereifung dahingehend, dass der hintere linke Außenreifen (Zwillingsbereifung) des klägerischen KOM eine glatte Lauffläche am äußeren Teil aufweise und die Kante zwischen Lauffläche und Reifenseitenwand nicht rund, sondern wellenförmig verlaufe. 4Nach einem Telefonat mit dem Geschäftsführer der Komplementärin der Klägerin untersagten die beiden Polizeibeamtinnen die Weiterfahrt des mit Fahrgästen besetzten KOM. Die Klägerin beorderte daraufhin einen Ersatzbus nach M, mit dem die Linienfahrt fortgesetzt wurde, und veranlasste die Rückbringung des streitgegenständlichen Busses an ihren Geschäftssitz. 5Am Montag, den 08.10.2018, erfolgte eine Inaugenscheinnahme des KOM mit dem montierten, verfahrensgegenständlichen hinteren linken Rad durch einen Mitarbeiter der Fa. TÜV Süd Auto Service GmbH anlässlich einer anderweitigen, routinemäßigen HU-Untersuchung an einem anderen KOM der Klägerin; der verfahrensgegenständliche KOM wurde als in jeglicher Hinsicht verkehrssicher beurteilt. 6Die Klägerin behauptet, entgegen der Annahme der beiden Polizeibeamtinnen habe die Bereifung des klägerischen KOM im Kontrollzeitpunkt keinen verkehrsunsicheren oder sonst nicht ordnungsgemäßen Zustand aufgewiesen. Die Reifen – insbesondere der äußere Reifen hinten links – hätten keinen verkehrsunsicheren Zustand aufgewiesen; es habe zu keiner Zeit in keinster Weise eine Gefährdung der anderen Verkehrsteilnehmer bestanden. Die Auswaschungen im Seitenbereich des Reifens seien nicht als verkehrsunsicher einzustufen. Dies habe ein weiteres von der Klägerin eingeholtes Gutachten bestätigt. 7Die beiden kontrollierenden Polizeibeamtinnen hätten nicht über das technische Wissen verfügt, den Zustand eines Kraftfahrzeuges auf seine Vorschriftsmäßigkeit zu prüfen und das Vorliegen einer - auch wesentlichen - Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit zu beurteilen und festzustellen. 8Die beiden Polizeibeamtinnen hätten mindestens fahrlässig gehandelt, als sie hätten erkennen können, dass sich der KOM der Klägerin im verkehrsgemäßen Zustand befindet. 9Der Klägerin seien Kosten in Höhe von 2.453,70 € entstanden, wegen deren Berechnung auf Seiten 8-10 der Klageschrift verwiesen wird. 10Die Klägerin beantragt, 11das beklagte Land zu verurteilen, an sie 2.453,70 € nebst Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen. 12Das beklagte Land beantragt, 13die Klage abzuweisen. 14Es behauptet, Anlass zur polizeilichen Überprüfung des klägerischen Fahrzeugs habe die Meldung eines Fahrgastes gegeben, die den Eindruck gewonnen habe, dass der Bus „schwammig" auf der Straße liege. Im Bus habe sie direkt über der linken Hinterachse gesessen. Bei der Überprüfung des Busses seien neben dem ungewöhnlichen Reifenzustand des Fahrzeuges eine teilweise abgebrochene Radkappe sowie Karosserieschäden im Bereich des Radkastens festgestellt worden. Dies habe den Anlass für die einschreitenden Polizeibeamten gegeben, von einem nicht verkehrssichereren Zustand des Fahrzeuges auszugehen. 15Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass der durch das vorgelegte Gutachten begutachtete Reifen auch tatsächlich derjenige war, der sich am 06.10.2018 an der linken Hinterachse des Kraftomnibusses befand. 16Das beklagte Land ist der Ansicht, dass selbst für den Fall, dass das dortige Kraftfahrzeug entgegen der Annahme der Polizeibeamtinnen verkehrssicher gewesen sein sollte, das Vorliegen einer Amtspflichtverletzung ohnehin in Frage stehe. Ausreichende Verdachtsmomente dürfte der dargelegte Zustand der Reifen des Fahrzeuges am Einsatztag gegeben haben, wobei die Polizeibeamtinnen gar nicht endgültig die Weiterfahrt des Busses untersagt hätten, sondern diese nur solange untersagt hätten, bis eine angeforderte weitere Untersuchung des in Rede stehenden Fahrzeugreifens möglich gewesen wäre. 17Außerdem erhebt das beklagte Land die Einrede der Verjährung. 18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen. 19Die Akten StA Köln 952 Js-OWi 1288/19 waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung. 20Entscheidungsgründe: 21Die Klage ist zulässig und begründet. 22Der Klägerin stehen aufgrund des von ihr vorgetragenen Sachverhalts zwar keine Schadenersatzansprüche aus § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG gegen das beklagte Land zu. 23Entgegen der Ansicht der Klägerin kann nicht festgestellt werden, dass der geltend gemachte Schaden auf einer schuldhaften Amtspflichtverletzung der handelnden Polizeibeamtinnen des beklagten Landes beruht. 24Grundsätzlich hat jeder Beamte die Pflicht, die Aufgaben und Befugnisse der juristischen Person des öffentlichen Rechts, in deren Namen und Rechtskreis er tätig wird, im Einklang mit dem objektiven Recht wahrzunehmen (MüKoBGB/Papier/Shirvani, 8. Aufl. 2020, BGB § 839 Rn. 246). Dazu gehört unter anderem, vor einer hoheitlichen Maßnahme, die geeignet ist, einen anderen in seinen Rechten zu beeinträchtigen, den Sachverhalt im Rahmen des Zumutbaren so umfassend zu erforschen, dass die Beurteilungs- und Entscheidungsgrundlage nicht in wesentlichen Punkten zum Nachteil des Betroffenen unvollständig bleibt (MüKoBGB/Papier/Shirvani, aaO, Rn. 247). 25Ist - wie hier - die Art und Weise des Tätigwerdens einer Verwaltungsbehörde ihrem pflichtgemäßen Ermessen anheimgegeben, so liegt eine Amtspflichtverletzung solange nicht vor, als die Tätigkeit der Behörde sich innerhalb der Grenzen fehlerfreien Ermessengebrauchs hält (BGH NJW 1979, 1354, beck-online). 26Die auf gesetzmäßiges Verhalten bezogenen Amtspflichten betreffen nicht allein die materiell-rechtlichen Verhaltensnormen. Erfasst sind grundsätzlich auch die Vorschriften über die Form des Verwaltungshandelns, die Zuständigkeit und das Verfahren (MüKoBGB/Papier/Shirvani, aaO, § 839 Rn. 260). 27Ausgehend von diesen Grundsätzen bzw. gemessen an diesen Maßstäben stellte es keine schuldhafte Amtspflichtverletzung dar, wenn die Polizeibeamtinnen die Weiterfahrt des Busses zunächst untersagt haben. 28Die Polizei ist im vorliegenden Fall sowohl im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 1 Abs. 1 PolG NRW als auch gemäß § 53 OWiG tätig geworden. Dass der Zustand des Reifens des Busses jedenfalls Grund zu der Annahme gab, dieser könnte eine Gefahr für den Straßenverkehr darstellen und einen Bußgeldtatbestand erfüllen, steht außer Zweifel. Auf welche Weise die Polizistinnen hiervon Kenntnis erlangt hatten, ist unerheblich. Der Gefahrenverdacht wurde auch nicht durch die telefonische Äußerung des Komplementärs der Klägerin ausgeräumt, wonach sich der Bus und insbesondere der Reifen in verkehrssicherem Zustand befinde, zumal die letzte Untersuchung zwei Tage zuvor stattgefunden haben sollte und der Reifen ohne Weiteres erst in der Zwischenzeit beschädigt worden sein konnte. 29Ob die Polizeibeamtinnen die Weiterfahrt nur so lange untersagen wollten, bis eine für diese Zwecke besonders ausgebildete Einheit vor Ort eintraf, kann dahinstehen. Nach ihrem eigenen Vortrag hat die Klägerin bereits aufgrund der erstmaligen Untersagung der Weiterfahrt den Ersatzbus geordert, um ihren vertraglichen Pflichten gegenüber ihrer Auftraggeberin nachzukommen. Der nunmehr geltend gemachte Schaden wurde mithin bereits zu diesem Zeitpunkt verursacht, ohne dass es darauf ankäme, ob weitere polizeiliche Maßnahmen rechtmäßig gewesen wären und ob bzw. wann der Bus wieder hätte freigegeben werden müssen. 30War die polizeiliche Verfügung damit rechtmäßig, bestand auch kein Entschädigungsanspruch nach § 67 PolG NRW i.V.m. § 39 Abs. 1 Buchst. b) OBG NRW (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 1994 – III ZR 54/93 –, BGHZ 126, 279-287, Rn. 5). 31Ein solcher ist vorliegend aber in entsprechender Anwendung der § 67 PolG NRW i.V.m. § 39 Abs. 1 Buchst. a) OBG NRW gegeben. 32Wird der Eigentümer einer Sache als Zustandsstörer (§ 18 OBG NRW) in Anspruch genommen, weil der durch Tatsachen begründete Anschein besteht, dass von der Sache eine Gefahr ausgeht, so kann er für dadurch erlittene Nachteile in entsprechender Anwendung von § 39 Abs. 1 Buchst. a) OBG NRW wie ein Nichtstörer Entschädigung verlangen, wenn sich nachträglich herausstellt, dass die Gefahr in Wirklichkeit nicht bestand, und wenn er die den Anschein begründenden Umstände nicht zu verantworten hat. Diese Grundsätze sind nicht nur dann anzuwenden, wenn es lediglich um die Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers der (potentiellen) Gefahrenquelle geht, sondern auch dann, wenn der Betroffene als Handlungsstörer in Anspruch genommen wird, soweit das den Anschein der Gefahr begründende Verhalten rechtmäßig gewesen ist und keine in den haftungsrechtlichen Risikobereich des Handelnden fallende Verantwortlichkeit für die Anscheinsgefahr begründet hat (BGH, Urteil vom 23. Juni 1994 – III ZR 54/93 –, BGHZ 126, 279-287, Rn. 12). 33Die Polizei ist nicht nur dann zum Einschreiten berechtigt, wenn eine objektive Gefahr besteht, sondern sie kann auch dann, wenn eine Sachlage bei vernünftigem Ermessen den Anschein einer polizeilichen Gefahr erweckt, eingreifen, bis über das tatsächliche Vorliegen oder Nichtvorliegen einer polizeilichen Gefahr Klarheit geschaffen ist. Der von einer polizeilichen Maßnahme Betroffene braucht aber Eingriffe in sein Eigentum nicht entschädigungslos hinzunehmen, wenn die Polizei wegen des Anscheins einer Gefahr (oder eines bloßen Gefahrenverdachts) gegen ihn einschreitet und er den Anschein einer Gefahr (den Gefahrenverdacht) nicht schuldhaft hervorgerufen hat. Jedenfalls dann, wenn der Nachweis des Vorhandenseins einer objektiven Gefahr nicht geführt werden kann und der Betroffene den Gefahrenverdacht oder die Anscheinsgefahr nicht in zurechenbarer Weise herbeigeführt hat, kann der im Polizei- und Ordnungsrecht bestehende Grundsatz keine Geltung beanspruchen, dass Maßnahmen der Polizei- oder Ordnungsbehörde entschädigungslos hinzunehmen sind, wenn sie zur Vernichtung von Sachen führen, von denen eine Gefahr im polizei- oder ordnungsrechtlichen Sinne ausgeht (OLG Hamm, Urteil vom 08. Mai 1991 – 11 U 260/90 –, Rn. 20 m.w.N., juris; Revision zurückgewiesen mit Urteil des BGH vom 12. März 1992 – III ZR 128/91 –, juris). Dies gilt gleichermaßen, wenn – wie hier – durch die polizeiliche Maßnahme lediglich eine Vermögensdisposition des Betroffenen erforderlich wurde. 34Für die Frage der Entschädigung ist auf die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der polizeilichen Maßnahme abzustellen (OLG Frankfurt, Urteil vom 17. Mai 2018 – 1 U 202/17 –, Rn. 14, juris). 35Dass der Zustand des Reifens am Fahrzeug der Klägerin berechtigten Anlass zum polizeilichen Einschreiten bot, wurde oben bereits dargelegt. Diesen hat die Klägerin indes nicht etwa (schuldhaft) verursacht; entsprechenden Vortrag hat das beklagte Land nicht geleistet. 36Ebenso steht fest, dass der fragliche Reifen in Wirklichkeit nicht verkehrsunsicher war und keine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer bestand. Dies wurde nach dem insofern unbestrittenen Vortrag der Klägerin bereits am 08.10.2018 durch einen Mitarbeiter der TÜV Süd Auto Service GmbH sowie am 15.10.2018 auf dem als Anlage K 3 zur Klageschrift vorgelegten Kontrollbericht bestätigt. 37Angesichts dessen ist das Bestreiten des beklagten Landes, dass der am 19.10.2018 vom TÜV Süd begutachtete Reifen auch tatsächlich derjenige war, der sich am 06.10.2018 an der linken Hinterachse des Kraftomnibusses befand, unerheblich. Im Übrigen würde dies bedeuten, dass die Klägerin dem Sachverständigen einen anderen Reifen vorgeführt hätte, der sehr ähnliche Abnutzungsspuren aufwies wie der am 06.10.2018 beanstandete. Dies erscheint aufgrund seiner Lebensferne äußerst unwahrscheinlich. 38Auch die schlüssig dargelegte Höhe des eingeklagten Anspruchs hat das beklagte Land nicht erheblich bestritten. Dass zur möglichst zeitnahen Fortsetzung der Linienfahrt ein Ersatzbus beschafft sowie der beanstandete Bus an den Sitz der Klägerin zurückgefahren werden musste, ist plausibel. Andernfalls hätte sich die Klägerin sehr wahrscheinlich höheren Ersatzansprüchen ihres Auftraggebers oder der Fahrgäste ausgesetzt (§ 254 BGB). 39Die in Ansatz gebrachten Kosten erscheinen auch angemessen (§ 287 ZPO). Konkrete Einwände hat das beklagte Land hiergegen nicht erhoben. 40Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB. 41Schließlich ist die streitgegenständliche Forderung nicht verjährt. Auch wenn davon ausgegangen wird, dass die Verjährungsfrist mit Ablauf des 31.12.2021 endete, ist sie durch die am 30.12.2021 eingegangene Klage gehemmt worden (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Die Zustellung an das beklagte Land am 18.02.2022 erfolgte noch „demnächst“ im Sinne von § 167 ZPO. Die Klägerin hat den erforderlichen Gerichtskostenvorschuss auf die am 05.01.2022 erstellte Kostenrechnung am 11.01.2022 unverzüglich eingezahlt. Dass die Zustellung zunächst nicht an die zur Vertretung des Landes berufene Behörde bzw. eine falsche Anschrift erfolgt ist, beruhte zwar auf der entsprechenden, fehlerhaften Angabe in der Klageschrift. Dies hätte allerdings vom Gericht unschwer erkannt und – wie in vergleichbaren Fällen auch – im vermuteten Einverständnis der Klägerin berichtigt werden können. Die Zustellverzögerung war damit im Gerichtsbetrieb begründet und der Klägerin nicht mehr zuzurechnen. 42Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO. 43Streitwert: 2.453,70 €
das beklagte land wird verurteilt, an die klägerin 2.453,70 € nebst zinsen hieraus seit dem 19.02.2022 zu zahlen. die kosten des rechtsstreits trägt das beklagte land. das urteil ist gegen sicherheitsleistung in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages vorläufig vollstreckbar. 1
2am samstag, den 06.10.2018, wurde gegen 18:50 uhr der im alleineigentum der klägerin stehende und auf diese zugelassene sowie von dem bei ihr angestellten berufskraftfahrer q gesteuerte kraftomnibus mit dem amtl. kennzeichen ab-cd 000 ("g") während einer gewerblichen personenbeförderung mit fahrgästen in m, ortsteil x, i-straße/g-haltestelle, einer verkehrskontrolle durch die beiden beamtinnen des polizeipräsidiums köln pkin q1 und pkin t unterzogen. 3die beiden polizeibeamtinnen beanstandeten einen nicht ordnungsgemäßen und verkehrsunsicheren zustand der fahrzeugbereifung dahingehend, dass der hintere linke außenreifen (zwillingsbereifung) des klägerischen kom eine glatte lauffläche am äußeren teil aufweise und die kante zwischen lauffläche und reifenseitenwand nicht rund, sondern wellenförmig verlaufe. 4nach einem telefonat mit dem geschäftsführer der komplementärin der klägerin untersagten die beiden polizeibeamtinnen die weiterfahrt des mit fahrgästen besetzten kom. die klägerin beorderte daraufhin einen ersatzbus nach m, mit dem die linienfahrt fortgesetzt wurde, und veranlasste die rückbringung des streitgegenständlichen busses an ihren geschäftssitz. 5am montag, den 08.10.2018, erfolgte eine inaugenscheinnahme des kom mit dem montierten, verfahrensgegenständlichen hinteren linken rad durch einen mitarbeiter der fa. tüv süd auto service gmbh anlässlich einer anderweitigen, routinemäßigen hu-untersuchung an einem anderen kom der klägerin; der verfahrensgegenständliche kom wurde als in jeglicher hinsicht verkehrssicher beurteilt. 6die klägerin behauptet, entgegen der annahme der beiden polizeibeamtinnen habe die bereifung des klägerischen kom im kontrollzeitpunkt keinen verkehrsunsicheren oder sonst nicht ordnungsgemäßen zustand aufgewiesen. die reifen – insbesondere der äußere reifen hinten links – hätten keinen verkehrsunsicheren zustand aufgewiesen; es habe zu keiner zeit in keinster weise eine gefährdung der anderen verkehrsteilnehmer bestanden. die auswaschungen im seitenbereich des reifens seien nicht als verkehrsunsicher einzustufen. dies habe ein weiteres von der klägerin eingeholtes gutachten bestätigt. 7die beiden kontrollierenden polizeibeamtinnen hätten nicht über das technische wissen verfügt, den zustand eines kraftfahrzeuges auf seine vorschriftsmäßigkeit zu prüfen und das vorliegen einer - auch wesentlichen - beeinträchtigung der verkehrssicherheit zu beurteilen und festzustellen. 8die beiden polizeibeamtinnen hätten mindestens fahrlässig gehandelt, als sie hätten erkennen können, dass sich der kom der klägerin im verkehrsgemäßen zustand befindet. 9der klägerin seien kosten in höhe von 2.453,70 € entstanden, wegen deren berechnung auf seiten 8-10 der klageschrift verwiesen wird. 10die klägerin beantragt, 11das beklagte land zu verurteilen, an sie 2.453,70 € nebst zinsen hieraus seit rechtshängigkeit zu bezahlen. 12das beklagte land beantragt, 13die klage abzuweisen. 14es behauptet, anlass zur polizeilichen überprüfung des klägerischen fahrzeugs habe die meldung eines fahrgastes gegeben, die den eindruck gewonnen habe, dass der bus „schwammig" auf der straße liege. im bus habe sie direkt über der linken hinterachse gesessen. bei der überprüfung des busses seien neben dem ungewöhnlichen reifenzustand des fahrzeuges eine teilweise abgebrochene radkappe sowie karosserieschäden im bereich des radkastens festgestellt worden. dies habe den anlass für die einschreitenden polizeibeamten gegeben, von einem nicht verkehrssichereren zustand des fahrzeuges auszugehen. 15es werde mit nichtwissen bestritten, dass der durch das vorgelegte gutachten begutachtete reifen auch tatsächlich derjenige war, der sich am 06.10.2018 an der linken hinterachse des kraftomnibusses befand. 16das beklagte land ist der ansicht, dass selbst für den fall, dass das dortige kraftfahrzeug entgegen der annahme der polizeibeamtinnen verkehrssicher gewesen sein sollte, das vorliegen einer amtspflichtverletzung ohnehin in frage stehe. ausreichende verdachtsmomente dürfte der dargelegte zustand der reifen des fahrzeuges am einsatztag gegeben haben, wobei die polizeibeamtinnen gar nicht endgültig die weiterfahrt des busses untersagt hätten, sondern diese nur solange untersagt hätten, bis eine angeforderte weitere untersuchung des in rede stehenden fahrzeugreifens möglich gewesen wäre. 17außerdem erhebt das beklagte land die einrede der verjährung. 18wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den akteninhalt bezug genommen. 19die akten sta köln 952 js-owi 1288/19 waren beigezogen und gegenstand der mündlichen verhandlung. 20
21die klage ist zulässig und begründet. 22der klägerin stehen aufgrund des von ihr vorgetragenen sachverhalts zwar keine schadenersatzansprüche aus § 839 abs. 1 satz 1 bgb i.v.m. art. 34 gg gegen das beklagte land zu. 23entgegen der ansicht der klägerin kann nicht festgestellt werden, dass der geltend gemachte schaden auf einer schuldhaften amtspflichtverletzung der handelnden polizeibeamtinnen des beklagten landes beruht. 24grundsätzlich hat jeder beamte die pflicht, die aufgaben und befugnisse der juristischen person des öffentlichen rechts, in deren namen und rechtskreis er tätig wird, im einklang mit dem objektiven recht wahrzunehmen (mükobgb/papier/shirvani, 8. aufl. 2020, bgb § 839 rn. 246). dazu gehört unter anderem, vor einer hoheitlichen maßnahme, die geeignet ist, einen anderen in seinen rechten zu beeinträchtigen, den sachverhalt im rahmen des zumutbaren so umfassend zu erforschen, dass die beurteilungs- und entscheidungsgrundlage nicht in wesentlichen punkten zum nachteil des betroffenen unvollständig bleibt (mükobgb/papier/shirvani, aao, rn. 247). 25ist - wie hier - die art und weise des tätigwerdens einer verwaltungsbehörde ihrem pflichtgemäßen ermessen anheimgegeben, so liegt eine amtspflichtverletzung solange nicht vor, als die tätigkeit der behörde sich innerhalb der grenzen fehlerfreien ermessengebrauchs hält (bgh njw 1979, 1354, beck-online). 26die auf gesetzmäßiges verhalten bezogenen amtspflichten betreffen nicht allein die materiell-rechtlichen verhaltensnormen. erfasst sind grundsätzlich auch die vorschriften über die form des verwaltungshandelns, die zuständigkeit und das verfahren (mükobgb/papier/shirvani, aao, § 839 rn. 260). 27ausgehend von diesen grundsätzen bzw. gemessen an diesen maßstäben stellte es keine schuldhafte amtspflichtverletzung dar, wenn die polizeibeamtinnen die weiterfahrt des busses zunächst untersagt haben. 28die polizei ist im vorliegenden fall sowohl im rahmen ihrer aufgaben nach § 1 abs. 1 polg nrw als auch gemäß § 53 owig tätig geworden. dass der zustand des reifens des busses jedenfalls grund zu der annahme gab, dieser könnte eine gefahr für den straßenverkehr darstellen und einen bußgeldtatbestand erfüllen, steht außer zweifel. auf welche weise die polizistinnen hiervon kenntnis erlangt hatten, ist unerheblich. der gefahrenverdacht wurde auch nicht durch die telefonische äußerung des komplementärs der klägerin ausgeräumt, wonach sich der bus und insbesondere der reifen in verkehrssicherem zustand befinde, zumal die letzte untersuchung zwei tage zuvor stattgefunden haben sollte und der reifen ohne weiteres erst in der zwischenzeit beschädigt worden sein konnte. 29ob die polizeibeamtinnen die weiterfahrt nur so lange untersagen wollten, bis eine für diese zwecke besonders ausgebildete einheit vor ort eintraf, kann dahinstehen. nach ihrem eigenen vortrag hat die klägerin bereits aufgrund der erstmaligen untersagung der weiterfahrt den ersatzbus geordert, um ihren vertraglichen pflichten gegenüber ihrer auftraggeberin nachzukommen. der nunmehr geltend gemachte schaden wurde mithin bereits zu diesem zeitpunkt verursacht, ohne dass es darauf ankäme, ob weitere polizeiliche maßnahmen rechtmäßig gewesen wären und ob bzw. wann der bus wieder hätte freigegeben werden müssen. 30war die polizeiliche verfügung damit rechtmäßig, bestand auch kein entschädigungsanspruch nach § 67 polg nrw i.v.m. § 39 abs. 1 buchst. b) obg nrw (vgl. bgh, urteil vom 23. juni 1994 – iii zr 54/93 –, bghz 126, 279-287, rn. 5). 31ein solcher ist vorliegend aber in entsprechender anwendung der § 67 polg nrw i.v.m. § 39 abs. 1 buchst. a) obg nrw gegeben. 32wird der eigentümer einer sache als zustandsstörer (§ 18 obg nrw) in anspruch genommen, weil der durch tatsachen begründete anschein besteht, dass von der sache eine gefahr ausgeht, so kann er für dadurch erlittene nachteile in entsprechender anwendung von § 39 abs. 1 buchst. a) obg nrw wie ein nichtstörer entschädigung verlangen, wenn sich nachträglich herausstellt, dass die gefahr in wirklichkeit nicht bestand, und wenn er die den anschein begründenden umstände nicht zu verantworten hat. diese grundsätze sind nicht nur dann anzuwenden, wenn es lediglich um die zustandsverantwortlichkeit des eigentümers der (potentiellen) gefahrenquelle geht, sondern auch dann, wenn der betroffene als handlungsstörer in anspruch genommen wird, soweit das den anschein der gefahr begründende verhalten rechtmäßig gewesen ist und keine in den haftungsrechtlichen risikobereich des handelnden fallende verantwortlichkeit für die anscheinsgefahr begründet hat (bgh, urteil vom 23. juni 1994 – iii zr 54/93 –, bghz 126, 279-287, rn. 12). 33die polizei ist nicht nur dann zum einschreiten berechtigt, wenn eine objektive gefahr besteht, sondern sie kann auch dann, wenn eine sachlage bei vernünftigem ermessen den anschein einer polizeilichen gefahr erweckt, eingreifen, bis über das tatsächliche vorliegen oder nichtvorliegen einer polizeilichen gefahr klarheit geschaffen ist. der von einer polizeilichen maßnahme betroffene braucht aber eingriffe in sein eigentum nicht entschädigungslos hinzunehmen, wenn die polizei wegen des anscheins einer gefahr (oder eines bloßen gefahrenverdachts) gegen ihn einschreitet und er den anschein einer gefahr (den gefahrenverdacht) nicht schuldhaft hervorgerufen hat. jedenfalls dann, wenn der nachweis des vorhandenseins einer objektiven gefahr nicht geführt werden kann und der betroffene den gefahrenverdacht oder die anscheinsgefahr nicht in zurechenbarer weise herbeigeführt hat, kann der im polizei- und ordnungsrecht bestehende grundsatz keine geltung beanspruchen, dass maßnahmen der polizei- oder ordnungsbehörde entschädigungslos hinzunehmen sind, wenn sie zur vernichtung von sachen führen, von denen eine gefahr im polizei- oder ordnungsrechtlichen sinne ausgeht (olg hamm, urteil vom 08. mai 1991 – 11 u 260/90 –, rn. 20 m.w.n., juris; revision zurückgewiesen mit urteil des bgh vom 12. märz 1992 – iii zr 128/91 –, juris). dies gilt gleichermaßen, wenn – wie hier – durch die polizeiliche maßnahme lediglich eine vermögensdisposition des betroffenen erforderlich wurde. 34für die frage der entschädigung ist auf die tatsächlichen verhältnisse im zeitpunkt der polizeilichen maßnahme abzustellen (olg frankfurt, urteil vom 17. mai 2018 – 1 u 202/17 –, rn. 14, juris). 35dass der zustand des reifens am fahrzeug der klägerin berechtigten anlass zum polizeilichen einschreiten bot, wurde oben bereits dargelegt. diesen hat die klägerin indes nicht etwa (schuldhaft) verursacht; entsprechenden vortrag hat das beklagte land nicht geleistet. 36ebenso steht fest, dass der fragliche reifen in wirklichkeit nicht verkehrsunsicher war und keine gefährdung anderer verkehrsteilnehmer bestand. dies wurde nach dem insofern unbestrittenen vortrag der klägerin bereits am 08.10.2018 durch einen mitarbeiter der tüv süd auto service gmbh sowie am 15.10.2018 auf dem als anlage k 3 zur klageschrift vorgelegten kontrollbericht bestätigt. 37angesichts dessen ist das bestreiten des beklagten landes, dass der am 19.10.2018 vom tüv süd begutachtete reifen auch tatsächlich derjenige war, der sich am 06.10.2018 an der linken hinterachse des kraftomnibusses befand, unerheblich. im übrigen würde dies bedeuten, dass die klägerin dem sachverständigen einen anderen reifen vorgeführt hätte, der sehr ähnliche abnutzungsspuren aufwies wie der am 06.10.2018 beanstandete. dies erscheint aufgrund seiner lebensferne äußerst unwahrscheinlich. 38auch die schlüssig dargelegte höhe des eingeklagten anspruchs hat das beklagte land nicht erheblich bestritten. dass zur möglichst zeitnahen fortsetzung der linienfahrt ein ersatzbus beschafft sowie der beanstandete bus an den sitz der klägerin zurückgefahren werden musste, ist plausibel. andernfalls hätte sich die klägerin sehr wahrscheinlich höheren ersatzansprüchen ihres auftraggebers oder der fahrgäste ausgesetzt (§ 254 bgb). 39die in ansatz gebrachten kosten erscheinen auch angemessen (§ 287 zpo). konkrete einwände hat das beklagte land hiergegen nicht erhoben. 40der zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288 abs. 1, 291 bgb. 41schließlich ist die streitgegenständliche forderung nicht verjährt. auch wenn davon ausgegangen wird, dass die verjährungsfrist mit ablauf des 31.12.2021 endete, ist sie durch die am 30.12.2021 eingegangene klage gehemmt worden (§ 204 abs. 1 nr. 1 bgb). die zustellung an das beklagte land am 18.02.2022 erfolgte noch „demnächst“ im sinne von § 167 zpo. die klägerin hat den erforderlichen gerichtskostenvorschuss auf die am 05.01.2022 erstellte kostenrechnung am 11.01.2022 unverzüglich eingezahlt. dass die zustellung zunächst nicht an die zur vertretung des landes berufene behörde bzw. eine falsche anschrift erfolgt ist, beruhte zwar auf der entsprechenden, fehlerhaften angabe in der klageschrift. dies hätte allerdings vom gericht unschwer erkannt und – wie in vergleichbaren fällen auch – im vermuteten einverständnis der klägerin berichtigt werden können. die zustellverzögerung war damit im gerichtsbetrieb begründet und der klägerin nicht mehr zuzurechnen. 42die prozessualen nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 abs. 1, 709 zpo. 43streitwert: 2.453,70 €
345,921
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15 A 4113/19
2022-07-04T00:00:00
Urteil
Tenor Die Berufung wird zurückgewiesen. Das beklagte Land trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Land darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet. Die Revision wird nicht zugelassen. 1Tatbestand: 2Der Kläger ist Vorstandsvorsitzender des Vereins „L. h. G. e. V.“ und begehrt von dem beklagten Land Informationen über die Tätigkeit des sog. Slot Performance Monitoring Committee (SPMC) am Flughafen E. . 3Die Einführung des SPMC geht zurück auf das Genehmigungsverfahren zur Änderung der Betriebsregelung für das Parallelbahnsystem des Verkehrsflughafens E. , das mit der am 9. November 2005 erteilten Genehmigung des Ministeriums für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen (II A 2 - 31 - 21 3/III DL) abgeschlossen wurde. Nach der hiermit neu gefassten bzw. geänderten Ziffer 6.6 der Betriebsgenehmigung hat die Betreiberin des Flughafens, die Flughafen E. GmbH, die Umsetzung der in Ziffer 6.1 bis 6.4 festgelegten Betriebsregelung nachzuhalten. Ziffer 6.6.1 sieht vor, dass sie hierzu ein „Slot Performance Monitoring Committee“ (SPMC) einzurichten hat, dessen Arbeitsweise und Zusammensetzung mindestens den Vorgaben aus der Mustergeschäftsordnung entsprechen müssen, die der Genehmigung als Anlage 1 beigefügt ist. 4In der Begründung der Genehmigung heißt es hierzu (S. 95 f.): „Die Einführung des Slot Performance Monitoring Committees (SPMC) ist sowohl ein praktikables wie auch geeignetes Mittel zur Überwachung der ordnungsgemäßen Nutzung der zugewiesenen Slots. In Deutschland sind für die Flughäfen G1. b. N. und N. solche Committees eingerichtet. Sie haben sich dort bewährt. Alle Mitglieder des SPMC sind äußerst fachkundig. Insbesondere die konkurrierenden Airlines werden auf Einhaltung der zugewiesenen Slots drängen, um ‚erschlichene‘ Wettbewerbsvorteile zu verhindern. Dadurch dass auch das BMVBW“ [Anmerkung: gemeint ist das damalige Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen] „Mitglied des Committees ist, haben unlauter agierende Airlines mit Sanktionen zu rechnen. Das Eskalationssystem reicht von Ordnungsverfügungen bis hin zu Verkehrsverboten durch das BMVBW.“ 5Nach seiner Geschäftsordnung ist das SPMC als Unterausschuss des Koordinierungsausschusses am Flughafen E. eingerichtet worden. Seine „wesentlichen Aufgaben“ sind gemäß dieser Ordnung: 6- „die Identifikation derjenigen Flughafennutzer, welche den Prozess der Slot-Zuteilung und/oder Slot-Nutzung vorsätzlich und regelmäßig missbrauchen; 7- die Kommunikation mit den des Missbrauchs identifizierten Flughafennutzern und - in Fällen, in denen ein offensichtlicher Missbrauch festgestellt werden konnte - die Aufforderung zur Abgabe einer Erklärung für dieses Verhalten; 8- die Information der zuständigen Stellen (BMVBW) über derartige Missbrauchstatbestände einschließlich der Empfehlung von geeigneten Maßnahmen und Verfahrensweisen zur Abhilfe des festgestellten Missbrauchs; 9- die regelmäßige Berichterstattung an den Koordinierungsausschuss am Flughafen E. “. 10Mitglieder des SPMC sind das Airline Operators Committee, der Board of Airline Representatives in Germany e. V., die Deutsche Flugsicherung GmbH, die Flughafen E. GmbH sowie acht Fluggesellschaften. Die Flughafenkoordination Deutschland GmbH (Fluko), das Ministerium für Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen (VM NRW) und das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) nehmen in beratender Funktion bzw. als Beobachter an den Sitzungen des SPMC teil. 11Mit Email vom 4. Oktober 2016 beantragte der Kläger sinngemäß gegenüber dem VM NRW, ihm gemäß § 4 des Gesetzes über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen (IFG NRW) Zugang zu 12- sämtlichen Tagesordnungen und Protokollen des SPMC am Flughafen E. , 13- einer Liste der aktuellen Mitglieder des SPMC, 14- allen Unterlagen, aus denen ersichtlich ist, welche Flughafennutzer im Sinne der Geschäftsordnung des SPMC und dessen Bewertung den Prozess der Slot-Zuteilung und/oder der Slot-Nutzung vorsätzlich und regelmäßig missbrauchen; dazu auch den vom VM NRW geführten Schriftverkehr mit dem SPMC bzw. den einzelnen Airlines sowie 15- Informationen darüber, in welcher geeignet erscheinenden Weise das SPMC die Flughafennutzer aufgefordert hat, den Missbrauch abzustellen; dazu auch den vom VM NRW geführten Schriftverkehr mit dem SPMC bzw. den einzelnen Airlines, 16zu gewähren. 17Mit Bescheid vom 20. Oktober 2016 lehnte das VM NRW den Antrag ab und gab zur Begründung an: Dem Anspruch auf Akteneinsicht stünden die Ausschlusstatbestände nach § 6 Satz 1 Buchst. c und § 7 Abs. 1 IFG NRW entgegen. Durch die begehrte Akteneinsicht würden Angaben und Mitteilungen einer öffentlichen Stelle des Bundes ohne deren Zustimmung offenbart. Denn die Aufgabe der Flughafenkoordination sei eine ausschließliche Aufgabe des Bundes und das SPMC ein Unterausschuss des Koordinierungsausschusses am Flughafen E. . Der Zugang zu Informationen betreffend die Slot-Koordinierung sei ferner spezialgesetzlich und abschließend in Art. 4 Abs. 8 der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 des Rates vom 18. Januar 1993 über gemeinsame Regeln für die Zuweisung von Zeitnischen auf Flughäfen in der Gemeinschaft geregelt. Danach dürften Informationen nur an die Parteien der Koordinierung und insbesondere den Koordinierungsausschuss weitergegeben werden. Darüber hinaus handele es sich bei den Sitzungsniederschriften des SPMC um Protokolle vertraulicher Beratungen. Die Vertraulichkeit ergebe sich aus dem Beratungsgegenstand. In den Beratungen werde erörtert, ob und wann es in Einzelfällen zu unzulässigen Slot-Nutzungen gekommen sei. 18Am 18. November 2016 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Er hat vorgetragen: Es gehe ihm um den Zugang zu amtlichen Informationen i. S. d. Informationsfreiheitsgesetzes, die bei dem VM NRW vorhanden seien. Es handele sich dabei nicht um Informationen, die der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG zuzuordnen seien. Der Auskunftsanspruch sei auch nicht nach § 6 Satz 1 Buchst. c IFG NRW ausgeschlossen. Zwar sei das SPMC ein Unterausschuss des Flughafenkoordinators am Flughafen E. , der vom BMVI nach Maßgabe des § 31a des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) eingesetzt worden sei. Der Flughafenkoordinator sei jedoch ein beliehenes Unternehmen des Privatrechts und als solches keine öffentliche Stelle des Bundes. Ferner sei der Flughafen E. mit der Auflage in Ziffer 6.6.1 der Betriebsgenehmigung vom 9. November 2005 durch das VM NRW verpflichtet worden, das SPMC einzurichten, um die in der Betriebsgenehmigung festgelegten Regelungen nachzuhalten und zu kontrollieren. Ein Zusammenhang zu den Aufgaben des Flughafenkoordinators bestehe nicht. Das SPMC selbst sei damit ebenfalls keine öffentliche Stelle des Bundes, sondern eine öffentliche Stelle des Landes. Selbst wenn das beklagte Land Bundesrecht anwenden würde, wäre der Informationsanspruch aus § 4 Abs. 1 IFG NRW dadurch nicht gesperrt. Der Flughafenkoordinator könne die Herausgabe der Protokolle des SPMC nicht verweigern, da er nur in beratender Funktion an dessen Sitzungen teilnehme. Unabhängig davon sei nicht ersichtlich, inwiefern durch die Veröffentlichung der in Rede stehenden Informationen öffentliche Belange des Bundes gefährdet werden könnten. Dass eine Information vertraulich erhoben oder ermittelt werde, könne für sich genommen ohne Hinzutreten eines objektiv anzuerkennenden Schutzbedürfnisses nicht zum Ausschluss des Informationszugangs führen. Der Auskunftsanspruch sei ferner nicht nach § 7 IFG NRW ausgeschlossen. Der Ausschlusstatbestand erfasse nur Unterlagen, die den Entscheidungsbildungsprozess innerhalb von Behörden oder öffentlichen Stellen beträfen. Daran fehle es hier. Es handele sich bei dem SPMC weder um eine Behörde noch eine öffentliche Stelle. An dessen Sitzungen nähmen Privatrechtssubjekte teil, so dass interne Beratungen einer Behörde ohnehin nicht betroffen sein könnten. Es existiere ferner keine vertragliche oder anderweitige Vereinbarung, aus der sich die Vertraulichkeit der Beratungen ergebe. Zudem begehre der Kläger nur Zugang zu Informationen über bereits abgeschlossene Vorgänge, über Beratungsgegenstände und die Ergebnisse der Beratungen des SPMC, die nicht von § 7 IFG NRW geschützt seien. Im Übrigen liege die Offenbarung der begehrten Informationen im öffentlichen Interesse, da sie Zuwiderhandlungen der Fluggesellschaften dokumentierten. Der Kläger könne nicht auf die Protokolle der Fluglärmkommission verwiesen werden, da deren Berichte zu oberflächlich und intransparent seien. 19Der Kläger hat beantragt, 20das beklagte Land unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Ministeriums für Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen vom 20. Oktober 2016 zu verpflichten, ihm Zugang zu 21- sämtlichen Tagesordnungen und Protokollen des SPMC seit Beginn seiner Tätigkeit, 22- allen Unterlagen, aus denen ersichtlich ist, welche Flughafennutzer im Sinne der Geschäftsordnung des SPMC und dessen Bewertungen den Prozess der Slot-Zuteilung und/oder der Slot-Nutzung vorsätzlich und regelmäßig missbrauchen; dazu auch den von dem beklagten Land geführten Schriftverkehr mit dem SPMC bzw. mit den einzelnen Airlines, 23- Informationen darüber, in welcher geeignet erscheinenden Weise das SPMC die Flughafennutzer aufgefordert hat, den Missbrauch abzustellen; dazu auch den von dem beklagten Land geführten Schriftverkehr mit dem SPMC bzw. den einzelnen Airlines, 24zu gewähren. 25Das beklagte Land hat beantragt, 26die Klage anzuweisen. 27Es hat geltend gemacht, die Flughafenkoordinierung sei gemäß § 2 Abs. 3 der Verordnung über die Durchführung der Flughafenkoordinierung (FHKV) i. V. m. § 27a Abs. 2, § 32 Abs. 1 Nr. 17 LuftVG Aufgabe des Bundes. Diese sei auf die öffentlich beliehene Fluko übertragen worden. Sie überwache die Flugbewegungen anhand der den Fluggesellschaften zugewiesenen Slots und berichte an das Bundesamt für Flugsicherung. Das SPMC diene dem Flughafenkoordinator dazu, Maßnahmen nach Art. 14 Abs. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 zu ergreifen oder eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 4 FHKV festzustellen. Das SPMC sei damit ein Mittel der direkten Aufgabenerfüllung des Flughafenkoordinators. Es diene auch dem anlagenbezogenen Lärmschutz, der von der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG umfasst sei. Demnach sei das SPMC eine öffentliche Stelle des Bundes im Sinne des § 6 Satz 1 Buchst. c IFG NRW, so dass nur der Bundesgesetzgeber die Voraussetzungen für eine Information im Zusammenhang mit der Flughafenkoordinierung regeln könne. Das Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen sei insofern schon nicht anwendbar. Auch aus Art. 4 Abs. 8 der VO (EWG) Nr. 95/93 resultiere kein Anspruch auf Informationszugang für den Kläger. Sofern dort auch „interessierten Parteien“ ein Informationsanspruch zustehe, setze dies eine bestimmte Sachnähe der auskunftsbegehrenden Person zum Koordinierungsverfahren voraus. Darüber hinaus handele es sich bei den Sitzungsprotokollen des SPMC um Protokolle vertraulicher Beratungen i. S. d. § 7 Abs. 1 Var. 3 IFG NRW. Die Vorschrift schütze die effektive und neutrale Entscheidungsfindung innerhalb von Behörden. Vertrauliche Protokolle seien gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 IFG NRW auch nach Abschluss des Entscheidungsbildungsprozesses teilweise noch geschützt. Ausnahmen würden nur für die Beratungsergebnisse gelten. Über diese werde jedoch regelmäßig in der Fluglärmkommission am Flughafen E. berichtet. Die Vertraulichkeit folge aus Art. 4 Abs. 8 der VO (EWG) Nr. 95/93 und aus dem Umstand, dass die Sitzungen des SPMC nicht öffentlich zugänglich seien. Darüber hinaus wäre im Falle einer Offenbarung der Protokolle die Funktionsfähigkeit des SPMC gefährdet. Der Erfolg des Gremiums basiere auf der offenen und vorbehaltlosen Kommunikation seiner Mitglieder. Eine Veröffentlichung der Sitzungsprotokolle würde zur Auflösung des SPMC oder jedenfalls zu einer Lähmung der Gremienarbeit führen, da die Luftverkehrsgesellschaften ihre freiwillige Mitarbeit dann beenden würden. 28Mit dem angefochtenen Urteil vom 23. September 2019 hat das Verwaltungsgericht das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides des VM NRW vom 20. Oktober 2016 verpflichtet, den Antrag des Klägers vom 4. Oktober 2016 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Dem Kläger stehe der geltend gemachte Auskunftsanspruch nach § 4 Abs. 1 IFG NRW dem Grunde nach zu. Ob und inwieweit diesem Anspruch möglicherweise nach § 8 Satz 1 IFG NRW geschützte Rechtspositionen Dritter entgegenstünden, könne derzeit jedoch nicht abschließend beurteilt werden. Daher könne der Kläger mangels Spruchreife lediglich die Neubescheidung seines Auskunftsbegehrens verlangen. Es gehe hier um Informationen, die die Verwaltungstätigkeit einer Behörde des Landes Nordrhein-Westfalen - hier: des VM NRW - beträfen. Der Kläger begehre ausschließlich Zugang zu Informationen, die dem VM NRW in seiner Funktion als Beobachter im SPMC zur Kenntnis gelangt seien. Der Auskunftsanspruch sei nicht nach § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW i. V. m. Art. 4 Abs. 8 der VO (EWG) Nr. 95/93 gesperrt. Jene Verordnungsregelung habe einen anderen persönlichen Anwendungsbereich als das Informationsfreiheitsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen und betreffe einen anderen Sachverhalt. Dem Auskunftsanspruch des Klägers stehe gegenwärtig auch nicht der Ausschlussgrund des § 6 Satz 1 Buchst. c IFG NRW entgegen. Vorliegend seien zwar Angaben und Mitteilungen öffentlicher Stellen des Bundes betroffen. Das beklagte Land habe es jedoch versäumt, die Zustimmung bzw. Ablehnung der betroffenen Stellen einzuholen. Im Übrigen könne der Anspruch nach der vorgenannten Vorschrift nur verweigert werden, „soweit und solange“ Angaben und Mitteilungen betroffener Stellen ohne deren Zustimmung offenbart würden. Die informationspflichtige Stelle dürfe Informationen nur in dem Umfang zurückzuhalten, wie dies zu einer Schadensvermeidung unerlässlich sei. Das beklagte Land habe nicht ansatzweise dargelegt, welche konkreten Bestandteile der von dem Kläger begehrten Informationen hiernach zurückzuhalten seien und welche nicht. Dem Auskunftsanspruch des Klägers stehe gegenwärtig auch nicht der Ausschlussgrund des § 7 Abs. 1 Var. 3 IFG NRW entgegen, wonach der Informationszugang für Protokolle vertraulicher Beratungen abzulehnen sei. Bei den Protokollen der Sitzungen des SPMC handele es sich zwar um vertrauliche Protokolle in diesem Sinne, da die Sitzungen nicht öffentlich zugänglich seien. Die Vorschrift schütze aber nur die eigentlichen Beratungs- und Abwägungsvorgänge, nicht hingegen die Tagesordnungspunkte, die den Beratungen zugrundeliegenden Sachinformationen sowie die Beratungsergebnisse. Ob und gegebenenfalls inwieweit der Anspruch des Klägers aufgrund von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen Dritter - insbesondere der an den Sitzungen des SPMC teilnehmenden Luftverkehrsgesellschaften und sonstigen Mitglieder - nach § 8 Satz 1 IFG NRW ausgeschlossen sei, könne erst nach Durchführung des in Satz 4 der Norm vorgesehenen Anhörungsverfahrens entschieden werden und hänge überdies von der Einwilligung des oder der betroffenen Dritten ab. Dieses Anhörungsverfahren durchzuführen, sei Aufgabe des beklagten Landes, nicht des Gerichts. 29Zur Begründung seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung nimmt das beklagte Land zunächst auf seinen erstinstanzlichen Vortrag Bezug und trägt ergänzend im Wesentlichen vor: Das Informationsrecht werde durch besondere Rechtsvorschriften im Sinne des § 4 Abs. 2 IFG NRW beschränkt. Das Verwaltungsgericht verkenne hierbei den Zusammenhang zwischen der Vergabe der Slots und der Kontrolle ihrer Einhaltung. Für die Kontrolle der Einhaltung der Slots müsse der Rahmen der Worldwide Slot Guidelines (WSG) zur Anwendung kommen. Deren Anwendbarkeit komme in den Erwägungsgründen der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 und in deren Art. 8 Abs. 5 zum Ausdruck. In den WSG sei auch der Zugang zu Informationen des SPMC eindeutig geregelt. 30Zudem sei das SPMC entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts als Teil des Koordinierungsausschusses eine Stelle des Bundes, so dass der Schutz öffentlicher Belange nach § 6 Satz 1 Buchst. c IFG NRW greife. Würden entgegen den Vorgaben der WSG Informationen an Unbeteiligte herausgegeben, könne dies für den Flughafenkoordinator ernsthafte Folgen haben. Dieser wäre durch eine Auflösung oder Arbeitsunfähigkeit des SPMC in seinem Arbeitsverhältnis mit den Airlines betroffen. Der Bund könnte noch wesentlich weitreichendere Folgen zu tragen haben. Eine Veröffentlichung von Informationen gegen den Willen ausländischer Airlines könne zumindest bei einigen politisch „schwierigen“ Staaten zu Störungen der internationalen Beziehungen führen. Ein gleichlautender Antrag des Klägers bei den Bundesstellen sei nach Kenntnisstand des beklagten Landes aus diesem Grund auch abgelehnt worden. Bei einer Veröffentlichung von Informationen würden die Airlines des SPMC ihre Teilnahme dauerhaft verweigern. 31Ferner greife der Schutz des behördlichen Entscheidungsbildungsprozesses nach § 7 Abs. 1 Var. 3 IFG NRW. Soweit das Verwaltungsgericht eine Vertraulichkeit der Protokolle des SPMC hinsichtlich der Tagesordnungspunkte, der den Beratungen zugrunde liegenden Sachinformationen und der Beratungsergebnisse verneint habe, verkenne es die möglichen Wirkungen, die sich aus den Tagesordnungspunkten und Sachinformationen ergeben könnten. Die Beratungsergebnisse würden ohnehin regelmäßig veröffentlicht und seien frei zugänglich. 32Schließlich komme auch der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (§ 8 IFG NRW) zum Tragen. Es sei nicht zu leisten, eine Einwilligung von ca. 160 Fluggesellschaften einzuholen und in jedem Einzelfall zu prüfen, ob vorgetragene Einwände zu überzeugen vermögen. 33Das beklagte Land erläutert im Übrigen das bisherige Prozedere der Sitzungen des SPMC und den Vorgang der Slot-Zuweisung. 34Das beklagte Land beantragt, 35das angefochtene Urteil im Umfang der Berufung zu ändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen. 36Der Kläger beantragt, 37die Berufung zurückzuweisen. 38Er trägt im Wesentlichen vor: Die begehrten Informationen müssten bei dem beklagten Land vorhanden sein. Er, der Kläger, habe im September 2019 einen Informationszugangsantrag bezüglich des SPMC am Flughafen E. bei der Fluko gestellt. Diese habe darauf hingewiesen, dass die streitgegenständlichen Informationen bei dem beklagten Land und der Flughafen E. GmbH vorlägen. 39Es liege keine Sperre durch § 4 Abs. 2 IFG NRW vor. Die vom beklagten Land herangezogenen WSG seien nur Empfehlungen und hätten keine Normqualität. Sie regelten auch keine Informationszugangsansprüche natürlicher Personen. Soweit das beklagte Land weiter auf die Verordnung (EWG) Nr. 95/93 verweise, beziehe deren Art. 8 sich lediglich auf die Slotzuweisung, nicht auf die Slotnutzung. 40Der Ausschlussgrund nach § 6 Satz 1 Buchst. c IFG NRW greife nicht. Sein, des Klägers, Informationszugangsbegehren erfasse keine Angaben oder Mitteilungen öffentlicher Stellen des Bundes oder anderer Länder, sondern beziehe sich allein auf Unterlagen und Informationen des beklagten Landes. Das SPMC sei als Beliehener eine öffentliche Stelle dieses Landes, so dass es insoweit keiner Zustimmung bedürfe. Das sei bereits erstinstanzlich ausgeführt worden. 41Auch der Ausschlussgrund nach § 7 Abs. 1 Var. 3 IFG NRW stehe hier nicht entgegen. Nur ein Teil des Zugangsbegehrens beziehe sich auf Protokolle. Insoweit fehle es an einer gesetzlichen Regelung zur Vertraulichkeit der Sitzungen des SPMC. 42Der Ausschlussgrund des § 8 IFG NRW greife vorliegend ebenfalls nicht. Hier gehe es nicht um Geschäftsgeheimnisse. Die streitigen Informationen hätten keinen wirtschaftlichen Wert und keine Wettbewerbsrelevanz. Sie beträfen alte und abgeschlossene Vorgänge. Zudem seien sie anderen Unternehmen aus Flughafenkreisen und grundsätzlich auch der Öffentlichkeit bekannt. Ferner fehle es an einem berechtigten Geheimhaltungsinteresse. Informationen über Rechtsverstöße seien nicht schutzwürdig. Ein eventueller Schaden wäre im Übrigen auch nur geringfügig i. S. v. § 8 Satz 3 IFG NRW. 43Schließlich komme neben dem Anspruch aus dem IFG NRW zu seinen Gunsten ggf. auch ein solcher nach dem Umweltinformationsrecht in Betracht. 44Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen. 45Entscheidungsgründe: 46Die Berufung des beklagten Landes hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der in dem Begehren des Klägers enthaltenen Bescheidungsklage - zum Teil allerdings nur im Ergebnis - zu Recht stattgegeben. Der Kläger hat einen Anspruch gegen das beklagte Land auf Neubescheidung seines Informationszugangsantrags vom 4. Oktober 2016, dessen Unterpunkte bis auf die ursprüngliche Nummer 2 („Eine Liste der aktuellen Mitglieder des SPMC“) im Berufungsverfahren weiterhin streitgegenständlich sind. Der ablehnende Bescheid des VM NRW vom 20. Oktober 2016 erweist sich daher als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten i. S. v. § 113 Abs. 5 VwGO. 47Dem Kläger steht ein Anspruch auf Neubescheidung seines Informationszugangsantrags zu. Diesen Anspruch kann der Kläger auf das Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen stützen (dazu A.), nicht hingegen auf das Umweltinformationsrecht (dazu B.). 48A. Nach § 4 Abs. 1 IFG NRW hat jede natürliche Person nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den in § 2 genannten Stellen Anspruch auf Zugang zu den bei der Stelle vorhandenen amtlichen Informationen. 49I. Der Informationsanspruch des Klägers gegen das beklagte Land ist nicht aufgrund von § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift treten die Bestimmungen des Informationsfreiheitsgesetzes Nordrhein-Westfalen zurück, soweit besondere Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen, die Auskunftserteilung oder die Gewährung von Akteneinsicht bestehen. Solche besonderen Rechtsvorschriften, die den Informationszugang nach § 4 Abs. 1 IFG NRW sperren, existieren nicht. 50Unter Rechtsvorschriften i. S. d. § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW sind bereichsspezifische Gesetze des Bundes oder des Landes zu verstehen, die einen Informationsanspruch regeln. Wie das Tatbestandsmerkmal „soweit“ zeigt, sind nur solche Vorschriften als vorrangig in Betracht zu ziehen, die denselben Sachverhalt abschließend - sei es identisch, sei es abweichend - regeln. Konkurrenzfragen sind in jedem konkreten Einzelfall durch eine systematische, an Sinn und Zweck des Gesetzes orientierte Auslegung der jeweiligen Informationszugangsrechte zu klären. Um die Bestimmung des Verhältnisses verschiedener Informationszugangsrechte untereinander vornehmen zu können, müssen vor allem deren jeweilige Regelungsmaterien berücksichtigt werden. Eine Vorrangigkeit im Sinne einer Ausschließlichkeit ist nur dort anzunehmen, wo die jeweiligen Rechte die gleichen Anliegen verfolgen und/oder identische Zielgruppen erfassen. Eine besondere Rechtsvorschrift im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW liegt daher nur dann vor, wenn ihr Anwendungsbereich in sachlicher Hinsicht wegen spezifischer Anforderungen an die Informationen, die der Rechtsvorschrift unterfallen, und/oder in persönlicher Hinsicht wegen spezifischer Anforderungen an die Personen, auf welche die Rechtsvorschrift Anwendung findet, beschränkt ist. Wenn spezialgesetzliche Regelungen für einen gesonderten Sachbereich oder für bestimmte Personengruppen einen begrenzten Informationsanspruch vorsehen, ist deshalb im Einzelfall zu untersuchen, ob diese Grenzen auch für den Anspruch aus § 4 Abs. 1 IFG NRW bindend sind. Dies ist anzunehmen, wenn ein umfassender Informationsanspruch dem Schutzzweck des Spezialgesetzes zuwider laufen würde. Lässt sich derartiges nicht feststellen, gelangt der Anspruch aus § 4 Abs. 1 IFG NRW zur Anwendung. 51Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. November 2020- 15 A 4409/18 -, juris Rn. 110 f., m. w. N. 521. Vorrangige Rechtsvorschriften in diesem Sinne ergeben sich nicht aus der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 des Rates vom 18. Januar 1993 über gemeinsame Regeln für die Zuweisung von Zeitnischen auf Flughäfen in der Gemeinschaft („Slot-Verordnung“), insbesondere nicht aus deren Art. 4 Abs. 8. 53Dabei mag dahinstehen, ob ein Konkurrenzverhältnis zwischen einer Regelung des europäischen Rechts und dem nationalen Informationsfreiheitsrecht hier schon daran scheitert, dass das EU-Recht in der Regel keinen Zugang zu amtlichen Informationen gegenüber Behörden normiert und damit ein wesentliches Element für das Vorliegen einer Kollisionslage fehlt. 54So zu § 1 Abs. 3 IFG Bund: Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 1 Rn. 304. 55Denn es ist jedenfalls nicht zu erkennen, dass ein umfassender Informationsanspruch nach § 4 Abs. 1 IFG NRW einem Schutzzweck der „Slot-Verordnung“ zuwiderliefe. Das gilt vor allem auch mit Blick auf die Regelung in Art. 4 Abs. 8 der Verordnung, wonach „der Koordinator […] interessierten Parteien, insbesondere den Mitgliedern des Koordinierungsausschusses oder den Beobachtern im Ausschuss, auf Anfrage innerhalb einer angemessenen Frist und unentgeltlich folgende Informationen entweder in schriftlicher oder anderer leicht zugänglicher Form zur Überprüfung zur Verfügung (stellt): 56a) die bestehenden Zeitnischen für alle Luftfahrtunternehmen auf dem Flughafen, aufgeschlüsselt nach Luftfahrtunternehmen und in zeitlicher Reihenfolge; 57b) beantragte Zeitnischen (Erstanträge), aufgeschlüsselt nach Luftfahrtunternehmen und in zeitlicher Reihenfolge für alle Luftfahrtunternehmen; 58c) alle zugewiesenen Zeitnischen und die noch nicht beschiedenen Anträge auf Zeitnischen, aufgeschlüsselt nach Luftfahrtunternehmen und in zeitlicher Reihenfolge für alle Luftfahrtunternehmen; 59d) noch verfügbare Zeitnischen; 60e) vollständige Angaben über die Zuweisungskriterien.“ 61Die Erwägungsgründe der Verordnung sagen hierzu aus, dass „die Transparenz der Informationen […] eine wesentliche Voraussetzung (ist), um ein objektives Verfahren für die Zuweisung von Zeitnischen sicherzustellen.“ 62Weder daraus noch aus anderen Umständen wird ersichtlich, dass Art. 4 Abs. 8 der Verordnung das Ziel verfolgt, weitergehende Informationsansprüche auszuschließen, erst recht nicht solche, die gar nicht gegen den „Koordinator“ gerichtet sind. 63Die vom beklagten Land in der mündlichen Verhandlung herausgestellte zeitliche Priorität der „Slot-Verordnung“ gegenüber den Vorschriften des Informationsfreiheitsrechts führt zu keinem anderen Ergebnis. Ist der Verordnung ein auf den Ausschluss anderweitiger Informationszugangsrechte gerichteter Schutzzweck nicht zu entnehmen, kann dieser nicht fingiert werden, nur weil im Nachhinein solche Rechte geschaffen worden sind. Im Übrigen hätte es sowohl den europäischen als auch den nationalen Rechtssetzungsorganen freigestanden, nach dem Inkrafttreten der Informationsfreiheitsgesetze Regelungen zu schaffen, die einen Informationszugang auf den durch Art. 4 Abs. 8 der „Slot-Verordnung“ vorgegebenen Rahmen beschränken; dies ist jedoch nicht geschehen. 642. Auch aus den vom beklagten Land herangezogenen „World Airport Slot Guidelines“ der IATA (International Air Transport Association), 65https://www.iata.org/contentassets/4ede2aabfcc14a55919e468054d714fe/wasg-edition-1-english-version.pdf (Fassung aus dem Jahr 2020), zuletzt abgerufen am 1. Juli 2022, 66ergeben sich keine Rechtsvorschriften im Sinne des § 4 Abs. 2 IFG NRW. Das gilt schon deshalb, weil es sich hierbei nicht um „Rechtsvorschriften“ handelt, sondern um Regelungen, die von einer Organisation des Luftverkehrsgewerbes geschaffen worden sind. Die Guidelines sind auch nicht durch die Verordnung (EWG) Nr. 95/93 dergestalt inkorporiert worden, dass sie durch Bezugnahme in den Rang von Verordnungsrecht erhoben worden wären. Nach Art. 8 Abs. 5 Satz 1 der Verordnung „berücksichtigt“ der Koordinator lediglich „des Weiteren zusätzliche Regelungen und Leitlinien, die das Luftverkehrsgewerbe weltweit oder gemeinschaftsweit festgelegt hat“. Auch durch den Erwägungsgrund, wonach „die für das gegenwärtige System der Zeitnischenzuweisung maßgeblichen Grundsätze […] als Grundlage dieser Verordnung dienen (können), sofern sich dieses System im Einklang mit der Entwicklung des Verkehrs in der Gemeinschaft weiterentwickelt“, ist eine Erhebung zum Verordnungsrecht nicht mit der notwendigen Eindeutigkeit zum Ausdruck gebracht. 67II. Der Kläger ist eine nach § 4 Abs. 1 IFG NRW anspruchsberechtigte natürliche Person und das beklagte Land eine nach § 2 IFG NRW anspruchsverpflichtete Stelle, bei der auch vom Kläger begehrte amtliche Informationen - schon aus der Stellung des Landes als Teilnehmer an den Sitzungen des SPMC - vorhanden sind. 68III. Der vom Kläger gestellte Informationszugangsantrag genügt den in § 5 Abs. 1 Satz 3 IFG NRW niedergelegten Bestimmtheitsanforderungen. Nach dieser Vorschrift muss der Antrag hinreichend bestimmt sein und insbesondere erkennen lassen, auf welche Informationen er gerichtet ist. Das ist hier der Fall. 69Durchgreifende Bedenken gegen die notwendige Bestimmtheit folgen nicht daraus, dass das mit dem zweiten Spiegelstrich des Klageantrags beschriebene Begehren auf Unterlagen zu Flughafennutzern zielt, die „im Sinne der Geschäftsordnung des SPMC und dessen Bewertung den Prozess der Slot-Zuteilung und/oder der Slot-Nutzung vorsätzlich und regelmäßig missbrauchen“. Die Qualifizierung eines Missbrauchs als „vorsätzlich und regelmäßig“ erfordert zwar eine Wertung, die von der anspruchsverpflichteten Stelle bei der Gewährung des Informationszugangs nicht zu leisten wäre. Das Begehren des Klägers zielt indes erkennbar auf den Zugang zu Unterlagen, in denen eine durch das SPMC vorgenommene und zum Ausdruck gebrachte Qualifizierung festgehalten worden ist. Auch dass der Antrag des Klägers im Übrigen auf einen „Missbrauch“ des Prozesses der Slot-Zuteilung bzw. der Slot-Nutzung abstellt, begründet keine Unbestimmtheit. Denn dieser Begriff wird durch die in Bezug genommene Geschäftsordnung des SPMC konkretisiert; gemeint sind hiernach Sachverhalte, in denen Flughafennutzer „die vom FHKD zugeteilten Slots […] nicht nutzen, einen Flug gänzlich ohne Slot oder zu einer anderen als der zugewiesenen Slot-Zeit durchführen“. 70IV. Ausschlussgründe des § 6 Satz 1 IFG NRW stehen einem Anspruch des Klägers auf Neubescheidung nach Aktenlage nicht entgegen. Das gilt namentlich für die Gründe in Buchst. a (dazu 1.) und in Buchst. c (dazu 2.) der Vorschrift. 711. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a IFG NRW ist der Antrag auf Informationszugang abzulehnen, soweit und solange das Bekanntwerden der Information die Landesverteidigung, die internationalen Beziehungen, die Beziehungen zum Bund oder zu einem Land oder die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, insbesondere die Tätigkeit der Polizei, des Verfassungsschutzes, der Staatsanwaltschaften oder der Behörden des Straf- und Maßregelvollzugs einschließlich ihrer Aufsichtsbehörden beeinträchtigen würde. 72a) Eine drohende Beeinträchtigung internationaler Beziehungen hat das beklagte Land allein durch seinen Vortrag, dass eine Veröffentlichung von Informationen gegen den Willen ausländischer Airlines zumindest bei einigen politisch „schwierigen“ Staaten zu Störungen der internationalen Beziehungen führen könne, nicht substantiiert dargelegt. 73Der mögliche Eintritt von Nachteilen für die internationalen Beziehungen kann nur Gegenstand einer plausiblen und nachvollziehbaren Prognose sein, die ihrerseits nur in engen Grenzen verwaltungsgerichtlich überprüfbar ist. Ob und wie sich das Bekanntwerden von Informationen auf die außenpolitischen Ziele auswirkt, hängt von auf die Zukunft bezogenen Beurteilungen ab, die notwendig mit einem gewissen Maß an Unsicherheit verbunden sind. Das Gericht kann insoweit nur nachprüfen, ob die Behörde von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, ihre Prognose einleuchtend begründet hat und keine offensichtlich fehlerhafte, insbesondere in sich widersprüchliche Einschätzung getroffen hat. 74Vgl. zu § 3 Nr. 1 Buchst. a IFG Bund: BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - 7 C 22.08 -, juris Rn. 20. 75Daran gemessen fehlt es hier ersichtlich an einer ausreichend fundierten Prognose. Eine nachvollziehbare Begründung dafür, welche hier streitgegenständlichen Informationen nach Art und Inhalt dazu angetan wären, die Beziehungen des Bundes zu anderen Staaten in Mitleidenschaft zu ziehen, bleibt das beklagte Land schuldig. Auch die mit der Berufungsbegründung der Sache nach in Bezug genommenen und vom Kläger hiernach vorgelegten Schreiben der Fluko vom 24. Oktober 2019 und 28. April 2020 geben für eine drohende Beeinträchtigung internationaler Beziehungen nichts Konkretes her. Die Fluko verweist dort lediglich am Rande und ohne weitere Begründung darauf, dass der Zugang zu ihren Informationen u. a. auch den Ausschlussgrund des § 3 Nr. 1 Buchst. a IFG (Bund) beträfe, welcher in ähnlicher Weise wie § 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a Var. 2 IFG NRW an nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen anknüpft. 76b) Eine im Fall der Gewährung des Informationszugangs sich abzeichnende Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung hat das beklagte Land mit seinem Vortrag zu einer drohenden „Auflösung oder Arbeitsunfähigkeit des SPMC“ ebenso wenig hinreichend aufgezeigt. 77Schutzgut der öffentlichen Sicherheit sind neben den Rechtsgütern des Einzelnen und der Unversehrtheit der Rechtsordnung auch die grundlegenden Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates, mithin die Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtungen. 78Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. Dezember 2019 - 15 A 3909/18 -, juris Rn. 12 f., m. w. N. 79An eine Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit stellt § 6 Satz 1 Buchst. a IFG NRW keine hohen Anforderungen. Die Vorschrift setzt - im Unterschied zu Buchst. b - keine erhebliche Beeinträchtigung voraus, sondern lässt eine einfache Beeinträchtigung genügen. Eine solche liegt vor, wenn nachteilige Auswirkungen auf das Schutzgut konkret zu erwarten sind. 80Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. Dezember 2019 - 15 A 3909/18 -, juris Rn. 16 f., m. w. N. 81Eine solche Erwartung hat das beklagte Land nicht aufgezeigt. Sein Vortrag zu den Folgen der Gewährung des Informationszugangs für den Fortbestand und die Arbeitsfähigkeit des SPMC bleibt vage und gibt nicht zu erkennen, auf welchen konkreten tatsächlichen Grundlagen bzw. Annahmen er beruht. Dies gilt mit Blick auf die konkret geäußerte Befürchtung, dass sich die Fluggesellschaften bei der Offenbarung von Inhalten aus dem Gremium zurückziehen könnten, insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach der Begründung der Genehmigung vom 9. November 2005, welche der Bildung des SPMC zugrunde liegt, die konkurrierenden Airlines auf die Einhaltung der Slots drängen würden, um erschlichene Wettbewerbsvorteile zu verhindern. Danach geht jedenfalls die Genehmigung davon aus, dass die Fluggesellschaften ein starkes Eigeninteresse an der Beteiligung an dem SPMC haben. Insofern wird aus dem Vortrag des Beklagten nicht deutlich, warum dieses bei der Veröffentlichung von Informationen aus dem Gremium nicht mehr ausreichend sein sollte, um sie zur fortgesetzten Mitwirkung zu bewegen. 82Auch aus den (im Wesentlichen inhaltsgleichen) erstinstanzlichen Beiladungsanträgen der D. Flugdienst GmbH vom 15. Oktober 2018 und der F. GmbH vom 17. Oktober 2018 - beide Airlines sind Mitglieder des SPMC am Flughafen E. - ergeben sich keine konkreten Hinweise darauf, dass die Arbeitsfähigkeit des SPMC im Fall der Gewährung des Informationszugangs substantiell und nachhaltig beeinträchtigt würde. Ankündigungen, sich aus der Mitarbeit im SPMC zurückzuziehen, sind der Begründung der Anträge nicht zu entnehmen. Die Fluggesellschaften machen lediglich geltend, es sei bei einer Offenlegung der Unterlagen des SPMC damit zu rechnen, „dass die Mitglieder des SPMC von den am Flughafen operierenden Fluggesellschaften nicht mehr alle Informationen zur Verfügung gestellt bekämen, welche sie für die Erfüllung ihrer Aufgaben nach der Geschäftsordnung benötigen“. Welche Informationen damit konkret gemeint sind, bleibt dabei offen, so dass auch nicht der Frage nachgegangen werden kann, wie essentiell sie für die Arbeit des SPMC sind. 83Selbst wenn einzelne Airlines ihre Mitgliedschaft im SPMC beenden würden - wofür der Vortrag des beklagten Landes, wie ausgeführt, nichts Substantielles hergibt -, hieße dies nicht, dass das SPMC hiernach nicht mehr arbeitsfähig wäre oder sich gar auflösen müsste. Denn seine Geschäftsordnung benennt keine bestimmten Fluggesellschaften als Mitglieder, sondern verweist insoweit lediglich auf „zu bestimmende Flughafennutzer, die den Flughafen E. regelmäßig anfliegen“. Entsprechend ergibt sich die grundsätzliche Möglichkeit, ggf. ausscheidende Gesellschaften nötigenfalls durch andere zu ersetzen. 84Hiernach kann dahinstehen, ob eine Auflösung des SPMC überhaupt eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung begründen würde. 852. § 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c IFG NRW besagt, dass der Antrag auf Informationszugang abzulehnen ist, soweit und solange durch das Bekanntwerden der Information Angaben und Mitteilungen öffentlicher Stellen des Bundes oder anderer Länder ohne deren Zustimmung offenbart würden. 86a) Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf verwiesen, dass das beklagte Land bislang von keiner der in Betracht kommenden öffentlichen Stellen des Bundes (solche anderer (Bundes-)Länder sind hier offensichtlich nicht involviert) eine entsprechende - zustimmende oder ablehnende - Erklärung eingeholt und vorgelegt hat. 87Die informationspflichtige Behörde ist gehalten, die betroffenen Stellen nach der Zustimmung zu fragen. Die Einholung einer solchen Äußerung steht nicht in ihrem Ermessen. 88Franßen, in Franßen/Seidel, IFG NRW, 2007, § 6 Rn. 794; Schwartmann, in: BeckOK InfoMedienR, Stand 1. Februar 2021, § 6 IFG NRW Rn. 26a. 89Lehnt die auf Informationszugang in Anspruch genommene Behörde den Zugangsantrag ab, ohne eine erforderliche Zustimmung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c IFG NRW eingeholt zu haben, kann sie auf eine Klage des Antragstellers hin - in ähnlicher Weise wie bei einem noch ausstehenden Drittbeteiligungsverfahren gemäß § 8 Satz 4 IFG NRW (dazu A. VI.) - nur zur Neubescheidung verpflichtet werden. 90b) Öffentliche Stellen des Bundes sind offensichtlich insoweit betroffen, als die begehrten Unterlagen - jedenfalls potentiell - Angaben und Mitteilungen der Fluko und des BMVI als Teilnehmer an den Sitzungen des SPMC enthalten. Die Fluko ist öffentliche Stelle des Bundes, weil sie öffentlich-rechtliche Aufgaben der Flughafenkoordinierung im Auftrag des Bundes wahrnimmt (§§ 27a, 31a LuftVG; § 1 der Verordnung zur Beauftragung des Flughafenkoordinators - FHKBeauftrV -). 91c) Auch der örtliche Koordinierungsausschuss erweist sich als öffentliche Stelle des Bundes, weshalb seine Zustimmung einzuholen ist, wenn sich ihm zuzurechnende Angaben oder Mitteilungen in den begehrten Unterlagen befinden. 92aa) Der Koordinierungsausschuss am Flughafen E. ist eine „Stelle“ im Sinne von § 6 Satz 1 Buchst. c IFG NRW. 93Der Begriff der Stelle hat einen organisationsrechtlichen Bezug. Nach den Grundsätzen des Verwaltungsverfahrensrechts, die hier entsprechend herangezogen werden können, bezeichnet er eine gewisse organisatorische Eigenständigkeit und meint jede Person des öffentlichen Rechts und ihre Organe, d. h. jede Organisationseinheit, die durch Organisationsrecht gebildet, vom Wechsel des Amtsinhabers unabhängig und nach den einschlägigen Zuständigkeitsregelungen berufen ist, unter eigenem Namen eigenständige Aufgaben wahrzunehmen. 94Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, juris Rn. 12, m. w. N. (zum Begriff der Stelle in § 1 Abs. 4 VwVfG). 95Die Einrichtung der Koordinierungsausschüsse an den Flughäfen beruht auf organisationsrechtlichen Vorschriften des europäischen und nationalen Rechts. Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 VO (EWG) Nr. 95/93 stellt der Mitgliedstaat, in dem ein Flughafen für vollständig koordiniert erklärt worden ist, sicher, dass bei diesem Flughafen ein Koordinierungsausschuss eingesetzt wird, der den in Art. 4 genannten Koordinator in beratender Funktion unterstützt. Das deutsche Luftverkehrsgesetz trifft keine eigenständigen Regelungen zur Flughafenkoordinierung; es verweist lediglich auf das europäische Recht (§ 27a Abs. 1 LuftVG). Die auf der Grundlage des § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 17 LuftVG erlassene Verordnung über die Durchführung der Flughafenkoordinierung sieht in ihrem § 2 vor, dass für jeden koordinierten Verkehrsflughafen ein Koordinierungsausschuss eingesetzt wird (Satz 1). Dieser besteht aus je einem Vertreter der Flugsicherungsorganisation, der betroffenen Flughafenunternehmer, der Spitzenverbände des gewerblichen Luftverkehrs sowie des Geschäftsluftverkehrs (Satz 2). Soweit Luftfahrtunternehmen es für erforderlich halten, können sie je einen Vertreter für den Koordinierungsausschuss entsenden (Satz 3). Der Koordinierungsausschuss gibt sich eine Geschäftsordnung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 FHKV). 96bb) Der Koordinierungsausschuss ist auch eine „öffentliche“ Stelle, weil er ihm rechtlich zugewiesene Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Zugrunde zu legen ist hier der Begriff der Verwaltungstätigkeit in § 2 Abs. 1 IFG NRW, der weit auszulegen ist und die Verwaltung im formellen und materiellen Sinn umfasst. 97Vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. Juni 2015 - 15 A 1997/12 -, juris Rn. 39 f., m. w. N. 98Materiell fallen dem Koordinierungsausschuss Aufgaben zu, die dem Bereich der öffentlichen Verwaltung zuzurechnen sind. Der materielle Verwaltungsbegriff knüpft an die ausgeübte Funktion bzw. den verfolgten Zweck der Tätigkeit an, unabhängig davon, wer sie ausübt. Maßgeblich ist, ob materielle Verwaltungsaufgaben (in Abgrenzung zu Aufgaben der Legislative oder Judikative) wahrgenommen werden. 99Vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. Juni 2015 - 15 A 1997/12 -, juris Rn. 41 f., m. w. N. 100Der Einrichtung des Koordinierungsausschusses beruht, wie erläutert, auf Art. 5 Abs. 1 Satz 1 VO (EWG) Nr. 95/93, wonach der Koordinierungsausschuss den in Art. 4 genannten Koordinator in beratender Funktion unterstützt. Die Aufgaben dieses Koordinators werden im deutschen Luftverkehr von der Fluko wahrgenommen (§ 27a Abs. 1 LuftVG, § 1 Abs. 1 FHKBeauftrV). Gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 4 VO (EWG) Nr. 95/93 gehört zu den Aufgaben des Koordinierungsausschusses „unter anderem, in folgenden Fragen zu beraten: 101- Möglichkeiten zur Steigerung der gemäß Artikel 6 ermittelten Kapazität, 102- Verbesserung der Verkehrsverhältnisse auf dem betreffenden Flughafen, 103- Beschwerden über die Zuweisung von Zeitnischen im Sinne von Artikel 8 Absatz 7, 104- Verfahren zur Überwachung der Nutzung zugewiesener Zeitnischen, 105- Leitlinien für die Zuweisung von Zeitnischen unter Berücksichtigung örtlicher Gegebenheiten, 106- gravierende Probleme für Neubewerber im Sinne von Artikel 10“. 107Der örtliche Koordinierungsausschuss unterstützt die Fluko mithin beratend bei der Wahrnehmung ihrer - unzweifelhaft der öffentlichen Verwaltung zuzurechnenden - Aufgabe der Flughafenkoordinierung, deren rechtliche Grundlagen bzw. Maßgaben in der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 zu finden sind und die die Fluko selbst zusammenfassend beschreibt mit „bindende Slotzuteilung und […] Flugplanvermittlung für sämtliche ankommende und abgehende Flüge nach Instrumentenflugregeln (IFR), welche mit über 2,1 Millionen Slots an den 15 deutschen internationalen Flughäfen in Deutschland durchgeführt werden“. 108https://fluko.org/ueber-uns/funktion/ (zuletzt abgerufen am 1. Juli 2022) 109Diese Hilfstätigkeit des Koordinierungsausschusses, die sich - wie ausgeführt - ihrerseits auf einer rechtlichen Grundlage vollzieht, welche die Einrichtung des Ausschusses regelt und dessen binnenrechtliche Verfassung durch eine Geschäftsordnung vorsieht, erfüllt alle Merkmale einer materiellen Verwaltungstätigkeit, die ein außenwirksames Handeln nicht voraussetzt. Auch dass der Koordinierungsausschuss ein Exekutivorgan in lediglich beratender Funktion unterstützt, steht einer Qualifizierung als Wahrnehmung einer Verwaltungsaufgabe nicht entgegen. 110Vgl. Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 1 Rn. 161 (Monopolkommission). 111cc) Der Koordinierungsausschuss ist als öffentliche Stelle eine solche des Bundes, weil seine nationale rechtliche Grundlage in der Verordnung über die Durchführung der Flughafenkoordinierung dem Bundesrecht zuzuordnen ist (vgl. Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG). 1124. Das SPMC ist hingegen, anders als vom Verwaltungsgericht tendenziell angenommen, keine öffentliche Stelle des Bundes, im Übrigen auch nicht eine solche des beklagten Landes. Ihm fehlt schon die Eigenschaft einer öffentlichen Stelle an sich. 113Das SPMC ist bereits deshalb keine eigenständige Stelle, weil es nach seiner Geschäftsordnung lediglich als „Unterausschuss des Koordinierungsausschusses am Flughafen E. “ gebildet worden ist. Die Eigenschaft als „Stelle“ setzt eine durch das Verwaltungsorganisationsrecht gebildete Einheit voraus. 114Vgl. Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 1 Rn. 116; s. auch BVerwG, Urteil vom 3. November 2011- 7 C 3.11 -, juris Rn. 12, m. w. N. 115Entsprechende verwaltungsorganisationsrechtliche Grundlagen für die Einrichtung der SPMC sind nicht zu erkennen. Letztlich geht die Schaffung der SPMCs im Grundsatz nur zurück auf internationale Regelwerke und Leitlinien ohne Rechtsnormqualität wie die (bereits angesprochenen) „Worldwide Airport Slot Guidelines“ der IATA, s. dort Sec. 9 „Slot Monitoring“, oder die „EUACA Slot Guidelines“ der European Airport Coordinators Association. 116https://www.euaca.org/up/files/DocsEUACA/EU%20SLOT%20GUIDELINES/EUSG%20Nr%20%201%20-%20Slot%20Performance%20Monitoring_15092013%20(endorsed%20in%20EUACA-70).pdf (zuletzt abgerufen am 1. Juli 2022) 117Davon abgesehen steht das SPMC nach der Zusammensetzung seiner stimmberechtigten Mitglieder in privater Hand und erweist sich in erster Linie als - vom beklagten Land in dem Erörterungstermin des Verwaltungsgerichts so bezeichnetes - „Instrument der Selbstkontrolle“, das vor allem im Interesse der beteiligten Fluggesellschaften und der weiteren stimmberechtigten Mitglieder agiert. 118Entgegen der Ansicht des Klägers ist das SPMC nicht als Beliehener eine öffentliche Stelle des Landes Nordrhein-Westfalen. Ein Beliehener handelt in Wahrnehmung der ihm übertragenen öffentlichen Aufgabe unter Einsatz hoheitlicher Befugnisse, wobei es allgemeiner Überzeugung entspricht, dass eine Beleihung nur durch oder aufgrund Gesetzes erfolgen darf. 119Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. August 2010 - 3 C 35.09 -, juris Rn. 21 und 24, jeweils m. w. N. 120Unbeschadet der Frage, ob das SPMC auch Befugnisse wahrnimmt, die als hoheitlich bezeichnet werden könnten, und ob es mangels eigener Rechtspersönlichkeit überhaupt Objekt einer Beleihung sein kann, beruht seine Einrichtung und Aufgabenübertragung jedenfalls nicht auf einer gesetzlichen Grundlage. 1215. Die „Angaben und Mitteilungen“ des SPMC sind auch nicht deshalb dem örtlichen Koordinierungsausschuss zuzurechnen, weil das SPMC als dessen organisationsrechtlich unselbständiger Unterausschuss in diesen eingegliedert wäre. Denn es ist weder dargelegt noch sonst erkennbar, dass die Einrichtung des SPMC am Flughafen E. auf eine - für die Zurechenbarkeit aus Gründen der Legitimität gebotene - Organisationsentscheidung des örtlichen Koordinierungsausschusses zurückgeht. Nach Aktenlage ist der „Gründungsakt“ vielmehr allein in der vom VM NRW erteilten Betriebsgenehmigung vom 9. November 2005 zu sehen, kraft deren Ziffer 6.6.1 die Betreiberin des Flughafens ein SPMC „einzurichten hat“. Auch dessen Geschäftsordnung ist durch die der Genehmigung beigefügte Anlage 1 vorgegeben worden. Dass das VM NRW als Landesbehörde selbst die Befugnis hätte, dem Koordinierungsausschuss als einer - wie erläutert - öffentlichen Stelle des Bundes einen Unterausschuss einzurichten und damit in dessen interne Organisationshoheit einzugreifen, ergibt sich aus den benannten rechtlichen Vorgaben, die der Einrichtung des Koordinierungsausschusses zugrunde liegen, ebenfalls nicht. 122Der Vortrag des beklagten Landes in der mündlichen Verhandlung dazu, dass aus dem Koordinierungsausschuss selbst der Wunsch geäußert worden sei, ein SPMC einzurichten, führt zu keinem anderen Ergebnis. Weder ergibt sich daraus, dass der Erteilung der Betriebsgenehmigung im November 2005 eine entsprechende Organisationsentscheidung des Koordinierungsausschusses voranging, noch, dass eine solche wenigstens im Nachgang zur Genehmigung getroffen worden ist. 123V. Auch der Ausschlussgrund des § 7 IFG NRW steht einem Auskunftsanspruch des Klägers nicht grundsätzlich entgegen. Nach Absatz 1 der Vorschrift ist der Antrag auf Informationszugang abzulehnen für Entwürfe zu Entscheidungen, für Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung sowie für Protokolle vertraulicher Beratungen. Absatz 3 regelt, dass Informationen, die nach Absatz 1 vorenthalten wurden, nach Abschluss des jeweiligen Verfahrens zugänglich zu machen sind (Satz 1). Für Protokolle vertraulichen Inhalts gilt dies nur für die Ergebnisse (Satz 2). 1241. Die Protokolle der Sitzungen des SPMC können durch § 7 Abs. 1 Var. 3 IFG NRW geschützt sein, allerdings nur partiell. Ausgenommen vom Schutz der Vorschrift sind insbesondere Informationen zum Beratungsgegenstand und - nach Abschluss des jeweiligen Verfahrens (vgl. § 7 Abs. 3 IFG NRW) - die Beratungsergebnisse. 125a) Es handelt sich hierbei um Protokolle vertraulicher Beratungen. 126aa) Unter Beratungen ist die verwaltungsinterne Willensbildung zu verstehen, die innerhalb einer Behörde oder zwischen mehreren Behörden geschieht. 127Vgl. Schwartmann, in: BeckOK InfoMedienR, Stand 1. Februar 2021, § 7 IFG NRW Rn. 5; Frankewitsch, in: Pabst/Frankewitsch, IFG NRW, 1. Aufl. 2022, § 7 Rn. 41. 128Schutzgut ist der behördliche Entscheidungsprozess, der eine offene Meinungsbildung erfordert, um eine effektive, funktionsfähige und neutrale Entscheidungsfindung zu gewährleisten. 129Vgl. zu § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG: BVerwG, Urteil vom 2. August 2012 - 7 C 7.12 -, juris Rn. 26; OVG NRW, Urteil vom 30. August 2016 - 15 A 2024/13 -, juris Rn. 51. 130Die Sitzungen des SPMC sind dem Prozess verwaltungsinterner Willensbildung zuzuordnen. Dass an ihnen neben Vertreterinnen und Vertretern von Behörden überwiegend solche der weiter mitwirkenden Privatrechtssubjekte (insbes. der Fluggesellschaften) teilnehmen, steht dem nicht entgegen. Denn dieser Umstand ändert nichts daran, dass die Sitzungen des SPMC jedenfalls auch der Entscheidungsfindung der beteiligten Behörden bzw. Träger öffentlicher Verwaltung dienen. Insbesondere in Bezug auf die Verwaltungstätigkeit der Fluko erscheint naheliegend, dass sie Erkenntnisse aus den Sitzungen des SPMC gewinnt, die für die Wahrnehmung ihrer Aufgabe der Slot-Zuweisung erheblich sind. Entsprechendes kann für das BMVI als Aufsichtsbehörde gelten, soweit es um etwaige Sanktionen geht, die als Folge von Zuwiderhandlungen gegen das System der Slot-Zuteilung in Betracht kommen. Es ist hierbei davon auszugehen, dass der Prozess verwaltungsinterner Willensbildung bereits mit der Teilnahme der vorgenannten Verwaltungsträger an den Sitzungen des SPMC beginnt. 131bb) Die Beratungen sind auch als vertraulich anzusehen. Es bedarf - entgegen der Auffassung des Klägers - keines formellen Gesetzes, in dem die Vertraulichkeit der Beratungen ausdrücklich geregelt ist. Die Beratung muss aber aus bestimmten Gründen eine gewisse Vertraulichkeit genießen. Was nach der Verkehrsanschauung nicht nach außen dringen darf und was bei Offenlegung zu benennende nachteilige Auswirkungen hätte, kann als vertraulich bezeichnet werden. Diese Gründe haben sich aber an dem Schutzzweck von § 7 IFG NRW zu orientieren. Schutzgut ist der behördliche Entscheidungsprozess, der eine offene Meinungsbildung und einen freien Meinungsaustausch erfordert, um eine effektive, funktionsfähige und neutrale Entscheidungsfindung zu gewährleisten. 132Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. August 2008 - 13a F 11/08 -, juris Rn. 32; Urteil vom 9. November 2006 - 8 A 1679/04 -, juris Rn. 123. 133Davon ausgehend unterliegen die Sitzungen des SPMC einer Vertraulichkeitserwartung. Die beteiligten Behörden bzw. Träger öffentlicher Verwaltung dürfen davon ausgehen, dass die in die Sitzungen des SPMC eingebrachten Tatsachen und Meinungsäußerungen der Teilnehmer und Teilnehmerinnen nicht nach außen dringen, solange dieses Material Gegenstand laufender Verwaltungstätigkeit ist oder noch werden kann. Eine vorzeitige Verbreitung bzw. Offenlegung wäre auch dazu angetan, die Effektivität der Wahrnehmung der jeweiligen Verwaltungsaufgaben in Mitleidenschaft zu ziehen. 134Der vom beklagten Land herangezogene Beispielsfall, wonach bei einem unterstellten Bekanntwerden von „Ranglisten zur Pünktlichkeit der Airlines […] Kunden lieber die vermeintlich pünktlichere Airline buchen und die vermeintlich unpünktlichere Airline Buchungsrückgänge verzeichnet und somit einen wirtschaftlichen Schaden erleidet“, gibt hingegen für eine Vertraulichkeit in dem hier in Rede stehenden rechtlichen Kontext nichts her. Denn dieses Szenario hat keinen Bezug zu der von § 7 IFG NRW allein geschützten behördlichen Willensbildung und kann allenfalls im Rahmen von § 8 IFG NRW Berücksichtigung finden. 135cc) § 7 Abs. 1 Var. 3 IFG NRW schützt allerdings nicht den gesamten Inhalt der Protokolle vertraulicher Beratungen. Bereits die Überschrift der Norm und § 7 Abs. 3 IFG NRW stellen klar, dass sich der gewährte Schutz auf den Prozess der behördlichen Entscheidungsfindung, nicht aber - jedenfalls nicht dauerhaft - auf dessen Ergebnisse bezieht. Zweck des Ausschlusstatbestandes des § 7 Abs. 1 IFG NRW ist es, einen unbefangenen und freien Meinungsaustausch zu gewährleisten. Es soll in einer Atmosphäre der Offenheit und ohne von außen hineingetragene Interessenkollisionen ein allein an der Sache orientierter Austausch von Argumenten erfolgen können und auch für die Zukunft weiterhin gewährleistet sein. Ausgehend von dem - bereits unter aa) bestimmten - Schutzgut des behördlichen Entscheidungsprozesses ist unter „Beratung“ der Beratungsverlauf selbst mit den dabei vorgebrachten Diskussions- und Abwägungsbeiträgen zu verstehen, nicht aber der Beratungsgegenstand und das Beratungsergebnis. Nur der eigentliche Vorgang der behördlichen Entscheidungsfindung, das heißt die Besprechung, Beratschlagung und Abwägung - der Beratungsprozess im engeren Sinne - wird geschützt. Der Beratungsgegenstand (einschließlich der zuvor vorliegenden Sachinformationen) ist daher ebenso offen zu legen wie abschließende Entscheidungen. 136Vgl. BGH, Urteil vom 20. März 2017 - AnwZ (Brfg) 46/15 -, juris Rn. 16, auch m. w. N. zur Rechtsprechung des erkennenden Gerichts. 137Letzteres regelt § 7 Abs. 3 IFG NRW ausdrücklich dadurch, dass Protokolle vertraulicher Beratungen „nach Abschluss des jeweiligen Verfahrens“ nicht mehr geschützt sind, soweit es um die darin festgehaltenen „Ergebnisse“ geht. Die maßgebliche zeitliche Zäsur ist in dem Abschluss des durch Absatz 1 geschützten Entscheidungsbildungsprozesses zu sehen. 138Vgl. Franßen, in: Franßen/Seidel, IFG NRW, 2007, § 7 Rn. 850; Schwartmann, in: BeckOK InfoMedienR, Stand 1. Februar 2021, § 7 IFG NRW Rn. 16. 139Macht die zugangsverpflichtete Behörde geltend, bestimmte Protokollangaben könnten noch für eine Entscheidungsfindung von Bedeutung sein, hat sie dies konkret und einzelfallbezogen darzulegen. 1402. Ob § 7 IFG NRW über die Protokolle der Sitzungen des SPMC hinaus auch für andere hier streitgegenständliche Unterlagen zur Anwendung kommen könnte, bleibt vor einer Neubescheidung des Antrags des Klägers zu prüfen. 141VI. Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen in § 8 Satz 1 IFG NRW erfordert die Durchführung des in Satz 4 der Vorschrift vorgesehenen Verfahrens auf Drittbeteiligung, hier insbesondere der betroffenen Fluggesellschaften und der Betreiberin des Flughafens E. . Da das beklagte Land dieses Verfahren nach Aktenlage noch nicht durchgeführt hat, kommt auch insoweit gegenwärtig allein ein Anspruch des Klägers auf Neubescheidung seines Informationszugangsantrags in Betracht. 142Vgl. dazu OVG NRW, Beschlüsse vom 13. März 2019 - 15 E 12/19 -, juris Rn. 13 f., und vom 28. Januar 2019 - 15 B 624/18 -, juris Rn. 62 f., jeweils m. w. N. 143Ein solches Verfahren ist mit Blick auf § 8 IFG NRW nicht deshalb entbehrlich, weil, wie der Kläger meint, die begehrten Informationen „grundsätzlich auch der Öffentlichkeit bekannt“ seien. Dies kann lediglich für diejenigen Informationen gelten, die das beklagte Land bereits aktiv veröffentlicht hat, etwa im Rahmen der Publikation der Niederschriften über die Sitzung der Kommission nach § 32b LuftVG für den Verkehrsflughafen E. . 144Auch der Einwand des Klägers, es gehe im vorliegenden Fall um Informationen betreffend Verstöße von Fluggesellschaften gegen die Nachtflugbestimmungen, für die ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse nicht anzuerkennen sei, vermag die Notwendigkeit eines Drittbeteiligungsverfahrens schon deshalb nicht in Frage zu stellen, weil das streitgegenständliche Informationsersuchen offensichtlich deutlich umfassender und weitgehender ist. So würden die begehrten Informationen auch auf die Einhaltung der zugewiesenen Slots während des Tagflugbetriebs schließen lassen; allein die bloße (unterstellte) Zuwiderhandlung gegen behördliche Slotzuteilungen dürfte wiederum kein Rechtsverstoß sein, der ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse entfallen lässt. 145Der Kläger hat allerdings zutreffend darauf verwiesen, dass das Fortbestehen eines schützenswerten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses zeitabhängig ist. Denn es ist davon auszugehen, dass Geschäftsgeheimnisse nach einem Zeitraum von fünf Jahren typischerweise nicht mehr aktuell und deshalb nicht mehr vertraulich sind; danach muss der Beteiligte, der sich auf die Vertraulichkeit der Informationen beruft, nachweisen, dass die betreffenden Informationen trotz ihres Alters immer noch wesentlich für die wirtschaftliche Stellung des Unternehmens oder eines Dritten sind. 146Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2020 - 10 C 18.19 -, juris Rn. 16, m. H. a. EuGH, Urteil vom 19. Juni 2018 - C-15/16, Baumeister - Rn. 54. 147Dass die Durchführung des Drittbeteiligungsverfahrens von seinem Umfang her „offenkundig nicht zu leisten“ wäre, wie vom beklagten Land eingewandt wird, ist nicht zu erkennen. Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, dass eine Drittbeteiligung nur insoweit geboten ist, als ein Zugang zu den in Rede stehenden Informationen nicht schon wegen des Vorliegens anderer Ausschlussgründe ausscheidet. Bei streitigen Informationen, die also etwa nach § 6 Satz 1 Buchst. c oder nach § 7 Abs. 1 IFG NRW geschützt sind, bedarf es nicht der Prüfung, ob sie Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse i. S. v. § 8 Satz 1 IFG NRW beinhalten. Zum anderen ist auch nicht erkennbar, dass mit Blick auf die verbleibenden Informationen in jedem Fall „ca. 160 Fluggesellschaften“ zu beteiligen sind. Dass die in Rede stehenden Informationen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse aller am Flughafen E. vertretenen Fluggesellschaften enthalten können, ist vom beklagten Land schon nicht nachvollziehbar dargelegt worden. 148B. Der Neubescheidungsanspruch des Klägers kann hingegen nicht (auch) auf § 2 Satz 1, Satz 3 des Umweltinformationsgesetzes Nordrhein-Westfalen (UIG NRW) i. V. m. Vorschriften des bundesrechtlichen Umweltinformationsgesetzes (UIG) gestützt werden. Die hier in Rede stehenden Informationen sind keine Umweltinformationen i. S. v. § 2 Abs. 3 UIG, insbesondere fallen sie nicht unter die Nrn. 2 und 3 der Vorschrift. Danach sind Umweltinformationen unabhängig von der Art ihrer Speicherung alle Daten über 149- Faktoren wie Stoffe, Energie, Lärm und Strahlung, Abfälle aller Art sowie Emissionen, Ableitungen und sonstige Freisetzungen von Stoffen in die Umwelt, die sich auf die Umweltbestandteile im Sinne der Nummer 1 auswirken oder wahrscheinlich auswirken (Nr. 2) sowie über 150- Maßnahmen oder Tätigkeiten, die sich [a)] auf die Umweltbestandteile im Sinne der Nummer 1 oder auf Faktoren im Sinne der Nummer 2 auswirken oder wahrscheinlich auswirken oder [b)] den Schutz von Umweltbestandteilen im Sinne der Nummer 1 bezwecken. 151Daten über die Flugbewegungen am Flughafen E. mögen zwar den Umweltfaktor „Lärm“ betreffen. Es ist jedoch nicht erkennbar, dass dieser Faktor sich hier seinerseits auf Umweltbestandteile i. S. v. § 2 Abs. 3 Nr. 1 UIG (wahrscheinlich) auswirkt. „Natürliche Lebensräume“, die in Art. 1 Buchst. b der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 als „durch geographische, abiotische und biotische Merkmale gekennzeichnete, völlig natürliche oder naturnahe terrestrische oder aquatische Gebiete“ definiert werden, sind im lärmbetroffenen Umfeld des Flughafens nicht erkennbar tangiert. Auch sonst kommen keine potentiell betroffenen Umweltbestandteile in Betracht. 152Der Umweltfaktor „Emissionen“ kommt hier ebenfalls nicht zum Tragen. Er betrifft Informationen dazu, welche Stoffe in welchem Umfang aus einer Anlage in die Umgebung abgegeben werden und damit für die Öffentlichkeit unmittelbar spürbar werden. Informationen über solche Vorgänge sollen der Öffentlichkeit nach dem Sinn und Zweck des § 9 Abs. 1 Satz 2 UIG stets zugänglich gemacht werden und ihr nicht unter Berufung auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse vorenthalten werden dürfen. Was aus der Anlage in die Umgebung gelangt, soll in keinem Falle vertraulich behandelt werden dürfen. 153Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. September 2009- 7 C 2.09 -, juris Rn. 45. 154Um derartige unmittelbar immissionsrelevante Angaben zu Emissionen geht es hier nicht. 155Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. 156Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. 157Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Revisionsgründe vorliegt.
die berufung wird zurückgewiesen. das beklagte land trägt die kosten des berufungsverfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. das beklagte land darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrags abwenden, wenn nicht der kläger vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrags leistet. die revision wird nicht zugelassen. 1
2der kläger ist vorstandsvorsitzender des vereins „l. h. g. e. v.“ und begehrt von dem beklagten land informationen über die tätigkeit des sog. slot performance monitoring committee (spmc) am flughafen e. . 3die einführung des spmc geht zurück auf das genehmigungsverfahren zur änderung der betriebsregelung für das parallelbahnsystem des verkehrsflughafens e. , das mit der am 9. november 2005 erteilten genehmigung des ministeriums für bauen und verkehr des landes nordrhein-westfalen (ii a 2 - 31 - 21 3/iii dl) abgeschlossen wurde. nach der hiermit neu gefassten bzw. geänderten ziffer 6.6 der betriebsgenehmigung hat die betreiberin des flughafens, die flughafen e. gmbh, die umsetzung der in ziffer 6.1 bis 6.4 festgelegten betriebsregelung nachzuhalten. ziffer 6.6.1 sieht vor, dass sie hierzu ein „slot performance monitoring committee“ (spmc) einzurichten hat, dessen arbeitsweise und zusammensetzung mindestens den vorgaben aus der mustergeschäftsordnung entsprechen müssen, die der genehmigung als anlage 1 beigefügt ist. 4in der begründung der genehmigung heißt es hierzu (s. 95 f.): „die einführung des slot performance monitoring committees (spmc) ist sowohl ein praktikables wie auch geeignetes mittel zur überwachung der ordnungsgemäßen nutzung der zugewiesenen slots. in deutschland sind für die flughäfen g1. b. n. und n. solche committees eingerichtet. sie haben sich dort bewährt. alle mitglieder des spmc sind äußerst fachkundig. insbesondere die konkurrierenden airlines werden auf einhaltung der zugewiesenen slots drängen, um ‚erschlichene‘ wettbewerbsvorteile zu verhindern. dadurch dass auch das bmvbw“ [anmerkung: gemeint ist das damalige bundesministerium für verkehr, bau- und wohnungswesen] „mitglied des committees ist, haben unlauter agierende airlines mit sanktionen zu rechnen. das eskalationssystem reicht von ordnungsverfügungen bis hin zu verkehrsverboten durch das bmvbw.“ 5nach seiner geschäftsordnung ist das spmc als unterausschuss des koordinierungsausschusses am flughafen e. eingerichtet worden. seine „wesentlichen aufgaben“ sind gemäß dieser ordnung: 6- „die identifikation derjenigen flughafennutzer, welche den prozess der slot-zuteilung und/oder slot-nutzung vorsätzlich und regelmäßig missbrauchen; 7- die kommunikation mit den des missbrauchs identifizierten flughafennutzern und - in fällen, in denen ein offensichtlicher missbrauch festgestellt werden konnte - die aufforderung zur abgabe einer erklärung für dieses verhalten; 8- die information der zuständigen stellen (bmvbw) über derartige missbrauchstatbestände einschließlich der empfehlung von geeigneten maßnahmen und verfahrensweisen zur abhilfe des festgestellten missbrauchs; 9- die regelmäßige berichterstattung an den koordinierungsausschuss am flughafen e. “. 10mitglieder des spmc sind das airline operators committee, der board of airline representatives in germany e. v., die deutsche flugsicherung gmbh, die flughafen e. gmbh sowie acht fluggesellschaften. die flughafenkoordination deutschland gmbh (fluko), das ministerium für verkehr des landes nordrhein-westfalen (vm nrw) und das bundesministerium für verkehr und digitale infrastruktur (bmvi) nehmen in beratender funktion bzw. als beobachter an den sitzungen des spmc teil. 11mit email vom 4. oktober 2016 beantragte der kläger sinngemäß gegenüber dem vm nrw, ihm gemäß § 4 des gesetzes über die freiheit des zugangs zu informationen für das land nordrhein-westfalen (ifg nrw) zugang zu 12- sämtlichen tagesordnungen und protokollen des spmc am flughafen e. , 13- einer liste der aktuellen mitglieder des spmc, 14- allen unterlagen, aus denen ersichtlich ist, welche flughafennutzer im sinne der geschäftsordnung des spmc und dessen bewertung den prozess der slot-zuteilung und/oder der slot-nutzung vorsätzlich und regelmäßig missbrauchen; dazu auch den vom vm nrw geführten schriftverkehr mit dem spmc bzw. den einzelnen airlines sowie 15- informationen darüber, in welcher geeignet erscheinenden weise das spmc die flughafennutzer aufgefordert hat, den missbrauch abzustellen; dazu auch den vom vm nrw geführten schriftverkehr mit dem spmc bzw. den einzelnen airlines, 16zu gewähren. 17mit bescheid vom 20. oktober 2016 lehnte das vm nrw den antrag ab und gab zur begründung an: dem anspruch auf akteneinsicht stünden die ausschlusstatbestände nach § 6 satz 1 buchst. c und § 7 abs. 1 ifg nrw entgegen. durch die begehrte akteneinsicht würden angaben und mitteilungen einer öffentlichen stelle des bundes ohne deren zustimmung offenbart. denn die aufgabe der flughafenkoordination sei eine ausschließliche aufgabe des bundes und das spmc ein unterausschuss des koordinierungsausschusses am flughafen e. . der zugang zu informationen betreffend die slot-koordinierung sei ferner spezialgesetzlich und abschließend in art. 4 abs. 8 der verordnung (ewg) nr. 95/93 des rates vom 18. januar 1993 über gemeinsame regeln für die zuweisung von zeitnischen auf flughäfen in der gemeinschaft geregelt. danach dürften informationen nur an die parteien der koordinierung und insbesondere den koordinierungsausschuss weitergegeben werden. darüber hinaus handele es sich bei den sitzungsniederschriften des spmc um protokolle vertraulicher beratungen. die vertraulichkeit ergebe sich aus dem beratungsgegenstand. in den beratungen werde erörtert, ob und wann es in einzelfällen zu unzulässigen slot-nutzungen gekommen sei. 18am 18. november 2016 hat der kläger die vorliegende klage erhoben. er hat vorgetragen: es gehe ihm um den zugang zu amtlichen informationen i. s. d. informationsfreiheitsgesetzes, die bei dem vm nrw vorhanden seien. es handele sich dabei nicht um informationen, die der ausschließlichen gesetzgebungskompetenz des bundes nach art. 73 abs. 1 nr. 6 gg zuzuordnen seien. der auskunftsanspruch sei auch nicht nach § 6 satz 1 buchst. c ifg nrw ausgeschlossen. zwar sei das spmc ein unterausschuss des flughafenkoordinators am flughafen e. , der vom bmvi nach maßgabe des § 31a des luftverkehrsgesetzes (luftvg) eingesetzt worden sei. der flughafenkoordinator sei jedoch ein beliehenes unternehmen des privatrechts und als solches keine öffentliche stelle des bundes. ferner sei der flughafen e. mit der auflage in ziffer 6.6.1 der betriebsgenehmigung vom 9. november 2005 durch das vm nrw verpflichtet worden, das spmc einzurichten, um die in der betriebsgenehmigung festgelegten regelungen nachzuhalten und zu kontrollieren. ein zusammenhang zu den aufgaben des flughafenkoordinators bestehe nicht. das spmc selbst sei damit ebenfalls keine öffentliche stelle des bundes, sondern eine öffentliche stelle des landes. selbst wenn das beklagte land bundesrecht anwenden würde, wäre der informationsanspruch aus § 4 abs. 1 ifg nrw dadurch nicht gesperrt. der flughafenkoordinator könne die herausgabe der protokolle des spmc nicht verweigern, da er nur in beratender funktion an dessen sitzungen teilnehme. unabhängig davon sei nicht ersichtlich, inwiefern durch die veröffentlichung der in rede stehenden informationen öffentliche belange des bundes gefährdet werden könnten. dass eine information vertraulich erhoben oder ermittelt werde, könne für sich genommen ohne hinzutreten eines objektiv anzuerkennenden schutzbedürfnisses nicht zum ausschluss des informationszugangs führen. der auskunftsanspruch sei ferner nicht nach § 7 ifg nrw ausgeschlossen. der ausschlusstatbestand erfasse nur unterlagen, die den entscheidungsbildungsprozess innerhalb von behörden oder öffentlichen stellen beträfen. daran fehle es hier. es handele sich bei dem spmc weder um eine behörde noch eine öffentliche stelle. an dessen sitzungen nähmen privatrechtssubjekte teil, so dass interne beratungen einer behörde ohnehin nicht betroffen sein könnten. es existiere ferner keine vertragliche oder anderweitige vereinbarung, aus der sich die vertraulichkeit der beratungen ergebe. zudem begehre der kläger nur zugang zu informationen über bereits abgeschlossene vorgänge, über beratungsgegenstände und die ergebnisse der beratungen des spmc, die nicht von § 7 ifg nrw geschützt seien. im übrigen liege die offenbarung der begehrten informationen im öffentlichen interesse, da sie zuwiderhandlungen der fluggesellschaften dokumentierten. der kläger könne nicht auf die protokolle der fluglärmkommission verwiesen werden, da deren berichte zu oberflächlich und intransparent seien. 19der kläger hat beantragt, 20das beklagte land unter entsprechender aufhebung des bescheides des ministeriums für verkehr des landes nordrhein-westfalen vom 20. oktober 2016 zu verpflichten, ihm zugang zu 21- sämtlichen tagesordnungen und protokollen des spmc seit beginn seiner tätigkeit, 22- allen unterlagen, aus denen ersichtlich ist, welche flughafennutzer im sinne der geschäftsordnung des spmc und dessen bewertungen den prozess der slot-zuteilung und/oder der slot-nutzung vorsätzlich und regelmäßig missbrauchen; dazu auch den von dem beklagten land geführten schriftverkehr mit dem spmc bzw. mit den einzelnen airlines, 23- informationen darüber, in welcher geeignet erscheinenden weise das spmc die flughafennutzer aufgefordert hat, den missbrauch abzustellen; dazu auch den von dem beklagten land geführten schriftverkehr mit dem spmc bzw. den einzelnen airlines, 24zu gewähren. 25das beklagte land hat beantragt, 26die klage anzuweisen. 27es hat geltend gemacht, die flughafenkoordinierung sei gemäß § 2 abs. 3 der verordnung über die durchführung der flughafenkoordinierung (fhkv) i. v. m. § 27a abs. 2, § 32 abs. 1 nr. 17 luftvg aufgabe des bundes. diese sei auf die öffentlich beliehene fluko übertragen worden. sie überwache die flugbewegungen anhand der den fluggesellschaften zugewiesenen slots und berichte an das bundesamt für flugsicherung. das spmc diene dem flughafenkoordinator dazu, maßnahmen nach art. 14 abs. 4 der verordnung (ewg) nr. 95/93 zu ergreifen oder eine ordnungswidrigkeit gemäß § 4 fhkv festzustellen. das spmc sei damit ein mittel der direkten aufgabenerfüllung des flughafenkoordinators. es diene auch dem anlagenbezogenen lärmschutz, der von der ausschließlichen gesetzgebungskompetenz des bundes nach art. 73 abs. 1 nr. 6 gg umfasst sei. demnach sei das spmc eine öffentliche stelle des bundes im sinne des § 6 satz 1 buchst. c ifg nrw, so dass nur der bundesgesetzgeber die voraussetzungen für eine information im zusammenhang mit der flughafenkoordinierung regeln könne. das informationsfreiheitsgesetz nordrhein-westfalen sei insofern schon nicht anwendbar. auch aus art. 4 abs. 8 der vo (ewg) nr. 95/93 resultiere kein anspruch auf informationszugang für den kläger. sofern dort auch „interessierten parteien“ ein informationsanspruch zustehe, setze dies eine bestimmte sachnähe der auskunftsbegehrenden person zum koordinierungsverfahren voraus. darüber hinaus handele es sich bei den sitzungsprotokollen des spmc um protokolle vertraulicher beratungen i. s. d. § 7 abs. 1 var. 3 ifg nrw. die vorschrift schütze die effektive und neutrale entscheidungsfindung innerhalb von behörden. vertrauliche protokolle seien gemäß § 7 abs. 3 satz 2 ifg nrw auch nach abschluss des entscheidungsbildungsprozesses teilweise noch geschützt. ausnahmen würden nur für die beratungsergebnisse gelten. über diese werde jedoch regelmäßig in der fluglärmkommission am flughafen e. berichtet. die vertraulichkeit folge aus art. 4 abs. 8 der vo (ewg) nr. 95/93 und aus dem umstand, dass die sitzungen des spmc nicht öffentlich zugänglich seien. darüber hinaus wäre im falle einer offenbarung der protokolle die funktionsfähigkeit des spmc gefährdet. der erfolg des gremiums basiere auf der offenen und vorbehaltlosen kommunikation seiner mitglieder. eine veröffentlichung der sitzungsprotokolle würde zur auflösung des spmc oder jedenfalls zu einer lähmung der gremienarbeit führen, da die luftverkehrsgesellschaften ihre freiwillige mitarbeit dann beenden würden. 28mit dem angefochtenen urteil vom 23. september 2019 hat das verwaltungsgericht das beklagte land unter aufhebung des bescheides des vm nrw vom 20. oktober 2016 verpflichtet, den antrag des klägers vom 4. oktober 2016 unter beachtung der rechtsauffassung des gerichts neu zu bescheiden. im übrigen hat es die klage abgewiesen. zur begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: dem kläger stehe der geltend gemachte auskunftsanspruch nach § 4 abs. 1 ifg nrw dem grunde nach zu. ob und inwieweit diesem anspruch möglicherweise nach § 8 satz 1 ifg nrw geschützte rechtspositionen dritter entgegenstünden, könne derzeit jedoch nicht abschließend beurteilt werden. daher könne der kläger mangels spruchreife lediglich die neubescheidung seines auskunftsbegehrens verlangen. es gehe hier um informationen, die die verwaltungstätigkeit einer behörde des landes nordrhein-westfalen - hier: des vm nrw - beträfen. der kläger begehre ausschließlich zugang zu informationen, die dem vm nrw in seiner funktion als beobachter im spmc zur kenntnis gelangt seien. der auskunftsanspruch sei nicht nach § 4 abs. 2 satz 1 ifg nrw i. v. m. art. 4 abs. 8 der vo (ewg) nr. 95/93 gesperrt. jene verordnungsregelung habe einen anderen persönlichen anwendungsbereich als das informationsfreiheitsgesetz des landes nordrhein-westfalen und betreffe einen anderen sachverhalt. dem auskunftsanspruch des klägers stehe gegenwärtig auch nicht der ausschlussgrund des § 6 satz 1 buchst. c ifg nrw entgegen. vorliegend seien zwar angaben und mitteilungen öffentlicher stellen des bundes betroffen. das beklagte land habe es jedoch versäumt, die zustimmung bzw. ablehnung der betroffenen stellen einzuholen. im übrigen könne der anspruch nach der vorgenannten vorschrift nur verweigert werden, „soweit und solange“ angaben und mitteilungen betroffener stellen ohne deren zustimmung offenbart würden. die informationspflichtige stelle dürfe informationen nur in dem umfang zurückzuhalten, wie dies zu einer schadensvermeidung unerlässlich sei. das beklagte land habe nicht ansatzweise dargelegt, welche konkreten bestandteile der von dem kläger begehrten informationen hiernach zurückzuhalten seien und welche nicht. dem auskunftsanspruch des klägers stehe gegenwärtig auch nicht der ausschlussgrund des § 7 abs. 1 var. 3 ifg nrw entgegen, wonach der informationszugang für protokolle vertraulicher beratungen abzulehnen sei. bei den protokollen der sitzungen des spmc handele es sich zwar um vertrauliche protokolle in diesem sinne, da die sitzungen nicht öffentlich zugänglich seien. die vorschrift schütze aber nur die eigentlichen beratungs- und abwägungsvorgänge, nicht hingegen die tagesordnungspunkte, die den beratungen zugrundeliegenden sachinformationen sowie die beratungsergebnisse. ob und gegebenenfalls inwieweit der anspruch des klägers aufgrund von betriebs- oder geschäftsgeheimnissen dritter - insbesondere der an den sitzungen des spmc teilnehmenden luftverkehrsgesellschaften und sonstigen mitglieder - nach § 8 satz 1 ifg nrw ausgeschlossen sei, könne erst nach durchführung des in satz 4 der norm vorgesehenen anhörungsverfahrens entschieden werden und hänge überdies von der einwilligung des oder der betroffenen dritten ab. dieses anhörungsverfahren durchzuführen, sei aufgabe des beklagten landes, nicht des gerichts. 29zur begründung seiner vom verwaltungsgericht zugelassenen berufung nimmt das beklagte land zunächst auf seinen erstinstanzlichen vortrag bezug und trägt ergänzend im wesentlichen vor: das informationsrecht werde durch besondere rechtsvorschriften im sinne des § 4 abs. 2 ifg nrw beschränkt. das verwaltungsgericht verkenne hierbei den zusammenhang zwischen der vergabe der slots und der kontrolle ihrer einhaltung. für die kontrolle der einhaltung der slots müsse der rahmen der worldwide slot guidelines (wsg) zur anwendung kommen. deren anwendbarkeit komme in den erwägungsgründen der verordnung (ewg) nr. 95/93 und in deren art. 8 abs. 5 zum ausdruck. in den wsg sei auch der zugang zu informationen des spmc eindeutig geregelt. 30zudem sei das spmc entgegen der auffassung des verwaltungsgerichts als teil des koordinierungsausschusses eine stelle des bundes, so dass der schutz öffentlicher belange nach § 6 satz 1 buchst. c ifg nrw greife. würden entgegen den vorgaben der wsg informationen an unbeteiligte herausgegeben, könne dies für den flughafenkoordinator ernsthafte folgen haben. dieser wäre durch eine auflösung oder arbeitsunfähigkeit des spmc in seinem arbeitsverhältnis mit den airlines betroffen. der bund könnte noch wesentlich weitreichendere folgen zu tragen haben. eine veröffentlichung von informationen gegen den willen ausländischer airlines könne zumindest bei einigen politisch „schwierigen“ staaten zu störungen der internationalen beziehungen führen. ein gleichlautender antrag des klägers bei den bundesstellen sei nach kenntnisstand des beklagten landes aus diesem grund auch abgelehnt worden. bei einer veröffentlichung von informationen würden die airlines des spmc ihre teilnahme dauerhaft verweigern. 31ferner greife der schutz des behördlichen entscheidungsbildungsprozesses nach § 7 abs. 1 var. 3 ifg nrw. soweit das verwaltungsgericht eine vertraulichkeit der protokolle des spmc hinsichtlich der tagesordnungspunkte, der den beratungen zugrunde liegenden sachinformationen und der beratungsergebnisse verneint habe, verkenne es die möglichen wirkungen, die sich aus den tagesordnungspunkten und sachinformationen ergeben könnten. die beratungsergebnisse würden ohnehin regelmäßig veröffentlicht und seien frei zugänglich. 32schließlich komme auch der schutz von betriebs- und geschäftsgeheimnissen (§ 8 ifg nrw) zum tragen. es sei nicht zu leisten, eine einwilligung von ca. 160 fluggesellschaften einzuholen und in jedem einzelfall zu prüfen, ob vorgetragene einwände zu überzeugen vermögen. 33das beklagte land erläutert im übrigen das bisherige prozedere der sitzungen des spmc und den vorgang der slot-zuweisung. 34das beklagte land beantragt, 35das angefochtene urteil im umfang der berufung zu ändern und die klage vollumfänglich abzuweisen. 36der kläger beantragt, 37die berufung zurückzuweisen. 38er trägt im wesentlichen vor: die begehrten informationen müssten bei dem beklagten land vorhanden sein. er, der kläger, habe im september 2019 einen informationszugangsantrag bezüglich des spmc am flughafen e. bei der fluko gestellt. diese habe darauf hingewiesen, dass die streitgegenständlichen informationen bei dem beklagten land und der flughafen e. gmbh vorlägen. 39es liege keine sperre durch § 4 abs. 2 ifg nrw vor. die vom beklagten land herangezogenen wsg seien nur empfehlungen und hätten keine normqualität. sie regelten auch keine informationszugangsansprüche natürlicher personen. soweit das beklagte land weiter auf die verordnung (ewg) nr. 95/93 verweise, beziehe deren art. 8 sich lediglich auf die slotzuweisung, nicht auf die slotnutzung. 40der ausschlussgrund nach § 6 satz 1 buchst. c ifg nrw greife nicht. sein, des klägers, informationszugangsbegehren erfasse keine angaben oder mitteilungen öffentlicher stellen des bundes oder anderer länder, sondern beziehe sich allein auf unterlagen und informationen des beklagten landes. das spmc sei als beliehener eine öffentliche stelle dieses landes, so dass es insoweit keiner zustimmung bedürfe. das sei bereits erstinstanzlich ausgeführt worden. 41auch der ausschlussgrund nach § 7 abs. 1 var. 3 ifg nrw stehe hier nicht entgegen. nur ein teil des zugangsbegehrens beziehe sich auf protokolle. insoweit fehle es an einer gesetzlichen regelung zur vertraulichkeit der sitzungen des spmc. 42der ausschlussgrund des § 8 ifg nrw greife vorliegend ebenfalls nicht. hier gehe es nicht um geschäftsgeheimnisse. die streitigen informationen hätten keinen wirtschaftlichen wert und keine wettbewerbsrelevanz. sie beträfen alte und abgeschlossene vorgänge. zudem seien sie anderen unternehmen aus flughafenkreisen und grundsätzlich auch der öffentlichkeit bekannt. ferner fehle es an einem berechtigten geheimhaltungsinteresse. informationen über rechtsverstöße seien nicht schutzwürdig. ein eventueller schaden wäre im übrigen auch nur geringfügig i. s. v. § 8 satz 3 ifg nrw. 43schließlich komme neben dem anspruch aus dem ifg nrw zu seinen gunsten ggf. auch ein solcher nach dem umweltinformationsrecht in betracht. 44wegen der einzelheiten des sachverhalts und des vorbringens der beteiligten im übrigen wird auf den inhalt der gerichtsakte bezug genommen. 45
46die berufung des beklagten landes hat keinen erfolg. das verwaltungsgericht hat der in dem begehren des klägers enthaltenen bescheidungsklage - zum teil allerdings nur im ergebnis - zu recht stattgegeben. der kläger hat einen anspruch gegen das beklagte land auf neubescheidung seines informationszugangsantrags vom 4. oktober 2016, dessen unterpunkte bis auf die ursprüngliche nummer 2 („eine liste der aktuellen mitglieder des spmc“) im berufungsverfahren weiterhin streitgegenständlich sind. der ablehnende bescheid des vm nrw vom 20. oktober 2016 erweist sich daher als rechtswidrig und verletzt den kläger in seinen rechten i. s. v. § 113 abs. 5 vwgo. 47dem kläger steht ein anspruch auf neubescheidung seines informationszugangsantrags zu. diesen anspruch kann der kläger auf das informationsfreiheitsgesetz nordrhein-westfalen stützen (dazu a.), nicht hingegen auf das umweltinformationsrecht (dazu b.). 48a. nach § 4 abs. 1 ifg nrw hat jede natürliche person nach maßgabe dieses gesetzes gegenüber den in § 2 genannten stellen anspruch auf zugang zu den bei der stelle vorhandenen amtlichen informationen. 49i. der informationsanspruch des klägers gegen das beklagte land ist nicht aufgrund von § 4 abs. 2 satz 1 ifg nrw ausgeschlossen. nach dieser vorschrift treten die bestimmungen des informationsfreiheitsgesetzes nordrhein-westfalen zurück, soweit besondere rechtsvorschriften über den zugang zu amtlichen informationen, die auskunftserteilung oder die gewährung von akteneinsicht bestehen. solche besonderen rechtsvorschriften, die den informationszugang nach § 4 abs. 1 ifg nrw sperren, existieren nicht. 50unter rechtsvorschriften i. s. d. § 4 abs. 2 satz 1 ifg nrw sind bereichsspezifische gesetze des bundes oder des landes zu verstehen, die einen informationsanspruch regeln. wie das tatbestandsmerkmal „soweit“ zeigt, sind nur solche vorschriften als vorrangig in betracht zu ziehen, die denselben sachverhalt abschließend - sei es identisch, sei es abweichend - regeln. konkurrenzfragen sind in jedem konkreten einzelfall durch eine systematische, an sinn und zweck des gesetzes orientierte auslegung der jeweiligen informationszugangsrechte zu klären. um die bestimmung des verhältnisses verschiedener informationszugangsrechte untereinander vornehmen zu können, müssen vor allem deren jeweilige regelungsmaterien berücksichtigt werden. eine vorrangigkeit im sinne einer ausschließlichkeit ist nur dort anzunehmen, wo die jeweiligen rechte die gleichen anliegen verfolgen und/oder identische zielgruppen erfassen. eine besondere rechtsvorschrift im sinne von § 4 abs. 2 satz 1 ifg nrw liegt daher nur dann vor, wenn ihr anwendungsbereich in sachlicher hinsicht wegen spezifischer anforderungen an die informationen, die der rechtsvorschrift unterfallen, und/oder in persönlicher hinsicht wegen spezifischer anforderungen an die personen, auf welche die rechtsvorschrift anwendung findet, beschränkt ist. wenn spezialgesetzliche regelungen für einen gesonderten sachbereich oder für bestimmte personengruppen einen begrenzten informationsanspruch vorsehen, ist deshalb im einzelfall zu untersuchen, ob diese grenzen auch für den anspruch aus § 4 abs. 1 ifg nrw bindend sind. dies ist anzunehmen, wenn ein umfassender informationsanspruch dem schutzzweck des spezialgesetzes zuwider laufen würde. lässt sich derartiges nicht feststellen, gelangt der anspruch aus § 4 abs. 1 ifg nrw zur anwendung. 51vgl. ovg nrw, urteil vom 17. november 2020- 15 a 4409/18 -, juris rn. 110 f., m. w. n. 521. vorrangige rechtsvorschriften in diesem sinne ergeben sich nicht aus der verordnung (ewg) nr. 95/93 des rates vom 18. januar 1993 über gemeinsame regeln für die zuweisung von zeitnischen auf flughäfen in der gemeinschaft („slot-verordnung“), insbesondere nicht aus deren art. 4 abs. 8. 53dabei mag dahinstehen, ob ein konkurrenzverhältnis zwischen einer regelung des europäischen rechts und dem nationalen informationsfreiheitsrecht hier schon daran scheitert, dass das eu-recht in der regel keinen zugang zu amtlichen informationen gegenüber behörden normiert und damit ein wesentliches element für das vorliegen einer kollisionslage fehlt. 54so zu § 1 abs. 3 ifg bund: schoch, ifg, 2. aufl. 2016, § 1 rn. 304. 55denn es ist jedenfalls nicht zu erkennen, dass ein umfassender informationsanspruch nach § 4 abs. 1 ifg nrw einem schutzzweck der „slot-verordnung“ zuwiderliefe. das gilt vor allem auch mit blick auf die regelung in art. 4 abs. 8 der verordnung, wonach „der koordinator […] interessierten parteien, insbesondere den mitgliedern des koordinierungsausschusses oder den beobachtern im ausschuss, auf anfrage innerhalb einer angemessenen frist und unentgeltlich folgende informationen entweder in schriftlicher oder anderer leicht zugänglicher form zur überprüfung zur verfügung (stellt): 56a) die bestehenden zeitnischen für alle luftfahrtunternehmen auf dem flughafen, aufgeschlüsselt nach luftfahrtunternehmen und in zeitlicher reihenfolge; 57b) beantragte zeitnischen (erstanträge), aufgeschlüsselt nach luftfahrtunternehmen und in zeitlicher reihenfolge für alle luftfahrtunternehmen; 58c) alle zugewiesenen zeitnischen und die noch nicht beschiedenen anträge auf zeitnischen, aufgeschlüsselt nach luftfahrtunternehmen und in zeitlicher reihenfolge für alle luftfahrtunternehmen; 59d) noch verfügbare zeitnischen; 60e) vollständige angaben über die zuweisungskriterien.“ 61die erwägungsgründe der verordnung sagen hierzu aus, dass „die transparenz der informationen […] eine wesentliche voraussetzung (ist), um ein objektives verfahren für die zuweisung von zeitnischen sicherzustellen.“ 62weder daraus noch aus anderen umständen wird ersichtlich, dass art. 4 abs. 8 der verordnung das ziel verfolgt, weitergehende informationsansprüche auszuschließen, erst recht nicht solche, die gar nicht gegen den „koordinator“ gerichtet sind. 63die vom beklagten land in der mündlichen verhandlung herausgestellte zeitliche priorität der „slot-verordnung“ gegenüber den vorschriften des informationsfreiheitsrechts führt zu keinem anderen ergebnis. ist der verordnung ein auf den ausschluss anderweitiger informationszugangsrechte gerichteter schutzzweck nicht zu entnehmen, kann dieser nicht fingiert werden, nur weil im nachhinein solche rechte geschaffen worden sind. im übrigen hätte es sowohl den europäischen als auch den nationalen rechtssetzungsorganen freigestanden, nach dem inkrafttreten der informationsfreiheitsgesetze regelungen zu schaffen, die einen informationszugang auf den durch art. 4 abs. 8 der „slot-verordnung“ vorgegebenen rahmen beschränken; dies ist jedoch nicht geschehen. 642. auch aus den vom beklagten land herangezogenen „world airport slot guidelines“ der iata (international air transport association), 65https://www.iata.org/contentassets/4ede2aabfcc14a55919e468054d714fe/wasg-edition-1-english-version.pdf (fassung aus dem jahr 2020), zuletzt abgerufen am 1. juli 2022, 66ergeben sich keine rechtsvorschriften im sinne des § 4 abs. 2 ifg nrw. das gilt schon deshalb, weil es sich hierbei nicht um „rechtsvorschriften“ handelt, sondern um regelungen, die von einer organisation des luftverkehrsgewerbes geschaffen worden sind. die guidelines sind auch nicht durch die verordnung (ewg) nr. 95/93 dergestalt inkorporiert worden, dass sie durch bezugnahme in den rang von verordnungsrecht erhoben worden wären. nach art. 8 abs. 5 satz 1 der verordnung „berücksichtigt“ der koordinator lediglich „des weiteren zusätzliche regelungen und leitlinien, die das luftverkehrsgewerbe weltweit oder gemeinschaftsweit festgelegt hat“. auch durch den erwägungsgrund, wonach „die für das gegenwärtige system der zeitnischenzuweisung maßgeblichen grundsätze […] als grundlage dieser verordnung dienen (können), sofern sich dieses system im einklang mit der entwicklung des verkehrs in der gemeinschaft weiterentwickelt“, ist eine erhebung zum verordnungsrecht nicht mit der notwendigen eindeutigkeit zum ausdruck gebracht. 67ii. der kläger ist eine nach § 4 abs. 1 ifg nrw anspruchsberechtigte natürliche person und das beklagte land eine nach § 2 ifg nrw anspruchsverpflichtete stelle, bei der auch vom kläger begehrte amtliche informationen - schon aus der stellung des landes als teilnehmer an den sitzungen des spmc - vorhanden sind. 68iii. der vom kläger gestellte informationszugangsantrag genügt den in § 5 abs. 1 satz 3 ifg nrw niedergelegten bestimmtheitsanforderungen. nach dieser vorschrift muss der antrag hinreichend bestimmt sein und insbesondere erkennen lassen, auf welche informationen er gerichtet ist. das ist hier der fall. 69durchgreifende bedenken gegen die notwendige bestimmtheit folgen nicht daraus, dass das mit dem zweiten spiegelstrich des klageantrags beschriebene begehren auf unterlagen zu flughafennutzern zielt, die „im sinne der geschäftsordnung des spmc und dessen bewertung den prozess der slot-zuteilung und/oder der slot-nutzung vorsätzlich und regelmäßig missbrauchen“. die qualifizierung eines missbrauchs als „vorsätzlich und regelmäßig“ erfordert zwar eine wertung, die von der anspruchsverpflichteten stelle bei der gewährung des informationszugangs nicht zu leisten wäre. das begehren des klägers zielt indes erkennbar auf den zugang zu unterlagen, in denen eine durch das spmc vorgenommene und zum ausdruck gebrachte qualifizierung festgehalten worden ist. auch dass der antrag des klägers im übrigen auf einen „missbrauch“ des prozesses der slot-zuteilung bzw. der slot-nutzung abstellt, begründet keine unbestimmtheit. denn dieser begriff wird durch die in bezug genommene geschäftsordnung des spmc konkretisiert; gemeint sind hiernach sachverhalte, in denen flughafennutzer „die vom fhkd zugeteilten slots […] nicht nutzen, einen flug gänzlich ohne slot oder zu einer anderen als der zugewiesenen slot-zeit durchführen“. 70iv. ausschlussgründe des § 6 satz 1 ifg nrw stehen einem anspruch des klägers auf neubescheidung nach aktenlage nicht entgegen. das gilt namentlich für die gründe in buchst. a (dazu 1.) und in buchst. c (dazu 2.) der vorschrift. 711. gemäß § 6 abs. 1 satz 1 buchst. a ifg nrw ist der antrag auf informationszugang abzulehnen, soweit und solange das bekanntwerden der information die landesverteidigung, die internationalen beziehungen, die beziehungen zum bund oder zu einem land oder die öffentliche sicherheit oder ordnung, insbesondere die tätigkeit der polizei, des verfassungsschutzes, der staatsanwaltschaften oder der behörden des straf- und maßregelvollzugs einschließlich ihrer aufsichtsbehörden beeinträchtigen würde. 72a) eine drohende beeinträchtigung internationaler beziehungen hat das beklagte land allein durch seinen vortrag, dass eine veröffentlichung von informationen gegen den willen ausländischer airlines zumindest bei einigen politisch „schwierigen“ staaten zu störungen der internationalen beziehungen führen könne, nicht substantiiert dargelegt. 73der mögliche eintritt von nachteilen für die internationalen beziehungen kann nur gegenstand einer plausiblen und nachvollziehbaren prognose sein, die ihrerseits nur in engen grenzen verwaltungsgerichtlich überprüfbar ist. ob und wie sich das bekanntwerden von informationen auf die außenpolitischen ziele auswirkt, hängt von auf die zukunft bezogenen beurteilungen ab, die notwendig mit einem gewissen maß an unsicherheit verbunden sind. das gericht kann insoweit nur nachprüfen, ob die behörde von einem zutreffend und vollständig ermittelten sachverhalt ausgegangen ist, ihre prognose einleuchtend begründet hat und keine offensichtlich fehlerhafte, insbesondere in sich widersprüchliche einschätzung getroffen hat. 74vgl. zu § 3 nr. 1 buchst. a ifg bund: bverwg, urteil vom 29. oktober 2009 - 7 c 22.08 -, juris rn. 20. 75daran gemessen fehlt es hier ersichtlich an einer ausreichend fundierten prognose. eine nachvollziehbare begründung dafür, welche hier streitgegenständlichen informationen nach art und inhalt dazu angetan wären, die beziehungen des bundes zu anderen staaten in mitleidenschaft zu ziehen, bleibt das beklagte land schuldig. auch die mit der berufungsbegründung der sache nach in bezug genommenen und vom kläger hiernach vorgelegten schreiben der fluko vom 24. oktober 2019 und 28. april 2020 geben für eine drohende beeinträchtigung internationaler beziehungen nichts konkretes her. die fluko verweist dort lediglich am rande und ohne weitere begründung darauf, dass der zugang zu ihren informationen u. a. auch den ausschlussgrund des § 3 nr. 1 buchst. a ifg (bund) beträfe, welcher in ähnlicher weise wie § 6 abs. 1 satz 1 buchst. a var. 2 ifg nrw an nachteilige auswirkungen auf internationale beziehungen anknüpft. 76b) eine im fall der gewährung des informationszugangs sich abzeichnende beeinträchtigung der öffentlichen sicherheit oder ordnung hat das beklagte land mit seinem vortrag zu einer drohenden „auflösung oder arbeitsunfähigkeit des spmc“ ebenso wenig hinreichend aufgezeigt. 77schutzgut der öffentlichen sicherheit sind neben den rechtsgütern des einzelnen und der unversehrtheit der rechtsordnung auch die grundlegenden einrichtungen und veranstaltungen des staates, mithin die funktionsfähigkeit der staatlichen einrichtungen. 78vgl. ovg nrw, beschluss vom 6. dezember 2019 - 15 a 3909/18 -, juris rn. 12 f., m. w. n. 79an eine beeinträchtigung der öffentlichen sicherheit stellt § 6 satz 1 buchst. a ifg nrw keine hohen anforderungen. die vorschrift setzt - im unterschied zu buchst. b - keine erhebliche beeinträchtigung voraus, sondern lässt eine einfache beeinträchtigung genügen. eine solche liegt vor, wenn nachteilige auswirkungen auf das schutzgut konkret zu erwarten sind. 80vgl. ovg nrw, beschluss vom 6. dezember 2019 - 15 a 3909/18 -, juris rn. 16 f., m. w. n. 81eine solche erwartung hat das beklagte land nicht aufgezeigt. sein vortrag zu den folgen der gewährung des informationszugangs für den fortbestand und die arbeitsfähigkeit des spmc bleibt vage und gibt nicht zu erkennen, auf welchen konkreten tatsächlichen grundlagen bzw. annahmen er beruht. dies gilt mit blick auf die konkret geäußerte befürchtung, dass sich die fluggesellschaften bei der offenbarung von inhalten aus dem gremium zurückziehen könnten, insbesondere vor dem hintergrund, dass nach der begründung der genehmigung vom 9. november 2005, welche der bildung des spmc zugrunde liegt, die konkurrierenden airlines auf die einhaltung der slots drängen würden, um erschlichene wettbewerbsvorteile zu verhindern. danach geht jedenfalls die genehmigung davon aus, dass die fluggesellschaften ein starkes eigeninteresse an der beteiligung an dem spmc haben. insofern wird aus dem vortrag des beklagten nicht deutlich, warum dieses bei der veröffentlichung von informationen aus dem gremium nicht mehr ausreichend sein sollte, um sie zur fortgesetzten mitwirkung zu bewegen. 82auch aus den (im wesentlichen inhaltsgleichen) erstinstanzlichen beiladungsanträgen der d. flugdienst gmbh vom 15. oktober 2018 und der f. gmbh vom 17. oktober 2018 - beide airlines sind mitglieder des spmc am flughafen e. - ergeben sich keine konkreten hinweise darauf, dass die arbeitsfähigkeit des spmc im fall der gewährung des informationszugangs substantiell und nachhaltig beeinträchtigt würde. ankündigungen, sich aus der mitarbeit im spmc zurückzuziehen, sind der begründung der anträge nicht zu entnehmen. die fluggesellschaften machen lediglich geltend, es sei bei einer offenlegung der unterlagen des spmc damit zu rechnen, „dass die mitglieder des spmc von den am flughafen operierenden fluggesellschaften nicht mehr alle informationen zur verfügung gestellt bekämen, welche sie für die erfüllung ihrer aufgaben nach der geschäftsordnung benötigen“. welche informationen damit konkret gemeint sind, bleibt dabei offen, so dass auch nicht der frage nachgegangen werden kann, wie essentiell sie für die arbeit des spmc sind. 83selbst wenn einzelne airlines ihre mitgliedschaft im spmc beenden würden - wofür der vortrag des beklagten landes, wie ausgeführt, nichts substantielles hergibt -, hieße dies nicht, dass das spmc hiernach nicht mehr arbeitsfähig wäre oder sich gar auflösen müsste. denn seine geschäftsordnung benennt keine bestimmten fluggesellschaften als mitglieder, sondern verweist insoweit lediglich auf „zu bestimmende flughafennutzer, die den flughafen e. regelmäßig anfliegen“. entsprechend ergibt sich die grundsätzliche möglichkeit, ggf. ausscheidende gesellschaften nötigenfalls durch andere zu ersetzen. 84hiernach kann dahinstehen, ob eine auflösung des spmc überhaupt eine gefahr für die öffentliche sicherheit oder ordnung begründen würde. 852. § 6 abs. 1 satz 1 buchst. c ifg nrw besagt, dass der antrag auf informationszugang abzulehnen ist, soweit und solange durch das bekanntwerden der information angaben und mitteilungen öffentlicher stellen des bundes oder anderer länder ohne deren zustimmung offenbart würden. 86a) das verwaltungsgericht hat zutreffend darauf verwiesen, dass das beklagte land bislang von keiner der in betracht kommenden öffentlichen stellen des bundes (solche anderer (bundes-)länder sind hier offensichtlich nicht involviert) eine entsprechende - zustimmende oder ablehnende - erklärung eingeholt und vorgelegt hat. 87die informationspflichtige behörde ist gehalten, die betroffenen stellen nach der zustimmung zu fragen. die einholung einer solchen äußerung steht nicht in ihrem ermessen. 88franßen, in franßen/seidel, ifg nrw, 2007, § 6 rn. 794; schwartmann, in: beckok infomedienr, stand 1. februar 2021, § 6 ifg nrw rn. 26a. 89lehnt die auf informationszugang in anspruch genommene behörde den zugangsantrag ab, ohne eine erforderliche zustimmung nach § 6 abs. 1 satz 1 buchst. c ifg nrw eingeholt zu haben, kann sie auf eine klage des antragstellers hin - in ähnlicher weise wie bei einem noch ausstehenden drittbeteiligungsverfahren gemäß § 8 satz 4 ifg nrw (dazu a. vi.) - nur zur neubescheidung verpflichtet werden. 90b) öffentliche stellen des bundes sind offensichtlich insoweit betroffen, als die begehrten unterlagen - jedenfalls potentiell - angaben und mitteilungen der fluko und des bmvi als teilnehmer an den sitzungen des spmc enthalten. die fluko ist öffentliche stelle des bundes, weil sie öffentlich-rechtliche aufgaben der flughafenkoordinierung im auftrag des bundes wahrnimmt (§§ 27a, 31a luftvg; § 1 der verordnung zur beauftragung des flughafenkoordinators - fhkbeauftrv -). 91c) auch der örtliche koordinierungsausschuss erweist sich als öffentliche stelle des bundes, weshalb seine zustimmung einzuholen ist, wenn sich ihm zuzurechnende angaben oder mitteilungen in den begehrten unterlagen befinden. 92aa) der koordinierungsausschuss am flughafen e. ist eine „stelle“ im sinne von § 6 satz 1 buchst. c ifg nrw. 93der begriff der stelle hat einen organisationsrechtlichen bezug. nach den grundsätzen des verwaltungsverfahrensrechts, die hier entsprechend herangezogen werden können, bezeichnet er eine gewisse organisatorische eigenständigkeit und meint jede person des öffentlichen rechts und ihre organe, d. h. jede organisationseinheit, die durch organisationsrecht gebildet, vom wechsel des amtsinhabers unabhängig und nach den einschlägigen zuständigkeitsregelungen berufen ist, unter eigenem namen eigenständige aufgaben wahrzunehmen. 94vgl. bverwg, urteil vom 3. november 2011 - 7 c 3.11 -, juris rn. 12, m. w. n. (zum begriff der stelle in § 1 abs. 4 vwvfg). 95die einrichtung der koordinierungsausschüsse an den flughäfen beruht auf organisationsrechtlichen vorschriften des europäischen und nationalen rechts. nach art. 5 abs. 1 satz 1 vo (ewg) nr. 95/93 stellt der mitgliedstaat, in dem ein flughafen für vollständig koordiniert erklärt worden ist, sicher, dass bei diesem flughafen ein koordinierungsausschuss eingesetzt wird, der den in art. 4 genannten koordinator in beratender funktion unterstützt. das deutsche luftverkehrsgesetz trifft keine eigenständigen regelungen zur flughafenkoordinierung; es verweist lediglich auf das europäische recht (§ 27a abs. 1 luftvg). die auf der grundlage des § 32 abs. 1 satz 1 nr. 17 luftvg erlassene verordnung über die durchführung der flughafenkoordinierung sieht in ihrem § 2 vor, dass für jeden koordinierten verkehrsflughafen ein koordinierungsausschuss eingesetzt wird (satz 1). dieser besteht aus je einem vertreter der flugsicherungsorganisation, der betroffenen flughafenunternehmer, der spitzenverbände des gewerblichen luftverkehrs sowie des geschäftsluftverkehrs (satz 2). soweit luftfahrtunternehmen es für erforderlich halten, können sie je einen vertreter für den koordinierungsausschuss entsenden (satz 3). der koordinierungsausschuss gibt sich eine geschäftsordnung (§ 2 abs. 2 satz 1 fhkv). 96bb) der koordinierungsausschuss ist auch eine „öffentliche“ stelle, weil er ihm rechtlich zugewiesene aufgaben der öffentlichen verwaltung wahrnimmt. zugrunde zu legen ist hier der begriff der verwaltungstätigkeit in § 2 abs. 1 ifg nrw, der weit auszulegen ist und die verwaltung im formellen und materiellen sinn umfasst. 97vgl. ovg nrw, urteil vom 2. juni 2015 - 15 a 1997/12 -, juris rn. 39 f., m. w. n. 98materiell fallen dem koordinierungsausschuss aufgaben zu, die dem bereich der öffentlichen verwaltung zuzurechnen sind. der materielle verwaltungsbegriff knüpft an die ausgeübte funktion bzw. den verfolgten zweck der tätigkeit an, unabhängig davon, wer sie ausübt. maßgeblich ist, ob materielle verwaltungsaufgaben (in abgrenzung zu aufgaben der legislative oder judikative) wahrgenommen werden. 99vgl. ovg nrw, urteil vom 2. juni 2015 - 15 a 1997/12 -, juris rn. 41 f., m. w. n. 100der einrichtung des koordinierungsausschusses beruht, wie erläutert, auf art. 5 abs. 1 satz 1 vo (ewg) nr. 95/93, wonach der koordinierungsausschuss den in art. 4 genannten koordinator in beratender funktion unterstützt. die aufgaben dieses koordinators werden im deutschen luftverkehr von der fluko wahrgenommen (§ 27a abs. 1 luftvg, § 1 abs. 1 fhkbeauftrv). gemäß art. 5 abs. 1 satz 4 vo (ewg) nr. 95/93 gehört zu den aufgaben des koordinierungsausschusses „unter anderem, in folgenden fragen zu beraten: 101- möglichkeiten zur steigerung der gemäß artikel 6 ermittelten kapazität, 102- verbesserung der verkehrsverhältnisse auf dem betreffenden flughafen, 103- beschwerden über die zuweisung von zeitnischen im sinne von artikel 8 absatz 7, 104- verfahren zur überwachung der nutzung zugewiesener zeitnischen, 105- leitlinien für die zuweisung von zeitnischen unter berücksichtigung örtlicher gegebenheiten, 106- gravierende probleme für neubewerber im sinne von artikel 10“. 107der örtliche koordinierungsausschuss unterstützt die fluko mithin beratend bei der wahrnehmung ihrer - unzweifelhaft der öffentlichen verwaltung zuzurechnenden - aufgabe der flughafenkoordinierung, deren rechtliche grundlagen bzw. maßgaben in der verordnung (ewg) nr. 95/93 zu finden sind und die die fluko selbst zusammenfassend beschreibt mit „bindende slotzuteilung und […] flugplanvermittlung für sämtliche ankommende und abgehende flüge nach instrumentenflugregeln (ifr), welche mit über 2,1 millionen slots an den 15 deutschen internationalen flughäfen in deutschland durchgeführt werden“. 108https://fluko.org/ueber-uns/funktion/ (zuletzt abgerufen am 1. juli 2022) 109diese hilfstätigkeit des koordinierungsausschusses, die sich - wie ausgeführt - ihrerseits auf einer rechtlichen grundlage vollzieht, welche die einrichtung des ausschusses regelt und dessen binnenrechtliche verfassung durch eine geschäftsordnung vorsieht, erfüllt alle merkmale einer materiellen verwaltungstätigkeit, die ein außenwirksames handeln nicht voraussetzt. auch dass der koordinierungsausschuss ein exekutivorgan in lediglich beratender funktion unterstützt, steht einer qualifizierung als wahrnehmung einer verwaltungsaufgabe nicht entgegen. 110vgl. schoch, ifg, 2. aufl. 2016, § 1 rn. 161 (monopolkommission). 111cc) der koordinierungsausschuss ist als öffentliche stelle eine solche des bundes, weil seine nationale rechtliche grundlage in der verordnung über die durchführung der flughafenkoordinierung dem bundesrecht zuzuordnen ist (vgl. art. 73 abs. 1 nr. 6 gg). 1124. das spmc ist hingegen, anders als vom verwaltungsgericht tendenziell angenommen, keine öffentliche stelle des bundes, im übrigen auch nicht eine solche des beklagten landes. ihm fehlt schon die eigenschaft einer öffentlichen stelle an sich. 113das spmc ist bereits deshalb keine eigenständige stelle, weil es nach seiner geschäftsordnung lediglich als „unterausschuss des koordinierungsausschusses am flughafen e. “ gebildet worden ist. die eigenschaft als „stelle“ setzt eine durch das verwaltungsorganisationsrecht gebildete einheit voraus. 114vgl. schoch, ifg, 2. aufl. 2016, § 1 rn. 116; s. auch bverwg, urteil vom 3. november 2011- 7 c 3.11 -, juris rn. 12, m. w. n. 115entsprechende verwaltungsorganisationsrechtliche grundlagen für die einrichtung der spmc sind nicht zu erkennen. letztlich geht die schaffung der spmcs im grundsatz nur zurück auf internationale regelwerke und leitlinien ohne rechtsnormqualität wie die (bereits angesprochenen) „worldwide airport slot guidelines“ der iata, s. dort sec. 9 „slot monitoring“, oder die „euaca slot guidelines“ der european airport coordinators association. 116https://www.euaca.org/up/files/docseuaca/eu%20slot%20guidelines/eusg%20nr%20%201%20-%20slot%20performance%20monitoring_15092013%20(endorsed%20in%20euaca-70).pdf (zuletzt abgerufen am 1. juli 2022) 117davon abgesehen steht das spmc nach der zusammensetzung seiner stimmberechtigten mitglieder in privater hand und erweist sich in erster linie als - vom beklagten land in dem erörterungstermin des verwaltungsgerichts so bezeichnetes - „instrument der selbstkontrolle“, das vor allem im interesse der beteiligten fluggesellschaften und der weiteren stimmberechtigten mitglieder agiert. 118entgegen der ansicht des klägers ist das spmc nicht als beliehener eine öffentliche stelle des landes nordrhein-westfalen. ein beliehener handelt in wahrnehmung der ihm übertragenen öffentlichen aufgabe unter einsatz hoheitlicher befugnisse, wobei es allgemeiner überzeugung entspricht, dass eine beleihung nur durch oder aufgrund gesetzes erfolgen darf. 119vgl. bverwg, urteil vom 26. august 2010 - 3 c 35.09 -, juris rn. 21 und 24, jeweils m. w. n. 120unbeschadet der frage, ob das spmc auch befugnisse wahrnimmt, die als hoheitlich bezeichnet werden könnten, und ob es mangels eigener rechtspersönlichkeit überhaupt objekt einer beleihung sein kann, beruht seine einrichtung und aufgabenübertragung jedenfalls nicht auf einer gesetzlichen grundlage. 1215. die „angaben und mitteilungen“ des spmc sind auch nicht deshalb dem örtlichen koordinierungsausschuss zuzurechnen, weil das spmc als dessen organisationsrechtlich unselbständiger unterausschuss in diesen eingegliedert wäre. denn es ist weder dargelegt noch sonst erkennbar, dass die einrichtung des spmc am flughafen e. auf eine - für die zurechenbarkeit aus gründen der legitimität gebotene - organisationsentscheidung des örtlichen koordinierungsausschusses zurückgeht. nach aktenlage ist der „gründungsakt“ vielmehr allein in der vom vm nrw erteilten betriebsgenehmigung vom 9. november 2005 zu sehen, kraft deren ziffer 6.6.1 die betreiberin des flughafens ein spmc „einzurichten hat“. auch dessen geschäftsordnung ist durch die der genehmigung beigefügte anlage 1 vorgegeben worden. dass das vm nrw als landesbehörde selbst die befugnis hätte, dem koordinierungsausschuss als einer - wie erläutert - öffentlichen stelle des bundes einen unterausschuss einzurichten und damit in dessen interne organisationshoheit einzugreifen, ergibt sich aus den benannten rechtlichen vorgaben, die der einrichtung des koordinierungsausschusses zugrunde liegen, ebenfalls nicht. 122der vortrag des beklagten landes in der mündlichen verhandlung dazu, dass aus dem koordinierungsausschuss selbst der wunsch geäußert worden sei, ein spmc einzurichten, führt zu keinem anderen ergebnis. weder ergibt sich daraus, dass der erteilung der betriebsgenehmigung im november 2005 eine entsprechende organisationsentscheidung des koordinierungsausschusses voranging, noch, dass eine solche wenigstens im nachgang zur genehmigung getroffen worden ist. 123v. auch der ausschlussgrund des § 7 ifg nrw steht einem auskunftsanspruch des klägers nicht grundsätzlich entgegen. nach absatz 1 der vorschrift ist der antrag auf informationszugang abzulehnen für entwürfe zu entscheidungen, für arbeiten und beschlüsse zu ihrer unmittelbaren vorbereitung sowie für protokolle vertraulicher beratungen. absatz 3 regelt, dass informationen, die nach absatz 1 vorenthalten wurden, nach abschluss des jeweiligen verfahrens zugänglich zu machen sind (satz 1). für protokolle vertraulichen inhalts gilt dies nur für die ergebnisse (satz 2). 1241. die protokolle der sitzungen des spmc können durch § 7 abs. 1 var. 3 ifg nrw geschützt sein, allerdings nur partiell. ausgenommen vom schutz der vorschrift sind insbesondere informationen zum beratungsgegenstand und - nach abschluss des jeweiligen verfahrens (vgl. § 7 abs. 3 ifg nrw) - die beratungsergebnisse. 125a) es handelt sich hierbei um protokolle vertraulicher beratungen. 126aa) unter beratungen ist die verwaltungsinterne willensbildung zu verstehen, die innerhalb einer behörde oder zwischen mehreren behörden geschieht. 127vgl. schwartmann, in: beckok infomedienr, stand 1. februar 2021, § 7 ifg nrw rn. 5; frankewitsch, in: pabst/frankewitsch, ifg nrw, 1. aufl. 2022, § 7 rn. 41. 128schutzgut ist der behördliche entscheidungsprozess, der eine offene meinungsbildung erfordert, um eine effektive, funktionsfähige und neutrale entscheidungsfindung zu gewährleisten. 129vgl. zu § 8 abs. 1 satz 1 nr. 2 uig: bverwg, urteil vom 2. august 2012 - 7 c 7.12 -, juris rn. 26; ovg nrw, urteil vom 30. august 2016 - 15 a 2024/13 -, juris rn. 51. 130die sitzungen des spmc sind dem prozess verwaltungsinterner willensbildung zuzuordnen. dass an ihnen neben vertreterinnen und vertretern von behörden überwiegend solche der weiter mitwirkenden privatrechtssubjekte (insbes. der fluggesellschaften) teilnehmen, steht dem nicht entgegen. denn dieser umstand ändert nichts daran, dass die sitzungen des spmc jedenfalls auch der entscheidungsfindung der beteiligten behörden bzw. träger öffentlicher verwaltung dienen. insbesondere in bezug auf die verwaltungstätigkeit der fluko erscheint naheliegend, dass sie erkenntnisse aus den sitzungen des spmc gewinnt, die für die wahrnehmung ihrer aufgabe der slot-zuweisung erheblich sind. entsprechendes kann für das bmvi als aufsichtsbehörde gelten, soweit es um etwaige sanktionen geht, die als folge von zuwiderhandlungen gegen das system der slot-zuteilung in betracht kommen. es ist hierbei davon auszugehen, dass der prozess verwaltungsinterner willensbildung bereits mit der teilnahme der vorgenannten verwaltungsträger an den sitzungen des spmc beginnt. 131bb) die beratungen sind auch als vertraulich anzusehen. es bedarf - entgegen der auffassung des klägers - keines formellen gesetzes, in dem die vertraulichkeit der beratungen ausdrücklich geregelt ist. die beratung muss aber aus bestimmten gründen eine gewisse vertraulichkeit genießen. was nach der verkehrsanschauung nicht nach außen dringen darf und was bei offenlegung zu benennende nachteilige auswirkungen hätte, kann als vertraulich bezeichnet werden. diese gründe haben sich aber an dem schutzzweck von § 7 ifg nrw zu orientieren. schutzgut ist der behördliche entscheidungsprozess, der eine offene meinungsbildung und einen freien meinungsaustausch erfordert, um eine effektive, funktionsfähige und neutrale entscheidungsfindung zu gewährleisten. 132vgl. ovg nrw, beschluss vom 21. august 2008 - 13a f 11/08 -, juris rn. 32; urteil vom 9. november 2006 - 8 a 1679/04 -, juris rn. 123. 133davon ausgehend unterliegen die sitzungen des spmc einer vertraulichkeitserwartung. die beteiligten behörden bzw. träger öffentlicher verwaltung dürfen davon ausgehen, dass die in die sitzungen des spmc eingebrachten tatsachen und meinungsäußerungen der teilnehmer und teilnehmerinnen nicht nach außen dringen, solange dieses material gegenstand laufender verwaltungstätigkeit ist oder noch werden kann. eine vorzeitige verbreitung bzw. offenlegung wäre auch dazu angetan, die effektivität der wahrnehmung der jeweiligen verwaltungsaufgaben in mitleidenschaft zu ziehen. 134der vom beklagten land herangezogene beispielsfall, wonach bei einem unterstellten bekanntwerden von „ranglisten zur pünktlichkeit der airlines […] kunden lieber die vermeintlich pünktlichere airline buchen und die vermeintlich unpünktlichere airline buchungsrückgänge verzeichnet und somit einen wirtschaftlichen schaden erleidet“, gibt hingegen für eine vertraulichkeit in dem hier in rede stehenden rechtlichen kontext nichts her. denn dieses szenario hat keinen bezug zu der von § 7 ifg nrw allein geschützten behördlichen willensbildung und kann allenfalls im rahmen von § 8 ifg nrw berücksichtigung finden. 135cc) § 7 abs. 1 var. 3 ifg nrw schützt allerdings nicht den gesamten inhalt der protokolle vertraulicher beratungen. bereits die überschrift der norm und § 7 abs. 3 ifg nrw stellen klar, dass sich der gewährte schutz auf den prozess der behördlichen entscheidungsfindung, nicht aber - jedenfalls nicht dauerhaft - auf dessen ergebnisse bezieht. zweck des ausschlusstatbestandes des § 7 abs. 1 ifg nrw ist es, einen unbefangenen und freien meinungsaustausch zu gewährleisten. es soll in einer atmosphäre der offenheit und ohne von außen hineingetragene interessenkollisionen ein allein an der sache orientierter austausch von argumenten erfolgen können und auch für die zukunft weiterhin gewährleistet sein. ausgehend von dem - bereits unter aa) bestimmten - schutzgut des behördlichen entscheidungsprozesses ist unter „beratung“ der beratungsverlauf selbst mit den dabei vorgebrachten diskussions- und abwägungsbeiträgen zu verstehen, nicht aber der beratungsgegenstand und das beratungsergebnis. nur der eigentliche vorgang der behördlichen entscheidungsfindung, das heißt die besprechung, beratschlagung und abwägung - der beratungsprozess im engeren sinne - wird geschützt. der beratungsgegenstand (einschließlich der zuvor vorliegenden sachinformationen) ist daher ebenso offen zu legen wie abschließende entscheidungen. 136vgl. bgh, urteil vom 20. märz 2017 - anwz (brfg) 46/15 -, juris rn. 16, auch m. w. n. zur rechtsprechung des erkennenden gerichts. 137letzteres regelt § 7 abs. 3 ifg nrw ausdrücklich dadurch, dass protokolle vertraulicher beratungen „nach abschluss des jeweiligen verfahrens“ nicht mehr geschützt sind, soweit es um die darin festgehaltenen „ergebnisse“ geht. die maßgebliche zeitliche zäsur ist in dem abschluss des durch absatz 1 geschützten entscheidungsbildungsprozesses zu sehen. 138vgl. franßen, in: franßen/seidel, ifg nrw, 2007, § 7 rn. 850; schwartmann, in: beckok infomedienr, stand 1. februar 2021, § 7 ifg nrw rn. 16. 139macht die zugangsverpflichtete behörde geltend, bestimmte protokollangaben könnten noch für eine entscheidungsfindung von bedeutung sein, hat sie dies konkret und einzelfallbezogen darzulegen. 1402. ob § 7 ifg nrw über die protokolle der sitzungen des spmc hinaus auch für andere hier streitgegenständliche unterlagen zur anwendung kommen könnte, bleibt vor einer neubescheidung des antrags des klägers zu prüfen. 141vi. der schutz von betriebs- und geschäftsgeheimnissen in § 8 satz 1 ifg nrw erfordert die durchführung des in satz 4 der vorschrift vorgesehenen verfahrens auf drittbeteiligung, hier insbesondere der betroffenen fluggesellschaften und der betreiberin des flughafens e. . da das beklagte land dieses verfahren nach aktenlage noch nicht durchgeführt hat, kommt auch insoweit gegenwärtig allein ein anspruch des klägers auf neubescheidung seines informationszugangsantrags in betracht. 142vgl. dazu ovg nrw, beschlüsse vom 13. märz 2019 - 15 e 12/19 -, juris rn. 13 f., und vom 28. januar 2019 - 15 b 624/18 -, juris rn. 62 f., jeweils m. w. n. 143ein solches verfahren ist mit blick auf § 8 ifg nrw nicht deshalb entbehrlich, weil, wie der kläger meint, die begehrten informationen „grundsätzlich auch der öffentlichkeit bekannt“ seien. dies kann lediglich für diejenigen informationen gelten, die das beklagte land bereits aktiv veröffentlicht hat, etwa im rahmen der publikation der niederschriften über die sitzung der kommission nach § 32b luftvg für den verkehrsflughafen e. . 144auch der einwand des klägers, es gehe im vorliegenden fall um informationen betreffend verstöße von fluggesellschaften gegen die nachtflugbestimmungen, für die ein berechtigtes geheimhaltungsinteresse nicht anzuerkennen sei, vermag die notwendigkeit eines drittbeteiligungsverfahrens schon deshalb nicht in frage zu stellen, weil das streitgegenständliche informationsersuchen offensichtlich deutlich umfassender und weitgehender ist. so würden die begehrten informationen auch auf die einhaltung der zugewiesenen slots während des tagflugbetriebs schließen lassen; allein die bloße (unterstellte) zuwiderhandlung gegen behördliche slotzuteilungen dürfte wiederum kein rechtsverstoß sein, der ein berechtigtes geheimhaltungsinteresse entfallen lässt. 145der kläger hat allerdings zutreffend darauf verwiesen, dass das fortbestehen eines schützenswerten betriebs- und geschäftsgeheimnisses zeitabhängig ist. denn es ist davon auszugehen, dass geschäftsgeheimnisse nach einem zeitraum von fünf jahren typischerweise nicht mehr aktuell und deshalb nicht mehr vertraulich sind; danach muss der beteiligte, der sich auf die vertraulichkeit der informationen beruft, nachweisen, dass die betreffenden informationen trotz ihres alters immer noch wesentlich für die wirtschaftliche stellung des unternehmens oder eines dritten sind. 146vgl. bverwg, urteil vom 30. januar 2020 - 10 c 18.19 -, juris rn. 16, m. h. a. eugh, urteil vom 19. juni 2018 - c-15/16, baumeister - rn. 54. 147dass die durchführung des drittbeteiligungsverfahrens von seinem umfang her „offenkundig nicht zu leisten“ wäre, wie vom beklagten land eingewandt wird, ist nicht zu erkennen. dabei ist zum einen zu berücksichtigen, dass eine drittbeteiligung nur insoweit geboten ist, als ein zugang zu den in rede stehenden informationen nicht schon wegen des vorliegens anderer ausschlussgründe ausscheidet. bei streitigen informationen, die also etwa nach § 6 satz 1 buchst. c oder nach § 7 abs. 1 ifg nrw geschützt sind, bedarf es nicht der prüfung, ob sie betriebs- oder geschäftsgeheimnisse i. s. v. § 8 satz 1 ifg nrw beinhalten. zum anderen ist auch nicht erkennbar, dass mit blick auf die verbleibenden informationen in jedem fall „ca. 160 fluggesellschaften“ zu beteiligen sind. dass die in rede stehenden informationen betriebs- und geschäftsgeheimnisse aller am flughafen e. vertretenen fluggesellschaften enthalten können, ist vom beklagten land schon nicht nachvollziehbar dargelegt worden. 148b. der neubescheidungsanspruch des klägers kann hingegen nicht (auch) auf § 2 satz 1, satz 3 des umweltinformationsgesetzes nordrhein-westfalen (uig nrw) i. v. m. vorschriften des bundesrechtlichen umweltinformationsgesetzes (uig) gestützt werden. die hier in rede stehenden informationen sind keine umweltinformationen i. s. v. § 2 abs. 3 uig, insbesondere fallen sie nicht unter die nrn. 2 und 3 der vorschrift. danach sind umweltinformationen unabhängig von der art ihrer speicherung alle daten über 149- faktoren wie stoffe, energie, lärm und strahlung, abfälle aller art sowie emissionen, ableitungen und sonstige freisetzungen von stoffen in die umwelt, die sich auf die umweltbestandteile im sinne der nummer 1 auswirken oder wahrscheinlich auswirken (nr. 2) sowie über 150- maßnahmen oder tätigkeiten, die sich [a)] auf die umweltbestandteile im sinne der nummer 1 oder auf faktoren im sinne der nummer 2 auswirken oder wahrscheinlich auswirken oder [b)] den schutz von umweltbestandteilen im sinne der nummer 1 bezwecken. 151daten über die flugbewegungen am flughafen e. mögen zwar den umweltfaktor „lärm“ betreffen. es ist jedoch nicht erkennbar, dass dieser faktor sich hier seinerseits auf umweltbestandteile i. s. v. § 2 abs. 3 nr. 1 uig (wahrscheinlich) auswirkt. „natürliche lebensräume“, die in art. 1 buchst. b der richtlinie 92/43/ewg des rates vom 21. mai 1992 als „durch geographische, abiotische und biotische merkmale gekennzeichnete, völlig natürliche oder naturnahe terrestrische oder aquatische gebiete“ definiert werden, sind im lärmbetroffenen umfeld des flughafens nicht erkennbar tangiert. auch sonst kommen keine potentiell betroffenen umweltbestandteile in betracht. 152der umweltfaktor „emissionen“ kommt hier ebenfalls nicht zum tragen. er betrifft informationen dazu, welche stoffe in welchem umfang aus einer anlage in die umgebung abgegeben werden und damit für die öffentlichkeit unmittelbar spürbar werden. informationen über solche vorgänge sollen der öffentlichkeit nach dem sinn und zweck des § 9 abs. 1 satz 2 uig stets zugänglich gemacht werden und ihr nicht unter berufung auf betriebs- und geschäftsgeheimnisse vorenthalten werden dürfen. was aus der anlage in die umgebung gelangt, soll in keinem falle vertraulich behandelt werden dürfen. 153vgl. bverwg, urteil vom 24. september 2009- 7 c 2.09 -, juris rn. 45. 154um derartige unmittelbar immissionsrelevante angaben zu emissionen geht es hier nicht. 155die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 2 vwgo. 156die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit beruht auf § 167 vwgo in verbindung mit §§ 708 nr. 11, 711 zpo. 157die revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 abs. 2 vwgo genannten revisionsgründe vorliegt.
346,139
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6 K 3346/19
2022-06-30T00:00:00
Urteil
Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar. 1Tatbestand: 2Der am 0000 geborene Kläger ist der Vater der am 0000, 0000, 0000 und am 0000 geborenen Kinder Theo, Ella, Lou und Charlie. 3Er begehrt vom Beklagten die Weitergewährung von Leistungen der öffentlichen Ausbildungsförderung nach dem Bundesgesetz über individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG -) über die Förderungshöchstdauer hinaus für sein Bachelorstudium auf Lehramt für Haupt-, Real- und Gesamtschulen, das er zum Wintersemester (WS) 2012/2013 an der Universität zu Köln mit den Fächern Mathematik, Chemie und Bildungswissenschaften aufnahm und nach zwei Fachrichtungswechseln - zum Sommersemester (SS) 2013 in die Fächer Mathematik, praktische Philosophie und Bildungswissenschaft und zum WS 2013/2014 in die Fächer Sozialwissenschaft, praktische Philosophie und Bildungswissenschaft - seit dem WS 2014/2015 mit den Fächern Sozialwissenschaften, Philosophie und Bildungswissenschaften an der Universität Bielefeld fortführt(e). Die Förderungshöchstdauer für den vom Kläger betriebenen Studiengang beträgt sechs Fachsemester, die in seinem Fall mit dem Ende des SS 2016 am 30. September 2016 ablief. 4Mit Anträgen vom 5. März 2015 und 8. September 2015 bat der Kläger den Beklagten um Verlängerung der Frist für die Vorlage von Nachweisen i. S. d. § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG in den Fächern Philosophie und Sozialwissenschaften, weil er die Leistungen aufgrund der Betreuung seiner Kinder Theo und Ella noch nicht habe erbringen können. Diesen Anträgen gab der Beklagte statt. 5Mit Ablauf des WS 2015/2016 erbrachte der Kläger ausweislich der i. S. d. § 48 Abs. 1 Nr. 2 BAföG vorgelegten Leistungsnachweise die üblichen Leistungen (zumindest) der ersten vier Fachsemester in allen Fächern. 6Am 23. August 2016 beantragte der Kläger beim Beklagten die Weitergewährung von Leistungen nach dem BAföG bis einschließlich WS 2017/2018. Er trug vor, er habe trotz des Fächerwechsels, der Kinderbetreuung und seiner nebenberuflichen Tätigkeit bereits den Großteil seines Studiums absolviert. Er wolle das Studium nunmehr in drei weiteren Fachsemestern abschließen, wobei er noch im Einzelnen aufgeführte Kurse belegen müsse. 7Daraufhin bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 11. Oktober 2016 Leistungen der Ausbildungsförderung nach § 15 Abs. 3 Nr. 5 BAföG vom 1. Oktober 2016 bis zum 30. September 2017 für weitere zwei Fachsemester. Im Übrigen - bis einschließlich 31. März 2018 - wurde der Antrag abgelehnt. 8Mit Schreiben vom 3. Juli 2017 beantragte der Kläger die Weiterbewilligung der Förderleistungen für zwei weitere Fachsemester, weil er erneut Vater geworden sei. Das Studium habe sich durch die Geburt seines dritten Kindes Lou und den dadurch bedingten erhöhten Betreuungsaufwand weiter verzögert. 9Unter dem 19. September 2017 bewilligte der Beklagte dem Kläger dem Grunde nach Leistungen nach dem BAföG für ein weiteres Fachsemester vom 1. Oktober 2017 bis zum 31. März 2018. 10Mit Schreiben vom 22. Januar 2018 beantragte der Kläger beim Beklagten erneut die Weiterbewilligung von Leistungen der Ausbildungsförderung für ein weiteres Fachsemester. Nach der Geburt seines dritten Kindes habe er nicht sämtliche Studienziele erreichen können. Seiner Partnerin sei es postnatal unerwartet schlecht gegangen. Sie habe mit erheblichen psychischen Schwierigkeiten kämpfen müssen. Als verantwortlicher und fürsorglicher Familienvater sei es seine Pflicht gewesen, seine Partnerin zu unterstützen und den Familienalltag aufrechtzuerhalten. 11Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 4. April 2018 aus formalen Gründen wegen mangelnder Mitwirkung des Klägers ab. 12Sodann ließ sich der Kläger im Sommersemester 2018 beurlauben. 13Mit Schreiben vom 23. August 2018 beantragte er beim Beklagten erneut die Weiterförderung über die Förderungshöchstdauer hinaus für zwei, hilfsweise ein Fachsemester. Er machte seine starke Beanspruchung durch die familiäre Situation mit drei Kindern geltend. Inzwischen habe sich seine Partnerin erholt und sie hätten ab September 2018 auch für das dritte Kind einen KiTa-Platz bekommen. Daher werde er sein Studium in höchstens drei Fachsemestern abschließen, von denen er das letzte mittels Abschlusshilfe finanzieren werde. 14Mit Bescheid vom 5. November 2018 bewilligte der Beklagte dem Kläger dem Grunde nach Förderleistungen für zwei weitere Fachsemester in der Zeit vom 1. Oktober 2018 bis zum 30. September 2019. Damit sei auch der während des gewährten Verlängerungszeitraums weiterhin bestehende Betreuungsbedarf der Kinder entsprechend berücksichtigt. Falls nötig, bestehe für die Zeit ab dem 1. Oktober 2019 noch die Möglichkeit des Bezugs der Studienabschlusshilfe nach § 15 Abs. 3a BAföG. 15Unter Verwendung eines beim Beklagten am 7. August 2019 eingegangenen amtlichen Vordrucks beantragte der Kläger die hier streitgegenständliche Weiterbewilligung von Leistungen nach dem BAföG vom 1. Oktober 2019 bis zum 31. März 2020 (WS 2019/2020); wenige Tage später kam sein viertes Kind Charlie zur Welt. 16Mit Bescheid vom 27. August 2019 lehnte der Beklagte die Weiterbewilligung von Ausbildungsförderung für die Zeit vom 1. Oktober 2019 bis 30. September 2020 ab. Zur Begründung legte er im Wesentlichen dar, dass der Kläger unter Berücksichtigung des Kinderbetreuungsbedarfs bereits für fünf Fachsemester Ausbildungsförderung über die Förderungshöchstdauer hinaus erhalten habe. Es werde davon ausgegangen, dass er mindestens 50 % der erforderlichen Studienleistungen erbringe, auch wenn er während des Studiums Kinderbetreuung wahrnehme. Wenn das Studium darüber hinausgehend nicht betrieben werden könne, sei eine Beurlaubung zumutbar. Die Leistungen der öffentlichen Ausbildungsförderung sollten das Betreiben einer Ausbildung ermöglichen, nicht jedoch der Kindererziehung dienen, wenngleich diese durch Art. 6 GG geschützt sei. 17Unter dem 6. September 2019 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein. Er habe eine weitere Verlängerung lediglich für ein, nicht - wie abgelehnt - für zwei Fachsemester beantragt. Dass die Erziehung von minderjährigen Kindern im BAföG-Recht eine Ausnahmesituation darstelle, habe der Gesetzgeber zwischenzeitlich durch die Heraufsetzung des Kindesalters - von zehn - auf 14 Jahre in § 15 Abs. 3 Nr. 5 BAföG anerkannt. Zudem sei hinsichtlich des Umfangs 15.3.10 BAföGVwV zu beachten, wonach für die Betreuung eines Kindes bis zu fünf Lebensjahren pauschal ein Semester gewährt werde. Es müsse angemessen berücksichtigt werden, dass er sich mittlerweile um vier Kinder kümmere. Ihm fehlten nur noch die Bachelorarbeit und eine Hausarbeit, die er wegen der Endphase der letzten Schwangerschaft und der Geburt erneut habe verschieben müssen. 18Diesen Rechtsbehelf wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. September 2019 zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen Folgendes aus: Bis zum Ende der Förderungshöchstdauer am 30. September 2016 seien die Kinder Theo und Ella viereinhalb und knapp drei Jahre alt gewesen. Vor dem Hintergrund, dass bis zum sechsten Semester lediglich Studienverzögerungen von zwei Semestern eingetreten seien und die Studienverzögerungen durch Kindererziehung bereits mit einer Verlängerung von fünf Semester ausgeglichen worden seien, komme eine weitere Bewilligung von Ausbildungsförderung nach § 15 Abs. 3 Nr. 5 BAföG nicht in Betracht. Ungeachtet der durch die Kindererziehung bedingten Einschränkungen in der Durchführung des Studiums sei zu würdigen, dass eine nochmalige Förderung über die Höchstdauer einer mehr als 100 %igen Verlängerung der Studienzeit im Vergleich zu anderen Studierenden gleichkäme. Aufgrund des klägerischen Vortrags, dass für den Studienabschluss nur noch ein Semester benötigt werde, sei von der Möglichkeit der Hilfe nach § 15 Abs. 3a BAföG auszugehen, die bei Entscheidungen nach § 15 Abs. 3 BAföG stets perspektivisch zu berücksichtigen sei. 19Unter dem 30. Oktober 2019 beantragte der Kläger beim Beklagten Hilfe zum Studienabschluss nach § 15 Abs. 3a BAföG für die Zeit vom 1. Oktober 2019 bis 31. März 2020. Ihm wurde seitens der Prüfungsstelle am selben Tag bescheinigt, dass sein Studium voraussichtlich im März 2020 zum Abschluss kommen werde. Nach der Darstellung der Beteiligten bewilligte der Beklagte dem Kläger diese Leistung mit Bescheid vom 28. November 2019 für den beantragten Zeitraum und - weil es erneut zu Verzögerungen bei seinem Studium kam - in der Folgezeit für weitere sechs Monate bis einschließlich 30. September 2020 als Darlehen. Dem Vortrag des Beklagten zufolge erwarb der Kläger den Bachelor-Abschluss sodann am 14. September 2020. 20Mit seiner am 30. Oktober 2019 erhobenen Klage macht der Kläger im Wesentlichen Folgendes geltend: Seine Partnerin, die als Integrationsfachkraft in Bielefeld erwerbstätig (gewesen) sei, und er hätten die familiären Erziehungs- und Versorgungsarbeiten untereinander grundsätzlich hälftig aufgeteilt. Ab dem WS 2016/2017 habe er sich faktisch allein um die beiden älteren Kinder gekümmert, weil es seiner Partnerin unter anderem wegen einer extrem ausgeprägten Schwangerschaftsübelkeit, aber auch nach der Geburt von Lou sehr schlecht gegangen sei. Er habe unter anderem nachts gelernt und Lou sogar zeitweilig mit in die Universität genommen. Erschwerend seien Kinderkrankheitszeiten in seine Klausurphasen gefallen. Die Rahmenbedingungen hinsichtlich der Schwangerschaft und Geburt seines vierten Kindes - während des vierten und fünften Semesters der Förderung über die Förderungshöchstdauer hinaus - seien ähnlich schwierig gewesen. Die Dauer der Verlängerung hänge davon ab, innerhalb welcher Zeit das Versäumte nachgeholt werden könne. Dabei sei auch eine Verlängerung um einzelne Monate möglich. Die Voraussetzungen von 15.3.10 und 15.3.11 der BAföGVwV seien erfüllt, denn der Betreuungsbedarf der größeren Kinder habe fortbestanden und der Betreuungsbedarf der kleineren Kinder sei während der Verlängerungszeit hinzugetreten. Eine Höchstgrenze sei § 15 Abs. 3 Nr. 5 BAföG nicht zu entnehmen. Daraus, dass er im SS 2016 den Nachweis i. S. d. § 48 BAföG erbracht habe, folge keine andere Bewertung. Seinem Klagebegehren stehe auch die ihm hinsichtlich des streitgegenständlichen WS 2019/2020 bereits gewährte Studienabschlusshilfe (§ 15 Abs. 3a BAföG) nicht entgegen, weil diese lediglich als Darlehen bewilligt worden und folglich für ihn ungünstiger als ein Zuschuss sei. Ausweislich des beigefügten Screenshots seines Stundenplans hinsichtlich des WS 2016/2017 habe er sein Studium in dieser Zeit und - mit Ausnahme des Urlaubssemesters, das er im Sommer 2018 wegen seiner außerordentlichen Belastung in Anspruch genommen habe - auch danach mit mindestens der Hälfte seiner Arbeitskraft betrieben, wenngleich er letztlich keine Klausuren habe absolvieren können. Er habe keine weiteren Urlaubssemester einlegen können, weil die Beantragung bei der Universität Bielefeld in aller Regel von Stichtagen (15. Mai bzw. 15. November) abhängig sei und für ihn der Umfang der sich jeweils ergebenden Verzögerungen nicht vorhersehbar gewesen sei. Von Juli 2015 bis April 2018 habe er maximal im Umfang von 64,63 Stunden monatlich - d. h. 15 Stunden pro Woche - nachts bzw. an Wochenenden bei einem Pflegedienst gearbeitet, was mit seinem Studium jedoch vereinbar gewesen sei. Auch der Umstand, dass bei der Erbringung der Leistungsnachweise nach § 48 BAföG manche an der Universität Köln erbrachten Studienleistungen von der Universität Bielefeld nicht anerkannt worden seien, habe nicht allein zur Verzögerung im Studienverlauf geführt. Ohnehin komme es auf vor dem 1. Oktober 2018 eingetretene Verzögerungen nicht an, sondern nur auf die während des WS 2018/2019 und SS 2019 im Zusammenhang mit der Schwangerschaft und der Geburt seines Kindes Charlie neu hinzugetretenen. Es stelle sich die Frage, ob die in 15.3.10 Satz 3 BAföGVwV vorgesehene Deckelung der als angemessen geltenden Verlängerungszeiten ungeachtet des Umstandes, wie viele Kinder konkret zu betreuen seien, verfassungsgemäß sei. Zudem bezwecke 15.3.11 Sätze 1 und 2 BAföGVwV besonders bei zusätzlichen Gründen wie z.B. Erkrankung und Schwangerschaften die Zulassung eines weiteren Ausgleichs über die schematische Einordnung nach 15.3.10 Satz 3 BAföGVwV hinaus; wegen des nichtabschließenden Charakters dieser Regelung sei sie nicht nur auf schwangere Studierende anzuwenden. Es gebe keine Grenze für die angemessene Verlängerung in Semestern, solange die Studierenden 50 % ihrer Arbeitskraft in das Studium steckten. Leistungen nach dem BAföG würden in der rechts- und sozialpolitischen Diskussion als Instrument des Familienlastenausgleichs betrachtet. 21Der Kläger beantragt, 22den Bescheid des Beklagten vom 27. August 2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2019 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm die beantragte Ausbildungsförderung ab dem 1. Oktober 2019 für ein Semester zu gewähren. 23Der Beklagte beantragt, 24die Klage abzuweisen. 25Er gibt zu bedenken, dass die gesamte Studienhistorie des Klägers zu würdigen sei. Infolge des Hochschulwechsels von Köln nach Bielefeld sei eine Rückstufung in allen Studienfächern erfolgt. Nach den vom Kläger i. S. d. § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG vorgelegten Leistungsnachweisen zum Ende des fünften Förderungssemesters (WS 2015/2016) hätten in allen drei Studienfächern die üblichen Leistungen zumindest der ersten vier Fachsemester - in Philosophie bereits seit einem Semester (30. September 2015) und in Bildungswissenschaften sogar seit über zwei Semester (29. Januar 2015) - vorgelegen. Deshalb habe beim Kläger zum 31. März 2016 ein Leistungsrückstand aufgrund der Kindererziehung von maximal einem Semester bestanden. Der Aussagegehalt der Bescheinigung i. S. d. § 48 Abs. 1 Nr. 2 BAföG beschränke sich nicht auf den bloßen Nachweis nach § 9 Abs. 2 BAföG. Studienverzögerungen in Folge eines Hochschulwechsels unter Beibehaltung des Studienziels seien regelmäßig kein beachtlicher Grund i. S. d. § 15 Abs. 3 - schon gar nicht nach Nr. 5 - BAföG. Gleichwohl seien dem Kläger zur Abgeltung des bis zum Ende des SS 2015 eingetretenen Leistungsrückstandes und zum Ausgleich von Studieneinschränkungen in der Folgezeit aufgrund seiner bisherigen drei Anträge unter großzügigster Auslegung des § 15 Abs. 3 Nr. 5 BAföG Förderungsleistungen im Umfang von insgesamt fünf Semestern über die Förderungsdauer hinaus - im SS 2018 sei er beurlaubt gewesen - hinaus gewährt worden. Bei den jeweiligen Entscheidungen seien auch die Kindererziehungszeiten berücksichtigt worden, die im jeweils vorangegangenen Verlängerungszeitraum entstanden seien (Tz. 15.3.11 BAföGVwV). Damit sei die individuelle Förderungszeit auch unter Berücksichtigung der weiteren Kinder Lou und Charlie mehr als angemessen verlängert worden. Die Betreuung mehrerer Kinder führe nicht zu einer kumulativen Anhäufung von einzelnen Verlängerungszeiträumen, sondern der Verlängerungszeitraum sei nach dem Günstigkeitsprinzip vom Betreuungsbedarf des jüngsten Kindes abzuleiten. Dem Kläger sei bis zum Ende des SS 2019 im Vergleich zu einem nicht beeinträchtigten Studenten mit sechs Semestern bereits die dreifache Zeit zur Erlangung seines Studienabschlusses eingeräumt worden. Er habe bereits insgesamt knapp 70.000 €, davon 54.000 € als Zuschuss erhalten. Es könne vom Kläger im Hinblick auf § 2 Abs. 5 Satz 1 BAföG erwartet werden, dass er sich trotz der Kindererziehung wenigstens mit der Hälfte seiner Arbeitskraft der Ausbildung habe widmen können - woran angesichts seines Vortrags ernsthafte Zweifel bestünden -; andernfalls müsse er sich beurlauben lassen. Es sei durchaus naheliegend, dass sich Studienverzögerungen ungeachtet der Frage, ob diese zur förderungsrechtlichen Einkommensanrechnung geführt hätten, auch aufgrund der vom Kläger ausgeübten Erwerbstätigkeit ergeben hätten, zumal er immerhin Einkünfte von durchschnittlich 750,00 € bzw. 833,33 € erzielt habe. Es lägen keine Anhaltspunkte für eine Pflege i. S. d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 BAföG - der Grund der Schwangerschaft i. S. d. 15.3.11 BAföGVwV komme für ihn nicht in Betracht - vor; er sei durch die Schwangerschaftskomplikationen allenfalls mittelbar belastet worden und zwar in Form der bereits berücksichtigten Kindererziehung. Vor dem Hintergrund der durchgängig bestehenden Kindererziehung und der bekannten Schwangerschaftsproblematiken der Kindesmutter hätte sich der Kläger nicht nur für das Sommersemester 2018 beurlauben lassen müssen. Selbst wenn bei der Pflege und Erziehung von mehreren Kindern eine Überschreitung der Verlängerungszeiträume nach 15.3.10 BAföGVwV angezeigt sein sollte oder die Schwangerschaft seiner Partnerin für den Kläger einen eigenen Verzögerungsgrund darstellen würde, wären auch diese Gründe bereits durch die Förderung von Oktober 2018 bis September 2019 angemessen abgegolten worden. 26Mit Beschluss vom 31. Juli 2020 ist die Einzelrichterübertragung nach § 6 Abs. 1 VwGO erfolgt. 27Am 17. Februar 2021 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden, in der der Kläger den mit Alt und Jung Nord-Ost e. V. geschlossenen Arbeitsvertrag für geringfügig Beschäftigte vorgelegt hat. Im Nachgang dazu hat er noch Leistungsübersichten zu seinem Studium überreicht. Er gibt zu bedenken, dass diese Übersichten nur begrenzt aussagekräftig seien, weil weder an der Anzahl der studierten Semester noch der erzielten Credit Points die tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung - unter anderem die erhebliche Vor- und Nacharbeit in Bezug auf Vorlesungen - abgelesen werde könne. 28Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (vier Bände) verwiesen. 29Entscheidungsgründe: 30Das Gericht durfte nach § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren treffen, weil sich die Beteiligten mit dieser Vorgehensweise in der mündlichen Verhandlung vom 17. Februar 2021 einverstanden erklärt haben. 31Das Gericht fasst den Klageantrag des Klägers dahingehend auf, dass er über die Förderungshöchstdauer hinaus weitere Ausbildungsförderung nach § 15 Abs. 3 Nr. 5 BAföG für die Zeit vom 1. Oktober 2019 bis zum 31. März 2020 (WS 2019/2020) in der Form eines Zuschusses erlangen möchte. 32Die so verstandene Klage ist als Verpflichtungsklage im Sinne des § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere wird dem Kläger zu seinen Gunsten nicht vor dem Hintergrund das Rechtsschutzinteresse abgesprochen, dass ihm vom Beklagten (unter anderem) für den streitgegenständlichen Zeitraum bereits mit Bescheid vom 28. November 2019 eine Hilfe zum Studienabschluss nach Maßgabe des § 15 Abs. 3a BAföG bewilligt wurde. Denn diese Leistung wurde ihm nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BAföG - mit Ausnahme des Kinderbetreuungszuschusses - in Höhe von 1.413,00 € monatlich als Darlehen gewährt, sodass die mit der Klage erstrebte Zuschussförderung (§ 17 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BAföG) für ihn günstiger ist, wobei die Förderungshöhe gleich bleibt. 33Vgl. in diesem Zusammenhang VG Hamburg, Beschluss vom 21. April 2017 - 2 E 3977/17 -, juris Rn. 14 und 20; a. A. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 7. März 1996 - 7 S 2149/95 -, juris Rn. 4. 34Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine weitere Bewilligung von Ausbildungsförderung für die Zeit vom 1. Oktober 2019 bis 31. März 2020 nach § 15 Abs. 3 Nr. 5 BAföG. Der angegriffene Bescheid des Beklagten vom 27. August 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). 35Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 BAföG wird Ausbildungsförderung grundsätzlich nur bis zum Ende der Förderungshöchstdauer geleistet. Die Förderungshöchstdauer entspricht nach § 15a Abs. 1 BAföG der Regelstudienzeit nach § 10 Abs. 2 des Hochschulrahmengesetzes (HRG). 36Die Förderungshöchstdauer für den vom Kläger betriebenen Studiengang (Bachelorstudium auf Lehramt für Haupt-, Real- und Gesamtschulen mit den Fächern Sozialwissenschaften, Philosophie und Bildungswissenschaften) beträgt sechs Fachsemester, die in seinem Fall - wovon auch die Beteiligten übereinstimmend ausgehen - Ende des SS 2016 am 30. September 2016 ablief. 37Hinsichtlich der Förderung über die Regelstudienzeit bzw. die Förderungshöchstdauer hinaus sieht § 15 Abs. 3 BAföG abschließend, 38vgl. Winkler, in: Beck´scher Online-Kommentar Sozialrecht, 55. Edition Stand 1. Dezember 2019, § 15 Rn. 16, 39fünf alternative Ausnahmetatbestände vor, bei deren Vorliegen Ausbildungsförderung für eine angemessene Zeit über die Förderungshöchstdauer hinaus geleistet wird. 40Gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 5 BAföG - nur dieser Ausnahmetatbestand kommt vorliegend in Betracht - wird für eine angemessene Zeit Ausbildungsförderung über die Förderungshöchstdauer hinaus geleistet, wenn sie infolge einer Behinderung, einer Schwangerschaft oder der Pflege und Erziehung eines Kindes bis zu 14 Jahren überschritten worden ist. 41Nach der Übergangsregelung des § 66a Abs. 2 BAföG ist ab dem 1. August 2019 § 15 Abs. 3 BAföG in der durch Art. 1 des Gesetzes vom 8. Juli 2019 (BGBl. I, S. 1048) geänderten und ab dem 16. Juli 2019 gültigen Fassung anzuwenden und nicht die bis zum 15. Juli 2019 geltende Gesetzesfassung, wonach die vorbezeichneten Tatbestandsmerkmale - lediglich - bis zu einem Kindesalter von zehn Jahren zu berücksichtigen sind; die nachstehenden Absätze des § 66a BAföG beinhalten insoweit keine andere Bestimmung. Ausweislich der entsprechenden Gesetzesbegründung ist hiermit beabsichtigt, dem Regelausbildungsbeginn schulischer Ausbildungen am 1. August eines Jahres Rechnung zu tragen (BT-Drs. 19/8749, S. 44). Damit ist auch nach Sinn und Zweck klargestellt, dass § 15 BAföG in seiner Neufassung für Ausbildungsabschnitte ab dem 1. August 2019 gelten soll. 42Vgl. VG Ansbach, Urteil vom 13. Juli 2020 - AN 2 K 18.01759 -, juris Rn. 50; Müller, in: Rothe/Blanke, BAföG, Loseblattsammlung Stand: Juli 2019, § 66a Rn. 5. 43Hier steht der Bewilligungszeitraum vom 1. Oktober 2019 bis zum 31. März 2020 und somit ein Zeitraum im Streit, der insgesamt nach dem 1. August 2019 liegt. Daher findet § 15 Abs. 3 BAföG in seiner Neufassung Anwendung, was allerdings im Fall des Klägers im Vergleich mit der alten Rechtslage zu keinem anderen Ergebnis führt. 44Hier mangelt es an der Angemessenheit i. S. d. § 15 Abs. 3 BAföG. 45„Angemessen“ ist demnach die Zeit, die dem Zeitverlust entspricht, der durch den das Überschreiten der Förderungshöchstdauer rechtfertigenden Grund entstanden ist (vgl. Tz. 15.3.1 BAföGVwV in der Fassung vom 29. Oktober 2013). Der Begriff der Angemessenheit unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der vollen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. 46Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Juli 1986 - 5 B 21/85 -, juris Rn. 2. 47Nach Auffassung des Gerichts spricht bereits der Wortlaut des § 15 Abs. 3 BAföG dagegen, dass eine Verlängerung der Förderungshöchstdauer um eine „angemessene“ Zeitspanne - wie der Kläger meint - zu einer Verdopplung oder gar Verdreifachung der regulär geförderten Studienzeit führen darf. Hinzu kommt - im Hinblick auf die gesetzgeberische Wertung in § 2 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 BAföG -, dass von einem Auszubildenden, der Kinder pflegt bzw. erzieht, erwartet wird, dass er jedenfalls 50 % seiner Arbeitskraft für seine Ausbildung aufwendet. 48Vgl. Lackner, in: Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 7. Auflage 2020, § 15 Rn. 35. 49Sofern die Pflege und Erziehung eigener Kinder zu einer Verzögerung der Ausbildung führt, legt das Gericht für das Maß der Verzögerung grundsätzlich die Erfahrungssätze zugrunde, die in Tz. 15.3.10 BAföGVwV zum Ausdruck kommen. Nach Satz 2 wird für das 1. bis 5. Lebensjahr des Kindes angenommen, dass sich die Ausbildung um ein Semester pro Lebensjahr verzögert, für das 6. und 7. Lebensjahr des Kindes insgesamt um ein Semester und für das 8. bis 10. Lebensjahr des Kindes insgesamt wiederum um ein Semester. Diese Staffelung wäre - wenn es im Gegensatz zum vorliegenden Fall entscheidend darauf ankäme - unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Betreuungsaufwand bis zum Kindergartenalter extrem hoch ist und erst mit Eintritt in das Schulalter deutlich absinkt, 50vgl. erneut Lackner, in: Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 7. Auflage 2020, § 15 Rn. 35, 51für Kinder bis zum 14. Lebensjahr entsprechend fortzuschreiben. 52Daraus ergibt sich rechnerisch, dass für jedes mit unter fünf Jahre alten Kindern zurückgelegtes Ausbildungsjahr die Hälfte, für jedes mit fünf oder sechs Jahre alten Kindern zurückgelegtes Ausbildungsjahr ein Viertel und für jedes mit sieben, acht oder neun Jahre alten Kindern zurückgelegtes Ausbildungsjahr ein Sechstel des Ausbildungsjahres als Verzögerung angenommen wird. Diese nicht an weitere Voraussetzungen geknüpfte typisierende Annahme deckt im Allgemeinen alle auf der Pflege und Erziehung von Kindern beruhenden Verzögerungen ab. Um davon im Einzelfall zugunsten des Auszubildenden abzuweichen, müssten ganz besondere Umstände bestehen, die darauf schließen ließen, dass sich die Ausbildung des Auszubildenden wegen der Pflege und Erziehung seiner Kinder in einem Maß verzögert hat, das diese Annahme übersteigt. 53Vgl. dazu in Bezug auf § 15 Abs. 3 Nr. 5 BAföG a. F. VG Hamburg, Urteil vom 5. November 2014 - 2 K 373/12 -, juris Rn. 22. 54Aus Tz. 15.3.10 Satz 3 BAföGVwV folgt zudem, dass die Vergünstigung des § 15 Abs. 3 Nr. 5 BAföG insgesamt ein Semester für die jeweiligen Zeiträume nicht überschreiten darf, und zwar auch dann nicht, wenn mehrere Kinder gleichzeitig betreut werden. 55Im Hinblick auf Tz. 15.3.11 Satz 1 BAföGVwV, wonach der in der Verlängerungszeit der Förderungsdauer weiter bestehende Betreuungsbedarf eines Kindes zu berücksichtigen ist, ergibt sich demnach zu Gunsten des Auszubildenden eine Handhabung dieser Vorgaben dergestalt, dass für jedes Jahr der Ausbildung, in dem die Erziehung und Pflege von Kindern unter 14 Jahren zu einer Verzögerung geführt hat, eine erste Verlängerungszeit errechnet wird, für diese eine zweite Verlängerungszeit, für diese eine dritte Verlängerungszeit u. s. w., solange die Pflege und Erziehung der Kinder unter 14 Jahren noch für eine Verzögerung der Ausbildung ursächlich sind. Dabei genügt es nach dem Monatsprinzip, das in § 15 Abs. 1, Abs. 2a, § 15b, § 20 Abs. 1 Satz 1, § 53 Satz 1 BAföG zum Ausdruck kommt, dass an einem Tag des Kalendermonats die Förderungsvoraussetzungen erfüllt sind, mithin die Verlängerungszeit rechnerisch bis in den betreffenden Kalendermonat hinein reicht. 56Vgl. wiederum VG Hamburg, Urteil vom 5. November 2014 - 2 K 373/12 -, juris Rn. 23 m. w. N. 57Es kann aber eine Verlängerung nur gewährt werden, sofern die Pflege und Erziehung für eine Verzögerung der Ausbildung ursächlich geworden ist (vgl. Tz. 15.3.10 Satz 1 BAföGVwV). Grundsätzlich schließt die Vorlage einer positiven Eignungsbescheinigung nach § 48 Abs. 1 BAföG, die bestätigt, dass der Auszubildende die bei geordnetem Verlauf seiner Ausbildung bis zum Ende des dort ausgewiesenen Fachsemesters üblichen Leistungen rechtzeitig erbracht hat, die Berücksichtigung einer bis dahin entstandenen Verzögerung der Ausbildung aus. Es kommen für eine Verlängerung der Förderungshöchstdauer nach § 15 Abs. 3 BAföG dann nur solche Gründe in Betracht, die nach dem in der Bescheinigung angegebenen Zeitpunkt eingetreten sind. 58Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. September 2013 - 12 A 1477/13 -, juris Rn. 11 f. m. w. N.; VG Hamburg, Urteil vom 5. November 2014 - 2 K 373/12 -, juris Rn. 24. 59Daran gemessen kann der Kläger vom Beklagten eine weitere Verlängerung der Förderungshöchstdauer um den streitrelevanten Zeitraum vom 1. Oktober 2019 bis 31. März 2020 (WS 2019/2020) nach § 15 Abs. 3 Nr. 5 BAföG nicht verlangen. 60Dabei nimmt das Gericht zu Gunsten des Klägers an, dass er seine Kinder nicht zusammen mit seiner damaligen Lebensgefährtin - und heutigen Ehefrau - gemeinsam erzog, sondern diese Aufgabe weit überwiegend allein erledigte. 61Vgl. zu diesem Erfordernis erneut Lackner, in: Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 7. Auflage 2020, § 15 Rn. 35. 62Ferner berücksichtigt das Gericht ebenfalls zum Vorteil des Klägers als Zeit, die nach den obigen Ausführungen im Hinblick auf die Bescheinigungen i. S. d. § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG bei der Verlängerung der Förderungshöchstdauer nicht einzubeziehen ist, nicht diejenige, bis zu der der Kläger diese Bescheinigungen tatsächlich vollständig erbrachte (Ende des WS 2015/2016), sondern die Zeit, bis zu der die Vorlage grundsätzlich zu erfolgen hatte (WS 2014/2015) - nach den unbestrittenen Angaben des Beklagten war die Bescheinigung für das Fach Bildungswissenschaften bis spätestens WS 2014/2015 vorzulegen -, d. h. dass das Gericht zu Gunsten des Klägers von einer verlängerungsfähigen Förderungshöchstdauer ab SS 2015 ausgeht. 63Selbst unter Zugrundelegung dieser günstigen Prämissen endet die verlängerungsfähige Förderungszeit vor dem streitgegenständlichen WS 2019/2020: Da die Förderungshöchstdauer mit Ende des SS 2016 (30. September 2016) ablief, ergibt sich eine erste Verlängerungszeit vom SS 2015 bis dahin in Höhe von drei Semestern, mithin 18 Monaten. Nach den pauschalierenden und - wie bereits dargestellt - von der Rechtsprechung akzeptierten Regelungen in den BAföGVwV resultiert daraus wegen der Erziehung eines Kindes von unter fünf Jahren in dieser Zeitspanne eine Verlängerung in Höhe der Hälfte der verbleibenden Förderungshöchstdauer, mithin von neun Monaten. Vor dem Hintergrund, dass der Kläger in dieser Verlängerungszeit weiterhin Erziehungsaufgaben wahrnahm, ist eine zweite Verlängerungszeit in Höhe der Hälfte der ersten Verlängerungszeit in Höhe von viereinhalb Monaten zu berücksichtigen. Aus denselben Gründen schließt sich eine dritte Verlängerungszeit in Höhe von 2,25 Monaten sowie eine vierte Verlängerungszeit in Höhe von 1,125 Monaten daran an. Wegen des geltenden Monatsprinzips fallen weitere sich rechnerisch ergebende Verlängerungen nicht mehr ins Gewicht. Daher umfasst der durch Kindererziehung bedingte Gesamtverlängerungszeitraum insgesamt 16,875 Monate, d. h. - wovon auch der Beklagte zutreffend ausgeht - (zu Gunsten des Klägers aufgerundet) drei Semester. Die demnach maximal förderungsfähige Höchstdauer endete somit mit Ablauf des WS 2017/2018, also am 31. März 2018. 64Dass der Kläger nach seiner Beurlaubung im SS 2018 entgegen der Rechtslage aufgrund der Großzügigkeit des Beklagten von diesem noch eine Förderung für zwei weitere Semester (1. Oktober 2018 bis 30. September 2019) erhielt, führt nicht dazu, auch diese zusätzlichen Zeiten als ihrerseits verlängerungsfähig anzuerkennen. Denn für eine weitergehende rechtswidrige Begünstigung besteht kein Vertrauenstatbestand. 65Auch aus Tz. 15.3.11 Satz 2 BAföGVwV, wonach in der Verlängerung der Förderungshöchstdauer auftretende neu hinzugekommene Verzögerungsgründe wie z. B. eine Erkrankung der auszubildenden Person oder Schwangerschaft ebenfalls zu berücksichtigen sind, folgt kein anderes Ergebnis. Auf eine Schwangerschaft und die damit verbundenen Komplikationen kann sich nur eine davon betroffene Auszubildende und nicht deren in einer Ausbildung befindlicher Partner berufen. 66Vgl. dazu VG Ansbach, Urteil vom 17. November 2016 - AN 2 K 14.01843 -, juris Rn. 27, wonach Zeiten vor der Geburt eines Kindes für den Vater nicht unter § 15 Abs. 3 Nr. 5 BAföG fallen. 67Die Geburt eines weiteren Kindes während einer Verlängerungszeit stellt keinen neuen Grund i. S. d. Tz. 15.3.11 Satz 2 BAföGVwV dar, was auch der Beklagte zutreffend annimmt. Die Auffassung des Klägers, dass die Erziehung jedes weiter hinzutretenden Kindes eine Verlängerung der Förderungshöchstdauer mit sich bringt, liefe auf eine langfristige Alimentation aus BAföG-Mitteln hinaus, die sich mit dem Zweck des Gesetzes nicht vereinbaren lässt. Es oblag ihm ausbildungsförderungsrechtlich, in den Fachsemestern, in denen er nur eingeschränkt studierte, sich - wie im SS 2018 erfolgt - beurlauben zu lassen. Denn der Gesetzgeber fordert in § 2 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 BAföG grundsätzlich, dass der Auszubildende seine Arbeitskraft voll einsetzt; ist ihm das nicht möglich und zumutbar, muss er sich - ggf. auch rückwirkend - beurlauben lassen. 68Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 1981 - 5 C 113.79 -, juris Rn. 22; VG Bremen, Beschluss vom 8. Mai 2020 - 7 V 515/20 -, juris Rn. 29. 69Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 188 Satz 1, Satz 2 Halbsatz 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 709 Zivilprozessordnung (ZPO).
die klage wird abgewiesen. der kläger trägt die kosten des gerichtskostenfreien verfahrens. das urteil ist hinsichtlich der kosten gegen sicherheitsleistung in höhe des beizutreibenden betrages vorläufig vollstreckbar. 1
2der am 0000 geborene kläger ist der vater der am 0000, 0000, 0000 und am 0000 geborenen kinder theo, ella, lou und charlie. 3er begehrt vom beklagten die weitergewährung von leistungen der öffentlichen ausbildungsförderung nach dem bundesgesetz über individuelle förderung der ausbildung (bundesausbildungsförderungsgesetz - bafög -) über die förderungshöchstdauer hinaus für sein bachelorstudium auf lehramt für haupt-, real- und gesamtschulen, das er zum wintersemester (ws) 2012/2013 an der universität zu köln mit den fächern mathematik, chemie und bildungswissenschaften aufnahm und nach zwei fachrichtungswechseln - zum sommersemester (ss) 2013 in die fächer mathematik, praktische philosophie und bildungswissenschaft und zum ws 2013/2014 in die fächer sozialwissenschaft, praktische philosophie und bildungswissenschaft - seit dem ws 2014/2015 mit den fächern sozialwissenschaften, philosophie und bildungswissenschaften an der universität bielefeld fortführt(e). die förderungshöchstdauer für den vom kläger betriebenen studiengang beträgt sechs fachsemester, die in seinem fall mit dem ende des ss 2016 am 30. september 2016 ablief. 4mit anträgen vom 5. märz 2015 und 8. september 2015 bat der kläger den beklagten um verlängerung der frist für die vorlage von nachweisen i. s. d. § 48 abs. 1 satz 1 nr. 2 bafög in den fächern philosophie und sozialwissenschaften, weil er die leistungen aufgrund der betreuung seiner kinder theo und ella noch nicht habe erbringen können. diesen anträgen gab der beklagte statt. 5mit ablauf des ws 2015/2016 erbrachte der kläger ausweislich der i. s. d. § 48 abs. 1 nr. 2 bafög vorgelegten leistungsnachweise die üblichen leistungen (zumindest) der ersten vier fachsemester in allen fächern. 6am 23. august 2016 beantragte der kläger beim beklagten die weitergewährung von leistungen nach dem bafög bis einschließlich ws 2017/2018. er trug vor, er habe trotz des fächerwechsels, der kinderbetreuung und seiner nebenberuflichen tätigkeit bereits den großteil seines studiums absolviert. er wolle das studium nunmehr in drei weiteren fachsemestern abschließen, wobei er noch im einzelnen aufgeführte kurse belegen müsse. 7daraufhin bewilligte der beklagte dem kläger mit bescheid vom 11. oktober 2016 leistungen der ausbildungsförderung nach § 15 abs. 3 nr. 5 bafög vom 1. oktober 2016 bis zum 30. september 2017 für weitere zwei fachsemester. im übrigen - bis einschließlich 31. märz 2018 - wurde der antrag abgelehnt. 8mit schreiben vom 3. juli 2017 beantragte der kläger die weiterbewilligung der förderleistungen für zwei weitere fachsemester, weil er erneut vater geworden sei. das studium habe sich durch die geburt seines dritten kindes lou und den dadurch bedingten erhöhten betreuungsaufwand weiter verzögert. 9unter dem 19. september 2017 bewilligte der beklagte dem kläger dem grunde nach leistungen nach dem bafög für ein weiteres fachsemester vom 1. oktober 2017 bis zum 31. märz 2018. 10mit schreiben vom 22. januar 2018 beantragte der kläger beim beklagten erneut die weiterbewilligung von leistungen der ausbildungsförderung für ein weiteres fachsemester. nach der geburt seines dritten kindes habe er nicht sämtliche studienziele erreichen können. seiner partnerin sei es postnatal unerwartet schlecht gegangen. sie habe mit erheblichen psychischen schwierigkeiten kämpfen müssen. als verantwortlicher und fürsorglicher familienvater sei es seine pflicht gewesen, seine partnerin zu unterstützen und den familienalltag aufrechtzuerhalten. 11diesen antrag lehnte der beklagte mit bescheid vom 4. april 2018 aus formalen gründen wegen mangelnder mitwirkung des klägers ab. 12sodann ließ sich der kläger im sommersemester 2018 beurlauben. 13mit schreiben vom 23. august 2018 beantragte er beim beklagten erneut die weiterförderung über die förderungshöchstdauer hinaus für zwei, hilfsweise ein fachsemester. er machte seine starke beanspruchung durch die familiäre situation mit drei kindern geltend. inzwischen habe sich seine partnerin erholt und sie hätten ab september 2018 auch für das dritte kind einen kita-platz bekommen. daher werde er sein studium in höchstens drei fachsemestern abschließen, von denen er das letzte mittels abschlusshilfe finanzieren werde. 14mit bescheid vom 5. november 2018 bewilligte der beklagte dem kläger dem grunde nach förderleistungen für zwei weitere fachsemester in der zeit vom 1. oktober 2018 bis zum 30. september 2019. damit sei auch der während des gewährten verlängerungszeitraums weiterhin bestehende betreuungsbedarf der kinder entsprechend berücksichtigt. falls nötig, bestehe für die zeit ab dem 1. oktober 2019 noch die möglichkeit des bezugs der studienabschlusshilfe nach § 15 abs. 3a bafög. 15unter verwendung eines beim beklagten am 7. august 2019 eingegangenen amtlichen vordrucks beantragte der kläger die hier streitgegenständliche weiterbewilligung von leistungen nach dem bafög vom 1. oktober 2019 bis zum 31. märz 2020 (ws 2019/2020); wenige tage später kam sein viertes kind charlie zur welt. 16mit bescheid vom 27. august 2019 lehnte der beklagte die weiterbewilligung von ausbildungsförderung für die zeit vom 1. oktober 2019 bis 30. september 2020 ab. zur begründung legte er im wesentlichen dar, dass der kläger unter berücksichtigung des kinderbetreuungsbedarfs bereits für fünf fachsemester ausbildungsförderung über die förderungshöchstdauer hinaus erhalten habe. es werde davon ausgegangen, dass er mindestens 50 % der erforderlichen studienleistungen erbringe, auch wenn er während des studiums kinderbetreuung wahrnehme. wenn das studium darüber hinausgehend nicht betrieben werden könne, sei eine beurlaubung zumutbar. die leistungen der öffentlichen ausbildungsförderung sollten das betreiben einer ausbildung ermöglichen, nicht jedoch der kindererziehung dienen, wenngleich diese durch art. 6 gg geschützt sei. 17unter dem 6. september 2019 legte der kläger hiergegen widerspruch ein. er habe eine weitere verlängerung lediglich für ein, nicht - wie abgelehnt - für zwei fachsemester beantragt. dass die erziehung von minderjährigen kindern im bafög-recht eine ausnahmesituation darstelle, habe der gesetzgeber zwischenzeitlich durch die heraufsetzung des kindesalters - von zehn - auf 14 jahre in § 15 abs. 3 nr. 5 bafög anerkannt. zudem sei hinsichtlich des umfangs 15.3.10 bafögvwv zu beachten, wonach für die betreuung eines kindes bis zu fünf lebensjahren pauschal ein semester gewährt werde. es müsse angemessen berücksichtigt werden, dass er sich mittlerweile um vier kinder kümmere. ihm fehlten nur noch die bachelorarbeit und eine hausarbeit, die er wegen der endphase der letzten schwangerschaft und der geburt erneut habe verschieben müssen. 18diesen rechtsbehelf wies der beklagte mit widerspruchsbescheid vom 30. september 2019 zurück. zur begründung führte er im wesentlichen folgendes aus: bis zum ende der förderungshöchstdauer am 30. september 2016 seien die kinder theo und ella viereinhalb und knapp drei jahre alt gewesen. vor dem hintergrund, dass bis zum sechsten semester lediglich studienverzögerungen von zwei semestern eingetreten seien und die studienverzögerungen durch kindererziehung bereits mit einer verlängerung von fünf semester ausgeglichen worden seien, komme eine weitere bewilligung von ausbildungsförderung nach § 15 abs. 3 nr. 5 bafög nicht in betracht. ungeachtet der durch die kindererziehung bedingten einschränkungen in der durchführung des studiums sei zu würdigen, dass eine nochmalige förderung über die höchstdauer einer mehr als 100 %igen verlängerung der studienzeit im vergleich zu anderen studierenden gleichkäme. aufgrund des klägerischen vortrags, dass für den studienabschluss nur noch ein semester benötigt werde, sei von der möglichkeit der hilfe nach § 15 abs. 3a bafög auszugehen, die bei entscheidungen nach § 15 abs. 3 bafög stets perspektivisch zu berücksichtigen sei. 19unter dem 30. oktober 2019 beantragte der kläger beim beklagten hilfe zum studienabschluss nach § 15 abs. 3a bafög für die zeit vom 1. oktober 2019 bis 31. märz 2020. ihm wurde seitens der prüfungsstelle am selben tag bescheinigt, dass sein studium voraussichtlich im märz 2020 zum abschluss kommen werde. nach der darstellung der beteiligten bewilligte der beklagte dem kläger diese leistung mit bescheid vom 28. november 2019 für den beantragten zeitraum und - weil es erneut zu verzögerungen bei seinem studium kam - in der folgezeit für weitere sechs monate bis einschließlich 30. september 2020 als darlehen. dem vortrag des beklagten zufolge erwarb der kläger den bachelor-abschluss sodann am 14. september 2020. 20mit seiner am 30. oktober 2019 erhobenen klage macht der kläger im wesentlichen folgendes geltend: seine partnerin, die als integrationsfachkraft in bielefeld erwerbstätig (gewesen) sei, und er hätten die familiären erziehungs- und versorgungsarbeiten untereinander grundsätzlich hälftig aufgeteilt. ab dem ws 2016/2017 habe er sich faktisch allein um die beiden älteren kinder gekümmert, weil es seiner partnerin unter anderem wegen einer extrem ausgeprägten schwangerschaftsübelkeit, aber auch nach der geburt von lou sehr schlecht gegangen sei. er habe unter anderem nachts gelernt und lou sogar zeitweilig mit in die universität genommen. erschwerend seien kinderkrankheitszeiten in seine klausurphasen gefallen. die rahmenbedingungen hinsichtlich der schwangerschaft und geburt seines vierten kindes - während des vierten und fünften semesters der förderung über die förderungshöchstdauer hinaus - seien ähnlich schwierig gewesen. die dauer der verlängerung hänge davon ab, innerhalb welcher zeit das versäumte nachgeholt werden könne. dabei sei auch eine verlängerung um einzelne monate möglich. die voraussetzungen von 15.3.10 und 15.3.11 der bafögvwv seien erfüllt, denn der betreuungsbedarf der größeren kinder habe fortbestanden und der betreuungsbedarf der kleineren kinder sei während der verlängerungszeit hinzugetreten. eine höchstgrenze sei § 15 abs. 3 nr. 5 bafög nicht zu entnehmen. daraus, dass er im ss 2016 den nachweis i. s. d. § 48 bafög erbracht habe, folge keine andere bewertung. seinem klagebegehren stehe auch die ihm hinsichtlich des streitgegenständlichen ws 2019/2020 bereits gewährte studienabschlusshilfe (§ 15 abs. 3a bafög) nicht entgegen, weil diese lediglich als darlehen bewilligt worden und folglich für ihn ungünstiger als ein zuschuss sei. ausweislich des beigefügten screenshots seines stundenplans hinsichtlich des ws 2016/2017 habe er sein studium in dieser zeit und - mit ausnahme des urlaubssemesters, das er im sommer 2018 wegen seiner außerordentlichen belastung in anspruch genommen habe - auch danach mit mindestens der hälfte seiner arbeitskraft betrieben, wenngleich er letztlich keine klausuren habe absolvieren können. er habe keine weiteren urlaubssemester einlegen können, weil die beantragung bei der universität bielefeld in aller regel von stichtagen (15. mai bzw. 15. november) abhängig sei und für ihn der umfang der sich jeweils ergebenden verzögerungen nicht vorhersehbar gewesen sei. von juli 2015 bis april 2018 habe er maximal im umfang von 64,63 stunden monatlich - d. h. 15 stunden pro woche - nachts bzw. an wochenenden bei einem pflegedienst gearbeitet, was mit seinem studium jedoch vereinbar gewesen sei. auch der umstand, dass bei der erbringung der leistungsnachweise nach § 48 bafög manche an der universität köln erbrachten studienleistungen von der universität bielefeld nicht anerkannt worden seien, habe nicht allein zur verzögerung im studienverlauf geführt. ohnehin komme es auf vor dem 1. oktober 2018 eingetretene verzögerungen nicht an, sondern nur auf die während des ws 2018/2019 und ss 2019 im zusammenhang mit der schwangerschaft und der geburt seines kindes charlie neu hinzugetretenen. es stelle sich die frage, ob die in 15.3.10 satz 3 bafögvwv vorgesehene deckelung der als angemessen geltenden verlängerungszeiten ungeachtet des umstandes, wie viele kinder konkret zu betreuen seien, verfassungsgemäß sei. zudem bezwecke 15.3.11 sätze 1 und 2 bafögvwv besonders bei zusätzlichen gründen wie z.b. erkrankung und schwangerschaften die zulassung eines weiteren ausgleichs über die schematische einordnung nach 15.3.10 satz 3 bafögvwv hinaus; wegen des nichtabschließenden charakters dieser regelung sei sie nicht nur auf schwangere studierende anzuwenden. es gebe keine grenze für die angemessene verlängerung in semestern, solange die studierenden 50 % ihrer arbeitskraft in das studium steckten. leistungen nach dem bafög würden in der rechts- und sozialpolitischen diskussion als instrument des familienlastenausgleichs betrachtet. 21der kläger beantragt, 22den bescheid des beklagten vom 27. august 2019 in der fassung des widerspruchsbescheides vom 30. september 2019 aufzuheben und den beklagten zu verpflichten, ihm die beantragte ausbildungsförderung ab dem 1. oktober 2019 für ein semester zu gewähren. 23der beklagte beantragt, 24die klage abzuweisen. 25er gibt zu bedenken, dass die gesamte studienhistorie des klägers zu würdigen sei. infolge des hochschulwechsels von köln nach bielefeld sei eine rückstufung in allen studienfächern erfolgt. nach den vom kläger i. s. d. § 48 abs. 1 satz 1 nr. 2 bafög vorgelegten leistungsnachweisen zum ende des fünften förderungssemesters (ws 2015/2016) hätten in allen drei studienfächern die üblichen leistungen zumindest der ersten vier fachsemester - in philosophie bereits seit einem semester (30. september 2015) und in bildungswissenschaften sogar seit über zwei semester (29. januar 2015) - vorgelegen. deshalb habe beim kläger zum 31. märz 2016 ein leistungsrückstand aufgrund der kindererziehung von maximal einem semester bestanden. der aussagegehalt der bescheinigung i. s. d. § 48 abs. 1 nr. 2 bafög beschränke sich nicht auf den bloßen nachweis nach § 9 abs. 2 bafög. studienverzögerungen in folge eines hochschulwechsels unter beibehaltung des studienziels seien regelmäßig kein beachtlicher grund i. s. d. § 15 abs. 3 - schon gar nicht nach nr. 5 - bafög. gleichwohl seien dem kläger zur abgeltung des bis zum ende des ss 2015 eingetretenen leistungsrückstandes und zum ausgleich von studieneinschränkungen in der folgezeit aufgrund seiner bisherigen drei anträge unter großzügigster auslegung des § 15 abs. 3 nr. 5 bafög förderungsleistungen im umfang von insgesamt fünf semestern über die förderungsdauer hinaus - im ss 2018 sei er beurlaubt gewesen - hinaus gewährt worden. bei den jeweiligen entscheidungen seien auch die kindererziehungszeiten berücksichtigt worden, die im jeweils vorangegangenen verlängerungszeitraum entstanden seien (tz. 15.3.11 bafögvwv). damit sei die individuelle förderungszeit auch unter berücksichtigung der weiteren kinder lou und charlie mehr als angemessen verlängert worden. die betreuung mehrerer kinder führe nicht zu einer kumulativen anhäufung von einzelnen verlängerungszeiträumen, sondern der verlängerungszeitraum sei nach dem günstigkeitsprinzip vom betreuungsbedarf des jüngsten kindes abzuleiten. dem kläger sei bis zum ende des ss 2019 im vergleich zu einem nicht beeinträchtigten studenten mit sechs semestern bereits die dreifache zeit zur erlangung seines studienabschlusses eingeräumt worden. er habe bereits insgesamt knapp 70.000 €, davon 54.000 € als zuschuss erhalten. es könne vom kläger im hinblick auf § 2 abs. 5 satz 1 bafög erwartet werden, dass er sich trotz der kindererziehung wenigstens mit der hälfte seiner arbeitskraft der ausbildung habe widmen können - woran angesichts seines vortrags ernsthafte zweifel bestünden -; andernfalls müsse er sich beurlauben lassen. es sei durchaus naheliegend, dass sich studienverzögerungen ungeachtet der frage, ob diese zur förderungsrechtlichen einkommensanrechnung geführt hätten, auch aufgrund der vom kläger ausgeübten erwerbstätigkeit ergeben hätten, zumal er immerhin einkünfte von durchschnittlich 750,00 € bzw. 833,33 € erzielt habe. es lägen keine anhaltspunkte für eine pflege i. s. d. § 15 abs. 3 nr. 2 bafög - der grund der schwangerschaft i. s. d. 15.3.11 bafögvwv komme für ihn nicht in betracht - vor; er sei durch die schwangerschaftskomplikationen allenfalls mittelbar belastet worden und zwar in form der bereits berücksichtigten kindererziehung. vor dem hintergrund der durchgängig bestehenden kindererziehung und der bekannten schwangerschaftsproblematiken der kindesmutter hätte sich der kläger nicht nur für das sommersemester 2018 beurlauben lassen müssen. selbst wenn bei der pflege und erziehung von mehreren kindern eine überschreitung der verlängerungszeiträume nach 15.3.10 bafögvwv angezeigt sein sollte oder die schwangerschaft seiner partnerin für den kläger einen eigenen verzögerungsgrund darstellen würde, wären auch diese gründe bereits durch die förderung von oktober 2018 bis september 2019 angemessen abgegolten worden. 26mit beschluss vom 31. juli 2020 ist die einzelrichterübertragung nach § 6 abs. 1 vwgo erfolgt. 27am 17. februar 2021 hat eine mündliche verhandlung stattgefunden, in der der kläger den mit alt und jung nord-ost e. v. geschlossenen arbeitsvertrag für geringfügig beschäftigte vorgelegt hat. im nachgang dazu hat er noch leistungsübersichten zu seinem studium überreicht. er gibt zu bedenken, dass diese übersichten nur begrenzt aussagekräftig seien, weil weder an der anzahl der studierten semester noch der erzielten credit points die tatsächlich erbrachte arbeitsleistung - unter anderem die erhebliche vor- und nacharbeit in bezug auf vorlesungen - abgelesen werde könne. 28wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakte und der beigezogenen verwaltungsvorgänge des beklagten (vier bände) verwiesen. 29
30das gericht durfte nach § 101 abs. 2 verwaltungsgerichtsordnung (vwgo) eine entscheidung im schriftlichen verfahren treffen, weil sich die beteiligten mit dieser vorgehensweise in der mündlichen verhandlung vom 17. februar 2021 einverstanden erklärt haben. 31das gericht fasst den klageantrag des klägers dahingehend auf, dass er über die förderungshöchstdauer hinaus weitere ausbildungsförderung nach § 15 abs. 3 nr. 5 bafög für die zeit vom 1. oktober 2019 bis zum 31. märz 2020 (ws 2019/2020) in der form eines zuschusses erlangen möchte. 32die so verstandene klage ist als verpflichtungsklage im sinne des § 42 abs. 1 alt. 2 vwgo statthaft und auch im übrigen zulässig. insbesondere wird dem kläger zu seinen gunsten nicht vor dem hintergrund das rechtsschutzinteresse abgesprochen, dass ihm vom beklagten (unter anderem) für den streitgegenständlichen zeitraum bereits mit bescheid vom 28. november 2019 eine hilfe zum studienabschluss nach maßgabe des § 15 abs. 3a bafög bewilligt wurde. denn diese leistung wurde ihm nach § 17 abs. 3 satz 1 nr. 3 bafög - mit ausnahme des kinderbetreuungszuschusses - in höhe von 1.413,00 € monatlich als darlehen gewährt, sodass die mit der klage erstrebte zuschussförderung (§ 17 abs. 2 satz 2 nr. 2 bafög) für ihn günstiger ist, wobei die förderungshöhe gleich bleibt. 33vgl. in diesem zusammenhang vg hamburg, beschluss vom 21. april 2017 - 2 e 3977/17 -, juris rn. 14 und 20; a. a. vgh baden-württemberg, beschluss vom 7. märz 1996 - 7 s 2149/95 -, juris rn. 4. 34die klage ist jedoch unbegründet. der kläger hat keinen anspruch auf eine weitere bewilligung von ausbildungsförderung für die zeit vom 1. oktober 2019 bis 31. märz 2020 nach § 15 abs. 3 nr. 5 bafög. der angegriffene bescheid des beklagten vom 27. august 2019 in gestalt des widerspruchsbescheides vom 30. september 2019 ist rechtmäßig und verletzt den kläger nicht in seinen rechten (§ 113 abs. 5 satz 1 vwgo). 35nach § 15 abs. 2 satz 1 bafög wird ausbildungsförderung grundsätzlich nur bis zum ende der förderungshöchstdauer geleistet. die förderungshöchstdauer entspricht nach § 15a abs. 1 bafög der regelstudienzeit nach § 10 abs. 2 des hochschulrahmengesetzes (hrg). 36die förderungshöchstdauer für den vom kläger betriebenen studiengang (bachelorstudium auf lehramt für haupt-, real- und gesamtschulen mit den fächern sozialwissenschaften, philosophie und bildungswissenschaften) beträgt sechs fachsemester, die in seinem fall - wovon auch die beteiligten übereinstimmend ausgehen - ende des ss 2016 am 30. september 2016 ablief. 37hinsichtlich der förderung über die regelstudienzeit bzw. die förderungshöchstdauer hinaus sieht § 15 abs. 3 bafög abschließend, 38vgl. winkler, in: beck´scher online-kommentar sozialrecht, 55. edition stand 1. dezember 2019, § 15 rn. 16, 39fünf alternative ausnahmetatbestände vor, bei deren vorliegen ausbildungsförderung für eine angemessene zeit über die förderungshöchstdauer hinaus geleistet wird. 40gemäß § 15 abs. 3 nr. 5 bafög - nur dieser ausnahmetatbestand kommt vorliegend in betracht - wird für eine angemessene zeit ausbildungsförderung über die förderungshöchstdauer hinaus geleistet, wenn sie infolge einer behinderung, einer schwangerschaft oder der pflege und erziehung eines kindes bis zu 14 jahren überschritten worden ist. 41nach der übergangsregelung des § 66a abs. 2 bafög ist ab dem 1. august 2019 § 15 abs. 3 bafög in der durch art. 1 des gesetzes vom 8. juli 2019 (bgbl. i, s. 1048) geänderten und ab dem 16. juli 2019 gültigen fassung anzuwenden und nicht die bis zum 15. juli 2019 geltende gesetzesfassung, wonach die vorbezeichneten tatbestandsmerkmale - lediglich - bis zu einem kindesalter von zehn jahren zu berücksichtigen sind; die nachstehenden absätze des § 66a bafög beinhalten insoweit keine andere bestimmung. ausweislich der entsprechenden gesetzesbegründung ist hiermit beabsichtigt, dem regelausbildungsbeginn schulischer ausbildungen am 1. august eines jahres rechnung zu tragen (bt-drs. 19/8749, s. 44). damit ist auch nach sinn und zweck klargestellt, dass § 15 bafög in seiner neufassung für ausbildungsabschnitte ab dem 1. august 2019 gelten soll. 42vgl. vg ansbach, urteil vom 13. juli 2020 - an 2 k 18.01759 -, juris rn. 50; müller, in: rothe/blanke, bafög, loseblattsammlung stand: juli 2019, § 66a rn. 5. 43hier steht der bewilligungszeitraum vom 1. oktober 2019 bis zum 31. märz 2020 und somit ein zeitraum im streit, der insgesamt nach dem 1. august 2019 liegt. daher findet § 15 abs. 3 bafög in seiner neufassung anwendung, was allerdings im fall des klägers im vergleich mit der alten rechtslage zu keinem anderen ergebnis führt. 44hier mangelt es an der angemessenheit i. s. d. § 15 abs. 3 bafög. 45„angemessen“ ist demnach die zeit, die dem zeitverlust entspricht, der durch den das überschreiten der förderungshöchstdauer rechtfertigenden grund entstanden ist (vgl. tz. 15.3.1 bafögvwv in der fassung vom 29. oktober 2013). der begriff der angemessenheit unterliegt als unbestimmter rechtsbegriff der vollen verwaltungsgerichtlichen kontrolle. 46vgl. bverwg, beschluss vom 18. juli 1986 - 5 b 21/85 -, juris rn. 2. 47nach auffassung des gerichts spricht bereits der wortlaut des § 15 abs. 3 bafög dagegen, dass eine verlängerung der förderungshöchstdauer um eine „angemessene“ zeitspanne - wie der kläger meint - zu einer verdopplung oder gar verdreifachung der regulär geförderten studienzeit führen darf. hinzu kommt - im hinblick auf die gesetzgeberische wertung in § 2 abs. 5 satz 1 halbsatz 2 bafög -, dass von einem auszubildenden, der kinder pflegt bzw. erzieht, erwartet wird, dass er jedenfalls 50 % seiner arbeitskraft für seine ausbildung aufwendet. 48vgl. lackner, in: ramsauer/stallbaum, bafög, 7. auflage 2020, § 15 rn. 35. 49sofern die pflege und erziehung eigener kinder zu einer verzögerung der ausbildung führt, legt das gericht für das maß der verzögerung grundsätzlich die erfahrungssätze zugrunde, die in tz. 15.3.10 bafögvwv zum ausdruck kommen. nach satz 2 wird für das 1. bis 5. lebensjahr des kindes angenommen, dass sich die ausbildung um ein semester pro lebensjahr verzögert, für das 6. und 7. lebensjahr des kindes insgesamt um ein semester und für das 8. bis 10. lebensjahr des kindes insgesamt wiederum um ein semester. diese staffelung wäre - wenn es im gegensatz zum vorliegenden fall entscheidend darauf ankäme - unter berücksichtigung des umstandes, dass der betreuungsaufwand bis zum kindergartenalter extrem hoch ist und erst mit eintritt in das schulalter deutlich absinkt, 50vgl. erneut lackner, in: ramsauer/stallbaum, bafög, 7. auflage 2020, § 15 rn. 35, 51für kinder bis zum 14. lebensjahr entsprechend fortzuschreiben. 52daraus ergibt sich rechnerisch, dass für jedes mit unter fünf jahre alten kindern zurückgelegtes ausbildungsjahr die hälfte, für jedes mit fünf oder sechs jahre alten kindern zurückgelegtes ausbildungsjahr ein viertel und für jedes mit sieben, acht oder neun jahre alten kindern zurückgelegtes ausbildungsjahr ein sechstel des ausbildungsjahres als verzögerung angenommen wird. diese nicht an weitere voraussetzungen geknüpfte typisierende annahme deckt im allgemeinen alle auf der pflege und erziehung von kindern beruhenden verzögerungen ab. um davon im einzelfall zugunsten des auszubildenden abzuweichen, müssten ganz besondere umstände bestehen, die darauf schließen ließen, dass sich die ausbildung des auszubildenden wegen der pflege und erziehung seiner kinder in einem maß verzögert hat, das diese annahme übersteigt. 53vgl. dazu in bezug auf § 15 abs. 3 nr. 5 bafög a. f. vg hamburg, urteil vom 5. november 2014 - 2 k 373/12 -, juris rn. 22. 54aus tz. 15.3.10 satz 3 bafögvwv folgt zudem, dass die vergünstigung des § 15 abs. 3 nr. 5 bafög insgesamt ein semester für die jeweiligen zeiträume nicht überschreiten darf, und zwar auch dann nicht, wenn mehrere kinder gleichzeitig betreut werden. 55im hinblick auf tz. 15.3.11 satz 1 bafögvwv, wonach der in der verlängerungszeit der förderungsdauer weiter bestehende betreuungsbedarf eines kindes zu berücksichtigen ist, ergibt sich demnach zu gunsten des auszubildenden eine handhabung dieser vorgaben dergestalt, dass für jedes jahr der ausbildung, in dem die erziehung und pflege von kindern unter 14 jahren zu einer verzögerung geführt hat, eine erste verlängerungszeit errechnet wird, für diese eine zweite verlängerungszeit, für diese eine dritte verlängerungszeit u. s. w., solange die pflege und erziehung der kinder unter 14 jahren noch für eine verzögerung der ausbildung ursächlich sind. dabei genügt es nach dem monatsprinzip, das in § 15 abs. 1, abs. 2a, § 15b, § 20 abs. 1 satz 1, § 53 satz 1 bafög zum ausdruck kommt, dass an einem tag des kalendermonats die förderungsvoraussetzungen erfüllt sind, mithin die verlängerungszeit rechnerisch bis in den betreffenden kalendermonat hinein reicht. 56vgl. wiederum vg hamburg, urteil vom 5. november 2014 - 2 k 373/12 -, juris rn. 23 m. w. n. 57es kann aber eine verlängerung nur gewährt werden, sofern die pflege und erziehung für eine verzögerung der ausbildung ursächlich geworden ist (vgl. tz. 15.3.10 satz 1 bafögvwv). grundsätzlich schließt die vorlage einer positiven eignungsbescheinigung nach § 48 abs. 1 bafög, die bestätigt, dass der auszubildende die bei geordnetem verlauf seiner ausbildung bis zum ende des dort ausgewiesenen fachsemesters üblichen leistungen rechtzeitig erbracht hat, die berücksichtigung einer bis dahin entstandenen verzögerung der ausbildung aus. es kommen für eine verlängerung der förderungshöchstdauer nach § 15 abs. 3 bafög dann nur solche gründe in betracht, die nach dem in der bescheinigung angegebenen zeitpunkt eingetreten sind. 58vgl. ovg nrw, beschluss vom 26. september 2013 - 12 a 1477/13 -, juris rn. 11 f. m. w. n.; vg hamburg, urteil vom 5. november 2014 - 2 k 373/12 -, juris rn. 24. 59daran gemessen kann der kläger vom beklagten eine weitere verlängerung der förderungshöchstdauer um den streitrelevanten zeitraum vom 1. oktober 2019 bis 31. märz 2020 (ws 2019/2020) nach § 15 abs. 3 nr. 5 bafög nicht verlangen. 60dabei nimmt das gericht zu gunsten des klägers an, dass er seine kinder nicht zusammen mit seiner damaligen lebensgefährtin - und heutigen ehefrau - gemeinsam erzog, sondern diese aufgabe weit überwiegend allein erledigte. 61vgl. zu diesem erfordernis erneut lackner, in: ramsauer/stallbaum, bafög, 7. auflage 2020, § 15 rn. 35. 62ferner berücksichtigt das gericht ebenfalls zum vorteil des klägers als zeit, die nach den obigen ausführungen im hinblick auf die bescheinigungen i. s. d. § 48 abs. 1 satz 1 nr. 2 bafög bei der verlängerung der förderungshöchstdauer nicht einzubeziehen ist, nicht diejenige, bis zu der der kläger diese bescheinigungen tatsächlich vollständig erbrachte (ende des ws 2015/2016), sondern die zeit, bis zu der die vorlage grundsätzlich zu erfolgen hatte (ws 2014/2015) - nach den unbestrittenen angaben des beklagten war die bescheinigung für das fach bildungswissenschaften bis spätestens ws 2014/2015 vorzulegen -, d. h. dass das gericht zu gunsten des klägers von einer verlängerungsfähigen förderungshöchstdauer ab ss 2015 ausgeht. 63selbst unter zugrundelegung dieser günstigen prämissen endet die verlängerungsfähige förderungszeit vor dem streitgegenständlichen ws 2019/2020: da die förderungshöchstdauer mit ende des ss 2016 (30. september 2016) ablief, ergibt sich eine erste verlängerungszeit vom ss 2015 bis dahin in höhe von drei semestern, mithin 18 monaten. nach den pauschalierenden und - wie bereits dargestellt - von der rechtsprechung akzeptierten regelungen in den bafögvwv resultiert daraus wegen der erziehung eines kindes von unter fünf jahren in dieser zeitspanne eine verlängerung in höhe der hälfte der verbleibenden förderungshöchstdauer, mithin von neun monaten. vor dem hintergrund, dass der kläger in dieser verlängerungszeit weiterhin erziehungsaufgaben wahrnahm, ist eine zweite verlängerungszeit in höhe der hälfte der ersten verlängerungszeit in höhe von viereinhalb monaten zu berücksichtigen. aus denselben gründen schließt sich eine dritte verlängerungszeit in höhe von 2,25 monaten sowie eine vierte verlängerungszeit in höhe von 1,125 monaten daran an. wegen des geltenden monatsprinzips fallen weitere sich rechnerisch ergebende verlängerungen nicht mehr ins gewicht. daher umfasst der durch kindererziehung bedingte gesamtverlängerungszeitraum insgesamt 16,875 monate, d. h. - wovon auch der beklagte zutreffend ausgeht - (zu gunsten des klägers aufgerundet) drei semester. die demnach maximal förderungsfähige höchstdauer endete somit mit ablauf des ws 2017/2018, also am 31. märz 2018. 64dass der kläger nach seiner beurlaubung im ss 2018 entgegen der rechtslage aufgrund der großzügigkeit des beklagten von diesem noch eine förderung für zwei weitere semester (1. oktober 2018 bis 30. september 2019) erhielt, führt nicht dazu, auch diese zusätzlichen zeiten als ihrerseits verlängerungsfähig anzuerkennen. denn für eine weitergehende rechtswidrige begünstigung besteht kein vertrauenstatbestand. 65auch aus tz. 15.3.11 satz 2 bafögvwv, wonach in der verlängerung der förderungshöchstdauer auftretende neu hinzugekommene verzögerungsgründe wie z. b. eine erkrankung der auszubildenden person oder schwangerschaft ebenfalls zu berücksichtigen sind, folgt kein anderes ergebnis. auf eine schwangerschaft und die damit verbundenen komplikationen kann sich nur eine davon betroffene auszubildende und nicht deren in einer ausbildung befindlicher partner berufen. 66vgl. dazu vg ansbach, urteil vom 17. november 2016 - an 2 k 14.01843 -, juris rn. 27, wonach zeiten vor der geburt eines kindes für den vater nicht unter § 15 abs. 3 nr. 5 bafög fallen. 67die geburt eines weiteren kindes während einer verlängerungszeit stellt keinen neuen grund i. s. d. tz. 15.3.11 satz 2 bafögvwv dar, was auch der beklagte zutreffend annimmt. die auffassung des klägers, dass die erziehung jedes weiter hinzutretenden kindes eine verlängerung der förderungshöchstdauer mit sich bringt, liefe auf eine langfristige alimentation aus bafög-mitteln hinaus, die sich mit dem zweck des gesetzes nicht vereinbaren lässt. es oblag ihm ausbildungsförderungsrechtlich, in den fachsemestern, in denen er nur eingeschränkt studierte, sich - wie im ss 2018 erfolgt - beurlauben zu lassen. denn der gesetzgeber fordert in § 2 abs. 5 satz 1 halbsatz 2 bafög grundsätzlich, dass der auszubildende seine arbeitskraft voll einsetzt; ist ihm das nicht möglich und zumutbar, muss er sich - ggf. auch rückwirkend - beurlauben lassen. 68vgl. bverwg, urteil vom 22. oktober 1981 - 5 c 113.79 -, juris rn. 22; vg bremen, beschluss vom 8. mai 2020 - 7 v 515/20 -, juris rn. 29. 69die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 1 vwgo. die gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 188 satz 1, satz 2 halbsatz 1 vwgo. der ausspruch zur vorläufigen vollstreckbarkeit beruht auf § 167 abs. 1 satz 1 vwgo i. v. m. § 709 zivilprozessordnung (zpo).
345,835
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5 K 3882/18
2022-06-30T00:00:00
Urteil
Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erteilung eines bauplanungsrechtlichen Bauvorbescheides – beschränkt auf die Zulässigkeit nach Art der baulichen Nutzung unter Ausklammerung des Gebots der Rücksichtnahme – für die Errichtung eines Lebensmittel-Discounters mit einer Verkaufsfläche von 1.300 m² (Vorhaben). 3Das Vorhaben soll auf den an der Vierhausstraße gelegenen Grundstücken Gemarkung H. , Flur xx, Flurstücke xxx und xxx (W.-------straße xxx, xxxx C. ) errichtet werden (Vorhabengrundstücke). Auf dem Flurstück xxx befindet sich bereits ein Lebensmittel-Discounter der Klägerin mit einer zuletzt im Jahr 2011 genehmigten Verkaufsfläche von 793,5 m² (vgl. Beiakte–Heft 6). Das Flurstück xxx ist derzeit mit einer leerstehenden Lagerhalle eines ehemaligen holzverarbeitenden Betriebs bebaut. Die W.-------straße beginnt im Westen an der I. Straße und reicht im Osten bis zur C1. Straße. Nahe der Kreuzung I. Straße und W.-------straße befinden sich auf den Flurstücken xxx und xxx ein Blumen- und Gartenhandel mit einer genehmigten Verkaufsfläche von 1.230,40 m² (vgl. Beiakte–Heft 16) sowie ein Kfz-Sachverständigenbüro inklusive einer TÜV-Station für Kraftfahrzeuge. Die Grundstücke südlich der W.-------straße , einschließlich der Vorhabengrundstücke, grenzen in südlicher Richtung an die A40. Im Übrigen befinden sich südlich entlang des weiteren Verlaufs W.-------straße in Richtung Osten neben Wohngebäuden unter anderem ein Fachhandel für Sport- und Fitnessgeräte, ein Hersteller für Meß- und Regeltechnik sowie das Kupplungen produzierende Gewerbe der Firma „S. “. Nördlich der W.-------straße befinden sich Wohngebäude sowie insbesondere eine Brillenglasmanufaktur, ein Industrieanlagenanbieter und ein Teil des bereits südlich der W.-------straße errichteten Kupplungsbetriebs. 4Für das Gebiet südlich der W.-------straße zwischen W1. -F. -F1. -Straße bis C2.---straße wurde am 23. August 2005 ein Beschluss zur Aufstellung des Bebauungsplans Nr. xxx – W.-------straße – erlassen, der am 29. September 2005 im Amtsblatt der Beklagten bekanntgemacht wurde. Ziel des Bebauungsplanes ist die Sicherung von Flächen für Gewerbe und Dienstleistung unter Berücksichtigung der vorhandenen Wohnbebauung, die weitere Ansiedlung von Einzelhandel zu unterbinden und der Ausschluss von Vergnügungsstätten und Betrieben mit sexuellen Darbietungen bzw. Dienstleistungen. 5Am 11. August 2017 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Erteilung eines Bauvorbescheids für die Errichtung eines Lebensmittel-Discounters für die Vorhabengrundstücke. Die genaue Fragestellung lautete: „Ist ein Lebensmittel-Discounter mit einer Verkaufsfläche von 1.300 m² unter Ausklammerung des Gebots der Rücksichtnahme nach Art der baulichen Nutzung bauplanungsrechtlich zulässig?“ (Bl. 48 Beiakte–Heft 10). Dem Antragsformular fügte die Klägerin einen Auszug aus dem Liegenschaftskataster bei. Mit Bescheid vom 5. Juli 2018 lehnte die Beklagte die Erteilung des Vorbescheids nach vorheriger Anhörung ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, es sei bereits unklar, ob das Vorhaben anstelle oder neben den bereits auf den Vorhabengrundstücken errichteten Anlagen realisiert werden solle. Im Übrigen sei das Vorhaben deshalb unzulässig, weil es sich zum einen mangels eines anderen großflächigen Einzelhandelsbetriebes nicht in die als Gemengelage zu qualifizierende Eigenart der näheren Umgebung einfüge und zum anderen den Zielsetzungen des Bebauungsplans Nr. 841 respektive dem Masterplan Einzelhandel widerspreche. Der Bescheid wurde der Klägerin am 10. Juli 2018 zugestellt. 6Die Klägerin hat am 24. Juli 2018 Klage erhoben. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, die Bauvoranfrage sei zunächst bescheidungsfähig. Es sei in der Rechtsprechung geklärt, dass für die Beantwortung der hier gestellten Frage die Vorlage eines Auszugs aus dem Liegenschaftskataster genüge. Insoweit spiele es auch für die Bescheidung der Bauvoranfrage keine Rolle, ob das Vorhaben durch Abriss des bestehenden Marktes und Neuerrichtung oder durch entsprechende bauliche Erweiterung realisiert werden solle. Im Übrigen sei das Vorhaben nach der Art seiner baulichen Nutzung zulässig, da es sich in die als Gemengelage zu qualifizierende nähere Umgebung einfüge. Denn mit dem auf dem Flurstück xxx bereits errichteten „H1. Laden“ existiere bereits ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb, der als Vorbild fungiere. Dieser sei auch zur näheren Umgebung der Vorhabengrundstücke zu zählen, weil er mit diesen in prägender Wechselwirkung stünde. Zwar liege das Flurstück xxx in nicht unerheblicher Entfernung zu den Vorhabengrundstücken, so dass es auch an einer Sichtbeziehung mangele. Diese Aspekte seien aber keine absoluten Kriterien für die Bestimmung der näheren Umgebung, die sich letztendlich allein anhand der konkreten Einzelfallumstände ermitteln ließe. Der „H2. Laden“ sei insoweit deshalb für die Vorhabengrundstücke prägend, weil zwischen ihnen zunächst keine künstliche oder natürliche Trennung mit bodenrechtlicher Wirkung bestünde. Die Grünflächen westlich der „W1. -F. -F1. -Straße“ würden durch die vorhandenen Autobahnzufahrten in solch kleine Teile mit einer maximalen Breite von 70 Metern zerlegt, dass sie allenfalls als Baulücken zu qualifizieren seien. Zudem sei die Siedlungsstruktur östlich der I. Straße – südlich der die W.-------straße verlängernden Q.---straße – mangels vorhandener Einzelhandelsbetriebe gänzlich eine andere als die Siedlungsstruktur östlich der I. Straße, die unter Einschluss des Flurstücks xxx der Siedlungsstruktur (südlich) der W.-------straße gleichkomme. Schließlich sei die prägende Wirkung des Flurstücks 644 auf die Vorhabengrundstücke mit den jeweils wechselseitig entstehenden verkehrsbezogenen Emissionen anzunehmen. Aber selbst wenn man ein Einfügen des Vorhabens verneinen würde, wäre im vorliegenden Fall eine Abweichung zuzulassen, da das Vorhaben keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche habe, wie ein entsprechendes Gutachten belegen könne. 7Die Klägerin beantragt, 8die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 5. Juli 2018 (Az.: 22-VB-007016) zu verpflichten, der Klägerin den mit Formularantrag vom 3. August 2017 beantragten bauplanungsrechtlichen Bauvorbescheid für die Errichtung eines Lebensmittel-Discounters mit einer Verkaufsfläche von 1.300 m² auf dem Grundstück Gemarkung H. , Flur xx, Flurstücke xxx und xxx (W.-------straße xxx, xxxx C. ) zu erteilen. 9Die Beklagte beantragt, 10die Klage abzuweisen. 11Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, das Vorhaben füge sich nicht hinsichtlich der Art seiner baulichen Nutzung in die nähere Umgebung ein. Zwar bilde die nähere Umgebung tatsächlich eine Gemengelage, für das Vorhaben lasse sich in ihr aber kein Vorbild finden, da der „H2. Laden“ als einzig in Betracht kommendes Vorbild auf dem Flurstück xxx nicht mehr zur näheren Umgebung der Vorhabengrundstücke zu zählen sei. Es fehle nicht nur an Blickbeziehungen zwischen ihm und Vorhabengrundstücken, sondern eine eventuelle prägende Wirkung werde durch die Maschinenfabrik „S. “ unterbrochen. Der jeweilige An- und Abfahrtsverkehr entfalte ebenfalls keine prägende Wirkung. Dass die beiden Anlagen möglicherweise voneinander profitierten, sei ohne Relevanz. Eine Abweichung vom Gebot des Einfügens sei nicht legitim, da das Vorhaben Vorbildwirkung entfalte und die Umstrukturierung des betroffenen Gebietes einleiten könnte, was letztlich einen erheblichen Kompensationsbedarf auslöse. 12Die Örtlichkeiten sind vom Berichterstatter zusammen mit den Beteiligten am 26. Oktober 2021 in Augenschein genommen worden. Für Einzelheiten wird auf die angefertigten Lichtbilder verwiesen. Für weitere Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie die Gerichtsakte verwiesen. 13Entscheidungsgründe: 14Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene, Klage hat keinen Erfolg. Die mit Bescheid vom 5. Juli 2018 erfolgte Ablehnung der Erteilung des von der Klägerin begehrten Bauvorbescheides durch die Beklagte ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin auch nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). 15Die Klägerin hat nämlich keinen Anspruch auf entsprechende Erteilung. 16Ein solcher Anspruch besteht nach § 71 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit §§ 69, 75 Abs. 1 Satz 1 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen in der hier maßgeblichen bis zum 1. Januar 2019 geltenden Fassung (BauO NRW) dann, wenn unter Zugrundelegung eines vollständigen und hinreichend bestimmten Antrages dem genehmigungspflichtigen Vorhaben in Bezug auf die vom jeweiligen Antragsteller zuvor genau angegebene Fragestellung keine öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen. Dies ist hier nicht der Fall. Der Bauantrag ist zwar bescheidungsfähig (dazu I.). Dem Vorhaben stehen aber jedenfalls die von der konkreten Fragestellung umfassten öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegen (dazu II.). 17I. 18Der Bauantrag ist gemäß § 71 Abs. 2 in Verbindung mit § 69 BauO NRW in Verbindung mit § 16 Satz 1 der Bauprüfverordnung (BauPrüfVO) vollständig und im Übrigen hinreichend bestimmt. Es ist in der Rechtsprechung geklärt, dass ein Antrag auf Erteilung eines Bauvorbescheides – wie hier – ausschließlich auf die Frage der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit im Hinblick auf die Art der baulichen Nutzung unter Ausklammerung des Gebots der Rücksichtnahme beschränkt werden kann. 19Vgl. nur Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 31. Oktober 2012 – 10 A 912/11 –, juris. 20Bei einer solchen Fragestellung genügt es nach § 16 Satz 1 BauPrüfVO, wonach bei einem Bauvorbescheid nur die für die Beantwortung der gewählten Fragestellung notwendigen Unterlagen erforderlich sind, einen Auszug aus dem Liegenschaftskataster als Bauvorlage einzureichen. 21Auf die wohl zwischen den Senaten des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen umstrittene Frage, ob darüber hinaus zwingend Angaben zur Kostenermittlung erforderlich sind, 22bejahend: OVG NRW, Urteile vom 22. Februar 2017 – 7 A 1397/15 –, juris, Rn. 113 ff., und vom 6. März 2014 - 7 A 590/12 –, juris, Rn. 52 ff.; konkludent verneinend: OVG NRW, Urteil vom 14. Dezember 2016 – 10 A 655/14 –, juris, Rn. 39, offen lassend: OVG NRW, Urteil vom 2. März 2020 – 10 A 1136/18 –, juris, Rn. 36, 23kommt es nicht an, weil die Klägerin eine entsprechende und nach Auffassung der Kammer auch erforderliche Kostenermittlung in der mündlichen Verhandlung nachgereicht hat. Wird ein ggf. unvollständiger Bauantrag im Laufe des Klageverfahrens vervollständigt, ist dies vom Gericht auch zu berücksichtigen. 24Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. Februar 2017 - 7 A 1397/15 -, juris, Rn. 42. 25Soweit die Beklagte wenigstens im Ablehnungsbescheid die Unbestimmtheit des Bauantrags andeutet, weil nicht erkennbar sei, ob für das Vorhaben die bestehenden Anlagen beseitigt würden oder ob das Vorhaben zusätzlich errichtet werden soll, kann dem nicht gefolgt werden. Weil nach den dargestellten Maßstäben für die Erteilung eines Bauvorbescheides lediglich dasjenige erforderlich ist, das für die konkret beabsichtigte Prüfung von Relevanz ist, wird ein Antrag auf Bauvorbescheid bei fehlenden Informationen erst dann unbestimmt und nicht bescheidungsfähig, wenn die Beantwortung der gestellten Frage von diesen Angaben abhängig ist, also das Ergebnis der Prüfung je nach Angabe anders auszufallen vermag. Ansonsten begründet ein Spielraum für den Antrag auf Erteilung der Baugenehmigung keineswegs die fehlende Bescheidungsfähigkeit des Antrags auf einen Bauvorbescheid. 26Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 3. April 1987 – 4 C 41.84 –, juris; OVG NRW, Urteile vom 27. November 2018 – 2 A 2973/15 –, juris, und vom 29. Oktober 2018 – 10 A 1403/16 –, juris. 27Demnach führt die fehlende Information zu dem „Wie“ der Realisierung des Vorhabens nicht zur Unbestimmtheit der Bauvoranfrage. Die von der Klägerin konkret eingegrenzte Fragestellung zielt ausschließlich auf die allgemeine Prüfung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens nach der Art seiner baulichen Nutzung ab. Einzelfallbezogene Umstände der Ausgestaltung des Vorhabens sind gerade ausgeklammert worden und müssen einem möglichen Baugenehmigungsverfahren vorbehalten bleiben. Ob das Vorhaben anstelle der bisher errichteten Anlagen realisiert werden soll, hat gerade keine Auswirkungen darauf, ob ein Lebensmittel-Discounter mit einer Verkaufsfläche von 1.300 m² allgemein nach seiner Art bauplanungsrechtlich zulässig ist. 28II. 29Dem Vorhaben stehen aber in Bezug auf die von der Klägerin konkretisierte Fragestellung öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen. Die Errichtung eines Lebensmittel-Discounters mit einer Verkaufsfläche von 1.300 m² ist nämlich – unter Ausklammerung des Gebots der Rücksichtnahme – nach der Art seiner baulichen Nutzung bauplanungsrechtlich unzulässig. Der erforderliche Maßstab ergibt sich dabei aus § 34 Abs. 1 Satz 1 des Baugesetzbuches (BauGB; dazu 1.). Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs erweist sich das Vorhaben als nicht zulässig (dazu 2.). 301. 31Der Zulässigkeitsmaßstab für das streitgegenständliche Vorhaben nach der Art seiner baulichen Nutzung ergibt aus § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. 32a) 33Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens bemisst sich zunächst nach § 34 BauGB, weil ein Bebauungsplan fehlt. Zwar existiert ein Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan Nr. 841 aus dem Jahre 2005. Ein endgültiger Beschluss der Beklagten über den Bebauungsplan fehlt aber. Insoweit ist es entgegen der Ansicht der Beklagten ohne rechtliche Relevanz, ob das Vorhaben den Zielsetzungen des beabsichtigten Bebauungsplans widerspricht, zumal die Beklagten von den ihr zur Verfügung stehenden Sicherungsinstrumenten (etwa einer Veränderungssperre) keinen Gebrauch gemacht hat. Dass das Vorhabengrundstück in einem für die Anwendbarkeit des § 34 BauGB erforderlichen im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegt, ist offenkundig und bedarf keiner weiteren Erörterung. 34b) 35Der Zulässigkeitsmaßstab für das Vorhaben findet sich weiter in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Zwar beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens gemäß der speziellen Vorschrift des § 34 Abs. 2 BauGB nach seiner Art allein danach, ob es nach der Baunutzungsverordnung (BauNVO) allgemein zulässig wäre. Dies gilt aber ausweislich des Wortlautes nur dann, wenn die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der BauNVO entspricht. Dem ist hier aber nicht so. Die nähere Umgebung kann keinem der Gebiete der BauNVO zugeordnet werden. 36aa) 37Die nähere Umgebung der Vorhabengrundstücke ist wie folgt zu bestimmen: Sie reicht so weit, wie vorhandene Anlagen sowohl prägende Wirkung auf das Vorhabengrundstück entfalten als auch umgekehrt das Vorhabengrundstück zumindest städtebaulichen Einfluss auf die Anlagen in der Umgebung hat. 38Dabei darf nicht nur diejenige Bebauung als erheblich angesehen werden, die gerade in der unmittelbaren Nachbarschaft des Baugrundstücks überwiegt, sondern es muss auch die Bebauung der weiteren Umgebung des Grundstücks insoweit berücksichtigt werden, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und soweit die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst. 39Vgl. BVerwG, Urteile 8. Dezember 2016 – 4 C 7.15 –, juris, vom 18. Oktober 1974 – IV C 77.73 –, juris, und vom 26. Mai 1978 – IV C 9.77 –, juris. 40Die Grenzen der näheren Umgebung lassen sich nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der tatsächlichen städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist. 41Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28. August 2003 – 4 B 74.03 –, juris, und vom 10. Juni 1991 – 4 B 88.91 –, juris. 42Dabei ist die nähere Umgebung für das Merkmal der Art der baulichen Nutzung gesondert und unabhängig von den übrigen Merkmalen des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB (Maß der baulichen Nutzung, überbaubare Grundstücksfläche und Bauweise) zu ermitteln, weil jedes Merkmal eine Prägung mit ganz unterschiedlicher Reichweite und Gewichtung entfalten kann. 43Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1978 – 4 C 9.77 –, juris, sowie Beschlüsse vom 16. Juli 2018 – 4 B 51.17 –, juris, und vom 27. März 2018 – 4 B 60.17 –, juris; OVG NRW, Urteil vom 27. November 2018 – 2 A 2973/15 –, juris. 44(1) 45Nach diesen Grundsätzen wird die nähere Umgebung des Vorhabens hier nach dem Eindruck, den der Berichterstatter von der Örtlichkeit gewonnen und der Kammer anhand der Lichtbilder und dem zur Verfügung stehenden Kartenmaterial (Google-Maps, Geoportal Ruhr) vermittelt hat, aus den Anlagen entlang der W.-------straße gebildet, wobei im Osten die C2.---straße und im Westen die Grünflächen vor den Flurstücken xxx und xxx die Grenzen bilden. 46(2) 47Dabei sind – entgegen der Auffassung der Klägerin – die nördlich an der W.-------straße gelegenen Nutzungen, einschließlich der Nutzungen entlang der S1. -I1. -Straße – ebenfalls mit zur näheren Umgebung zu zählen. Denn das Gericht vermag nicht zu erkennen, dass die nördlich der W.-------straße gelegenen Anlagen das südlich der W.-------straße gelegene Vorhabengrundstück nicht zu prägen imstande wären. 48Zunächst kann der W.-------straße selbst keine trennende Wirkung zuerkannt werden, da ihre Größe und Ausgestaltung als zweispurige Verbindungsstraße gerade auch vor dem Hintergrund der nicht unerheblichen Größe insbesondere der Gewerbeanlagen entlang der W.-------straße keineswegs eine solche Dimension aufweist, als dass die nördlich gelegenen Anlagen unabhängig von den südlich errichteten Anlagen, d.h. als eigenständige Anlagen, wahrzunehmen wären. Dies ist aber der maßgebliche Aspekt für die Annahme einer straßenbedingten trennenden Wirkung. 49Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Juni 1991 – 4 B 88.91 –, juris; OVG NRW, Urteil vom 29. September 2016 – 10 A 1574/14 –, juris. 50Auch kann nicht angeführt werden, die nördlich der W.-------straße vorzufindende Siedlungsstruktur erweise sich als in erheblicher Weise different zur südlichen Struktur und sei daher nicht zur näheren Umgebung der Vorhabengrundstücke zu zählen. Insoweit kann die nähere Umgebung dort enden, wo eine wechselseitige Prägung dadurch unterbunden wird, dass es sich um aneinandergrenzende verschiedene und voneinander unabhängige Bau- und Nutzungsstrukturen handelt. 51Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. August 2003 – 4 B 74.03 –, juris. 52Zwar befinden sich die Gewerbeanlagen nördlich der W.-------straße anders als auf dem südlichen Abschnitt nicht in erster, sondern in zweiter Gebäudereihe. Hierbei handelt es sich aber gleichwohl nicht um einen solch gewichtigen Strukturunterschied, als dass die nördliche Siedlungsstruktur erkennbar und eindeutig als eine von ihrem südlichen Gegenüber völlig unabhängige und eigenständige Struktur wahrzunehmen wäre, zumal die Gewerbebetriebe auf der nördlichen Straßenseite gleichwohl wahrnehmbar sind. Die leicht andersartige Siedlungsstruktur vermag insoweit auch angesichts der nicht erheblichen Breite der W.-------straße nichts an der prägenden Wirkung der nördlich der W.-------straße gelegenen Anlagen und Nutzungen auf das Vorhabengrundstück nichts zu ändern. Soweit die Klägerin vorträgt, auf der nördlichen Seite der W.-------straße befände sich beinahe ausschließlich Wohnbebauung, trifft dies nicht zu. Neben einem erheblichen Teil des Betriebsgeländes der Firma „S. “ finden sich auch auf der nördlichen Abschnitt der W.-------straße mit einer Brillenglasmanufaktur und einem Industrieanlagenanbieter in nicht unwesentlichem Umfang gewerblich geprägte Betriebe, wie es auch auf dem südlichen Abschnitt der Fall ist. 53(3) 54Für das Verfahren entscheidend ist weiter, dass die nähere Umgebung entgegen der Ansicht der Klägerin in westlicher Richtung jedenfalls vor dem Flurstück xxx endet und gerade nicht bis zur I. Straße reicht. Insoweit ist auch der „H2. Laden“ auf dem Flurstück xxx nicht mit in die nähere Umgebung einzubeziehen. 55Dies beruht nach Auffassung des Gerichts auf folgenden Überlegungen: Zunächst ist eine nicht unerhebliche Entfernung zwischen den Vorhabengrundstücken und dem „H1. Laden“ entlang der W.-------straße von etwa 850 Metern festzustellen, die die Annahme einer wechselseitigen Prägewirkung deutlich in Frage stellen lässt. Insoweit sind auch keinerlei Blickbeziehungen zwischen den Grundstücken feststellbar, was nicht allein an dem Straßenverlauf, sondern vorwiegend an der erheblichen Entfernung (Luftlinie ca. 700 Meter) liegt. Soweit die Klägerin an dieser Stelle einwendet, die beiden Aspekte entfalteten keinen absoluten Charakter, seien also allein genommen kein hinreichendes Abgrenzungskriterium, mag dies zutreffen. Es ist aber keineswegs – auch nicht anhand der von der Klägerin zitierten Rechtsprechung – erkennbar oder einleuchtend, dass diese Kriterien generell gar keine Beachtung zu finden hätten. Gerade im Hinblick auf die Sichtbeziehungen hat das von der Klägerin angeführte Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen ausdrücklich festgehalten, dass es keinen Grundsatz gibt, Sichtbeziehungen stets als unbeachtliches Kriterium für die Bestimmung der näheren Umgebung zu qualifizieren, sondern vielmehr über den – hier entgegengesetzten – Fall entschieden, dass zwar Sichtbeziehungen vorhanden sind, diese aber zwei eigenständige, weil von unterschiedlicher Bau- und Nutzungsstruktur geprägte, Komplexe umfasst, und hierbei angenommen, dass die Verschiedenheit der Struktur gegenüber dem Vorhandensein von Sichtbeziehungen jedenfalls grundsätzlich schwerer wiegt. 56Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. Mai 2017 – 2 B 145/17 –, juris. 57Insoweit hängt das Kriterium des Vorhandenseins von Sichtbeziehungen maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls ab. Es soll insoweit lediglich ausgeschlossen werden, dass die nähere Umgebung im Sinne eines Automatismus mit den Sichtbeziehungen bestimmt wird. Eine von den konkreten Umständen losgelöste ausschlaggebende Bedeutung ist schon deshalb nicht anzunehmen, weil je nach Gelände, Straßenverlauf und vorhandener Bebauung selbst ein vom Vorhabengrundstück sehr weit entfernt liegendes Grundstück mit dem Auge noch wahrgenommen werden kann, während der Blick auf ein nur wenige Meter entferntes Grundstück möglicherweise durch einen Straßenknick oder ein dazwischen liegendes Gebäude verstellt ist. 58Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 31. Juli 2018 – 10 A 793/17 –, juris. 59Der Aspekt der Sichtbeziehungen ist insoweit gewichtiger, je weniger die Gegebenheiten vor Ort ihm im Hinblick auf eine prägende Wirkung Aussagekraft zukommen lassen. Angesichts dieser Bedeutung der konkreten örtlichen Verhältnisse geht auch der Verweis der Klägerin auf gerichtliche Entscheidungen, die eine prägende Wirkung trotz fehlender Sichtbeziehungen bejahen, fehl. Vorliegend mangelt es aber gerade deshalb an Sichtbeziehungen, weil der „H2. Laden“ von den Vorhaben-grundstücken erheblich entfernt gelegen ist. Die W.-------straße weist nämlich bis kurz vor den zuerst genannten Grundstücken einen geraden Verlauf und jedenfalls kein solch ab- bzw. aufsteigendes Gelände auf, als dass Sichtbeziehungen trotz gegebenenfalls vorhandener Prägung unterbunden würden. Insoweit vermag der Aspekt der Sichtbeziehungen in dem vorliegenden Fall Relevanz zu entfalten, da er gerade Anzeichen fehlender (wechselseitiger) Auswirkungen der in Betracht genommenen Grundstücke aufeinander ist und ihm insoweit – wenn auch keine ausschlaggebende, doch hinreichende – Bedeutung zukommt. 60Darüber hinaus ist aus Sicht der Kammer für das Ausklammern des „H1. Ladens“ aus dem Bereich der näheren Umgebung der Vorhabengrundstücke maßgeblich, dass den Grünflächen zwischen ihm bzw. der Nachbarbebauung und der übrigen Bebauung entlang der W.-------straße eine Zäsurwirkung zukommt. Es gilt insoweit zu berücksichtigen, dass die allein anhand des Einzelfalls zu beantwortende Frage, wie weit die nähere Umgebung eines Vorhabengrundstücks reicht, auch anhand topographischer Begebenheiten beantwortet werden kann. Insoweit können die zur Feststellung eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles in Bezug auf topographische Besonderheiten entwickelten Grundsätze sinngemäß auf die Bestimmung der Reichweite der näheren Umgebung übertragen werden. Das heißt, dass die nähere Umgebung ihre Grenzen je nach Lage des Einzelfalles auch in Geländehindernissen, Erhebungen oder Einschnitten (Dämme, Böschungen, Flüsse und dergleichen) finden kann. 61Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 16. Juli 2018 – 4 B 51.17 –, juris, und vom 20. August 1998 – 4 B 79.98 –, juris; OVG NRW, Urteil vom 29. September 2016 – 10 A 1574/14 –, juris, sowie Beschluss vom 16. Juni 2016 – 2 A 1795/15 –, juris; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 18. Oktober 2013 – 9 K 5056/11 –, juris; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/ u.a. (Hrsg.), BauGB, 140. Lieferung 2020, § 34 Rn. 36. 62Dabei ist zwar zu berücksichtigen, dass die Bestimmung der Reichweite der näheren Umgebung und des Bebauungszusammenhanges zwei gänzlich differente Fragestellungen sind: Während Ersteres auf die prägende Wirkung von Anlagen abstellt, beantwortet Letzteres die Frage nach dem Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit von Anlagen. Überdies ist die sinngemäße Übertragung der topographischen Besonderheiten auf die Bestimmung der näheren Umgebung – wie vom Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich klargestellt – kein allgemeiner Grundsatz und überdies bislang nur im Rahmen von Nachbarstreitigkeiten bejaht worden, d.h. im Zusammenhang der Frage, ob Nachbar- und Vorhabengrundstücke wechselseitige Prägungen unterliegen. 63Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 16. Juli 2018 – 4 B 51.17 –, juris. 64Allerdings können selbstverständlich unabhängig von einer dogmatischen Übertragbarkeit der im Zusammenhang mit dem Bebauungszusammenhang entwickelten Maßstäbe topographische Besonderheiten die Reichweite der näheren Umgebung mitbestimmen, wenn sie die prägende Wirkung zu unterbrechen imstande sind. Dies berücksichtigend ist davon auszugehen, dass der sich westlich der W1. -F. -F1. -Straße anschließenden Frei- bzw. Grünfläche eine trennende Funktion zukommt. Das liegt zuvörderst in ihrer Breite begründet. Zwischen der Bebauung auf dem Flurstück xxx bzw. xxx und der beiderseits der W.-------straße gelegenen Bebauung lassen sich insoweit unbebaute Flächen erheblicher Größe feststellen. Der keine Bebauung aufweisende Abstand zwischen der letzten Bebauung südlich der W.-------straße (W.-------straße xx) und der Bebauung auf dem Flurstück xxx bzw. xxx beträgt in der Luftlinie gemessen knapp 130 Meter. Der geringste Abstand zwischen der Bebauung auf dem Flurstück 644 bzw. 645 und der Bebauung nördlich der W.-------straße (W.-------straße xx) beträgt weiter knapp 80 Meter, der längste 103 Meter (W.-------straße xx). Insoweit liegt hier insgesamt ein erheblicher Abstand zwischen Bebauungskomplexen vor, der eine Eigenständigkeit beider begründen lässt. Zwar mag die Frei- und Grünfläche aus einem von einer auf der W.-------straße stehenden Person eingenommenen Betrachtungswinkel – offensichtlich auch wegen der Kurve – als weniger breit darstellen. Unabhängig davon, ob die so wahrgenommene Breite die trennende Wirkung überhaupt in Abrede zu stellen vermag, erweist sich ihr gesamtes – prägendes – Ausmaß ohnehin vornehmlich aus der Vogelperspektive, wie die Luft- und Kartenbilder anschaulich darstellen. Insoweit ist diese Betrachtung auch eine hinreichend geeignete Grundlage für die Bestimmung der näheren Umgebung. 65Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Mai 2014 – 4 B 38.13 –, juris. 66Dagegen kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg einwenden, die unbebaute Grünfläche jedenfalls südlich der W.-------straße sei viel kleiner, weil sie durch die Autobahnzufahrt zerteilt würde. Denn die Autobahnzufahrt ist keineswegs eine die Umgebung prägende Bebauung. Angrenzende Verkehrsflächen gehören nämlich grundsätzlich nicht zur näheren Umgebung. Sie stehen für eine Bebauung nicht zur Verfügung und besitzen – was offensichtlich ist – keine gerade die Art der Bebauung prägende Bedeutung, worauf es aber bei der Bestimmung der näheren Umgebung entscheidend ankommt. 67Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10. Juli 2000 – 4 B 39.00 –, juris, und vom 11. Februar 2000 – 4 B 1.00 –, juris, mit weiteren Nachweisen. 68Anhaltspunkte für eine Ausnahme sind nicht erkennbar. Insoweit zählen auch die Autobahnauffahrten zur (unbebauten) und die prägende Wirkung unterbrechenden Freifläche. Dabei ist weiter zu beachten, dass die Freiflächen nicht nur in ihrer Breite erheblich sind, sondern auch zumindest hinsichtlich der nachfolgenden Baustruktur eine Zäsur einläuten. Befindet sich zu ihrem Beginn im Osten nördlich wie südlich von der W.-------straße Bebauung, endet dieses Strukturprinzip offenkundig mit Beginn der Freiflächen, an die sich insoweit nur südlich der W.-------straße Bebauung anschließt, während sich im Norden bis zur I. Straße gar keine (prägende) Bebauung findet. Insoweit vermag das Gericht dem Argument der Klägerin, die Bebauung auf den Flurstücken xxx und xxx erweise sich als zur W.-------straße zugehörig, nicht zu folgen. Ob sie der Bau- und Nutzungsstruktur entlang der I. Straße zuordnen lässt, spielt wegen der deutlichen Differenz zur jenen Struktur entlang der übrigen W.-------straße keine Rolle. 69Schließlich lässt sich eine prägende Wirkung des „H1. Ladens“ auf die Vor-habengrundstücke auch entgegen der Ansicht der Klägerin nicht mit den wechselseitigen emissionsbezogenen Auswirkungen begründen. Zwar können in der Tat bodenrechtliche Auswirkungen und hierbei insbesondere die durch den An- und Abfahrtsverkehr verursachten Lärmemissionen als ein Kriterium für die Bestimmung der Reichweite prägender Wirkung herangezogen werden. Aus der – auch von der Klägerin zitierten – bisherigen Rechtsprechung wird aber deutlich, dass es sich auch hier nicht um ein ausschlaggebendes Argument handelt, sondern in Relation zu den Umständen des Einzelfalles heranzuziehen ist und insoweit in Ansehung der örtlichen Begebenheiten Berücksichtigung finden muss. 70Vgl. OVG NRW, Urteile vom 29. Oktober 2018 – 10 A 1403/16 –, juris, und vom 29. September 2016 – 10 A 1574/14 –, juris; vgl. auch Söfker, in: Ernst/Zinkahn u.a. (Hrsg.), 140. Lieferung 2020, § 34 Rn. 36. 71Auch kann eine prägende Wirkung – wie auch die Klägerin einräumt – nicht deshalb angenommen werden, weil es sich bei dem „H1. Laden“ um einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb handelt, der jedenfalls bei einer Größe der Verkaufsfläche wie im vorliegenden Fall in aller Regel erhebliche Auswirkungen auf die zentralen Versorgungsbereiche entfaltet (§ 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO). Denn diese Auswirkungen sind von den im Rahmen der Bestimmung der Reichweite der näheren Umgebung maßgeblichen bodenrechtlichen Aspekten zu unterscheiden. Insoweit spielt es auch keine Rolle, ob sich der Kundenverkehr des Vorhabens und des „H1. Ladens“ überschneiden sollte. 72Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Oktober 2019 – 4 B 27.19 –, juris; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/ u.a. (Hrsg.), BauGB, 140. Lieferung 2020, § 34 Rn. 36. 73Dies zugrunde gelegt vermag die Kammer nicht zu erkennen, dass vor allem der An- und Abfahrtsverkehr der jeweiligen Anlagen eine wechselseitige prägende Wirkung zu begründen vermag. Dies liegt allerdings entgegen der Ansicht der Beklagten nicht bereits darin begründet, dass der An- und Abfahrtsverkehr der räumlich gesehen zwischen Vorhabengrundstücken und „H1. Laden“ gelegenen Maschinenfabrik „S. “ entsprechende Prägungen abzubrechen imstande wäre. Vielmehr ist im vorliegenden Einzelfall zu berücksichtigen, dass der „H2. Laden“ beinahe unmittelbar an der stark frequentierten I. Straße sowie insbesondere an die Autobahnauffahrt 35 „C. -Zentrum“ der A 40 liegt und insoweit deutlich davon auszugehen ist, dass ein Großteil des Besucherverkehrs hierüber und nicht über die W.-------straße erfolgen wird. Auch die Vorhabengrundstücke sind nahe der ebenfalls nicht unbedeutenden C1. Straße und unweit der Autobahnzufahrt 36 „C. -Stadion“ der A 40 gelegen, so dass auch hier ein nicht unerheblicher Teil des zu erwartenden An- und Abfahrtsverkehrs hierüber erfolgen wird. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Verkehrsauslastung der W.-------straße bereits ohnehin als hoch zu qualifizieren ist. Dies wurde nicht nur im Rahmen des Ortstermins besonders deutlich, sondern ergibt sich auch etwa aus S. 12 des im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zur Sortimentsänderung des „H1. Ladens“ eingeholten Schallgutachtens vom 24. Mai 2012 (vgl. Beiakte–Heft16). Vor diesem Hintergrund geht die Kammer im Wege einer Gesamtbetrachtung davon aus, dass der vom Vorhaben und „H1. Laden“ jeweils hervorgerufene Ab- und Anreiseverkehr gerade angesichts der ohnehin schon hohen verkehrlichen Belastung der W.-------straße wechselseitig keine solch erheblichen Auswirkungen zu entfalten vermag, als dass schon von einer hinreichenden bodenrechtlichen Prägung ausgegangen werden könnte. Jedenfalls vermögen die anzunehmenden verkehrlichen Auswirkungen nicht gegenüber den weiteren bereits dargestellten Aspekte, die gegen die Annahme einer prägenden Wirkung von „H1. Laden“ und Vorhaben sprechen, in entscheidungserheblicher Weise zu überwiegen. 74bb) 75Die so eingegrenzte Umgebung kann aber keinem Baugebiet nach den §§ 2 ff. BauNVO zugeordnet werden. Dies setzt nämlich voraus, dass die nähere Umgebung ausschließlich bauliche Elemente enthält, die nur einem der in der BauNVO geregelten Baugebiete zuzuordnen sind. 76Vgl. Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt (OVG Sachsen-Anhalt), Beschluss vom 9. April 2020 – 2 M 17/20 –, juris; Söfker, in: Ernst/Zinkahn u.a. (Hrsg.), BauGB, 140. Lieferung 2020, § 34 Rn. 79. 77(1) 78Ein Gewerbegebiet nach § 8 BauNVO scheidet bereits deshalb aus, weil neben den vorhandenen Gewerbebetrieben auch Anlagen zu Wohnzwecken genutzt werden. Nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO sind in Gewerbegebieten aber nur Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter, die dem Gewerbebetrieb zugeordnet und ihm untergeordnet sind, ausnahmsweise zulässig. Um solche Art von Wohnnutzung handelt es sich bei den hier vorhandenen Wohngebäuden zweifelsohne nicht. 79(2) 80Das gleichzeitige Vorhandensein von Gewerbebetrieben und Wohngebäuden lässt zwar an ein Mischgebiet im Sinne von § 6 BauNVO denken. Eine solche Zuordnung scheidet aber bereits deshalb aus, weil auf den Flurstücken 508 und 542 mit den Anlagen der Firma „S. “ ein Hersteller von Kupplungen angesiedelt ist, der sich als ein das Wohnen störender und damit nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO im Mischgebiet unzulässiger Gewerbebetrieb erweist. 81Dabei kann das Gericht offen lassen, ob es sich bei dem Betrieb der Firma „S. “ um ein der typisierenden Betrachtung (ausnahmsweise) unzugänglicher Gewerbebetrieb handelt, weil er auch bei einer Einzelfallbetrachtung als ein das Wohnen wesentlich störender Betrieb zu qualifizieren ist. Bei der bauplanungsrechtlichen Beurteilung, ob ein Gewerbebetrieb als im Sinne des § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO das Wohnen wesentlich störender und damit im Mischgebiet unzulässiger Gewerbebetrieb zu bewerten ist, ist im Ausgangspunkt eine typisierende Betrachtung anzustellen. Entscheidend ist, dass von Betrieben seines Typs bei funktionsgerechter Nutzung üblicherweise für die Umgebung in diesem Sinne unzumutbare Störungen ausgehen können. Auf das Maß der konkret hervorgerufenen oder in Aussicht genommenen Störungen kommt es grundsätzlich nicht an. Anders als etwa in reinen oder allgemeinen Wohngebieten ist die Wohnnutzung in einem Mischgebiet zwar in gewisser Weise vorbelastet, weil das Mischgebiet gerade auch einer Ansiedlung von Gewerbebetrieben offen steht, die Wohnbebauung also auch auf Gewerbebetriebe Rücksicht zu nehmen hat. Gleichwohl darf sie nicht solchen – insbesondere lärmbezogenen – Auswirkungen ausgesetzt sein, die mit ihr nicht zu vereinbaren ist. 82Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. November 2021 – 4 C 5.20 –, juris, mit weiteren Nachweisen. 83Eine solch umfassende typisierende Betrachtungsweise ist aber gerade im Mischgebiet, in dem die Grenze einer solchen Unverträglichkeit entsprechend höher und daher nicht in jedem Einzelfall klar zu formulieren ist, nicht stets möglich. Insoweit werden anerkanntermaßen zwei Einschränkungen der Typisierungsbetrachtung angenommen: Zum einen gibt es Gewerbebetriebe, die zwar bei typisierender Betrachtungsweise mischgebietsunverträglich sind, im konkreten, hier aber offensichtlich nicht vorliegenden Einzelfall wegen einer – etwa wegen technologischer Fortschritte bestehenden – Atypik eine unzumutbare Störung der Wohnruhe sicher ausschließen. 84Vgl. Ziegler, in: Brügelmann (Hrsg.), BauGB, 77. Lieferung 2011, § 6 BauNVO Rn. 44. 85Daneben gibt es – zweitens – Gewerbebetriebe, die keinem bestimmten Betriebstypus zugeordnet werden können oder zu einem Betriebstypus mit erheblicher Variationsbreite und damit unterschiedlichem Störpotential zuzuordnen sind. Bei diesen ist in der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung, der die Kammer folgt, wegen der Unzulänglichkeit einer typisierenden Betrachtung anerkannt, dass die Frage des Störpotentials nur anhand der im Einzelfall feststellbaren konkreten Betriebsstruktur und des individuellen Betriebskonzepts beantwortet werden kann. Dabei wird die typisierende Betrachtung nicht durch eine gänzliche – dem Maßstab des § 15 Abs. 1 BauNVO entsprechende – Einzelfallbetrachtung ersetzt, sondern eine teil-typisierende Betrachtungsweise angelegt: Es kommt darauf an, ob der konkrete Gewerbebetrieb auf Grund der bei einem funktionsgerechten Ablauf in ihrem gesamten Betrieb üblicherweise anfallenden Arbeiten generell geeignet ist, eine Wohnnutzung wesentlich zu stören. Maßgeblich ist insoweit, ob sich die Störwirkungen, die die konkrete Anlage bei funktionsgerechter Nutzung erwarten lässt, innerhalb des Rahmens halten, der durch die Gebietseigenart vorgegeben ist. 86Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. November 2021 – 4 C 5.20 –, juris, sowie Beschluss vom 27. Juni 2018 – 4 B 10.17 –, juris; OVG NRW, Beschluss vom 18. Juni 2010 – 7 A 896/09 –, juris; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH BW), Beschluss vom 15. April 2014 – 8 S 2239/13 –, juris. 87Es spricht nach Auffassung der Kammer zwar bereits viel dafür, das von der Firma „S. “ betriebene Gewerbe schon bei typisierender Betrachtung als einen das Wohnen störenden Gewerbebetrieb einzustufen. Es handelt sich nämlich hier um ein weltweit agierendes Unternehmen, das primär Antriebstechniken, speziell Kupplungen, für Verbrennungsmotoren und sonstige Antriebstechniken herstellt. Neben Gummi-Kupplungen werden dabei auch Ganzmetallkupplungen an der W.-------straße produziert, gelagert und abtransportiert. Bei einem produzierenden Gewerbe solchen Ausmaßes, wie es sich bereits anhand der Luftbilder ergibt, kann – so die Auffassung der Kammer – allgemein festgehalten werden, dass die Betriebsvorgänge, aber auch der Lieferverkehr insbesondere solch erhebliche Lärmauswirkungen auf die unmittelbare Wohnnachbarschaft haben, dass eine Wohnverträglichkeit auch unter Berücksichtigung des verminderten Schutzanspruches in Mischgebieten nicht mehr angenommen werden kann. 88Vgl. zu – dem hiesigen Betrieb ähnlichen – Schlossereibetrieben: Oberverwaltungsgericht Niedersachsen (OVG NDS), Urteil vom 27. Juni 1972 – VI A 79/71 –, juris, oder zu einem holzverarbeitenden Betrieb OVG NRW, Urteil vom 27. November 1967 – X A 1153/67 –, juris. 89Aber selbst wenn man unter Berücksichtigung dessen, dass sich insbesondere auch metallverarbeitende Betriebe wegen ihrer nicht unerheblichen Variationsbreite einer typisierenden Betrachtungsweise entziehen, 90vgl. VGH BW, Urteil vom 28. März 2001 – 8 S 2120/00 –, juris, 91eine Einzelfallbetrachtung für erforderlich hielte, ergäbe sich vor dem Hintergrund des konkreten Betriebskonzepts und der konkreten Anlage nicht die mischgebietsbezogene Zulässigkeit des Kupplungsherstellungsunternehmens. Bereits aus den von der Beklagten überwiegend den nördlich der W.-------straße gelegenen und aus benannten Gründen zur näheren Umgebung der Vorhabengrundstücke zählenden Bereich des Betriebes betreffenden Hausakten ergibt sich die mischgebietsunverträgliche Eigenschaft des Betriebs. Denn nach der von der Beklagten für die Errichtung von Werkhallen auf dem nördlich der W.-------straße befindlichen Betriebsbereich erteilten Baugenehmigung vom 29. Dezember 2000 handelt es sich bei dem Gewerbe der Firma „S. “ um ein metall- und gummiverarbeitenden Betrieb, in dem tagsüber (6:00 bis 21:30 Uhr) mindestens 90 Angestellte Kupplungen aus Gummi (Kautschuk) sowie Metall (Stahl und Aluminium) produziert, d.h. etwa durch Stanzen, Drehen, Fräsen oder Feilen hergestellt (Bl. 240 Beiakte–Heft 2 Vierhausstr. 53), lackiert, gelagert und mittels Lastkraftwagen (7,5 t) abtransportiert werden. Allein auf dem nördlichen Betriebsbereich wird mit drei Lastkraftwagen pro Tag gerechnet (s. Betriebsbeschreibung 28.11.2000). Einen solch insbesondere lärmintensiven Betrieb ist auch unter Berücksichtigung der Zweckbestimmung eines Mischgebiets für eine Wohnnutzung nicht zumutbar und damit in einem Mischgebiet gebietsunverträglich. 922. 93Das Vorhaben erweist sich unter Berücksichtigung des Maßstabes des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB als unzulässig. Eine Zulässigkeit hiernach setzt voraus, dass sich das Vorhaben hinsichtlich der wegen der Bauvoranfrage hier allein maßgeblichen Art seiner baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Entscheidend ist unter Berücksichtigung der diffusen Nutzungsstruktur, dass das Vorhaben den von der Eigenart der näheren Umgebung gespannten Rahmen einhält, es mithin ein taugliches Vorbild für sich in der näheren Umgebung findet. 94Vgl. BVerwG, Urteile vom 3. April 1987 – 4 C 41.84 –, juris, und vom 26. Mai 1978 – 4 C 9.77 –, juris; OVG NRW, Urteil vom 6. November 2008 – 10 A 2601/07 –, juris. 95a) 96Gewendet auf diesen Fall bedeutet dies, dass sich das Vorhaben dann in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, sobald sich in dieser ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb befindet. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob der vorhandene großflächige Einzelhandelsbetrieb eine annähernd gleich große oder gar größere Verkaufsfläche als die des Vorhabens aufweist. Denn ein vorhandener großflächiger Einzelhandelsbetrieb erweist sich gerade deshalb als Vorbild, weil er wegen seiner Großflächigkeit eine von der BauNVO gesondert vorgesehene Nutzungsart aufweist (vgl. § 11 Abs. 3 BauNVO), die der des Vorhabens entspricht. Insoweit reicht die Eigenschaft der Großflächigkeit an sich aus, um als Vorbild zu dienen, eine weitere Differenzierung – etwa nach Umfang der Großflächigkeit – ist nicht angezeigt. 97Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. April 1987 – 4 C 41.84 –, juris; OVG NRW, Urteil vom 27. November 2018 – 2 A 2973/15 –, juris; Kuschnerus/Bischopink/Wirth, Der standortgerechte Einzelhandel, 2. Auflage 2018, Rn. 299 m.w.N. 98In der näheren Umgebung der Vorhabengrundstücke findet sich unter Zugrundelegung ihrer bereits dargestellten Eingrenzung kein entsprechendes Vorbild. Insbesondere der „H2. Laden“ fungiert nicht als Vorbild, da er aus besagten Gründen nicht zur näheren Umgebung der Vorhabengrundstücke zu zählen ist. 99b) 100Findet das Vorhaben der Klägerin damit in der näheren Umgebung kein Vorbild, ist gleichwohl nicht ausgeschlossen, dass es sich im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB einfügt. Das Erfordernis des Einfügens hindert nicht schlechthin daran, den vorgegebenen Rahmen zu überschreiten. Allerdings darf die Überschreitung des vorhandenen Rahmens weder zur Begründung noch zur Erhöhung ausgleichsbedürftiger bodenrechtlicher Spannungen führen. Denn stiftet es in diesem Sinne Unruhe, lassen sich die Voraussetzungen für seine Zulassung nur unter Einsatz der Mittel der Bauleitplanung und nicht über den Weg des § 34 BauGB schaffen. 101Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1978 – IV C 9.77 –, juris; OVG NRW, Urteil vom 1. März 2017 – 2 A 46/16 –, juris. 102Die Überschreitung des durch die Umgebung gesetzten Rahmens führt dabei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der die Kammer folgt, nicht unbedingt, aber im Regelfall zur Unzulässigkeit des Vorhabens. Denn eine Überschreitung des von der Bebauung bisher eingehaltenen Rahmens zieht in der Regel die Gefahr nach sich, dass der gegebene Zustand in negativer Hinsicht in Bewegung und damit in Unordnung gebracht wird. Diese Frage kann jedoch nur unter Berücksichtigung der konkreten Eigenart der näheren Umgebung und der konkreten Umstände, die Spannungen hervorrufen können, beantwortet werden. Die abstrakte und nur entfernt gegebene Möglichkeit, dass ein Vorhaben Konflikte auslöst, schließt die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht aus. Bei einer Überschreitung des Rahmens muss somit konkret festgestellt werden, ob die gegebene Situation verschlechtert, gestört, belastet oder sonst in Bewegung gebracht wird. 103Vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Dezember 1994 – 4 C 13.93 –, juris, vom 22. Mai 1987 – 4 C 6.85 u.a. –, juris, und vom 18. Februar 1983 – 4 C 18.81 –, juris, sowie Beschluss vom 4. Juni 1985 – 4 B 102.85 –, juris; vgl. auch Söfker, in: Ernst/Zinkahn u.a., BauGB, 140. Lieferung 2020, § 34 Rn. 31. 104Unter Berücksichtigung dieses Maßstabes und der konkreten Verhältnisse vor Ort ist davon auszugehen, dass bei Realisierung des Vorhabens bodenrechtliche Spannungen entstehen würden, die das Bedürfnis nach einer spannungsauflösenden Bauleitplanung begründen, und damit nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zugelassen werden können. Denn das Vorhaben würde im Falle seiner Realisierung eine negative Vorbildwirkung für gleichartige Vorhaben begründen und damit die Struktur des Gebietes umändern können. Es entspricht stetiger höchst- sowie obergerichtlicher Rechtsprechung, eine negative Wirkung dann anzunehmen, wenn das Vorhaben Vorbildwirkung für weitere Vorhaben schafft, die in naheliegender Zukunft eine solche Verschlechterung nach sich ziehen kann. Denn der verfassungsrechtlich garantierte Gleichbehandlungsgrundsatz würde es der Beklagten verwehren, nach genehmigter Verwirklichung des streitgegenständlichen Vorhabens ein gleichartiges Vorhaben in der näheren Umgebung zu versagen, da das hiesige Vorhaben insoweit dann selbst als Vorbild fungieren würde. Dies wiederum würde aber nicht nur das betroffene Gebiet erheblich verändern können, sondern letztlich zu Konflikten führen, die (nur) über eine Bauleitplanung aufzulösen wären. 105Vgl. dazu insgesamt BVerwG, Urteile vom 3. Februar 1984 – 4 C 25.82 –, juris, vom 21. November 1980 – 4 C 30.78 –, juris, und vom 26. Mai 1978 – 4 C 9.77 –, juris, sowie Beschluss vom 4. Juni 1985 – 4 B 202.85 –, juris; OVG NRW, Beschluss vom 1. Dezember 2021 – 2 A 2780/20 –, juris, mit weiteren Nachweisen. 106W1. einer solchen negativen Vorbildwirkung ist vorliegend deshalb auszugehen, weil die beachtliche Gefahr besteht, dass dem Vorhaben folgend weitere großflächige Einzelhandelsbetriebe in der näheren Umgebung der Vorhabengrundstücke sich anzusiedeln versuchen und insoweit konfliktträchtig die Umgebungsstruktur negativ beeinflussen werden. Es ist dabei auch weder ersichtlich noch sonst vorgetragen, aus welchen Gründen in der näheren Umgebung der Vorhabengrundstücke kein weiterer großflächiger Einzelhandelsbetrieb folgen könnte. Sowohl die Grundstückszuschnitte als auch die aktuelle Nutzung der Grundstücke schließen die Ansiedlung – wenn auch möglicherweise unter Abriss vorhandener Anlagen – weiterer großflächiger Einzelhandelsbetriebe nicht aus. Diese Gefahr wird auch dadurch sichtbar, dass der Rat der Beklagten selbst jedenfalls für ein Teilgebiet der näheren Umgebung der Vorhabengrundstücke die Ansiedlung von (großflächigen) Einzelhandelsbetrieben jedenfalls grundsätzlich für regelungsbedürftig erachtet und deshalb im Jahr 2005 einen entsprechenden Aufstellungsbeschluss erlassen hat. Dass der entsprechende Bebauungsplan bislang noch nicht beschlossen worden ist, ändert an der hinreichend konkreten Gefahr freilich nichts, zumal nicht erkennbar ist, dass das Bauleitplanverfahren mangels konkreter Anhaltspunkte für die Ansiedlung großflächiger Einzelhandelsbetriebe unterbrochen worden ist. Dass dem auch nicht so wäre, zeigt bereits das hiesige Verfahren. 107Soweit das Verwaltungsgericht Aachen, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung dargestellt und aufgezeigt hat, in einem (nichtveröffentlichten) Urteil vom 6. August 2021 (Az. 5 K 2755/19) darauf abgestellt hat, dass es in dem streitgegenständlichen Gebiet keine konkreten Anhaltspunkte für einen Nachahmungseffekt gebe, vermag dies hier nichts zu ändern. Denn selbst wenn in dieser Entscheidung nicht – wie hier – ausschließlich auf die konkreten Einzelfallumstände abgestellt worden sein, sondern darüber hinaus der „Grundsatz“ verfolgt worden sein sollte, eine Vorbildwirkung könne ausschließlich dann angenommen werden, wenn es bereits konkrete Anzeichen für vergleichbare Vorhaben in der näheren Umgebung – etwa bereits gestellte Bauvoranfragen – gebe, würde dies den Maßstab, wie ihn auch das Bundesverwaltungsgericht umrissen hat und zugrunde legt, deutlich überspannen. Insoweit muss berücksichtigt werden, dass gerade erst die Zulassung eines Vorhabens Vorbildwirkung begründen und damit gleichartige Vorhaben heraufbeschwören kann. Forderte man bereits im Vorfeld bzw. im Rahmen der Prüfung der Zulassung eines Vorhabens das Vorhandensein nachahmender weiterer Vorhaben, könnte eine solche Handhabung des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bodenrechtliche Spannungen begünstigen und nicht – wie eigentlich bezweckt – vermeiden. Vor diesem Hintergrund geht das Bundesverwaltungsgericht auch davon aus, dass bodenrechtliche Spannungen regelmäßig anzunehmen sind, wenn der von der Bebauung bisher eingehaltene Rahmen überschritten wird, ohne dass dies durch irgendeine Besonderheit begründet wäre, durch die sich das Baugrundstück von den Nachbargrundstücken unterscheidet. 108Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 25. März 1999 – 4 B 15.99 –, juris. 109Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist insoweit dahingehend zu verstehen, dass die Gefahr einer negativen Vorbildwirkung für die Annahme ausgleichsbedürftige bodenrechtliche Spannungen ausreichend ist, wenn nicht die konkreten Umstände vor Ort eine solche Wirkung ausnahmsweise als abstrakt und höchst unwahrscheinlich erscheinen lassen. Von daher spricht es auch davon, dass die Unzulässigkeit eines Vorhabens nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bejaht werden müsse, wenn das Vorhaben die „Gefahr heraufbeschwört“, negative Auswirkungen bodenrechtlicher Natur zu entfalten. 110Vgl. BVerwG, OVG NRW, Beschluss vom 1. Dezember 2021 – 2 A 2780/20 –, juris. 111Die Erforderlichkeit einer Art sich „aufdrängenden“ Vorbildwirkung, wie die Klägerin der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Aachen beimessen will, legt die erkennende Kammer daher ihrer Entscheidung nicht zugrunde. Insoweit lässt sie es dem Zweck des § 34 BauGB entsprechend genügen, wenn die konkreten Verhältnisse vor Ort bodenrechtliche Spannungen in Gestalt einer negativen Vorbildwirkung nicht von vorneherein auszuschließen vermögen. Dies ist hier – wie bereits dargelegt – auch der Fall. 1123. 113Entgegen der klägerischen Ansicht ist schließlich für eine Ausnahme nach § 34 Abs. 3a BauGB vorliegend kein Raum. Danach kann im Einzelfall von dem Erfordernis des Einfügens nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB abgewichen werden, wenn die Abweichung einem bestimmten, dort aufgezählten Vorhaben dient und unter anderem städtebaulich vertretbar ist. Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor. Unabhängig davon, dass die Abweichung in das – wenn auch möglicherweise bei Vorliegen der Voraussetzungen an sich geschmälerte – Ermessen der Behörde gestellt ist, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Ansiedlung eines großflächigen Einzelhandelsbetriebes hier städtebaulich vertretbar ist. Die städtebauliche Vertretbarkeit setzt – ähnlich wie im Rahmen einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB – voraus, dass sie mit den Grundsätzen von § 1 und § 1a BauGB, d.h. insbesondere mit § 1 Abs. 6 und 7 BauGB vereinbar ist, also am konkreten Standort auch durch Bauleitplanung zugelassen werden könnte. 114Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1990 – 4 C 23.86 –, juris. 115Durch die Begrenzung der Möglichkeit auf den Einzelfall wird aber deutlich, dass es sich um eine (eng auszulegende) Ausnahmevorschrift handelt. Daher kann eine Abweichung nicht zugelassen werden, wenn das Vorhaben angesichts seiner Vorbildwirkung die planungsrechtlich relevante Umstrukturierung eines Gebiets einleiten würde. Eine Heranziehung des § 34 Abs. 3a BauGB zur Genehmigung eines nach Absatz 1 Satz 1 dieser Vorschrift unzulässigen Vorhabens scheidet daher aus, wenn erkennbar ist, dass eine vergleichbare Abweichungslage noch wiederholt auftreten könnte. Das gilt jedenfalls dann, wenn das Vorhaben angesichts seiner Vorbildwirkung die planungsrechtlich relevante Umstrukturierung eines Gebiets einleiten würde. Die Möglichkeit nach § 34 Abs. 3a BauGB ist kein Mittel dafür, die städtebauliche Situation in einem nicht beplanten Baugebiet umzustrukturieren. 116Vgl. OVG NRW, Urteil vom 11- Juli 2017 – 2 A 471/15 –, juris; VG Köln, Urteil vom 14. September 2017 – 8 K 2916/15 –, juris. 117Würde das Vorhaben der Klägerin zugelassen, gäbe es im maßgeblichen Gebiet aus besagten Gründen erstmals einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb, der zum Vorbild für andere Vorhaben werden würde, so dass die den Gebietscharakter ändernden Ansiedlung weiterer großflächiger Einzelhandelsbetriebe nicht ausgeschlossen werden kann. 118III. 119Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 der Zivilprozessordnung. 120Rechtsmittelbelehrung: 121Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn 1221. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 1232. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 1243. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 1254. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 1265. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. 127Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, zu beantragen. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich einzureichen. 128Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 129Im Berufungsverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO.
die klage wird abgewiesen. die kosten des verfahrens trägt die klägerin. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. die klägerin kann die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils zu vollstreckenden betrages abwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1
2die klägerin begehrt von der beklagten die erteilung eines bauplanungsrechtlichen bauvorbescheides – beschränkt auf die zulässigkeit nach art der baulichen nutzung unter ausklammerung des gebots der rücksichtnahme – für die errichtung eines lebensmittel-discounters mit einer verkaufsfläche von 1.300 m² (vorhaben). 3das vorhaben soll auf den an der vierhausstraße gelegenen grundstücken gemarkung h. , flur xx, flurstücke xxx und xxx (w.-------straße xxx, xxxx c. ) errichtet werden (vorhabengrundstücke). auf dem flurstück xxx befindet sich bereits ein lebensmittel-discounter der klägerin mit einer zuletzt im jahr 2011 genehmigten verkaufsfläche von 793,5 m² (vgl. beiakte–heft 6). das flurstück xxx ist derzeit mit einer leerstehenden lagerhalle eines ehemaligen holzverarbeitenden betriebs bebaut. die w.-------straße beginnt im westen an der i. straße und reicht im osten bis zur c1. straße. nahe der kreuzung i. straße und w.-------straße befinden sich auf den flurstücken xxx und xxx ein blumen- und gartenhandel mit einer genehmigten verkaufsfläche von 1.230,40 m² (vgl. beiakte–heft 16) sowie ein kfz-sachverständigenbüro inklusive einer tüv-station für kraftfahrzeuge. die grundstücke südlich der w.-------straße , einschließlich der vorhabengrundstücke, grenzen in südlicher richtung an die a40. im übrigen befinden sich südlich entlang des weiteren verlaufs w.-------straße in richtung osten neben wohngebäuden unter anderem ein fachhandel für sport- und fitnessgeräte, ein hersteller für meß- und regeltechnik sowie das kupplungen produzierende gewerbe der firma „s. “. nördlich der w.-------straße befinden sich wohngebäude sowie insbesondere eine brillenglasmanufaktur, ein industrieanlagenanbieter und ein teil des bereits südlich der w.-------straße errichteten kupplungsbetriebs. 4für das gebiet südlich der w.-------straße zwischen w1. -f. -f1. -straße bis c2.---straße wurde am 23. august 2005 ein beschluss zur aufstellung des bebauungsplans nr. xxx – w.-------straße – erlassen, der am 29. september 2005 im amtsblatt der beklagten bekanntgemacht wurde. ziel des bebauungsplanes ist die sicherung von flächen für gewerbe und dienstleistung unter berücksichtigung der vorhandenen wohnbebauung, die weitere ansiedlung von einzelhandel zu unterbinden und der ausschluss von vergnügungsstätten und betrieben mit sexuellen darbietungen bzw. dienstleistungen. 5am 11. august 2017 beantragte die klägerin bei der beklagten die erteilung eines bauvorbescheids für die errichtung eines lebensmittel-discounters für die vorhabengrundstücke. die genaue fragestellung lautete: „ist ein lebensmittel-discounter mit einer verkaufsfläche von 1.300 m² unter ausklammerung des gebots der rücksichtnahme nach art der baulichen nutzung bauplanungsrechtlich zulässig?“ (bl. 48 beiakte–heft 10). dem antragsformular fügte die klägerin einen auszug aus dem liegenschaftskataster bei. mit bescheid vom 5. juli 2018 lehnte die beklagte die erteilung des vorbescheids nach vorheriger anhörung ab. zur begründung führte sie im wesentlichen aus, es sei bereits unklar, ob das vorhaben anstelle oder neben den bereits auf den vorhabengrundstücken errichteten anlagen realisiert werden solle. im übrigen sei das vorhaben deshalb unzulässig, weil es sich zum einen mangels eines anderen großflächigen einzelhandelsbetriebes nicht in die als gemengelage zu qualifizierende eigenart der näheren umgebung einfüge und zum anderen den zielsetzungen des bebauungsplans nr. 841 respektive dem masterplan einzelhandel widerspreche. der bescheid wurde der klägerin am 10. juli 2018 zugestellt. 6die klägerin hat am 24. juli 2018 klage erhoben. zur begründung führt sie im wesentlichen aus, die bauvoranfrage sei zunächst bescheidungsfähig. es sei in der rechtsprechung geklärt, dass für die beantwortung der hier gestellten frage die vorlage eines auszugs aus dem liegenschaftskataster genüge. insoweit spiele es auch für die bescheidung der bauvoranfrage keine rolle, ob das vorhaben durch abriss des bestehenden marktes und neuerrichtung oder durch entsprechende bauliche erweiterung realisiert werden solle. im übrigen sei das vorhaben nach der art seiner baulichen nutzung zulässig, da es sich in die als gemengelage zu qualifizierende nähere umgebung einfüge. denn mit dem auf dem flurstück xxx bereits errichteten „h1. laden“ existiere bereits ein großflächiger einzelhandelsbetrieb, der als vorbild fungiere. dieser sei auch zur näheren umgebung der vorhabengrundstücke zu zählen, weil er mit diesen in prägender wechselwirkung stünde. zwar liege das flurstück xxx in nicht unerheblicher entfernung zu den vorhabengrundstücken, so dass es auch an einer sichtbeziehung mangele. diese aspekte seien aber keine absoluten kriterien für die bestimmung der näheren umgebung, die sich letztendlich allein anhand der konkreten einzelfallumstände ermitteln ließe. der „h2. laden“ sei insoweit deshalb für die vorhabengrundstücke prägend, weil zwischen ihnen zunächst keine künstliche oder natürliche trennung mit bodenrechtlicher wirkung bestünde. die grünflächen westlich der „w1. -f. -f1. -straße“ würden durch die vorhandenen autobahnzufahrten in solch kleine teile mit einer maximalen breite von 70 metern zerlegt, dass sie allenfalls als baulücken zu qualifizieren seien. zudem sei die siedlungsstruktur östlich der i. straße – südlich der die w.-------straße verlängernden q.---straße – mangels vorhandener einzelhandelsbetriebe gänzlich eine andere als die siedlungsstruktur östlich der i. straße, die unter einschluss des flurstücks xxx der siedlungsstruktur (südlich) der w.-------straße gleichkomme. schließlich sei die prägende wirkung des flurstücks 644 auf die vorhabengrundstücke mit den jeweils wechselseitig entstehenden verkehrsbezogenen emissionen anzunehmen. aber selbst wenn man ein einfügen des vorhabens verneinen würde, wäre im vorliegenden fall eine abweichung zuzulassen, da das vorhaben keine schädlichen auswirkungen auf zentrale versorgungsbereiche habe, wie ein entsprechendes gutachten belegen könne. 7die klägerin beantragt, 8die beklagte unter aufhebung ihres bescheides vom 5. juli 2018 (az.: 22-vb-007016) zu verpflichten, der klägerin den mit formularantrag vom 3. august 2017 beantragten bauplanungsrechtlichen bauvorbescheid für die errichtung eines lebensmittel-discounters mit einer verkaufsfläche von 1.300 m² auf dem grundstück gemarkung h. , flur xx, flurstücke xxx und xxx (w.-------straße xxx, xxxx c. ) zu erteilen. 9die beklagte beantragt, 10die klage abzuweisen. 11zur begründung führt sie im wesentlichen aus, das vorhaben füge sich nicht hinsichtlich der art seiner baulichen nutzung in die nähere umgebung ein. zwar bilde die nähere umgebung tatsächlich eine gemengelage, für das vorhaben lasse sich in ihr aber kein vorbild finden, da der „h2. laden“ als einzig in betracht kommendes vorbild auf dem flurstück xxx nicht mehr zur näheren umgebung der vorhabengrundstücke zu zählen sei. es fehle nicht nur an blickbeziehungen zwischen ihm und vorhabengrundstücken, sondern eine eventuelle prägende wirkung werde durch die maschinenfabrik „s. “ unterbrochen. der jeweilige an- und abfahrtsverkehr entfalte ebenfalls keine prägende wirkung. dass die beiden anlagen möglicherweise voneinander profitierten, sei ohne relevanz. eine abweichung vom gebot des einfügens sei nicht legitim, da das vorhaben vorbildwirkung entfalte und die umstrukturierung des betroffenen gebietes einleiten könnte, was letztlich einen erheblichen kompensationsbedarf auslöse. 12die örtlichkeiten sind vom berichterstatter zusammen mit den beteiligten am 26. oktober 2021 in augenschein genommen worden. für einzelheiten wird auf die angefertigten lichtbilder verwiesen. für weitere einzelheiten zum sach- und streitstand wird auf die beigezogenen verwaltungsvorgänge sowie die gerichtsakte verwiesen. 13
14die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene, klage hat keinen erfolg. die mit bescheid vom 5. juli 2018 erfolgte ablehnung der erteilung des von der klägerin begehrten bauvorbescheides durch die beklagte ist nicht rechtswidrig und verletzt die klägerin auch nicht in ihren rechten (vgl. § 113 abs. 5 satz 1 der verwaltungsgerichtsordnung – vwgo). 15die klägerin hat nämlich keinen anspruch auf entsprechende erteilung. 16ein solcher anspruch besteht nach § 71 abs. 1 und 2 in verbindung mit §§ 69, 75 abs. 1 satz 1 der bauordnung für das land nordrhein-westfalen in der hier maßgeblichen bis zum 1. januar 2019 geltenden fassung (bauo nrw) dann, wenn unter zugrundelegung eines vollständigen und hinreichend bestimmten antrages dem genehmigungspflichtigen vorhaben in bezug auf die vom jeweiligen antragsteller zuvor genau angegebene fragestellung keine öffentlich-rechtliche vorschriften entgegenstehen. dies ist hier nicht der fall. der bauantrag ist zwar bescheidungsfähig (dazu i.). dem vorhaben stehen aber jedenfalls die von der konkreten fragestellung umfassten öffentlich-rechtlichen vorschriften entgegen (dazu ii.). 17i. 18der bauantrag ist gemäß § 71 abs. 2 in verbindung mit § 69 bauo nrw in verbindung mit § 16 satz 1 der bauprüfverordnung (bauprüfvo) vollständig und im übrigen hinreichend bestimmt. es ist in der rechtsprechung geklärt, dass ein antrag auf erteilung eines bauvorbescheides – wie hier – ausschließlich auf die frage der bauplanungsrechtlichen zulässigkeit im hinblick auf die art der baulichen nutzung unter ausklammerung des gebots der rücksichtnahme beschränkt werden kann. 19vgl. nur oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen (ovg nrw), urteil vom 31. oktober 2012 – 10 a 912/11 –, juris. 20bei einer solchen fragestellung genügt es nach § 16 satz 1 bauprüfvo, wonach bei einem bauvorbescheid nur die für die beantwortung der gewählten fragestellung notwendigen unterlagen erforderlich sind, einen auszug aus dem liegenschaftskataster als bauvorlage einzureichen. 21auf die wohl zwischen den senaten des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen umstrittene frage, ob darüber hinaus zwingend angaben zur kostenermittlung erforderlich sind, 22bejahend: ovg nrw, urteile vom 22. februar 2017 – 7 a 1397/15 –, juris, rn. 113 ff., und vom 6. märz 2014 - 7 a 590/12 –, juris, rn. 52 ff.; konkludent verneinend: ovg nrw, urteil vom 14. dezember 2016 – 10 a 655/14 –, juris, rn. 39, offen lassend: ovg nrw, urteil vom 2. märz 2020 – 10 a 1136/18 –, juris, rn. 36, 23kommt es nicht an, weil die klägerin eine entsprechende und nach auffassung der kammer auch erforderliche kostenermittlung in der mündlichen verhandlung nachgereicht hat. wird ein ggf. unvollständiger bauantrag im laufe des klageverfahrens vervollständigt, ist dies vom gericht auch zu berücksichtigen. 24vgl. ovg nrw, urteil vom 22. februar 2017 - 7 a 1397/15 -, juris, rn. 42. 25soweit die beklagte wenigstens im ablehnungsbescheid die unbestimmtheit des bauantrags andeutet, weil nicht erkennbar sei, ob für das vorhaben die bestehenden anlagen beseitigt würden oder ob das vorhaben zusätzlich errichtet werden soll, kann dem nicht gefolgt werden. weil nach den dargestellten maßstäben für die erteilung eines bauvorbescheides lediglich dasjenige erforderlich ist, das für die konkret beabsichtigte prüfung von relevanz ist, wird ein antrag auf bauvorbescheid bei fehlenden informationen erst dann unbestimmt und nicht bescheidungsfähig, wenn die beantwortung der gestellten frage von diesen angaben abhängig ist, also das ergebnis der prüfung je nach angabe anders auszufallen vermag. ansonsten begründet ein spielraum für den antrag auf erteilung der baugenehmigung keineswegs die fehlende bescheidungsfähigkeit des antrags auf einen bauvorbescheid. 26vgl. bundesverwaltungsgericht (bverwg), urteil vom 3. april 1987 – 4 c 41.84 –, juris; ovg nrw, urteile vom 27. november 2018 – 2 a 2973/15 –, juris, und vom 29. oktober 2018 – 10 a 1403/16 –, juris. 27demnach führt die fehlende information zu dem „wie“ der realisierung des vorhabens nicht zur unbestimmtheit der bauvoranfrage. die von der klägerin konkret eingegrenzte fragestellung zielt ausschließlich auf die allgemeine prüfung der bauplanungsrechtlichen zulässigkeit des vorhabens nach der art seiner baulichen nutzung ab. einzelfallbezogene umstände der ausgestaltung des vorhabens sind gerade ausgeklammert worden und müssen einem möglichen baugenehmigungsverfahren vorbehalten bleiben. ob das vorhaben anstelle der bisher errichteten anlagen realisiert werden soll, hat gerade keine auswirkungen darauf, ob ein lebensmittel-discounter mit einer verkaufsfläche von 1.300 m² allgemein nach seiner art bauplanungsrechtlich zulässig ist. 28ii. 29dem vorhaben stehen aber in bezug auf die von der klägerin konkretisierte fragestellung öffentlich-rechtliche vorschriften entgegen. die errichtung eines lebensmittel-discounters mit einer verkaufsfläche von 1.300 m² ist nämlich – unter ausklammerung des gebots der rücksichtnahme – nach der art seiner baulichen nutzung bauplanungsrechtlich unzulässig. der erforderliche maßstab ergibt sich dabei aus § 34 abs. 1 satz 1 des baugesetzbuches (baugb; dazu 1.). unter berücksichtigung dieses maßstabs erweist sich das vorhaben als nicht zulässig (dazu 2.). 301. 31der zulässigkeitsmaßstab für das streitgegenständliche vorhaben nach der art seiner baulichen nutzung ergibt aus § 34 abs. 1 satz 1 baugb. 32a) 33die bauplanungsrechtliche zulässigkeit des vorhabens bemisst sich zunächst nach § 34 baugb, weil ein bebauungsplan fehlt. zwar existiert ein aufstellungsbeschluss für den bebauungsplan nr. 841 aus dem jahre 2005. ein endgültiger beschluss der beklagten über den bebauungsplan fehlt aber. insoweit ist es entgegen der ansicht der beklagten ohne rechtliche relevanz, ob das vorhaben den zielsetzungen des beabsichtigten bebauungsplans widerspricht, zumal die beklagten von den ihr zur verfügung stehenden sicherungsinstrumenten (etwa einer veränderungssperre) keinen gebrauch gemacht hat. dass das vorhabengrundstück in einem für die anwendbarkeit des § 34 baugb erforderlichen im zusammenhang bebauten ortsteils liegt, ist offenkundig und bedarf keiner weiteren erörterung. 34b) 35der zulässigkeitsmaßstab für das vorhaben findet sich weiter in § 34 abs. 1 satz 1 baugb. zwar beurteilt sich die zulässigkeit des vorhabens gemäß der speziellen vorschrift des § 34 abs. 2 baugb nach seiner art allein danach, ob es nach der baunutzungsverordnung (baunvo) allgemein zulässig wäre. dies gilt aber ausweislich des wortlautes nur dann, wenn die eigenart der näheren umgebung einem der baugebiete der baunvo entspricht. dem ist hier aber nicht so. die nähere umgebung kann keinem der gebiete der baunvo zugeordnet werden. 36aa) 37die nähere umgebung der vorhabengrundstücke ist wie folgt zu bestimmen: sie reicht so weit, wie vorhandene anlagen sowohl prägende wirkung auf das vorhabengrundstück entfalten als auch umgekehrt das vorhabengrundstück zumindest städtebaulichen einfluss auf die anlagen in der umgebung hat. 38dabei darf nicht nur diejenige bebauung als erheblich angesehen werden, die gerade in der unmittelbaren nachbarschaft des baugrundstücks überwiegt, sondern es muss auch die bebauung der weiteren umgebung des grundstücks insoweit berücksichtigt werden, als sich die ausführung des vorhabens auf sie auswirken kann und soweit die umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen charakter des baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst. 39vgl. bverwg, urteile 8. dezember 2016 – 4 c 7.15 –, juris, vom 18. oktober 1974 – iv c 77.73 –, juris, und vom 26. mai 1978 – iv c 9.77 –, juris. 40die grenzen der näheren umgebung lassen sich nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der tatsächlichen städtebaulichen situation zu bestimmen, in die das für die bebauung vorgesehene grundstück eingebettet ist. 41vgl. bverwg, beschlüsse vom 28. august 2003 – 4 b 74.03 –, juris, und vom 10. juni 1991 – 4 b 88.91 –, juris. 42dabei ist die nähere umgebung für das merkmal der art der baulichen nutzung gesondert und unabhängig von den übrigen merkmalen des § 34 abs. 1 satz 1 baugb (maß der baulichen nutzung, überbaubare grundstücksfläche und bauweise) zu ermitteln, weil jedes merkmal eine prägung mit ganz unterschiedlicher reichweite und gewichtung entfalten kann. 43vgl. bverwg, urteil vom 26. mai 1978 – 4 c 9.77 –, juris, sowie beschlüsse vom 16. juli 2018 – 4 b 51.17 –, juris, und vom 27. märz 2018 – 4 b 60.17 –, juris; ovg nrw, urteil vom 27. november 2018 – 2 a 2973/15 –, juris. 44(1) 45nach diesen grundsätzen wird die nähere umgebung des vorhabens hier nach dem eindruck, den der berichterstatter von der örtlichkeit gewonnen und der kammer anhand der lichtbilder und dem zur verfügung stehenden kartenmaterial (google-maps, geoportal ruhr) vermittelt hat, aus den anlagen entlang der w.-------straße gebildet, wobei im osten die c2.---straße und im westen die grünflächen vor den flurstücken xxx und xxx die grenzen bilden. 46(2) 47dabei sind – entgegen der auffassung der klägerin – die nördlich an der w.-------straße gelegenen nutzungen, einschließlich der nutzungen entlang der s1. -i1. -straße – ebenfalls mit zur näheren umgebung zu zählen. denn das gericht vermag nicht zu erkennen, dass die nördlich der w.-------straße gelegenen anlagen das südlich der w.-------straße gelegene vorhabengrundstück nicht zu prägen imstande wären. 48zunächst kann der w.-------straße selbst keine trennende wirkung zuerkannt werden, da ihre größe und ausgestaltung als zweispurige verbindungsstraße gerade auch vor dem hintergrund der nicht unerheblichen größe insbesondere der gewerbeanlagen entlang der w.-------straße keineswegs eine solche dimension aufweist, als dass die nördlich gelegenen anlagen unabhängig von den südlich errichteten anlagen, d.h. als eigenständige anlagen, wahrzunehmen wären. dies ist aber der maßgebliche aspekt für die annahme einer straßenbedingten trennenden wirkung. 49vgl. bverwg, beschluss vom 10. juni 1991 – 4 b 88.91 –, juris; ovg nrw, urteil vom 29. september 2016 – 10 a 1574/14 –, juris. 50auch kann nicht angeführt werden, die nördlich der w.-------straße vorzufindende siedlungsstruktur erweise sich als in erheblicher weise different zur südlichen struktur und sei daher nicht zur näheren umgebung der vorhabengrundstücke zu zählen. insoweit kann die nähere umgebung dort enden, wo eine wechselseitige prägung dadurch unterbunden wird, dass es sich um aneinandergrenzende verschiedene und voneinander unabhängige bau- und nutzungsstrukturen handelt. 51vgl. bverwg, beschluss vom 28. august 2003 – 4 b 74.03 –, juris. 52zwar befinden sich die gewerbeanlagen nördlich der w.-------straße anders als auf dem südlichen abschnitt nicht in erster, sondern in zweiter gebäudereihe. hierbei handelt es sich aber gleichwohl nicht um einen solch gewichtigen strukturunterschied, als dass die nördliche siedlungsstruktur erkennbar und eindeutig als eine von ihrem südlichen gegenüber völlig unabhängige und eigenständige struktur wahrzunehmen wäre, zumal die gewerbebetriebe auf der nördlichen straßenseite gleichwohl wahrnehmbar sind. die leicht andersartige siedlungsstruktur vermag insoweit auch angesichts der nicht erheblichen breite der w.-------straße nichts an der prägenden wirkung der nördlich der w.-------straße gelegenen anlagen und nutzungen auf das vorhabengrundstück nichts zu ändern. soweit die klägerin vorträgt, auf der nördlichen seite der w.-------straße befände sich beinahe ausschließlich wohnbebauung, trifft dies nicht zu. neben einem erheblichen teil des betriebsgeländes der firma „s. “ finden sich auch auf der nördlichen abschnitt der w.-------straße mit einer brillenglasmanufaktur und einem industrieanlagenanbieter in nicht unwesentlichem umfang gewerblich geprägte betriebe, wie es auch auf dem südlichen abschnitt der fall ist. 53(3) 54für das verfahren entscheidend ist weiter, dass die nähere umgebung entgegen der ansicht der klägerin in westlicher richtung jedenfalls vor dem flurstück xxx endet und gerade nicht bis zur i. straße reicht. insoweit ist auch der „h2. laden“ auf dem flurstück xxx nicht mit in die nähere umgebung einzubeziehen. 55dies beruht nach auffassung des gerichts auf folgenden überlegungen: zunächst ist eine nicht unerhebliche entfernung zwischen den vorhabengrundstücken und dem „h1. laden“ entlang der w.-------straße von etwa 850 metern festzustellen, die die annahme einer wechselseitigen prägewirkung deutlich in frage stellen lässt. insoweit sind auch keinerlei blickbeziehungen zwischen den grundstücken feststellbar, was nicht allein an dem straßenverlauf, sondern vorwiegend an der erheblichen entfernung (luftlinie ca. 700 meter) liegt. soweit die klägerin an dieser stelle einwendet, die beiden aspekte entfalteten keinen absoluten charakter, seien also allein genommen kein hinreichendes abgrenzungskriterium, mag dies zutreffen. es ist aber keineswegs – auch nicht anhand der von der klägerin zitierten rechtsprechung – erkennbar oder einleuchtend, dass diese kriterien generell gar keine beachtung zu finden hätten. gerade im hinblick auf die sichtbeziehungen hat das von der klägerin angeführte oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen ausdrücklich festgehalten, dass es keinen grundsatz gibt, sichtbeziehungen stets als unbeachtliches kriterium für die bestimmung der näheren umgebung zu qualifizieren, sondern vielmehr über den – hier entgegengesetzten – fall entschieden, dass zwar sichtbeziehungen vorhanden sind, diese aber zwei eigenständige, weil von unterschiedlicher bau- und nutzungsstruktur geprägte, komplexe umfasst, und hierbei angenommen, dass die verschiedenheit der struktur gegenüber dem vorhandensein von sichtbeziehungen jedenfalls grundsätzlich schwerer wiegt. 56vgl. ovg nrw, beschluss vom 30. mai 2017 – 2 b 145/17 –, juris. 57insoweit hängt das kriterium des vorhandenseins von sichtbeziehungen maßgeblich von den umständen des einzelfalls ab. es soll insoweit lediglich ausgeschlossen werden, dass die nähere umgebung im sinne eines automatismus mit den sichtbeziehungen bestimmt wird. eine von den konkreten umständen losgelöste ausschlaggebende bedeutung ist schon deshalb nicht anzunehmen, weil je nach gelände, straßenverlauf und vorhandener bebauung selbst ein vom vorhabengrundstück sehr weit entfernt liegendes grundstück mit dem auge noch wahrgenommen werden kann, während der blick auf ein nur wenige meter entferntes grundstück möglicherweise durch einen straßenknick oder ein dazwischen liegendes gebäude verstellt ist. 58vgl. ovg nrw, beschluss vom 31. juli 2018 – 10 a 793/17 –, juris. 59der aspekt der sichtbeziehungen ist insoweit gewichtiger, je weniger die gegebenheiten vor ort ihm im hinblick auf eine prägende wirkung aussagekraft zukommen lassen. angesichts dieser bedeutung der konkreten örtlichen verhältnisse geht auch der verweis der klägerin auf gerichtliche entscheidungen, die eine prägende wirkung trotz fehlender sichtbeziehungen bejahen, fehl. vorliegend mangelt es aber gerade deshalb an sichtbeziehungen, weil der „h2. laden“ von den vorhaben-grundstücken erheblich entfernt gelegen ist. die w.-------straße weist nämlich bis kurz vor den zuerst genannten grundstücken einen geraden verlauf und jedenfalls kein solch ab- bzw. aufsteigendes gelände auf, als dass sichtbeziehungen trotz gegebenenfalls vorhandener prägung unterbunden würden. insoweit vermag der aspekt der sichtbeziehungen in dem vorliegenden fall relevanz zu entfalten, da er gerade anzeichen fehlender (wechselseitiger) auswirkungen der in betracht genommenen grundstücke aufeinander ist und ihm insoweit – wenn auch keine ausschlaggebende, doch hinreichende – bedeutung zukommt. 60darüber hinaus ist aus sicht der kammer für das ausklammern des „h1. ladens“ aus dem bereich der näheren umgebung der vorhabengrundstücke maßgeblich, dass den grünflächen zwischen ihm bzw. der nachbarbebauung und der übrigen bebauung entlang der w.-------straße eine zäsurwirkung zukommt. es gilt insoweit zu berücksichtigen, dass die allein anhand des einzelfalls zu beantwortende frage, wie weit die nähere umgebung eines vorhabengrundstücks reicht, auch anhand topographischer begebenheiten beantwortet werden kann. insoweit können die zur feststellung eines im zusammenhang bebauten ortsteiles in bezug auf topographische besonderheiten entwickelten grundsätze sinngemäß auf die bestimmung der reichweite der näheren umgebung übertragen werden. das heißt, dass die nähere umgebung ihre grenzen je nach lage des einzelfalles auch in geländehindernissen, erhebungen oder einschnitten (dämme, böschungen, flüsse und dergleichen) finden kann. 61vgl. bverwg, beschlüsse vom 16. juli 2018 – 4 b 51.17 –, juris, und vom 20. august 1998 – 4 b 79.98 –, juris; ovg nrw, urteil vom 29. september 2016 – 10 a 1574/14 –, juris, sowie beschluss vom 16. juni 2016 – 2 a 1795/15 –, juris; vg gelsenkirchen, urteil vom 18. oktober 2013 – 9 k 5056/11 –, juris; söfker, in: ernst/zinkahn/ u.a. (hrsg.), baugb, 140. lieferung 2020, § 34 rn. 36. 62dabei ist zwar zu berücksichtigen, dass die bestimmung der reichweite der näheren umgebung und des bebauungszusammenhanges zwei gänzlich differente fragestellungen sind: während ersteres auf die prägende wirkung von anlagen abstellt, beantwortet letzteres die frage nach dem eindruck der geschlossenheit und zusammengehörigkeit von anlagen. überdies ist die sinngemäße übertragung der topographischen besonderheiten auf die bestimmung der näheren umgebung – wie vom bundesverwaltungsgericht ausdrücklich klargestellt – kein allgemeiner grundsatz und überdies bislang nur im rahmen von nachbarstreitigkeiten bejaht worden, d.h. im zusammenhang der frage, ob nachbar- und vorhabengrundstücke wechselseitige prägungen unterliegen. 63vgl. bverwg, beschlüsse vom 16. juli 2018 – 4 b 51.17 –, juris. 64allerdings können selbstverständlich unabhängig von einer dogmatischen übertragbarkeit der im zusammenhang mit dem bebauungszusammenhang entwickelten maßstäbe topographische besonderheiten die reichweite der näheren umgebung mitbestimmen, wenn sie die prägende wirkung zu unterbrechen imstande sind. dies berücksichtigend ist davon auszugehen, dass der sich westlich der w1. -f. -f1. -straße anschließenden frei- bzw. grünfläche eine trennende funktion zukommt. das liegt zuvörderst in ihrer breite begründet. zwischen der bebauung auf dem flurstück xxx bzw. xxx und der beiderseits der w.-------straße gelegenen bebauung lassen sich insoweit unbebaute flächen erheblicher größe feststellen. der keine bebauung aufweisende abstand zwischen der letzten bebauung südlich der w.-------straße (w.-------straße xx) und der bebauung auf dem flurstück xxx bzw. xxx beträgt in der luftlinie gemessen knapp 130 meter. der geringste abstand zwischen der bebauung auf dem flurstück 644 bzw. 645 und der bebauung nördlich der w.-------straße (w.-------straße xx) beträgt weiter knapp 80 meter, der längste 103 meter (w.-------straße xx). insoweit liegt hier insgesamt ein erheblicher abstand zwischen bebauungskomplexen vor, der eine eigenständigkeit beider begründen lässt. zwar mag die frei- und grünfläche aus einem von einer auf der w.-------straße stehenden person eingenommenen betrachtungswinkel – offensichtlich auch wegen der kurve – als weniger breit darstellen. unabhängig davon, ob die so wahrgenommene breite die trennende wirkung überhaupt in abrede zu stellen vermag, erweist sich ihr gesamtes – prägendes – ausmaß ohnehin vornehmlich aus der vogelperspektive, wie die luft- und kartenbilder anschaulich darstellen. insoweit ist diese betrachtung auch eine hinreichend geeignete grundlage für die bestimmung der näheren umgebung. 65vgl. bverwg, beschluss vom 13. mai 2014 – 4 b 38.13 –, juris. 66dagegen kann die klägerin auch nicht mit erfolg einwenden, die unbebaute grünfläche jedenfalls südlich der w.-------straße sei viel kleiner, weil sie durch die autobahnzufahrt zerteilt würde. denn die autobahnzufahrt ist keineswegs eine die umgebung prägende bebauung. angrenzende verkehrsflächen gehören nämlich grundsätzlich nicht zur näheren umgebung. sie stehen für eine bebauung nicht zur verfügung und besitzen – was offensichtlich ist – keine gerade die art der bebauung prägende bedeutung, worauf es aber bei der bestimmung der näheren umgebung entscheidend ankommt. 67vgl. bverwg, beschlüsse vom 10. juli 2000 – 4 b 39.00 –, juris, und vom 11. februar 2000 – 4 b 1.00 –, juris, mit weiteren nachweisen. 68anhaltspunkte für eine ausnahme sind nicht erkennbar. insoweit zählen auch die autobahnauffahrten zur (unbebauten) und die prägende wirkung unterbrechenden freifläche. dabei ist weiter zu beachten, dass die freiflächen nicht nur in ihrer breite erheblich sind, sondern auch zumindest hinsichtlich der nachfolgenden baustruktur eine zäsur einläuten. befindet sich zu ihrem beginn im osten nördlich wie südlich von der w.-------straße bebauung, endet dieses strukturprinzip offenkundig mit beginn der freiflächen, an die sich insoweit nur südlich der w.-------straße bebauung anschließt, während sich im norden bis zur i. straße gar keine (prägende) bebauung findet. insoweit vermag das gericht dem argument der klägerin, die bebauung auf den flurstücken xxx und xxx erweise sich als zur w.-------straße zugehörig, nicht zu folgen. ob sie der bau- und nutzungsstruktur entlang der i. straße zuordnen lässt, spielt wegen der deutlichen differenz zur jenen struktur entlang der übrigen w.-------straße keine rolle. 69schließlich lässt sich eine prägende wirkung des „h1. ladens“ auf die vor-habengrundstücke auch entgegen der ansicht der klägerin nicht mit den wechselseitigen emissionsbezogenen auswirkungen begründen. zwar können in der tat bodenrechtliche auswirkungen und hierbei insbesondere die durch den an- und abfahrtsverkehr verursachten lärmemissionen als ein kriterium für die bestimmung der reichweite prägender wirkung herangezogen werden. aus der – auch von der klägerin zitierten – bisherigen rechtsprechung wird aber deutlich, dass es sich auch hier nicht um ein ausschlaggebendes argument handelt, sondern in relation zu den umständen des einzelfalles heranzuziehen ist und insoweit in ansehung der örtlichen begebenheiten berücksichtigung finden muss. 70vgl. ovg nrw, urteile vom 29. oktober 2018 – 10 a 1403/16 –, juris, und vom 29. september 2016 – 10 a 1574/14 –, juris; vgl. auch söfker, in: ernst/zinkahn u.a. (hrsg.), 140. lieferung 2020, § 34 rn. 36. 71auch kann eine prägende wirkung – wie auch die klägerin einräumt – nicht deshalb angenommen werden, weil es sich bei dem „h1. laden“ um einen großflächigen einzelhandelsbetrieb handelt, der jedenfalls bei einer größe der verkaufsfläche wie im vorliegenden fall in aller regel erhebliche auswirkungen auf die zentralen versorgungsbereiche entfaltet (§ 11 abs. 3 satz 2 baunvo). denn diese auswirkungen sind von den im rahmen der bestimmung der reichweite der näheren umgebung maßgeblichen bodenrechtlichen aspekten zu unterscheiden. insoweit spielt es auch keine rolle, ob sich der kundenverkehr des vorhabens und des „h1. ladens“ überschneiden sollte. 72vgl. bverwg, beschluss vom 14. oktober 2019 – 4 b 27.19 –, juris; söfker, in: ernst/zinkahn/ u.a. (hrsg.), baugb, 140. lieferung 2020, § 34 rn. 36. 73dies zugrunde gelegt vermag die kammer nicht zu erkennen, dass vor allem der an- und abfahrtsverkehr der jeweiligen anlagen eine wechselseitige prägende wirkung zu begründen vermag. dies liegt allerdings entgegen der ansicht der beklagten nicht bereits darin begründet, dass der an- und abfahrtsverkehr der räumlich gesehen zwischen vorhabengrundstücken und „h1. laden“ gelegenen maschinenfabrik „s. “ entsprechende prägungen abzubrechen imstande wäre. vielmehr ist im vorliegenden einzelfall zu berücksichtigen, dass der „h2. laden“ beinahe unmittelbar an der stark frequentierten i. straße sowie insbesondere an die autobahnauffahrt 35 „c. -zentrum“ der a 40 liegt und insoweit deutlich davon auszugehen ist, dass ein großteil des besucherverkehrs hierüber und nicht über die w.-------straße erfolgen wird. auch die vorhabengrundstücke sind nahe der ebenfalls nicht unbedeutenden c1. straße und unweit der autobahnzufahrt 36 „c. -stadion“ der a 40 gelegen, so dass auch hier ein nicht unerheblicher teil des zu erwartenden an- und abfahrtsverkehrs hierüber erfolgen wird. schließlich ist zu berücksichtigen, dass die verkehrsauslastung der w.-------straße bereits ohnehin als hoch zu qualifizieren ist. dies wurde nicht nur im rahmen des ortstermins besonders deutlich, sondern ergibt sich auch etwa aus s. 12 des im rahmen des genehmigungsverfahrens zur sortimentsänderung des „h1. ladens“ eingeholten schallgutachtens vom 24. mai 2012 (vgl. beiakte–heft16). vor diesem hintergrund geht die kammer im wege einer gesamtbetrachtung davon aus, dass der vom vorhaben und „h1. laden“ jeweils hervorgerufene ab- und anreiseverkehr gerade angesichts der ohnehin schon hohen verkehrlichen belastung der w.-------straße wechselseitig keine solch erheblichen auswirkungen zu entfalten vermag, als dass schon von einer hinreichenden bodenrechtlichen prägung ausgegangen werden könnte. jedenfalls vermögen die anzunehmenden verkehrlichen auswirkungen nicht gegenüber den weiteren bereits dargestellten aspekte, die gegen die annahme einer prägenden wirkung von „h1. laden“ und vorhaben sprechen, in entscheidungserheblicher weise zu überwiegen. 74bb) 75die so eingegrenzte umgebung kann aber keinem baugebiet nach den §§ 2 ff. baunvo zugeordnet werden. dies setzt nämlich voraus, dass die nähere umgebung ausschließlich bauliche elemente enthält, die nur einem der in der baunvo geregelten baugebiete zuzuordnen sind. 76vgl. oberverwaltungsgericht sachsen-anhalt (ovg sachsen-anhalt), beschluss vom 9. april 2020 – 2 m 17/20 –, juris; söfker, in: ernst/zinkahn u.a. (hrsg.), baugb, 140. lieferung 2020, § 34 rn. 79. 77(1) 78ein gewerbegebiet nach § 8 baunvo scheidet bereits deshalb aus, weil neben den vorhandenen gewerbebetrieben auch anlagen zu wohnzwecken genutzt werden. nach § 8 abs. 3 nr. 1 baunvo sind in gewerbegebieten aber nur wohnungen für aufsichts- und bereitschaftspersonen sowie für betriebsinhaber und betriebsleiter, die dem gewerbebetrieb zugeordnet und ihm untergeordnet sind, ausnahmsweise zulässig. um solche art von wohnnutzung handelt es sich bei den hier vorhandenen wohngebäuden zweifelsohne nicht. 79(2) 80das gleichzeitige vorhandensein von gewerbebetrieben und wohngebäuden lässt zwar an ein mischgebiet im sinne von § 6 baunvo denken. eine solche zuordnung scheidet aber bereits deshalb aus, weil auf den flurstücken 508 und 542 mit den anlagen der firma „s. “ ein hersteller von kupplungen angesiedelt ist, der sich als ein das wohnen störender und damit nach § 6 abs. 2 nr. 4 baunvo im mischgebiet unzulässiger gewerbebetrieb erweist. 81dabei kann das gericht offen lassen, ob es sich bei dem betrieb der firma „s. “ um ein der typisierenden betrachtung (ausnahmsweise) unzugänglicher gewerbebetrieb handelt, weil er auch bei einer einzelfallbetrachtung als ein das wohnen wesentlich störender betrieb zu qualifizieren ist. bei der bauplanungsrechtlichen beurteilung, ob ein gewerbebetrieb als im sinne des § 6 abs. 2 nr. 4 baunvo das wohnen wesentlich störender und damit im mischgebiet unzulässiger gewerbebetrieb zu bewerten ist, ist im ausgangspunkt eine typisierende betrachtung anzustellen. entscheidend ist, dass von betrieben seines typs bei funktionsgerechter nutzung üblicherweise für die umgebung in diesem sinne unzumutbare störungen ausgehen können. auf das maß der konkret hervorgerufenen oder in aussicht genommenen störungen kommt es grundsätzlich nicht an. anders als etwa in reinen oder allgemeinen wohngebieten ist die wohnnutzung in einem mischgebiet zwar in gewisser weise vorbelastet, weil das mischgebiet gerade auch einer ansiedlung von gewerbebetrieben offen steht, die wohnbebauung also auch auf gewerbebetriebe rücksicht zu nehmen hat. gleichwohl darf sie nicht solchen – insbesondere lärmbezogenen – auswirkungen ausgesetzt sein, die mit ihr nicht zu vereinbaren ist. 82vgl. bverwg, urteil vom 9. november 2021 – 4 c 5.20 –, juris, mit weiteren nachweisen. 83eine solch umfassende typisierende betrachtungsweise ist aber gerade im mischgebiet, in dem die grenze einer solchen unverträglichkeit entsprechend höher und daher nicht in jedem einzelfall klar zu formulieren ist, nicht stets möglich. insoweit werden anerkanntermaßen zwei einschränkungen der typisierungsbetrachtung angenommen: zum einen gibt es gewerbebetriebe, die zwar bei typisierender betrachtungsweise mischgebietsunverträglich sind, im konkreten, hier aber offensichtlich nicht vorliegenden einzelfall wegen einer – etwa wegen technologischer fortschritte bestehenden – atypik eine unzumutbare störung der wohnruhe sicher ausschließen. 84vgl. ziegler, in: brügelmann (hrsg.), baugb, 77. lieferung 2011, § 6 baunvo rn. 44. 85daneben gibt es – zweitens – gewerbebetriebe, die keinem bestimmten betriebstypus zugeordnet werden können oder zu einem betriebstypus mit erheblicher variationsbreite und damit unterschiedlichem störpotential zuzuordnen sind. bei diesen ist in der höchst- und obergerichtlichen rechtsprechung, der die kammer folgt, wegen der unzulänglichkeit einer typisierenden betrachtung anerkannt, dass die frage des störpotentials nur anhand der im einzelfall feststellbaren konkreten betriebsstruktur und des individuellen betriebskonzepts beantwortet werden kann. dabei wird die typisierende betrachtung nicht durch eine gänzliche – dem maßstab des § 15 abs. 1 baunvo entsprechende – einzelfallbetrachtung ersetzt, sondern eine teil-typisierende betrachtungsweise angelegt: es kommt darauf an, ob der konkrete gewerbebetrieb auf grund der bei einem funktionsgerechten ablauf in ihrem gesamten betrieb üblicherweise anfallenden arbeiten generell geeignet ist, eine wohnnutzung wesentlich zu stören. maßgeblich ist insoweit, ob sich die störwirkungen, die die konkrete anlage bei funktionsgerechter nutzung erwarten lässt, innerhalb des rahmens halten, der durch die gebietseigenart vorgegeben ist. 86vgl. bverwg, urteil vom 9. november 2021 – 4 c 5.20 –, juris, sowie beschluss vom 27. juni 2018 – 4 b 10.17 –, juris; ovg nrw, beschluss vom 18. juni 2010 – 7 a 896/09 –, juris; verwaltungsgerichtshof baden-württemberg (vgh bw), beschluss vom 15. april 2014 – 8 s 2239/13 –, juris. 87es spricht nach auffassung der kammer zwar bereits viel dafür, das von der firma „s. “ betriebene gewerbe schon bei typisierender betrachtung als einen das wohnen störenden gewerbebetrieb einzustufen. es handelt sich nämlich hier um ein weltweit agierendes unternehmen, das primär antriebstechniken, speziell kupplungen, für verbrennungsmotoren und sonstige antriebstechniken herstellt. neben gummi-kupplungen werden dabei auch ganzmetallkupplungen an der w.-------straße produziert, gelagert und abtransportiert. bei einem produzierenden gewerbe solchen ausmaßes, wie es sich bereits anhand der luftbilder ergibt, kann – so die auffassung der kammer – allgemein festgehalten werden, dass die betriebsvorgänge, aber auch der lieferverkehr insbesondere solch erhebliche lärmauswirkungen auf die unmittelbare wohnnachbarschaft haben, dass eine wohnverträglichkeit auch unter berücksichtigung des verminderten schutzanspruches in mischgebieten nicht mehr angenommen werden kann. 88vgl. zu – dem hiesigen betrieb ähnlichen – schlossereibetrieben: oberverwaltungsgericht niedersachsen (ovg nds), urteil vom 27. juni 1972 – vi a 79/71 –, juris, oder zu einem holzverarbeitenden betrieb ovg nrw, urteil vom 27. november 1967 – x a 1153/67 –, juris. 89aber selbst wenn man unter berücksichtigung dessen, dass sich insbesondere auch metallverarbeitende betriebe wegen ihrer nicht unerheblichen variationsbreite einer typisierenden betrachtungsweise entziehen, 90vgl. vgh bw, urteil vom 28. märz 2001 – 8 s 2120/00 –, juris, 91eine einzelfallbetrachtung für erforderlich hielte, ergäbe sich vor dem hintergrund des konkreten betriebskonzepts und der konkreten anlage nicht die mischgebietsbezogene zulässigkeit des kupplungsherstellungsunternehmens. bereits aus den von der beklagten überwiegend den nördlich der w.-------straße gelegenen und aus benannten gründen zur näheren umgebung der vorhabengrundstücke zählenden bereich des betriebes betreffenden hausakten ergibt sich die mischgebietsunverträgliche eigenschaft des betriebs. denn nach der von der beklagten für die errichtung von werkhallen auf dem nördlich der w.-------straße befindlichen betriebsbereich erteilten baugenehmigung vom 29. dezember 2000 handelt es sich bei dem gewerbe der firma „s. “ um ein metall- und gummiverarbeitenden betrieb, in dem tagsüber (6:00 bis 21:30 uhr) mindestens 90 angestellte kupplungen aus gummi (kautschuk) sowie metall (stahl und aluminium) produziert, d.h. etwa durch stanzen, drehen, fräsen oder feilen hergestellt (bl. 240 beiakte–heft 2 vierhausstr. 53), lackiert, gelagert und mittels lastkraftwagen (7,5 t) abtransportiert werden. allein auf dem nördlichen betriebsbereich wird mit drei lastkraftwagen pro tag gerechnet (s. betriebsbeschreibung 28.11.2000). einen solch insbesondere lärmintensiven betrieb ist auch unter berücksichtigung der zweckbestimmung eines mischgebiets für eine wohnnutzung nicht zumutbar und damit in einem mischgebiet gebietsunverträglich. 922. 93das vorhaben erweist sich unter berücksichtigung des maßstabes des § 34 abs. 1 satz 1 baugb als unzulässig. eine zulässigkeit hiernach setzt voraus, dass sich das vorhaben hinsichtlich der wegen der bauvoranfrage hier allein maßgeblichen art seiner baulichen nutzung in die eigenart der näheren umgebung einfügt. entscheidend ist unter berücksichtigung der diffusen nutzungsstruktur, dass das vorhaben den von der eigenart der näheren umgebung gespannten rahmen einhält, es mithin ein taugliches vorbild für sich in der näheren umgebung findet. 94vgl. bverwg, urteile vom 3. april 1987 – 4 c 41.84 –, juris, und vom 26. mai 1978 – 4 c 9.77 –, juris; ovg nrw, urteil vom 6. november 2008 – 10 a 2601/07 –, juris. 95a) 96gewendet auf diesen fall bedeutet dies, dass sich das vorhaben dann in die eigenart der näheren umgebung einfügt, sobald sich in dieser ein großflächiger einzelhandelsbetrieb befindet. dabei spielt es auch keine rolle, ob der vorhandene großflächige einzelhandelsbetrieb eine annähernd gleich große oder gar größere verkaufsfläche als die des vorhabens aufweist. denn ein vorhandener großflächiger einzelhandelsbetrieb erweist sich gerade deshalb als vorbild, weil er wegen seiner großflächigkeit eine von der baunvo gesondert vorgesehene nutzungsart aufweist (vgl. § 11 abs. 3 baunvo), die der des vorhabens entspricht. insoweit reicht die eigenschaft der großflächigkeit an sich aus, um als vorbild zu dienen, eine weitere differenzierung – etwa nach umfang der großflächigkeit – ist nicht angezeigt. 97vgl. bverwg, urteil vom 3. april 1987 – 4 c 41.84 –, juris; ovg nrw, urteil vom 27. november 2018 – 2 a 2973/15 –, juris; kuschnerus/bischopink/wirth, der standortgerechte einzelhandel, 2. auflage 2018, rn. 299 m.w.n. 98in der näheren umgebung der vorhabengrundstücke findet sich unter zugrundelegung ihrer bereits dargestellten eingrenzung kein entsprechendes vorbild. insbesondere der „h2. laden“ fungiert nicht als vorbild, da er aus besagten gründen nicht zur näheren umgebung der vorhabengrundstücke zu zählen ist. 99b) 100findet das vorhaben der klägerin damit in der näheren umgebung kein vorbild, ist gleichwohl nicht ausgeschlossen, dass es sich im sinne des § 34 abs. 1 satz 1 baugb einfügt. das erfordernis des einfügens hindert nicht schlechthin daran, den vorgegebenen rahmen zu überschreiten. allerdings darf die überschreitung des vorhandenen rahmens weder zur begründung noch zur erhöhung ausgleichsbedürftiger bodenrechtlicher spannungen führen. denn stiftet es in diesem sinne unruhe, lassen sich die voraussetzungen für seine zulassung nur unter einsatz der mittel der bauleitplanung und nicht über den weg des § 34 baugb schaffen. 101vgl. bverwg, urteil vom 26. mai 1978 – iv c 9.77 –, juris; ovg nrw, urteil vom 1. märz 2017 – 2 a 46/16 –, juris. 102die überschreitung des durch die umgebung gesetzten rahmens führt dabei nach der rechtsprechung des bundesverwaltungsgerichts, der die kammer folgt, nicht unbedingt, aber im regelfall zur unzulässigkeit des vorhabens. denn eine überschreitung des von der bebauung bisher eingehaltenen rahmens zieht in der regel die gefahr nach sich, dass der gegebene zustand in negativer hinsicht in bewegung und damit in unordnung gebracht wird. diese frage kann jedoch nur unter berücksichtigung der konkreten eigenart der näheren umgebung und der konkreten umstände, die spannungen hervorrufen können, beantwortet werden. die abstrakte und nur entfernt gegebene möglichkeit, dass ein vorhaben konflikte auslöst, schließt die zulässigkeit eines vorhabens nach § 34 abs. 1 satz 1 baugb nicht aus. bei einer überschreitung des rahmens muss somit konkret festgestellt werden, ob die gegebene situation verschlechtert, gestört, belastet oder sonst in bewegung gebracht wird. 103vgl. bverwg, urteile vom 15. dezember 1994 – 4 c 13.93 –, juris, vom 22. mai 1987 – 4 c 6.85 u.a. –, juris, und vom 18. februar 1983 – 4 c 18.81 –, juris, sowie beschluss vom 4. juni 1985 – 4 b 102.85 –, juris; vgl. auch söfker, in: ernst/zinkahn u.a., baugb, 140. lieferung 2020, § 34 rn. 31. 104unter berücksichtigung dieses maßstabes und der konkreten verhältnisse vor ort ist davon auszugehen, dass bei realisierung des vorhabens bodenrechtliche spannungen entstehen würden, die das bedürfnis nach einer spannungsauflösenden bauleitplanung begründen, und damit nach § 34 abs. 1 satz 1 baugb zugelassen werden können. denn das vorhaben würde im falle seiner realisierung eine negative vorbildwirkung für gleichartige vorhaben begründen und damit die struktur des gebietes umändern können. es entspricht stetiger höchst- sowie obergerichtlicher rechtsprechung, eine negative wirkung dann anzunehmen, wenn das vorhaben vorbildwirkung für weitere vorhaben schafft, die in naheliegender zukunft eine solche verschlechterung nach sich ziehen kann. denn der verfassungsrechtlich garantierte gleichbehandlungsgrundsatz würde es der beklagten verwehren, nach genehmigter verwirklichung des streitgegenständlichen vorhabens ein gleichartiges vorhaben in der näheren umgebung zu versagen, da das hiesige vorhaben insoweit dann selbst als vorbild fungieren würde. dies wiederum würde aber nicht nur das betroffene gebiet erheblich verändern können, sondern letztlich zu konflikten führen, die (nur) über eine bauleitplanung aufzulösen wären. 105vgl. dazu insgesamt bverwg, urteile vom 3. februar 1984 – 4 c 25.82 –, juris, vom 21. november 1980 – 4 c 30.78 –, juris, und vom 26. mai 1978 – 4 c 9.77 –, juris, sowie beschluss vom 4. juni 1985 – 4 b 202.85 –, juris; ovg nrw, beschluss vom 1. dezember 2021 – 2 a 2780/20 –, juris, mit weiteren nachweisen. 106w1. einer solchen negativen vorbildwirkung ist vorliegend deshalb auszugehen, weil die beachtliche gefahr besteht, dass dem vorhaben folgend weitere großflächige einzelhandelsbetriebe in der näheren umgebung der vorhabengrundstücke sich anzusiedeln versuchen und insoweit konfliktträchtig die umgebungsstruktur negativ beeinflussen werden. es ist dabei auch weder ersichtlich noch sonst vorgetragen, aus welchen gründen in der näheren umgebung der vorhabengrundstücke kein weiterer großflächiger einzelhandelsbetrieb folgen könnte. sowohl die grundstückszuschnitte als auch die aktuelle nutzung der grundstücke schließen die ansiedlung – wenn auch möglicherweise unter abriss vorhandener anlagen – weiterer großflächiger einzelhandelsbetriebe nicht aus. diese gefahr wird auch dadurch sichtbar, dass der rat der beklagten selbst jedenfalls für ein teilgebiet der näheren umgebung der vorhabengrundstücke die ansiedlung von (großflächigen) einzelhandelsbetrieben jedenfalls grundsätzlich für regelungsbedürftig erachtet und deshalb im jahr 2005 einen entsprechenden aufstellungsbeschluss erlassen hat. dass der entsprechende bebauungsplan bislang noch nicht beschlossen worden ist, ändert an der hinreichend konkreten gefahr freilich nichts, zumal nicht erkennbar ist, dass das bauleitplanverfahren mangels konkreter anhaltspunkte für die ansiedlung großflächiger einzelhandelsbetriebe unterbrochen worden ist. dass dem auch nicht so wäre, zeigt bereits das hiesige verfahren. 107soweit das verwaltungsgericht aachen, wie die klägerin in der mündlichen verhandlung dargestellt und aufgezeigt hat, in einem (nichtveröffentlichten) urteil vom 6. august 2021 (az. 5 k 2755/19) darauf abgestellt hat, dass es in dem streitgegenständlichen gebiet keine konkreten anhaltspunkte für einen nachahmungseffekt gebe, vermag dies hier nichts zu ändern. denn selbst wenn in dieser entscheidung nicht – wie hier – ausschließlich auf die konkreten einzelfallumstände abgestellt worden sein, sondern darüber hinaus der „grundsatz“ verfolgt worden sein sollte, eine vorbildwirkung könne ausschließlich dann angenommen werden, wenn es bereits konkrete anzeichen für vergleichbare vorhaben in der näheren umgebung – etwa bereits gestellte bauvoranfragen – gebe, würde dies den maßstab, wie ihn auch das bundesverwaltungsgericht umrissen hat und zugrunde legt, deutlich überspannen. insoweit muss berücksichtigt werden, dass gerade erst die zulassung eines vorhabens vorbildwirkung begründen und damit gleichartige vorhaben heraufbeschwören kann. forderte man bereits im vorfeld bzw. im rahmen der prüfung der zulassung eines vorhabens das vorhandensein nachahmender weiterer vorhaben, könnte eine solche handhabung des § 34 abs. 1 satz 1 baugb bodenrechtliche spannungen begünstigen und nicht – wie eigentlich bezweckt – vermeiden. vor diesem hintergrund geht das bundesverwaltungsgericht auch davon aus, dass bodenrechtliche spannungen regelmäßig anzunehmen sind, wenn der von der bebauung bisher eingehaltene rahmen überschritten wird, ohne dass dies durch irgendeine besonderheit begründet wäre, durch die sich das baugrundstück von den nachbargrundstücken unterscheidet. 108vgl. etwa bverwg, beschluss vom 25. märz 1999 – 4 b 15.99 –, juris. 109die rechtsprechung des bundesverwaltungsgerichts ist insoweit dahingehend zu verstehen, dass die gefahr einer negativen vorbildwirkung für die annahme ausgleichsbedürftige bodenrechtliche spannungen ausreichend ist, wenn nicht die konkreten umstände vor ort eine solche wirkung ausnahmsweise als abstrakt und höchst unwahrscheinlich erscheinen lassen. von daher spricht es auch davon, dass die unzulässigkeit eines vorhabens nach § 34 abs. 1 satz 1 baugb bejaht werden müsse, wenn das vorhaben die „gefahr heraufbeschwört“, negative auswirkungen bodenrechtlicher natur zu entfalten. 110vgl. bverwg, ovg nrw, beschluss vom 1. dezember 2021 – 2 a 2780/20 –, juris. 111die erforderlichkeit einer art sich „aufdrängenden“ vorbildwirkung, wie die klägerin der entscheidung des verwaltungsgerichts aachen beimessen will, legt die erkennende kammer daher ihrer entscheidung nicht zugrunde. insoweit lässt sie es dem zweck des § 34 baugb entsprechend genügen, wenn die konkreten verhältnisse vor ort bodenrechtliche spannungen in gestalt einer negativen vorbildwirkung nicht von vorneherein auszuschließen vermögen. dies ist hier – wie bereits dargelegt – auch der fall. 1123. 113entgegen der klägerischen ansicht ist schließlich für eine ausnahme nach § 34 abs. 3a baugb vorliegend kein raum. danach kann im einzelfall von dem erfordernis des einfügens nach § 34 abs. 1 satz 1 baugb abgewichen werden, wenn die abweichung einem bestimmten, dort aufgezählten vorhaben dient und unter anderem städtebaulich vertretbar ist. diese voraussetzungen liegen hier aber nicht vor. unabhängig davon, dass die abweichung in das – wenn auch möglicherweise bei vorliegen der voraussetzungen an sich geschmälerte – ermessen der behörde gestellt ist, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die ansiedlung eines großflächigen einzelhandelsbetriebes hier städtebaulich vertretbar ist. die städtebauliche vertretbarkeit setzt – ähnlich wie im rahmen einer befreiung nach § 31 abs. 2 baugb – voraus, dass sie mit den grundsätzen von § 1 und § 1a baugb, d.h. insbesondere mit § 1 abs. 6 und 7 baugb vereinbar ist, also am konkreten standort auch durch bauleitplanung zugelassen werden könnte. 114vgl. bverwg, urteil vom 15. februar 1990 – 4 c 23.86 –, juris. 115durch die begrenzung der möglichkeit auf den einzelfall wird aber deutlich, dass es sich um eine (eng auszulegende) ausnahmevorschrift handelt. daher kann eine abweichung nicht zugelassen werden, wenn das vorhaben angesichts seiner vorbildwirkung die planungsrechtlich relevante umstrukturierung eines gebiets einleiten würde. eine heranziehung des § 34 abs. 3a baugb zur genehmigung eines nach absatz 1 satz 1 dieser vorschrift unzulässigen vorhabens scheidet daher aus, wenn erkennbar ist, dass eine vergleichbare abweichungslage noch wiederholt auftreten könnte. das gilt jedenfalls dann, wenn das vorhaben angesichts seiner vorbildwirkung die planungsrechtlich relevante umstrukturierung eines gebiets einleiten würde. die möglichkeit nach § 34 abs. 3a baugb ist kein mittel dafür, die städtebauliche situation in einem nicht beplanten baugebiet umzustrukturieren. 116vgl. ovg nrw, urteil vom 11- juli 2017 – 2 a 471/15 –, juris; vg köln, urteil vom 14. september 2017 – 8 k 2916/15 –, juris. 117würde das vorhaben der klägerin zugelassen, gäbe es im maßgeblichen gebiet aus besagten gründen erstmals einen großflächigen einzelhandelsbetrieb, der zum vorbild für andere vorhaben werden würde, so dass die den gebietscharakter ändernden ansiedlung weiterer großflächiger einzelhandelsbetriebe nicht ausgeschlossen werden kann. 118iii. 119die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 1 vwgo, die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit folgt aus § 167 vwgo in verbindung mit §§ 708 nr. 11, 709 satz 2, 711 der zivilprozessordnung. 120rechtsmittelbelehrung: 121gegen dieses urteil steht den beteiligten die berufung an das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. die berufung ist nur zuzulassen, wenn 1221. ernstliche zweifel an der richtigkeit des urteils bestehen, 1232. die rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche schwierigkeiten aufweist, 1243. die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat, 1254. das urteil von einer entscheidung des oberverwaltungsgerichts, des bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen senats der obersten gerichtshöfe des bundes oder des bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser abweichung beruht oder 1265. ein der beurteilung des berufungsgerichts unterliegender verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die entscheidung beruhen kann. 127die zulassung der berufung ist innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils schriftlich bei dem verwaltungsgericht gelsenkirchen, bahnhofsvorplatz 3, 45879 gelsenkirchen, zu beantragen. der antrag muss das angefochtene urteil bezeichnen. innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils sind die gründe darzulegen, aus denen die berufung zuzulassen ist. die begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem antrag vorgelegt worden ist, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen, aegidiikirchplatz 5, 48143 münster, schriftlich einzureichen. 128auf die unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung von schriftstücken als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 129im berufungsverfahren muss sich jeder beteiligte durch einen prozessbevollmächtigten vertreten lassen. dies gilt auch für den antrag auf zulassung der berufung. der kreis der als prozessbevollmächtigte zugelassenen personen und organisationen bestimmt sich nach § 67 abs. 4 vwgo.
346,004
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4 K 701/20 VSt
2022-06-29T00:00:00
Urteil
Tenor Der Steueränderungsbescheid vom 06.02.2018 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.02.2020 wird aufgehoben, soweit damit mehr als ... € Stromsteuer festgesetzt worden ist. Der Stromsteuerbescheid vom 07.06.2019 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.02.2020 wird aufgehoben, soweit mit ihm mehr als ... € Stromsteuer festgesetzt worden ist. Die weitergehende Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 59% und der Beklagte zu 41%. Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Revision wird zugelassen. 1Tatbestand: 2Die Beteiligten streiten über die Menge des Stroms, der zur Stromerzeugung entnommen worden sein soll. 3Die Klägerin versorgte ihre Kunden in Teilen ihres Einzugsgebiets mit Fernwärme, die sie am Standort Straße01 mit ... Erdgas oder Biogas betriebenen KWK-Anlagen (KWK-Anlagen), einer ORC-Anlage (ORC-Anlage) und ... Heizkesseln erzeugte. Die KWK-Anlagen, die ORC-Anlage und die Heizkessel waren parallel geschaltet und konnten unabhängig voneinander betrieben werden. Die Heizkessel erlaubten der Klägerin, die Fernwärme ohne Einsatz der KWK-Anlagen und der ORC-Anlage zu erzeugen. 4Die Fernwärme lieferte die Klägerin durch einen Kreislauf erhitzten Wassers, der ganzjährig betrieben wird. In den mit Fernwärme belieferten Wohngebieten bestand Anschluss- und Benutzungszwang. 5Die KWK-Anlagen wurden stromgeführt betrieben und erzeugten nur dann Strom, wenn es sich für die Klägerin wirtschaftlich rechnete. 6Zur Kühlung der KWK-Anlagen und der ORC-Anlage nutzte die Klägerin den Fernwärmerücklauf, in dem sich die Netzumwälzpumpen befanden. 7Jede KWK-Anlage verfügte über jeweils vier Kühlkreisläufe, durch die der Fernwärmerücklauf mit Wärmetauschern von seiner Rücklauftemperatur (im jährlichen Mittel 52°C) auf die zum Betrieb erforderliche Vorlauftemperatur (im jährlichen Mittel 90°C) gebracht wurde. Im ersten Kühlkreislauf wurde die Wärme aus der Ladeluft, im zweiten die Wärme aus dem Schmieröl, im dritten die Wärme des Kühlwassers und im vierten die Wärme des Abgases genutzt. Für das Schmieröl und das Kühlwasser hatten die KWK-Anlagen eigene Pumpen, mit denen die Flüssigkeiten dem Wärmetauscher zugeführt wurden. Die KWK-Anlagen hatten keinen Notkühler. Ohne den Betrieb der Netzumwälzpumpen konnten die KWK-Anlagen nicht betrieben werden, sondern hätten sich sofort abgeschaltet. 8Die Klägerin erfasste die Wärmeleistung ihrer Anlagen (KWK-Anlagen, ORC-Anlage) und Heizkessel und den Stromverbrauch der elektrisch angetriebenen Netzumwälzpumpen regelmäßig. In ihren Stromsteueranmeldungen berücksichtigte sie den von den Netzumwälzpumpen verbrauchten Strom als Strom, der zur Stromerzeugung verwendet wurde, indem sie in einem ersten Schritt den Stromverbrauch der Zeiten herausrechnete, in denen die Wärme nur mit den Heizkesseln erzeugt wurde. In einem zweiten Schritt teilte sie die Wärmeerzeugung durch die KWK-Anlagen zur gesamten verbleibenden Wärmeerzeugung auf. Dadurch errechnete sie einen auf den Betrieb der Wärmeumwälzpumpen zur Kühlung der KWK-Anlagen entfallenden Stromverbrauch von ... MWh (2016) und ... MWh (2018). 9Der Wirkungsgrad ihrer KWK-Anlagen betrug bezogen auf die zugeführte Leistung (100%) im Mittel hinsichtlich der elektrischen Leistung 44,12% und der nutzbaren thermischen Leistung 42,74%. 10Auf Anordnung des Beklagten begann am 15.11.2017 bei der Klägerin eine Außenprüfung durch den Prüfungsdienst des Beklagten, die u.a. die Stromsteuer des Jahres 2016 zum Gegenstand hatte. Dieser kam im Prüfungsbericht vom 29.12.2017, AB-Nr.: ..., zur Auffassung, der von den Netzumwälzpumpen verbrauchte Strom (... MWh), den die Klägerin in ihrer Stromsteueranmeldung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 des Stromsteuergesetzes (StromStG) steuerfrei belassen hatte, sei abweichend von der Außenprüfung für 2014 auch nicht teilweise steuerfrei. Die Netzumwälzpumpen dienten in erster Linie dem Transport der Fernwärme zum Kunden. Sie arbeiteten auch dann, wenn die Fernwärme nur mit den Heizkesseln erzeugt werde (Tz. 3.8.4 und 3.8.4.2 des Prüfungsberichts). 11Der Beklagte folgte den Ausführungen seines Prüfungsdienstes und erhob von der Klägerin mit Steueränderungsbescheid vom 06.02.2018 für 2016 ... € Stromsteuer nach, wobei er sie unter Berücksichtigung der dadurch höheren Entlastung nach § 9b StromStG von ... € nur zur Zahlung von ... € aufforderte. 12Zur Begründung des dagegen fristgerecht eingelegten Einspruchs verwies die Klägerin auf die Anerkennung der Steuerbefreiung bei der vorangegangenen Außenprüfung und gab ergänzend an, dass Strom für die Netzumwälzpumpen zur Kühlung der KWK-Anlagen auch dann verbraucht worden wäre, wenn es ein Fernwärmenetz nicht gegeben hätte. 13In ihrer Stromsteueranmeldung für 2018 vom 31.05.2019 gab die Klägerin den nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG steuerfrei entnommenen Strom mit ... MWh an und teilte in einem erklärenden Schreiben dazu mit, dass darin ... MWh Strom für die Netzumwälzpumpen enthalten seien. 14Mit Stromsteuerbescheid vom 07.06.2019 korrigierte der Beklagte die Angaben der Klägerin in der Steueranmeldung und ging von einer zu versteuernden Menge von ... MWh aus, die er um die Strommenge für die Netzumwälzpumpen von ... MWh auf ... MWh erhöhte, da der von den Netzumwälzpumpen verbrauchte Strom im Jahr 2018 nicht steuerfrei gewesen sei. Damit ergab sich ausgehend vom angemeldeten Steuerbetrag von ... € ein um ... € höherer Steuerbetrag von ... €. 15Dagegen legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein und verwies zur Begründung auf ihren Einspruch gegen den Steueränderungsbescheid vom 06.02.2018. 16Mit Einspruchsentscheidung vom 18.02.2020 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück, da die Stromsteuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG zu Recht versagt worden sei. Nach dieser Vorschrift werde Strom, der zur Stromerzeugung entnommen werde, von der Steuer befreit. Näheres regele § 12 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung des Stromsteuergesetzes (Stromsteuer-Durchführungsverordnung – StromStV). Danach sei nur solcher Strom von der Steuer befreit, der in den Neben- und Hilfsanlagen einer Stromerzeugungseinheit zur Erzeugung von Strom im technischen Sinne verbraucht werde. Dazu müsse die Verwendung des Stroms mit der Stromerzeugung in einem engen Zusammenhang stehen und aufgrund der besonderen Gegebenheiten der jeweiligen Stromerzeugungsanlage erforderlich sein, um den Betrieb der Anlage aufrechtzuerhalten. Daher seien Nebenanlagen und Hilfseinrichtungen in die Begünstigung einzubeziehen, ohne die die Stromerzeugungsanlage nicht betrieben werden könne. Hierzu gehörten nicht Anlagen, die bei isolierter Betrachtung des Anlagenbetriebs nicht erforderlich seien, um die Stromerzeugung aufrechtzuerhalten, denen also im Hinblick auf die Stromerzeugung keine betriebsnotwendige Bedeutung zukomme. 17Die Netzumwälzpumpen dienten in erster Linie dem Transport heißen Wassers zu den Kunden. Dass diese Pumpen dabei den Kühlkreislauf der KWK-Anlage ersetzen oder die gleichzeitige Funktion einer Kühleinrichtung erfüllen könnten, ändere daran nichts. Diese Pumpen müssten ohnehin zur Erfüllung ihres Hauptzwecks betrieben werden, um das Wasser im Netz umzuwälzen und die über das Wasser beförderte Wärme zu den Kunden zu bringen. Zudem seien die Netzumwälzpumpen nicht erforderlich, um die Stromerzeugung aufrechtzuerhalten. Die erzeugte Wärme könne auch über den primären Kühlkreislauf der jeweiligen KWK-Anlage an die Umgebung abgegeben werden. Auch seien die Netzumwälzpumpen erst im Fernwärmenetz installiert. Schon daran zeige sich, worin ihr eigentlicher Zweck liege. 18Auch darüber hinaus werde mit der von der Klägerin begehrten Steuerbegünstigung zu Unrecht eine Besserstellung gegenüber Kraftwerken erreicht, die ihren Fernwärmekreislauf nicht zu Kühlzwecken benutzten oder nur Wärme erzeugten und diese in das Fernwärmenetz eingespeisten. Die genannten Vorschriften dienten nämlich dazu, eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, ohne dadurch Wettbewerbsverzerrungen auszulösen und die Funktion des Binnenmarktes zu gefährden. 19Mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und trägt ergänzend vor: Die Netzumwälzpumpen seien für den Betrieb der KWK-Anlagen unerlässlich. Ihre Motoren müssten gekühlt werden, was dadurch erreicht werde, dass die von ihnen erzeugte Wärme über Wärmetauscher an das Fernwärmenetz abgegeben werde. Die Netzumwälzpumpen seien Hilfsanlagen der KWK-Anlagen. Sie könnten nicht durch andere Anlagen oder einen anderen Kühlkreislauf gekühlt werden, weil derartige Anlagen in ihrem Fernwärmenetz nicht vorhanden seien. 20Die Klägerin beantragt, 21den Steueränderungsbescheid vom 06. Februar 2018 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Februar 2020 aufzuheben und den Stromsteuerbescheid vom 07. Juni 2019 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Februar 2020 aufzuheben, soweit darin mehr als ... € Stromsteuer festgesetzt worden ist. 22Der Beklagte beantragt, 23die Klage abzuweisen, 24hilfsweise die Revision zuzulassen. 25und verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung. Mit Schriftsatz vom 27.06.2022 führt er weiter aus: 26Die von der Klägerin vorgenommene Aufteilung des von den Netzumwälzpumpen verbrauchten Stroms auf die Heizkessel einerseits und die KWK-Anlagen andererseits widerspreche einer unionsrechtskonformen Anwendung des Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie (EG) 2003/96 des Rates zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (RL 2003/96). Diese Vorschrift solle eine Doppelbesteuerung für Energieerzeugnisse ausschließen, die für die Stromerzeugung verwendet würden. Andererseits dürften Energieerzeugnisse, die für die Erzeugung von Wärme verwendet würden, nur nach Art. 15 Abs. 1 Buchst. c RL 2003/96 begünstigt werden. Daher seien die Mengen, die auf die Stromerzeugung entfielen, von den auf die Wärmeerzeugung entfallenden Mengen abzugrenzen. Ebenso sei auch für die Stromsteuer zu berücksichtigen, dass das Herstellerprivileg nicht gelte, wenn eine Ware erzeugt werde, die zwar vermarktet werde, jedoch nicht nach der RL 2003/96 zu besteuern sei. Zudem sei Art. 14 Abs. 1 Buchst. a RL 2003/96 eng auszulegen, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, da andernfalls das Beihilferecht der Union umgangen werde. Vor diesem Hintergrund wäre Art. 15 Abs. 1 Buchst. c RL 2003/96 entbehrlich. 27Die Netzumwälzpumpen dienten der Wärmeerzeugung und dem Wärmetransport, nicht aber der Stromerzeugung. Sie würden benötigt, um das erwärmte Wasser durch das Fernwärmenetz zu pumpen, die abgegebene Wärme von den KWK-Anlagen aufzunehmen und nutzbar zu machen, ohne dass es auf den Betrieb der KWK-Anlagen ankomme. Würde nur mit Heizkesseln oder anderen Wärmeerzeugern gearbeitet, würden die Pumpen genauso viel Strom verbrauchen. 28Die Stromsteuerbefreiung für den von den Netzumwälzpumpen verbrauchten Strom stelle gegenüber Heizwerken und KWK-Anlagen, die die mechanische Energie zu anderen Zwecken als der Stromerzeugung nutzten, einen Wettbewerbsvorteil dar, der nicht der Vermeidung der Doppelbesteuerung, sondern der Förderung der Stromerzeugung diene. Diese Befreiung sei nur nach Art. 15 Abs. 1 Buchst. c RL 2003/96 zulässig, so dass eine Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG ausscheide. 29Begünstigt werden könne allenfalls die Strommenge, die die Pumpen für die Strecke des Rücklaufs benötigten, wenn die KWK-Anlagen Strom erzeugten und gekühlt werden müssten. Diese Strecke ende, wenn die Rücklauftemperatur in den KWK-Anlagen erstmals erhöht werde, weil es sich von da an um eine Wärmeerzeugung handele. Spätestens beim Wärmetauscher für das Abgas sei es nur noch um die Wärmeerzeugung gegangen. 30Auch habe er erhebliche Zweifel, ob der Durchlauf des Rücklaufs durch die KWK-Anlagen zu einem höheren Stromverbrauch der Pumpen führe und ob wegen der im Vordergrund stehenden Wärmeerzeugung und des Wärmetransports überhaupt eine Aufteilung zulässig sei. 31Entscheidungsgründe: 32Die Klage ist teilweise begründet. 33Der Beklagte hat die Klägerin mit dem Steueränderungsbescheid vom 06.02.2018 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.02.2020 zu Unrecht für Stromsteuer in Anspruch genommen und die Klägerin in ihren Rechten verletzt, soweit er darin mehr als ... € Stromsteuer festgesetzt hat, so dass der Steueränderungsbescheid insoweit aufzuheben war, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). 34Weiter hat der Beklagte die Klägerin mit dem Stromsteuerbescheid vom 07.06.2019 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.02.2020 in ihren Rechten verletzt, soweit er darin mehr als ... € Stromsteuer festgesetzt hat. Auch insoweit war der Bescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.02.2020 aufzuheben, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. 35Im Übrigen wurde die Klägerin durch diese Bescheide zu Recht für die darin festgesetzte Stromsteuer in Anspruch genommen. 361. Der Beklagte war nach § 164 Abs. 2 Satz 1 AO berechtigt, die Stromsteuerfestsetzung für 2016 hinsichtlich des von den Netzumwälzpumpen verbrauchten Stroms zu ändern. Die Klägerin hatte nämlich in ihrer nach § 8 Abs. 1 StromStG abzugebenden Stromsteueranmeldung für 2016, die nach § 168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht, den von den Netzumwälzpumpen verbrauchten Strom in Höhe von ... MWh steuerfrei belassen. 37Nach Prüfung der Steueranmeldung für 2018, der der Beklagte hinsichtlich der Berücksichtigung des Stromverbrauchs für die Netzumwälzpumpen in der von der Klägerin im Rahmen der Anmeldung des nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG steuerfreien Stroms nicht folgen wollte, durfte er die aus seiner Sicht zutreffende Stromsteuer festsetzen, § 155 Abs. 1 Satz 1 AO. 382. Die Klägerin hat – anders als der Beklagte meint – mit dem Betrieb der Netzumwälzpumpen auch Strom zur Stromerzeugung im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG verwendet. 39Nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG ist Strom, der zur Stromerzeugung entnommen worden ist, von der Stromsteuer befreit. Zur Stromerzeugung entnommen wird nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 StromStV Strom, der u.a. in den Neben- und Hilfsanlagen einer Stromerzeugungseinheit insbesondere zur Wasseraufbereitung, Dampferzeugerwasserspeisung, Frischluftversorgung, Brennstoffversorgung oder Rauchgasreinigung zur Erzeugung von Strom im technischen Sinne verbraucht wird. 40Der Wortlaut der Vorschrift, die eine nicht als abschließend zu betrachtende Aufzählung von Neben- und Hilfsanlagen enthält, legt nahe, dass nur die Strommengen von der Steuer befreit sind, deren Verwendung in einem engen Zusammenhang mit der eigentlichen Stromerzeugung steht ("im technischen Sinne"). Deshalb sind die Neben- und Hilfseinrichtungen in die Begünstigung mit einzubeziehen, ohne die eine Stromerzeugungsanlage technisch nicht betrieben werden kann. Nicht der Stromerzeugung dienen dagegen Anlagen, die bei isolierter Betrachtung des Anlagenbetriebs nicht erforderlich sind, um die Stromerzeugung aufrechtzuerhalten, denen also im Hinblick auf die Stromerzeugung keine betriebsnotwendige Bedeutung zukommt (BFH Urteil v. 30.04.2019, VII R 10/18, BFHE 264, 556, Rz. 11; Beschluss v. 28.01.2021, VII B 99/20, ZfZ 2021, 222, Rz. 9). 41In die Begünstigung einzubeziehen sind jedoch auch solche Einrichtungen, ohne die eine Stromerzeugungsanlage nach bestimmten rechtlichen Vorgaben, nämlich den atomrechtlichen, gewerberechtlichen, umweltrechtlichen, wasserrechtlichen oder arbeitsrechtlichen Vorschriften oder Auflagen überhaupt nicht betrieben werden kann. Denn auch solche Anlagen sind zur Aufrechterhaltung der Fähigkeit, Strom zu erzeugen, erforderlich. Entscheidende Kriterien sind zum einen technische Erfordernisse und zum anderen rechtliche Anforderungen an den Betrieb einer Stromerzeugungsanlage. Auch insoweit scheiden Anlagen oder Anlagenbestandteile aus, denen im Hinblick auf die Stromerzeugung keine betriebsnotwendige Bedeutung zukommt. Die Stromverwendung muss den spezifischen Anforderungen der Stromerzeugungsanlage entsprechen (BFH Urteil v. 06.10.2015, VII R 25/14, BFHE 251/563, Rz.12). 42Danach stellt der Betrieb der Netzumwälzpumpen eine technisch unerlässliche Voraussetzung für den Betrieb der KWK-Anlagen und damit für deren Stromerzeugung dar. Ohne diese Pumpen wären die KWK-Anlagen nicht funktionsfähig gewesen, weil die KWK-Anlagen dann nicht mehr mit dem für ihre zwingend erforderliche Kühlung nötigen kühlen Fernwärmerücklauf versorgt worden wären und sich abgeschaltet hätten. Nur dadurch konnten die Wärmetauscher, die die Kühlung der KWK-Anlagen durch die Abgabe der von ihnen erzeugten Wärme bewirkten, betrieben werden. Eine andere Möglichkeit der Kühlung gab es für die von der Klägerin betriebenen KWK-Anlagen nicht. 433. Gleichwohl kann die Klägerin die Stromsteuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG nicht für den gesamten von ihr den Netzumwälzpumpen zugerechneten Stromverbrauch erhalten. Begünstigt ist nämlich nicht nur nach dieser Vorschrift, sondern auch nach Art. 14 Abs. 1 Buchst. a RL 2003/96 nur der Strom, der zur Stromerzeugung und zur Aufrechterhaltung der Fähigkeit, elektrischen Strom zu erzeugen, entnommen worden ist. Für die Stromerzeugung in KWK-Anlagen sieht das StromStG hingegen keine ausdrückliche Steuerbefreiung vor, was auch dem Unionsrecht entspricht, denn die Befreiung der KWK-Anlagen von der Stromsteuer ist den Mitgliedstaaten nach Art. 15 Abs. 1 Buchst. c RL 2003/96 freigestellt. 44Die Netzumwälzpumpen einschließlich des in ihnen verbrauchten Stroms dienten während des Betriebs der KWK-Anlagen nicht nur der Kühlung der KWK-Anlagen und damit der Stromerzeugung in den KWK-Anlagen, sondern zeitgleich auch der Abgabe der Wärme in den Wärmekreislauf des von der Klägerin betriebenen Fernwärmenetzes und der Erzeugung des Wärmekreislaufs im Fernwärmenetz. 45Daraus folgt, dass der Stromverbrauch zwischen den Zwecken der Stromerzeugung aufzuteilen ist. Hierbei sind der Zweck des Art. 14 Abs. 1 Buchst. a RL 2003/96, eine Doppelbesteuerung zu vermeiden (s. EuGH Urteil v. 27.06.2018, C-90/17, Rz. 35), als auch der Umstand, dass Art. 14 Abs. 1 Buchst. a RL 2003/96 als Ausnahme von einer grundsätzlich gegebenen Steuerpflicht nicht weit auszulegen ist (s. EuGH Urteil v. 07.03.2018 C-31/17 Rz. 25), zu berücksichtigen. Im Hinblick auf die maßgebenden Eigenschaften der KWK-Anlagen, aus denen die zu unterscheidenden Mengen ermittelt werden können (EUGH Urteil v. 07.03.2018 C-31/17, Rz. 45), ist eine Aufteilung nach dem Umfang des Wirkungsgrades der Stromerzeugung einerseits und der Wärmeerzeugung andererseits angemessen. Der durchschnittliche Wirkungsgrad der KWK-Anlagen der Klägerin betrug nämlich bezogen auf die zugeführte Leistung (100%) hinsichtlich der elektrischen Leistung 44,12% und der nutzbaren thermischen Leistung 42,74%. Das ergibt sich aus der in der mündlichen Verhandlung von den Vertretern der Klägerin überreichten Berechnung. Wird für die Aufteilung die ungenutzte thermische Leistung außer Acht gelassen, entfielen 50,79% der Leistung der KWK-Anlagen auf die Stromerzeugung, so dass die Klägerin nur für diesen Anteil eine Steuerbefreiung erhalten konnte. 46Diese Aufteilung entspricht auch dem tatsächlichen Einsatz der KWK-Anlagen, denn die Klägerin setzt sie stromgeführt und damit nur dann ein, wenn sie mit ihnen Strom erzeugen will, wobei die zeitgleich erzeugte Wärme an Stelle der sonst durch Heizkessel erzeugten Wärme tritt. 474. Im Übrigen ist das grundsätzliche Vorgehen der Klägerin zur Berechnung der auf die Netzumwälzpumpen entfallenden Strommengen nicht zu beanstanden. Sie hat zunächst die Strommengen herausgerechnet, die die Netzumwälzpumpen verbrauchten, als die Wärme nur mit den Heizkesseln und nicht mit den KWK-Anlagen erzeugt wurde. Die verbleibende Strommenge hat sie nach der von den Kesseln einerseits und den KWK-Anlagen andererseits erzeugten Wärme aufgeteilt und dabei nur den auf die KWK-Anlagen entfallenden Anteil berücksichtigt, der für 2016 bei ... MWh und 2018 bei ... MWh lag. 48Unter Berücksichtigung des ermittelten Maßstabs, des Wirkungsgrads der Stromerzeugung im Verhältnis des Wirkungsgrads der Ausnutzung thermischer Energie ergeben sich nach dem Vortrag der Klägerin im Klageverfahren für 2016 nur noch ... MWh und für 2018 nur noch ... MWh Strom, der zur Stromerzeugung verwendet wurde. 49Bei der Ermittlung dieser Mengen ist es unerheblich, dass Strom für die Netzumwälzpumpen bei anders gebauten KWK-Anlagen nicht anfällt oder dass bei einer gesonderten elektrisch betriebenen Kühlung der Antriebsmaschinen für die Generatoren ein gegenüber dem Strombedarf für die Netzumwälzpumpen um ein mehrfaches höherer Strombedarf erforderlich gewesen wäre. Zu beurteilen sind nur die streitgegenständlichen Anlagen (BFH Urteil v. 06.10.2015, VII R 25/14, aaO. Rz. 15 in juris). 50Gleichfalls sind die vom Beklagten behaupteten angeblichen Wettbewerbsvorteile für reine Heizwerke und KWK-Anlagen, die an Stelle der Stromerzeugung andere mechanische Arbeit erzeugen, unerheblich. 51Soweit die Klägerin das Fernwärmenetz nur mit den Heizkesseln betreibt, hat sie den dafür erzeugten Strom herausgerechnet, so dass insoweit eine Begünstigung gegenüber dem Betrieb reiner Heizwerke nicht ersichtlich ist. 52Hinsichtlich der nicht Strom erzeugenden KWK-Anlagen, die ohnehin völlig anders konstruiert sind, ist ein Wettbewerb mit den streitgegenständlichen KWK-Anlagen nicht ersichtlich. 535. a) Bei Anwendung des am Wirkungsgrad orientierten Maßstabs ist die Steuerfestsetzung für 2016, mit der ... € Stromsteuer für ... MWh Strom zurückgefordert wurden, um ... € für ... MWh auf ... € herabzusetzen. 54b) Nach dem gleichen Maßstab ist die von der Klägerin für 2018 geschuldete Stromsteuer auf ... € festzusetzen: 55In ihrer Stromsteueranmeldung hatte die Klägerin die nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG steuerbefreite Strommenge mit ... MWh und die den Netzumwälzpumpen zuzurechnende Menge mit ... MWh angegeben, obwohl die nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG auf die Netzumwälzpumpen entfallende steuerbefreite Strommenge nach ihren Angaben im Klageverfahren nur ... MWh betrug. Dementsprechend ist die nach Auffassung der Klägerin nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG hinsichtlich der Netzumwälzpumpen von der Stromsteuer befreite Menge um den unrichtigen Wert von ... MWh zu vermindern und die zu versteuernde Menge um diesen Wert zu erhöhen. Dieser Wert ist sodann um den Anteil von 50,79% von ... MWh oder ... MWh, der entsprechend dem elektrischen Wirkungsgrad der KWK-Anlagen zur Stromerzeugung verwendet wird, zu vermindern. 56Daraus ergibt sich folgende Steuerberechnung: 57Angemeldete Menge ... MWh zuzüglich ... MWh abzüglich ... MWh Verbleiben ... MWh und 58bei einem Steuersatz von 20,50 €/MWh ... € Stromsteuer. 596. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. 60Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 Satz 1 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 der Zivilprozessordnung. 61Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.
der steueränderungsbescheid vom 06.02.2018 in der gestalt der einspruchsentscheidung vom 18.02.2020 wird aufgehoben, soweit damit mehr als ... € stromsteuer festgesetzt worden ist. der stromsteuerbescheid vom 07.06.2019 in der gestalt der einspruchsentscheidung vom 18.02.2020 wird aufgehoben, soweit mit ihm mehr als ... € stromsteuer festgesetzt worden ist. die weitergehende klage wird abgewiesen. die kosten des verfahrens tragen die klägerin zu 59% und der beklagte zu 41%. das urteil ist wegen der kosten ohne sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. der beklagte darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe des kostenerstattungsanspruchs der klägerin abwenden, wenn nicht die klägerin vor der vollstreckung sicherheit in gleicher höhe leistet. die revision wird zugelassen. 1
2die beteiligten streiten über die menge des stroms, der zur stromerzeugung entnommen worden sein soll. 3die klägerin versorgte ihre kunden in teilen ihres einzugsgebiets mit fernwärme, die sie am standort straße01 mit ... erdgas oder biogas betriebenen kwk-anlagen (kwk-anlagen), einer orc-anlage (orc-anlage) und ... heizkesseln erzeugte. die kwk-anlagen, die orc-anlage und die heizkessel waren parallel geschaltet und konnten unabhängig voneinander betrieben werden. die heizkessel erlaubten der klägerin, die fernwärme ohne einsatz der kwk-anlagen und der orc-anlage zu erzeugen. 4die fernwärme lieferte die klägerin durch einen kreislauf erhitzten wassers, der ganzjährig betrieben wird. in den mit fernwärme belieferten wohngebieten bestand anschluss- und benutzungszwang. 5die kwk-anlagen wurden stromgeführt betrieben und erzeugten nur dann strom, wenn es sich für die klägerin wirtschaftlich rechnete. 6zur kühlung der kwk-anlagen und der orc-anlage nutzte die klägerin den fernwärmerücklauf, in dem sich die netzumwälzpumpen befanden. 7jede kwk-anlage verfügte über jeweils vier kühlkreisläufe, durch die der fernwärmerücklauf mit wärmetauschern von seiner rücklauftemperatur (im jährlichen mittel 52°c) auf die zum betrieb erforderliche vorlauftemperatur (im jährlichen mittel 90°c) gebracht wurde. im ersten kühlkreislauf wurde die wärme aus der ladeluft, im zweiten die wärme aus dem schmieröl, im dritten die wärme des kühlwassers und im vierten die wärme des abgases genutzt. für das schmieröl und das kühlwasser hatten die kwk-anlagen eigene pumpen, mit denen die flüssigkeiten dem wärmetauscher zugeführt wurden. die kwk-anlagen hatten keinen notkühler. ohne den betrieb der netzumwälzpumpen konnten die kwk-anlagen nicht betrieben werden, sondern hätten sich sofort abgeschaltet. 8die klägerin erfasste die wärmeleistung ihrer anlagen (kwk-anlagen, orc-anlage) und heizkessel und den stromverbrauch der elektrisch angetriebenen netzumwälzpumpen regelmäßig. in ihren stromsteueranmeldungen berücksichtigte sie den von den netzumwälzpumpen verbrauchten strom als strom, der zur stromerzeugung verwendet wurde, indem sie in einem ersten schritt den stromverbrauch der zeiten herausrechnete, in denen die wärme nur mit den heizkesseln erzeugt wurde. in einem zweiten schritt teilte sie die wärmeerzeugung durch die kwk-anlagen zur gesamten verbleibenden wärmeerzeugung auf. dadurch errechnete sie einen auf den betrieb der wärmeumwälzpumpen zur kühlung der kwk-anlagen entfallenden stromverbrauch von ... mwh (2016) und ... mwh (2018). 9der wirkungsgrad ihrer kwk-anlagen betrug bezogen auf die zugeführte leistung (100%) im mittel hinsichtlich der elektrischen leistung 44,12% und der nutzbaren thermischen leistung 42,74%. 10auf anordnung des beklagten begann am 15.11.2017 bei der klägerin eine außenprüfung durch den prüfungsdienst des beklagten, die u.a. die stromsteuer des jahres 2016 zum gegenstand hatte. dieser kam im prüfungsbericht vom 29.12.2017, ab-nr.: ..., zur auffassung, der von den netzumwälzpumpen verbrauchte strom (... mwh), den die klägerin in ihrer stromsteueranmeldung nach § 9 abs. 1 nr. 2 des stromsteuergesetzes (stromstg) steuerfrei belassen hatte, sei abweichend von der außenprüfung für 2014 auch nicht teilweise steuerfrei. die netzumwälzpumpen dienten in erster linie dem transport der fernwärme zum kunden. sie arbeiteten auch dann, wenn die fernwärme nur mit den heizkesseln erzeugt werde (tz. 3.8.4 und 3.8.4.2 des prüfungsberichts). 11der beklagte folgte den ausführungen seines prüfungsdienstes und erhob von der klägerin mit steueränderungsbescheid vom 06.02.2018 für 2016 ... € stromsteuer nach, wobei er sie unter berücksichtigung der dadurch höheren entlastung nach § 9b stromstg von ... € nur zur zahlung von ... € aufforderte. 12zur begründung des dagegen fristgerecht eingelegten einspruchs verwies die klägerin auf die anerkennung der steuerbefreiung bei der vorangegangenen außenprüfung und gab ergänzend an, dass strom für die netzumwälzpumpen zur kühlung der kwk-anlagen auch dann verbraucht worden wäre, wenn es ein fernwärmenetz nicht gegeben hätte. 13in ihrer stromsteueranmeldung für 2018 vom 31.05.2019 gab die klägerin den nach § 9 abs. 1 nr. 2 stromstg steuerfrei entnommenen strom mit ... mwh an und teilte in einem erklärenden schreiben dazu mit, dass darin ... mwh strom für die netzumwälzpumpen enthalten seien. 14mit stromsteuerbescheid vom 07.06.2019 korrigierte der beklagte die angaben der klägerin in der steueranmeldung und ging von einer zu versteuernden menge von ... mwh aus, die er um die strommenge für die netzumwälzpumpen von ... mwh auf ... mwh erhöhte, da der von den netzumwälzpumpen verbrauchte strom im jahr 2018 nicht steuerfrei gewesen sei. damit ergab sich ausgehend vom angemeldeten steuerbetrag von ... € ein um ... € höherer steuerbetrag von ... €. 15dagegen legte die klägerin fristgerecht einspruch ein und verwies zur begründung auf ihren einspruch gegen den steueränderungsbescheid vom 06.02.2018. 16mit einspruchsentscheidung vom 18.02.2020 wies der beklagte die einsprüche als unbegründet zurück, da die stromsteuerbefreiung nach § 9 abs. 1 nr. 2 stromstg zu recht versagt worden sei. nach dieser vorschrift werde strom, der zur stromerzeugung entnommen werde, von der steuer befreit. näheres regele § 12 abs. 1 nr. 1 der verordnung zur durchführung des stromsteuergesetzes (stromsteuer-durchführungsverordnung – stromstv). danach sei nur solcher strom von der steuer befreit, der in den neben- und hilfsanlagen einer stromerzeugungseinheit zur erzeugung von strom im technischen sinne verbraucht werde. dazu müsse die verwendung des stroms mit der stromerzeugung in einem engen zusammenhang stehen und aufgrund der besonderen gegebenheiten der jeweiligen stromerzeugungsanlage erforderlich sein, um den betrieb der anlage aufrechtzuerhalten. daher seien nebenanlagen und hilfseinrichtungen in die begünstigung einzubeziehen, ohne die die stromerzeugungsanlage nicht betrieben werden könne. hierzu gehörten nicht anlagen, die bei isolierter betrachtung des anlagenbetriebs nicht erforderlich seien, um die stromerzeugung aufrechtzuerhalten, denen also im hinblick auf die stromerzeugung keine betriebsnotwendige bedeutung zukomme. 17die netzumwälzpumpen dienten in erster linie dem transport heißen wassers zu den kunden. dass diese pumpen dabei den kühlkreislauf der kwk-anlage ersetzen oder die gleichzeitige funktion einer kühleinrichtung erfüllen könnten, ändere daran nichts. diese pumpen müssten ohnehin zur erfüllung ihres hauptzwecks betrieben werden, um das wasser im netz umzuwälzen und die über das wasser beförderte wärme zu den kunden zu bringen. zudem seien die netzumwälzpumpen nicht erforderlich, um die stromerzeugung aufrechtzuerhalten. die erzeugte wärme könne auch über den primären kühlkreislauf der jeweiligen kwk-anlage an die umgebung abgegeben werden. auch seien die netzumwälzpumpen erst im fernwärmenetz installiert. schon daran zeige sich, worin ihr eigentlicher zweck liege. 18auch darüber hinaus werde mit der von der klägerin begehrten steuerbegünstigung zu unrecht eine besserstellung gegenüber kraftwerken erreicht, die ihren fernwärmekreislauf nicht zu kühlzwecken benutzten oder nur wärme erzeugten und diese in das fernwärmenetz eingespeisten. die genannten vorschriften dienten nämlich dazu, eine doppelbesteuerung zu vermeiden, ohne dadurch wettbewerbsverzerrungen auszulösen und die funktion des binnenmarktes zu gefährden. 19mit ihrer fristgerecht erhobenen klage verfolgt die klägerin ihr begehren weiter und trägt ergänzend vor: die netzumwälzpumpen seien für den betrieb der kwk-anlagen unerlässlich. ihre motoren müssten gekühlt werden, was dadurch erreicht werde, dass die von ihnen erzeugte wärme über wärmetauscher an das fernwärmenetz abgegeben werde. die netzumwälzpumpen seien hilfsanlagen der kwk-anlagen. sie könnten nicht durch andere anlagen oder einen anderen kühlkreislauf gekühlt werden, weil derartige anlagen in ihrem fernwärmenetz nicht vorhanden seien. 20die klägerin beantragt, 21den steueränderungsbescheid vom 06. februar 2018 in der gestalt der einspruchsentscheidung vom 18. februar 2020 aufzuheben und den stromsteuerbescheid vom 07. juni 2019 in der gestalt der einspruchsentscheidung vom 18. februar 2020 aufzuheben, soweit darin mehr als ... € stromsteuer festgesetzt worden ist. 22der beklagte beantragt, 23die klage abzuweisen, 24hilfsweise die revision zuzulassen. 25und verweist zur begründung auf seine einspruchsentscheidung. mit schriftsatz vom 27.06.2022 führt er weiter aus: 26die von der klägerin vorgenommene aufteilung des von den netzumwälzpumpen verbrauchten stroms auf die heizkessel einerseits und die kwk-anlagen andererseits widerspreche einer unionsrechtskonformen anwendung des art. 14 abs. 1 buchst. a der richtlinie (eg) 2003/96 des rates zur restrukturierung der gemeinschaftlichen rahmenvorschriften zur besteuerung von energieerzeugnissen und elektrischem strom (rl 2003/96). diese vorschrift solle eine doppelbesteuerung für energieerzeugnisse ausschließen, die für die stromerzeugung verwendet würden. andererseits dürften energieerzeugnisse, die für die erzeugung von wärme verwendet würden, nur nach art. 15 abs. 1 buchst. c rl 2003/96 begünstigt werden. daher seien die mengen, die auf die stromerzeugung entfielen, von den auf die wärmeerzeugung entfallenden mengen abzugrenzen. ebenso sei auch für die stromsteuer zu berücksichtigen, dass das herstellerprivileg nicht gelte, wenn eine ware erzeugt werde, die zwar vermarktet werde, jedoch nicht nach der rl 2003/96 zu besteuern sei. zudem sei art. 14 abs. 1 buchst. a rl 2003/96 eng auszulegen, um wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, da andernfalls das beihilferecht der union umgangen werde. vor diesem hintergrund wäre art. 15 abs. 1 buchst. c rl 2003/96 entbehrlich. 27die netzumwälzpumpen dienten der wärmeerzeugung und dem wärmetransport, nicht aber der stromerzeugung. sie würden benötigt, um das erwärmte wasser durch das fernwärmenetz zu pumpen, die abgegebene wärme von den kwk-anlagen aufzunehmen und nutzbar zu machen, ohne dass es auf den betrieb der kwk-anlagen ankomme. würde nur mit heizkesseln oder anderen wärmeerzeugern gearbeitet, würden die pumpen genauso viel strom verbrauchen. 28die stromsteuerbefreiung für den von den netzumwälzpumpen verbrauchten strom stelle gegenüber heizwerken und kwk-anlagen, die die mechanische energie zu anderen zwecken als der stromerzeugung nutzten, einen wettbewerbsvorteil dar, der nicht der vermeidung der doppelbesteuerung, sondern der förderung der stromerzeugung diene. diese befreiung sei nur nach art. 15 abs. 1 buchst. c rl 2003/96 zulässig, so dass eine steuerbefreiung nach § 9 abs. 1 nr. 2 stromstg ausscheide. 29begünstigt werden könne allenfalls die strommenge, die die pumpen für die strecke des rücklaufs benötigten, wenn die kwk-anlagen strom erzeugten und gekühlt werden müssten. diese strecke ende, wenn die rücklauftemperatur in den kwk-anlagen erstmals erhöht werde, weil es sich von da an um eine wärmeerzeugung handele. spätestens beim wärmetauscher für das abgas sei es nur noch um die wärmeerzeugung gegangen. 30auch habe er erhebliche zweifel, ob der durchlauf des rücklaufs durch die kwk-anlagen zu einem höheren stromverbrauch der pumpen führe und ob wegen der im vordergrund stehenden wärmeerzeugung und des wärmetransports überhaupt eine aufteilung zulässig sei. 31
32die klage ist teilweise begründet. 33der beklagte hat die klägerin mit dem steueränderungsbescheid vom 06.02.2018 in der gestalt der einspruchsentscheidung vom 18.02.2020 zu unrecht für stromsteuer in anspruch genommen und die klägerin in ihren rechten verletzt, soweit er darin mehr als ... € stromsteuer festgesetzt hat, so dass der steueränderungsbescheid insoweit aufzuheben war, § 100 abs. 1 satz 1 der finanzgerichtsordnung (fgo). 34weiter hat der beklagte die klägerin mit dem stromsteuerbescheid vom 07.06.2019 in der gestalt der einspruchsentscheidung vom 18.02.2020 in ihren rechten verletzt, soweit er darin mehr als ... € stromsteuer festgesetzt hat. auch insoweit war der bescheid in der gestalt der einspruchsentscheidung vom 18.02.2020 aufzuheben, § 100 abs. 1 satz 1 fgo. 35im übrigen wurde die klägerin durch diese bescheide zu recht für die darin festgesetzte stromsteuer in anspruch genommen. 361. der beklagte war nach § 164 abs. 2 satz 1 ao berechtigt, die stromsteuerfestsetzung für 2016 hinsichtlich des von den netzumwälzpumpen verbrauchten stroms zu ändern. die klägerin hatte nämlich in ihrer nach § 8 abs. 1 stromstg abzugebenden stromsteueranmeldung für 2016, die nach § 168 satz 1 ao einer steuerfestsetzung unter dem vorbehalt der nachprüfung gleichsteht, den von den netzumwälzpumpen verbrauchten strom in höhe von ... mwh steuerfrei belassen. 37nach prüfung der steueranmeldung für 2018, der der beklagte hinsichtlich der berücksichtigung des stromverbrauchs für die netzumwälzpumpen in der von der klägerin im rahmen der anmeldung des nach § 9 abs. 1 nr. 2 stromstg steuerfreien stroms nicht folgen wollte, durfte er die aus seiner sicht zutreffende stromsteuer festsetzen, § 155 abs. 1 satz 1 ao. 382. die klägerin hat – anders als der beklagte meint – mit dem betrieb der netzumwälzpumpen auch strom zur stromerzeugung im sinne des § 9 abs. 1 nr. 2 stromstg verwendet. 39nach § 9 abs. 1 nr. 2 stromstg ist strom, der zur stromerzeugung entnommen worden ist, von der stromsteuer befreit. zur stromerzeugung entnommen wird nach § 12 abs. 1 nr. 1 stromstv strom, der u.a. in den neben- und hilfsanlagen einer stromerzeugungseinheit insbesondere zur wasseraufbereitung, dampferzeugerwasserspeisung, frischluftversorgung, brennstoffversorgung oder rauchgasreinigung zur erzeugung von strom im technischen sinne verbraucht wird. 40der wortlaut der vorschrift, die eine nicht als abschließend zu betrachtende aufzählung von neben- und hilfsanlagen enthält, legt nahe, dass nur die strommengen von der steuer befreit sind, deren verwendung in einem engen zusammenhang mit der eigentlichen stromerzeugung steht ("im technischen sinne"). deshalb sind die neben- und hilfseinrichtungen in die begünstigung mit einzubeziehen, ohne die eine stromerzeugungsanlage technisch nicht betrieben werden kann. nicht der stromerzeugung dienen dagegen anlagen, die bei isolierter betrachtung des anlagenbetriebs nicht erforderlich sind, um die stromerzeugung aufrechtzuerhalten, denen also im hinblick auf die stromerzeugung keine betriebsnotwendige bedeutung zukommt (bfh urteil v. 30.04.2019, vii r 10/18, bfhe 264, 556, rz. 11; beschluss v. 28.01.2021, vii b 99/20, zfz 2021, 222, rz. 9). 41in die begünstigung einzubeziehen sind jedoch auch solche einrichtungen, ohne die eine stromerzeugungsanlage nach bestimmten rechtlichen vorgaben, nämlich den atomrechtlichen, gewerberechtlichen, umweltrechtlichen, wasserrechtlichen oder arbeitsrechtlichen vorschriften oder auflagen überhaupt nicht betrieben werden kann. denn auch solche anlagen sind zur aufrechterhaltung der fähigkeit, strom zu erzeugen, erforderlich. entscheidende kriterien sind zum einen technische erfordernisse und zum anderen rechtliche anforderungen an den betrieb einer stromerzeugungsanlage. auch insoweit scheiden anlagen oder anlagenbestandteile aus, denen im hinblick auf die stromerzeugung keine betriebsnotwendige bedeutung zukommt. die stromverwendung muss den spezifischen anforderungen der stromerzeugungsanlage entsprechen (bfh urteil v. 06.10.2015, vii r 25/14, bfhe 251/563, rz.12). 42danach stellt der betrieb der netzumwälzpumpen eine technisch unerlässliche voraussetzung für den betrieb der kwk-anlagen und damit für deren stromerzeugung dar. ohne diese pumpen wären die kwk-anlagen nicht funktionsfähig gewesen, weil die kwk-anlagen dann nicht mehr mit dem für ihre zwingend erforderliche kühlung nötigen kühlen fernwärmerücklauf versorgt worden wären und sich abgeschaltet hätten. nur dadurch konnten die wärmetauscher, die die kühlung der kwk-anlagen durch die abgabe der von ihnen erzeugten wärme bewirkten, betrieben werden. eine andere möglichkeit der kühlung gab es für die von der klägerin betriebenen kwk-anlagen nicht. 433. gleichwohl kann die klägerin die stromsteuerbefreiung nach § 9 abs. 1 nr. 2 stromstg nicht für den gesamten von ihr den netzumwälzpumpen zugerechneten stromverbrauch erhalten. begünstigt ist nämlich nicht nur nach dieser vorschrift, sondern auch nach art. 14 abs. 1 buchst. a rl 2003/96 nur der strom, der zur stromerzeugung und zur aufrechterhaltung der fähigkeit, elektrischen strom zu erzeugen, entnommen worden ist. für die stromerzeugung in kwk-anlagen sieht das stromstg hingegen keine ausdrückliche steuerbefreiung vor, was auch dem unionsrecht entspricht, denn die befreiung der kwk-anlagen von der stromsteuer ist den mitgliedstaaten nach art. 15 abs. 1 buchst. c rl 2003/96 freigestellt. 44die netzumwälzpumpen einschließlich des in ihnen verbrauchten stroms dienten während des betriebs der kwk-anlagen nicht nur der kühlung der kwk-anlagen und damit der stromerzeugung in den kwk-anlagen, sondern zeitgleich auch der abgabe der wärme in den wärmekreislauf des von der klägerin betriebenen fernwärmenetzes und der erzeugung des wärmekreislaufs im fernwärmenetz. 45daraus folgt, dass der stromverbrauch zwischen den zwecken der stromerzeugung aufzuteilen ist. hierbei sind der zweck des art. 14 abs. 1 buchst. a rl 2003/96, eine doppelbesteuerung zu vermeiden (s. eugh urteil v. 27.06.2018, c-90/17, rz. 35), als auch der umstand, dass art. 14 abs. 1 buchst. a rl 2003/96 als ausnahme von einer grundsätzlich gegebenen steuerpflicht nicht weit auszulegen ist (s. eugh urteil v. 07.03.2018 c-31/17 rz. 25), zu berücksichtigen. im hinblick auf die maßgebenden eigenschaften der kwk-anlagen, aus denen die zu unterscheidenden mengen ermittelt werden können (eugh urteil v. 07.03.2018 c-31/17, rz. 45), ist eine aufteilung nach dem umfang des wirkungsgrades der stromerzeugung einerseits und der wärmeerzeugung andererseits angemessen. der durchschnittliche wirkungsgrad der kwk-anlagen der klägerin betrug nämlich bezogen auf die zugeführte leistung (100%) hinsichtlich der elektrischen leistung 44,12% und der nutzbaren thermischen leistung 42,74%. das ergibt sich aus der in der mündlichen verhandlung von den vertretern der klägerin überreichten berechnung. wird für die aufteilung die ungenutzte thermische leistung außer acht gelassen, entfielen 50,79% der leistung der kwk-anlagen auf die stromerzeugung, so dass die klägerin nur für diesen anteil eine steuerbefreiung erhalten konnte. 46diese aufteilung entspricht auch dem tatsächlichen einsatz der kwk-anlagen, denn die klägerin setzt sie stromgeführt und damit nur dann ein, wenn sie mit ihnen strom erzeugen will, wobei die zeitgleich erzeugte wärme an stelle der sonst durch heizkessel erzeugten wärme tritt. 474. im übrigen ist das grundsätzliche vorgehen der klägerin zur berechnung der auf die netzumwälzpumpen entfallenden strommengen nicht zu beanstanden. sie hat zunächst die strommengen herausgerechnet, die die netzumwälzpumpen verbrauchten, als die wärme nur mit den heizkesseln und nicht mit den kwk-anlagen erzeugt wurde. die verbleibende strommenge hat sie nach der von den kesseln einerseits und den kwk-anlagen andererseits erzeugten wärme aufgeteilt und dabei nur den auf die kwk-anlagen entfallenden anteil berücksichtigt, der für 2016 bei ... mwh und 2018 bei ... mwh lag. 48unter berücksichtigung des ermittelten maßstabs, des wirkungsgrads der stromerzeugung im verhältnis des wirkungsgrads der ausnutzung thermischer energie ergeben sich nach dem vortrag der klägerin im klageverfahren für 2016 nur noch ... mwh und für 2018 nur noch ... mwh strom, der zur stromerzeugung verwendet wurde. 49bei der ermittlung dieser mengen ist es unerheblich, dass strom für die netzumwälzpumpen bei anders gebauten kwk-anlagen nicht anfällt oder dass bei einer gesonderten elektrisch betriebenen kühlung der antriebsmaschinen für die generatoren ein gegenüber dem strombedarf für die netzumwälzpumpen um ein mehrfaches höherer strombedarf erforderlich gewesen wäre. zu beurteilen sind nur die streitgegenständlichen anlagen (bfh urteil v. 06.10.2015, vii r 25/14, aao. rz. 15 in juris). 50gleichfalls sind die vom beklagten behaupteten angeblichen wettbewerbsvorteile für reine heizwerke und kwk-anlagen, die an stelle der stromerzeugung andere mechanische arbeit erzeugen, unerheblich. 51soweit die klägerin das fernwärmenetz nur mit den heizkesseln betreibt, hat sie den dafür erzeugten strom herausgerechnet, so dass insoweit eine begünstigung gegenüber dem betrieb reiner heizwerke nicht ersichtlich ist. 52hinsichtlich der nicht strom erzeugenden kwk-anlagen, die ohnehin völlig anders konstruiert sind, ist ein wettbewerb mit den streitgegenständlichen kwk-anlagen nicht ersichtlich. 535. a) bei anwendung des am wirkungsgrad orientierten maßstabs ist die steuerfestsetzung für 2016, mit der ... € stromsteuer für ... mwh strom zurückgefordert wurden, um ... € für ... mwh auf ... € herabzusetzen. 54b) nach dem gleichen maßstab ist die von der klägerin für 2018 geschuldete stromsteuer auf ... € festzusetzen: 55in ihrer stromsteueranmeldung hatte die klägerin die nach § 9 abs. 1 nr. 2 stromstg steuerbefreite strommenge mit ... mwh und die den netzumwälzpumpen zuzurechnende menge mit ... mwh angegeben, obwohl die nach § 9 abs. 1 nr. 2 stromstg auf die netzumwälzpumpen entfallende steuerbefreite strommenge nach ihren angaben im klageverfahren nur ... mwh betrug. dementsprechend ist die nach auffassung der klägerin nach § 9 abs. 1 nr. 2 stromstg hinsichtlich der netzumwälzpumpen von der stromsteuer befreite menge um den unrichtigen wert von ... mwh zu vermindern und die zu versteuernde menge um diesen wert zu erhöhen. dieser wert ist sodann um den anteil von 50,79% von ... mwh oder ... mwh, der entsprechend dem elektrischen wirkungsgrad der kwk-anlagen zur stromerzeugung verwendet wird, zu vermindern. 56daraus ergibt sich folgende steuerberechnung: 57angemeldete menge ... mwh zuzüglich ... mwh abzüglich ... mwh verbleiben ... mwh und 58bei einem steuersatz von 20,50 €/mwh ... € stromsteuer. 596. die kostenentscheidung folgt aus § 136 abs. 1 satz 1 fgo. 60die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 abs. 3, 155 satz 1 fgo i. v. m. §§ 708 nr. 10, 711 satz 1 der zivilprozessordnung. 61die revision war nach § 115 abs. 2 nr. 1 fgo zuzulassen.
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3 C 32/22
2022-06-29T00:00:00
Urteil
Tenor Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.060,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn der Kläger nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 1Tatbestand: 2Die Beklagte betreibt unter ihrem Namen als Einzelkauffrau das Familienhotel F in T. Der Kläger buchte am 3.12.2021 für sich und seine Familie ein Drei- Raum-Appartement zum Tarif „All-Inclusive-Premium“ zum Preis von 2.120,00 € für die Zeit vom 3.1.2022 bis 7.1.2022. Nach den Vertragsbedingungen sollte bei einer Stornierung der Buchung im Zeitraum von 30 bis 3 Tagen vor Reiseantritt ein Stornoentgelt von 50 % des Gesamtpreises zu zahlen sein. 3Am 23.12.2021 erhielt der Kläger per E-Mail ein Rundschreiben des Hotels. Neben Bildern aus dem Hotel und guten Wünschen für Weihnachten und das neue Jahr enthielt das Rundschreiben unter der Überschrift „... ein persönliches Statement“ folgenden Text: 4„Die Gesundheit unserer großen und kleinen Gäste und Mitarbeitenden liegt uns sehr am Herzen! 5Gerade vorgestern wurde die Umsetzung unseres Hygienekonzeptes vor Ort erneut ohne Beanstandung bei einem spontanen Besuch der Behörde abgenommen. 6Was mich jedoch sehr besorgt: 7Wir werden seit Wochen per Verordnung dazu gedrängt, Menschen auszugrenzen; denn es gelte 2G für Privatreisende und 3G bei Geschäftsreisen. Das fällt uns schwer. Und wir haben gleichzeitig Verständnis für Menschen, die sich die Injektionen aus unterschiedlichen Gründen nicht verabreichen lassen wollen. Wir haben festgestellt, dass dieses Verständnis von vielen Menschen und Medien gerade als herzlos angesehen wird. Dabei geht es genau um Herzlichkeit, Menschlichkeit, Nächstenliebe (egal welchen Impfstatus der Nächste hat). 8Verfallen wir nicht in den Fehler, bei jedem Andersmeinenden entweder an seinem Verstand oder an seinem guten Willen zu zweifeln. Otto von Bismarck 9Ich wünsche mir zu Weihnachten, dass wir alle als Menschen wieder näher zusammenrücken und uns gegenseitig achten. Ich hoffe, das ist nicht zuviel verlangt für das Christkind. 10E U“ 11Sofort nach Erhalt des Rundschreibens schickte der Kläger eine E-Mail an das Hotel und stornierte die Buchung. Er begründete dies damit, dass er nach dem Rundschreiben und einer Recherche im Internet befürchte, dass in dem Hotel die Corona-Regeln nicht eingehalten würden und er Angst um die Gesundheit seiner Kinder habe. 12Der Kläger ist der Ansicht insbesondere aufgrund der weiteren Berichterstattung in den Medien und den Verlautbarungen der Beklagten ein außerordentliches Kündigungsrecht zu haben. 13Der Beklagte trägt insoweit folgendes vor: 14Auf der Website X habe der Westdeutsche Rundfunk am 22.12.2021 berichtet, dass die Eigentümerin des Hotels in einem Internetportal ausdrücklich ungeimpftes Personal suchte und dies damit begründete, dass sie Ungeimpften eine Chance geben und damit die Ausgrenzung von Ungeimpften „ein bisschen ausgleichen“ wolle. In dem Bericht werde auch eine Mutter zitiert, dass die Mitarbeiter keine Maske tragen würden. 15Ferner zeige ein Bericht des Westdeutschen Rundfunks vom 16.4.2021 (X), dass die Eigentümerin des Hotels F die Corona-Regeln anscheinend bewusst missachte. Damals hätte sie touristische Gäste aufgenommen, obwohl nur die Aufnahme von Geschäftsreisenden zulässig war. 16Der Kläger ist der Ansicht, dass die Beklagte Coronaschutzregeln missachte und in bester Querdenker-Manier dies verschleiere, indem sie zwar auf die Regeln hinweise, aber gleichzeitig deutlich mache, dass sie deren Einhaltung nicht kontrolliere. So weise sie auf der Website des Hotels ausdrücklich darauf hin, dass auch Nicht-Impffähige kommen dürfen und dass sie niemanden aufgrund seiner Gesundheitseinstellung diskriminieren wird. Auch die Ausführung zur Maskenpflicht „Wer keine Maske tragen kann, wird von uns nicht belästigt: Wir nehmen darauf Rücksicht und gehen davon aus, dass es einen guten Grund dafür gibt“ sei eine nur wenig versteckte Einladung für Impf- und Maskengegner. 17Auch sei die Beklagte wegen Verstoßes gegen die CoronaSchVO zu einer Geldbuße von 15.000,00 Euro verurteilt worden. 18Der Kläger beantragt, 19die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.060,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. 20Die Beklagte beantragt, 21die Klage abzuweisen. 22Ansonsten hat die Beklagte trotz mehrfacher Aufforderung keine unterschriebenen Schriftsätze zur Klageerwiderung eingereicht. Lediglich ihr letzter Schriftsatz vom 19.05.2022, mit dem sie ihre Zustimmung zu einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt, ist unterzeichnet. 23Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die Klageschrift und die sich in der Akte befindlichen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen. 24Entscheidungsgründe: 25Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat nach der fristlosen Kündigung des zwischen den Parteien geschlossenen Beherbergungsvertrages einen Anspruch auf komplette Rückzahlung der bereits geleisteten Anzahlung aus § 812 Abs. 1 BGB. 26Der Kläger war berechtigt, den Vertrag entsprechend der Regeln für den Mietvertrag § 543 BGB aus wichtigem Grund zu kündigen, so dass die Beklagte die komplette Anzahlung rechtsgrundlos erhalten hat und um diese ungerechtfertigt bereichert ist. 27Nach dem unstreitigen Vortrag des Klägers hat die Beklagte, bereits in der Reservierungsbestätigung deutlich gemacht, dass sie die Corona-Regeln als Ausgrenzungsregeln ansieht und sie der Impfstatus nicht interessiert. Dadurch, dass die Beklagte auch unstreitig in einem entsprechenden Internetportal ausdrücklich ungeimpftes Personal gesucht hat, hat sie den öffentlichen Eindruck, sie lehne die CoronaSchVO weitgehend ab, nochmal verstärkt. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil gegen die Beklagte rechtskräftig durch Bußgeldbescheide der Stadt T wegen Verstoßes gegen die CoronaSchVO NRW i.V.m. dem IfSG als Hotelbetreiberin Geldbußen von insgesamt 15.000,00 Euro verhängt wurden und zwei weitere Verfahren nach § 47 OWiG eingestellt wurden. Die Betroffene hat die Einsprüche gegen die Bußgeldbescheide in Höhe von insgesamt 15.000,00 Euro zurückgenommen. Von einem Freispruch kann keine Rede sein. Hinzu kommt, dass sich die Beklagte auch in den zahlreichen Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen Verstößen gegen die CoronaSchVO in ihrem Hotel mit den Betroffenen solidarisiert hat und sich auch öffentlich durch Interviews auf YouTube auf dem Channel "Frontwolf" deutlich im Sinne der "Coronaleugner" bzw. "Coronagegner" geäußert hat. Die vorgenannten Tatsachen sind dem Gericht offenkundig (vgl. dazu MüKoZPO, ZPO § 291 Rn. 10). 28Damit hat die Beklagte in ganz erheblicher Weise nach außen den Rechtsschein gesetzt, dass sie die CoronaSchVO nicht nur ablehnt, sondern auch zu umgehen versucht. Hierdurch war es dem Kläger, der die Corona-Pandemie offenkundig ernst nimmt, schlicht nicht mehr zuzumuten, mit seiner Familie im Hotel der Beklagten zu übernachten und Urlaub zu machen. Denn der Kläger hätte aufgrund dieses durch die Beklagte selbst erzeugten Eindrucks keinen unbeschwerten Urlaub machen können, sondern hätte stets die latente Angst vor Hygienemängeln und damit der Gefahr vor einer Infektion von sich oder seiner Familie mit des SARS-Covid 2 Virus haben müssen. Dabei kann es völlig dahinstehen, ob die Beklagte zu dem fraglichen Zeitpunkt tatsächlich weiter gegen Bestimmungen der CoronaSchVO NRW verstoßen hat und ob zu diesem Zeitpunkt tatsächlich Hygieneverstöße vorlagen. Dem Kläger war es weder zumutbar, noch möglich dieses zu prüfen. Es ist daher aufgrund der Äußerungen der Beklagten nachvollziehbar, dass der Kläger ernsthafte Befürchtungen haben musste, dass im Beherbergungsbetrieb der Beklagten in allen Bereichen, insbesondere aber auch im nicht für die Gäste sichtbaren Bereich (Küche, Zimmerreinigung pp.) gegen die Hygienevorschriften und Empfehlungen der anerkannten medizinischen Wissenschaft und des RKI (Robert-Koch-Institut) verstoßen wird. 29Sowohl die WHO (World Health Organization), als auch der RKI stufen bei entsprechenden Hygieneverstößen das Infektionsrisiko mit dem SarsCov2- Erreger als hoch ein. Beide vorgenannten Institutionen gehen auch davon aus, dass eine solche Infektion im Einzelfall zu schwerwiegenden Folgen, ggf. Dauerschäden und im Einzelfall auch zum Tod führen kann. 30Aufgrund des von der Beklagten gesetzten äußeren Anscheins war mithin schlichtweg die weitere Geschäftsgrundlage entfallen, da der Kläger sich und seine Familie auch nicht ansatzweise einem solchen Risiko aufgrund fehlerhaften Verhaltens in einem Beherbergungsbetrieb aussetzen musste. In einem solchen Fall, der zur Kündigung aus wichtigem Grund führt, können die AGB der Beklagten einer fristlosen Kündigung und dem daraus entstehenden Erstattungsanspruch nicht entgegenstehen. 31Auch war hier eine vorherige Abmahnung der Beklagten aufgrund ihres vorherigen Auftretens nicht erforderlich, da mit einer ernsthaften Änderung ihrer Einstellung nicht zu rechnen war. 32Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Der Streitwert wird auf 1.060,00 EUR festgesetzt. 33Rechtsbehelfsbelehrung: 34Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist, 351. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder 362. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist. 37Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils bei dem Landgericht Arnsberg, Brückenplatz 7, 59821 Arnsberg, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten. 38Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils gegenüber dem Landgericht Arnsberg zu begründen. 39Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Arnsberg durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein. 40Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
die beklagte wird verurteilt, an den kläger 1.060,00 € nebst zinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem basiszinssatz seit rechtshängigkeit zu zahlen. die beklagte trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist vorläufig vollstreckbar. die beklagte kann die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des zu vollstreckenden betrages abwenden, wenn der kläger nicht zuvor sicherheit in gleicher höhe leistet. 1
2die beklagte betreibt unter ihrem namen als einzelkauffrau das familienhotel f in t. der kläger buchte am 3.12.2021 für sich und seine familie ein drei- raum-appartement zum tarif „all-inclusive-premium“ zum preis von 2.120,00 € für die zeit vom 3.1.2022 bis 7.1.2022. nach den vertragsbedingungen sollte bei einer stornierung der buchung im zeitraum von 30 bis 3 tagen vor reiseantritt ein stornoentgelt von 50 % des gesamtpreises zu zahlen sein. 3am 23.12.2021 erhielt der kläger per e-mail ein rundschreiben des hotels. neben bildern aus dem hotel und guten wünschen für weihnachten und das neue jahr enthielt das rundschreiben unter der überschrift „... ein persönliches statement“ folgenden text: 4„die gesundheit unserer großen und kleinen gäste und mitarbeitenden liegt uns sehr am herzen! 5gerade vorgestern wurde die umsetzung unseres hygienekonzeptes vor ort erneut ohne beanstandung bei einem spontanen besuch der behörde abgenommen. 6was mich jedoch sehr besorgt: 7wir werden seit wochen per verordnung dazu gedrängt, menschen auszugrenzen; denn es gelte 2g für privatreisende und 3g bei geschäftsreisen. das fällt uns schwer. und wir haben gleichzeitig verständnis für menschen, die sich die injektionen aus unterschiedlichen gründen nicht verabreichen lassen wollen. wir haben festgestellt, dass dieses verständnis von vielen menschen und medien gerade als herzlos angesehen wird. dabei geht es genau um herzlichkeit, menschlichkeit, nächstenliebe (egal welchen impfstatus der nächste hat). 8verfallen wir nicht in den fehler, bei jedem andersmeinenden entweder an seinem verstand oder an seinem guten willen zu zweifeln. otto von bismarck 9ich wünsche mir zu weihnachten, dass wir alle als menschen wieder näher zusammenrücken und uns gegenseitig achten. ich hoffe, das ist nicht zuviel verlangt für das christkind. 10e u“ 11sofort nach erhalt des rundschreibens schickte der kläger eine e-mail an das hotel und stornierte die buchung. er begründete dies damit, dass er nach dem rundschreiben und einer recherche im internet befürchte, dass in dem hotel die corona-regeln nicht eingehalten würden und er angst um die gesundheit seiner kinder habe. 12der kläger ist der ansicht insbesondere aufgrund der weiteren berichterstattung in den medien und den verlautbarungen der beklagten ein außerordentliches kündigungsrecht zu haben. 13der beklagte trägt insoweit folgendes vor: 14auf der website x habe der westdeutsche rundfunk am 22.12.2021 berichtet, dass die eigentümerin des hotels in einem internetportal ausdrücklich ungeimpftes personal suchte und dies damit begründete, dass sie ungeimpften eine chance geben und damit die ausgrenzung von ungeimpften „ein bisschen ausgleichen“ wolle. in dem bericht werde auch eine mutter zitiert, dass die mitarbeiter keine maske tragen würden. 15ferner zeige ein bericht des westdeutschen rundfunks vom 16.4.2021 (x), dass die eigentümerin des hotels f die corona-regeln anscheinend bewusst missachte. damals hätte sie touristische gäste aufgenommen, obwohl nur die aufnahme von geschäftsreisenden zulässig war. 16der kläger ist der ansicht, dass die beklagte coronaschutzregeln missachte und in bester querdenker-manier dies verschleiere, indem sie zwar auf die regeln hinweise, aber gleichzeitig deutlich mache, dass sie deren einhaltung nicht kontrolliere. so weise sie auf der website des hotels ausdrücklich darauf hin, dass auch nicht-impffähige kommen dürfen und dass sie niemanden aufgrund seiner gesundheitseinstellung diskriminieren wird. auch die ausführung zur maskenpflicht „wer keine maske tragen kann, wird von uns nicht belästigt: wir nehmen darauf rücksicht und gehen davon aus, dass es einen guten grund dafür gibt“ sei eine nur wenig versteckte einladung für impf- und maskengegner. 17auch sei die beklagte wegen verstoßes gegen die coronaschvo zu einer geldbuße von 15.000,00 euro verurteilt worden. 18der kläger beantragt, 19die beklagte zu verurteilen, an den kläger 1.060,00 € nebst zinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem basiszinssatz seit rechtshängigkeit zu zahlen. 20die beklagte beantragt, 21die klage abzuweisen. 22ansonsten hat die beklagte trotz mehrfacher aufforderung keine unterschriebenen schriftsätze zur klageerwiderung eingereicht. lediglich ihr letzter schriftsatz vom 19.05.2022, mit dem sie ihre zustimmung zu einer entscheidung im schriftlichen verfahren erklärt, ist unterzeichnet. 23zur ergänzung des sach- und streitstandes wird auf die klageschrift und die sich in der akte befindlichen schriftsätze der parteien nebst anlagen verwiesen. 24
25die zulässige klage ist begründet. der kläger hat nach der fristlosen kündigung des zwischen den parteien geschlossenen beherbergungsvertrages einen anspruch auf komplette rückzahlung der bereits geleisteten anzahlung aus § 812 abs. 1 bgb. 26der kläger war berechtigt, den vertrag entsprechend der regeln für den mietvertrag § 543 bgb aus wichtigem grund zu kündigen, so dass die beklagte die komplette anzahlung rechtsgrundlos erhalten hat und um diese ungerechtfertigt bereichert ist. 27nach dem unstreitigen vortrag des klägers hat die beklagte, bereits in der reservierungsbestätigung deutlich gemacht, dass sie die corona-regeln als ausgrenzungsregeln ansieht und sie der impfstatus nicht interessiert. dadurch, dass die beklagte auch unstreitig in einem entsprechenden internetportal ausdrücklich ungeimpftes personal gesucht hat, hat sie den öffentlichen eindruck, sie lehne die coronaschvo weitgehend ab, nochmal verstärkt. dies gilt insbesondere auch deshalb, weil gegen die beklagte rechtskräftig durch bußgeldbescheide der stadt t wegen verstoßes gegen die coronaschvo nrw i.v.m. dem ifsg als hotelbetreiberin geldbußen von insgesamt 15.000,00 euro verhängt wurden und zwei weitere verfahren nach § 47 owig eingestellt wurden. die betroffene hat die einsprüche gegen die bußgeldbescheide in höhe von insgesamt 15.000,00 euro zurückgenommen. von einem freispruch kann keine rede sein. hinzu kommt, dass sich die beklagte auch in den zahlreichen ordnungswidrigkeitenverfahren wegen verstößen gegen die coronaschvo in ihrem hotel mit den betroffenen solidarisiert hat und sich auch öffentlich durch interviews auf youtube auf dem channel "frontwolf" deutlich im sinne der "coronaleugner" bzw. "coronagegner" geäußert hat. die vorgenannten tatsachen sind dem gericht offenkundig (vgl. dazu mükozpo, zpo § 291 rn. 10). 28damit hat die beklagte in ganz erheblicher weise nach außen den rechtsschein gesetzt, dass sie die coronaschvo nicht nur ablehnt, sondern auch zu umgehen versucht. hierdurch war es dem kläger, der die corona-pandemie offenkundig ernst nimmt, schlicht nicht mehr zuzumuten, mit seiner familie im hotel der beklagten zu übernachten und urlaub zu machen. denn der kläger hätte aufgrund dieses durch die beklagte selbst erzeugten eindrucks keinen unbeschwerten urlaub machen können, sondern hätte stets die latente angst vor hygienemängeln und damit der gefahr vor einer infektion von sich oder seiner familie mit des sars-covid 2 virus haben müssen. dabei kann es völlig dahinstehen, ob die beklagte zu dem fraglichen zeitpunkt tatsächlich weiter gegen bestimmungen der coronaschvo nrw verstoßen hat und ob zu diesem zeitpunkt tatsächlich hygieneverstöße vorlagen. dem kläger war es weder zumutbar, noch möglich dieses zu prüfen. es ist daher aufgrund der äußerungen der beklagten nachvollziehbar, dass der kläger ernsthafte befürchtungen haben musste, dass im beherbergungsbetrieb der beklagten in allen bereichen, insbesondere aber auch im nicht für die gäste sichtbaren bereich (küche, zimmerreinigung pp.) gegen die hygienevorschriften und empfehlungen der anerkannten medizinischen wissenschaft und des rki (robert-koch-institut) verstoßen wird. 29sowohl die who (world health organization), als auch der rki stufen bei entsprechenden hygieneverstößen das infektionsrisiko mit dem sarscov2- erreger als hoch ein. beide vorgenannten institutionen gehen auch davon aus, dass eine solche infektion im einzelfall zu schwerwiegenden folgen, ggf. dauerschäden und im einzelfall auch zum tod führen kann. 30aufgrund des von der beklagten gesetzten äußeren anscheins war mithin schlichtweg die weitere geschäftsgrundlage entfallen, da der kläger sich und seine familie auch nicht ansatzweise einem solchen risiko aufgrund fehlerhaften verhaltens in einem beherbergungsbetrieb aussetzen musste. in einem solchen fall, der zur kündigung aus wichtigem grund führt, können die agb der beklagten einer fristlosen kündigung und dem daraus entstehenden erstattungsanspruch nicht entgegenstehen. 31auch war hier eine vorherige abmahnung der beklagten aufgrund ihres vorherigen auftretens nicht erforderlich, da mit einer ernsthaften änderung ihrer einstellung nicht zu rechnen war. 32die kostenentscheidung folgt aus § 91 zpo. die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 nr. 11, 711 zpo. der streitwert wird auf 1.060,00 eur festgesetzt. 33rechtsbehelfsbelehrung: 34gegen dieses urteil ist das rechtsmittel der berufung für jeden zulässig, der durch dieses urteil in seinen rechten benachteiligt ist, 351. wenn der wert des beschwerdegegenstandes 600,00 eur übersteigt oder 362. wenn die berufung in dem urteil durch das amtsgericht zugelassen worden ist. 37die berufung muss innerhalb einer notfrist von einem monat nach zustellung dieses urteils bei dem landgericht arnsberg, brückenplatz 7, 59821 arnsberg, eingegangen sein. die berufungsschrift muss die bezeichnung des urteils, gegen das die berufung gerichtet wird, sowie die erklärung, dass gegen dieses urteil berufung eingelegt werde, enthalten. 38die berufung ist, sofern nicht bereits in der berufungsschrift erfolgt, binnen zwei monaten nach zustellung dieses urteils gegenüber dem landgericht arnsberg zu begründen. 39die parteien müssen sich vor dem landgericht arnsberg durch einen rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die berufungs- und die berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein. 40mit der berufungsschrift soll eine ausfertigung oder beglaubigte abschrift des angefochtenen urteils vorgelegt werden.
345,673
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13 D 75/18.EK
2022-06-24T00:00:00
Urteil
Tenor Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine Entschädigung wegen unangemessener Dauer der Verfahren VG Gelsenkirchen 17 K 3717/16 und OVG NRW 5 A 2807/19 in Höhe von 1.700 Euro zu zahlen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Revision wird nicht zugelassen. 1Tatbestand: 2Der Kläger begehrt eine Entschädigung wegen überlanger Dauer eines erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsverfahrens. 3Am 0. Juni 2016 fand in den E. Stadtteilen E1. und I. die von der Partei „Die S. “ angemeldete Veranstaltung „0. Tag der E2. A. – X. “ statt. In diesem Zusammenhang kam es gegen Mittag zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen Polizeibeamten und einer größeren Gruppe von polizeilich dem linksextremen Lager zugeordneten Personen. In der Folge erteilten die Polizeibeamten 90 Personen dieser Gruppe, unter denen sich auch der Kläger befand, mündlich Platzverweise für das gesamte E. Stadtgebiet bis zum Ablauf des Tages. Hiergegen erhob der Kläger am 13. Dezember 2016 Fortsetzungsfeststellungsklage, die den Gegenstand des Ausgangsverfahrens (VG Gelsenkirchen 17 K 3717/16 und OVG NRW 5 A 2807/19), dessen Überlänge er rügt, bildet. Entsprechend verfuhren zwischen Juni und Dezember 2016 zehn weitere Betroffene. 4Die vom Verwaltungsgericht mit Eingangsverfügung vom 15. Dezember 2016 erbetene Klageerwiderung nebst Übersendung der Verwaltungsvorgänge erfolgte am 22. Dezember 2016. In der Folge tauschten die Beteiligten weitere Schriftsätze aus. Der Kläger teilte unter dem 6. März 2017 mit, dass er eine weitere Stellungnahme auf den Schriftsatz des Beklagten vom 23. Februar 2017 für nicht erforderlich halte. 5Unter dem 9. März 2018 fragte der Kläger nach dem Sachstand und rügte die Verzögerung des erstinstanzlichen Verfahrens. Das Verwaltungsgericht teilte daraufhin mit, dass ein konkreter Fortgang des Verfahrens angesichts der großen Belastung der Kammer durch annähernd noch 500 anhängige Syrien-Asylverfahren und weitere zeitlich ältere Verfahren im Dezernat des Berichterstatters noch nicht abgesehen werden könne. 6Der Kläger hat am 3. Oktober 2018 Klage auf Entschädigung wegen überlanger Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erhoben. Der Senat hat das Verfahren mit Beschluss vom 8. Mai 2019 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Ausgangsverfahrens ruhend gestellt. 7In der mündlichen Verhandlung vom 4. Juni 2019 verband das Verwaltungsgericht das Verfahren des Klägers zusammen mit den zehn weiteren bei ihm anhängig gemachten Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung und Verhandlung, führte sie unter dem Aktenzeichen 17 K 3717/16 fort und wies die Klage mit am 5. Juli 2019 zugestelltem Urteil mangels eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses als unzulässig ab. 8Der Kläger beantragte am 8. Juli 2019, die Berufung gegen das Urteil zuzulassen. Die Zulassungsbegründung erfolgte am 3. September 2019. Zur Begründung berief sich der Kläger auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, machte die grundsätzliche Bedeutung des Verfahrens geltend und rügte im Einzelnen näher benannte Verfahrensfehler. 9Der Beklagte teilte am 21. Oktober 2019 – nachdem er zunächst um Fristverlängerung gebeten hatte – mit, dass er auf die Möglichkeit einer Stellungnahme verzichte. 10Am 23. Dezember 2020 rügte der Kläger die Verzögerung des zweitinstanzlichen Verfahrens. 11Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen ließ die Berufung mit Beschluss vom 22. April 2021 wegen besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten zu. Zur Begründung führte es aus, dass im Berufungsverfahren zu klären sein werde, welche Anforderungen an die Geltendmachung eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses für den Fall eines sich kurzfristig erledigenden Grundrechtseingriffs zu stellen seien und ob der Beklagte den Klägern einen Platzverweis für das gesamte Stadtgebiet E. habe erteilen können. 12Zur Berufungsbegründung verwies der Kläger sodann unter dem 26. April 2021 auf seine Ausführungen aus dem Zulassungsantrag. Der Beklagte beantragte am 31. Mai 2021, die Berufung zurückzuweisen. Auf entsprechende Anfrage des Oberverwaltungsgerichts erklärten sich die Beteiligten am 8. bzw. 16. Juli 2021 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden. Der Kläger nahm die Möglichkeit zur abschließenden Stellungnahme am 24. August 2021 wahr. 13Mit Urteil vom 27. September 2021, zugestellt am 1. Oktober 2021, stellte das Oberverwaltungsgericht unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung fest, dass der Platzverweis vom 4. Juni 2016 rechtswidrig gewesen ist. Zur Begründung führte es aus, dass die Klagen zulässig seien. Die Kläger hätten entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse wegen einer sich regelmäßig zeitnah erledigenden Maßnahme. Die Klagen seien auch begründet, da die von den Polizeibeamten den Klägern erteilten Platzverweise rechtswidrig gewesen seien. Der Begriff des Ortes in § 34 Abs. 1 Satz 1 PolG NRW sei dahingehend auszulegen, dass ein hierauf gestützter Platzverweis nicht das Gebiet einer gesamten Gemeinde umfassen könne. 14Der Kläger beantragte am 1. November 2021 die Wiederaufnahme des ruhend gestellten Entschädigungsverfahrens. Zur Begründung seiner Entschädigungsklage trägt er im Wesentlichen vor, dass das Verwaltungsgericht ab dem 9. März 2018 bis zum 25. April 2019, mithin 13 Monate lang, untätig gewesen sei. Die Untätigkeit in der zweiten Instanz betrage vier Monate. Bei der danach geltend gemachten 17-monatigen unangemessenen Verfahrensdauer genüge keine Wiedergutmachung durch Feststellung der Verzögerung. Seine Position sei durch die Entscheidung verbessert worden. Es müsse nun nicht mehr befürchtet werden, aufgrund einer ähnlichen Fallgestaltung in Nordrhein-Westfalen ein Aufenthaltsverbot für ein gesamtes Stadtgebiet zu erhalten und hierdurch das Versammlungsrecht nicht mehr in Anspruch nehmen zu können. Die besondere Bedeutung der Entscheidung zeige sich auch darin, dass sie von der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen veröffentlicht und in der Literatur vielfach besprochen worden sei. Entschädigungsausschließend wirke auch nicht der Zeitpunkt der Klageerhebung, da diese binnen Jahresfrist und somit auch noch deutlich später als vorliegend geschehen hätte erhoben werden können. 15Der Kläger beantragt schriftsätzlich, 16den Beklagten zu verurteilen, ihm 1.700 Euro zu zahlen. 17Der Beklagte beantragt schriftsätzlich, 18die Klage abzuweisen. 19Er trägt vor, dass eine Verzögerung des Ausgangsverfahrens in erheblichem Maße auf der starken Belastung der im Ausgangsverfahren zuständigen Kammer mit asylrechtlichen Verfahren beruht habe. Hierbei handele es sich um außergewöhnliche Umstände, deren Bewältigung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe darstelle und dem Einzelnen insoweit auch das Solidaropfer einer längeren, entschädigungslosen Verfahrenslaufzeit abverlangen müsse. Dies müsse jedenfalls dann gelten, wenn – wie hier – über die bloße Verzögerung hinausgehende Nachteile nicht vorgetragen würden; andernfalls würde jedes Anhängigmachen eines Verwaltungsrechtsstreits in Zeiten starker Belastung einen Anspruch auf Entschädigung herbeiführen. Jedenfalls sei aber eine Wiedergutmachung auf andere Weise ausreichend. Die Beeinträchtigung des Klägers erschöpfe sich – mangels weitergehenden Vortrags – in einer (etwaigen) Überlänge des Ausgangsverfahrens. Auch das prozessuale Verhalten des Klägers im Ausgangsverfahren zeige, dass das Verfahren für ihn selbst keine besondere Dringlichkeit aufgewiesen habe. Denn er habe erst ein halbes Jahr nach dem Platzverweis Klage erhoben. Zudem sei der hohe Schwierigkeitsgrad der Sache zu beachten, da bislang offene Rechtsfragen geklärt worden seien. 20Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. 21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens und der Verfahren des Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (vor der Verbindung 17 K 8793/16 und danach 17 K 3717/16) sowie des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (5 A 2807/19) Bezug genommen. 22Entscheidungsgründe: 23Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung. 24Die zulässige Klage ist begründet. 25Der Kläger hat einen Anspruch auf Ausgleich seines immateriellen Nachteils wegen unangemessener Dauer der Gerichtsverfahren 17 K 3717/16 vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen und 5 A 2807/19 vor dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Höhe der eingeklagten 1.700 Euro. 26Der Anspruch auf Entschädigung folgt aus § 198 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 GVG. Diese Regelungen sind im Verwaltungsprozess gemäß § 173 Satz 2 VwGO entsprechend anwendbar. Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Der durch eine unangemessene Verfahrensdauer eingetretene immaterielle Nachteil ist nach Maßgabe des § 198 Abs. 2 GVG zu entschädigen. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Dauer der von dem Kläger in Bezug genommenen Gerichtsverfahren vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen und dem Oberverwaltungsgericht war im Umfang von 27 Monaten unangemessen (I.). Der Anspruch auf Entschädigung ist nicht für den vor der Erhebung der Verzögerungsrüge liegenden Zeitraum ausgeschlossen (II.). Der Kläger hat durch die Verzögerung einen immateriellen Nachteil erlitten, der antragsgemäß mit einem Betrag von 1.700 Euro zu entschädigen ist (III.). 27I. Die Dauer des Gerichtsverfahrens von der Klageerhebung am 13. Dezember 2016 bis zur Übermittlung des Berufungsurteils des Oberverwaltungsgerichts vom 27. September 2021, das war am 1. Oktober 2021, 28vgl. zur Maßgeblichkeit dieses Zeitpunkts OVG NRW, Urteil vom 28. September 2015 - 13 D 27/14 -, juris, Rn. 44, 29war bei der gebotenen Gesamtbetrachtung beider Instanzen, 30vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Februar 2014 - 5 C 1.13 D -, juris, Rn. 11 f., und vom 11. Juli 2013 ‑ 5 C 23.12 D -, juris, Rn. 16 f.; OVG NRW, Urteil vom 10. Februar 2017 - 13 D 75/15 -, juris, Rn. 14, 31im Umfang von 27 Monaten unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG. 32Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG). Damit sind schematische zeitliche Vorgaben für die Angemessenheit ausgeschlossen. Bei der notwendigen Einzelfallbetrachtung ist die Verfahrensdauer unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere, aber nicht zwingend nur an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls ergibt, dass die aus konventions- und verfassungsrechtlichen Normen folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, verletzt ist. 33Vgl. zu den Maßstäben im Einzelnen BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 - 5 C 23.12 D -, juris, Rn. 26 ff., m. w. N.; OVG NRW, Urteile vom 28. September 2015 ‑ 13 D 27/14, 13 D 116 /14, 13 D 117/14, 13 D 11/15, 13 D 12/15 -, jeweils juris. 34Unter Berücksichtigung der maßgeblichen Umstände (1.) war die Verfahrensdauer sowohl beim Verwaltungsgericht (2.) als auch beim Oberverwaltungsgericht unangemessen (3.). 351. § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benennt als Kriterien für die Angemessenheit der Verfahrensdauer ausdrücklich die Schwierigkeit (a) und Bedeutung des Verfahrens (b) und das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (c). 36a. Die Schwierigkeit eines Verfahrens hängt vom zugrunde liegenden Sachverhalt, der Rechtslage und den konkreten Umständen eines Verfahrens ab. Tatsächliche Schwierigkeiten können sich unter anderem aus dem Umfang des Falls sowie der Beteiligung mehrerer Verfahrensbeteiligter ergeben. Rechtliche Schwierigkeiten können beispielsweise darauf beruhen, dass die Entscheidung von bisher ungeklärten komplizierten Rechtsfragen abhängt. 37Vgl. Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 1. Aufl. 2013, § 198 GVG, Rn. 103 ff., m. w. N.; Stahnecker, Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren, S. 13, Rn. 38 ff. 38Danach waren sowohl das erstinstanzliche als auch das zweitinstanzlichen Verfahren zumindest in rechtlicher Hinsicht überdurchschnittlich schwierig. Es waren komplexe, zum Teil noch ungeklärte Rechtsfragen zu beantworten. Wenngleich es auf die Frage, ob ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse für den Fall eines sich kurzfristig erledigenden Grundrechtseingriffs an einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff gebunden ist, letztlich nicht ankam, 39vgl. im Ausgangsverfahren OVG NRW, Urteil vom 27. September 2021 - 5 A 2807/19 -, juris, Rn. 60, 40blieb materiell-rechtlich die bis dahin obergerichtlich noch nicht geklärte Frage zu beantworten, ob der Begriff des Ortes in § 34 Abs. 1 Satz 1 PolG NRW das Gebiet einer gesamten Gemeinde umfassen kann (juris, Rn. 69 ff.). 41b. Das Verfahren war für den Kläger von durchschnittlicher Bedeutung. Die Bedeutung der Sache ist in einer objektivierten Weise zu bestimmen. Sie ist zu bemessen aus der Sicht eines verständigen Verfahrensbeteiligten. Bloße subjektive Einschätzungen von Betroffenen müssen daher außer Betracht bleiben. 42Vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 14. April 2021 ‑ 13 F 73/20 -, juris, Rn. 51; Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 1. Aufl. 2013, § 198 GVG, Rn. 109, m. w. N. 43Als besonders bedeutsam sind danach Verfahren einzuordnen, die für die wirtschaftliche, berufliche oder persönliche Existenz eines Beteiligten von maßgeblicher Bedeutung sind. Beteiligte können aus diesem Grunde ein gerechtfertigtes Interesse an einem schnellen Ausgang des Verfahrens haben. 44Vgl. BVerwG, Anerkenntnisurteil vom 17. August 2017 - 5 A 2.17 D -, juris, Rn. 29; Bay. VGH, Urteile vom 13. Juni 2019 - 24 A 18.2049 -, juris, Rn. 33, und vom 10. Dezember 2015 - 23 A 14.2252 -, juris, Rn. 44, jeweils m. w. N. 45Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nimmt eine besondere Bedeutung des Verfahrens an, wenn es um Eingriffe in die persönliche Freiheit oder die Gesundheit von Betroffenen, um die Klärung finanzieller Existenzfragen etwa in Versorgungsangelegenheiten oder um Eltern-Kind-Beziehungen geht. 46Vgl. Steinbeiß-Winkelmann, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 1. Aufl. 2013, Teil I Einführung, Rn. 33. 47Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gehören beispielsweise Verfahren, bei denen dem Grunde oder der Höhe nach um Fürsorgeleistungen gestritten wird, zu den Rechtsangelegenheiten, die wegen ihrer Natur und ihrer Bedeutung für die Betroffenen besonders zu fördern sind. Eine besondere Bedeutung für den Betroffenen ist auch bei Rechtsstreitigkeiten anzunehmen, die zwar nicht die Sicherung des Existenzminimums betreffen, sondern Sozialleistungen, auf die der Betroffene zur Sicherung seines laufenden Lebensunterhalts angewiesen ist. 48Vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 2014 ‑ 1 BvR 2186/14 -, juris, Rn. 8. 49Auch Verfahren über das Sorge- oder Umgangsrecht für Kinder, Verfahren über den Personenstand und die Geschäftsfähigkeit oder Arbeitssachen bedürfen einer besonderen Beschleunigung. 50Vgl. Althammer/Schäuble: Effektiver Rechtsschutz bei überlanger Verfahrensdauer – Das neue Gesetz aus zivilrechtlicher Perspektive, in: NJW 2012, 1 (2), m. w. N. 51Orientiert an diesen Fallgruppen schätzt der Senat die objektive Bedeutung des Ausgangsverfahrens für den Kläger als durchschnittlich ein. Zwar war der angegriffene Platzverweis im Zeitpunkt der Klageerhebung bereits erledigt, ohne dass der Kläger mit einer hinreichend konkreten Wiederholungsgefahr zu rechnen brauchte. 52Vgl. im Ausgangsverfahren OVG NRW, Urteil vom 27. Februar 2021 - 5 A 2807/19 -, juris, Rn. 33 ff. 53Gleichwohl ging es in dem Verfahren um Fragen im Zusammenhang mit der Reichweite von polizeilichen Eingriffsbefugnissen, die nicht nur für den Kläger, dem mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG ein Fortsetzungsfeststellunginteresse zukam, sondern auch für die Allgemeinheit bedeutsam waren. 54Vgl. zur Berücksichtigung dieses Gerichtspunkts Steinbeiß-Winkelmann, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 1. Aufl. 2013, § 198 GVG Rn. 108. 55Hierfür spricht allein die Anzahl von ca. 90 Personen, die wie der Kläger von gleichartigen Platzverweisen betroffen waren. Dass das Ausgangsverfahren aber einer besonderen Beschleunigung bedurft hätte, hat der Kläger weder im Ausgangsverfahren noch im Entschädigungsverfahren hinreichend geltend gemacht. Dies ist auch sonst nicht erkennbar. 56c. Das Verhalten der Beteiligten war nicht mitursächlich für die Verfahrensdauer. 57aa. Insbesondere hat der Kläger nicht zur Verzögerung des Verfahrens beigetragen. 58Bei der Prüfung der Angemessenheit der Verfahrensdauer ist gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG zu Lasten eines Verfahrensbeteiligten grundsätzlich nur ein Verhalten zu berücksichtigen, durch das eine Verzögerung herbeigeführt wird. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die Verfahrensbeteiligten, abgesehen insbesondere von der Obliegenheit zur Erhebung der Verzögerungsrüge, grundsätzlich nicht verpflichtet sind, aktiv darauf hinzuarbeiten, dass das Gericht das Verfahren in angemessener Zeit zum Abschluss bringt. Daher kann ihnen eine Passivität bei der im Rahmen der Ermittlung der angemessenen Dauer eines Gerichtsverfahrens erforderlichen Prüfung, ob die Verfahrensbeteiligten durch ihr Verhalten eine Verzögerung des Rechtsstreits bewirkt haben, nicht angelastet werden. Die Verpflichtung des Gerichts, das Verfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, ergibt sich unmittelbar aus der dem Staat obliegenden Justizgewährleistungspflicht, aus dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes und aus Art. 6 Abs. 1 EMRK. Ein Unterlassen der Förderung des Verfahrens führt nur dann zu einer einem Verfahrensbeteiligten anzulastenden Verzögerung, wenn eine entsprechende Rechtspflicht bestand. 59Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Februar 2016 - 5 C 31.15 D -, juris, Rn. 21. 60Das ist hier nicht der Fall. Dem Kläger gereicht es nicht zum Nachteil, dass er sich im erstinstanzlichen Verfahren rein passiv verhalten und nicht durch wiederholte Sachstandsanfragen oder sonstige Aufforderungen auf eine frühere Beschleunigung hingewirkt hat. Es bestand keine Rechtspflicht für den Kläger, die Verzögerungsrügen bereits früher zu erheben. Das Gesetz legt gerade keinen Zeitpunkt fest, zu dem die Rüge spätestens erhoben sein muss. 61Vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 14. April 2021 ‑ 13 F 73/20 -, juris, Rn. 54; OVG NRW, Urteil vom 10. Februar 2017 - 13 D 36/16 -, juris, Rn. 48, m. w. N.; Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 1. Aufl. 2013, § 198 GVG, Rn. 194 ff., m. w. N. 62bb. Auch der Beklagte hat nicht zur Verzögerung des Verfahrens beigetragen. Anlass zu einer abweichenden Beurteilung bietet insbesondere nicht der Fristverlängerungsantrag des Beklagten vom 16. Oktober 2021, da er – trotz der gewährten Fristverlängerung – bereits am 21. Oktober 2019 mitteilte, dass er auf die Möglichkeit zur Stellungnahme verzichte. 632. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ergibt sich hier bei der gebotenen Gesamtabwägung eine unangemessene Dauer des Verfahrens in der ersten Instanz im Umfang von fünfzehn Monaten. 64Die Klage war entscheidungsreif, nachdem der Kläger unter dem 6. März 2017 mitgeteilt hatte, dass keine Stellungnahme auf den letzten Schriftsatz des Beklagten erfolgen werde. Der Sachverhalt war zu diesem Zeitpunkt in tatsächlicher Hinsicht ausreichend aufbereitet und den Beteiligten war in hinreichender Weise rechtliches Gehör gewährt worden. 65Im vorliegenden Fall erscheint es angemessen, dem Verwaltungsgericht ab diesem Zeitpunkt einen (Gestaltungs-)Zeitraum von zehn Monaten für seine Entscheidung zuzugestehen, wann und wie es das Verfahren im Sinne eines Hinwirkens auf eine Erledigung des Prozesses fördert. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass – auch vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich gewährten richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) – die Verfahrensgestaltung in erster Linie dem mit der Sache befassten Gericht obliegt und ihm hinsichtlich der Entscheidung, wann und wie es eine bestimmte Sache in Abstimmung mit anderen bei ihm anhängigen Sachen terminiert oder sonst fördert, ein Spielraum zusteht. Der (Gestaltungs-)Zeitraum berücksichtigt weiter, dass das Gericht vor einer verfahrensfördernden Handlung oder Entscheidung zur Sache Zeit zur rechtlichen Durchdringung benötigt, um dem rechtsstaatlichen Anliegen zu genügen, eine grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes vorzunehmen. Der ab Eintritt der Entscheidungsreife zugestandene Zeitraum ist im Einzelfall in Relation zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Kriterien zu bestimmen. Maßgeblich ist insoweit – genauso wie hinsichtlich der in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG aufgeführten Umstände – wie die Gerichte im Ausgangsverfahren die Lage aus ihrer ex-ante-Sicht einschätzen durften. 66Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Februar 2016 - 5 C 31.15 D -, juris, Rn. 24, m. w. N.; Nds. OVG, Beschluss vom 14. April 2021 - 13 F 73/20 -, juris, Rn. 48. 67Die Gestaltungsfreiheit des Gerichts wird in zeitlicher Hinsicht begrenzt durch den Zeitpunkt, ab dem ein (weiteres) Zuwarten auf eine verfahrensfördernde Entscheidung bzw. Handlung des Gerichts im Hinblick auf die subjektive Rechtsposition des Betroffenen auf eine angemessene Verfahrensdauer nicht mehr vertretbar ist, weil sich die (weitere) Verzögerung bei Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls als sachlich nicht mehr gerechtfertigt und damit als unverhältnismäßig darstellt. Es ist nicht mit dem Zeitpunkt gleichzusetzen, bis zu dem von einer "optimalen Verfahrensführung" des Gerichts auszugehen ist. Entschädigungsrechtlich relevant sind nur die nach Ablauf des Gestaltungszeitraums auf die Verfahrensführung des Gerichts zurückzuführenden Verzögerungen. Denn zur Begründung des Entschädigungsanspruchs reicht nicht jede Abweichung von der optimalen Verfahrensführung aus. Vielmehr setzt der Entschädigungsanspruch aus § 198 Abs. 1 GVG voraus, dass der Beteiligte durch die Länge des Gerichtsverfahrens in seinem Grund- und Menschenrecht auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit beeinträchtigt worden ist, was eine gewisse Schwere der Belastung erfordert. 68Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Februar 2016 - 5 C 31.15 D -, juris, Rn. 24, m. w. N. 69In Anwendung dieser rechtlichen Maßstäbe ist hier bei der Bemessung des gerichtlichen Gestaltungsspielraums zu berücksichtigen, dass das Ausgangsverfahren in rechtlicher Hinsicht überdurchschnittlich schwierig war, es für den Kläger durchschnittlich bedeutsam gewesen ist und die Verfahrensbeteiligten nicht durch ihr Verhalten zu einer Verfahrensverzögerung beigetragen haben. Angesichts dessen war die fehlende Bearbeitung bzw. Förderung des Verfahrens durch das Verwaltungsgericht nach Ablauf von zehn Monaten Untätigkeit nach Entscheidungsreife, also Anfang Januar 2018, nicht mehr gerechtfertigt. 70Vgl. BVerwG, Urteile vom 26. Februar 2015 - 5 C 5.14 D -, juris, Rn. 29 ff., dort wurde in einem einfach gelagerten und für den Kläger wenig bedeutsamen Verfahren ein Gestaltungsspielraum von neun Monaten angenommen, und vom 29. Februar 2016 - 5 C 31.15 D -, juris, Rn. 26, wo ein zehnmonatiger Gestaltungsspielraum in einem Ausgangsverfahren angenommen wurde, das (allenfalls) einen durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad aufwies, seine Bedeutung für die Klägerin mehr als durchschnittlich, aber nicht wesentlich war und die Klägerin nicht durch ihr Verhalten zu einer Verfahrensverzögerung beigetragen hatte. 71Hier wurde das Verfahren erst durch Ladung vom 25. April 2019 zur mündlichen Verhandlung wieder gefördert, so dass sich für das erstinstanzliche Verfahren eine unangemessene Verfahrensdauer von mehr als fünfzehn Monaten ergibt. 72Anlass zu einer abweichenden Beurteilung gibt entgegen der Ansicht des Beklagten auch nicht der Umstand, dass die Verzögerung des Ausgangsverfahrens in erheblichem Maße auf der starken Belastung der im Ausgangsverfahren zuständigen Kammer mit asylrechtlichen Verfahren beruhte. 73Zwar ist die Aufzählung der in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Gesichtspunkte, nach denen sich „insbesondere“ die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet, nicht abschließend, sondern nur beispielhaft. 74Vgl. BT-Drs. 17/3802, S. 18. 75Der Staat kann sich zur Rechtfertigung der Verfahrensdauer nicht auf solche Umstände berufen, die in seinem Verantwortungsbereich liegen. Deshalb ist eine Überlastung der Verwaltungsgerichtsbarkeit oder des konkreten Ausgangsgerichts bzw. Spruchkörpers für die Bemessung des richterlichen Gestaltungsspielraums ohne Belang. Sie gehört zu den strukturellen Mängeln, die sich der Staat zurechnen lassen muss und die er durch Bereitstellung ausreichender personeller und sachlicher Mittel zu beseitigen hat. 76Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Februar 2016 - 5 C 31.15 D -, juris, Rn. 24, m. w. N.; Nds. OVG, Beschluss vom 14. April 2021 - 13 F 73/20 -, juris, Rn. 48; Bay. VGH, Urteil vom 27. September 2019 - 24 F 19.1034 -, juris, Rn. 29; OVG NRW, Urteil vom 10. Februar 2017 - 13 D 74/15 -, juris, Rn. 43; Stahnecker, Entschädigung bei überlagen Gerichtsverfahren, S. 25, Rn. 79 ff., m. w. N.; BT-Drs. 17/3802, S. 19. 77Etwas anderes kann zwar in Sondersituationen gelten, in denen es durch einen plötzlichen, nicht vorhersehbaren Anstieg der Fallzahlen zu einer außergewöhnlichen Belastung des Gerichts kommt. Wird auf eine solche Situation zeitnah reagiert und werden – ausreichende – Gegenmaßnahmen ergriffen, liegt in der durch den kurzfristigen Fallzahlenanstieg bedingten Verzögerung keine unangemessene Verfahrensdauer. 78Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. Februar 2017 ‑ 13 D 74/15 -, juris, Rn. 47, m. w. N; Roderfeld, in: Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, § 198 GVG Rn. 16, m. w. N.; siehe zudem zu Verfahrensverlängerungen durch Verzögerungen beim Sitzungsbetrieb zu Beginn der Corona-Pandemie BFH, Urteil vom 27. Oktober 2021 - X K 5/20 -, juris, Rn. 39 ff. 79Wenngleich die sog. Flüchtlingskrise in den Jahren 2015 und 2016 zu einer außergewöhnlichen Eingangsbelastung der Verwaltungsgerichte führte, lag eine solche Sondersituation aber jedenfalls im Zeitpunkt des Ablaufs des Gestaltungsspielraums Anfang Januar 2018 nicht mehr vor. Vielmehr ist (spätestens) im Jahr 2015 absehbar geworden, dass es in den folgenden Jahren zu einer Vielzahl von Asylklagen kommen würde, da allein in diesem Jahr rund 890.000 Flüchtlinge nach Deutschland gekommen waren. 80Vgl. Der Tagesspiegel, Zahl der Verfahren wegen Asylklagen verdoppelt, Stand: 31. Dezember 2017, abrufbar unter 81https://www.tagesspiegel.de/politik/verwaltungsgerichte-ueberlastet-zahl-der-verfahren-wegen-asylklagen-verdoppelt/20802054.html. 82Angesichts dessen oblag es dem Staat, einhergehend ausreichende personelle Mittel zu gewährleisten, um weiterhin effektiven, mithin auch zeitnahen Rechtsschutz zu gewährleisten. 83So auch Bay. VGH, Urteil vom 27. September 2019 - 24 F 19.1034 -, juris, Rn. 29. 84Dies gilt erst Recht vor dem Hintergrund, dass beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits im Jahr 2014 eine deutliche Zunahme der Asylanträge zu verzeichnen war. 85Vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Das Bundesamt in Zahlen 2021, S. 9, abrufbar unter https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Statistik/BundesamtinZahlen/bundesamt-in-zahlen-2021-asyl.html?view=renderPdfViewer&nn=284738. 86Vor diesem Hintergrund konnte vom Kläger – anders als der Beklagte meint – kein Solidaropfer in Gestalt einer längeren, entschädigungslosen Verfahrenslaufzeit abverlangt werden. 873. Auch die Dauer des zweitinstanzlichen Verfahrens war unangemessen. 88a. Es liegt eine sachlich nicht gerechtfertigte Verzögerung des Zulassungsverfahrens von zwölf Monaten vor. 89Unter Berücksichtigung des dem Gericht zustehenden Gestaltungsspielraums und des Umstands, dass das Verfahren bereits nicht unerheblich verzögert war, 90vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 10. Februar 2017 - 13 D 36/16 -, juris, Rn. 63; Thür. OVG, Urteil vom 8. Januar 2014 - 2 SO 182/12 -, juris, Rn. 93, m. w. N., 91erscheint bei der gebotenen Gesamtwürdigung mit Blick auf die vorstehend ausgeführten Gesichtspunkte eine Untätigkeit von sechs Monaten ab Eintritt der Entscheidungsreife durch Mitteilung des Beklagten vom 21. Oktober 2019 bis zur weiteren Förderung des Verfahrens noch sachlich vertretbar (d. h. bis zum 21. April 2020). Da das Verfahren aber erst durch den Zulassungsbeschluss vom 22. April 2021 gefördert wurde, lag eine unangemessene Verfahrensdauer von zwölf Monaten vor. 92b. Demgegenüber war die Dauer des zweitinstanzlichen Verfahrens ab Zulassung der Berufung angemessen. Das Berufungsverfahren hat nach Eingang der Berufungsbegründung nur fünf Monate gedauert und wurde in dieser Zeit regelmäßig vom Gericht bis zur abschließenden Entscheidung gefördert. 93Nach Eingang der Berufungsbegründung des Klägers am 26. April 2021 und der umfangreichen Erwiderung des Beklagten vom 28. Mai 2021, die dem Kläger zur Stellungnahme übersandt wurde, hat das Oberverwaltungsgericht das Verfahren bereits mit Verfügung vom 7. Juli 2021 gefördert, indem es auf die zu klärenden Rechtsfragen hingewiesen und angefragt hat, ob auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet wird. Nachdem die Beteiligten auf eine mündliche Verhandlung verzichtet hatten, wies das Oberverwaltungsgericht mit Verfügung vom 6. August 2017 darauf hin, dass eine Entscheidung in der Sitzung vom 17. September 2021 beabsichtigt sei und gab ihnen Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme bis zum 10. September 2021. Das Oberverwaltungsgericht hat letztlich mit Urteil vom 27. September 2021, zugestellt am 1. Oktober 2021, über die Berufung entschieden. 94II. Der Anspruch des Klägers auf Entschädigung ist nicht teilweise wegen einer verspäteten Verzögerungsrüge gemäß § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG zu verneinen. Die – wie hier – wirksam erhobenen Verzögerungsrügen wahren den Entschädigungsanspruch grundsätzlich vollständig und nicht erst für Zeiträume ab dem Zeitpunkt der Rüge. 95Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. Februar 2017 ‑ 13 D 75/15 -, juris, Rn. 46, m. w. N. 96III. Durch die unangemessene Verfahrensdauer im Umfang von 27 Monaten hat der Kläger einen immateriellen Nachteil erlitten, der durch eine Entschädigung wiedergutzumachen ist (1.), die der Senat – entsprechend des klägerischen Antrags – auf 1.700 Euro festsetzt (2.). 971. Nach § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG wird ein immaterieller Nachteil vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren – wie hier – unangemessen lange gedauert hat. Diese Vermutung ist nicht widerlegt. Eine Entschädigung ist auch nicht nach § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG ausgeschlossen. Danach kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalls Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreichend ist. Eine Wiedergutmachung auf andere Weise ist gemäß § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Ob eine solche Feststellung ausreichend im Sinne des § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG ist, beurteilt sich auf der Grundlage einer umfassenden Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls. In diese Abwägung wird regelmäßig einzustellen sein, ob das Ausgangsverfahren für den Verfahrensbeteiligten eine besondere Bedeutung hatte, ob dieser durch sein Verhalten erheblich zur Verzögerung beigetragen hat, ob er weitergehende immaterielle Schäden erlitten hat oder ob die Überlänge den einzigen Nachteil darstellt. Darüber hinaus kann zu berücksichtigen sein, von welchem Ausmaß die Unangemessenheit der Dauer des Verfahrens ist und ob das Ausgangsverfahren für den Verfahrensbeteiligten eine besondere Dringlichkeit aufwies oder ob diese zwischenzeitlich entfallen war. 98Vgl. zu diesen Kriterien BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 - 5 C 23.12 D -, juris, Rn. 57; OVG NRW, Urteil vom 28. September 2015 - 13 D 12/15 -, juris, Rn. 81 f.; BT-Drs. 17/3802, S. 20. 99Mit Blick auf den erheblichen Umfang der Verzögerung des Verfahrens, das für den Kläger, der zu der Verzögerung nicht beigetragen hat, trotz Erledigung des angegriffenen Platzverweises weiterhin noch von Bedeutung war, ist die bloße Feststellung, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, hier nicht ausreichend. 1002. Die Bemessung der immateriellen Nachteile richtet sich nach § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG. Danach sind diese in der Regel i. H. v. 1.200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung zu entschädigen. Nur wenn dieser Betrag nach den Umständen des Einzelfalls unbillig ist, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen (§ 198 Abs. 2 Satz 4 GVG). 101Vgl. hierzu ausführlich BGH, Urteil vom 6. Mai 2021 - III ZR 72/20 -, juris, Rn. 16 ff. 102Hier sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, von dem Betrag der Regelentschädigung nach oben oder unten abzuweichen. Dem würde vorliegend grundsätzlich eine Entschädigung in Höhe von 2.700 Euro entsprechen. Gleichwohl ist die Entschädigung lediglich auf 1.700 Euro festzusetzen, da der Senat gemäß § 88 VwGO nicht über das Klagebegehren hinausgehen darf. 103Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 Satz 1 und 2, § 709 Satz 2 ZPO. 104Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund im Sinne des – nach § 173 Satz 2 VwGO anwendbaren – § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
der beklagte wird verurteilt, dem kläger eine entschädigung wegen unangemessener dauer der verfahren vg gelsenkirchen 17 k 3717/16 und ovg nrw 5 a 2807/19 in höhe von 1.700 euro zu zahlen. die kosten des verfahrens trägt der beklagte. das urteil ist vorläufig vollstreckbar. der beklagte kann die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht der kläger vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. die revision wird nicht zugelassen. 1
2der kläger begehrt eine entschädigung wegen überlanger dauer eines erst- und zweitinstanzlichen gerichtsverfahrens. 3am 0. juni 2016 fand in den e. stadtteilen e1. und i. die von der partei „die s. “ angemeldete veranstaltung „0. tag der e2. a. – x. “ statt. in diesem zusammenhang kam es gegen mittag zu einer körperlichen auseinandersetzung zwischen polizeibeamten und einer größeren gruppe von polizeilich dem linksextremen lager zugeordneten personen. in der folge erteilten die polizeibeamten 90 personen dieser gruppe, unter denen sich auch der kläger befand, mündlich platzverweise für das gesamte e. stadtgebiet bis zum ablauf des tages. hiergegen erhob der kläger am 13. dezember 2016 fortsetzungsfeststellungsklage, die den gegenstand des ausgangsverfahrens (vg gelsenkirchen 17 k 3717/16 und ovg nrw 5 a 2807/19), dessen überlänge er rügt, bildet. entsprechend verfuhren zwischen juni und dezember 2016 zehn weitere betroffene. 4die vom verwaltungsgericht mit eingangsverfügung vom 15. dezember 2016 erbetene klageerwiderung nebst übersendung der verwaltungsvorgänge erfolgte am 22. dezember 2016. in der folge tauschten die beteiligten weitere schriftsätze aus. der kläger teilte unter dem 6. märz 2017 mit, dass er eine weitere stellungnahme auf den schriftsatz des beklagten vom 23. februar 2017 für nicht erforderlich halte. 5unter dem 9. märz 2018 fragte der kläger nach dem sachstand und rügte die verzögerung des erstinstanzlichen verfahrens. das verwaltungsgericht teilte daraufhin mit, dass ein konkreter fortgang des verfahrens angesichts der großen belastung der kammer durch annähernd noch 500 anhängige syrien-asylverfahren und weitere zeitlich ältere verfahren im dezernat des berichterstatters noch nicht abgesehen werden könne. 6der kläger hat am 3. oktober 2018 klage auf entschädigung wegen überlanger dauer des verwaltungsgerichtlichen verfahrens erhoben. der senat hat das verfahren mit beschluss vom 8. mai 2019 bis zum rechtskräftigen abschluss des ausgangsverfahrens ruhend gestellt. 7in der mündlichen verhandlung vom 4. juni 2019 verband das verwaltungsgericht das verfahren des klägers zusammen mit den zehn weiteren bei ihm anhängig gemachten verfahren zur gemeinsamen entscheidung und verhandlung, führte sie unter dem aktenzeichen 17 k 3717/16 fort und wies die klage mit am 5. juli 2019 zugestelltem urteil mangels eines fortsetzungsfeststellungsinteresses als unzulässig ab. 8der kläger beantragte am 8. juli 2019, die berufung gegen das urteil zuzulassen. die zulassungsbegründung erfolgte am 3. september 2019. zur begründung berief sich der kläger auf ernstliche zweifel an der richtigkeit des urteils, machte die grundsätzliche bedeutung des verfahrens geltend und rügte im einzelnen näher benannte verfahrensfehler. 9der beklagte teilte am 21. oktober 2019 – nachdem er zunächst um fristverlängerung gebeten hatte – mit, dass er auf die möglichkeit einer stellungnahme verzichte. 10am 23. dezember 2020 rügte der kläger die verzögerung des zweitinstanzlichen verfahrens. 11das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen ließ die berufung mit beschluss vom 22. april 2021 wegen besonderer tatsächlicher und rechtlicher schwierigkeiten zu. zur begründung führte es aus, dass im berufungsverfahren zu klären sein werde, welche anforderungen an die geltendmachung eines fortsetzungsfeststellungsinteresses für den fall eines sich kurzfristig erledigenden grundrechtseingriffs zu stellen seien und ob der beklagte den klägern einen platzverweis für das gesamte stadtgebiet e. habe erteilen können. 12zur berufungsbegründung verwies der kläger sodann unter dem 26. april 2021 auf seine ausführungen aus dem zulassungsantrag. der beklagte beantragte am 31. mai 2021, die berufung zurückzuweisen. auf entsprechende anfrage des oberverwaltungsgerichts erklärten sich die beteiligten am 8. bzw. 16. juli 2021 mit einer entscheidung ohne mündliche verhandlung einverstanden. der kläger nahm die möglichkeit zur abschließenden stellungnahme am 24. august 2021 wahr. 13mit urteil vom 27. september 2021, zugestellt am 1. oktober 2021, stellte das oberverwaltungsgericht unter abänderung der erstinstanzlichen entscheidung fest, dass der platzverweis vom 4. juni 2016 rechtswidrig gewesen ist. zur begründung führte es aus, dass die klagen zulässig seien. die kläger hätten entgegen der auffassung des verwaltungsgerichts ein fortsetzungsfeststellungsinteresse wegen einer sich regelmäßig zeitnah erledigenden maßnahme. die klagen seien auch begründet, da die von den polizeibeamten den klägern erteilten platzverweise rechtswidrig gewesen seien. der begriff des ortes in § 34 abs. 1 satz 1 polg nrw sei dahingehend auszulegen, dass ein hierauf gestützter platzverweis nicht das gebiet einer gesamten gemeinde umfassen könne. 14der kläger beantragte am 1. november 2021 die wiederaufnahme des ruhend gestellten entschädigungsverfahrens. zur begründung seiner entschädigungsklage trägt er im wesentlichen vor, dass das verwaltungsgericht ab dem 9. märz 2018 bis zum 25. april 2019, mithin 13 monate lang, untätig gewesen sei. die untätigkeit in der zweiten instanz betrage vier monate. bei der danach geltend gemachten 17-monatigen unangemessenen verfahrensdauer genüge keine wiedergutmachung durch feststellung der verzögerung. seine position sei durch die entscheidung verbessert worden. es müsse nun nicht mehr befürchtet werden, aufgrund einer ähnlichen fallgestaltung in nordrhein-westfalen ein aufenthaltsverbot für ein gesamtes stadtgebiet zu erhalten und hierdurch das versammlungsrecht nicht mehr in anspruch nehmen zu können. die besondere bedeutung der entscheidung zeige sich auch darin, dass sie von der justiz des landes nordrhein-westfalen veröffentlicht und in der literatur vielfach besprochen worden sei. entschädigungsausschließend wirke auch nicht der zeitpunkt der klageerhebung, da diese binnen jahresfrist und somit auch noch deutlich später als vorliegend geschehen hätte erhoben werden können. 15der kläger beantragt schriftsätzlich, 16den beklagten zu verurteilen, ihm 1.700 euro zu zahlen. 17der beklagte beantragt schriftsätzlich, 18die klage abzuweisen. 19er trägt vor, dass eine verzögerung des ausgangsverfahrens in erheblichem maße auf der starken belastung der im ausgangsverfahren zuständigen kammer mit asylrechtlichen verfahren beruht habe. hierbei handele es sich um außergewöhnliche umstände, deren bewältigung eine gesamtgesellschaftliche aufgabe darstelle und dem einzelnen insoweit auch das solidaropfer einer längeren, entschädigungslosen verfahrenslaufzeit abverlangen müsse. dies müsse jedenfalls dann gelten, wenn – wie hier – über die bloße verzögerung hinausgehende nachteile nicht vorgetragen würden; andernfalls würde jedes anhängigmachen eines verwaltungsrechtsstreits in zeiten starker belastung einen anspruch auf entschädigung herbeiführen. jedenfalls sei aber eine wiedergutmachung auf andere weise ausreichend. die beeinträchtigung des klägers erschöpfe sich – mangels weitergehenden vortrags – in einer (etwaigen) überlänge des ausgangsverfahrens. auch das prozessuale verhalten des klägers im ausgangsverfahren zeige, dass das verfahren für ihn selbst keine besondere dringlichkeit aufgewiesen habe. denn er habe erst ein halbes jahr nach dem platzverweis klage erhoben. zudem sei der hohe schwierigkeitsgrad der sache zu beachten, da bislang offene rechtsfragen geklärt worden seien. 20die beteiligten haben auf die durchführung einer mündlichen verhandlung verzichtet. 21wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf die gerichtsakte dieses verfahrens und der verfahren des verwaltungsgericht gelsenkirchen (vor der verbindung 17 k 8793/16 und danach 17 k 3717/16) sowie des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen (5 a 2807/19) bezug genommen. 22
23im einverständnis der beteiligten entscheidet der senat gemäß § 101 abs. 2 vwgo ohne mündliche verhandlung. 24die zulässige klage ist begründet. 25der kläger hat einen anspruch auf ausgleich seines immateriellen nachteils wegen unangemessener dauer der gerichtsverfahren 17 k 3717/16 vor dem verwaltungsgericht gelsenkirchen und 5 a 2807/19 vor dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen in höhe der eingeklagten 1.700 euro. 26der anspruch auf entschädigung folgt aus § 198 abs. 1 satz 1 i. v. m. abs. 2 gvg. diese regelungen sind im verwaltungsprozess gemäß § 173 satz 2 vwgo entsprechend anwendbar. nach § 198 abs. 1 satz 1 gvg wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener dauer eines gerichtsverfahrens als verfahrensbeteiligter einen nachteil erleidet. der durch eine unangemessene verfahrensdauer eingetretene immaterielle nachteil ist nach maßgabe des § 198 abs. 2 gvg zu entschädigen. diese voraussetzungen sind hier erfüllt. die dauer der von dem kläger in bezug genommenen gerichtsverfahren vor dem verwaltungsgericht gelsenkirchen und dem oberverwaltungsgericht war im umfang von 27 monaten unangemessen (i.). der anspruch auf entschädigung ist nicht für den vor der erhebung der verzögerungsrüge liegenden zeitraum ausgeschlossen (ii.). der kläger hat durch die verzögerung einen immateriellen nachteil erlitten, der antragsgemäß mit einem betrag von 1.700 euro zu entschädigen ist (iii.). 27i. die dauer des gerichtsverfahrens von der klageerhebung am 13. dezember 2016 bis zur übermittlung des berufungsurteils des oberverwaltungsgerichts vom 27. september 2021, das war am 1. oktober 2021, 28vgl. zur maßgeblichkeit dieses zeitpunkts ovg nrw, urteil vom 28. september 2015 - 13 d 27/14 -, juris, rn. 44, 29war bei der gebotenen gesamtbetrachtung beider instanzen, 30vgl. bverwg, urteile vom 27. februar 2014 - 5 c 1.13 d -, juris, rn. 11 f., und vom 11. juli 2013 ‑ 5 c 23.12 d -, juris, rn. 16 f.; ovg nrw, urteil vom 10. februar 2017 - 13 d 75/15 -, juris, rn. 14, 31im umfang von 27 monaten unangemessen im sinne von § 198 abs. 1 satz 1 gvg. 32ob die dauer eines gerichtsverfahrens unangemessen im sinne von § 198 abs. 1 satz 1 gvg ist, richtet sich nach den umständen des einzelfalls, insbesondere nach der schwierigkeit und bedeutung des verfahrens sowie dem verhalten der verfahrensbeteiligten und dritter (§ 198 abs. 1 satz 2 gvg). damit sind schematische zeitliche vorgaben für die angemessenheit ausgeschlossen. bei der notwendigen einzelfallbetrachtung ist die verfahrensdauer unangemessen im sinne von § 198 abs. 1 satz 1 gvg, wenn eine insbesondere, aber nicht zwingend nur an den merkmalen des § 198 abs. 1 satz 2 gvg ausgerichtete gewichtung und abwägung aller bedeutsamen umstände des einzelfalls ergibt, dass die aus konventions- und verfassungsrechtlichen normen folgende verpflichtung des staates, gerichtsverfahren in angemessener zeit zum abschluss zu bringen, verletzt ist. 33vgl. zu den maßstäben im einzelnen bverwg, urteil vom 11. juli 2013 - 5 c 23.12 d -, juris, rn. 26 ff., m. w. n.; ovg nrw, urteile vom 28. september 2015 ‑ 13 d 27/14, 13 d 116 /14, 13 d 117/14, 13 d 11/15, 13 d 12/15 -, jeweils juris. 34unter berücksichtigung der maßgeblichen umstände (1.) war die verfahrensdauer sowohl beim verwaltungsgericht (2.) als auch beim oberverwaltungsgericht unangemessen (3.). 351. § 198 abs. 1 satz 2 gvg benennt als kriterien für die angemessenheit der verfahrensdauer ausdrücklich die schwierigkeit (a) und bedeutung des verfahrens (b) und das verhalten der verfahrensbeteiligten und dritter (c). 36a. die schwierigkeit eines verfahrens hängt vom zugrunde liegenden sachverhalt, der rechtslage und den konkreten umständen eines verfahrens ab. tatsächliche schwierigkeiten können sich unter anderem aus dem umfang des falls sowie der beteiligung mehrerer verfahrensbeteiligter ergeben. rechtliche schwierigkeiten können beispielsweise darauf beruhen, dass die entscheidung von bisher ungeklärten komplizierten rechtsfragen abhängt. 37vgl. ott, in: steinbeiß-winkelmann/ott, rechtsschutz bei überlangen gerichtsverfahren, 1. aufl. 2013, § 198 gvg, rn. 103 ff., m. w. n.; stahnecker, entschädigung bei überlangen gerichtsverfahren, s. 13, rn. 38 ff. 38danach waren sowohl das erstinstanzliche als auch das zweitinstanzlichen verfahren zumindest in rechtlicher hinsicht überdurchschnittlich schwierig. es waren komplexe, zum teil noch ungeklärte rechtsfragen zu beantworten. wenngleich es auf die frage, ob ein fortsetzungsfeststellungsinteresse für den fall eines sich kurzfristig erledigenden grundrechtseingriffs an einen tiefgreifenden grundrechtseingriff gebunden ist, letztlich nicht ankam, 39vgl. im ausgangsverfahren ovg nrw, urteil vom 27. september 2021 - 5 a 2807/19 -, juris, rn. 60, 40blieb materiell-rechtlich die bis dahin obergerichtlich noch nicht geklärte frage zu beantworten, ob der begriff des ortes in § 34 abs. 1 satz 1 polg nrw das gebiet einer gesamten gemeinde umfassen kann (juris, rn. 69 ff.). 41b. das verfahren war für den kläger von durchschnittlicher bedeutung. die bedeutung der sache ist in einer objektivierten weise zu bestimmen. sie ist zu bemessen aus der sicht eines verständigen verfahrensbeteiligten. bloße subjektive einschätzungen von betroffenen müssen daher außer betracht bleiben. 42vgl. nds. ovg, beschluss vom 14. april 2021 ‑ 13 f 73/20 -, juris, rn. 51; ott, in: steinbeiß-winkelmann/ott, rechtsschutz bei überlangen gerichtsverfahren, 1. aufl. 2013, § 198 gvg, rn. 109, m. w. n. 43als besonders bedeutsam sind danach verfahren einzuordnen, die für die wirtschaftliche, berufliche oder persönliche existenz eines beteiligten von maßgeblicher bedeutung sind. beteiligte können aus diesem grunde ein gerechtfertigtes interesse an einem schnellen ausgang des verfahrens haben. 44vgl. bverwg, anerkenntnisurteil vom 17. august 2017 - 5 a 2.17 d -, juris, rn. 29; bay. vgh, urteile vom 13. juni 2019 - 24 a 18.2049 -, juris, rn. 33, und vom 10. dezember 2015 - 23 a 14.2252 -, juris, rn. 44, jeweils m. w. n. 45der europäische gerichtshof für menschenrechte nimmt eine besondere bedeutung des verfahrens an, wenn es um eingriffe in die persönliche freiheit oder die gesundheit von betroffenen, um die klärung finanzieller existenzfragen etwa in versorgungsangelegenheiten oder um eltern-kind-beziehungen geht. 46vgl. steinbeiß-winkelmann, in: steinbeiß-winkelmann/ott, rechtsschutz bei überlangen gerichtsverfahren, 1. aufl. 2013, teil i einführung, rn. 33. 47nach der rechtsprechung des bundesverfassungsgerichts gehören beispielsweise verfahren, bei denen dem grunde oder der höhe nach um fürsorgeleistungen gestritten wird, zu den rechtsangelegenheiten, die wegen ihrer natur und ihrer bedeutung für die betroffenen besonders zu fördern sind. eine besondere bedeutung für den betroffenen ist auch bei rechtsstreitigkeiten anzunehmen, die zwar nicht die sicherung des existenzminimums betreffen, sondern sozialleistungen, auf die der betroffene zur sicherung seines laufenden lebensunterhalts angewiesen ist. 48vgl. bverfg, beschluss vom 8. oktober 2014 ‑ 1 bvr 2186/14 -, juris, rn. 8. 49auch verfahren über das sorge- oder umgangsrecht für kinder, verfahren über den personenstand und die geschäftsfähigkeit oder arbeitssachen bedürfen einer besonderen beschleunigung. 50vgl. althammer/schäuble: effektiver rechtsschutz bei überlanger verfahrensdauer – das neue gesetz aus zivilrechtlicher perspektive, in: njw 2012, 1 (2), m. w. n. 51orientiert an diesen fallgruppen schätzt der senat die objektive bedeutung des ausgangsverfahrens für den kläger als durchschnittlich ein. zwar war der angegriffene platzverweis im zeitpunkt der klageerhebung bereits erledigt, ohne dass der kläger mit einer hinreichend konkreten wiederholungsgefahr zu rechnen brauchte. 52vgl. im ausgangsverfahren ovg nrw, urteil vom 27. februar 2021 - 5 a 2807/19 -, juris, rn. 33 ff. 53gleichwohl ging es in dem verfahren um fragen im zusammenhang mit der reichweite von polizeilichen eingriffsbefugnissen, die nicht nur für den kläger, dem mit blick auf art. 19 abs. 4 gg ein fortsetzungsfeststellunginteresse zukam, sondern auch für die allgemeinheit bedeutsam waren. 54vgl. zur berücksichtigung dieses gerichtspunkts steinbeiß-winkelmann, in: steinbeiß-winkelmann/ott, rechtsschutz bei überlangen gerichtsverfahren, 1. aufl. 2013, § 198 gvg rn. 108. 55hierfür spricht allein die anzahl von ca. 90 personen, die wie der kläger von gleichartigen platzverweisen betroffen waren. dass das ausgangsverfahren aber einer besonderen beschleunigung bedurft hätte, hat der kläger weder im ausgangsverfahren noch im entschädigungsverfahren hinreichend geltend gemacht. dies ist auch sonst nicht erkennbar. 56c. das verhalten der beteiligten war nicht mitursächlich für die verfahrensdauer. 57aa. insbesondere hat der kläger nicht zur verzögerung des verfahrens beigetragen. 58bei der prüfung der angemessenheit der verfahrensdauer ist gemäß § 198 abs. 1 satz 2 gvg zu lasten eines verfahrensbeteiligten grundsätzlich nur ein verhalten zu berücksichtigen, durch das eine verzögerung herbeigeführt wird. in der rechtsprechung des bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die verfahrensbeteiligten, abgesehen insbesondere von der obliegenheit zur erhebung der verzögerungsrüge, grundsätzlich nicht verpflichtet sind, aktiv darauf hinzuarbeiten, dass das gericht das verfahren in angemessener zeit zum abschluss bringt. daher kann ihnen eine passivität bei der im rahmen der ermittlung der angemessenen dauer eines gerichtsverfahrens erforderlichen prüfung, ob die verfahrensbeteiligten durch ihr verhalten eine verzögerung des rechtsstreits bewirkt haben, nicht angelastet werden. die verpflichtung des gerichts, das verfahren in angemessener zeit zum abschluss zu bringen, ergibt sich unmittelbar aus der dem staat obliegenden justizgewährleistungspflicht, aus dem gebot des effektiven rechtsschutzes und aus art. 6 abs. 1 emrk. ein unterlassen der förderung des verfahrens führt nur dann zu einer einem verfahrensbeteiligten anzulastenden verzögerung, wenn eine entsprechende rechtspflicht bestand. 59vgl. bverwg, urteil vom 29. februar 2016 - 5 c 31.15 d -, juris, rn. 21. 60das ist hier nicht der fall. dem kläger gereicht es nicht zum nachteil, dass er sich im erstinstanzlichen verfahren rein passiv verhalten und nicht durch wiederholte sachstandsanfragen oder sonstige aufforderungen auf eine frühere beschleunigung hingewirkt hat. es bestand keine rechtspflicht für den kläger, die verzögerungsrügen bereits früher zu erheben. das gesetz legt gerade keinen zeitpunkt fest, zu dem die rüge spätestens erhoben sein muss. 61vgl. nds. ovg, beschluss vom 14. april 2021 ‑ 13 f 73/20 -, juris, rn. 54; ovg nrw, urteil vom 10. februar 2017 - 13 d 36/16 -, juris, rn. 48, m. w. n.; ott, in: steinbeiß-winkelmann/ott, rechtsschutz bei überlangen gerichtsverfahren, 1. aufl. 2013, § 198 gvg, rn. 194 ff., m. w. n. 62bb. auch der beklagte hat nicht zur verzögerung des verfahrens beigetragen. anlass zu einer abweichenden beurteilung bietet insbesondere nicht der fristverlängerungsantrag des beklagten vom 16. oktober 2021, da er – trotz der gewährten fristverlängerung – bereits am 21. oktober 2019 mitteilte, dass er auf die möglichkeit zur stellungnahme verzichte. 632. unter berücksichtigung dieser gesichtspunkte ergibt sich hier bei der gebotenen gesamtabwägung eine unangemessene dauer des verfahrens in der ersten instanz im umfang von fünfzehn monaten. 64die klage war entscheidungsreif, nachdem der kläger unter dem 6. märz 2017 mitgeteilt hatte, dass keine stellungnahme auf den letzten schriftsatz des beklagten erfolgen werde. der sachverhalt war zu diesem zeitpunkt in tatsächlicher hinsicht ausreichend aufbereitet und den beteiligten war in hinreichender weise rechtliches gehör gewährt worden. 65im vorliegenden fall erscheint es angemessen, dem verwaltungsgericht ab diesem zeitpunkt einen (gestaltungs-)zeitraum von zehn monaten für seine entscheidung zuzugestehen, wann und wie es das verfahren im sinne eines hinwirkens auf eine erledigung des prozesses fördert. dies trägt dem umstand rechnung, dass – auch vor dem hintergrund der verfassungsrechtlich gewährten richterlichen unabhängigkeit (art. 97 abs. 1 gg) – die verfahrensgestaltung in erster linie dem mit der sache befassten gericht obliegt und ihm hinsichtlich der entscheidung, wann und wie es eine bestimmte sache in abstimmung mit anderen bei ihm anhängigen sachen terminiert oder sonst fördert, ein spielraum zusteht. der (gestaltungs-)zeitraum berücksichtigt weiter, dass das gericht vor einer verfahrensfördernden handlung oder entscheidung zur sache zeit zur rechtlichen durchdringung benötigt, um dem rechtsstaatlichen anliegen zu genügen, eine grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche prüfung des streitgegenstandes vorzunehmen. der ab eintritt der entscheidungsreife zugestandene zeitraum ist im einzelfall in relation zu den in § 198 abs. 1 satz 2 gvg benannten kriterien zu bestimmen. maßgeblich ist insoweit – genauso wie hinsichtlich der in § 198 abs. 1 satz 2 gvg aufgeführten umstände – wie die gerichte im ausgangsverfahren die lage aus ihrer ex-ante-sicht einschätzen durften. 66vgl. bverwg, urteil vom 29. februar 2016 - 5 c 31.15 d -, juris, rn. 24, m. w. n.; nds. ovg, beschluss vom 14. april 2021 - 13 f 73/20 -, juris, rn. 48. 67die gestaltungsfreiheit des gerichts wird in zeitlicher hinsicht begrenzt durch den zeitpunkt, ab dem ein (weiteres) zuwarten auf eine verfahrensfördernde entscheidung bzw. handlung des gerichts im hinblick auf die subjektive rechtsposition des betroffenen auf eine angemessene verfahrensdauer nicht mehr vertretbar ist, weil sich die (weitere) verzögerung bei gewichtung und abwägung aller bedeutsamen umstände des einzelfalls als sachlich nicht mehr gerechtfertigt und damit als unverhältnismäßig darstellt. es ist nicht mit dem zeitpunkt gleichzusetzen, bis zu dem von einer "optimalen verfahrensführung" des gerichts auszugehen ist. entschädigungsrechtlich relevant sind nur die nach ablauf des gestaltungszeitraums auf die verfahrensführung des gerichts zurückzuführenden verzögerungen. denn zur begründung des entschädigungsanspruchs reicht nicht jede abweichung von der optimalen verfahrensführung aus. vielmehr setzt der entschädigungsanspruch aus § 198 abs. 1 gvg voraus, dass der beteiligte durch die länge des gerichtsverfahrens in seinem grund- und menschenrecht auf entscheidung eines gerichtlichen verfahrens in angemessener zeit beeinträchtigt worden ist, was eine gewisse schwere der belastung erfordert. 68vgl. bverwg, urteil vom 29. februar 2016 - 5 c 31.15 d -, juris, rn. 24, m. w. n. 69in anwendung dieser rechtlichen maßstäbe ist hier bei der bemessung des gerichtlichen gestaltungsspielraums zu berücksichtigen, dass das ausgangsverfahren in rechtlicher hinsicht überdurchschnittlich schwierig war, es für den kläger durchschnittlich bedeutsam gewesen ist und die verfahrensbeteiligten nicht durch ihr verhalten zu einer verfahrensverzögerung beigetragen haben. angesichts dessen war die fehlende bearbeitung bzw. förderung des verfahrens durch das verwaltungsgericht nach ablauf von zehn monaten untätigkeit nach entscheidungsreife, also anfang januar 2018, nicht mehr gerechtfertigt. 70vgl. bverwg, urteile vom 26. februar 2015 - 5 c 5.14 d -, juris, rn. 29 ff., dort wurde in einem einfach gelagerten und für den kläger wenig bedeutsamen verfahren ein gestaltungsspielraum von neun monaten angenommen, und vom 29. februar 2016 - 5 c 31.15 d -, juris, rn. 26, wo ein zehnmonatiger gestaltungsspielraum in einem ausgangsverfahren angenommen wurde, das (allenfalls) einen durchschnittlichen schwierigkeitsgrad aufwies, seine bedeutung für die klägerin mehr als durchschnittlich, aber nicht wesentlich war und die klägerin nicht durch ihr verhalten zu einer verfahrensverzögerung beigetragen hatte. 71hier wurde das verfahren erst durch ladung vom 25. april 2019 zur mündlichen verhandlung wieder gefördert, so dass sich für das erstinstanzliche verfahren eine unangemessene verfahrensdauer von mehr als fünfzehn monaten ergibt. 72anlass zu einer abweichenden beurteilung gibt entgegen der ansicht des beklagten auch nicht der umstand, dass die verzögerung des ausgangsverfahrens in erheblichem maße auf der starken belastung der im ausgangsverfahren zuständigen kammer mit asylrechtlichen verfahren beruhte. 73zwar ist die aufzählung der in § 198 abs. 1 satz 2 gvg benannten gesichtspunkte, nach denen sich „insbesondere“ die angemessenheit der verfahrensdauer richtet, nicht abschließend, sondern nur beispielhaft. 74vgl. bt-drs. 17/3802, s. 18. 75der staat kann sich zur rechtfertigung der verfahrensdauer nicht auf solche umstände berufen, die in seinem verantwortungsbereich liegen. deshalb ist eine überlastung der verwaltungsgerichtsbarkeit oder des konkreten ausgangsgerichts bzw. spruchkörpers für die bemessung des richterlichen gestaltungsspielraums ohne belang. sie gehört zu den strukturellen mängeln, die sich der staat zurechnen lassen muss und die er durch bereitstellung ausreichender personeller und sachlicher mittel zu beseitigen hat. 76vgl. bverwg, urteil vom 29. februar 2016 - 5 c 31.15 d -, juris, rn. 24, m. w. n.; nds. ovg, beschluss vom 14. april 2021 - 13 f 73/20 -, juris, rn. 48; bay. vgh, urteil vom 27. september 2019 - 24 f 19.1034 -, juris, rn. 29; ovg nrw, urteil vom 10. februar 2017 - 13 d 74/15 -, juris, rn. 43; stahnecker, entschädigung bei überlagen gerichtsverfahren, s. 25, rn. 79 ff., m. w. n.; bt-drs. 17/3802, s. 19. 77etwas anderes kann zwar in sondersituationen gelten, in denen es durch einen plötzlichen, nicht vorhersehbaren anstieg der fallzahlen zu einer außergewöhnlichen belastung des gerichts kommt. wird auf eine solche situation zeitnah reagiert und werden – ausreichende – gegenmaßnahmen ergriffen, liegt in der durch den kurzfristigen fallzahlenanstieg bedingten verzögerung keine unangemessene verfahrensdauer. 78vgl. ovg nrw, urteil vom 10. februar 2017 ‑ 13 d 74/15 -, juris, rn. 47, m. w. n; roderfeld, in: marx/roderfeld, rechtsschutz bei überlangen gerichts- und ermittlungsverfahren, § 198 gvg rn. 16, m. w. n.; siehe zudem zu verfahrensverlängerungen durch verzögerungen beim sitzungsbetrieb zu beginn der corona-pandemie bfh, urteil vom 27. oktober 2021 - x k 5/20 -, juris, rn. 39 ff. 79wenngleich die sog. flüchtlingskrise in den jahren 2015 und 2016 zu einer außergewöhnlichen eingangsbelastung der verwaltungsgerichte führte, lag eine solche sondersituation aber jedenfalls im zeitpunkt des ablaufs des gestaltungsspielraums anfang januar 2018 nicht mehr vor. vielmehr ist (spätestens) im jahr 2015 absehbar geworden, dass es in den folgenden jahren zu einer vielzahl von asylklagen kommen würde, da allein in diesem jahr rund 890.000 flüchtlinge nach deutschland gekommen waren. 80vgl. der tagesspiegel, zahl der verfahren wegen asylklagen verdoppelt, stand: 31. dezember 2017, abrufbar unter 81https://www.tagesspiegel.de/politik/verwaltungsgerichte-ueberlastet-zahl-der-verfahren-wegen-asylklagen-verdoppelt/20802054.html. 82angesichts dessen oblag es dem staat, einhergehend ausreichende personelle mittel zu gewährleisten, um weiterhin effektiven, mithin auch zeitnahen rechtsschutz zu gewährleisten. 83so auch bay. vgh, urteil vom 27. september 2019 - 24 f 19.1034 -, juris, rn. 29. 84dies gilt erst recht vor dem hintergrund, dass beim bundesamt für migration und flüchtlinge bereits im jahr 2014 eine deutliche zunahme der asylanträge zu verzeichnen war. 85vgl. bundesamt für migration und flüchtlinge, das bundesamt in zahlen 2021, s. 9, abrufbar unter https://www.bamf.de/shareddocs/anlagen/de/statistik/bundesamtinzahlen/bundesamt-in-zahlen-2021-asyl.html?view=renderpdfviewer&nn=284738. 86vor diesem hintergrund konnte vom kläger – anders als der beklagte meint – kein solidaropfer in gestalt einer längeren, entschädigungslosen verfahrenslaufzeit abverlangt werden. 873. auch die dauer des zweitinstanzlichen verfahrens war unangemessen. 88a. es liegt eine sachlich nicht gerechtfertigte verzögerung des zulassungsverfahrens von zwölf monaten vor. 89unter berücksichtigung des dem gericht zustehenden gestaltungsspielraums und des umstands, dass das verfahren bereits nicht unerheblich verzögert war, 90vgl. hierzu ovg nrw, urteil vom 10. februar 2017 - 13 d 36/16 -, juris, rn. 63; thür. ovg, urteil vom 8. januar 2014 - 2 so 182/12 -, juris, rn. 93, m. w. n., 91erscheint bei der gebotenen gesamtwürdigung mit blick auf die vorstehend ausgeführten gesichtspunkte eine untätigkeit von sechs monaten ab eintritt der entscheidungsreife durch mitteilung des beklagten vom 21. oktober 2019 bis zur weiteren förderung des verfahrens noch sachlich vertretbar (d. h. bis zum 21. april 2020). da das verfahren aber erst durch den zulassungsbeschluss vom 22. april 2021 gefördert wurde, lag eine unangemessene verfahrensdauer von zwölf monaten vor. 92b. demgegenüber war die dauer des zweitinstanzlichen verfahrens ab zulassung der berufung angemessen. das berufungsverfahren hat nach eingang der berufungsbegründung nur fünf monate gedauert und wurde in dieser zeit regelmäßig vom gericht bis zur abschließenden entscheidung gefördert. 93nach eingang der berufungsbegründung des klägers am 26. april 2021 und der umfangreichen erwiderung des beklagten vom 28. mai 2021, die dem kläger zur stellungnahme übersandt wurde, hat das oberverwaltungsgericht das verfahren bereits mit verfügung vom 7. juli 2021 gefördert, indem es auf die zu klärenden rechtsfragen hingewiesen und angefragt hat, ob auf die durchführung einer mündlichen verhandlung verzichtet wird. nachdem die beteiligten auf eine mündliche verhandlung verzichtet hatten, wies das oberverwaltungsgericht mit verfügung vom 6. august 2017 darauf hin, dass eine entscheidung in der sitzung vom 17. september 2021 beabsichtigt sei und gab ihnen gelegenheit zur abschließenden stellungnahme bis zum 10. september 2021. das oberverwaltungsgericht hat letztlich mit urteil vom 27. september 2021, zugestellt am 1. oktober 2021, über die berufung entschieden. 94ii. der anspruch des klägers auf entschädigung ist nicht teilweise wegen einer verspäteten verzögerungsrüge gemäß § 198 abs. 3 satz 1 gvg zu verneinen. die – wie hier – wirksam erhobenen verzögerungsrügen wahren den entschädigungsanspruch grundsätzlich vollständig und nicht erst für zeiträume ab dem zeitpunkt der rüge. 95vgl. ovg nrw, urteil vom 10. februar 2017 ‑ 13 d 75/15 -, juris, rn. 46, m. w. n. 96iii. durch die unangemessene verfahrensdauer im umfang von 27 monaten hat der kläger einen immateriellen nachteil erlitten, der durch eine entschädigung wiedergutzumachen ist (1.), die der senat – entsprechend des klägerischen antrags – auf 1.700 euro festsetzt (2.). 971. nach § 198 abs. 2 satz 1 gvg wird ein immaterieller nachteil vermutet, wenn ein gerichtsverfahren – wie hier – unangemessen lange gedauert hat. diese vermutung ist nicht widerlegt. eine entschädigung ist auch nicht nach § 198 abs. 2 satz 2 gvg ausgeschlossen. danach kann entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den umständen des einzelfalls wiedergutmachung auf andere weise gemäß § 198 abs. 4 gvg ausreichend ist. eine wiedergutmachung auf andere weise ist gemäß § 198 abs. 4 satz 1 gvg insbesondere möglich durch die feststellung des entschädigungsgerichts, dass die verfahrensdauer unangemessen war. ob eine solche feststellung ausreichend im sinne des § 198 abs. 2 satz 2 gvg ist, beurteilt sich auf der grundlage einer umfassenden abwägung sämtlicher umstände des einzelfalls. in diese abwägung wird regelmäßig einzustellen sein, ob das ausgangsverfahren für den verfahrensbeteiligten eine besondere bedeutung hatte, ob dieser durch sein verhalten erheblich zur verzögerung beigetragen hat, ob er weitergehende immaterielle schäden erlitten hat oder ob die überlänge den einzigen nachteil darstellt. darüber hinaus kann zu berücksichtigen sein, von welchem ausmaß die unangemessenheit der dauer des verfahrens ist und ob das ausgangsverfahren für den verfahrensbeteiligten eine besondere dringlichkeit aufwies oder ob diese zwischenzeitlich entfallen war. 98vgl. zu diesen kriterien bverwg, urteil vom 11. juli 2013 - 5 c 23.12 d -, juris, rn. 57; ovg nrw, urteil vom 28. september 2015 - 13 d 12/15 -, juris, rn. 81 f.; bt-drs. 17/3802, s. 20. 99mit blick auf den erheblichen umfang der verzögerung des verfahrens, das für den kläger, der zu der verzögerung nicht beigetragen hat, trotz erledigung des angegriffenen platzverweises weiterhin noch von bedeutung war, ist die bloße feststellung, dass die verfahrensdauer unangemessen war, hier nicht ausreichend. 1002. die bemessung der immateriellen nachteile richtet sich nach § 198 abs. 2 satz 3 gvg. danach sind diese in der regel i. h. v. 1.200 euro für jedes jahr der verzögerung zu entschädigen. nur wenn dieser betrag nach den umständen des einzelfalls unbillig ist, kann das gericht einen höheren oder niedrigeren betrag festsetzen (§ 198 abs. 2 satz 4 gvg). 101vgl. hierzu ausführlich bgh, urteil vom 6. mai 2021 - iii zr 72/20 -, juris, rn. 16 ff. 102hier sind keine anhaltspunkte dafür ersichtlich, von dem betrag der regelentschädigung nach oben oder unten abzuweichen. dem würde vorliegend grundsätzlich eine entschädigung in höhe von 2.700 euro entsprechen. gleichwohl ist die entschädigung lediglich auf 1.700 euro festzusetzen, da der senat gemäß § 88 vwgo nicht über das klagebegehren hinausgehen darf. 103die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 1 vwgo. die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit folgt aus § 167 abs. 1 vwgo i. v. m. § 708 nr. 11, § 711 satz 1 und 2, § 709 satz 2 zpo. 104die revision ist nicht zuzulassen, weil kein zulassungsgrund im sinne des – nach § 173 satz 2 vwgo anwendbaren – § 132 abs. 2 vwgo vorliegt.
345,924
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9 K 1919/21
2022-06-23T00:00:00
Urteil
Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet. 1Tatbestand: 2Die Klägerin ist Eigentümerin des mit einem Reihenendhaus bebauten Grundstücks O.---straße 00x in N. (Gemarkung E. , Flur 00, Flurstück 000 – im Folgenden: Vorhabengrundstück). 3Nachdem der ursprüngliche Bebauungsplan der Beklagten „X0 – O.---straße “, der für das Vorhabengrundstück wie auch die unmittelbar benachbarten Bereiche ein allgemeines Wohngebiet in geschlossener Bauweise mit einer rückwärtigen Baugrenze festsetzte, die etwa 1 m hinter der nordöstlichen Außenwand des heute dort aufstehenden Hauses der Klägerin verlief, mit Satzung vom 2. Juli 2020 – im Amtsblatt der Beklagten vom 15. Juli 2020 bekannt gemacht – aufgehoben worden ist, wird das innerstädtische Vorhabengrundstück nicht mehr vom Geltungsbereich eines Bebauungsplanes erfasst. Es ist Teil einer Wohnbebauung, die sich zu beiden Seiten der O.---straße zwischen der Kreuzung mit der L.-----straße im Nordwesten und dem Bereich bis zur Einmündung der O.---straße in die B.-----straße im Südosten erstreckt und im Wesentlichen aus freistehenden Einzel-, Doppel- und Reihenhäusern besteht. 4Das auf dem Vorhabengrundstück aufstehende Wohngebäude bildet den nordwestlichen Abschluss eines aus drei Einheiten bestehenden Reihenhauses an der nordöstlichen Straßenseite. Das Wohngebäude auf dem sich nordwestlich anschließenden Grundstück O.---straße 00 (Flurstück 00 – im Folgenden: Nachbargrundstück) stellt den Abschluss eines weiteren, von fünf Einheiten gebildeten Reihenhauses dar. An der Grenze zwischen dem Vorhaben- und dem Nachbargrundstück liegen zu beiden Seiten 3 m breite Garagen, deren nordöstliche Außenwände die Verlängerung der nordöstlichen Außenwand des auf dem Vorhabengrundstück aufstehenden Wohngebäudes darstellen. Nordöstlich der Garagen schließt sich auf dem Nachbargrundstück unmittelbar an der gemeinsamen Grundstücksgrenze ein gut 3,50m langer Holzzaun aus zwei Fertigelementen samt Pfosten an. 5Obwohl der Ehemann und Prozessbevollmächtigte der Klägerin durch die Beklagte nach dortiger Darstellung in einem Gespräch vom 12. Dezember 2019 zur Wahrung der notwendigen Abstandsfläche zum Nachbargrundstück auf die Genehmigungsfähigkeit einer Terrassenüberdachung lediglich über die Gebäudebreite hingewiesen wurde, ließ dieser am 29. Mai 2020 unmittelbar im Anschluss an die nordöstliche Außenwand des Wohnhauses über die gesamte Breite des Vorhabengrundstücks eine Terrassenüberdachung errichten. 6Auf die Eingabe eines Nachbarn aus Juni 2020 hin stellte die Beklagte bei einer Ortsbesichtigung am 11. November 2020 fest, dass die Terrassenüberdachung eine Tiefe von 3,93 m und eine Breite von 8,50 m aufweist, an der Hausseite 2,79 m und an der Gartenseite 2,29 m hoch reicht. Entsprechend den dabei angefertigten Fotoaufnahmen liegt die Überdachung gartenseitig auf vier Aluminiumpfosten auf und besteht abgesehen von den Querstreben aus nach oben durchsichtigem Plexiglas; seitlich war damals nur im Bereich oberhalb der an den Nachbargrenzen aufstehenden Zäunen (sowie in einem schmalen Bereich oberhalb der Garage) eine Kunststoffverkleidung angebracht. 7Daraufhin erließ die Beklagte nach entsprechender Anhörung und Vornahme einer weiteren Ortsbesichtigung am 10. März 2021, bei der inzwischen beide Seiten der Terrassenüberdachung vollständig mit Kunststoff verkleidet worden waren, unter dem 17. März 2021 gegenüber der Klägerin eine Ordnungsverfügung, mit der ihr aufgegeben wurde, die Terrassenüberdachung innerhalb eines Monats nach Bestandskraft dieser Verfügung vollständig zu beseitigen (Ziffer 1), ein Zwangsgeld i.H.v. 4000,00 Euro für den Fall angedroht wurde, dass sie der Anordnung unter Ziffer 1 nicht oder nicht in vollem Umfange nachkommt (Ziffer 2), sowie für den Erlass dieser Verfügung eine Gebühr i.H.v. 600,00 Euro festgesetzt (Ziffer 3). In den Gründen des Bescheides wurde ausgeführt: Die Terrassenüberdachung sei formell illegal, da sie mit einer Gesamtgröße von mehr als 30 m² genehmigungspflichtig sei, ohne dass eine Baugenehmigung beantragt und erteilt worden sei. Darüber hinaus sei die Überdachung auch materiell rechtswidrig, da sie bis an das Nachbargrundstück herangebaut worden sei und nicht die bauordnungsrechtlich vorgeschriebene Abstandsfläche von 3 m einhalte. Bei dieser Sachlage habe man sich dazu entschlossen, auf der Grundlage der Ermessensvorschrift des § 58 Abs. 2 i.V.m. § 82 S. 1 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. Juli 2018 (GV. NRW. S. 421) – im Folgenden: BauO NRW 2018 – die Beseitigung der Terrassenüberdachung zu fordern, da diese Maßnahme geeignet, erforderlich und auch im Übrigen verhältnismäßig sei, um den Verstoß gegen die Rechtsordnung auszuräumen. 8Mit der hiergegen gerichteten Klage vom 24. März 2021 trägt die Klägerin vor: Nachdem ihr Ehemann erfahren habe, dass man gegen Umschlag mit Geldinhalt beim Bauamt sein O. K. bekomme, um sein Bauvorhaben zu beschleunigen, habe er im August 2011 Herrn I. vom Bauamt der Beklagten in einem persönlichen Gespräch gefragt, ob er einen geschlossenen Umschlag mit Geldinhalt haben möchte. Daraufhin habe dieser gelächelt, woraufhin er wiederum sofort gesagt habe, dass er kein Geld geben werde. Der Grund dafür sei gewesen, dass ihr Ehemann überhaupt nichts von Bestechung halte. Tatsächlich hätten damals aber sehr viele Terrassenüberdachungen selbst gebaut oder bauen lassen. Ihr Ehemann könne heute nicht sagen, ob das Ganze bei jedem mit Genehmigung – sei es aufgrund Bestechung oder auf gesetzlichem Weg – gelaufen sei. Nach einem Zeitungsbericht von November 2021 würden in N. 150 Terrassenüberdachungen im Monat gebaut, ohne dass man bis heute gehört habe, dass irgendeiner sein Bauwerk (Terrassenüberdachung oder Carport) habe zurück bauen müssen. Sie frage sich, ob das deutsche Gesetz und Recht nur dann gelte, wenn ihre Familie eine Terrassenüberdachung errichten lasse. Das Gesetz gelte offenbar nicht für alle gleich. Zur Beschwerde des Eigentümers des Nachbargrundstücks sei festzustellen, dass ihr Ehemann – was sie bestätigen könne – den Nachbarn vor der Errichtung ihrer Terrassenüberdachung vor seiner Haustür darauf angesprochen, ihm anschließend im eigenen Garten ganz genau von ihrem Bauvorhaben berichtet und dabei auch die genauen Ausmaße und den Preis der Terrassenüberdachung genannt habe. Der Nachbar habe ihm daraufhin gesagt, dass er dies über eine Firma bauen lassen dürfe, er sich das ansehen und gegebenenfalls auch eine Terrassenüberdachung bauen lassen möchte. Anschließend habe er das Vorhaben in Auftrag gegeben. Als er sich später die schriftliche Zustimmung der Nachbarn habe holen wollen, sei lediglich die Frau des Nachbarn dagegen gewesen, ohne allerdings davon zu sprechen, dass er die Überdachung nicht bauen lassen dürfe, während der Nachbar nichts dazu gesagt habe. Das Bauamt der Beklagten ergreife einseitig Partei und störe den nachbarschaftlichen Frieden. Nicht nachvollziehbar sei auch, dass sich die Beklagte in der Angelegenheit erstmals Mitte November 2020 und damit eine lange Zeit nach der Errichtung der Terrassenüberdachung an sie gewandt habe. Sie berufe sich insoweit auf Gewohnheitsrecht. Die Beklagte versuche, einen Ausländer klein zu kriegen. Sie kämen sich so vor wie in einem Spiel Deutschland gegen die Türkei. 9Die Klägerin beantragt, 10die Ziffern 1 und 2 der Ordnungsverfügung der Beklagten vom 17. März 2021 (Az. 00000-00-00) zur Anordnung der vollständigen Beseitigung der Terrassenüberdachung auf dem Grundstück O.---straße 00x in N. (Gemarkung E. , Flur 00, Flurstück 000) und zur Zwangsgeldandrohung i.H.v. 4000,00 Euro aufzuheben. 11Die Beklagte beantragt, 12die Klage abzuweisen. 13Sie führt ergänzend aus: Die Terrassenüberdachung sei ein Gebäude im Sinne des § 2 Abs. 2 BauO NRW 2018. Die Voraussetzungen für einen Entfall der Notwendigkeit von Abstandsflächen nach § 6 Abs. 1 S. 3 BauO NRW 2018 lägen nicht vor. Planungsrechtlich weise die Eigenart der näheren Umgebung eine offene Bauweise auf. Die Bebauung auf dem Vorhabengrundstück stelle den Abschluss einer Hausgruppe dar, bei dem zur freien Seite hin – hier also zum Nachbargrundstück – die Abstandsflächen einzuhalten seien. Die Terrassenüberdachung gehöre auch nicht zu den abstandsflächenrechtlich privilegierten Anlagen wie Garagen und Gebäude ohne Aufenthaltsräume. Schließlich seien auch keine Ermessensfehler ersichtlich. Wenn die Terrassenüberdachung gegenüber dem Nachbargrundstück zurück gebaut würde, sodass ein 3 m Abstand zu dieser Nachbargrenze eingehalten würde, liege kein Abstandsflächenverstoß mehr vor. 14Der Einzelrichter hat die Örtlichkeit am 8. Februar 2022 mit den Beteiligten in Augenschein genommen. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll und die dabei angefertigten Lichtbildaufnahmen verwiesen. 15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. 16Entscheidungsgründe: 17Das erkennende Gericht entscheidet gemäß § 101 Abs. 1 S. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. Juni 2022, die der Einzelrichter gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 47 Abs. 2 S. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) trotz des nach Aufruf der Angelegenheit, aber vor ausdrücklicher Eröffnung der mündlichen Verhandlung mit Übergabe des Schriftsatzes des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 22. Juni 2022 sinngemäß gestellten Befangenheitsantrags durchgeführt hat. Gemäß § 47 Abs. 2 S. 1 ZPO kann der Termin, wenn ein Richter während der Verhandlung abgelehnt wird und die Entscheidung über die Ablehnung eine Vertagung der Verhandlung erfordern würde, unter Mitwirkung des abgelehnten Richters fortgesetzt werden. Diese Voraussetzungen lagen vor. 18Die sinngemäße Ablehnung des Einzelrichters wegen Besorgnis der Befangenheit mit Übergabe des Schriftsatzes vom 22. Juni 2022 erfolgte in diesem Sinne „während der Verhandlung“. Ausgehend vom Sinn und Zweck der Vorschrift, missbräuchlichen Ablehnungsgesuchen vorzubeugen und einen Verzögerungseffekt des Ablehnungsgesuchs zu vermeiden, 19vgl. die Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung der Justiz (Justizmodernisierungsgesetz – JuMoG), BT.-Drs. 15/1508, S. 16, 20ist der Begriff der Verhandlung nicht technisch zu verstehen und als maßgebender Zeitpunkt für ihren Beginn in allen Fällen der Aufruf der Sache nach § 103 Abs. 2 VwGO bzw. § 220 Abs. 1 ZPO anzusehen. 21Vgl. G. Vollkommer, in: Zöller, Zivilprozessordnung – Kommentar, 34. Aufl. 2022, § 47, Rn. 6; Stackmann, in: Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 6. Aufl. 2020, § 47, Rn. 6; Vossler, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 44. Edition, Stand: 1.3.2022, § 47, Rn. 8; ders., „Neuregelung der Wartepflicht des als befangen abgelehnten Richters“, MDR 2006, 1383 (1384); Hüßtege, in: Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung – Kommentar, 40. Aufl. 2019, § 47, Rn. 5. 22Denn bereits mit dem Aufruf der Sache bekundet das Gericht, dass es mit der Verhandlung der Streitsache beginnt. 23Vgl. Dolderer, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung – Großkommentar, 5. Aufl., § 103, Rn. 19. 24Die Entscheidung über die Ablehnung hätte auch im Sinne des § 47 Abs. 2 S. 1 ZPO eine Vertagung der Verhandlung erfordert, zumal am 23. Juni 2022 aus der entscheidenden Kammer kein weiterer Richter und aus der (ersten) Vertretungskammer lediglich ein weiterer Richter im Dienst war. 25Die zulässige Klage ist unbegründet. 26Die Ziffern 1 und 2 der Ordnungsverfügung der Beklagten vom 17. März 2021 (Az. 00000‑00-00) zur Anordnung der vollständigen Beseitigung der Terrassenüberdachung auf dem Grundstück O.---straße 00x in N. (Gemarkung E. , Flur 00, Flurstück 000) und zur Zwangsgeldandrohung i.H.v. 4000,00 Euro sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). 27Die Beseitigungsanordnung findet ihre Ermächtigungsgrundlage in § 82 S. 1 BauO NRW 2018 (= § 82 Abs. 1 S. 1 BauO NRW 2021). Nach dieser Vorschrift kann die Bauaufsichtsbehörde, wenn eine Anlage im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert wird, deren teilweise oder vollständige Beseitigung anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. 28Denn die Errichtung der Terrassenüberdachung vor der nordöstlichen Außenwand des Reihenendhauses auf dem Vorhabengrundstück ist rechtswidrig; eine andere Möglichkeit zur Herstellung rechtmäßiger Zustände ist nicht ersichtlich. 29Die Beklagte hat die Beseitigungsanordnung nach Feststellung der formellen Illegalität der Terrassenüberdachung, die aufgrund ihrer Größe von 8,50 m x 3,93 m = 33,4 m² die für eine solche Anlage durch § 62 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 g) BauO NRW 2018/2021 genehmigungsfrei gestellte Fläche bis zu 30 m² überschreitet und für die eine danach erforderliche Baugenehmigung weder beantragt noch erteilt worden ist, zu Recht im Kern auf deren materielle Rechtswidrigkeit gestützt. 30So hat sie zutreffend darauf abgestellt, dass die Terrassenüberdachung gegenüber dem Nachbargrundstück die nach § 6 BauO NRW 2018/2021 erforderliche Abstandsfläche nicht einhält. 31Nach § 6 Abs. 1 S. 1 BauO NRW 2018/2021 sind vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten. Diese Vorschrift erfasst die Terrassenüberdachung, da es sich bei ihr angesichts ihres Standortes unmittelbar anschließend an die nordöstliche Außenwand des Hauses, ihrer Befestigung an der Hauswand und ihrer erkennbaren Funktion zur Schaffung eines unmittelbar an das Wohnzimmer angrenzenden Außenwohnbereichs um einen unselbstständigen Teil des Gebäudes handelt, auf den die Abstandsflächenvorschriften unmittelbar Anwendung finden. 32Vgl. insoweit zur Abgrenzung zwischen unselbstständigen Bauteilen und selbstständigen baulichen oder anderen Anlagen und Einrichtungen: OVG NRW, Urteil vom 9. März 2012 – 2 A 2732/10 –, juris, Rn. 84 ff., insbesondere 87 und Beschluss vom 25. Februar 1988 – 10 A 1300/87 –, S. 2 des Entscheidungsabdrucks. 33Sähe man dies anders, würde diese Vorschrift jedenfalls nach § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BauO NRW 2018/2021 entsprechend gelten. Denn die Terrassenüberdachung liegt höher als 2 m über der Geländeoberfläche. Auch gehen von ihr angesichts ihrer Größe über die gesamte Grundstücksbreite und in einer Tiefe von knapp 4 m sowie ihrer verhältnismäßig massiven Konstruktion mit vier quadratischen Aluminiumträgern mit einer Seitenlänge von 12 cm, zwölf Querstreben des Daches mit einer Breite von 5,5 cm und ihrer inzwischen vollständigen Verkleidung zu beiden Seiten im Hinblick auf die mit den Abstandsflächenvorschriften verfolgten Schutzzwecke zur Vorbeugung vor Gefahren der Beeinträchtigung von Belichtung und Belüftung, der unangemessenen optischen Beengung, der Störung des Wohnfriedens und der Brandübertragung Wirkungen wie von Gebäuden aus. 34Vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. März 2001 – 7 A 5020/98 –, juris, Rn. 24 und Beschluss vom 5. November 2007 – 7 B 1339/07 –, juris, Rn. 7; VG Düsseldorf, Urteil vom 21. Februar 2008 – 9 K 1154/07 –, juris, Rn. 19 bestätigt durch OVG NRW, Beschluss vom 13. März 2009 – 10 A 1118/08 –, juris, Rn. 8. 35Eine Ausnahme von der Verpflichtung zur Einhaltung der Abstandsfläche ergibt sich auch nicht gemäß § 6 Abs. 1 S. 3 BauO NRW 2018/2021 aus den planungsrechtlichen Vorgaben zur Bauweise. Nach dieser Vorschrift ist eine Abstandsfläche nicht erforderlich vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften 1. an die Grenze gebaut werden muss, oder 2. an die Grenze gebaut werden darf, wenn gesichert ist, dass auf dem Nachbargrundstück ohne Grenzabstand gebaut wird. Die Voraussetzungen dieser Ausnahmeregelung liegen nicht vor. In dem für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Beseitigungsanordnung in Ziffer 1 der Ordnungsverfügung der Beklagten vom 17. März 2021 grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt der (letzten) behördlichen Entscheidung, beurteilte sich die planungsrechtliche Zulässigkeit des im innerstädtischen Bebauungszusammenhang durchgeführten Vorhabens mangels Bebauungsplans nach § 34 des Baugesetzbuches (BauGB). Die gemäß Abs. 1 S. 1 dieser Vorschrift hinsichtlich der Bauweise maßgebliche Eigenart der näheren Umgebung, die im Vergleich etwa zum Merkmal der Art der baulichen Nutzung regelmäßig enger zu fassen ist 36vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. September 2005 – 10 B 972/05 –, juris, Rn. 7; Bayerischer VGH, Beschluss vom 4. August 2011 – 2 CS 11.997 –, juris, Rn. 16, 37und hier allenfalls die Häuser zu beiden Seiten der O.---straße zwischen der Kreuzung mit der L.-----straße im Nordwesten und dem Bereich bis zur Einmündung der O.---straße in die B.-----straße im Südosten erfasst, zeichnet sich durch eine Bebauung aus freistehenden Einzel-, Doppel- und Reihenhäusern aus. Die von der O.---straße aus gesehen rückwärtigen Gebäude am I1.---weg 0 und 0 sowie 0, O.---straße 0 und N1.-----weg 00 zählen aufgrund ihrer Ausrichtung und Lage – wie auch das Eckhaus O.---straße 0/0x – schon nicht mehr zur näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks in Bezug auf das Merkmal der Bauweise, würden aber jedenfalls zusammen mit den unmittelbar an der O.---straße liegenden Häusern I1.---weg 0 und 0, O.---straße 0 und N1.-----weg 00 noch besondere Formen einer Hausgruppe darstellen. Trotz einzelner Unterschiede in der Gestaltung handelt es sich auch beim Gebäude O.---straße 00 und 00 aufgrund des festzustellenden Mindestmaßes an Übereinstimmung in Bezug auf mehrere ihm Proportionen und Gestalt gebende bauliche Elemente wie Höhe, Breite und Tiefe sowie (wesentliche) Dachform 38vgl. OVG NRW, Urteil vom 16. August 2011 – 10 A 1224/09 –, juris, Rn. 36 sowie Beschlüsse vom 18. Januar 2016 – 10 A 2574/14 –, juris, Rn. 10 und vom 21. August 2015 – 10 B 758/15 –, juris, Rn. 8, 39noch um ein Doppelhaus. Nach dem im Ortstermin und anhand des vorliegenden Kartenmaterials gewonnenen Eindruck liegt somit in der näheren Umgebung eine offene Bauweise vor, die sich gemäß § 22 Abs. 2 S. 1 der Baunutzungsverordnung 2017/2021 (BauNVO 2017/2021) dadurch auszeichnet, dass die Einzelhäuser, Doppelhäuser und Hausgruppen mit seitlichem Grenzabstand errichtet werden. Bei dieser Sachlage geben die planungsrechtlichen Vorschriften im Sinne des § 6 Abs. 1 S. 3 BauO NRW 2018/2021 daher weder vor, dass an die Grenze gebaut werden muss, noch erlauben sie einen solchen Grenzanbau auch nur. Selbst wenn man aber von einer faktisch gemischten Bauweise ausginge und damit der Anwendungsbereich der 2. Alternative der Ausnahmevorschrift grundsätzlich eröffnet wäre, würde es hinsichtlich der Terrassenüberdachung jedenfalls an der in diesem Fall weiter erforderlichen Sicherung fehlen, dass auf dem Nachbargrundstück ohne Grenzabstand gebaut wird. Mangels öffentlich-rechtlicher oder zumindest privatrechtlicher Anbausicherung käme hierfür nur eine bereits vorhandene, hinreichend gewichtige Bebauung auf dem Nachbargrundstück als sogenannte faktische Anbausicherung in Betracht, wenn sich diese Bebauung an der gemeinsamen Grenze auf einer nennenswerten Länge mit dem Vorhaben deckt und von ihrem Fortbestand ausgegangen werden kann. 40Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. April 2019 – 10 A 1693/17 –, juris, Rn. 8 m.w.N. 41Dabei kann eine solche faktische Anbausicherung jedoch von vornherein nicht von Bauwerken vermittelt werden, die an der Grenze generell errichtet werden dürfen. 42Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 12. September 2002 – 7 A 1477/01 –, juris, Rn. 8 und vom 21. Februar 1990 – 10 B 28/90 –, S. 5 des Entscheidungsabdrucks m.w.N. 43An der Grenze zum Vorhabengrundstück stehen auf dem Nachbargrundstück mit der Garage und der – wie ein Vergleich mit der an der Gartenseite 2,29 m hohen Terrassenüberdachung der Klägerin zeigt (vgl. Fotoaufnahme Bl. 19 der Beiakte Heft 1) – weniger als 2 m hohen geschlossenen Einfriedung in Form eines Sichtschutzzauns aber lediglich bauliche Anlagen auf, die nach § 6 Abs. 8 S. 1 Nr. 1 und 3 BauO NRW 2018 bzw. § 6 Abs. 8 S. 1 Nr. 1 und 6 BauO NRW 2021 ohne eigene Abstandsflächen, d. h. auch an der Grenze errichtet werden dürfen. 44Schließlich greift hinsichtlich der Terrassenüberdachung auch keiner der Tatbestände des § 6 Abs. 6 BauO NRW 2018/2021 zur Außerachtlassung untergeordneter Bauteile bei der Bemessung der Abstandsfläche ein. 45Die somit vor den Außenseiten der Terrassenüberdachung erforderlichen Abstandsflächen müssen nach § 6 Abs. 2 S. 1 BauO NRW 2018/2021 auf dem Grundstück selbst liegen und nach § 6 Abs. 5 S. 1 BauO NRW 2018/2021 mindestens 3 m tief sein. Dieser Anforderung wird die Terrassenüberdachung der Klägerin an ihrer Nordwestseite nicht gerecht, da sie dort unmittelbar bis an die Grenze zum Nachbargrundstück reicht. Der Einwand der Klägerin, dass der Eigentümer des Nachbargrundstücks dem Vorhaben vorher mündlich zugestimmt habe, ist unbeachtlich, da eine solche mündliche Zustimmung nicht von der Einhaltung der Abstandsflächen befreit. Abstandsflächen dürfen sich nach § 6 Abs. 2 S. 3 BauO NRW 2018/2021 nur dann ganz oder teilweise auf andere Grundstücke erstrecken, wenn öffentlich-rechtlich gesichert ist, dass sie nur mit in der Abstandsfläche zulässigen baulichen Anlagen überbaut werden, wobei ergänzend vorgeschrieben ist, dass Abstandsflächen auf die auf diesen Grundstücken erforderlichen Abstandsflächen nicht angerechnet werden dürfen. Nach dieser Regelung hätte sogar eine einfache schriftliche Zustimmung des Eigentümers des Nachbargrundstücks den Abstandsflächenverstoß nicht verhindert. Erforderlich wäre vielmehr gewesen, dass der Eigentümer des Nachbargrundstücks gemäß § 85 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 BauO NRW 2018/2021 gegenüber der Bauaufsichtsbehörde in Schriftform die öffentlich-rechtliche Verpflichtung übernimmt, dass er die von der Terrassenüberdachung auf sein Grundstück fallende Abstandsfläche nicht mit baulichen Anlagen überbaut, die ihrerseits Abstandsflächen auslösen. Jedenfalls eine solche Erklärung des Eigentümers des Nachbargrundstücks liegt nicht vor. 46Die Annahme materieller Rechtswidrigkeit der Terrassenüberdachung wird auch nicht durch einen materiellen Bestandsschutz ausgeschlossen. Ein solcher ist gegeben, wenn die bauliche Anlage nach ihrer Errichtung für einen nennenswerten Zeitraum mit dem materiellen Baurecht übereingestimmt hat. 47Vgl. Boeddinghaus/Hahn/Schulte u.a., Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen – Kommentar, 115. AL, § 82, Rn. 4; Wenzel, in: Gädtke, BauO NRW – Kommentar, 13. Aufl., § 58, Rn. 68 m.w.N. 48Die Terrassenüberdachung auf dem Vorhabengrundstück stimmte jedoch zu keinem Zeitpunkt nach ihrer Errichtung am 29. Mai 2020 mit dem materiellen Baurecht überein. Zwar galt bis zur öffentlichen Bekanntmachung der betreffenden Aufhebungssatzung des Stadtrates der Beklagten vom 2. Juli 2020 im Amtsblatt der Beklagten vom 15. Juli 2020 für das Vorhabengrundstück noch der Bebauungsplan der Beklagten „X0 – O.---straße “, der insoweit eine geschlossene Bauweise vorgab, sodass damals hinsichtlich der Einhaltung der Abstandsfläche zum Nachbargrundstück die Ausnahmevorschrift des § 6 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 BauO NRW 2018/2021 eingriff. Nach damaliger Rechtslage ergab sich jedoch die materielle Rechtswidrigkeit der Terrassenüberdachung in planungsrechtlicher Hinsicht nach § 30 Abs. 1 bzw. Abs. 3 BauGB aus der Überschreitung der in diesem Bebauungsplan festgesetzten rückwärtigen Baugrenze, da diese lediglich etwa 1 m hinter der nordöstlichen Außenwand des mit Baugenehmigung der Beklagten vom 11. April 2001 genehmigten Einfamilienwohnhauses auf dem Vorhabengrundstück verlief (vgl. die Eintragung im grün gestempelten Lageplan zu dieser Baugenehmigung, Bl. 18 der Beiakte Heft 5), während die Terrassenüberdachung nordöstlich dieser Außenwand eine Tiefe von 3,93 m aufweist. 49Auch griff zugunsten der Terrassenüberdachung keine Abweichungsmöglichkeit bzw. Ausnahme von der festgesetzten Baugrenze ein. Dabei kommt es insoweit im vorliegenden Fall nicht darauf an, ob die Terrassenüberdachung bauplanungsrechtlich als Gebäudeteil oder als Nebenanlage zu werten ist, wobei das erkennende Gericht anknüpfend an die obigen Ausführungen zu den bauordnungsrechtlichen Regelungen des § 6 Abs. 1 S. 1 und 2 BauO NRW 2018/2021 und unter Berücksichtigung ihrer Größe, ihrer massiven Konstruktion mit seitlicher Verkleidung und ihrer Funktion zur räumlich-konstruktiven Erweiterung des Wohngebäudes nach außen zur Einstufung als Teil des Hauptgebäudes neigt. 50Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2017 – 4 C 9.16 –, juris, Rn. 8 ff. und Beschluss vom 13. Juni 2005 – 4 B 27.05 –, juris, Rn. 5; VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 14. August 1997 ‑ 5 S 1252/96 –, juris, Rn. 35 und vom 26. Juni 1975 – III 995/74 –, BRS 29, Nr. 91, S. 186 (188) sowie Beschluss vom 23. August 1993 – 5 S 1338/93 –, juris, Rn. 10; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 15. März 2007 – 1 LP 20/06 –, juris, Rn. 27; VG Köln, Urteil vom 3. Juli 2012 – 2 K 368/11 –, juris, Rn. 46 ff. 51In diesem Fall griffe vorliegend die gesetzliche Abweichungsbefugnis nach § 23 Abs. 3 S. 2 BauNVO 1962 als der im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bebauungsplans am 30. September 1968 maßgeblichen Fassung tatbestandlich nicht ein, da sie ein Vortreten von Gebäudeteilen nur in geringfügigem Ausmaß für zulassungsfähig erklärte. Sowohl absolut als auch relativ im Verhältnis zur Tiefe des für das Vorhabengrundstück festgesetzten Baufensters von 11 m bzw. zu seiner Größe von 11 m x 8,675 m = 95,425 m² kann die Überschreitung der rückwärtigen Baugrenze durch die Terrassenüberdachung in einer Tiefe von etwa 2,93 m über eine Fläche von insgesamt 2,93 m x 8,675 m = 25,418 m², d. h. um jeweils mehr als 25 % nicht mehr als geringfügig gewertet werden. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass zur Orientierung insoweit auf die abstandsflächenrechtlichen Regelungen des Bauordnungsrechts für ein insoweit zulässiges geringfügiges Vortreten von Gebäudeteilen (vgl. § 6 Abs. 6 BauO NRW 2018/2021) zurückgegriffen werden kann, die insoweit Begrenzungen auf 1,50 m bzw. 1,60 m vorsehen. 52Vgl. zu alledem: Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch – Kommentar, Werkstand: 143. EL August 2021, § 23 BauNVO, Rn. 41; Schilder, in: Bönker/Bischopink, Baunutzungsverordnung – Kommentar, 2. Aufl. 2018, § 23, Rn. 27; Petz, in: König/Roeser/Stock, Baunutzungsverordnung – Kommentar, 5. Aufl. 2022, § 23, Rn. 25; Hornmann, in: Spannowsky/Hornmann/Kämper, BeckOK BauNVO, 29. Edition, Stand: 15.4.2022, § 23, Rn. 46 und 55. 53Ginge man stattdessen davon aus, dass es sich bei der Terrassenüberdachung nicht um einen Gebäudeteil handelt, schiede ihre Zulassung nach § 23 Abs. 5 BauNVO 1962 außerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche als Nebenanlage im Sinne des § 14 BauNVO 1962 bzw. als nach Landesrecht im Bauwich bzw. in den Abstandsflächen zulässige oder zulassungsfähige bauliche Anlage ebenfalls aus. Denn diese Zulassungsmöglichkeit steht nach § 23 Abs. 5 S. 1 BauNVO 1962 ausdrücklich unter dem Vorbehalt einer anderweitigen Festsetzung im Bebauungsplan. Hiervon hatte die Beklagte jedoch Gebrauch gemacht. Nach den textlichen Festsetzungen zum Bebauungsplan der Beklagten „X0 – O.---straße “ waren nämlich auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen im gesamten Planbereich mit Ausnahme einzelner, hier nicht relevanter Baugrundstücke Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des § 14 Abs. 1 BauNVO 1962 ebenso wie Garagen und überdachte Stellplätze ausdrücklich nicht zulässig (so der letzte Satz der textlichen Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung, Beiakte Heft 4). 54Die Klägerin ist als Eigentümerin des Vorhabengrundstücks und Bewohnerin des dort aufstehenden Einfamilienhauses sowohl Zustands- als auch Verhaltensstörerin im Sinne der §§ 17 Abs. 1 und 18 Abs. 1 S. 1 des Ordnungsbehördengesetzes und damit richtige Adressatin der Beseitigungsanordnung. 55Die Beklagte hat die Beseitigung der formell und materiell illegalen Terrassenüberdachung ermessensfehlerfrei, insbesondere auch unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes angeordnet. Die Baubehörden sind regelmäßig gehalten, den vollständigen Abriss des illegalen Gebäudes anzuordnen, sofern dieses weder bautechnisch noch nach den Vorstellungen des Bauherrn teilbar ist. 56Vgl. OVG NRW, Urteile vom 22. Januar 1996 – 10 A 673/94 –, juris und vom 23. Oktober 1995 ‑ 10 A 958/92 –, juris sowie Beschlüsse vom 4. Dezember 2009 – 10 A 1671/09 –, juris, Rn. 49 ff. und vom 18. März 1997 – 10 A 853/93 –, juris, Rn. 6 ff. 57Denn es ist einerseits nicht Aufgabe der Bauaufsichtsbehörden, für den Bauherrn die Planung eines bauordnungsrechtlich beanstandungsfreien Vorhabens zu übernehmen. Zudem darf dem Bauherrn nicht gegen seinen Willen eine neue Anlage aufgedrängt werden. Es obliegt vielmehr dem Bauherrn, den Rückbau des Gebäudes auf ein rechtlich zulässiges Maß als Austauschmittel nach § 21 S. 2 OBG NRW anzubieten. 58Vgl. Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 4. Dezember 2009 – 10 A 1671/09 –, juris, Rn. 51 ff. und vom 18. März 1997 – 10 A 853/93 –, juris, Rn. 8 ff.; Boeddinghaus/Hahn/Schulte u.a., Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen – Kommentar, 115. AL, § 82, Rn. 8. 59Auf diese Möglichkeit ist der Prozessbevollmächtigte der Klägerin bereits in der E-Mail der Beklagten vom 24. Februar 2021 ausdrücklich hingewiesen worden (vgl. Bl. 33 der Beiakte Heft 1). Angesichts des mit einer Einkürzung der Terrassenüberdachung verbundenen erheblichen konstruktiven Eingriffs in die Gesamtanlage jedenfalls in Bezug auf die Positionierung der gartenseitigen Pfosten, aber auch die Anordnung der Querstreben im Dach ließe sich ihr Teilabbruch auch baulich nicht ohne weiteren Aufwand durchführen, so dass nicht von einer unproblematischen Teilbarkeit der Anlage ausgegangen werden kann. 60Des Weiteren unterliegt die Beseitigungsanordnung auch im Hinblick auf die Anforderungen aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) keinen Ermessensfehlern. 61Es ist anerkannt, dass eine bauordnungsrechtliche Beseitigungsanordnung von dem Adressaten nicht allein mit dem Argument abgewehrt werden kann, die Behörde schreite gegen Baurechtsverstöße in vergleichbaren anderen Fällen nicht ein; denn Art. 3 Abs. 1 GG gewährt keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht. 62Vgl. BVerwG, Urteile vom 26. Februar 1993 – 8 C 20.92 –, juris, Rn. 14 und vom 14. Februar 1990 ‑ 6 C 54.88 –, juris, Rn. 29. 63Dieser Grundsatz entbindet die Bauaufsichtsbehörde indes nicht von der Verpflichtung, ihre bauordnungsrechtliche Tätigkeit maßgeblich auch am Gleichheitssatz auszurichten. Ermächtigt das Gesetz dazu, unter bestimmten Voraussetzungen die Beseitigung von baulichen Anlagen anzuordnen, so lässt sich aus Art. 3 Abs. 1 GG die Forderung ableiten, das eingeräumte Ermessen in gleichgelagerten Fällen gleichmäßig auszuüben. Ergreift oder unterlässt die Behörde Maßnahmen zur Bekämpfung baurechtswidriger Zustände, so hat sie in allen vergleichbaren Fällen in der gleichen Art und Weise zu verfahren. Das bedeutet bei einer Vielzahl von Verstößen jedoch nicht, dass sie gleichzeitig tätig werden muss. Entschließt sie sich zu einem Einschreiten, so ist es ihr unbenommen, die Verhältnisse nach und nach zu bereinigen. Ihr ist es indes verwehrt, systemlos oder willkürlich vorzugehen. Beschränkt sie sich darauf, einen Einzelfall herauszugreifen, so handelt sie dem Gleichbehandlungsgebot zuwider, es sei denn, dass sie hierfür sachliche Gründe anzuführen vermag. 64Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. April 1987 – 4 C 43.84 –, juris, Rn. 20 f. sowie Beschlüsse vom 22. April 1995 – 4 B 55.95 –, juris, Rn. 4 f., vom 19. Februar 1992 – 7 B 106.91 –, juris, Rn. 2, vom 11. März 1991 – 4 B 26.91 –, juris, Rn. 4 f. und vom 19. Juli 1976 – IV B 22.76 –, juris, Rn. 2. 65Dass die Beklagte diesen Anforderungen im Zusammenhang mit dem Erlass der Beseitigungsanordnung gegenüber der Klägerin nicht gerecht geworden ist, ergibt sich jedoch weder aus ihrem Vortrag noch ist dies sonst ersichtlich. Der bloße Verweis der Klägerin auf den Umstand, dass in N. nach Zeitungsberichten im Monat bis zu 150 Terrassenüberdachungen errichtet würden, ohne dass ihr bekannt geworden sei, dass ein derartiges Bauwerk habe zurückgebaut werden müssen, bietet keinerlei Anhaltspunkt für ein gleichheitswidriges Vorgehen der Beklagten. Nichts anderes gilt für das auch in der mündlichen Verhandlung erfolgte Vorbringen, dass sich in der Umgebung des Vorhabengrundstücks andere Terrassenüberdachungen befänden, gegen die die Beklagte nicht einschreite. Denn ein solches bauaufsichtliches Einschreiten setzt voraus, dass die betreffende Anlage (ebenfalls) gegen baurechtliche Vorschriften verstößt. Terrassenüberdachungen sind nämlich nicht generell unzulässig, müssen aber die allgemeinen baurechtlichen Vorgaben einhalten, insbesondere die erforderlichen Abstandsflächen wahren. Die Terrassenüberdachung auf dem Vorhabengrundstück wird dieser Anforderung – wie ausgeführt – nicht gerecht. Dafür, dass auch konkrete andere Überdachungen im Stadtgebiet materiell rechtswidrig sind, ohne dass die Beklagte dagegen vorgeht, gibt es keinen Anhaltspunkt. Ein ersichtlich ungeeignetes Beispiel ist insoweit die von der Klägerin konkret benannte Überdachung auf dem nahegelegenen Grundstück L.-----straße 00, hinsichtlich derer sich bereits aus dem Lageplan ergibt, dass sie in der Mitte des betreffenden Flurstücks errichtet worden ist und deshalb ein Abstandsflächenverstoß gegenüber den Nachbargrundstücken denkbar fern liegt. Im Übrigen ist dem Gericht aus zahlreichen anderen Verfahren bekannt, dass die Beklagte sehr wohl bauaufsichtlich gegen baurechtswidrige Anlagen im Stadtgebiet vorgeht, sobald sie hiervon Kenntnis erlangt. Die offenbar hinter ihrem Einwand stehende Vorstellung der Klägerin, dass ein rechtmäßiges Vorgehen im Einzelfall voraussetzt, dass die Beklagte eine vollständige Bestandsaufnahme aller baulichen Anlagen durchführt, deren öffentlich-rechtliche Zulässigkeit prüft und sodann ein einheitliches und flächendeckendes Handlungskonzept entwickelt und verfolgt, geht fehl. Die Verpflichtung zu einer derartigen Bindung personeller und sachlicher Mittel vor dem bauaufsichtlichen Aufgreifen bekannt gewordener Einzelfälle lässt sich aus dem Gleichheitssatz nicht ableiten. 66Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. März 1991 – 4 B 26.91 –, juris, Rn. 5. 67Ferner entbehren die Behauptung der Klägerin, die Beklagte versuche mit ihrem Vorgehen, einen Ausländer klein zu kriegen, und der verbundene Vorwurf der gezielten Benachteiligung ausländischer Mitbürger ebenso jeglicher tatsächlicher Grundlage wie die Andeutungen im Hinblick auf eine Bestechlichkeit von Mitarbeitern der Bauaufsichtsbehörde der Beklagten in der Vergangenheit. 68Schließlich besteht ein Ermessensfehler auch nicht insoweit, als die Klägerin infolge einer Duldung der Terrassenüberdachung in der Vergangenheit schutzwürdig darauf vertrauen durfte, dass die Beklagte von ihren bauaufsichtlichen Eingriffsbefugnissen keinen Gebrauch machen würde. Die Bauaufsichtsbehörde wird selbst durch eine längere Duldung eines illegal errichteten Bauvorhabens (durch Nichttätigwerden) nicht grundsätzlich daran gehindert ist, dessen Beseitigung oder Nutzungseinstellung zu fordern. Insbesondere kann ihre Befugnis und Verpflichtung, zur Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorschriften belastende Verwaltungsakte zu erlassen und durchzusetzen, weder verjähren noch durch Untätigkeit verwirkt werden. 69Vgl. Hessischer VGH, Beschluss vom 12. Juli 1985 – 4 TH 530/85 –, juris, Rn. 24; Wenzel, in: Gädtke, BauO NRW – Kommentar, 13. Aufl., § 58, Rn. 50. 70Allenfalls kann sich ein Ermessensfehler daraus ergeben, dass die Behörde das Vorhaben nicht nur (durch Nichteinschreiten) geduldet, sondern darüber hinaus (aktiv) ein Verhalten gezeigt hat, nach dem der Bauherr darauf hat vertrauen können, eine Beseitigungsverfügung bzw. Nutzungsuntersagung werde nicht ergehen, der Bauherr tatsächlich darauf vertraut hat und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die Beseitigung der baulichen Anlage bzw. der Untersagung ihrer Nutzung ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Damit eine behördliche Erklärung objektiv als eine solche aktive Duldung verstanden werden kann, muss ihr angesichts ihres Ausnahmecharakters und ihrer weitreichenden Folgen mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen sein, ob, in welchem Umfang und gegebenenfalls über welchen Zeitraum die Duldung der illegalen Zustände erfolgen soll, weswegen auch Vieles dafür spricht, dass eine länger andauernde Duldung oder Duldungszusage, soll sie Vertrauensschutz vermitteln, schriftlich erfolgen muss. 71Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 28. August 2014 – 7 B 940/14 –, juris, Rn. 6 und vom 6. Mai 2014 ‑ 2 A 2313/13 –, juris, Rn. 17 und 21. 72Diese Anforderungen sind hier nicht ansatzweise erfüllt. Die Klägerin beruft sich insoweit allein darauf, dass die Beklagte gegenüber der Ende Mai 2020 errichteten Terrassenüberdachung erstmals durch die Ortsbesichtigung im November 2020 tätig geworden sei. Damit fehlt es bereits an einem ausreichend langen Zeitraum für die Begründung eines Vertrauens auf eine Hinnahme der Anlage durch die Behörde. Jedenfalls aber besteht darüber hinaus kein Anhaltspunkt für deren aktive Duldung durch die Beklagte im oben genannten Sinne. 73Die in der Ordnungsverfügung vom 17. März 2021 unter Ziffer 2 weiter erfolgte Zwangsgeldandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 63 i.V.m. den §§ 55 Abs. 1, 56 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 58 und 60 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW). Bedenken dagegen sind weder erhoben worden noch bestehen sie im Übrigen. 74Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. 75Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. 76Rechtsmittelbelehrung: 77Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. 78Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 79Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. 80Die Berufung ist nur zuzulassen, 811. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 822. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 833. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 844. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 855. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. 86Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich einzureichen. 87Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen. 88Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen. 89Die Antragsschrift und die Zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. 90Beschluss: 91Der Streitwert wird auf 6000,00 Euro festgesetzt. 92Gründe: 93Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 1 GKG erfolgt und orientiert sich an Ziffer 10.) a) des Streitwertkatalogs der Bausenate des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. Januar 2019 (BauR 2019, 610), wonach für die Klage gegen eine bauaufsichtliche Beseitigungsverfügung ein Betrag in Höhe des Zeitwertes der zu beseitigenden Bausubstanz zuzüglich Abrisskosten anzusetzen ist. Bei der Bestimmung dieses Betrags hat sich das Gericht an die in der mit der Klage vorgelegten Rechnung für die Errichtung der streitbefangenen Terrassenüberdachung bezifferten Kosten angelehnt. 94Rechtsmittelbelehrung: 95Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. 96Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 97Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 98Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt. 99Die Beschwerdeschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. 100War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
die klage wird abgewiesen. die klägerin trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. die klägerin darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe des auf grund des urteils vollstreckbaren betrags abwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung in gleicher höhe sicherheit leistet. 1
2die klägerin ist eigentümerin des mit einem reihenendhaus bebauten grundstücks o.---straße 00x in n. (gemarkung e. , flur 00, flurstück 000 – im folgenden: vorhabengrundstück). 3nachdem der ursprüngliche bebauungsplan der beklagten „x0 – o.---straße “, der für das vorhabengrundstück wie auch die unmittelbar benachbarten bereiche ein allgemeines wohngebiet in geschlossener bauweise mit einer rückwärtigen baugrenze festsetzte, die etwa 1 m hinter der nordöstlichen außenwand des heute dort aufstehenden hauses der klägerin verlief, mit satzung vom 2. juli 2020 – im amtsblatt der beklagten vom 15. juli 2020 bekannt gemacht – aufgehoben worden ist, wird das innerstädtische vorhabengrundstück nicht mehr vom geltungsbereich eines bebauungsplanes erfasst. es ist teil einer wohnbebauung, die sich zu beiden seiten der o.---straße zwischen der kreuzung mit der l.-----straße im nordwesten und dem bereich bis zur einmündung der o.---straße in die b.-----straße im südosten erstreckt und im wesentlichen aus freistehenden einzel-, doppel- und reihenhäusern besteht. 4das auf dem vorhabengrundstück aufstehende wohngebäude bildet den nordwestlichen abschluss eines aus drei einheiten bestehenden reihenhauses an der nordöstlichen straßenseite. das wohngebäude auf dem sich nordwestlich anschließenden grundstück o.---straße 00 (flurstück 00 – im folgenden: nachbargrundstück) stellt den abschluss eines weiteren, von fünf einheiten gebildeten reihenhauses dar. an der grenze zwischen dem vorhaben- und dem nachbargrundstück liegen zu beiden seiten 3 m breite garagen, deren nordöstliche außenwände die verlängerung der nordöstlichen außenwand des auf dem vorhabengrundstück aufstehenden wohngebäudes darstellen. nordöstlich der garagen schließt sich auf dem nachbargrundstück unmittelbar an der gemeinsamen grundstücksgrenze ein gut 3,50m langer holzzaun aus zwei fertigelementen samt pfosten an. 5obwohl der ehemann und prozessbevollmächtigte der klägerin durch die beklagte nach dortiger darstellung in einem gespräch vom 12. dezember 2019 zur wahrung der notwendigen abstandsfläche zum nachbargrundstück auf die genehmigungsfähigkeit einer terrassenüberdachung lediglich über die gebäudebreite hingewiesen wurde, ließ dieser am 29. mai 2020 unmittelbar im anschluss an die nordöstliche außenwand des wohnhauses über die gesamte breite des vorhabengrundstücks eine terrassenüberdachung errichten. 6auf die eingabe eines nachbarn aus juni 2020 hin stellte die beklagte bei einer ortsbesichtigung am 11. november 2020 fest, dass die terrassenüberdachung eine tiefe von 3,93 m und eine breite von 8,50 m aufweist, an der hausseite 2,79 m und an der gartenseite 2,29 m hoch reicht. entsprechend den dabei angefertigten fotoaufnahmen liegt die überdachung gartenseitig auf vier aluminiumpfosten auf und besteht abgesehen von den querstreben aus nach oben durchsichtigem plexiglas; seitlich war damals nur im bereich oberhalb der an den nachbargrenzen aufstehenden zäunen (sowie in einem schmalen bereich oberhalb der garage) eine kunststoffverkleidung angebracht. 7daraufhin erließ die beklagte nach entsprechender anhörung und vornahme einer weiteren ortsbesichtigung am 10. märz 2021, bei der inzwischen beide seiten der terrassenüberdachung vollständig mit kunststoff verkleidet worden waren, unter dem 17. märz 2021 gegenüber der klägerin eine ordnungsverfügung, mit der ihr aufgegeben wurde, die terrassenüberdachung innerhalb eines monats nach bestandskraft dieser verfügung vollständig zu beseitigen (ziffer 1), ein zwangsgeld i.h.v. 4000,00 euro für den fall angedroht wurde, dass sie der anordnung unter ziffer 1 nicht oder nicht in vollem umfange nachkommt (ziffer 2), sowie für den erlass dieser verfügung eine gebühr i.h.v. 600,00 euro festgesetzt (ziffer 3). in den gründen des bescheides wurde ausgeführt: die terrassenüberdachung sei formell illegal, da sie mit einer gesamtgröße von mehr als 30 m² genehmigungspflichtig sei, ohne dass eine baugenehmigung beantragt und erteilt worden sei. darüber hinaus sei die überdachung auch materiell rechtswidrig, da sie bis an das nachbargrundstück herangebaut worden sei und nicht die bauordnungsrechtlich vorgeschriebene abstandsfläche von 3 m einhalte. bei dieser sachlage habe man sich dazu entschlossen, auf der grundlage der ermessensvorschrift des § 58 abs. 2 i.v.m. § 82 s. 1 der bauordnung für das land nordrhein-westfalen vom 21. juli 2018 (gv. nrw. s. 421) – im folgenden: bauo nrw 2018 – die beseitigung der terrassenüberdachung zu fordern, da diese maßnahme geeignet, erforderlich und auch im übrigen verhältnismäßig sei, um den verstoß gegen die rechtsordnung auszuräumen. 8mit der hiergegen gerichteten klage vom 24. märz 2021 trägt die klägerin vor: nachdem ihr ehemann erfahren habe, dass man gegen umschlag mit geldinhalt beim bauamt sein o. k. bekomme, um sein bauvorhaben zu beschleunigen, habe er im august 2011 herrn i. vom bauamt der beklagten in einem persönlichen gespräch gefragt, ob er einen geschlossenen umschlag mit geldinhalt haben möchte. daraufhin habe dieser gelächelt, woraufhin er wiederum sofort gesagt habe, dass er kein geld geben werde. der grund dafür sei gewesen, dass ihr ehemann überhaupt nichts von bestechung halte. tatsächlich hätten damals aber sehr viele terrassenüberdachungen selbst gebaut oder bauen lassen. ihr ehemann könne heute nicht sagen, ob das ganze bei jedem mit genehmigung – sei es aufgrund bestechung oder auf gesetzlichem weg – gelaufen sei. nach einem zeitungsbericht von november 2021 würden in n. 150 terrassenüberdachungen im monat gebaut, ohne dass man bis heute gehört habe, dass irgendeiner sein bauwerk (terrassenüberdachung oder carport) habe zurück bauen müssen. sie frage sich, ob das deutsche gesetz und recht nur dann gelte, wenn ihre familie eine terrassenüberdachung errichten lasse. das gesetz gelte offenbar nicht für alle gleich. zur beschwerde des eigentümers des nachbargrundstücks sei festzustellen, dass ihr ehemann – was sie bestätigen könne – den nachbarn vor der errichtung ihrer terrassenüberdachung vor seiner haustür darauf angesprochen, ihm anschließend im eigenen garten ganz genau von ihrem bauvorhaben berichtet und dabei auch die genauen ausmaße und den preis der terrassenüberdachung genannt habe. der nachbar habe ihm daraufhin gesagt, dass er dies über eine firma bauen lassen dürfe, er sich das ansehen und gegebenenfalls auch eine terrassenüberdachung bauen lassen möchte. anschließend habe er das vorhaben in auftrag gegeben. als er sich später die schriftliche zustimmung der nachbarn habe holen wollen, sei lediglich die frau des nachbarn dagegen gewesen, ohne allerdings davon zu sprechen, dass er die überdachung nicht bauen lassen dürfe, während der nachbar nichts dazu gesagt habe. das bauamt der beklagten ergreife einseitig partei und störe den nachbarschaftlichen frieden. nicht nachvollziehbar sei auch, dass sich die beklagte in der angelegenheit erstmals mitte november 2020 und damit eine lange zeit nach der errichtung der terrassenüberdachung an sie gewandt habe. sie berufe sich insoweit auf gewohnheitsrecht. die beklagte versuche, einen ausländer klein zu kriegen. sie kämen sich so vor wie in einem spiel deutschland gegen die türkei. 9die klägerin beantragt, 10die ziffern 1 und 2 der ordnungsverfügung der beklagten vom 17. märz 2021 (az. 00000-00-00) zur anordnung der vollständigen beseitigung der terrassenüberdachung auf dem grundstück o.---straße 00x in n. (gemarkung e. , flur 00, flurstück 000) und zur zwangsgeldandrohung i.h.v. 4000,00 euro aufzuheben. 11die beklagte beantragt, 12die klage abzuweisen. 13sie führt ergänzend aus: die terrassenüberdachung sei ein gebäude im sinne des § 2 abs. 2 bauo nrw 2018. die voraussetzungen für einen entfall der notwendigkeit von abstandsflächen nach § 6 abs. 1 s. 3 bauo nrw 2018 lägen nicht vor. planungsrechtlich weise die eigenart der näheren umgebung eine offene bauweise auf. die bebauung auf dem vorhabengrundstück stelle den abschluss einer hausgruppe dar, bei dem zur freien seite hin – hier also zum nachbargrundstück – die abstandsflächen einzuhalten seien. die terrassenüberdachung gehöre auch nicht zu den abstandsflächenrechtlich privilegierten anlagen wie garagen und gebäude ohne aufenthaltsräume. schließlich seien auch keine ermessensfehler ersichtlich. wenn die terrassenüberdachung gegenüber dem nachbargrundstück zurück gebaut würde, sodass ein 3 m abstand zu dieser nachbargrenze eingehalten würde, liege kein abstandsflächenverstoß mehr vor. 14der einzelrichter hat die örtlichkeit am 8. februar 2022 mit den beteiligten in augenschein genommen. zum ergebnis der beweisaufnahme wird auf das protokoll und die dabei angefertigten lichtbildaufnahmen verwiesen. 15wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird ergänzend auf den inhalt der gerichtsakte und des verwaltungsvorgänge der beklagten bezug genommen. 16
17das erkennende gericht entscheidet gemäß § 101 abs. 1 s. 1 der verwaltungsgerichtsordnung (vwgo) aufgrund der mündlichen verhandlung vom 23. juni 2022, die der einzelrichter gemäß § 54 abs. 1 vwgo i.v.m. § 47 abs. 2 s. 1 der zivilprozessordnung (zpo) trotz des nach aufruf der angelegenheit, aber vor ausdrücklicher eröffnung der mündlichen verhandlung mit übergabe des schriftsatzes des prozessbevollmächtigten der klägerin vom 22. juni 2022 sinngemäß gestellten befangenheitsantrags durchgeführt hat. gemäß § 47 abs. 2 s. 1 zpo kann der termin, wenn ein richter während der verhandlung abgelehnt wird und die entscheidung über die ablehnung eine vertagung der verhandlung erfordern würde, unter mitwirkung des abgelehnten richters fortgesetzt werden. diese voraussetzungen lagen vor. 18die sinngemäße ablehnung des einzelrichters wegen besorgnis der befangenheit mit übergabe des schriftsatzes vom 22. juni 2022 erfolgte in diesem sinne „während der verhandlung“. ausgehend vom sinn und zweck der vorschrift, missbräuchlichen ablehnungsgesuchen vorzubeugen und einen verzögerungseffekt des ablehnungsgesuchs zu vermeiden, 19vgl. die begründung des entwurfs eines gesetzes zur modernisierung der justiz (justizmodernisierungsgesetz – jumog), bt.-drs. 15/1508, s. 16, 20ist der begriff der verhandlung nicht technisch zu verstehen und als maßgebender zeitpunkt für ihren beginn in allen fällen der aufruf der sache nach § 103 abs. 2 vwgo bzw. § 220 abs. 1 zpo anzusehen. 21vgl. g. vollkommer, in: zöller, zivilprozessordnung – kommentar, 34. aufl. 2022, § 47, rn. 6; stackmann, in: münchener kommentar zur zivilprozessordnung, 6. aufl. 2020, § 47, rn. 6; vossler, in: vorwerk/wolf, beckok zpo, 44. edition, stand: 1.3.2022, § 47, rn. 8; ders., „neuregelung der wartepflicht des als befangen abgelehnten richters“, mdr 2006, 1383 (1384); hüßtege, in: thomas/putzo, zivilprozessordnung – kommentar, 40. aufl. 2019, § 47, rn. 5. 22denn bereits mit dem aufruf der sache bekundet das gericht, dass es mit der verhandlung der streitsache beginnt. 23vgl. dolderer, in: sodan/ziekow, verwaltungsgerichtsordnung – großkommentar, 5. aufl., § 103, rn. 19. 24die entscheidung über die ablehnung hätte auch im sinne des § 47 abs. 2 s. 1 zpo eine vertagung der verhandlung erfordert, zumal am 23. juni 2022 aus der entscheidenden kammer kein weiterer richter und aus der (ersten) vertretungskammer lediglich ein weiterer richter im dienst war. 25die zulässige klage ist unbegründet. 26die ziffern 1 und 2 der ordnungsverfügung der beklagten vom 17. märz 2021 (az. 00000‑00-00) zur anordnung der vollständigen beseitigung der terrassenüberdachung auf dem grundstück o.---straße 00x in n. (gemarkung e. , flur 00, flurstück 000) und zur zwangsgeldandrohung i.h.v. 4000,00 euro sind rechtmäßig und verletzen die klägerin nicht in ihren rechten (vgl. § 113 abs. 1 s. 1 vwgo). 27die beseitigungsanordnung findet ihre ermächtigungsgrundlage in § 82 s. 1 bauo nrw 2018 (= § 82 abs. 1 s. 1 bauo nrw 2021). nach dieser vorschrift kann die bauaufsichtsbehörde, wenn eine anlage im widerspruch zu öffentlich-rechtlichen vorschriften errichtet oder geändert wird, deren teilweise oder vollständige beseitigung anordnen, wenn nicht auf andere weise rechtmäßige zustände hergestellt werden können. diese voraussetzungen sind erfüllt. 28denn die errichtung der terrassenüberdachung vor der nordöstlichen außenwand des reihenendhauses auf dem vorhabengrundstück ist rechtswidrig; eine andere möglichkeit zur herstellung rechtmäßiger zustände ist nicht ersichtlich. 29die beklagte hat die beseitigungsanordnung nach feststellung der formellen illegalität der terrassenüberdachung, die aufgrund ihrer größe von 8,50 m x 3,93 m = 33,4 m² die für eine solche anlage durch § 62 abs. 1 s. 1 nr. 1 g) bauo nrw 2018/2021 genehmigungsfrei gestellte fläche bis zu 30 m² überschreitet und für die eine danach erforderliche baugenehmigung weder beantragt noch erteilt worden ist, zu recht im kern auf deren materielle rechtswidrigkeit gestützt. 30so hat sie zutreffend darauf abgestellt, dass die terrassenüberdachung gegenüber dem nachbargrundstück die nach § 6 bauo nrw 2018/2021 erforderliche abstandsfläche nicht einhält. 31nach § 6 abs. 1 s. 1 bauo nrw 2018/2021 sind vor den außenwänden von gebäuden abstandsflächen von oberirdischen gebäuden freizuhalten. diese vorschrift erfasst die terrassenüberdachung, da es sich bei ihr angesichts ihres standortes unmittelbar anschließend an die nordöstliche außenwand des hauses, ihrer befestigung an der hauswand und ihrer erkennbaren funktion zur schaffung eines unmittelbar an das wohnzimmer angrenzenden außenwohnbereichs um einen unselbstständigen teil des gebäudes handelt, auf den die abstandsflächenvorschriften unmittelbar anwendung finden. 32vgl. insoweit zur abgrenzung zwischen unselbstständigen bauteilen und selbstständigen baulichen oder anderen anlagen und einrichtungen: ovg nrw, urteil vom 9. märz 2012 – 2 a 2732/10 –, juris, rn. 84 ff., insbesondere 87 und beschluss vom 25. februar 1988 – 10 a 1300/87 –, s. 2 des entscheidungsabdrucks. 33sähe man dies anders, würde diese vorschrift jedenfalls nach § 6 abs. 1 s. 2 nr. 1 bauo nrw 2018/2021 entsprechend gelten. denn die terrassenüberdachung liegt höher als 2 m über der geländeoberfläche. auch gehen von ihr angesichts ihrer größe über die gesamte grundstücksbreite und in einer tiefe von knapp 4 m sowie ihrer verhältnismäßig massiven konstruktion mit vier quadratischen aluminiumträgern mit einer seitenlänge von 12 cm, zwölf querstreben des daches mit einer breite von 5,5 cm und ihrer inzwischen vollständigen verkleidung zu beiden seiten im hinblick auf die mit den abstandsflächenvorschriften verfolgten schutzzwecke zur vorbeugung vor gefahren der beeinträchtigung von belichtung und belüftung, der unangemessenen optischen beengung, der störung des wohnfriedens und der brandübertragung wirkungen wie von gebäuden aus. 34vgl. ovg nrw, urteil vom 2. märz 2001 – 7 a 5020/98 –, juris, rn. 24 und beschluss vom 5. november 2007 – 7 b 1339/07 –, juris, rn. 7; vg düsseldorf, urteil vom 21. februar 2008 – 9 k 1154/07 –, juris, rn. 19 bestätigt durch ovg nrw, beschluss vom 13. märz 2009 – 10 a 1118/08 –, juris, rn. 8. 35eine ausnahme von der verpflichtung zur einhaltung der abstandsfläche ergibt sich auch nicht gemäß § 6 abs. 1 s. 3 bauo nrw 2018/2021 aus den planungsrechtlichen vorgaben zur bauweise. nach dieser vorschrift ist eine abstandsfläche nicht erforderlich vor außenwänden, die an grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen vorschriften 1. an die grenze gebaut werden muss, oder 2. an die grenze gebaut werden darf, wenn gesichert ist, dass auf dem nachbargrundstück ohne grenzabstand gebaut wird. die voraussetzungen dieser ausnahmeregelung liegen nicht vor. in dem für die beurteilung der rechtmäßigkeit der beseitigungsanordnung in ziffer 1 der ordnungsverfügung der beklagten vom 17. märz 2021 grundsätzlich maßgeblichen zeitpunkt der (letzten) behördlichen entscheidung, beurteilte sich die planungsrechtliche zulässigkeit des im innerstädtischen bebauungszusammenhang durchgeführten vorhabens mangels bebauungsplans nach § 34 des baugesetzbuches (baugb). die gemäß abs. 1 s. 1 dieser vorschrift hinsichtlich der bauweise maßgebliche eigenart der näheren umgebung, die im vergleich etwa zum merkmal der art der baulichen nutzung regelmäßig enger zu fassen ist 36vgl. ovg nrw, beschluss vom 30. september 2005 – 10 b 972/05 –, juris, rn. 7; bayerischer vgh, beschluss vom 4. august 2011 – 2 cs 11.997 –, juris, rn. 16, 37und hier allenfalls die häuser zu beiden seiten der o.---straße zwischen der kreuzung mit der l.-----straße im nordwesten und dem bereich bis zur einmündung der o.---straße in die b.-----straße im südosten erfasst, zeichnet sich durch eine bebauung aus freistehenden einzel-, doppel- und reihenhäusern aus. die von der o.---straße aus gesehen rückwärtigen gebäude am i1.---weg 0 und 0 sowie 0, o.---straße 0 und n1.-----weg 00 zählen aufgrund ihrer ausrichtung und lage – wie auch das eckhaus o.---straße 0/0x – schon nicht mehr zur näheren umgebung des vorhabengrundstücks in bezug auf das merkmal der bauweise, würden aber jedenfalls zusammen mit den unmittelbar an der o.---straße liegenden häusern i1.---weg 0 und 0, o.---straße 0 und n1.-----weg 00 noch besondere formen einer hausgruppe darstellen. trotz einzelner unterschiede in der gestaltung handelt es sich auch beim gebäude o.---straße 00 und 00 aufgrund des festzustellenden mindestmaßes an übereinstimmung in bezug auf mehrere ihm proportionen und gestalt gebende bauliche elemente wie höhe, breite und tiefe sowie (wesentliche) dachform 38vgl. ovg nrw, urteil vom 16. august 2011 – 10 a 1224/09 –, juris, rn. 36 sowie beschlüsse vom 18. januar 2016 – 10 a 2574/14 –, juris, rn. 10 und vom 21. august 2015 – 10 b 758/15 –, juris, rn. 8, 39noch um ein doppelhaus. nach dem im ortstermin und anhand des vorliegenden kartenmaterials gewonnenen eindruck liegt somit in der näheren umgebung eine offene bauweise vor, die sich gemäß § 22 abs. 2 s. 1 der baunutzungsverordnung 2017/2021 (baunvo 2017/2021) dadurch auszeichnet, dass die einzelhäuser, doppelhäuser und hausgruppen mit seitlichem grenzabstand errichtet werden. bei dieser sachlage geben die planungsrechtlichen vorschriften im sinne des § 6 abs. 1 s. 3 bauo nrw 2018/2021 daher weder vor, dass an die grenze gebaut werden muss, noch erlauben sie einen solchen grenzanbau auch nur. selbst wenn man aber von einer faktisch gemischten bauweise ausginge und damit der anwendungsbereich der 2. alternative der ausnahmevorschrift grundsätzlich eröffnet wäre, würde es hinsichtlich der terrassenüberdachung jedenfalls an der in diesem fall weiter erforderlichen sicherung fehlen, dass auf dem nachbargrundstück ohne grenzabstand gebaut wird. mangels öffentlich-rechtlicher oder zumindest privatrechtlicher anbausicherung käme hierfür nur eine bereits vorhandene, hinreichend gewichtige bebauung auf dem nachbargrundstück als sogenannte faktische anbausicherung in betracht, wenn sich diese bebauung an der gemeinsamen grenze auf einer nennenswerten länge mit dem vorhaben deckt und von ihrem fortbestand ausgegangen werden kann. 40vgl. ovg nrw, beschluss vom 30. april 2019 – 10 a 1693/17 –, juris, rn. 8 m.w.n. 41dabei kann eine solche faktische anbausicherung jedoch von vornherein nicht von bauwerken vermittelt werden, die an der grenze generell errichtet werden dürfen. 42vgl. ovg nrw, beschlüsse vom 12. september 2002 – 7 a 1477/01 –, juris, rn. 8 und vom 21. februar 1990 – 10 b 28/90 –, s. 5 des entscheidungsabdrucks m.w.n. 43an der grenze zum vorhabengrundstück stehen auf dem nachbargrundstück mit der garage und der – wie ein vergleich mit der an der gartenseite 2,29 m hohen terrassenüberdachung der klägerin zeigt (vgl. fotoaufnahme bl. 19 der beiakte heft 1) – weniger als 2 m hohen geschlossenen einfriedung in form eines sichtschutzzauns aber lediglich bauliche anlagen auf, die nach § 6 abs. 8 s. 1 nr. 1 und 3 bauo nrw 2018 bzw. § 6 abs. 8 s. 1 nr. 1 und 6 bauo nrw 2021 ohne eigene abstandsflächen, d. h. auch an der grenze errichtet werden dürfen. 44schließlich greift hinsichtlich der terrassenüberdachung auch keiner der tatbestände des § 6 abs. 6 bauo nrw 2018/2021 zur außerachtlassung untergeordneter bauteile bei der bemessung der abstandsfläche ein. 45die somit vor den außenseiten der terrassenüberdachung erforderlichen abstandsflächen müssen nach § 6 abs. 2 s. 1 bauo nrw 2018/2021 auf dem grundstück selbst liegen und nach § 6 abs. 5 s. 1 bauo nrw 2018/2021 mindestens 3 m tief sein. dieser anforderung wird die terrassenüberdachung der klägerin an ihrer nordwestseite nicht gerecht, da sie dort unmittelbar bis an die grenze zum nachbargrundstück reicht. der einwand der klägerin, dass der eigentümer des nachbargrundstücks dem vorhaben vorher mündlich zugestimmt habe, ist unbeachtlich, da eine solche mündliche zustimmung nicht von der einhaltung der abstandsflächen befreit. abstandsflächen dürfen sich nach § 6 abs. 2 s. 3 bauo nrw 2018/2021 nur dann ganz oder teilweise auf andere grundstücke erstrecken, wenn öffentlich-rechtlich gesichert ist, dass sie nur mit in der abstandsfläche zulässigen baulichen anlagen überbaut werden, wobei ergänzend vorgeschrieben ist, dass abstandsflächen auf die auf diesen grundstücken erforderlichen abstandsflächen nicht angerechnet werden dürfen. nach dieser regelung hätte sogar eine einfache schriftliche zustimmung des eigentümers des nachbargrundstücks den abstandsflächenverstoß nicht verhindert. erforderlich wäre vielmehr gewesen, dass der eigentümer des nachbargrundstücks gemäß § 85 abs. 1 s. 1 und abs. 2 bauo nrw 2018/2021 gegenüber der bauaufsichtsbehörde in schriftform die öffentlich-rechtliche verpflichtung übernimmt, dass er die von der terrassenüberdachung auf sein grundstück fallende abstandsfläche nicht mit baulichen anlagen überbaut, die ihrerseits abstandsflächen auslösen. jedenfalls eine solche erklärung des eigentümers des nachbargrundstücks liegt nicht vor. 46die annahme materieller rechtswidrigkeit der terrassenüberdachung wird auch nicht durch einen materiellen bestandsschutz ausgeschlossen. ein solcher ist gegeben, wenn die bauliche anlage nach ihrer errichtung für einen nennenswerten zeitraum mit dem materiellen baurecht übereingestimmt hat. 47vgl. boeddinghaus/hahn/schulte u.a., bauordnung für das land nordrhein-westfalen – kommentar, 115. al, § 82, rn. 4; wenzel, in: gädtke, bauo nrw – kommentar, 13. aufl., § 58, rn. 68 m.w.n. 48die terrassenüberdachung auf dem vorhabengrundstück stimmte jedoch zu keinem zeitpunkt nach ihrer errichtung am 29. mai 2020 mit dem materiellen baurecht überein. zwar galt bis zur öffentlichen bekanntmachung der betreffenden aufhebungssatzung des stadtrates der beklagten vom 2. juli 2020 im amtsblatt der beklagten vom 15. juli 2020 für das vorhabengrundstück noch der bebauungsplan der beklagten „x0 – o.---straße “, der insoweit eine geschlossene bauweise vorgab, sodass damals hinsichtlich der einhaltung der abstandsfläche zum nachbargrundstück die ausnahmevorschrift des § 6 abs. 1 s. 3 nr. 1 bauo nrw 2018/2021 eingriff. nach damaliger rechtslage ergab sich jedoch die materielle rechtswidrigkeit der terrassenüberdachung in planungsrechtlicher hinsicht nach § 30 abs. 1 bzw. abs. 3 baugb aus der überschreitung der in diesem bebauungsplan festgesetzten rückwärtigen baugrenze, da diese lediglich etwa 1 m hinter der nordöstlichen außenwand des mit baugenehmigung der beklagten vom 11. april 2001 genehmigten einfamilienwohnhauses auf dem vorhabengrundstück verlief (vgl. die eintragung im grün gestempelten lageplan zu dieser baugenehmigung, bl. 18 der beiakte heft 5), während die terrassenüberdachung nordöstlich dieser außenwand eine tiefe von 3,93 m aufweist. 49auch griff zugunsten der terrassenüberdachung keine abweichungsmöglichkeit bzw. ausnahme von der festgesetzten baugrenze ein. dabei kommt es insoweit im vorliegenden fall nicht darauf an, ob die terrassenüberdachung bauplanungsrechtlich als gebäudeteil oder als nebenanlage zu werten ist, wobei das erkennende gericht anknüpfend an die obigen ausführungen zu den bauordnungsrechtlichen regelungen des § 6 abs. 1 s. 1 und 2 bauo nrw 2018/2021 und unter berücksichtigung ihrer größe, ihrer massiven konstruktion mit seitlicher verkleidung und ihrer funktion zur räumlich-konstruktiven erweiterung des wohngebäudes nach außen zur einstufung als teil des hauptgebäudes neigt. 50vgl. bverwg, urteil vom 14. dezember 2017 – 4 c 9.16 –, juris, rn. 8 ff. und beschluss vom 13. juni 2005 – 4 b 27.05 –, juris, rn. 5; vgh baden-württemberg, urteile vom 14. august 1997 ‑ 5 s 1252/96 –, juris, rn. 35 und vom 26. juni 1975 – iii 995/74 –, brs 29, nr. 91, s. 186 (188) sowie beschluss vom 23. august 1993 – 5 s 1338/93 –, juris, rn. 10; ovg schleswig-holstein, urteil vom 15. märz 2007 – 1 lp 20/06 –, juris, rn. 27; vg köln, urteil vom 3. juli 2012 – 2 k 368/11 –, juris, rn. 46 ff. 51in diesem fall griffe vorliegend die gesetzliche abweichungsbefugnis nach § 23 abs. 3 s. 2 baunvo 1962 als der im zeitpunkt des inkrafttretens des bebauungsplans am 30. september 1968 maßgeblichen fassung tatbestandlich nicht ein, da sie ein vortreten von gebäudeteilen nur in geringfügigem ausmaß für zulassungsfähig erklärte. sowohl absolut als auch relativ im verhältnis zur tiefe des für das vorhabengrundstück festgesetzten baufensters von 11 m bzw. zu seiner größe von 11 m x 8,675 m = 95,425 m² kann die überschreitung der rückwärtigen baugrenze durch die terrassenüberdachung in einer tiefe von etwa 2,93 m über eine fläche von insgesamt 2,93 m x 8,675 m = 25,418 m², d. h. um jeweils mehr als 25 % nicht mehr als geringfügig gewertet werden. dies gilt erst recht vor dem hintergrund, dass zur orientierung insoweit auf die abstandsflächenrechtlichen regelungen des bauordnungsrechts für ein insoweit zulässiges geringfügiges vortreten von gebäudeteilen (vgl. § 6 abs. 6 bauo nrw 2018/2021) zurückgegriffen werden kann, die insoweit begrenzungen auf 1,50 m bzw. 1,60 m vorsehen. 52vgl. zu alledem: blechschmidt, in: ernst/zinkahn/bielenberg/krautzberger, baugesetzbuch – kommentar, werkstand: 143. el august 2021, § 23 baunvo, rn. 41; schilder, in: bönker/bischopink, baunutzungsverordnung – kommentar, 2. aufl. 2018, § 23, rn. 27; petz, in: könig/roeser/stock, baunutzungsverordnung – kommentar, 5. aufl. 2022, § 23, rn. 25; hornmann, in: spannowsky/hornmann/kämper, beckok baunvo, 29. edition, stand: 15.4.2022, § 23, rn. 46 und 55. 53ginge man stattdessen davon aus, dass es sich bei der terrassenüberdachung nicht um einen gebäudeteil handelt, schiede ihre zulassung nach § 23 abs. 5 baunvo 1962 außerhalb der überbaubaren grundstücksfläche als nebenanlage im sinne des § 14 baunvo 1962 bzw. als nach landesrecht im bauwich bzw. in den abstandsflächen zulässige oder zulassungsfähige bauliche anlage ebenfalls aus. denn diese zulassungsmöglichkeit steht nach § 23 abs. 5 s. 1 baunvo 1962 ausdrücklich unter dem vorbehalt einer anderweitigen festsetzung im bebauungsplan. hiervon hatte die beklagte jedoch gebrauch gemacht. nach den textlichen festsetzungen zum bebauungsplan der beklagten „x0 – o.---straße “ waren nämlich auf den nicht überbaubaren grundstücksflächen im gesamten planbereich mit ausnahme einzelner, hier nicht relevanter baugrundstücke nebenanlagen und einrichtungen im sinne des § 14 abs. 1 baunvo 1962 ebenso wie garagen und überdachte stellplätze ausdrücklich nicht zulässig (so der letzte satz der textlichen festsetzungen zur art der baulichen nutzung, beiakte heft 4). 54die klägerin ist als eigentümerin des vorhabengrundstücks und bewohnerin des dort aufstehenden einfamilienhauses sowohl zustands- als auch verhaltensstörerin im sinne der §§ 17 abs. 1 und 18 abs. 1 s. 1 des ordnungsbehördengesetzes und damit richtige adressatin der beseitigungsanordnung. 55die beklagte hat die beseitigung der formell und materiell illegalen terrassenüberdachung ermessensfehlerfrei, insbesondere auch unter wahrung des verhältnismäßigkeitsgrundsatzes angeordnet. die baubehörden sind regelmäßig gehalten, den vollständigen abriss des illegalen gebäudes anzuordnen, sofern dieses weder bautechnisch noch nach den vorstellungen des bauherrn teilbar ist. 56vgl. ovg nrw, urteile vom 22. januar 1996 – 10 a 673/94 –, juris und vom 23. oktober 1995 ‑ 10 a 958/92 –, juris sowie beschlüsse vom 4. dezember 2009 – 10 a 1671/09 –, juris, rn. 49 ff. und vom 18. märz 1997 – 10 a 853/93 –, juris, rn. 6 ff. 57denn es ist einerseits nicht aufgabe der bauaufsichtsbehörden, für den bauherrn die planung eines bauordnungsrechtlich beanstandungsfreien vorhabens zu übernehmen. zudem darf dem bauherrn nicht gegen seinen willen eine neue anlage aufgedrängt werden. es obliegt vielmehr dem bauherrn, den rückbau des gebäudes auf ein rechtlich zulässiges maß als austauschmittel nach § 21 s. 2 obg nrw anzubieten. 58vgl. vgl. ovg nrw, beschlüsse vom 4. dezember 2009 – 10 a 1671/09 –, juris, rn. 51 ff. und vom 18. märz 1997 – 10 a 853/93 –, juris, rn. 8 ff.; boeddinghaus/hahn/schulte u.a., bauordnung für das land nordrhein-westfalen – kommentar, 115. al, § 82, rn. 8. 59auf diese möglichkeit ist der prozessbevollmächtigte der klägerin bereits in der e-mail der beklagten vom 24. februar 2021 ausdrücklich hingewiesen worden (vgl. bl. 33 der beiakte heft 1). angesichts des mit einer einkürzung der terrassenüberdachung verbundenen erheblichen konstruktiven eingriffs in die gesamtanlage jedenfalls in bezug auf die positionierung der gartenseitigen pfosten, aber auch die anordnung der querstreben im dach ließe sich ihr teilabbruch auch baulich nicht ohne weiteren aufwand durchführen, so dass nicht von einer unproblematischen teilbarkeit der anlage ausgegangen werden kann. 60des weiteren unterliegt die beseitigungsanordnung auch im hinblick auf die anforderungen aus dem gleichheitssatz des art. 3 abs. 1 des grundgesetzes (gg) keinen ermessensfehlern. 61es ist anerkannt, dass eine bauordnungsrechtliche beseitigungsanordnung von dem adressaten nicht allein mit dem argument abgewehrt werden kann, die behörde schreite gegen baurechtsverstöße in vergleichbaren anderen fällen nicht ein; denn art. 3 abs. 1 gg gewährt keinen anspruch auf gleichbehandlung im unrecht. 62vgl. bverwg, urteile vom 26. februar 1993 – 8 c 20.92 –, juris, rn. 14 und vom 14. februar 1990 ‑ 6 c 54.88 –, juris, rn. 29. 63dieser grundsatz entbindet die bauaufsichtsbehörde indes nicht von der verpflichtung, ihre bauordnungsrechtliche tätigkeit maßgeblich auch am gleichheitssatz auszurichten. ermächtigt das gesetz dazu, unter bestimmten voraussetzungen die beseitigung von baulichen anlagen anzuordnen, so lässt sich aus art. 3 abs. 1 gg die forderung ableiten, das eingeräumte ermessen in gleichgelagerten fällen gleichmäßig auszuüben. ergreift oder unterlässt die behörde maßnahmen zur bekämpfung baurechtswidriger zustände, so hat sie in allen vergleichbaren fällen in der gleichen art und weise zu verfahren. das bedeutet bei einer vielzahl von verstößen jedoch nicht, dass sie gleichzeitig tätig werden muss. entschließt sie sich zu einem einschreiten, so ist es ihr unbenommen, die verhältnisse nach und nach zu bereinigen. ihr ist es indes verwehrt, systemlos oder willkürlich vorzugehen. beschränkt sie sich darauf, einen einzelfall herauszugreifen, so handelt sie dem gleichbehandlungsgebot zuwider, es sei denn, dass sie hierfür sachliche gründe anzuführen vermag. 64vgl. bverwg, urteil vom 3. april 1987 – 4 c 43.84 –, juris, rn. 20 f. sowie beschlüsse vom 22. april 1995 – 4 b 55.95 –, juris, rn. 4 f., vom 19. februar 1992 – 7 b 106.91 –, juris, rn. 2, vom 11. märz 1991 – 4 b 26.91 –, juris, rn. 4 f. und vom 19. juli 1976 – iv b 22.76 –, juris, rn. 2. 65dass die beklagte diesen anforderungen im zusammenhang mit dem erlass der beseitigungsanordnung gegenüber der klägerin nicht gerecht geworden ist, ergibt sich jedoch weder aus ihrem vortrag noch ist dies sonst ersichtlich. der bloße verweis der klägerin auf den umstand, dass in n. nach zeitungsberichten im monat bis zu 150 terrassenüberdachungen errichtet würden, ohne dass ihr bekannt geworden sei, dass ein derartiges bauwerk habe zurückgebaut werden müssen, bietet keinerlei anhaltspunkt für ein gleichheitswidriges vorgehen der beklagten. nichts anderes gilt für das auch in der mündlichen verhandlung erfolgte vorbringen, dass sich in der umgebung des vorhabengrundstücks andere terrassenüberdachungen befänden, gegen die die beklagte nicht einschreite. denn ein solches bauaufsichtliches einschreiten setzt voraus, dass die betreffende anlage (ebenfalls) gegen baurechtliche vorschriften verstößt. terrassenüberdachungen sind nämlich nicht generell unzulässig, müssen aber die allgemeinen baurechtlichen vorgaben einhalten, insbesondere die erforderlichen abstandsflächen wahren. die terrassenüberdachung auf dem vorhabengrundstück wird dieser anforderung – wie ausgeführt – nicht gerecht. dafür, dass auch konkrete andere überdachungen im stadtgebiet materiell rechtswidrig sind, ohne dass die beklagte dagegen vorgeht, gibt es keinen anhaltspunkt. ein ersichtlich ungeeignetes beispiel ist insoweit die von der klägerin konkret benannte überdachung auf dem nahegelegenen grundstück l.-----straße 00, hinsichtlich derer sich bereits aus dem lageplan ergibt, dass sie in der mitte des betreffenden flurstücks errichtet worden ist und deshalb ein abstandsflächenverstoß gegenüber den nachbargrundstücken denkbar fern liegt. im übrigen ist dem gericht aus zahlreichen anderen verfahren bekannt, dass die beklagte sehr wohl bauaufsichtlich gegen baurechtswidrige anlagen im stadtgebiet vorgeht, sobald sie hiervon kenntnis erlangt. die offenbar hinter ihrem einwand stehende vorstellung der klägerin, dass ein rechtmäßiges vorgehen im einzelfall voraussetzt, dass die beklagte eine vollständige bestandsaufnahme aller baulichen anlagen durchführt, deren öffentlich-rechtliche zulässigkeit prüft und sodann ein einheitliches und flächendeckendes handlungskonzept entwickelt und verfolgt, geht fehl. die verpflichtung zu einer derartigen bindung personeller und sachlicher mittel vor dem bauaufsichtlichen aufgreifen bekannt gewordener einzelfälle lässt sich aus dem gleichheitssatz nicht ableiten. 66vgl. bverwg, beschluss vom 11. märz 1991 – 4 b 26.91 –, juris, rn. 5. 67ferner entbehren die behauptung der klägerin, die beklagte versuche mit ihrem vorgehen, einen ausländer klein zu kriegen, und der verbundene vorwurf der gezielten benachteiligung ausländischer mitbürger ebenso jeglicher tatsächlicher grundlage wie die andeutungen im hinblick auf eine bestechlichkeit von mitarbeitern der bauaufsichtsbehörde der beklagten in der vergangenheit. 68schließlich besteht ein ermessensfehler auch nicht insoweit, als die klägerin infolge einer duldung der terrassenüberdachung in der vergangenheit schutzwürdig darauf vertrauen durfte, dass die beklagte von ihren bauaufsichtlichen eingriffsbefugnissen keinen gebrauch machen würde. die bauaufsichtsbehörde wird selbst durch eine längere duldung eines illegal errichteten bauvorhabens (durch nichttätigwerden) nicht grundsätzlich daran gehindert ist, dessen beseitigung oder nutzungseinstellung zu fordern. insbesondere kann ihre befugnis und verpflichtung, zur einhaltung öffentlich-rechtlicher vorschriften belastende verwaltungsakte zu erlassen und durchzusetzen, weder verjähren noch durch untätigkeit verwirkt werden. 69vgl. hessischer vgh, beschluss vom 12. juli 1985 – 4 th 530/85 –, juris, rn. 24; wenzel, in: gädtke, bauo nrw – kommentar, 13. aufl., § 58, rn. 50. 70allenfalls kann sich ein ermessensfehler daraus ergeben, dass die behörde das vorhaben nicht nur (durch nichteinschreiten) geduldet, sondern darüber hinaus (aktiv) ein verhalten gezeigt hat, nach dem der bauherr darauf hat vertrauen können, eine beseitigungsverfügung bzw. nutzungsuntersagung werde nicht ergehen, der bauherr tatsächlich darauf vertraut hat und sich infolgedessen in seinen vorkehrungen und maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die beseitigung der baulichen anlage bzw. der untersagung ihrer nutzung ein unzumutbarer nachteil entstehen würde. damit eine behördliche erklärung objektiv als eine solche aktive duldung verstanden werden kann, muss ihr angesichts ihres ausnahmecharakters und ihrer weitreichenden folgen mit hinreichender deutlichkeit zu entnehmen sein, ob, in welchem umfang und gegebenenfalls über welchen zeitraum die duldung der illegalen zustände erfolgen soll, weswegen auch vieles dafür spricht, dass eine länger andauernde duldung oder duldungszusage, soll sie vertrauensschutz vermitteln, schriftlich erfolgen muss. 71vgl. ovg nrw, beschlüsse vom 28. august 2014 – 7 b 940/14 –, juris, rn. 6 und vom 6. mai 2014 ‑ 2 a 2313/13 –, juris, rn. 17 und 21. 72diese anforderungen sind hier nicht ansatzweise erfüllt. die klägerin beruft sich insoweit allein darauf, dass die beklagte gegenüber der ende mai 2020 errichteten terrassenüberdachung erstmals durch die ortsbesichtigung im november 2020 tätig geworden sei. damit fehlt es bereits an einem ausreichend langen zeitraum für die begründung eines vertrauens auf eine hinnahme der anlage durch die behörde. jedenfalls aber besteht darüber hinaus kein anhaltspunkt für deren aktive duldung durch die beklagte im oben genannten sinne. 73die in der ordnungsverfügung vom 17. märz 2021 unter ziffer 2 weiter erfolgte zwangsgeldandrohung findet ihre rechtsgrundlage in § 63 i.v.m. den §§ 55 abs. 1, 56 abs. 1, 57 abs. 1 nr. 2, 58 und 60 des verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das land nordrhein-westfalen (vwvg nrw). bedenken dagegen sind weder erhoben worden noch bestehen sie im übrigen. 74die kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 abs. 1 vwgo. 75die entscheidung zur vorläufigen vollstreckbarkeit folgt aus § 167 abs. 1 und 2 vwgo in verbindung mit §§ 708 nr. 11, 711 zpo. 76rechtsmittelbelehrung: 77gegen dieses urteil kann innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) schriftlich die zulassung der berufung beantragt werden. der antrag muss das angefochtene urteil bezeichnen. 78auf die ab dem 1. januar 2022 unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 79innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils sind die gründe darzulegen, aus denen die berufung zuzulassen ist. 80die berufung ist nur zuzulassen, 811. wenn ernstliche zweifel an der richtigkeit des urteils bestehen, 822. wenn die rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche schwierigkeiten aufweist, 833. wenn die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat, 844. wenn das urteil von einer entscheidung des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen, des bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen senats der obersten gerichtshöfe des bundes oder des bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser abweichung beruht oder 855. wenn ein der beurteilung des berufungsgerichts unterliegender verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die entscheidung beruhen kann. 86die begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem antrag vorgelegt worden ist, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen (aegidiikirchplatz 5, 48143 münster oder postfach 6309, 48033 münster) schriftlich einzureichen. 87über den antrag entscheidet das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen. 88im berufungs- und berufungszulassungsverfahren müssen sich die beteiligten durch prozessbevollmächtigte vertreten lassen. dies gilt auch für prozesshandlungen, durch die das verfahren eingeleitet wird. die beteiligten können sich durch einen rechtsanwalt oder einen rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten hochschule eines mitgliedstaates der europäischen union, eines anderen vertragsstaates des abkommens über den europäischen wirtschaftsraum oder der schweiz, der die befähigung zum richteramt besitzt, als bevollmächtigten vertreten lassen. auf die zusätzlichen vertretungsmöglichkeiten für behörden und juristische personen des öffentlichen rechts einschließlich der von ihnen zur erfüllung ihrer öffentlichen aufgaben gebildeten zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 abs. 4 satz 4 vwgo und § 5 nr. 6 des einführungsgesetzes zum rechtsdienstleistungsgesetz – rdgeg –). darüber hinaus sind die in § 67 abs. 2 satz 2 nr. 3 bis 7 vwgo bezeichneten personen und organisationen unter den dort genannten voraussetzungen als bevollmächtigte zugelassen. 89die antragsschrift und die zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst zweifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. 90beschluss: 91der streitwert wird auf 6000,00 euro festgesetzt. 92gründe: 93die festsetzung des streitwertes ist nach § 52 abs. 1 gkg erfolgt und orientiert sich an ziffer 10.) a) des streitwertkatalogs der bausenate des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen vom 22. januar 2019 (baur 2019, 610), wonach für die klage gegen eine bauaufsichtliche beseitigungsverfügung ein betrag in höhe des zeitwertes der zu beseitigenden bausubstanz zuzüglich abrisskosten anzusetzen ist. bei der bestimmung dieses betrags hat sich das gericht an die in der mit der klage vorgelegten rechnung für die errichtung der streitbefangenen terrassenüberdachung bezifferten kosten angelehnt. 94rechtsmittelbelehrung: 95gegen den streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur niederschrift des urkundsbeamten der geschäftsstelle bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) beschwerde eingelegt werden, über die das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen in münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der zivilprozessordnung gilt entsprechend. 96auf die ab dem 1. januar 2022 unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 97die beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs monaten eingelegt wird, nachdem die entscheidung in der hauptsache rechtskraft erlangt oder das verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der streitwert später als einen monat vor ablauf dieser frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines monats nach zustellung oder formloser mitteilung des festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 98die beschwerde ist nicht gegeben, wenn der wert des beschwerdegegenstandes 200,-- euro nicht übersteigt. 99die beschwerdeschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. 100war der beschwerdeführer ohne sein verschulden verhindert, die frist einzuhalten, ist ihm auf antrag von dem gericht, das über die beschwerde zu entscheiden hat, wiedereinsetzung in den vorigen stand zu gewähren, wenn er die beschwerde binnen zwei wochen nach der beseitigung des hindernisses einlegt und die tatsachen, welche die wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. nach ablauf eines jahres, von dem ende der versäumten frist angerechnet, kann die wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
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6 K 5043/20
2022-06-23T00:00:00
Gerichtsbescheid
Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger. Der Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Der Kläger ist Mieter von Räumlichkeiten und Freiflächen auf dem Grundstück A.-----straße (H. V. , G. …, G1. …) in V. . Das Grundstück ist mit einer größeren Halle bebaut. Es befindet sich im Geltungsbereich des Bebauungsplans … „J.--------straße “ aus dem Jahre 2017, der hier ein Mischgebiet mit gewissen Einschränkungen betreffend die Zulässigkeit von Vergnügungsstätten sowie von Speditionen, Fuhr- und Abschleppunternehmen etc. festsetzt. 3Weitere Einzelheiten zeigt der nachfolgende Kartenausschnitt: 4An dieser Stelle befindet sich in der Originalentscheidung eine Skizze. 5Sowohl die Halle als auch die betreffenden Freiflächen wurden ursprünglich auf der Grundlage einer entsprechenden Baugenehmigung für den Betrieb einer Fleischfabrik genutzt. Heute befinden sich dort Räume eines Cateringservice (Erdgeschoss) sowie Wohn- und Abstellräume des Grundstückseigentümers. 6Im Mai 2020 stellte die Beklagte fest, dass Räumlichkeiten am nordwestlichen Ende des Gebäudes sowie Freiflächen vor dem Gebäude durch den Kläger für den Betrieb eines Autohandels mit (kleiner) Kfz-Werkstatt genutzt werden. Zu diesem Zweck war ein rund 45 qm großer Werkstattraum mit Hebebühne von den umliegenden Räumen abgetrennt worden. Neben dieser Werkstatt befanden sich ein Lagerraum und – in dem nordwestlichen Anbau der Halle – ein Büroraum. Die Aufnahme des Betriebes mit dem Gegenstand „Autohandel (Kauf und Verkauf von Fahrzeugen), Kleinservice (Reifenmontage, Ölwechsel, Fahrzeugaufbereitung)“ zum 1. Mai 2020 war durch den Kläger bei der Gewerbeaufsicht angezeigt worden. Eine Baugenehmigung war hingegen weder beantragt noch erteilt worden. 7Unter dem 3. August 2020 hörte die Beklagte den Kläger unter Hinweis auf das Fehlen der Baugenehmigung zum Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung an. Der Kläger antwortete darauf, nach Auskunft seines Vermieters werde ein entsprechender Bauantrag durch einen Architekten erarbeitet; die Voraussetzungen für eine Genehmigung seien erfüllt. 8Mit Bescheid vom 2. Dezember 2020 forderte die Beklagte den Kläger auf, den betreffenden Teilbereich des Gebäudes und des Grundstücks binnen eines Monats nach Bestandskraft der Verfügung zu räumen und die Nutzung für einen Autohandel mit Kleinservice zu unterlassen. Zugleich drohte die Beklagte ein Zwangsgeld von 250,- € für den Fall der Zuwiderhandlung an. Zur Begründung führte die Behörde aus, es fehle an der für die Nutzungsänderung erforderlichen Baugenehmigung; die Nutzung sei daher „formell illegal“. Unter Abwägung aller Umstände sei eine Nutzungsuntersagung angezeigt. Als Inhaber der tatsächlichen Gewalt über die fraglichen Gebäude- bzw. Grundstücksteile sei der Kläger „Zustandsstörer“ und richtiger Adressat der Verfügung. 9Am 31. Dezember 2020 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben, zu deren Begründung er ausführt: Sein Vermieter habe einen Architekten mit der Erarbeitung des Bauantrags beauftragt. Leider sei es dem Architekten nicht möglich gewesen, den Bauantrag zeitnah einzureichen. Wenn der inzwischen eingereichte Bauantrag unvollständig sei, habe nicht er dies zu verantworten. Die Nutzung entspreche den Festsetzungen des Bebauungsplans und sei daher genehmigungsfähig. Der Kfz-Betrieb sei die Grundlage seiner wirtschaftlichen Existenz. Die Räumung bedeute für ihn eine unbillige Härte. 10Der Kläger beantragt sinngemäß, 11die Ordnungsverfügung vom 2. Dezember 2020 aufzuheben. 12Die Beklagte beantragt, 13die Klage abzuweisen. 14Sie bezieht sich auf die Begründung ihrer Ordnungsverfügung. 15Der Grundstückseigentümer und Vermieter des Klägers hat am 31. Dezember 2020 einen Bauantrag für die „Umnutzung ehem. Fleischbetrieb zu einer Kfz-Werkstatt“ gestellt. In ihrer Eingangsbestätigung vom 14. Januar 2021 hat die Beklagte erklärt, dass der Bauantrag unvollständig sei, und eine Liste mit insgesamt zwölf Punkten beigefügt, hinsichtlich derer zusätzliche Angaben bzw. Unterlagen erforderlich seien. In der Folgezeit sind Angaben und Unterlagen nachgereicht worden. Unter dem 9. Februar 2022 hat die Beklagte dem Grundstückseigentümer indes mitgeteilt, dass weiterhin einige Punkte aus der Eingangsbestätigung offen seien. Dies betrifft insbesondere die Qualität der eingezogenen Trennwände und die Veränderung des Rettungswegs der angrenzenden Nutzungseinheit im Obergeschoss durch die Werkstatt. 16Wegen der sonstigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen. 17Entscheidungsgründe: 18Die Kammer entscheidet über die Klage gemäß § 84 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, weil sie der Auffassung ist, dass die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind dazu gehört worden. 19Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. 20Die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 2. Dezember 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. 21Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Ordnungsverfügung ist § 58 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 82 Abs. 1 Satz 2 Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (BauO NRW 2018). 22In formeller Hinsicht begegnet die angegriffene Ordnungsverfügung keinen rechtlichen Bedenken, insbesondere wurde der Kläger vor ihrem Erlass – wie in § 28 Verwaltungsverfahrensgesetz Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) vorgeschrieben –angehört. 23Die angegriffene Ordnungsverfügung ist auch materiell rechtmäßig. Nach § 58 Abs. 2 Satz 2 BauO NRW 2018 haben die Bauaufsichtsbehörden im Rahmen ihrer Aufgabe, die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften bei der Errichtung, der Änderung, der Nutzungsänderung und der Beseitigung sowie bei der Nutzung und Instandhaltung von Anlagen zu überwachen, nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. § 82 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW 2018 sieht insoweit vor, dass die Bauaufsichtsbehörde die Nutzung untersagen kann, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden. Zu den öffentlich-rechtlichen Vorschriften in diesem Sinne gehören unter anderem die §§ 60 ff. BauO NRW 2018, denen zufolge bestimmte Vorhaben der Einholung einer Baugenehmigung bedürfen. Wird ein solches genehmigungsbedürftiges Vorhaben ohne die erforderliche Genehmigung durchgeführt, hat die Behörde ein Einschreiten zu erwägen. 24Die Voraussetzungen für ein solches Einschreiten liegen hier vor. Der Kläger nutzt die von der Ordnungsverfügung erfassten Teilbereiche der in Rede stehenden Halle und des Grundstücks ohne die erforderliche Baugenehmigung. Denn die vorhandene Baugenehmigung für die ehemalige Fleischfabrik deckt weder die durch den Kläger aufgenommene Nutzung noch die dafür vorgenommenen baulichen Änderungen. 25Gemäß § 60 Abs. 1 BauO NRW 2018 bedarf auch die Nutzungsänderung von bestehenden Anlagen grundsätzlich einer Baugenehmigung, soweit in den §§ 61 bis 63, 78 und 79 BauO NRW 2018 nichts anderes bestimmt ist. Von einer solchen Nutzungsänderung ist auszugehen, wenn die einer genehmigten Nutzung eigene Variationsbreite verlassen wird und durch die Aufnahme der veränderten Nutzung bodenrechtliche Belange neu berührt werden können, so dass sich die Genehmigungsfrage neu stellt. 26Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 21. November 2005 - 10 A 1166/04 - und Beschluss vom 29. Juni 2021 - 2 B 499/21 -, juris (Rn. 8); Johlen, in: Gädtke u.a., BauO NRW, 13. Aufl. 2019, § 3 Rn. 107. 27Die Aufnahme der Nutzung als Autohandel mit Kfz-Werkstatt stellt ausgehend von diesem Grundsatz eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung dar, weil sich die neue Nutzung wesentlich von der vorangegangenen genehmigten Nutzung als Fleischbetrieb unterscheidet. Der einschlägige Bebauungsplan … setzt für die fragliche Fläche ein Mischgebiet mit gewissen Einschränkungen zugunsten der unter anderem an der A.-----straße vorhandenen Wohnbebauung fest. Ob ein Autohandel mit Kfz-Werkstatt hier bauplanungsrechtlich zulässig ist, bedarf der näheren Prüfung. Kfz-Werkstätten gehören nämlich zu den Betrieben, deren Mischgebietsverträglichkeit nicht bereits aufgrund einer typisierenden Betrachtung, sondern nur unter Berücksichtigung der näheren Umstände des Einzelfalls beurteilt werden kann. 28Vgl. nur OVG NRW, Beschluss vom 18. Juni 2010 - 7 A 896/09 -, juris, mit weiteren Nachweisen. 29Auch die Einhaltung von § 15 Abs. 1 Baunutzungsverordnung und des darin enthaltenen Rücksichtnahmegebots bedürfen nicht zuletzt mit Blick auf die von einem Autohandel und einer Kfz-Werkstatt ausgehenden Immissionen und die in unmittelbarer Nähe vorhandene Wohnbebauung der Prüfung. 30Die vorgenommenen baulichen Änderungen schließlich dürften ebenfalls gemäß § 60 Abs. 1 BauO NRW 2018 der Genehmigungspflicht unterliegen. 31Ob die durch den Kläger ausgeübte Nutzung materiell rechtmäßig, also genehmigungsfähig ist, spielt für das vorliegende Verfahren keine Rolle. Denn die Beklagte hat sich in ermessensfehlerfreier Weise auf die Prüfung der formellen Baurechtswidrigkeit beschränkt. Die Nutzungsuntersagung dient hier dem Zweck, die Einhaltung der baurechtlichen Verfahrensvorschriften und somit die Ordnungsfunktion des Baurechts zu sichern. Die Prüfung, ob eine Nutzung in materieller Hinsicht gesetzeskonform und damit genehmigungsfähig ist, muss regelmäßig allein dem Baugenehmigungsverfahren vorbehalten bleiben. Denn andernfalls würde sich der die Nutzung ohne Baugenehmigung Aufnehmende in unzulässiger Weise über das Erfordernis der Baugenehmigungserteilung hinwegsetzen und sich so einen Vorteil verschaffen. 32Das Nutzungsverbot ist auch nicht unverhältnismäßig. Der Gesetzgeber hat durch das Erfordernis der Baugenehmigung dem öffentlichen Interesse an einer vor Aufnahme der Nutzung erfolgenden Überprüfung des Vorhabens den Vorrang vor dem Interesse des Bauherrn an der sofortigen Aufnahme einer genehmigungsbedürftigen Nutzung gegeben. Durch die Untersagung einer formell illegalen Nutzung wird lediglich dieser Wertung des Gesetzgebers Rechnung getragen, ohne dass dem Kläger für den Fall, dass sich in einem Genehmigungsverfahren die materielle Rechtmäßigkeit der Nutzung ergeben sollte, unbeabsichtigte Nachteile entstehen. Der Nachteil, der dadurch entsteht, dass das Genehmigungsverfahren abgewartet werden muss, ist durch die gesetzliche Regelung vorgegeben und regelmäßig in Kauf zu nehmen. 33Eine Nutzungsänderung ist allerdings ausnahmsweise dann unverhältnismäßig und kommt nicht in Betracht, wenn der entsprechende Bauantrag bereits gestellt und auch nach Auffassung der Baugenehmigungsbehörde genehmigungsfähig ist und der Baugenehmigung keine sonstigen Hindernisse entgegenstehen. Denn dann könnte die Baugenehmigungsbehörde die Störung durch die formelle Illegalität sofort beseitigen, indem sie die fehlende Baugenehmigung erteilt. 34Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14. Februar 2014 - 2 A 1181/13 -; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 17. August 2018 - 6 L 1403/18 -, jeweils juris. 35Ein solcher Ausnahmefall liegt hier indes nicht vor. Im Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung war ein Bauantrag noch nicht einmal gestellt. Inzwischen liegt zwar ein Bauantrag vor. Dass dieser Antrag nach Auffassung der Baugenehmigungsbehörde genehmigungsfähig ist, lässt sich aber nicht feststellen. Die Behörde hält den Bauantrag vielmehr nach wie vor für unvollständig. 36Der Einwand des Klägers, er habe auf das Betreiben des von seinem Vermieter eingeleiteten Baugenehmigungsverfahrens keinen Einfluss, ist unerheblich. Abgesehen davon, dass es dem Kläger zu jedem Zeitpunkt freigestanden hat, selbst einen Bauantrag zu stellen, dient die streitgegenständliche Ordnungsverfügung nicht der Sanktionierung von schuldhaftem persönlichem Fehlverhalten, sondern sie soll schlicht der gesetzlichen Vorgabe, dass vor Erteilung der Baugenehmigung das Vorhaben nicht verwirklicht werden darf (§ 74 Abs. 7 BauO NRW 2018), zur Durchsetzung verhelfen. 37Sonstige Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung bestehen nicht. Insbesondere ist der Kläger als Mieter und Nutzer der betreffenden Teil-Flächen, also als Inhaber der tatsächlichen Gewalt, in rechtmäßiger Weise zum Adressaten der Nutzungsuntersagung gemacht worden. 38Vgl. zur Störerauswahl in derartigen Fällen VG Gelsenkirchen, Beschlüsse vom 26. März 2015 - 6 L 1780/14 -, juris (Rn. 18 ff.), vom 25. Januar 2021 - 6 L 86/21 -, juris (Rn. 18), und vom 21. Mai 2021 - 6 L 469/21 -, juris (Rn. 16). 39Die Androhung der Zwangsgelder findet ihre Grundlage in §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60, 63 Verwaltungsvollstreckungsgesetz NRW und ist nach Lage der Dinge nicht zu beanstanden. 40Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. 41Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung. 42Rechtsmittelbelehrung: 43Gegen diesen Gerichtsbescheid können die Beteiligten die Zulassung der Berufung oder mündliche Verhandlung beantragen; wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt. 44Belehrung für den Fall, dass die Zulassung der Berufung beantragt wird: 45Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, zu beantragen. Über den Antrag, der den angefochtenen Gerichtsbescheid bezeichnen muss, entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Gerichtsbescheides sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich einzureichen. 46Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn 471. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Gerichtsbescheids bestehen, 482. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 493. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 504. der Gerichtsbescheid von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 515. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. 52Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 53Im Berufungsverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO. 54Belehrung für den Fall, dass mündliche Verhandlung beantragt wird: 55Der Antrag auf mündliche Verhandlung ist bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu stellen. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, gilt der Gerichtsbescheid als nicht ergangen; sonst wirkt er als rechtskräftiges Urteil. 56Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
die klage wird abgewiesen. die kosten des verfahrens trägt der kläger. der gerichtsbescheid ist hinsichtlich der kosten vorläufig vollstreckbar. dem kläger wird nachgelassen, die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abzuwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1
2der kläger ist mieter von räumlichkeiten und freiflächen auf dem grundstück a.-----straße (h. v. , g. …, g1. …) in v. . das grundstück ist mit einer größeren halle bebaut. es befindet sich im geltungsbereich des bebauungsplans … „j.--------straße “ aus dem jahre 2017, der hier ein mischgebiet mit gewissen einschränkungen betreffend die zulässigkeit von vergnügungsstätten sowie von speditionen, fuhr- und abschleppunternehmen etc. festsetzt. 3weitere einzelheiten zeigt der nachfolgende kartenausschnitt: 4an dieser stelle befindet sich in der originalentscheidung eine skizze. 5sowohl die halle als auch die betreffenden freiflächen wurden ursprünglich auf der grundlage einer entsprechenden baugenehmigung für den betrieb einer fleischfabrik genutzt. heute befinden sich dort räume eines cateringservice (erdgeschoss) sowie wohn- und abstellräume des grundstückseigentümers. 6im mai 2020 stellte die beklagte fest, dass räumlichkeiten am nordwestlichen ende des gebäudes sowie freiflächen vor dem gebäude durch den kläger für den betrieb eines autohandels mit (kleiner) kfz-werkstatt genutzt werden. zu diesem zweck war ein rund 45 qm großer werkstattraum mit hebebühne von den umliegenden räumen abgetrennt worden. neben dieser werkstatt befanden sich ein lagerraum und – in dem nordwestlichen anbau der halle – ein büroraum. die aufnahme des betriebes mit dem gegenstand „autohandel (kauf und verkauf von fahrzeugen), kleinservice (reifenmontage, ölwechsel, fahrzeugaufbereitung)“ zum 1. mai 2020 war durch den kläger bei der gewerbeaufsicht angezeigt worden. eine baugenehmigung war hingegen weder beantragt noch erteilt worden. 7unter dem 3. august 2020 hörte die beklagte den kläger unter hinweis auf das fehlen der baugenehmigung zum erlass einer nutzungsuntersagungsverfügung an. der kläger antwortete darauf, nach auskunft seines vermieters werde ein entsprechender bauantrag durch einen architekten erarbeitet; die voraussetzungen für eine genehmigung seien erfüllt. 8mit bescheid vom 2. dezember 2020 forderte die beklagte den kläger auf, den betreffenden teilbereich des gebäudes und des grundstücks binnen eines monats nach bestandskraft der verfügung zu räumen und die nutzung für einen autohandel mit kleinservice zu unterlassen. zugleich drohte die beklagte ein zwangsgeld von 250,- € für den fall der zuwiderhandlung an. zur begründung führte die behörde aus, es fehle an der für die nutzungsänderung erforderlichen baugenehmigung; die nutzung sei daher „formell illegal“. unter abwägung aller umstände sei eine nutzungsuntersagung angezeigt. als inhaber der tatsächlichen gewalt über die fraglichen gebäude- bzw. grundstücksteile sei der kläger „zustandsstörer“ und richtiger adressat der verfügung. 9am 31. dezember 2020 hat der kläger die vorliegende klage erhoben, zu deren begründung er ausführt: sein vermieter habe einen architekten mit der erarbeitung des bauantrags beauftragt. leider sei es dem architekten nicht möglich gewesen, den bauantrag zeitnah einzureichen. wenn der inzwischen eingereichte bauantrag unvollständig sei, habe nicht er dies zu verantworten. die nutzung entspreche den festsetzungen des bebauungsplans und sei daher genehmigungsfähig. der kfz-betrieb sei die grundlage seiner wirtschaftlichen existenz. die räumung bedeute für ihn eine unbillige härte. 10der kläger beantragt sinngemäß, 11die ordnungsverfügung vom 2. dezember 2020 aufzuheben. 12die beklagte beantragt, 13die klage abzuweisen. 14sie bezieht sich auf die begründung ihrer ordnungsverfügung. 15der grundstückseigentümer und vermieter des klägers hat am 31. dezember 2020 einen bauantrag für die „umnutzung ehem. fleischbetrieb zu einer kfz-werkstatt“ gestellt. in ihrer eingangsbestätigung vom 14. januar 2021 hat die beklagte erklärt, dass der bauantrag unvollständig sei, und eine liste mit insgesamt zwölf punkten beigefügt, hinsichtlich derer zusätzliche angaben bzw. unterlagen erforderlich seien. in der folgezeit sind angaben und unterlagen nachgereicht worden. unter dem 9. februar 2022 hat die beklagte dem grundstückseigentümer indes mitgeteilt, dass weiterhin einige punkte aus der eingangsbestätigung offen seien. dies betrifft insbesondere die qualität der eingezogenen trennwände und die veränderung des rettungswegs der angrenzenden nutzungseinheit im obergeschoss durch die werkstatt. 16wegen der sonstigen einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakte und der beigezogenen verwaltungsvorgänge ergänzend bezug genommen. 17
18die kammer entscheidet über die klage gemäß § 84 abs. 1 verwaltungsgerichtsordnung (vwgo) ohne mündliche verhandlung durch gerichtsbescheid, weil sie der auffassung ist, dass die sache keine besonderen schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher art aufweist und der sachverhalt geklärt ist. die beteiligten sind dazu gehört worden. 19die klage ist zulässig, aber unbegründet. 20die ordnungsverfügung der beklagten vom 2. dezember 2020 ist rechtmäßig und verletzt den kläger nicht in seinen rechten, § 113 abs. 1 satz 1 vwgo. 21ermächtigungsgrundlage für den erlass der ordnungsverfügung ist § 58 abs. 2 satz 2 i.v.m. § 82 abs. 1 satz 2 bauordnung für das land nordrhein-westfalen (bauo nrw 2018). 22in formeller hinsicht begegnet die angegriffene ordnungsverfügung keinen rechtlichen bedenken, insbesondere wurde der kläger vor ihrem erlass – wie in § 28 verwaltungsverfahrensgesetz nordrhein-westfalen (vwvfg nrw) vorgeschrieben –angehört. 23die angegriffene ordnungsverfügung ist auch materiell rechtmäßig. nach § 58 abs. 2 satz 2 bauo nrw 2018 haben die bauaufsichtsbehörden im rahmen ihrer aufgabe, die einhaltung der öffentlich-rechtlichen vorschriften bei der errichtung, der änderung, der nutzungsänderung und der beseitigung sowie bei der nutzung und instandhaltung von anlagen zu überwachen, nach pflichtgemäßem ermessen die erforderlichen maßnahmen zu treffen. § 82 abs. 1 satz 2 bauo nrw 2018 sieht insoweit vor, dass die bauaufsichtsbehörde die nutzung untersagen kann, wenn anlagen im widerspruch zu öffentlich-rechtlichen vorschriften genutzt werden. zu den öffentlich-rechtlichen vorschriften in diesem sinne gehören unter anderem die §§ 60 ff. bauo nrw 2018, denen zufolge bestimmte vorhaben der einholung einer baugenehmigung bedürfen. wird ein solches genehmigungsbedürftiges vorhaben ohne die erforderliche genehmigung durchgeführt, hat die behörde ein einschreiten zu erwägen. 24die voraussetzungen für ein solches einschreiten liegen hier vor. der kläger nutzt die von der ordnungsverfügung erfassten teilbereiche der in rede stehenden halle und des grundstücks ohne die erforderliche baugenehmigung. denn die vorhandene baugenehmigung für die ehemalige fleischfabrik deckt weder die durch den kläger aufgenommene nutzung noch die dafür vorgenommenen baulichen änderungen. 25gemäß § 60 abs. 1 bauo nrw 2018 bedarf auch die nutzungsänderung von bestehenden anlagen grundsätzlich einer baugenehmigung, soweit in den §§ 61 bis 63, 78 und 79 bauo nrw 2018 nichts anderes bestimmt ist. von einer solchen nutzungsänderung ist auszugehen, wenn die einer genehmigten nutzung eigene variationsbreite verlassen wird und durch die aufnahme der veränderten nutzung bodenrechtliche belange neu berührt werden können, so dass sich die genehmigungsfrage neu stellt. 26vgl. oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen (ovg nrw), urteil vom 21. november 2005 - 10 a 1166/04 - und beschluss vom 29. juni 2021 - 2 b 499/21 -, juris (rn. 8); johlen, in: gädtke u.a., bauo nrw, 13. aufl. 2019, § 3 rn. 107. 27die aufnahme der nutzung als autohandel mit kfz-werkstatt stellt ausgehend von diesem grundsatz eine genehmigungspflichtige nutzungsänderung dar, weil sich die neue nutzung wesentlich von der vorangegangenen genehmigten nutzung als fleischbetrieb unterscheidet. der einschlägige bebauungsplan … setzt für die fragliche fläche ein mischgebiet mit gewissen einschränkungen zugunsten der unter anderem an der a.-----straße vorhandenen wohnbebauung fest. ob ein autohandel mit kfz-werkstatt hier bauplanungsrechtlich zulässig ist, bedarf der näheren prüfung. kfz-werkstätten gehören nämlich zu den betrieben, deren mischgebietsverträglichkeit nicht bereits aufgrund einer typisierenden betrachtung, sondern nur unter berücksichtigung der näheren umstände des einzelfalls beurteilt werden kann. 28vgl. nur ovg nrw, beschluss vom 18. juni 2010 - 7 a 896/09 -, juris, mit weiteren nachweisen. 29auch die einhaltung von § 15 abs. 1 baunutzungsverordnung und des darin enthaltenen rücksichtnahmegebots bedürfen nicht zuletzt mit blick auf die von einem autohandel und einer kfz-werkstatt ausgehenden immissionen und die in unmittelbarer nähe vorhandene wohnbebauung der prüfung. 30die vorgenommenen baulichen änderungen schließlich dürften ebenfalls gemäß § 60 abs. 1 bauo nrw 2018 der genehmigungspflicht unterliegen. 31ob die durch den kläger ausgeübte nutzung materiell rechtmäßig, also genehmigungsfähig ist, spielt für das vorliegende verfahren keine rolle. denn die beklagte hat sich in ermessensfehlerfreier weise auf die prüfung der formellen baurechtswidrigkeit beschränkt. die nutzungsuntersagung dient hier dem zweck, die einhaltung der baurechtlichen verfahrensvorschriften und somit die ordnungsfunktion des baurechts zu sichern. die prüfung, ob eine nutzung in materieller hinsicht gesetzeskonform und damit genehmigungsfähig ist, muss regelmäßig allein dem baugenehmigungsverfahren vorbehalten bleiben. denn andernfalls würde sich der die nutzung ohne baugenehmigung aufnehmende in unzulässiger weise über das erfordernis der baugenehmigungserteilung hinwegsetzen und sich so einen vorteil verschaffen. 32das nutzungsverbot ist auch nicht unverhältnismäßig. der gesetzgeber hat durch das erfordernis der baugenehmigung dem öffentlichen interesse an einer vor aufnahme der nutzung erfolgenden überprüfung des vorhabens den vorrang vor dem interesse des bauherrn an der sofortigen aufnahme einer genehmigungsbedürftigen nutzung gegeben. durch die untersagung einer formell illegalen nutzung wird lediglich dieser wertung des gesetzgebers rechnung getragen, ohne dass dem kläger für den fall, dass sich in einem genehmigungsverfahren die materielle rechtmäßigkeit der nutzung ergeben sollte, unbeabsichtigte nachteile entstehen. der nachteil, der dadurch entsteht, dass das genehmigungsverfahren abgewartet werden muss, ist durch die gesetzliche regelung vorgegeben und regelmäßig in kauf zu nehmen. 33eine nutzungsänderung ist allerdings ausnahmsweise dann unverhältnismäßig und kommt nicht in betracht, wenn der entsprechende bauantrag bereits gestellt und auch nach auffassung der baugenehmigungsbehörde genehmigungsfähig ist und der baugenehmigung keine sonstigen hindernisse entgegenstehen. denn dann könnte die baugenehmigungsbehörde die störung durch die formelle illegalität sofort beseitigen, indem sie die fehlende baugenehmigung erteilt. 34vgl. ovg nrw, beschluss vom 14. februar 2014 - 2 a 1181/13 -; vg gelsenkirchen, beschluss vom 17. august 2018 - 6 l 1403/18 -, jeweils juris. 35ein solcher ausnahmefall liegt hier indes nicht vor. im zeitpunkt des erlasses der ordnungsverfügung war ein bauantrag noch nicht einmal gestellt. inzwischen liegt zwar ein bauantrag vor. dass dieser antrag nach auffassung der baugenehmigungsbehörde genehmigungsfähig ist, lässt sich aber nicht feststellen. die behörde hält den bauantrag vielmehr nach wie vor für unvollständig. 36der einwand des klägers, er habe auf das betreiben des von seinem vermieter eingeleiteten baugenehmigungsverfahrens keinen einfluss, ist unerheblich. abgesehen davon, dass es dem kläger zu jedem zeitpunkt freigestanden hat, selbst einen bauantrag zu stellen, dient die streitgegenständliche ordnungsverfügung nicht der sanktionierung von schuldhaftem persönlichem fehlverhalten, sondern sie soll schlicht der gesetzlichen vorgabe, dass vor erteilung der baugenehmigung das vorhaben nicht verwirklicht werden darf (§ 74 abs. 7 bauo nrw 2018), zur durchsetzung verhelfen. 37sonstige bedenken gegen die rechtmäßigkeit der ordnungsverfügung bestehen nicht. insbesondere ist der kläger als mieter und nutzer der betreffenden teil-flächen, also als inhaber der tatsächlichen gewalt, in rechtmäßiger weise zum adressaten der nutzungsuntersagung gemacht worden. 38vgl. zur störerauswahl in derartigen fällen vg gelsenkirchen, beschlüsse vom 26. märz 2015 - 6 l 1780/14 -, juris (rn. 18 ff.), vom 25. januar 2021 - 6 l 86/21 -, juris (rn. 18), und vom 21. mai 2021 - 6 l 469/21 -, juris (rn. 16). 39die androhung der zwangsgelder findet ihre grundlage in §§ 55 abs. 1, 57 abs. 1 nr. 2, 60, 63 verwaltungsvollstreckungsgesetz nrw und ist nach lage der dinge nicht zu beanstanden. 40die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 1 vwgo. 41die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit beruht auf § 167 vwgo in verbindung mit §§ 708 nr. 11, 711 zivilprozessordnung. 42rechtsmittelbelehrung: 43gegen diesen gerichtsbescheid können die beteiligten die zulassung der berufung oder mündliche verhandlung beantragen; wird von beiden rechtsbehelfen gebrauch gemacht, findet mündliche verhandlung statt. 44belehrung für den fall, dass die zulassung der berufung beantragt wird: 45die zulassung der berufung ist innerhalb eines monats nach zustellung des gerichtsbescheids schriftlich bei dem verwaltungsgericht gelsenkirchen, bahnhofsvorplatz 3, 45879 gelsenkirchen, zu beantragen. über den antrag, der den angefochtenen gerichtsbescheid bezeichnen muss, entscheidet das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen. innerhalb von zwei monaten nach zustellung des gerichtsbescheides sind die gründe darzulegen, aus denen die berufung zuzulassen ist. die begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem antrag vorgelegt worden ist, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen, aegidiikirchplatz 5, 48143 münster, schriftlich einzureichen. 46die berufung ist nur zuzulassen, wenn 471. ernstliche zweifel an der richtigkeit des gerichtsbescheids bestehen, 482. die rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche schwierigkeiten aufweist, 493. die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat, 504. der gerichtsbescheid von einer entscheidung des oberverwaltungsgerichts, des bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen senats der obersten gerichtshöfe des bundes oder des bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser abweichung beruht oder 515. ein der beurteilung des berufungsgerichts unterliegender verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die entscheidung beruhen kann. 52auf die unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung von schriftstücken als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 53im berufungsverfahren muss sich jeder beteiligte durch einen prozessbevollmächtigten vertreten lassen. dies gilt auch für den antrag auf zulassung der berufung. der kreis der als prozessbevollmächtigte zugelassenen personen und organisationen bestimmt sich nach § 67 abs. 4 vwgo. 54belehrung für den fall, dass mündliche verhandlung beantragt wird: 55der antrag auf mündliche verhandlung ist bei dem verwaltungsgericht gelsenkirchen, bahnhofsvorplatz 3, 45879 gelsenkirchen, innerhalb eines monats nach zustellung des gerichtsbescheids schriftlich oder zur niederschrift des urkundsbeamten der geschäftsstelle zu stellen. wird der antrag rechtzeitig gestellt, gilt der gerichtsbescheid als nicht ergangen; sonst wirkt er als rechtskräftiges urteil. 56auf die unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung von schriftstücken als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen.
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4 K 2605/20.A
2022-06-22T00:00:00
Urteil
Tenor Die Ziffern 1. bis 3. des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 1. Oktober 2020 werden aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleitung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten. 1Tatbestand: 2Der am 00.00.0000 geborene Kläger zu 1. und die am 00.00.0000 geborene Klägerin zu 2. sind irakische Staatsangehörige, jesidischen Glaubens. Sie reisten ursprünglich im September 2000 in das Bundesgebiet ein. Auf ihren Asylantrag stellte die Beklagte mit Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 7. März 2001 fest, dass die Voraussetzung des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes (AuslG) hinsichtlich des Iraks vorlägen. Am 15. April 2008 entschied das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), dass die Voraussetzungen für den Widerruf bzw. die Rücknahme des Schutzstatus nicht gegeben seien. 3Mit Schreiben vom 4. August 2020 gab die Beklagte den Klägern Gelegenheit, sich zum beabsichtigten Widerruf der Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG nicht vorliegen, zur Feststellung, dass kein subsidiärer Schutzstatus zuerkennt werden könne und zur Feststellung, dass keine Abschiebungsverbote vorliegen, binnen einer Frist von einem Monat zu äußern. 4Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 21. September 2020 gaben die Kläger im Wesentlichen an, sie und auch ihre Kinder seien in Deutschland gut integriert und aufgrund ihrer Flucht psychisch und körperlich belastet. Aufgrund ihres psychischen und körperlichen Zustands könnten sie in Deutschland am normalen Erwerbsleben nicht teilnehmen. Sie hätten sich jedoch stets bemüht, eine geringfügige Beschäftigung aufzunehmen. Der Kläger habe nunmehr ein festes Arbeitsverhältnis. Auch die Klägerin übe eine geringfügige Beschäftigung aus. Sie hätten einen Integrationskurs und einen Deutschkurs sowie Einbürgerungstests nebst Sprachkursen erfolgreich absolviert. Trotz der veränderten Verhältnisse im Irak bestehe für die Jesiden noch immer die Gefahr, dort wegen ihrer Religion diskriminiert werden. Ein normales Leben im Irak sei für sie noch immer nicht möglich. Aufgrund der Diskriminierung der Jesiden sei ihr Existenzminimum im Irak nicht sicherzustellen. Insbesondere der Kläger sei traumatisiert, da auf ihn im Jahr 1996 ein Anschlag verübt worden sei, der eine mehrere Monate dauernde Behandlung im Krankenhaus erforderlich gemacht habe. Aufgrund der humanitären Klausel sei ihm weiterhin Schutz zu gewähren, da er wegen seines individuellen Verfolgungsschicksals traumatisiert und ihm eine Rückkehr in den Irak aufgrund dieser Erkrankung unzumutbar sei. Die Entscheidung über den Widerruf bzw. die Rücknahme stehe im Ermessen der Behörde. Dabei seien ihre privaten Interessen einzubeziehen und gegen das öffentliche Interesse abzuwägen. Die individuellen Folgen eines Statusverlustes sowie die Folgen einer potentiellen Rückkehr in den Herkunftsstaat seien bei der Entscheidung zu berücksichtigen. Maßgeblich seien dabei insbesondere die allgemeine humanitäre Lage im Herkunftsstaat und die Frage, ob sie sich im Irak nach längerer Abwesenheit in angemessener Zeit wieder einfinden könnten. Hinzu trete der Vertrauensschutz. Sie seien bereits im Jahr 2001 als Flüchtlinge anerkannt worden. Es sei nicht angebracht, nach so langer Zeit ein Widerrufsverfahren einzuleiten, nachdem bereits eine Überprüfung des Flüchtlingsstatus stattgefunden habe. 5Mit Bescheid des Bundesamts vom 1. Oktober 2020 - als Einschreiben zur Post gegeben am 9. Oktober 2020 - widerrief die Beklagte die mit Bescheid vom 7. März 2001 getroffene Feststellung, dass die Voraussetzung des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen (1.) und stellte fest, dass die Flüchtlingseigenschaft (2.) und der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt werden (3.). Sie stellte ferner fest, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) hinsichtlich des Iraks vorliege (4.). Sie stützte die Widerrufsentscheidung auf § 73 Abs. 1 Satz 1 des Asylgesetzes (AsylG) und führte dazu unter anderem aus, die Entscheidung stehe gemäß § 73 Abs. 2a Satz 5 AsylG in ihrem Ermessen. Etwaige, sich aus den Verhältnissen im Herkunftsland ergebende Umstände, die ein Bleibeinteresse der Kläger begründen könnten (z. B. Sicherheitslage, humanitäre Lage) seien im Rahmen der Prüfung nachrangigen Schutzes zu berücksichtigten. 6Am 23. Oktober 2020 haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben, zu deren Begründung sie ihren Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren wiederholen und vertiefen. 7Die Kläger beantragen, 8die Ziffern 1. bis 3. des Bescheids des Bundesamts vom 1. Oktober 2020 aufzuheben. 9Die Beklagte beantragt - schriftsätzlich -, 10die Klage abzuweisen. 11Sie verweist auf die Begründung des angegriffenen Bescheids. 12Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. 13Entscheidungsgründe: 14Über den Rechtstreit konnte nach § 102 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. Juni 2022 entschieden werden, obwohl die Beklagte nicht erschienen ist. Sie wurde form- und fristgerecht geladen; in der Ladung wurde ferner auf die Möglichkeit hingewiesen, dass eine Entscheidung auch bei Nichterscheinen eines Beteiligten ergehen könne. 15Die Klage hat Erfolg. 16Die Ziffern 1. bis 3. des angegriffenen Bescheids des Bundesamts vom 1. Oktober 2020 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. 17I. Die Entscheidung des Bundesamts, die Feststellung des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 7. März 2001, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylG zu widerrufen, erweist sich als ermessensfehlerhaft. Das Bundesamt hat die Verhältnisse im Herkunftsstaat der Kläger (Sicherheitslage, humanitäre Gründe) zu Unrecht bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen. 181. Das Bundesamt war aufgerufen, über den Widerruf nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. 19Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylG sind die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Nach § 73 Abs. 2a Satz 1 AsylG hat die Prüfung, ob die Voraussetzungen für einen Widerruf nach Absatz 1 vorliegen, spätestens nach Ablauf von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung zu erfolgen. Ist nach der Prüfung ein Widerruf nicht erfolgt, steht gemäß § 73 Abs. 2a Satz 5 AsylG eine spätere Entscheidung im Ermessen, es sei denn der Widerruf erfolgt, weil die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG oder des § 3 Abs. 2 AsylG vorliegen oder weil das Bundesamt nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen hat. 20Die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2a Satz 5 AsylG für eine Ermessensentscheidung sind erfüllt. Eine Prüfung, ob die Voraussetzungen für einen Widerruf vorliegen, hat bereits im Jahr 2008 stattgefunden. Mit Schreiben vom 15. April 2008 hat das Bundesamt der zuständigen Ausländerbehörde mitgeteilt, die Prüfung habe ergeben, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf oder eine Rücknahme der Begünstigung nicht vorliegen. Das eingeleitete Aufhebungsverfahren sei formlos eingestellt worden. Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 oder 3 bzw. des § 3 Abs. 2 AsylG vorliegen, sind nicht ersichtlich. 212. Die erforderlichen Ermessenserwägungen des Bundesamts erweisen sich unter Berücksichtigung des gerichtlichen Prüfumfangs als fehlerhaft. Nach § 114 Satz 1 VwGO prüft das Gericht, soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln auch, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessen überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Letzteres ist insbesondere der Fall, wenn die Behörde den Zweck des Gesetzes nur unvollständig erkannt hat. 22Vgl. Rennert, in: Eyermann (Begr.), VwGO, 15. Aufl. 2019, § 114 Rn. 20. 23Es liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor. § 73 Abs. 2a Satz 5 AsylG grenzt die ermessensleitenden Gesichtspunkte nicht ein. Bei der Abwägung der öffentlichen Interessen mit den privaten Belangen des Flüchtlings sind daher auch die Folgen einer Rückkehr in den früheren Verfolgerstaat mit einzubeziehen. 24Vgl. in diesem Sinne: Funke-Kaiser/Fritz/Vormeier, in: GK-AsylG, § 73 AsylG Rn. 79; generell weitergehend zu Gunsten der Betroffenen: Marx, AsylG, 10. Aufl. 2019, § 73 Rn. 100. 25Dem kann nicht - wie vorliegend geschehen - entgegengehalten werden, dass zielstaatsbezogene Gründe im Rahmen der Prüfung der nachrangigen Schutzstatus berücksichtigt werden. Dies verkennt, dass auch unterhalb der Schwelle des § 4 AsylG oder des § 60 Abs. 5 AufenthG berücksichtigungsfähige Interessen der Betroffenen bestehen können. Liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus oder die Feststellung eines Abschiebungsverbots nicht vor, kann die Rückkehr gleichwohl eine erhebliche Härte bedeuten, die dann jedoch nur im Rahmen der Ermessensentscheidung überhaupt Berücksichtigung finden könnte. Dies berücksichtigt die Entscheidung der Beklagten nicht, denn sie klammert die Verhältnisse im Herkunftsstaat der Kläger (Sicherheitslage, humanitäre Gründe), selbst soweit sie ein individuelles Bleibeinteresse ergeben könnten, bei ihrer Entscheidung generell aus. 263. Der Ermessensfehlgebrauch konnte sich auch auf die Entscheidung auswirken. Die Kläger wären im Falle einer Rückkehr in den Irak so erheblich von den dortigen Lebensverhältnissen betroffen, dass sich daraus ein gegen den Widerruf ihres Schutzstatus einzuwendendes Interesse ergibt. Insbesondere unter Berücksichtigung ihres langen Aufenthalts im Bundesgebiet (mehr als 20 Jahre), ihrer Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Jesiden und der Verfolgung der irakischen Jesiden durch den IS besonders ab dem Jahr 2014 konnte ihrem Interesse daran, sich nicht erneut im Irak zurechtfinden zu müssen, eine Bedeutung für die Entscheidung darüber, ob der ihnen zuerkannte Schutzstatus widerrufen werden sollte, nicht abgesprochen werden. 27Gründe für eine Ermessensreduzierung dergestalt, dass nur der Widerruf zu Lasten der Kläger ermessensgerecht wäre, sind nicht ersichtlich und werden auch von der Beklagten nicht angeführt. Das Ermessen des Bundesamts ist insbesondere nicht im Wege einer europarechtskonformen Auslegung des § 73 Abs. 2a Satz 5 AsylG auf den Widerruf reduziert oder verengt. Dies wird angenommen im Anwendungsbereich des Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Qualifikationsrichtlinie - QRL). 28Vgl. Verwaltungsgericht (VG) Berlin, Urteil vom 3. April 2014 - 33 K 36.13 A -, juris, Rn. 54 ff.; offen gelassen durch: Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 19. November 2013 - 10 C 27.12 -, juris, Rn. 24 ff. 29Art. 14 Abs. 3 QRL ist jedoch nicht einschlägig. Er betrifft diejenigen Fälle, in denen die Person gemäß Art. 12 QRL von der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft hätte ausgeschlossen werden müssen, oder ausgeschlossen ist, sowie diejenigen Fälle, in denen eine falsche Darstellung oder das Verschweigen von Tatsachen, einschließlich der Verwendung falscher oder gefälschter Dokumente, für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausschlaggebend waren. Dafür bestehen im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte. 30Auch Art. 14 Abs. 1 QRL gebietet keine den Ermessensspielraum des Bundesamts beschränkende Auslegung des § 73 Abs. 2a Satz 5 AsylG. Nach dieser Vorschrift erkennen die Mitgliedstaaten einem Drittstaatsangehörigen bei Anträgen auf internationalen Schutz, die nach Inkrafttreten der Richtlinie 2004/83/EG (Qualifikationsrichtlinie 2004) gestellt wurden, die von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Flüchtlingseigenschaft ab, beenden diese oder lehnen ihre Verlängerung ab, wenn der Drittstaatsangehörige gemäß Artikel 11 QRL nicht länger Flüchtling ist. 31Vgl. zum zeitlichen Anwendungsbereich: Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteil vom 2. März 2010 - C-175/08, C-176/08, C-178/08 und C-179/08 -, juris, Rn. 45 ff.; BVerwG, Urteil vom 19. November 2013 - 10 C 27.12 -, juris, Rn. 26. 32Die Kläger stellten ihre zur Zuerkennung eines Schutzstatus führenden Asylanträge bereits im Jahr 2000, also vor Inkrafttreten der Richtlinie 2004/83/EG am 20. Oktober 2004 (Art. 39 der Richtlinie). 33§ 73 Abs. 2a AsylG ist auch nicht an dem gegenüber der Nachfolgerrichtlinie weitgehend wortgleichen Art. 14 Abs. 1 QRL 2004 zu messen. Auch dessen zeitlicher Anwendungsbereich ist auf den Widerruf solcher Schutzstatus beschränkt, die auf Anträgen beruhen, die vor dem Inkrafttreten der QRL 2004 gestellt wurden. Dies ist - wie bereits dargelegt wurde - vorliegend nicht der Fall. Zwar misst das Bundesverwaltungsgericht Art. 11 Abs. 1 QRL 2004 auch bei Sachverhalten, die nicht in den zeitlichen Anwendungsbereich der QRL 2004 fallen, Bedeutung für die Auslegung des § 73 Abs. 1 Satz 2 und 3 AsylG zu, da der Gesetzgeber damit die gemeinschaftsrechtlichen Erlöschenstatbestände in Art. 11 Abs. 1 Buchst. e und f QRL 2004 - überschießend - auf von der Richtlinie selbst nicht erfasste Sachverhalte, nämlich vor dem 20. Oktober 2004 gestellte Schutzanträge, ausgedehnt habe. 34Vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 2008 - 10 C 33.07 -, juris, Rn. 10. 35Es ist jedoch nicht anzunehmen, dass der hier entscheidende § 73 Abs. 2a Satz 5 AsylG zielgerichtet der Umsetzung des Art. 14 Art. 1 QRL 2004 dient. Abs. 2a wurde durch das Zuwanderungsgesetz vom 30. Juli 2004 (BGBl. I 2004, Nr. 41 vom 5. August 2004, S. 1950) in § 73 AsylG eingefügt. Die Gesetzesbegründung nimmt auf die QRL 2004 nicht Bezug. 36Vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 15/420, S. 112. 37Anders als in der durch das Bundesverwaltungsgericht untersuchten Konstellation, in der die nationale Vorschrift den Text der Richtlinie weitgehend wortgleich widergibt, ist die Gewährung eines Ermessensspielraums in Art. 14 Abs. 1 QRL 2004 nicht angelegt und überhaupt kaum mit dessen Struktur zu vereinbaren. 38II. Auch die Ziffern 2. und 3. des streitgegenständlichen Bescheids sind aufzuheben. Da der Schutzstatus der Kläger nicht hätte widerrufen werden dürfen, war die Beklagte nicht gemäß § 73 Abs. 3 AsylG berechtigt, die Kläger belastende Feststellungen zur Flüchtlingseigenschaft oder zum subsidiären Schutzstatus zu treffen. 39Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 83b AsylG. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11 Alt. 2, 711, 709 Satz 2 ZPO.
die ziffern 1. bis 3. des bescheids des bundesamts für migration und flüchtlinge vom 1. oktober 2020 werden aufgehoben. die beklagte trägt die kosten des verfahrens, für das gerichtskosten nicht erhoben werden. das urteil ist hinsichtlich der kosten vorläufig vollstreckbar. die beklagte kann die vollstreckung durch sicherheitsleitung in höhe von 110 % des auf grund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht die kläger vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leisten. 1
2der am 00.00.0000 geborene kläger zu 1. und die am 00.00.0000 geborene klägerin zu 2. sind irakische staatsangehörige, jesidischen glaubens. sie reisten ursprünglich im september 2000 in das bundesgebiet ein. auf ihren asylantrag stellte die beklagte mit bescheid des bundesamts für die anerkennung ausländischer flüchtlinge vom 7. märz 2001 fest, dass die voraussetzung des § 51 abs. 1 des ausländergesetzes (auslg) hinsichtlich des iraks vorlägen. am 15. april 2008 entschied das bundesamt für migration und flüchtlinge (bundesamt), dass die voraussetzungen für den widerruf bzw. die rücknahme des schutzstatus nicht gegeben seien. 3mit schreiben vom 4. august 2020 gab die beklagte den klägern gelegenheit, sich zum beabsichtigten widerruf der feststellung, dass die voraussetzungen des § 51 abs. 1 auslg nicht vorliegen, zur feststellung, dass kein subsidiärer schutzstatus zuerkennt werden könne und zur feststellung, dass keine abschiebungsverbote vorliegen, binnen einer frist von einem monat zu äußern. 4mit schreiben ihres prozessbevollmächtigten vom 21. september 2020 gaben die kläger im wesentlichen an, sie und auch ihre kinder seien in deutschland gut integriert und aufgrund ihrer flucht psychisch und körperlich belastet. aufgrund ihres psychischen und körperlichen zustands könnten sie in deutschland am normalen erwerbsleben nicht teilnehmen. sie hätten sich jedoch stets bemüht, eine geringfügige beschäftigung aufzunehmen. der kläger habe nunmehr ein festes arbeitsverhältnis. auch die klägerin übe eine geringfügige beschäftigung aus. sie hätten einen integrationskurs und einen deutschkurs sowie einbürgerungstests nebst sprachkursen erfolgreich absolviert. trotz der veränderten verhältnisse im irak bestehe für die jesiden noch immer die gefahr, dort wegen ihrer religion diskriminiert werden. ein normales leben im irak sei für sie noch immer nicht möglich. aufgrund der diskriminierung der jesiden sei ihr existenzminimum im irak nicht sicherzustellen. insbesondere der kläger sei traumatisiert, da auf ihn im jahr 1996 ein anschlag verübt worden sei, der eine mehrere monate dauernde behandlung im krankenhaus erforderlich gemacht habe. aufgrund der humanitären klausel sei ihm weiterhin schutz zu gewähren, da er wegen seines individuellen verfolgungsschicksals traumatisiert und ihm eine rückkehr in den irak aufgrund dieser erkrankung unzumutbar sei. die entscheidung über den widerruf bzw. die rücknahme stehe im ermessen der behörde. dabei seien ihre privaten interessen einzubeziehen und gegen das öffentliche interesse abzuwägen. die individuellen folgen eines statusverlustes sowie die folgen einer potentiellen rückkehr in den herkunftsstaat seien bei der entscheidung zu berücksichtigen. maßgeblich seien dabei insbesondere die allgemeine humanitäre lage im herkunftsstaat und die frage, ob sie sich im irak nach längerer abwesenheit in angemessener zeit wieder einfinden könnten. hinzu trete der vertrauensschutz. sie seien bereits im jahr 2001 als flüchtlinge anerkannt worden. es sei nicht angebracht, nach so langer zeit ein widerrufsverfahren einzuleiten, nachdem bereits eine überprüfung des flüchtlingsstatus stattgefunden habe. 5mit bescheid des bundesamts vom 1. oktober 2020 - als einschreiben zur post gegeben am 9. oktober 2020 - widerrief die beklagte die mit bescheid vom 7. märz 2001 getroffene feststellung, dass die voraussetzung des § 51 abs. 1 auslg vorliegen (1.) und stellte fest, dass die flüchtlingseigenschaft (2.) und der subsidiäre schutzstatus nicht zuerkannt werden (3.). sie stellte ferner fest, dass ein abschiebungsverbot nach § 60 abs. 5 des aufenthaltsgesetzes (aufenthg) hinsichtlich des iraks vorliege (4.). sie stützte die widerrufsentscheidung auf § 73 abs. 1 satz 1 des asylgesetzes (asylg) und führte dazu unter anderem aus, die entscheidung stehe gemäß § 73 abs. 2a satz 5 asylg in ihrem ermessen. etwaige, sich aus den verhältnissen im herkunftsland ergebende umstände, die ein bleibeinteresse der kläger begründen könnten (z. b. sicherheitslage, humanitäre lage) seien im rahmen der prüfung nachrangigen schutzes zu berücksichtigten. 6am 23. oktober 2020 haben die kläger die vorliegende klage erhoben, zu deren begründung sie ihren vortrag aus dem verwaltungsverfahren wiederholen und vertiefen. 7die kläger beantragen, 8die ziffern 1. bis 3. des bescheids des bundesamts vom 1. oktober 2020 aufzuheben. 9die beklagte beantragt - schriftsätzlich -, 10die klage abzuweisen. 11sie verweist auf die begründung des angegriffenen bescheids. 12hinsichtlich der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakte und der beigezogenen verwaltungsvorgänge bezug genommen. 13
14über den rechtstreit konnte nach § 102 der verwaltungsgerichtsordnung (vwgo) aufgrund der mündlichen verhandlung vom 22. juni 2022 entschieden werden, obwohl die beklagte nicht erschienen ist. sie wurde form- und fristgerecht geladen; in der ladung wurde ferner auf die möglichkeit hingewiesen, dass eine entscheidung auch bei nichterscheinen eines beteiligten ergehen könne. 15die klage hat erfolg. 16die ziffern 1. bis 3. des angegriffenen bescheids des bundesamts vom 1. oktober 2020 sind rechtswidrig und verletzen die kläger in ihren rechten, § 113 abs. 1 satz 1 vwgo. 17i. die entscheidung des bundesamts, die feststellung des bundesamts für die anerkennung ausländischer flüchtlinge vom 7. märz 2001, dass die voraussetzungen des § 51 abs. 1 auslg vorliegen, gemäß § 73 abs. 1 satz 1 asylg zu widerrufen, erweist sich als ermessensfehlerhaft. das bundesamt hat die verhältnisse im herkunftsstaat der kläger (sicherheitslage, humanitäre gründe) zu unrecht bei seiner entscheidung unberücksichtigt gelassen. 181. das bundesamt war aufgerufen, über den widerruf nach pflichtgemäßem ermessen zu entscheiden. 19nach § 73 abs. 1 satz 1 asylg sind die anerkennung als asylberechtigter und die zuerkennung der flüchtlingseigenschaft unverzüglich zu widerrufen, wenn die voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. nach § 73 abs. 2a satz 1 asylg hat die prüfung, ob die voraussetzungen für einen widerruf nach absatz 1 vorliegen, spätestens nach ablauf von drei jahren nach unanfechtbarkeit der entscheidung zu erfolgen. ist nach der prüfung ein widerruf nicht erfolgt, steht gemäß § 73 abs. 2a satz 5 asylg eine spätere entscheidung im ermessen, es sei denn der widerruf erfolgt, weil die voraussetzungen des § 60 abs. 8 satz 1 aufenthg oder des § 3 abs. 2 asylg vorliegen oder weil das bundesamt nach § 60 abs. 8 satz 3 aufenthg von der anwendung des § 60 abs. 1 aufenthg abgesehen hat. 20die voraussetzungen des § 73 abs. 2a satz 5 asylg für eine ermessensentscheidung sind erfüllt. eine prüfung, ob die voraussetzungen für einen widerruf vorliegen, hat bereits im jahr 2008 stattgefunden. mit schreiben vom 15. april 2008 hat das bundesamt der zuständigen ausländerbehörde mitgeteilt, die prüfung habe ergeben, dass die voraussetzungen für einen widerruf oder eine rücknahme der begünstigung nicht vorliegen. das eingeleitete aufhebungsverfahren sei formlos eingestellt worden. anhaltspunkte dafür, dass die voraussetzungen des § 60 abs. 8 satz 1 oder 3 bzw. des § 3 abs. 2 asylg vorliegen, sind nicht ersichtlich. 212. die erforderlichen ermessenserwägungen des bundesamts erweisen sich unter berücksichtigung des gerichtlichen prüfumfangs als fehlerhaft. nach § 114 satz 1 vwgo prüft das gericht, soweit die verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem ermessen zu handeln auch, ob der verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen grenzen des ermessen überschritten sind oder von dem ermessen in einer dem zweck der ermächtigung nicht entsprechenden weise gebrauch gemacht ist. letzteres ist insbesondere der fall, wenn die behörde den zweck des gesetzes nur unvollständig erkannt hat. 22vgl. rennert, in: eyermann (begr.), vwgo, 15. aufl. 2019, § 114 rn. 20. 23es liegt ein ermessensfehlgebrauch vor. § 73 abs. 2a satz 5 asylg grenzt die ermessensleitenden gesichtspunkte nicht ein. bei der abwägung der öffentlichen interessen mit den privaten belangen des flüchtlings sind daher auch die folgen einer rückkehr in den früheren verfolgerstaat mit einzubeziehen. 24vgl. in diesem sinne: funke-kaiser/fritz/vormeier, in: gk-asylg, § 73 asylg rn. 79; generell weitergehend zu gunsten der betroffenen: marx, asylg, 10. aufl. 2019, § 73 rn. 100. 25dem kann nicht - wie vorliegend geschehen - entgegengehalten werden, dass zielstaatsbezogene gründe im rahmen der prüfung der nachrangigen schutzstatus berücksichtigt werden. dies verkennt, dass auch unterhalb der schwelle des § 4 asylg oder des § 60 abs. 5 aufenthg berücksichtigungsfähige interessen der betroffenen bestehen können. liegen die voraussetzungen für die zuerkennung des subsidiären schutzstatus oder die feststellung eines abschiebungsverbots nicht vor, kann die rückkehr gleichwohl eine erhebliche härte bedeuten, die dann jedoch nur im rahmen der ermessensentscheidung überhaupt berücksichtigung finden könnte. dies berücksichtigt die entscheidung der beklagten nicht, denn sie klammert die verhältnisse im herkunftsstaat der kläger (sicherheitslage, humanitäre gründe), selbst soweit sie ein individuelles bleibeinteresse ergeben könnten, bei ihrer entscheidung generell aus. 263. der ermessensfehlgebrauch konnte sich auch auf die entscheidung auswirken. die kläger wären im falle einer rückkehr in den irak so erheblich von den dortigen lebensverhältnissen betroffen, dass sich daraus ein gegen den widerruf ihres schutzstatus einzuwendendes interesse ergibt. insbesondere unter berücksichtigung ihres langen aufenthalts im bundesgebiet (mehr als 20 jahre), ihrer zugehörigkeit zur religionsgemeinschaft der jesiden und der verfolgung der irakischen jesiden durch den is besonders ab dem jahr 2014 konnte ihrem interesse daran, sich nicht erneut im irak zurechtfinden zu müssen, eine bedeutung für die entscheidung darüber, ob der ihnen zuerkannte schutzstatus widerrufen werden sollte, nicht abgesprochen werden. 27gründe für eine ermessensreduzierung dergestalt, dass nur der widerruf zu lasten der kläger ermessensgerecht wäre, sind nicht ersichtlich und werden auch von der beklagten nicht angeführt. das ermessen des bundesamts ist insbesondere nicht im wege einer europarechtskonformen auslegung des § 73 abs. 2a satz 5 asylg auf den widerruf reduziert oder verengt. dies wird angenommen im anwendungsbereich des art. 14 abs. 3 der richtlinie 2011/95/eu vom 13. dezember 2011 über normen für die anerkennung von drittstaatsangehörigen oder staatenlosen als personen mit anspruch auf internationalen schutz, für einen einheitlichen status für flüchtlinge oder für personen mit anrecht auf subsidiären schutz und für den inhalt des zu gewährenden schutzes (qualifikationsrichtlinie - qrl). 28vgl. verwaltungsgericht (vg) berlin, urteil vom 3. april 2014 - 33 k 36.13 a -, juris, rn. 54 ff.; offen gelassen durch: bundesverwaltungsgericht (bverwg), urteil vom 19. november 2013 - 10 c 27.12 -, juris, rn. 24 ff. 29art. 14 abs. 3 qrl ist jedoch nicht einschlägig. er betrifft diejenigen fälle, in denen die person gemäß art. 12 qrl von der zuerkennung der flüchtlingseigenschaft hätte ausgeschlossen werden müssen, oder ausgeschlossen ist, sowie diejenigen fälle, in denen eine falsche darstellung oder das verschweigen von tatsachen, einschließlich der verwendung falscher oder gefälschter dokumente, für die zuerkennung der flüchtlingseigenschaft ausschlaggebend waren. dafür bestehen im vorliegenden fall keine anhaltspunkte. 30auch art. 14 abs. 1 qrl gebietet keine den ermessensspielraum des bundesamts beschränkende auslegung des § 73 abs. 2a satz 5 asylg. nach dieser vorschrift erkennen die mitgliedstaaten einem drittstaatsangehörigen bei anträgen auf internationalen schutz, die nach inkrafttreten der richtlinie 2004/83/eg (qualifikationsrichtlinie 2004) gestellt wurden, die von einer regierungs- oder verwaltungsbehörde, einem gericht oder einer gerichtsähnlichen behörde zuerkannte flüchtlingseigenschaft ab, beenden diese oder lehnen ihre verlängerung ab, wenn der drittstaatsangehörige gemäß artikel 11 qrl nicht länger flüchtling ist. 31vgl. zum zeitlichen anwendungsbereich: europäischer gerichtshof (eugh), urteil vom 2. märz 2010 - c-175/08, c-176/08, c-178/08 und c-179/08 -, juris, rn. 45 ff.; bverwg, urteil vom 19. november 2013 - 10 c 27.12 -, juris, rn. 26. 32die kläger stellten ihre zur zuerkennung eines schutzstatus führenden asylanträge bereits im jahr 2000, also vor inkrafttreten der richtlinie 2004/83/eg am 20. oktober 2004 (art. 39 der richtlinie). 33§ 73 abs. 2a asylg ist auch nicht an dem gegenüber der nachfolgerrichtlinie weitgehend wortgleichen art. 14 abs. 1 qrl 2004 zu messen. auch dessen zeitlicher anwendungsbereich ist auf den widerruf solcher schutzstatus beschränkt, die auf anträgen beruhen, die vor dem inkrafttreten der qrl 2004 gestellt wurden. dies ist - wie bereits dargelegt wurde - vorliegend nicht der fall. zwar misst das bundesverwaltungsgericht art. 11 abs. 1 qrl 2004 auch bei sachverhalten, die nicht in den zeitlichen anwendungsbereich der qrl 2004 fallen, bedeutung für die auslegung des § 73 abs. 1 satz 2 und 3 asylg zu, da der gesetzgeber damit die gemeinschaftsrechtlichen erlöschenstatbestände in art. 11 abs. 1 buchst. e und f qrl 2004 - überschießend - auf von der richtlinie selbst nicht erfasste sachverhalte, nämlich vor dem 20. oktober 2004 gestellte schutzanträge, ausgedehnt habe. 34vgl. bverwg, beschluss vom 7. februar 2008 - 10 c 33.07 -, juris, rn. 10. 35es ist jedoch nicht anzunehmen, dass der hier entscheidende § 73 abs. 2a satz 5 asylg zielgerichtet der umsetzung des art. 14 art. 1 qrl 2004 dient. abs. 2a wurde durch das zuwanderungsgesetz vom 30. juli 2004 (bgbl. i 2004, nr. 41 vom 5. august 2004, s. 1950) in § 73 asylg eingefügt. die gesetzesbegründung nimmt auf die qrl 2004 nicht bezug. 36vgl. gesetzesentwurf der bundesregierung, bt-drs. 15/420, s. 112. 37anders als in der durch das bundesverwaltungsgericht untersuchten konstellation, in der die nationale vorschrift den text der richtlinie weitgehend wortgleich widergibt, ist die gewährung eines ermessensspielraums in art. 14 abs. 1 qrl 2004 nicht angelegt und überhaupt kaum mit dessen struktur zu vereinbaren. 38ii. auch die ziffern 2. und 3. des streitgegenständlichen bescheids sind aufzuheben. da der schutzstatus der kläger nicht hätte widerrufen werden dürfen, war die beklagte nicht gemäß § 73 abs. 3 asylg berechtigt, die kläger belastende feststellungen zur flüchtlingseigenschaft oder zum subsidiären schutzstatus zu treffen. 39die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 1 vwgo in verbindung mit § 83b asylg. der ausspruch zur vorläufigen vollstreckbarkeit beruht auf § 167 abs. 1 satz 1 und abs. 2 vwgo in verbindung mit §§ 708 nr. 11 alt. 2, 711, 709 satz 2 zpo.
346,007
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13 K 1149/20 E
2022-06-21T00:00:00
Urteil
Tenor Der Einkommensteuerbescheid für 2015 vom 14.09.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08.04.2020 wird dahingehend geändert, dass die Einkünfte der Klägerin aus Veräußerungsgewinnen nach § 17 des Einkommensteuergesetzes auf - 285.000 € herabgesetzt werden. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte. Die Revision wird zugelassen. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig. Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leisten. 1Tatbestand: 2Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung eines Veräußerungsverlustes gemäß § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG). 3Die Klägerin, die gemeinsam mit ihrem Ehemann – dem Kläger – zur Einkommensteuer veranlagt wird, war ursprünglich Alleingesellschafterin der am 13.11.2015 gegründeten A GmbH (GmbH), deren Gegenstand der Ankauf und die Verwaltung von Bestandsimmobilien ist. Das Stammkapital betrug bei Gründung 25.000 € und war eingeteilt in 25.000 Geschäftsanteile im Nennbetrag von jeweils 1 € (lfd. Nr. 1 bis 25.000). 4Mitte Dezember 2015 (Streitjahr) beschloss die Klägerin eine Kapitalerhöhung und schuf zur Durchführung einen neuen Geschäftsanteil mit der lfd. Nr. 25.001 (Neuanteil) im Nennbetrag von 1.000 €. Neben der Einlage i.H.v. 1.000 €, zahlte die Klägerin gemäß Punkt 3 des Kapitalerhöhungsbeschlusses, ein Aufgeld i.H.v. 500.000 € in die Kapitalrücklage der GmbH ein. 5Kurz darauf veräußerte die Klägerin die Geschäftsanteile mit den lfd. Nr. 24.701 bis 25.001 (veräußerte Beteiligung) zu einem Kaufpreis i.H.v. 26.300 € an den Kläger. 6Mit ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger einen Veräußerungsverlust nach § 17 EStG i.H.v. - 285.000 € geltend. Dem lag folgende Berechnung zu Grunde: 7Veräußerungspreis 26.300 € ./.Nennwert Geschäftsanteile lfd. Nr. 24.701 bis 25.000 300 € ./.Nennwert Geschäftsanteil lfd. Nr. 25.001 1.000 € ./.Aufgeld für den Geschäftsanteil lfd. Nr. 25.001 500.000 € Summe Anschaffungskosten 501.300 € - 501.300 € Einkünfte - 475.000 € Einkünfte (nach Teileinkünfteverfahren) - 285.000 € 8Mit Bescheid vom 14.09.2018 setzte der Beklagte (Finanzamt – FA –) die Einkommen-steuer auf 0 € fest. Abweichend von der Steuererklärung berücksichtigte er – unter Verneinung einer Gewinnerzielungsabsicht bezüglich des Neuanteils – einen Gewinn aus der Veräußerung der Anteile mit den lfd. Nr. 24.701 bis 25.000 (veräußerte Altanteile) i.H.v. 5.770 €. Dem lag folgende Berechnung zugrunde: 9 Altanteile Neuanteil Veräußerungspreis 6.070 € 20.230 € ./. Nennwert 300 € 1.000 € ./. Aufgeld 500.000 € Einkünfte (ohne Teileinkünfteverfahren) 5.770 € - 480.770 € 10Nach erfolglosem Einspruchsverfahren haben die Kläger Klage erhoben. Zur Begründung tragen sie vor, dass der erklärte Veräußerungsverlust anzuerkennen sei, da die veräußerten Anteile insgesamt mit Gewinnerzielungsabsicht erworben und gehalten worden seien. Im Rahmen des § 17 EStG sei das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht einheitlich für die gesamte veräußerte Beteiligung und nicht hinsichtlich jedes einzelnen veräußerten Anteils zu prüfen. 11Hierfür spreche bereits der Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG, der bei der Formulierung „unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 Prozent beteiligt“ ausdrücklich auf die Beteiligung als Prüfungsgegenstand abstelle. 12Auch ein Vergleich mit den sonstigen gewerblichen Einkünften, denen die hier streitigen Einkünfte zugeordnet würden, spreche für eine einheitliche Beurteilung. Bei der Veräußerung eines Gewerbebetriebs werde nicht jedes einzelne mitveräußerte Wirtschaftsgut auf das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht überprüft. Ebenso wie ein Gewerbetreibender mit einer Veräußerung einzelner Wirtschaftsgüter unter Preis ggfs. eine spätere Gewinnerzielung beabsichtige, stehe auch im vorliegenden Fall dem Verlust aus der Veräußerung des Neuanteils ein Gewinn aus der Veräußerung der bereits veräußerten Altanteile sowie ein ggfs. in Zukunft zu erzielender Gewinn aus der Veräußerung der anderen Anteile mit den lfd. Nr. 1 bis 24.700 gegenüber. 13Es gäbe auch keinen ersichtlichen Grund, warum eine einheitliche Beteiligung künstlich in mehrere Beteiligungen aufgespalten werden sollte. Es sei nicht nachvollziehbar, warum es sich beim Halten des einen Anteils um eine mit Gewinnerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit handeln solle, während es sich beim Halten eines anderen, im Wesentlichen gleichen Anteils an derselben Kapitalgesellschaft, um eine Tätigkeit handeln solle, die dem Bereich der allgemeinen Lebensführung oder der Verwirklichung persönlicher Neigungen zuzuordnen sei. 14Die Nichtberücksichtigung des geltend gemachten Veräußerungsverlusts stelle überdies einen Verstoß gegen das in Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verfassungsrechtlich verankerten objektiven Nettoprinzips dar. Wenn die Gewinne aus der Veräußerung der jetzt veräußerten Altanteile sowie aus einer zukünftigen Veräußerung der anderen Altanteile berücksichtigt würden, sei auch der Verlust aus der Veräußerung des Neuanteils zu berücksichtigen. Denn die Gewinne entstünden durch die aufgrund der Wertsteigerung der Altanteile in Folge der Aufgeldzahlung höher zu erzielenden Veräußerungspreise. Dann aber müsse auch der durch die Aufgeldzahlung entstandene Aufwand steuerlich berücksichtigt werden. Das objektive Nettoprinzip gebiete nicht nur, dass Aufwendungen, die zur Erzielung von Einnahmen getätigt würden, tatsächlich von den Einnahmen abgezogen würden, sondern auch, dass Verluste zumindest periodenübergreifend mit Gewinnen ausgeglichen würden. Die Versagung der Verlustberücksichtigung stelle einen nicht zu rechtfertigenden Grundrechtseingriff dar. Insbesondere könne nicht das Rechtsinstitut der „Liebhaberei“ als Rechtfertigung herangezogen werden. Im Gegensatz zu den typischen „Liebhaberei-Tätigkeiten“, z.B. das Vermieten einer Segeljacht, dem Züchten von Pferden oder dem Sammeln von Kunstgegenständen, könne beim Halten von Kapitalgesellschaftsanteilen nicht von privaten Neigungen oder einem Hobby ausgegangen werden. Daher werde bei § 17 EStG die Einkünfteerzielungsabsicht regelmäßig vermutet. 15Zu beachten sei, dass wirtschaftlich überhaupt kein Verlust entstanden sei. Das Aufgeld verteile sich gleichmäßig (entsprechend der Nennwerte) auf alle Anteile, sodass jedem Altanteil wirtschaftlich (nachträgliche) Anschaffungskosten von rd. 19,23 € und dem Neuanteil Anschaffungskosten von 19.230 € zuzurechnen seien. Dem Kaufpreis i.H.v. 26.300 € stünden demnach Anschaffungskosten i.H.v. ebenfalls 26.300 € (Nennwerte 1.300 € und anteiliges Aufgeld 25.000 €) gegenüber. Ein Veräußerungsverlust ergebe sich lediglich steuerlich, da nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27.05.2009 I R 53/08 ein für den Erwerb eines GmbH-Anteils im Rahmen einer Kapitalerhöhung gezahltes Aufgeld ausschließlich dem neu erworbenen Anteil als Anschaffungskosten zuzuordnen sei. 16Die Kläger beantragen, 17den Einkommensteuerbescheid für 2015 und vom 14.09.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08.04.2020 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte der Klägerin aus Veräußerungsgewinnen nach § 17 EStG auf - 285.000 Euro herabgesetzt werden, 18hilfsweise im Unterliegensfalle, die Revision zuzulassen. 19Das FA beantragt, 20die Klage abzuweisen. 21Zur Begründung trägt es vor, dass sich die Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht auch bei § 17 EStG an der Einkunftsquelle, d.h. dem einzelnen Geschäftsanteil, zu orientieren habe. Der Geschäftsanteil als solcher verkörpere den quotalen Anteil an den stillen Reserven der Kapitalgesellschaft und berechtige zur Teilnahme an der Gewinnverteilung i.S.d. § 29 Abs. 3 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Die zivilrechtliche Selbständigkeit des einzelnen Geschäftsanteils sei auch für das Steuerrecht maßgeblich. 22Es sei denkbar, dass Geschäftsanteile zu unterschiedlichen Zeitpunkten und aus unterschiedlichen Motiven erworben würden. So könnten Erwerbsanlässe einen spekulativen Charakter haben oder aber übergeordneten strategischen Überlegungen folgen. Hinsichtlich des Neuanteils habe die Klägerin bereits im Erwerbszeitpunkt davon ausgehen müssen, während der von vornherein beabsichtigten nur kurzen Haltephase bis zu einer späteren Veräußerung keinen Totalgewinn erzielen zu können. 23Der Wortlaut des § 17 EStG spreche – anders als die Kläger meinten – für eine separate Überprüfung der Geschäftsanteile. Formulierungen wie „der veräußerte Anteil“, „Veräußerung der Anteile“ oder „Veräußerungspreise der Anteile“ würden gleich mehrfach verwendet. Dies ließe den Willen des Gesetzgebers, auf den einzelnen Anteil abzustellen, erkennen. 24Auch nach der zu § 20 EStG ergangenen Rechtsprechung, die auf § 17 EStG übertragbar sei, sei eine Totalerfolgsprognose nicht pauschal für die gesamte Einkunftsart, sondern bei Vorhandensein mehrerer Kapitalanlagen grundsätzlich für jede Kapitalanlage gesondert zu erstellen. Auch bei Schuldzinsen sei für jede einzelne Aktie zu beurteilen, ob und inwieweit der zur Anschaffung der Aktie aufgenommene Kredit der Ertragserzielung oder der Kapitalanlage diene. 25Unabhängig davon, dass dem Gesellschafter hinsichtlich der Finanzierung seiner Gesellschaft grundsätzlich Gestaltungsfreiheit zukomme, sei zu berücksichtigten, dass aufgrund des Unternehmensgegenstands – Ankauf und Verwaltung von Bestandsimmobilien – bereits bei Gründung der GmbH bekannt gewesen sei, dass ein deutlich über dem Stammkapital von 25.000 € liegender Finanzierungsbedarf bevorstehe. Diesem hätte durch eine ausreichende Finanzierung bei Gründung oder aber durch eine freiwillige Einzahlung in die Kapitalrücklage unabhängig von einer Kapitalerhöhung begegnet werden können. Der enge zeitliche Zusammenhang zwischen der Gesellschaftsgründung, der Kapitalerhöhung und der Veräußerung der Anteile sowie der vornherein bestehende Plan, gemeinsam Immobilieninvestments zu tätigen, seien Indizien für eine Gesellschaftsgestaltung, deren Ziel es gewesen sei, einen Veräußerungsverlust zu generieren. Es ließen sich weder andere wirtschaftliche Gründe für die Wahl einer solchen Strukturierung erkennen noch könne davon ausgegangen werden, dass ein fremder Dritter ein solch hohes Aufgeld gezahlt hätte. 26Sofern die Gewinnerzielungsabsicht nicht separat anhand des einzelnen veräußerten Anteils zu prüfen sein sollte, sei das Aufgeld gleichmäßig auf alle Anteile an der GmbH zu verteilen. Der neu eingefügte § 17 Abs. 2a Satz 5 EStG, der eine solche gleichmäßige Aufteilung nunmehr normiert, sei rein deklaratorischer Natur, da die gleichmäßige Verteilung des Aufgeldes der vorher schon geltenden Verwaltungspraxis entspräche. Das von den Klägern angeführte BFH-Urteil, wonach das Aufgeld ausschließlich dem Neuanteil zuzuordnen sei, stünde dem auch nicht entgegen, da es sich hier um eine nicht allgemein anwendbare Einzelfallentscheidung handele. 27Entscheidungsgründe: 28I. Die Klage ist begründet. 29Der Einkommensteuerbescheid 2015 vom 14.09.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08.04.2020 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –). Zu Unrecht hat das FA den von den Klägern geltend gemachten Veräußerungsverlust i.H.v. - 285.000 € im Rahmen der Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 17, § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c, § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG nicht berücksichtigt. 301. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 % beteiligt war. Bei der Anwendung des § 17 EStG sind die Grundaussagen des § 2 Abs. 1 EStG über die Steuerbarkeit des Einkommens vorgegeben (BFH-Urteil vom 04.11.1992 X R 33/90, BStBl II 1993, 292, unter 5.e), mithin auch die Notwendigkeit, dass der wesentlich Beteiligte die Anteile mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, erwerben und halten muss. Fehlt es an der Absicht der Einkünfteerzielung, liegen keine steuerbaren Einkünfte vor (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25.06.1984 GrS 4/82, BStBl II 1984, 751, unter C.IV.3.c aa). 31a) Die Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht erfolgt zweigliedrig: Zunächst wird die objektive Erfolgsprognose und erst dann – sofern die Erfolgsprognose negativ ist – die subjektive Gewinnerzielungsabsicht des Steuerpflichtigen und/oder seine privaten Gründe für seine Tätigkeit geprüft (Wacker in Schmidt, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 41. Auflage 2022, § 15 Rn. 24 m.w.N.). 32aa) Bei der Prüfung der Erfolgsprognose wird nicht abschnittsbezogen ein Periodengewinn in Bezug genommen, sondern der Totalgewinn als Gesamtergebnis der steuerrelevanten Tätigkeit oder Nutzung von Kapitalvermögen (Urteil vom 29.06.1995 VIII R 68/93, BStBl II 1995, 722, unter II.1.b cc). 33bb) Regelmäßig ist bei Vorliegen einer positiven Erfolgsprognose bei gewerblichen Einkünften aus der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung davon auszugehen, dass der wesentlich Beteiligte eine entsprechende Absicht der Gewinnerzielung besitzt, auch wenn die Gewinnerzielung bei kurzer Dauer der Beteiligung im Einzelfall in den Hintergrund treten kann (BFH-Urteil vom 04.11.1992 X R 33/90, BStBl II 1993, 292, unter 5.e); BFH-Urteil vom 29.06.1995 VIII R 68/93, BStBl II 1995, 722, unter II.1.b bb). Bei einem negativen Gesamtergebnis oder einer objektiv negativen Ergebnisprognose ist aber nicht zwingend von Liebhaberei auszugehen, sondern nur dann, wenn die Tätigkeit auf ertragsteuerlich unbeachtlichen Motiven beruht, z.B. weil die verlustbringende Tätigkeit aus Gründen allgemeiner Lebensführung oder persönlichen Neigungen ausgeübt wird (BFH-Urteil vom 30.10.2014 IV R 34/11, BStBl II 2015, 380, unter II.2.b aa). 34b) Die Gewinnerzielungsabsicht ist im Rahmen des § 17 EStG nicht anhand jedes einzelnen veräußerten Anteils, sondern einheitlich für alle veräußerten Anteile zu prüfen. Dies ergibt sich aus der periodenübergreifenden Betrachtung bei Ermittlung der Erfolgsprognose, aus der gesetzlichen Zuordnung der Einkünfte nach § 17 EStG zu den gewerblichen Einkünften gemäß § 15 EStG sowie aus den Gründen der Neueinführung des § 17 Abs. 2a Satz 5 EStG. 35aa) Dem Wortlaut des § 17 EStG ist nicht zu entnehmen, ob die Gewinnerzielungsabsicht anhand jedes einzelnen veräußerten Anteils oder einheitlich für alle veräußerten Anteile zu prüfen ist. In § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG ist zwar vom „veräußerten Anteil“ sowie in § 17 Abs. 2 Satz 2 EStG von „Veräußerungspreis[es] der Anteile“ die Rede. Demgegenüber wird in § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG die Formulierung „zu mindestens 1 Prozent beteiligt“ verwendet. Ein Rückschluss darauf, wie die Gewinnerzielungsabsicht im Rahmen des § 17 EStG zu prüfen ist, kann aus dem Wortlaut der Regelung nicht gezogen werden. 36bb) Die für die Ermittlung der Erfolgsprognose im Rahmen der Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht maßgebliche periodenübergreifende Betrachtung lässt den Schluss zu, dass bei der Überprüfung der Gewinnerzielungsabsicht auf die gesamte veräußerte Beteiligung und nicht auf den einzelnen veräußerten Anteil abgestellt werden muss. 37(1) Wirtschaftlich ist für die Klägerin kein Verlust entstanden. Das in die Kapitalrücklage eingezahlte Aufgeld verteilt sich auf alle Geschäftsanteile an der Kapitalgesellschaft und wertet diese entsprechend ihrer Nennwerte auf. Ermittelt man den Veräußerungsgewinn unter Zugrundelegung dieser gleichmäßigen Verteilung des Aufgelds hätten dem Veräußerungspreis i.H.v. 26.300 € Anschaffungskosten i.H.v. insgesamt 26.300 € gegenüber gestanden. 38(2) Ein Veräußerungsverlust entsteht nur steuerlich. Nach dem BFH-Urteil vom 27.05.2009 (I R 53/08, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2010, 375, unter II.2.a) – dem sich der Senat anschließt – ist das im Rahmen einer Kapitalerhöhung in die Kapitalrücklage eingezahlte Aufgeld ausschließlich dem neu geschaffenen Anteil zuzuordnen. Es handelt sich bei dem Aufgeld um einen Bestandteil der Gegenleistung, die der Erwerber aufbringen muss, um den zur Durchführung der Kapitalerhöhung neu geschaffenen Anteil erwerben zu können (BFH-Urteil vom 27.05.2009 I R 53/08, BFH/NV 2010, 375, unter II.2.a m.w.N.). Das Aufgeld ist deshalb nur jenen Geschäftsanteilen als Anschaffungskosten zuzurechnen, für deren Erwerb es aufzubringen war. Danach stehen dem Veräußerungspreis von 26.300 € Anschaffungskosten von insgesamt 501.300 € gegenüber. Die Rechtsprechung des BFH hat trotz der Einfügung des § 17 Abs. 2a Satz 5 EStG durch Gesetz vom 12.12.2019 (n.F.) Bedeutung für das Streitjahr. Diese Neuregelung gilt erst für Veräußerungen i.S.v. § 17 Abs. 1, Abs. 4 oder Abs. 5 EStG nach dem 31.07.2019 und nur auf Antrag des Steuerpflichtigen, der hier nicht gestellt wurde, bereits für Veräußerungen vor dem 31.07.2019 (vgl. § 52 Abs. 25a EStG). 39(3) Eine Nichtberücksichtigung der geltend gemachten Veräußerungsverluste würde überdies einen Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip darstellen. Der Gesetzgeber legt der Einkommensteuer das aus dem generellen verfassungsrechtlichen Maßstab des Gleichheitssatzes abgeleitete sog. objektive Nettoprinzip (einfachgesetzlich normiert in § 2 Abs. 2 EStG) zugrunde, nach dem nur das Nettoeinkommen, also die Erwerbseinnahmen abzüglich der Erwerbsaufwendungen, besteuert werden (BFH-Urteil vom 15.12.2016 VI R 53/12; BStBl II 2017, 938, unter 3.c; BFH-Urteil vom 26.02.2014 I R 59/12, BStBl II 2014, 1016, unter III.1.a aa). Ein Verlustausgleich soll danach auch periodenübergreifend vorgenommen werden (BFH-Urteil vom 26.02.2014 I R 59/12, BStBl II 2014, 1016, unter III.1.a bb m.w.N.). 40Eine Veräußerung der bis heute noch von der Klägerin gehaltenen Anteile mit den lfd. Nr. 1 bis 24.000, führt nach dem Erkenntnisstand von Dezember 2015 zu Veräußerungsgewinnen. Für diese Anteile wird aufgrund der wirtschaftlichen Aufwertung durch die Kapitalrücklagen der GmbH ein Veräußerungspreis über dem Nennwert zu erzielen sein. Bei dem dann zu berechnenden Veräußerungsgewinn nach § 17 Abs. 2 EStG ist das Aufgeld, aufgrund seiner vorangegangenen ausschließlichen Zuordnung zum Neuanteil, nicht mehr gewinnmindernd zu berücksichtigen. Folgte man der Auffassung des FA, würden die zukünftig entstehenden Gewinne steuerlich berücksichtigt werden, während das Aufgeld, trotz seiner gewinnsteigernden Auswirkung, steuerlich keine Berücksichtigung als Erwerbsaufwendung gefunden hätte. 41cc) Darüber hinaus ist die Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht im Rahmen des § 17 EStG genauso vorzunehmen, wie bei den sonstigen gewerblichen Einkünften nach § 15 EStG. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG ordnet die Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen den gewerblichen Einkünften nach § 15 EStG zu. 42(1) Zu den gewerblichen Einkünften gehören auch die Einkünfte aus der Veräußerung eines Gewerbebetriebs als Sachgesamtheit. Bei einer solchen Veräußerung wird nicht jedes einzelne mitveräußerte Wirtschaftsgut auf das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht hin überprüft. Es ist nicht unüblich, dass einige Wirtschaftsgüter unterpreisig und gleichwohl mit der Absicht der Erzielung eines Gesamtgewinns, veräußert werden. Andernfalls würde eine Betriebsveräußerung künstlich aufgespalten werden und eine genaue Kaufpreisaufteilung wäre erforderlich. 43(2) Zudem kann der von der Rechtsprechung zu den gewerblichen Einkünften nach § 15 EStG entwickelte Gedanke der Segmentierung auf die Einkünfte nach § 17 EStG übertragen werden. Verschiedene Aktivitäten des Steuerpflichtigen sind danach je nach den Umständen des Einzelfalls einheitlich (sog. Beurteilungseinheit) oder getrennt (sog. Segmentierung; BFH-Urteil vom 15.11.2006 XI R 58/04, BFH/NV 2007, 434, unter II.1.a) zu würdigen. Selbständige Tätigkeiten, die nicht bloße Hilfs- oder Nebentätigkeiten zu einer gewerblichen Haupttätigkeit sind, müssen gesondert beurteilt werden; abzugrenzen ist dabei nach dem Förderungs-/Sachzusammenhang (BFH-Urteil vom 25.06.1996 VIII R 28/94, BStBl II 1997, 202, unter II.2.b). Eine Segmentierung ist hingegen nur bei völlig getrennt zu beurteilenden Tätigkeiten, z.B. Getränkeverkauf einer Tanzschule (BFH-Urteil vom 18.05.1995 IV R 31/94, BStBl II 1995, 718), vorzunehmen. Beim Erwerb und Halten von mehreren Geschäftsanteilen an einer GmbH, die mit identischen Gewinnbezugsrechten ausgestattet sind, ist von einer Beurteilungseinheit auszugehen, auch wenn die Anschaffungskosten voneinander abweichen. Weder die Tätigkeit – das Halten von Kapitalgesellschaftsanteilen – noch die erworbenen Anteile selbst unterscheiden sich derart, dass eine sog. Segmentierung erforderlich wäre. 44dd) Schließlich spricht auch der neu eingefügte § 17 Abs. 2a Satz 5 EStG n.F. – der der Missbrauchsbekämpfung dienen soll (BT-Drs. 356/19, Seite 123) – dafür, dass der Gesetzgeber von einer einheitlichen Überprüfung der Gewinnerzielungsabsicht bei § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG a.F. ausgegangen ist. Es hätte der Neuregelung nicht bedurft, wenn im Rahmen des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG die durch die ausschließliche Zuordnung des Aufgelds zu dem neu geschaffenen Anteil entstandenen Veräußerungsverluste durch eine steuerliche Nichtberücksichtigung aufgrund fehlender Gewinnerzielungsabsicht hätte begegnet werden können. 45ee) Eine Übertragung der Rechtsprechung des BFH zur Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht im Rahmen des § 20 EStG, spricht – anders als das FA meint – nicht für eine Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht bei jedem einzelnen Geschäftsanteil. Der BFH trifft keine Aussage dazu, ob Anteile an einer Kapitalgesellschaft hinsichtlich des Vorliegens von Gewinnerzielungsabsicht einzeln zu würdigen sind oder nicht. Er hat bislang stets entschieden, dass die Einkünfteerzielungsabsicht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen für jede einzelne Kapitalanlage (nicht aber für jeden Geschäftsanteil der Kapitalanlage) getrennt zu beurteilen ist (ständige Rechtsprechung; statt vieler z.B. BFH-Urteil vom 14.05.2014 VIII R 37/12, BFH/NV 2014, 1883, unter II.1.b aa m.w.N.). 46ff) Schließlich führt auch der Umstand, dass Geschäftsanteile, die der Gesellschafter zu verschiedenen Zeitpunkten erworben hat, ihre rechtliche Selbständigkeit behalten (BFH-Urteil vom 20.04.2004 VIII R 52/02, BStBl II 2004, 556, unter 3.a m.w.N.) nicht dazu, dass die veräußerten Anteile einzeln auf das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht zu überprüfen sind. Die Auslegung des § 17 EStG ist nach steuerrechtlichen Aspekten vorzunehmen. Es gibt insoweit keine Maßgeblichkeit des Gesellschaftsrechts (Levedag in Schmidt, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 41. Auflage 2022, § 17 Rn. 3). Nach der Rechtsprechung des BFH, spricht der Umstand, dass die einzelnen Geschäftsanteile ihre zivilrechtliche Selbständigkeit behalten, lediglich dafür, dass bei Ermittlung des Veräußerungsgewinns auf die konkreten Aufwendungen für den Erwerb der einzelnen Anteile – soweit diese ermittelbar sind – und nicht auf einen gemittelten Wert aus der Summe der Anschaffungskosten für sämtliche Anteile abzustellen ist (BFH-Urteil vom 20.04.2004 VIII R 52/02, BStBl II 2004, 556, unter 3.a und b m.w.N.). Dem ist jedoch nicht zu entnehmen, dass bei Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht auf den einzelnen Anteil abzustellen ist. 472. Diese Maßstäbe zugrunde gelegt, war die Anerkennung des von den Klägern geltend gemachten Veräußerungsverlustes nicht wegen fehlender Gewinnerzielungsabsicht hinsichtlich des Neuanteils zu versagen. 48a) Der veräußerte Teil der Beteiligung, bestehend aus den veräußerten Altanteilen und dem Neuanteil, wurde von der Klägerin, die im Zeitpunkt der Veräußerung alle Geschäftsanteile an der GmbH hielt, mit der Absicht Gewinne zu erzielen erworben und gehalten. 49aa) Objektiv bestand hinsichtlich der von der Klägerin gehaltenen und nunmehr veräußerten Anteile insgesamt eine positive Erfolgsprognose. Bei einer periodenübergreifenden Betrachtung ist unter Berücksichtigung der geplanten Immobilieninvestments – in Bezug auf die Altanteile zwischen den Beteiligten unstreitig – von der Erzielung eines Totalgewinns auszugehen. Aufgrund der einheitlichen Beurteilung der Gewinnerzielungsabsicht für die gesamte veräußerte Beteiligung, teilt der Neuanteil das Schicksal der Altanteile. 50bb) Bei einer positiven objektiven Erfolgsprognose wird bei Einkünften nach § 17 EStG die Gewinnerzielungsabsicht regelmäßig vermutet (BFH-Urteil vom 04.11.1992 X R 33/90, BStBl II 1993, 292, unter 5.e; BFH-Urteil vom 29.06.1995 VIII R 68/93, BStBl II 1995, 722, unter II.1.b bb). 51b) Der geltend gemachte Veräußerungsverlust ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. 52aa) Gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG ist der Veräußerungsgewinn i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt. Anschaffungskosten umfassen grundsätzlich alles, was der Erwerber aufgewendet hat, um das Wirtschaftsgut – vorliegend die Anteile – zu erlangen (BFH-Urteil 20.04.2004 vom VIII R 4/02, BStBl II 2004, 597; unter II.1.c bb zu § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG a.F.). 53(1) Werden Anteile – wie vorliegend – durch Gründung einer Kapitalgesellschaft erworben, ist Anschaffungspreis die Einlageverpflichtung (Nennwert bei Bareinlage) (Levedag in Schmidt, EStG, 41. Auflage 2022, § 17 Rn. 173). Entsprechendes gilt für den Erwerb im Wege der Kapitalerhöhung (BFH-Urteil vom 02.10.1984 VIII R 36/83, BStBl II 1985, 320, unter 1.b). 54(2) Darüber hinaus ist ein Aufgeld, das ein Erwerber neuer Geschäftsanteile aufgrund der getroffenen Einlagevereinbarung über den Nennbetrag der Einlage hinaus an eine Kapitalgesellschaft zu leisten hat und welches gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 1 des Handelsgesetzbuches in der Bilanz als Kapitalrücklage auszuweisen ist, Bestandteil der Gegenleistung, die der Erwerber aufbringen muss, um die Beteiligungsrechte zu erwerben. Es ist deshalb jenen Geschäftsanteilen als Anschaffungskosten zuzurechnen, für deren Erwerb es aufzubringen war (vgl. BFH-Urteil vom 27.05.2009 I R 53/08, BFH/NV 2010, 375, unter II.2.a). 55Anders als das FA meint, handelt es sich bei dieser BFH-Rechtsprechung nicht um eine Einzelfallentscheidung. Die in dem Urteil vom BFH ausgeführten Grundsätze erfahren weder dem zugrundeliegenden Sachverhalt geschuldete Einschränkungen noch hat der BFH anderweitig zum Ausdruck gebracht, dass er seine Entscheidung nicht über den dort entschiedenen Fall hinaus gelten lassen wolle. 56Auch die Einfügung des § 17 Abs. 2a Satz 5 EStG n.F. vermag die Anwendbarkeit der BFH-Rechtsprechung im Streitjahr nicht aufzuheben. Entgegen der Ansicht des FA handelt es sich bei § 17 Abs. 2a Satz 5 EStG n.F. nicht um eine rein deklaratorische – und damit auch bereits für das Streitjahr geltende –, sondern um eine konstitutive Regelung. Ungeachtet der Gesetzesbegründung, die die Regelung als deklaratorisch bezeichnet (BT-Drs. 356/19, Seite 123), konterkariert die Regelung die hier anzuwendende BFH-Rechtsprechung (Gosch in Kirchhof/Seer, Einkommensteuergesetz, 21. Auflage 2022, § 17 Rn. 99d). Seiner Auffassung, die Neuregelung sei deshalb nur deklaratorisch, weil die gleichmäßige Verteilung eines Aufgelds auf alle Anteile der laufenden Verwaltungspraxis vor Einführung der Neuregelung entspreche, müsste sich das FA zudem entgegenhalten lassen, dass es im Streitfall selbst keine solche Aufteilung vorgenommen hat, sondern das Aufgeld – der Rechtsprechung des BFH folgend – ausschließlich dem Neuanteil zugeordnet hat. 57bb) Gemäß § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG sind – unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens – 40 % des Veräußerungspreises i.S.d. § 17 Abs. 2 EStG steuerfrei. Daran anschließend dürfen gemäß § 3c Abs. 1 EStG Ausgaben, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden. 58cc) Bei Anwendung dieser Regelungen, haben die Kläger zu Recht einen Veräußerungsverlust i.H.v. - 285.000 € geltend gemacht. Dieser ergab sich aus dem Abzug von 60 % der Anschaffungskosten i.H.v. 501.300 €, also 300.780 €, von 60 % des Veräußerungspreises i.H.v. 26.300 €, also 15.780 €. Die Anschaffungskosten für die 300 veräußerten Altanteile ergaben sich aus der Einlageverpflichtung i.H.v. 300 € (Nennwert je 1 €) bei Gründung. Die Anschaffungskosten für den Neuanteil setzten sich zusammen aus der Einlageverpflichtung i.H.v. 1.000 € (Nennwert 1.000 €) und dem in die Kapitalrücklagen eingezahlten Aufgeld i.H.v. 500.000 €. 593. Schließlich liegt auch kein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten i.S.d. § 42 der Abgabenordnung (AO) vor. 60a) Gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 AO liegt ein Missbrauch vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nach § 42 Abs. 2 Satz 2 AO nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind. 61b) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Die gewählte rechtliche Gestaltung ist nicht unangemessen. 62aa) Zwar enthält § 42 AO selbst keinen Maßstab für die Prüfung der Angemessenheit. Jedoch sind die von der Rechtsprechung zu § 42 AO a.F. entwickelten Grundsätze auch für die mit dem Jahressteuergesetz 2008 (BGBl I 2007, 3150, 3171) ergänzte und gemäß Art. 97 § 7 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung für nach dem 31.12.2007 beginnende Kalenderjahre geltende Neufassung des § 42 AO übertragbar (Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 29.11.2017 4 K 127/15, EFG 2018, 486, unter II.3, bestätigt durch BFH-Urteil vom 17.11.2020 I R 2/18, BStBl II 2021, 580, unter 2.b). Darüber hinaus sind in den jüngsten Entscheidungen des BFH zum aktuellen § 42 AO keine neuen Auslegungsimpulse durch die Rechtsprechung erkennbar. 63Eine rechtliche Gestaltung ist danach unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels nicht gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll (BFH-Urteil vom 18.12.2013 I R 25/12, BFH/NV 2014, 904 unter II.2.c aa m.w.N.). Allein das Motiv, Steuern zu sparen, macht eine Gestaltung nicht unangemessen (BFH-Urteil vom 18.12.2013 I R 25/12, BFH/NV 2014, 904, unter II.2.c aa m.w.N.). Der Steuerpflichtige darf seine Verhältnisse grundsätzlich so gestalten, dass keine oder möglichst geringe Steuern anfallen und dabei zivilrechtliche Gestaltungen, die vom Gesetz vorgesehen sind, frei verwenden. Eine Gestaltung, die überhaupt keinen erkennbaren wirtschaftlichen Zweck hat, kann der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden (statt vieler z.B. BFH-Urteil vom 17.11.2020 I R 2/18, BStBl II 2021, 580, unter 2.b aa m.w.N). Dient die Gestaltung hingegen wirtschaftlichen Zwecken, darf das Verhalten der Beteiligten nicht auf seine Angemessenheit beurteilt werden (BFH-Urteil vom 08.05.2003 IV R 54/01, BStBl II 2003, 854, unter 1.a m.w.N). 64Auch wenn nach der Gesetzesbegründung die Unangemessenheit als wertender Begriff zu verstehen ist, der nicht mit dem empirischen Begriff der Ungewöhnlichkeit gleichgesetzt werden darf (BT-Drs. 16/7036, Seite 24), dürfen gleichwohl die von der Rechtsprechung zu § 42 AO a.F. entwickelten Indizien, wonach eine angemessene Gestaltung tendenziell eher einfach, zweckmäßig, übersichtlich und ökonomisch, eine unangemessene Gestaltung hingegen eher unwirtschaftlich, umständlich, kompliziert, schwerfällig, gekünstelt, überflüssig, ineffektiv oder widersinnig erscheint, weiterhin herangezogen werden. Sie haben als umschreibende Begriffe Indizfunktion (Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 29.11.2017 4 K 127/15, EFG 2018, 486, unter II.3 m.w.N. aus der Literatur, bestätigt durch BFH-Urteil vom 17.11.2020 I R 2/18, BStBl II 2021, 580, unter 2.b). 65bb) Die von der Klägerin gewählte rechtliche Gestaltung – Anteilserwerb durch Kapitalerhöhung unter Aufgeldzahlung – ist nicht unangemessen. Sie dient nicht ausschließlich dem Zweck der Steuerminderung, sondern der Ausstattung der GmbH mit Finanzmitteln, mithin einem wirtschaftlichen Zweck. Es ist nicht ausgeschlossen, dass ein verständiger Beteiligter die Gestaltung in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts und der wirtschaftlichen Zielsetzung ebenfalls gewählt hätte (vgl. BFH-Urteil vom 01.02.2001 IV R 3/00, BFH/NV 2001, 829, unter 2.b aa m.w.N.). Für den Alleingesellschafter einer GmbH macht es wirtschaftlich keinen Unterschied, ob er die Finanzmittel in Form eines Darlehens in die Gesellschaft gibt oder – wie vorliegend – als Aufgeld im Zuge einer Kapitalerhöhung in die Kapitalrücklagen oder aber als freiwillige Zahlung in die Kapitalrücklagen einzahlt. Das wirtschaftliche Ergebnis bleibt aus seiner Perspektive – unabhängig von den steuerlichen Auswirkungen – gleich. 66cc) Auch im Vergleich zu den zuvor aufgezeigten anderen rechtlichen Gestaltungen, zur Ausstattung der Gesellschaft mit Finanzmitteln, erscheint die gewählte rechtliche Gestaltung nicht unangemessen. Die gewählte rechtliche Gestaltung ist weder gekünstelt noch umständlicher, wesentlich teurer, komplizierter oder weniger praktikabel im Vergleich zu den vom FA vorgeschlagenen Gestaltungen. 67II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. 68III. Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Die Frage, ob die Gewinnerzielungsabsicht im Rahmen des § 17 EStG einheitlich für alle veräußerten Geschäftsanteile oder anhand jedes einzelnen Geschäftsanteils geprüft wird, ist bisher nicht höchstrichterlich geklärt. 69IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
der einkommensteuerbescheid für 2015 vom 14.09.2018 in gestalt der einspruchsentscheidung vom 08.04.2020 wird dahingehend geändert, dass die einkünfte der klägerin aus veräußerungsgewinnen nach § 17 des einkommensteuergesetzes auf - 285.000 € herabgesetzt werden. die kosten des verfahrens trägt der beklagte. die revision wird zugelassen. die zuziehung eines bevollmächtigten für das vorverfahren war notwendig. das urteil ist wegen der kosten ohne sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. der beklagte kann die vollstreckung durch sicherheitsleistung oder hinterlegung in höhe des jeweils zu vollstreckenden betrages abwenden, soweit nicht die kläger zuvor sicherheit in höhe des vollstreckbaren betrages leisten. 1
2die beteiligten streiten über die berücksichtigung eines veräußerungsverlustes gemäß § 17 des einkommensteuergesetzes (estg). 3die klägerin, die gemeinsam mit ihrem ehemann – dem kläger – zur einkommensteuer veranlagt wird, war ursprünglich alleingesellschafterin der am 13.11.2015 gegründeten a gmbh (gmbh), deren gegenstand der ankauf und die verwaltung von bestandsimmobilien ist. das stammkapital betrug bei gründung 25.000 € und war eingeteilt in 25.000 geschäftsanteile im nennbetrag von jeweils 1 € (lfd. nr. 1 bis 25.000). 4mitte dezember 2015 (streitjahr) beschloss die klägerin eine kapitalerhöhung und schuf zur durchführung einen neuen geschäftsanteil mit der lfd. nr. 25.001 (neuanteil) im nennbetrag von 1.000 €. neben der einlage i.h.v. 1.000 €, zahlte die klägerin gemäß punkt 3 des kapitalerhöhungsbeschlusses, ein aufgeld i.h.v. 500.000 € in die kapitalrücklage der gmbh ein. 5kurz darauf veräußerte die klägerin die geschäftsanteile mit den lfd. nr. 24.701 bis 25.001 (veräußerte beteiligung) zu einem kaufpreis i.h.v. 26.300 € an den kläger. 6mit ihrer einkommensteuererklärung für das streitjahr machten die kläger einen veräußerungsverlust nach § 17 estg i.h.v. - 285.000 € geltend. dem lag folgende berechnung zu grunde: 7veräußerungspreis 26.300 € ./.nennwert geschäftsanteile lfd. nr. 24.701 bis 25.000 300 € ./.nennwert geschäftsanteil lfd. nr. 25.001 1.000 € ./.aufgeld für den geschäftsanteil lfd. nr. 25.001 500.000 € summe anschaffungskosten 501.300 € - 501.300 € einkünfte - 475.000 € einkünfte (nach teileinkünfteverfahren) - 285.000 € 8mit bescheid vom 14.09.2018 setzte der beklagte (finanzamt – fa –) die einkommen-steuer auf 0 € fest. abweichend von der steuererklärung berücksichtigte er – unter verneinung einer gewinnerzielungsabsicht bezüglich des neuanteils – einen gewinn aus der veräußerung der anteile mit den lfd. nr. 24.701 bis 25.000 (veräußerte altanteile) i.h.v. 5.770 €. dem lag folgende berechnung zugrunde: 9 altanteile neuanteil veräußerungspreis 6.070 € 20.230 € ./. nennwert 300 € 1.000 € ./. aufgeld 500.000 € einkünfte (ohne teileinkünfteverfahren) 5.770 € - 480.770 € 10nach erfolglosem einspruchsverfahren haben die kläger klage erhoben. zur begründung tragen sie vor, dass der erklärte veräußerungsverlust anzuerkennen sei, da die veräußerten anteile insgesamt mit gewinnerzielungsabsicht erworben und gehalten worden seien. im rahmen des § 17 estg sei das vorliegen einer gewinnerzielungsabsicht einheitlich für die gesamte veräußerte beteiligung und nicht hinsichtlich jedes einzelnen veräußerten anteils zu prüfen. 11hierfür spreche bereits der wortlaut des § 17 abs. 1 satz 1 estg, der bei der formulierung „unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 prozent beteiligt“ ausdrücklich auf die beteiligung als prüfungsgegenstand abstelle. 12auch ein vergleich mit den sonstigen gewerblichen einkünften, denen die hier streitigen einkünfte zugeordnet würden, spreche für eine einheitliche beurteilung. bei der veräußerung eines gewerbebetriebs werde nicht jedes einzelne mitveräußerte wirtschaftsgut auf das vorliegen einer gewinnerzielungsabsicht überprüft. ebenso wie ein gewerbetreibender mit einer veräußerung einzelner wirtschaftsgüter unter preis ggfs. eine spätere gewinnerzielung beabsichtige, stehe auch im vorliegenden fall dem verlust aus der veräußerung des neuanteils ein gewinn aus der veräußerung der bereits veräußerten altanteile sowie ein ggfs. in zukunft zu erzielender gewinn aus der veräußerung der anderen anteile mit den lfd. nr. 1 bis 24.700 gegenüber. 13es gäbe auch keinen ersichtlichen grund, warum eine einheitliche beteiligung künstlich in mehrere beteiligungen aufgespalten werden sollte. es sei nicht nachvollziehbar, warum es sich beim halten des einen anteils um eine mit gewinnerzielungsabsicht unternommene tätigkeit handeln solle, während es sich beim halten eines anderen, im wesentlichen gleichen anteils an derselben kapitalgesellschaft, um eine tätigkeit handeln solle, die dem bereich der allgemeinen lebensführung oder der verwirklichung persönlicher neigungen zuzuordnen sei. 14die nichtberücksichtigung des geltend gemachten veräußerungsverlusts stelle überdies einen verstoß gegen das in art. 3 abs. 1 des grundgesetzes (gg) verfassungsrechtlich verankerten objektiven nettoprinzips dar. wenn die gewinne aus der veräußerung der jetzt veräußerten altanteile sowie aus einer zukünftigen veräußerung der anderen altanteile berücksichtigt würden, sei auch der verlust aus der veräußerung des neuanteils zu berücksichtigen. denn die gewinne entstünden durch die aufgrund der wertsteigerung der altanteile in folge der aufgeldzahlung höher zu erzielenden veräußerungspreise. dann aber müsse auch der durch die aufgeldzahlung entstandene aufwand steuerlich berücksichtigt werden. das objektive nettoprinzip gebiete nicht nur, dass aufwendungen, die zur erzielung von einnahmen getätigt würden, tatsächlich von den einnahmen abgezogen würden, sondern auch, dass verluste zumindest periodenübergreifend mit gewinnen ausgeglichen würden. die versagung der verlustberücksichtigung stelle einen nicht zu rechtfertigenden grundrechtseingriff dar. insbesondere könne nicht das rechtsinstitut der „liebhaberei“ als rechtfertigung herangezogen werden. im gegensatz zu den typischen „liebhaberei-tätigkeiten“, z.b. das vermieten einer segeljacht, dem züchten von pferden oder dem sammeln von kunstgegenständen, könne beim halten von kapitalgesellschaftsanteilen nicht von privaten neigungen oder einem hobby ausgegangen werden. daher werde bei § 17 estg die einkünfteerzielungsabsicht regelmäßig vermutet. 15zu beachten sei, dass wirtschaftlich überhaupt kein verlust entstanden sei. das aufgeld verteile sich gleichmäßig (entsprechend der nennwerte) auf alle anteile, sodass jedem altanteil wirtschaftlich (nachträgliche) anschaffungskosten von rd. 19,23 € und dem neuanteil anschaffungskosten von 19.230 € zuzurechnen seien. dem kaufpreis i.h.v. 26.300 € stünden demnach anschaffungskosten i.h.v. ebenfalls 26.300 € (nennwerte 1.300 € und anteiliges aufgeld 25.000 €) gegenüber. ein veräußerungsverlust ergebe sich lediglich steuerlich, da nach dem urteil des bundesfinanzhofs (bfh) vom 27.05.2009 i r 53/08 ein für den erwerb eines gmbh-anteils im rahmen einer kapitalerhöhung gezahltes aufgeld ausschließlich dem neu erworbenen anteil als anschaffungskosten zuzuordnen sei. 16die kläger beantragen, 17den einkommensteuerbescheid für 2015 und vom 14.09.2018 in gestalt der einspruchsentscheidung vom 08.04.2020 dahingehend zu ändern, dass die einkünfte der klägerin aus veräußerungsgewinnen nach § 17 estg auf - 285.000 euro herabgesetzt werden, 18hilfsweise im unterliegensfalle, die revision zuzulassen. 19das fa beantragt, 20die klage abzuweisen. 21zur begründung trägt es vor, dass sich die prüfung der gewinnerzielungsabsicht auch bei § 17 estg an der einkunftsquelle, d.h. dem einzelnen geschäftsanteil, zu orientieren habe. der geschäftsanteil als solcher verkörpere den quotalen anteil an den stillen reserven der kapitalgesellschaft und berechtige zur teilnahme an der gewinnverteilung i.s.d. § 29 abs. 3 des gesetzes betreffend die gesellschaften mit beschränkter haftung. die zivilrechtliche selbständigkeit des einzelnen geschäftsanteils sei auch für das steuerrecht maßgeblich. 22es sei denkbar, dass geschäftsanteile zu unterschiedlichen zeitpunkten und aus unterschiedlichen motiven erworben würden. so könnten erwerbsanlässe einen spekulativen charakter haben oder aber übergeordneten strategischen überlegungen folgen. hinsichtlich des neuanteils habe die klägerin bereits im erwerbszeitpunkt davon ausgehen müssen, während der von vornherein beabsichtigten nur kurzen haltephase bis zu einer späteren veräußerung keinen totalgewinn erzielen zu können. 23der wortlaut des § 17 estg spreche – anders als die kläger meinten – für eine separate überprüfung der geschäftsanteile. formulierungen wie „der veräußerte anteil“, „veräußerung der anteile“ oder „veräußerungspreise der anteile“ würden gleich mehrfach verwendet. dies ließe den willen des gesetzgebers, auf den einzelnen anteil abzustellen, erkennen. 24auch nach der zu § 20 estg ergangenen rechtsprechung, die auf § 17 estg übertragbar sei, sei eine totalerfolgsprognose nicht pauschal für die gesamte einkunftsart, sondern bei vorhandensein mehrerer kapitalanlagen grundsätzlich für jede kapitalanlage gesondert zu erstellen. auch bei schuldzinsen sei für jede einzelne aktie zu beurteilen, ob und inwieweit der zur anschaffung der aktie aufgenommene kredit der ertragserzielung oder der kapitalanlage diene. 25unabhängig davon, dass dem gesellschafter hinsichtlich der finanzierung seiner gesellschaft grundsätzlich gestaltungsfreiheit zukomme, sei zu berücksichtigten, dass aufgrund des unternehmensgegenstands – ankauf und verwaltung von bestandsimmobilien – bereits bei gründung der gmbh bekannt gewesen sei, dass ein deutlich über dem stammkapital von 25.000 € liegender finanzierungsbedarf bevorstehe. diesem hätte durch eine ausreichende finanzierung bei gründung oder aber durch eine freiwillige einzahlung in die kapitalrücklage unabhängig von einer kapitalerhöhung begegnet werden können. der enge zeitliche zusammenhang zwischen der gesellschaftsgründung, der kapitalerhöhung und der veräußerung der anteile sowie der vornherein bestehende plan, gemeinsam immobilieninvestments zu tätigen, seien indizien für eine gesellschaftsgestaltung, deren ziel es gewesen sei, einen veräußerungsverlust zu generieren. es ließen sich weder andere wirtschaftliche gründe für die wahl einer solchen strukturierung erkennen noch könne davon ausgegangen werden, dass ein fremder dritter ein solch hohes aufgeld gezahlt hätte. 26sofern die gewinnerzielungsabsicht nicht separat anhand des einzelnen veräußerten anteils zu prüfen sein sollte, sei das aufgeld gleichmäßig auf alle anteile an der gmbh zu verteilen. der neu eingefügte § 17 abs. 2a satz 5 estg, der eine solche gleichmäßige aufteilung nunmehr normiert, sei rein deklaratorischer natur, da die gleichmäßige verteilung des aufgeldes der vorher schon geltenden verwaltungspraxis entspräche. das von den klägern angeführte bfh-urteil, wonach das aufgeld ausschließlich dem neuanteil zuzuordnen sei, stünde dem auch nicht entgegen, da es sich hier um eine nicht allgemein anwendbare einzelfallentscheidung handele. 27
28i. die klage ist begründet. 29der einkommensteuerbescheid 2015 vom 14.09.2018 in gestalt der einspruchsentscheidung vom 08.04.2020 ist rechtswidrig und verletzt die kläger in ihren rechten (§ 100 abs. 1 satz 1 der finanzgerichtsordnung – fgo –). zu unrecht hat das fa den von den klägern geltend gemachten veräußerungsverlust i.h.v. - 285.000 € im rahmen der einkünfte aus gewerbebetrieb nach § 17, § 3 nr. 40 satz 1 buchst. c, § 3c abs. 2 satz 1 estg nicht berücksichtigt. 301. nach § 17 abs. 1 satz 1 estg gehört zu den einkünften aus gewerbebetrieb auch der gewinn aus der veräußerung von anteilen an einer kapitalgesellschaft, wenn der veräußerer innerhalb der letzten fünf jahre am kapital der gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 % beteiligt war. bei der anwendung des § 17 estg sind die grundaussagen des § 2 abs. 1 estg über die steuerbarkeit des einkommens vorgegeben (bfh-urteil vom 04.11.1992 x r 33/90, bstbl ii 1993, 292, unter 5.e), mithin auch die notwendigkeit, dass der wesentlich beteiligte die anteile mit der absicht, gewinn zu erzielen, erwerben und halten muss. fehlt es an der absicht der einkünfteerzielung, liegen keine steuerbaren einkünfte vor (vgl. beschluss des großen senats des bfh vom 25.06.1984 grs 4/82, bstbl ii 1984, 751, unter c.iv.3.c aa). 31a) die prüfung der gewinnerzielungsabsicht erfolgt zweigliedrig: zunächst wird die objektive erfolgsprognose und erst dann – sofern die erfolgsprognose negativ ist – die subjektive gewinnerzielungsabsicht des steuerpflichtigen und/oder seine privaten gründe für seine tätigkeit geprüft (wacker in schmidt, kommentar zum einkommensteuergesetz, 41. auflage 2022, § 15 rn. 24 m.w.n.). 32aa) bei der prüfung der erfolgsprognose wird nicht abschnittsbezogen ein periodengewinn in bezug genommen, sondern der totalgewinn als gesamtergebnis der steuerrelevanten tätigkeit oder nutzung von kapitalvermögen (urteil vom 29.06.1995 viii r 68/93, bstbl ii 1995, 722, unter ii.1.b cc). 33bb) regelmäßig ist bei vorliegen einer positiven erfolgsprognose bei gewerblichen einkünften aus der veräußerung einer wesentlichen beteiligung davon auszugehen, dass der wesentlich beteiligte eine entsprechende absicht der gewinnerzielung besitzt, auch wenn die gewinnerzielung bei kurzer dauer der beteiligung im einzelfall in den hintergrund treten kann (bfh-urteil vom 04.11.1992 x r 33/90, bstbl ii 1993, 292, unter 5.e); bfh-urteil vom 29.06.1995 viii r 68/93, bstbl ii 1995, 722, unter ii.1.b bb). bei einem negativen gesamtergebnis oder einer objektiv negativen ergebnisprognose ist aber nicht zwingend von liebhaberei auszugehen, sondern nur dann, wenn die tätigkeit auf ertragsteuerlich unbeachtlichen motiven beruht, z.b. weil die verlustbringende tätigkeit aus gründen allgemeiner lebensführung oder persönlichen neigungen ausgeübt wird (bfh-urteil vom 30.10.2014 iv r 34/11, bstbl ii 2015, 380, unter ii.2.b aa). 34b) die gewinnerzielungsabsicht ist im rahmen des § 17 estg nicht anhand jedes einzelnen veräußerten anteils, sondern einheitlich für alle veräußerten anteile zu prüfen. dies ergibt sich aus der periodenübergreifenden betrachtung bei ermittlung der erfolgsprognose, aus der gesetzlichen zuordnung der einkünfte nach § 17 estg zu den gewerblichen einkünften gemäß § 15 estg sowie aus den gründen der neueinführung des § 17 abs. 2a satz 5 estg. 35aa) dem wortlaut des § 17 estg ist nicht zu entnehmen, ob die gewinnerzielungsabsicht anhand jedes einzelnen veräußerten anteils oder einheitlich für alle veräußerten anteile zu prüfen ist. in § 17 abs. 1 satz 4 estg ist zwar vom „veräußerten anteil“ sowie in § 17 abs. 2 satz 2 estg von „veräußerungspreis[es] der anteile“ die rede. demgegenüber wird in § 17 abs. 1 satz 1 estg die formulierung „zu mindestens 1 prozent beteiligt“ verwendet. ein rückschluss darauf, wie die gewinnerzielungsabsicht im rahmen des § 17 estg zu prüfen ist, kann aus dem wortlaut der regelung nicht gezogen werden. 36bb) die für die ermittlung der erfolgsprognose im rahmen der prüfung der gewinnerzielungsabsicht maßgebliche periodenübergreifende betrachtung lässt den schluss zu, dass bei der überprüfung der gewinnerzielungsabsicht auf die gesamte veräußerte beteiligung und nicht auf den einzelnen veräußerten anteil abgestellt werden muss. 37(1) wirtschaftlich ist für die klägerin kein verlust entstanden. das in die kapitalrücklage eingezahlte aufgeld verteilt sich auf alle geschäftsanteile an der kapitalgesellschaft und wertet diese entsprechend ihrer nennwerte auf. ermittelt man den veräußerungsgewinn unter zugrundelegung dieser gleichmäßigen verteilung des aufgelds hätten dem veräußerungspreis i.h.v. 26.300 € anschaffungskosten i.h.v. insgesamt 26.300 € gegenüber gestanden. 38(2) ein veräußerungsverlust entsteht nur steuerlich. nach dem bfh-urteil vom 27.05.2009 (i r 53/08, sammlung amtlich nicht veröffentlichter entscheidungen des bfh – bfh/nv – 2010, 375, unter ii.2.a) – dem sich der senat anschließt – ist das im rahmen einer kapitalerhöhung in die kapitalrücklage eingezahlte aufgeld ausschließlich dem neu geschaffenen anteil zuzuordnen. es handelt sich bei dem aufgeld um einen bestandteil der gegenleistung, die der erwerber aufbringen muss, um den zur durchführung der kapitalerhöhung neu geschaffenen anteil erwerben zu können (bfh-urteil vom 27.05.2009 i r 53/08, bfh/nv 2010, 375, unter ii.2.a m.w.n.). das aufgeld ist deshalb nur jenen geschäftsanteilen als anschaffungskosten zuzurechnen, für deren erwerb es aufzubringen war. danach stehen dem veräußerungspreis von 26.300 € anschaffungskosten von insgesamt 501.300 € gegenüber. die rechtsprechung des bfh hat trotz der einfügung des § 17 abs. 2a satz 5 estg durch gesetz vom 12.12.2019 (n.f.) bedeutung für das streitjahr. diese neuregelung gilt erst für veräußerungen i.s.v. § 17 abs. 1, abs. 4 oder abs. 5 estg nach dem 31.07.2019 und nur auf antrag des steuerpflichtigen, der hier nicht gestellt wurde, bereits für veräußerungen vor dem 31.07.2019 (vgl. § 52 abs. 25a estg). 39(3) eine nichtberücksichtigung der geltend gemachten veräußerungsverluste würde überdies einen verstoß gegen das objektive nettoprinzip darstellen. der gesetzgeber legt der einkommensteuer das aus dem generellen verfassungsrechtlichen maßstab des gleichheitssatzes abgeleitete sog. objektive nettoprinzip (einfachgesetzlich normiert in § 2 abs. 2 estg) zugrunde, nach dem nur das nettoeinkommen, also die erwerbseinnahmen abzüglich der erwerbsaufwendungen, besteuert werden (bfh-urteil vom 15.12.2016 vi r 53/12; bstbl ii 2017, 938, unter 3.c; bfh-urteil vom 26.02.2014 i r 59/12, bstbl ii 2014, 1016, unter iii.1.a aa). ein verlustausgleich soll danach auch periodenübergreifend vorgenommen werden (bfh-urteil vom 26.02.2014 i r 59/12, bstbl ii 2014, 1016, unter iii.1.a bb m.w.n.). 40eine veräußerung der bis heute noch von der klägerin gehaltenen anteile mit den lfd. nr. 1 bis 24.000, führt nach dem erkenntnisstand von dezember 2015 zu veräußerungsgewinnen. für diese anteile wird aufgrund der wirtschaftlichen aufwertung durch die kapitalrücklagen der gmbh ein veräußerungspreis über dem nennwert zu erzielen sein. bei dem dann zu berechnenden veräußerungsgewinn nach § 17 abs. 2 estg ist das aufgeld, aufgrund seiner vorangegangenen ausschließlichen zuordnung zum neuanteil, nicht mehr gewinnmindernd zu berücksichtigen. folgte man der auffassung des fa, würden die zukünftig entstehenden gewinne steuerlich berücksichtigt werden, während das aufgeld, trotz seiner gewinnsteigernden auswirkung, steuerlich keine berücksichtigung als erwerbsaufwendung gefunden hätte. 41cc) darüber hinaus ist die prüfung der gewinnerzielungsabsicht im rahmen des § 17 estg genauso vorzunehmen, wie bei den sonstigen gewerblichen einkünften nach § 15 estg. § 17 abs. 1 satz 1 estg ordnet die gewinne aus der veräußerung von kapitalgesellschaftsanteilen den gewerblichen einkünften nach § 15 estg zu. 42(1) zu den gewerblichen einkünften gehören auch die einkünfte aus der veräußerung eines gewerbebetriebs als sachgesamtheit. bei einer solchen veräußerung wird nicht jedes einzelne mitveräußerte wirtschaftsgut auf das vorliegen einer gewinnerzielungsabsicht hin überprüft. es ist nicht unüblich, dass einige wirtschaftsgüter unterpreisig und gleichwohl mit der absicht der erzielung eines gesamtgewinns, veräußert werden. andernfalls würde eine betriebsveräußerung künstlich aufgespalten werden und eine genaue kaufpreisaufteilung wäre erforderlich. 43(2) zudem kann der von der rechtsprechung zu den gewerblichen einkünften nach § 15 estg entwickelte gedanke der segmentierung auf die einkünfte nach § 17 estg übertragen werden. verschiedene aktivitäten des steuerpflichtigen sind danach je nach den umständen des einzelfalls einheitlich (sog. beurteilungseinheit) oder getrennt (sog. segmentierung; bfh-urteil vom 15.11.2006 xi r 58/04, bfh/nv 2007, 434, unter ii.1.a) zu würdigen. selbständige tätigkeiten, die nicht bloße hilfs- oder nebentätigkeiten zu einer gewerblichen haupttätigkeit sind, müssen gesondert beurteilt werden; abzugrenzen ist dabei nach dem förderungs-/sachzusammenhang (bfh-urteil vom 25.06.1996 viii r 28/94, bstbl ii 1997, 202, unter ii.2.b). eine segmentierung ist hingegen nur bei völlig getrennt zu beurteilenden tätigkeiten, z.b. getränkeverkauf einer tanzschule (bfh-urteil vom 18.05.1995 iv r 31/94, bstbl ii 1995, 718), vorzunehmen. beim erwerb und halten von mehreren geschäftsanteilen an einer gmbh, die mit identischen gewinnbezugsrechten ausgestattet sind, ist von einer beurteilungseinheit auszugehen, auch wenn die anschaffungskosten voneinander abweichen. weder die tätigkeit – das halten von kapitalgesellschaftsanteilen – noch die erworbenen anteile selbst unterscheiden sich derart, dass eine sog. segmentierung erforderlich wäre. 44dd) schließlich spricht auch der neu eingefügte § 17 abs. 2a satz 5 estg n.f. – der der missbrauchsbekämpfung dienen soll (bt-drs. 356/19, seite 123) – dafür, dass der gesetzgeber von einer einheitlichen überprüfung der gewinnerzielungsabsicht bei § 17 abs. 1 satz 1 estg a.f. ausgegangen ist. es hätte der neuregelung nicht bedurft, wenn im rahmen des § 17 abs. 1 satz 1 estg die durch die ausschließliche zuordnung des aufgelds zu dem neu geschaffenen anteil entstandenen veräußerungsverluste durch eine steuerliche nichtberücksichtigung aufgrund fehlender gewinnerzielungsabsicht hätte begegnet werden können. 45ee) eine übertragung der rechtsprechung des bfh zur prüfung der gewinnerzielungsabsicht im rahmen des § 20 estg, spricht – anders als das fa meint – nicht für eine prüfung der gewinnerzielungsabsicht bei jedem einzelnen geschäftsanteil. der bfh trifft keine aussage dazu, ob anteile an einer kapitalgesellschaft hinsichtlich des vorliegens von gewinnerzielungsabsicht einzeln zu würdigen sind oder nicht. er hat bislang stets entschieden, dass die einkünfteerzielungsabsicht bei den einkünften aus kapitalvermögen für jede einzelne kapitalanlage (nicht aber für jeden geschäftsanteil der kapitalanlage) getrennt zu beurteilen ist (ständige rechtsprechung; statt vieler z.b. bfh-urteil vom 14.05.2014 viii r 37/12, bfh/nv 2014, 1883, unter ii.1.b aa m.w.n.). 46ff) schließlich führt auch der umstand, dass geschäftsanteile, die der gesellschafter zu verschiedenen zeitpunkten erworben hat, ihre rechtliche selbständigkeit behalten (bfh-urteil vom 20.04.2004 viii r 52/02, bstbl ii 2004, 556, unter 3.a m.w.n.) nicht dazu, dass die veräußerten anteile einzeln auf das vorliegen einer gewinnerzielungsabsicht zu überprüfen sind. die auslegung des § 17 estg ist nach steuerrechtlichen aspekten vorzunehmen. es gibt insoweit keine maßgeblichkeit des gesellschaftsrechts (levedag in schmidt, kommentar zum einkommensteuergesetz, 41. auflage 2022, § 17 rn. 3). nach der rechtsprechung des bfh, spricht der umstand, dass die einzelnen geschäftsanteile ihre zivilrechtliche selbständigkeit behalten, lediglich dafür, dass bei ermittlung des veräußerungsgewinns auf die konkreten aufwendungen für den erwerb der einzelnen anteile – soweit diese ermittelbar sind – und nicht auf einen gemittelten wert aus der summe der anschaffungskosten für sämtliche anteile abzustellen ist (bfh-urteil vom 20.04.2004 viii r 52/02, bstbl ii 2004, 556, unter 3.a und b m.w.n.). dem ist jedoch nicht zu entnehmen, dass bei prüfung der gewinnerzielungsabsicht auf den einzelnen anteil abzustellen ist. 472. diese maßstäbe zugrunde gelegt, war die anerkennung des von den klägern geltend gemachten veräußerungsverlustes nicht wegen fehlender gewinnerzielungsabsicht hinsichtlich des neuanteils zu versagen. 48a) der veräußerte teil der beteiligung, bestehend aus den veräußerten altanteilen und dem neuanteil, wurde von der klägerin, die im zeitpunkt der veräußerung alle geschäftsanteile an der gmbh hielt, mit der absicht gewinne zu erzielen erworben und gehalten. 49aa) objektiv bestand hinsichtlich der von der klägerin gehaltenen und nunmehr veräußerten anteile insgesamt eine positive erfolgsprognose. bei einer periodenübergreifenden betrachtung ist unter berücksichtigung der geplanten immobilieninvestments – in bezug auf die altanteile zwischen den beteiligten unstreitig – von der erzielung eines totalgewinns auszugehen. aufgrund der einheitlichen beurteilung der gewinnerzielungsabsicht für die gesamte veräußerte beteiligung, teilt der neuanteil das schicksal der altanteile. 50bb) bei einer positiven objektiven erfolgsprognose wird bei einkünften nach § 17 estg die gewinnerzielungsabsicht regelmäßig vermutet (bfh-urteil vom 04.11.1992 x r 33/90, bstbl ii 1993, 292, unter 5.e; bfh-urteil vom 29.06.1995 viii r 68/93, bstbl ii 1995, 722, unter ii.1.b bb). 51b) der geltend gemachte veräußerungsverlust ist auch der höhe nach nicht zu beanstanden. 52aa) gemäß § 17 abs. 2 satz 1 estg ist der veräußerungsgewinn i.s.d. § 17 abs. 1 satz 1 estg der betrag, um den der veräußerungspreis nach abzug der veräußerungskosten die anschaffungskosten übersteigt. anschaffungskosten umfassen grundsätzlich alles, was der erwerber aufgewendet hat, um das wirtschaftsgut – vorliegend die anteile – zu erlangen (bfh-urteil 20.04.2004 vom viii r 4/02, bstbl ii 2004, 597; unter ii.1.c bb zu § 17 abs. 2 satz 1 estg a.f.). 53(1) werden anteile – wie vorliegend – durch gründung einer kapitalgesellschaft erworben, ist anschaffungspreis die einlageverpflichtung (nennwert bei bareinlage) (levedag in schmidt, estg, 41. auflage 2022, § 17 rn. 173). entsprechendes gilt für den erwerb im wege der kapitalerhöhung (bfh-urteil vom 02.10.1984 viii r 36/83, bstbl ii 1985, 320, unter 1.b). 54(2) darüber hinaus ist ein aufgeld, das ein erwerber neuer geschäftsanteile aufgrund der getroffenen einlagevereinbarung über den nennbetrag der einlage hinaus an eine kapitalgesellschaft zu leisten hat und welches gemäß § 272 abs. 2 nr. 1 des handelsgesetzbuches in der bilanz als kapitalrücklage auszuweisen ist, bestandteil der gegenleistung, die der erwerber aufbringen muss, um die beteiligungsrechte zu erwerben. es ist deshalb jenen geschäftsanteilen als anschaffungskosten zuzurechnen, für deren erwerb es aufzubringen war (vgl. bfh-urteil vom 27.05.2009 i r 53/08, bfh/nv 2010, 375, unter ii.2.a). 55anders als das fa meint, handelt es sich bei dieser bfh-rechtsprechung nicht um eine einzelfallentscheidung. die in dem urteil vom bfh ausgeführten grundsätze erfahren weder dem zugrundeliegenden sachverhalt geschuldete einschränkungen noch hat der bfh anderweitig zum ausdruck gebracht, dass er seine entscheidung nicht über den dort entschiedenen fall hinaus gelten lassen wolle. 56auch die einfügung des § 17 abs. 2a satz 5 estg n.f. vermag die anwendbarkeit der bfh-rechtsprechung im streitjahr nicht aufzuheben. entgegen der ansicht des fa handelt es sich bei § 17 abs. 2a satz 5 estg n.f. nicht um eine rein deklaratorische – und damit auch bereits für das streitjahr geltende –, sondern um eine konstitutive regelung. ungeachtet der gesetzesbegründung, die die regelung als deklaratorisch bezeichnet (bt-drs. 356/19, seite 123), konterkariert die regelung die hier anzuwendende bfh-rechtsprechung (gosch in kirchhof/seer, einkommensteuergesetz, 21. auflage 2022, § 17 rn. 99d). seiner auffassung, die neuregelung sei deshalb nur deklaratorisch, weil die gleichmäßige verteilung eines aufgelds auf alle anteile der laufenden verwaltungspraxis vor einführung der neuregelung entspreche, müsste sich das fa zudem entgegenhalten lassen, dass es im streitfall selbst keine solche aufteilung vorgenommen hat, sondern das aufgeld – der rechtsprechung des bfh folgend – ausschließlich dem neuanteil zugeordnet hat. 57bb) gemäß § 3 nr. 40 satz 1 buchst. c estg sind – unter anwendung des teileinkünfteverfahrens – 40 % des veräußerungspreises i.s.d. § 17 abs. 2 estg steuerfrei. daran anschließend dürfen gemäß § 3c abs. 1 estg ausgaben, soweit sie mit steuerfreien einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen zusammenhang stehen, nicht als betriebsausgaben oder werbungskosten abgezogen werden. 58cc) bei anwendung dieser regelungen, haben die kläger zu recht einen veräußerungsverlust i.h.v. - 285.000 € geltend gemacht. dieser ergab sich aus dem abzug von 60 % der anschaffungskosten i.h.v. 501.300 €, also 300.780 €, von 60 % des veräußerungspreises i.h.v. 26.300 €, also 15.780 €. die anschaffungskosten für die 300 veräußerten altanteile ergaben sich aus der einlageverpflichtung i.h.v. 300 € (nennwert je 1 €) bei gründung. die anschaffungskosten für den neuanteil setzten sich zusammen aus der einlageverpflichtung i.h.v. 1.000 € (nennwert 1.000 €) und dem in die kapitalrücklagen eingezahlten aufgeld i.h.v. 500.000 €. 593. schließlich liegt auch kein missbrauch von rechtlichen gestaltungsmöglichkeiten i.s.d. § 42 der abgabenordnung (ao) vor. 60a) gemäß § 42 abs. 2 satz 1 ao liegt ein missbrauch vor, wenn eine unangemessene rechtliche gestaltung gewählt wird, die beim steuerpflichtigen oder einem dritten im vergleich zu einer angemessenen gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen steuervorteil führt. dies gilt nach § 42 abs. 2 satz 2 ao nicht, wenn der steuerpflichtige für die gewählte gestaltung außersteuerliche gründe nachweist, die nach dem gesamtbild der verhältnisse beachtlich sind. 61b) diese voraussetzungen sind im streitfall nicht erfüllt. die gewählte rechtliche gestaltung ist nicht unangemessen. 62aa) zwar enthält § 42 ao selbst keinen maßstab für die prüfung der angemessenheit. jedoch sind die von der rechtsprechung zu § 42 ao a.f. entwickelten grundsätze auch für die mit dem jahressteuergesetz 2008 (bgbl i 2007, 3150, 3171) ergänzte und gemäß art. 97 § 7 des einführungsgesetzes zur abgabenordnung für nach dem 31.12.2007 beginnende kalenderjahre geltende neufassung des § 42 ao übertragbar (hessisches finanzgericht, urteil vom 29.11.2017 4 k 127/15, efg 2018, 486, unter ii.3, bestätigt durch bfh-urteil vom 17.11.2020 i r 2/18, bstbl ii 2021, 580, unter 2.b). darüber hinaus sind in den jüngsten entscheidungen des bfh zum aktuellen § 42 ao keine neuen auslegungsimpulse durch die rechtsprechung erkennbar. 63eine rechtliche gestaltung ist danach unangemessen, wenn der steuerpflichtige die vom gesetzgeber vorausgesetzte gestaltung zum erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen ziels nicht gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen weg wählt, auf dem nach den wertungen des gesetzgebers das ziel nicht erreichbar sein soll (bfh-urteil vom 18.12.2013 i r 25/12, bfh/nv 2014, 904 unter ii.2.c aa m.w.n.). allein das motiv, steuern zu sparen, macht eine gestaltung nicht unangemessen (bfh-urteil vom 18.12.2013 i r 25/12, bfh/nv 2014, 904, unter ii.2.c aa m.w.n.). der steuerpflichtige darf seine verhältnisse grundsätzlich so gestalten, dass keine oder möglichst geringe steuern anfallen und dabei zivilrechtliche gestaltungen, die vom gesetz vorgesehen sind, frei verwenden. eine gestaltung, die überhaupt keinen erkennbaren wirtschaftlichen zweck hat, kann der besteuerung nicht zugrunde gelegt werden (statt vieler z.b. bfh-urteil vom 17.11.2020 i r 2/18, bstbl ii 2021, 580, unter 2.b aa m.w.n). dient die gestaltung hingegen wirtschaftlichen zwecken, darf das verhalten der beteiligten nicht auf seine angemessenheit beurteilt werden (bfh-urteil vom 08.05.2003 iv r 54/01, bstbl ii 2003, 854, unter 1.a m.w.n). 64auch wenn nach der gesetzesbegründung die unangemessenheit als wertender begriff zu verstehen ist, der nicht mit dem empirischen begriff der ungewöhnlichkeit gleichgesetzt werden darf (bt-drs. 16/7036, seite 24), dürfen gleichwohl die von der rechtsprechung zu § 42 ao a.f. entwickelten indizien, wonach eine angemessene gestaltung tendenziell eher einfach, zweckmäßig, übersichtlich und ökonomisch, eine unangemessene gestaltung hingegen eher unwirtschaftlich, umständlich, kompliziert, schwerfällig, gekünstelt, überflüssig, ineffektiv oder widersinnig erscheint, weiterhin herangezogen werden. sie haben als umschreibende begriffe indizfunktion (hessisches finanzgericht, urteil vom 29.11.2017 4 k 127/15, efg 2018, 486, unter ii.3 m.w.n. aus der literatur, bestätigt durch bfh-urteil vom 17.11.2020 i r 2/18, bstbl ii 2021, 580, unter 2.b). 65bb) die von der klägerin gewählte rechtliche gestaltung – anteilserwerb durch kapitalerhöhung unter aufgeldzahlung – ist nicht unangemessen. sie dient nicht ausschließlich dem zweck der steuerminderung, sondern der ausstattung der gmbh mit finanzmitteln, mithin einem wirtschaftlichen zweck. es ist nicht ausgeschlossen, dass ein verständiger beteiligter die gestaltung in anbetracht des wirtschaftlichen sachverhalts und der wirtschaftlichen zielsetzung ebenfalls gewählt hätte (vgl. bfh-urteil vom 01.02.2001 iv r 3/00, bfh/nv 2001, 829, unter 2.b aa m.w.n.). für den alleingesellschafter einer gmbh macht es wirtschaftlich keinen unterschied, ob er die finanzmittel in form eines darlehens in die gesellschaft gibt oder – wie vorliegend – als aufgeld im zuge einer kapitalerhöhung in die kapitalrücklagen oder aber als freiwillige zahlung in die kapitalrücklagen einzahlt. das wirtschaftliche ergebnis bleibt aus seiner perspektive – unabhängig von den steuerlichen auswirkungen – gleich. 66cc) auch im vergleich zu den zuvor aufgezeigten anderen rechtlichen gestaltungen, zur ausstattung der gesellschaft mit finanzmitteln, erscheint die gewählte rechtliche gestaltung nicht unangemessen. die gewählte rechtliche gestaltung ist weder gekünstelt noch umständlicher, wesentlich teurer, komplizierter oder weniger praktikabel im vergleich zu den vom fa vorgeschlagenen gestaltungen. 67ii. die kostenentscheidung beruht auf § 135 abs. 1 fgo. 68iii. die revision war zuzulassen, da die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat (§ 115 abs. 2 nr. 1 fgo). die frage, ob die gewinnerzielungsabsicht im rahmen des § 17 estg einheitlich für alle veräußerten geschäftsanteile oder anhand jedes einzelnen geschäftsanteils geprüft wird, ist bisher nicht höchstrichterlich geklärt. 69iv. die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 abs. 3, 155 fgo i. v. m. §§ 708 nr. 10, 711 der zivilprozessordnung.
345,811
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10 A 4789/19
2022-06-10T00:00:00
Urteil
Tenor Die Berufung wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 von Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 von Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet. Die Revision wird nicht zuglassen. 1Tatbestand: 2Der Kläger ist seit 2009 Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks A. 3 in L.-I. (Gemarkung S., Flur 15, Flurstück 973) (im Folgenden: Grundstück). 3Im Dezember 1997 trug die Beklagte das Wohnhaus (im Folgenden: vorderes Wohnhaus) nebst Garage, Vorgarten und Garten als Baudenkmal in die Denkmalliste ein. In dem der Eintragung als Anlage beigefügten Gutachten heißt es zu den wesentlichen charakteristischen Merkmalen des Denkmals unter anderem: 4Das vordere Wohnhaus sei 1958-60 gebaut worden. Der Architekt sei H. I1., der Bauherr L1. L2. gewesen. Es handele sich um ein eingeschossiges, freistehendes Einfamilienhaus über winkelförmigem Grundriss mit geschlemmter, ursprünglich backsteinsichtiger Fassade, das teilweise unterkellert sei. Durch zwei Pultdächer unterschiedlicher Tiefe sei die Kubatur in der Tiefe und in der Höhe gestaffelt. Die erneuerten Metallfenster mit originalen Gittern lägen in der Mauerflucht. Die westliche Straßenfront habe vier hochrechteckige Fenster. Südlich schließe sich an das Gebäude eine geschlemmte Backsteinmauer an. Nördlich grenze die Stirnseite der weit zurückliegenden, mit dem Gebäude verbundenen, geschlemmten Backsteingarage an. Ein Metallzaun liege in etwa in der Gebäudeflucht. Die Garage, der Vorgarten und Garten (überwiegend Rasen, Rabatten, unregelmäßige Bepflanzung und Teich mit Bruchsteineinfassung) seien Bestandteile des Denkmals. Der 1949 neugegründete I. sei der jüngste Ort der Gemeinde S1., wobei dort erst nach dem 2. Weltkrieg eine umfangreiche Bebauung nach einheitlichen Bauauflagen erfolgt sei. Charakteristisch seien unter anderem die Grundstücksgrößen von mindestens 2.000 qm, die Raum für ausgedehnte Gartenanlagen böten. Das vordere Wohnhaus sei integraler Bestandteil des baulichen und wegen seiner einheitlichen Bauauflagen auch städtebaulichen Ensembles „Villenvorort I.“. Seine variationsreiche Kubatur, deren Plastizität durch ihr Spiel von Höhe und Tiefe, Schräge und Gerade sowie der individuelle Grundriss wiesen es als einen typischen Vertreter der 1950er-Jahre-Architektur aus, deren Wurzeln im Neuen Bauen lägen. Es sei ein wichtiges Werk im Oeuvre H. I2., der zu den bekannten L3. Architekten gehöre und unter anderem auch in der N. gebaut habe (P. 194, erbaut 1946-50). 5Etwa 2012 wurde auf einem Teil der rückwärtigen Gartenfläche des Grundstücks ein zweites Wohnhaus mit der Bezeichnung A. 3a errichtet (im Folgenden: hinteres Wohnhaus). Die Zufahrt zu diesem Wohnhaus von der Straße aus führt an der nördlichen Grundstücksgrenze entlang. 6Der Kläger bewohnte das vordere Wohnhaus bis Mitte 2021. In Abstimmung mit der Beklagten ließ er 2016 und 2017 die zum vorderen Wohnhaus gehörende Garage umbauen und um mehrere Wohnräume erweitern. Die frühere Garage wird nun nicht mehr als solche genutzt. Die ehemalige Haustür und die daneben ursprünglich vorhandene Wand aus Glasbausteinen ließ der Kläger entfernen und vor die Öffnung einen geschlossenen, ganz überwiegend aus Glas gefertigten Windfang setzen, in den die jetzige Haustür integriert ist und der den Zugang von den Wohnräumen im Altgebäude zu der früheren Garage und zu den daran angebauten Wohnräumen bildet. 7Anfang Februar 2017 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger den Vorgarten des vorderen Wohnhauses sowohl zur Straße hin (im Folgenden: straßenseitiger Zaun) als auch entlang der Zufahrt zu dem hinteren Wohnhaus (im Folgenden: seitlicher Zaun) mit einem etwa 2,10 m hohen Stahlgitterzaun mit eingezogenen Streifen aus blickdichtem Kunststoff hatte einfrieden und in den straßenseitigen Zaun ein etwa 1,80 m hohes, elektrisch betriebenes geschlossenes Tor aus Aluminium hatte einbauen lassen. 8Unter dem 16. November 2017 hörte die Beklagte den Kläger zum Erlass einer von ihr beabsichtigten Ordnungsverfügung an, mit dem ihm die Beseitigung des seitlichen und des straßenseitigen Zauns sowie des Tores aufgegeben werden sollte. Der Kläger wies darauf hin, dass das Grundstück vor der Errichtung der Zäune von einer ursprünglich deutlich über 2,10 m hohen Hecke umgeben gewesen sei. Entlang des straßenseitigen Zauns solle eine neue Hecke angelegt werden und eine Höhe von 2,10 m erreichen, sodass der Zaun optisch nicht mehr auffallen werde. Im Übrigen orientiere sich der straßenseitige Zaun an den straßenseitigen Einfriedungen der Grundstücke A. 2 und 4. Die Zäune seien zum Schutz vor Einbrüchen und Überfällen sowie als Sichtschutz zur Wahrung seiner Privatsphäre erforderlich. Zweimal hätten Unbekannte versucht, in sein Haus einzudringen. Ohne die Zäune könne insbesondere der gläserne Windfang von der Straße aus ungehindert eingesehen werden, was die Vorbereitung von Einbrüchen erleichtere. Sowohl die Polizei als auch seine Hausratversicherung hätten ihm geraten, für einen Sichtschutz zu sorgen. 9Die Beklagte erließ unter dem 7. Dezember 2017 eine Ordnungsverfügung, mit der sie dem Kläger aufgab, den straßenseitigen Zaun einschließlich des Tores sowie den seitlichen Zaun zu beseitigen. 10Gegen die Ordnungsverfügung erhob der Kläger am 13. Dezember 2017 Klage bei dem Verwaltungsgericht (4 K 15732/17) und beantragte bei der Beklagten unter dem 2. Juli 2018 die Erteilung einer Baugenehmigung für die besagten Zäune und das Tor. 11Anlässlich eines von dem Verwaltungsgericht anberaumten Erörterungstermins hob die Beklagte die Ordnungsverfügung vom 7. Dezember 2017 hinsichtlich des seitlichen Zauns auf und erklärte, sie werde hinsichtlich des straßenseitigen Zauns und des Tores aus der Ordnungsverfügung nicht vollstrecken, bevor nicht der Bauantrag vom 2. Juli 2018 bestandskräftig erledigt sei. Die Beteiligten erklärten das Verfahren übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt. 12Mit Ordnungsverfügung vom 10. Januar 2019 gab die Beklagte dem Kläger unter Ziffer I auf, den seitlichen Zaun von der Straßenkante bis zur Vorderkante der früheren Garage innerhalb von zwei Monaten nach bestandskräftiger Erledigung des Bauantrags vom 2. Juli 2018 zu beseitigen. Unter Ziffer II drohte sie ihm für den Fall, dass er der Beseitigungsanordnung nicht nachkommen sollte, die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.000 Euro an. 13Den Bauantrag des Klägers vom 2. Juli 2018 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 5. Februar 2019 ab, weil dem Bauvorhaben Vorschriften des Bauplanungsrechts und des Denkmalrechts entgegenstünden. 14Der Kläger hat am 21. Januar 2019 Klage gegen die Ordnungsverfügung vom 10. Januar 2019 und am 20. Februar 2019 Klage auf Erteilung der Baugenehmigung (8 K 1014/19) erhoben. 15Zur Begründung seiner Klage gegen die Ordnungsverfügung vom 10. Januar 2019 hat er im Wesentlichen sein früheres Vorbringen wiederholt. Mit seinen privaten Belangen habe sich die Beklagte nicht ausreichend auseinandergesetzt. 16In der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts hob die Vertreterin der Beklagten die in der Ordnungsverfügung vom 10. Januar 2019 ausgesprochene Zwangsgeldandrohung auf. Die Beteiligten erklärten das Verfahren insoweit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt. 17Der Kläger hat daraufhin beantragt, 18den Bescheid der Beklagten vom 10. Januar 2019 in der Gestalt, die er durch die Erklärung der Vertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erfahren hat, aufzuheben. 19Die Beklagte hat beantragt, 20die Klage abzuweisen. 21Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. 22Im Klageverfahren 4 K 15732/17 hatte er wie folgt Stellung genommen: Das Baudenkmal sei eine freistehende, repräsentative Villa. Sie sei in einer großzügigen, parkartigen Gartenanlage errichtet worden, die zur Straße hin einen recht großen, mit einzelnen Büschen oder hochwachsenden Bäumen locker bepflanzten Vorgarten ausbilde. Diese Struktur entspreche der städtebaulichen Anlage des Villengebiets I., in dem großzügige Grundstücke von mindestens 2.000 qm und damit großräumige Gartenanlagen mit Vorgärten zur repräsentativen Darstellung der Villen vorgesehen gewesen seien. Zur Straße hin sei das Verhältnis von bebauter und unbebauter Fläche, von Hochbau und Freifläche mitbestimmend. Grünflächen wechselten sich mit Bebauung ab. Der Vorgarten und der Garten seien hier im Eintragungstext auch ausdrücklich als Bestandteil des Denkmals genannt. Ein übermannshoher Zaun aus Metallgittern und blickdichten Streifen aus Kunststoff verhindere jegliche Einsicht in den Vorgarten und auf die Straßenfassade der Villa. Dies störe nicht nur das Erscheinungsbild der Villa selbst, sondern auch die städtebauliche Anlage des Villengebiets I. bezogen auf die Straße A1. Die Abschottung durch eine derartige Einfriedung, die wie eine bauliche Anlage wirke, störe das bewusst bestimmte Verhältnis von bebauten Flächen und Freiflächen. Sie lasse sich auch nicht mit der Villenarchitektur der Nachkriegsmoderne vereinbaren, die sich mit ihrer zurückhaltenden Eleganz und Offenheit an der amerikanischen Moderne orientiere. Dazu zählten auch offene Vorgärten, die nicht oder nur mit niedrigen Anlagen eingefriedet seien und deren Rasenflächen ineinander übergingen und nur punktuell durch höher wachsende Pflanzen akzentuiert seien. Die meisten Grundstücke im Villengebiet I. seien lediglich durch hoch gewachsene Pflanzen zur Straße hin abgetrennt, was durch einen entsprechenden Rückschnitt leicht behoben werden könne. 23Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. 24Der seitliche Zaun verändere das Denkmal selbst und sei nicht bloß im Hinblick auf den Umgebungsschutz zu beurteilen. Er greife substanziell in die Gestaltung des Vorgartens und optisch in das äußere Erscheinungsbild des Denkmals ein. Die erforderliche denkmalrechtliche Erlaubnis für diese Eingriffe habe der Kläger weder beantragt noch erhalten. Dem Verbleib des seitlichen Zauns stünden Gründe des Denkmalschutzes entgegen. Er beeinträchtige denkmalwertbegründende Merkmale des vorderen Wohnhauses und des zugehörigen Vorgartens derart erheblich, dass ein sachverständiger Betrachter diese denkmalwertbegründenden Merkmale nicht mehr abzulesen vermöge. Ein Erleben des Denkmals für sich betrachtet und als Bestandteil des städtebaulichen Ensembles Villengebiet I. sei nicht mehr möglich. Dem stünden keine hinreichend gewichtigen privaten Interessen des Klägers an der Beibehaltung des seitlichen Zauns gegenüber. Die Beklagte habe die Grenzen des ihr zustehenden Ermessens nicht überschritten. Sachfremde Erwägungen seien nicht zu erkennen. Die dem Kläger aufgegebene Beseitigung des seitlichen Zauns sei auch verhältnismäßig. Insbesondere sei kein milderes Mittel ersichtlich, das die Beeinträchtigung des Denkmals in gleicher Weise rückgängig machen würde. Der Einwand, die Beklagte habe ihr Ermessen gleichheitswidrig ausgeübt, sei unberechtigt. 25Am 23. September 2021 fand betreffend das Grundstück A. 4 ein Orts- und Erörterungstermin des Verwaltungsgerichts im Verfahren 4 L 1535/21 statt. Gegenstand dieses Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes war die Festsetzung eines Zwangsgeldes zur Durchsetzung einer Ordnungsverfügung, mit der dem Antragsteller in jenem Verfahren die Beseitigung eines straßenseitigen Zauns auf seinem Grundstück aufgegeben worden war. Nach dem Protokoll des Orts- und Erörterungstermins gingen die Beteiligten offenbar davon aus, dass für eine straßenseitige Einfriedung des Grundstücks A. 4 die Erteilung einer denkmalrechtlichen Erlaubnis grundsätzlich in Betracht komme. Der Antragsteller in jenem Verfahren erwäge insoweit zwei Varianten eines Antrags auf Erteilung einer entsprechenden Erlaubnis: Die Einfriedung könnte einschließlich der in diese integrierten Tore insgesamt blickdurchlässig gestaltet werden. Dazu würden aus dem Stabgitterzaun die Lamellen entfernt. Die Plattenkonstruktion mit Briefkasten, Klingel und Lichtsteuerung bliebe erhalten. Oder die Türanlage könnte, wie vor Jahren erlaubt, aber nicht ausgeführt, bündig mit der Garage im Rahmen einer nicht blickdurchlässigen Stahlkonstruktion errichtet werden. Daran würde sich entlang der Zuwegung zum Haus auf der Gartenseite sowie auf der anderen Seite entlang der Garagenzufahrt zum dortigen Gartenteil jeweils ein circa zwei Meter hoher blickdurchlässiger Zaun bis an die Straße und entlang der Straße anschließen. In beiden Varianten würde hinter dem Zaun eine blickdichte Bepflanzung angelegt. Zusätzlich könne die beseitigte bauzeitliche blickdichte Türkonstruktion hinter dem blickdurchlässigen Zaun wiederhergestellt werden. Die Antragsgegnerin erklärte, dass sie von der weiteren Vollstreckung der Ordnungsverfügung bis zum 15. Dezember 2021 absehen werde. Sollte bis zu diesem Tag kein entsprechend den vorstehenden Überlegungen erarbeiteter Erlaubnisantrag bei ihr eingegangen sein, werde die Zwangsvollstreckung fortgesetzt. Sie werde die Vollstreckung auch dann fortsetzen, wenn ein Erlaubnisantrag abgelehnt werde. Der Antragsteller in jenem Verfahren nahm sodann seinen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und die zugehörige Klage im Verfahren 4 K 4488/21 zurück. 26Mit der von dem Senat zugelassenen Berufung trägt der Kläger vertiefend vor, dass der seitliche Zaun keiner denkmalrechtlichen Erlaubnis bedürfe, da er das Denkmal nicht beeinträchtige. Jedenfalls stünden denkmalrechtliche Belange dem Verbleib des Zauns nicht entgegen, weil die durch den Zaun bedingten Beeinträchtigungen des Denkmals, wenn man solche unterstelle, allenfalls gering seien, während eine erzwungene Beseitigung des Zauns seine eigenen privaten Belange in eklatanter Weise missachte. Die Ordnungsverfügung sei überdies sowohl ermessensfehlerhaft als auch gleichheitswidrig. Wie aus der Begründung der Eintragung in die Denkmalliste deutlich hervorgehe, habe der Vorgarten selbst keinerlei Denkmalwert. Die unbebaute Fläche des Grundstücks sei ausschließlich zur Bewahrung einer gewissen Großzügigkeit unter Denkmalschutz gestellt worden, sodass sich der Schutzzweck der Eintragung allein auf das Gebäude beziehe. Damit wirke sich der seitliche Zaun allenfalls auf die nähere Umgebung des allein geschützten vorderen Wohnhauses aus. Die bloße Verhinderung der Wahrnehmbarkeit eines Baudenkmals von der Straße her sei grundsätzlich nicht als Beeinträchtigung dieses Baudenkmals zu bewerten, da die Denkmalwürdigkeit eines Baudenkmals im Regelfall nicht durch eine solche Sichtbeziehung bestimmt werde. Jedenfalls wäre eine mögliche Beeinträchtigung des geschützten vorderen Wohnhauses durch den seitlichen Zaun nur geringfügig, denn dieser könne das Erscheinungsbild des Denkmals überhaupt nur bei einem bestimmten Blickwinkel des Betrachters beeinflussen. Zudem ergebe sich der Denkmalwert des vorderen Wohnhauses nicht daraus, dass es von der Straße aus wahrnehmbar sei, sondern aus seiner besonderen Architektur, deren Aussage durch die nur aus einer Blickrichtung unterbundene Wahrnehmbarkeit nicht nachhaltig berührt werde. Soweit das Verwaltungsgericht vornehmlich auf die Einordnung des vorderen Wohnhauses in das „Villenviertel I." abgestellt habe, sei dessen zwischenzeitliche Entwicklung unberücksichtigt geblieben. Viele der in diesem Villenviertel gelegenen Grundstücke seien heute mit vergleichbar hohen oder sogar noch höheren und massiveren Einfriedungen umgeben. Insoweit komme es nicht darauf an, ob jedes einzelne der dort aufstehenden Gebäude unter Denkmalschutz stehe. Die Begründung der Eintragung in die Denkmalliste mache die Denkmalwürdigkeit des vorderen Wohnhauses gerade an seiner integrierten Lage in dem Villenviertel fest, ohne diese Lage auf die unter Denkmalschutz gestellten Gebäude innerhalb des Villenviertels zu reduzieren. In dem Villenviertel sei eine bauliche Struktur, die sich etwa durch niedrige oder gar keine straßenseitigen Einfriedungen der Grundstücke auszeichne, weitgehend nicht gegeben, obgleich der maßgebliche Bebauungsplan vom 30. Juli 2001 (im Folgenden: Bebauungsplan) straßenseitige Einfriedungen nur bis zu einer Höhe von 1,0 m zulasse. Gegen die zahlreichen höheren Einfriedungen in der Umgebung schreite die Beklagte trotz mehrfacher entsprechender Hinweise, die er, der Kläger, gegeben habe, nicht ein und dulde damit diese Entwicklung. Früher habe auf seinem Grundstück eine dem seitlichen Zaun vergleichbar hohe Hecke gestanden, die die Wahrnehmbarkeit des vorderen Wohnhauses von der Straße aus ebenfalls eingeschränkt habe. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, eine solche Hecke ließe den Charakter einer „offenen von Grünflächen umgebenen Villa" unberührt, sei in sich widersprüchlich. Den vermeintlichen Beeinträchtigungen des Denkmals durch den seitlichen Zaun stünden seine eigenen persönlichen Belange gegenüber, die erheblich seien. Vor der Errichtung der Zäune habe es mehrere Einbruchsversuche gegeben und es sei einige Male versucht worden, sein Grundstück auszuspähen. Diese Vorkommnisse stünden im Kontext mit der Fokussierung professioneller Einbrecherbanden auf das Villenviertel I., die die Ortsgemeinschaft veranlasst habe, einen privaten Wachdienst mit dem Schutz der dortigen Grundstücke und Häuser zu beauftragen. Die Schutzfunktion des seitlichen Zauns könne nicht verneint werden, weil er, der Kläger, sich etwa bestandskräftig zur Beseitigung des straßenseitigen Zauns verpflichtet habe. Diese Verpflichtung gelte nämlich nur für den Fall, dass die von ihm beantragte Baugenehmigung für den straßenseitigen Zaun bestandskräftig versagt werden sollte. Das Verwaltungsgericht habe über seine Klage gegen die Versagung der Baugenehmigung durch die Beklagte noch nicht entschieden. Der mit den Zäunen beabsichtigte Schutz vor Einbrechern lasse sich weder durch einen an den Fenstern des vorderen Wohnhauses angebrachten Sichtschutz noch durch sonstige Schutzmaßnahmen erreichen. Der Zaun solle nämlich die Ausspähung des Grundstücks verhindern oder zumindest wesentlich erschweren und in Verbindung mit dem elektrisch betriebenen Tor ermöglichen, dass ein Fahrzeug, mit dem man auf das Grundstück fahre, dort sicher verlassen werden könne, ohne dass die Insassen befürchten müssten, beim Aussteigen überfallen zu werden. Schließlich verstoße die Beklagte mit ihrer Ordnungsverfügung gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, da sie nicht gegen vergleichbare Einfriedungen von Grundstücken im Villenviertel I., etwa auf dem Grundstück A. 4, vorgehe. Vor dem Hintergrund der in dem Verfahren 4 L 1535/21 zwischen dem dortigen Antragsteller und der Beklagten getroffenen Einigung könne er unter dem Aspekt der Gleichbehandlung eine entsprechende denkmalrechtliche Erlaubnis für die von ihm errichteten Zäune und das Tor verlangen. 27Der Kläger beantragt, 28unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Köln vom 30. Oktober 2019 (4 K 377/19) die Wiederherstellungsanordnung der Beklagten vom 10. Januar 2019 (Az.: 48/2 Kr) aufzuheben. 29Die Beklagte beantragt, 30die Berufung zurückzuweisen. 31Sie hält die Denkmäler auf dem Grundstück des Klägers und auf dem Grundstück A. 4 jedenfalls im Hinblick auf die denkmalbezogenen Auswirkungen von Einfriedungen für nicht vergleichbar und ist nicht bereit, dem Kläger für die auf seinem Grundstück errichteten Zäune und das Tor eine denkmalrechtliche Erlaubnis entsprechend der für das Grundstück A. 4 angedachten Erlaubnis zu erteilen. 32Der Beigeladene stellt keinen Antrag. 33Der Vorsitzende des Senats hat die Örtlichkeit am 24. Juni 2021 in Augenschein genommen und die Sache vor Ort mit den Beteiligten erörtert. Hinsichtlich der dabei getroffenen Feststellungen wird auf das Protokoll des Ortstermins vom selben Tage verwiesen. 34Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts in den Verfahren 4 K 2173/11, 4 K 1532/17, 4 L 1535/21 und 4 K 4488/21 sowie den der vorgelegten Verwaltungsvorgänge (Beiakten Hefte 1 bis 13) Bezug genommen. 35Entscheidungsgründe: 36Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung. 37Die zulässige Berufung ist unbegründet. 38Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 10. Januar 2019 ist, soweit sie nicht aufgehoben worden ist, rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). 39Nach § 27 Abs. 1 DSchG NRW a.F. (§ 25 Abs. 1 DSchG NRW n.F.) kann die Denkmalbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen von demjenigen, der eine nach dem Denkmalschutzgesetz erlaubnispflichtige Handlung ohne Erlaubnis durchführt, grundsätzlich die Wiederherstellung des bisherigen Zustands des Baudenkmals verlangen. 40Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift liegen im Hinblick auf die von dem Kläger verlangte Beseitigung des seitlichen Zauns im Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung vor. 41Das vordere Wohnhaus auf dem Grundstück A. 3 ist einschließlich des zughörigen Gartens als Baudenkmal in die Denkmalliste der Stadt L. eingetragen und damit nach der Konstruktion des nordrhein-westfälischen Denkmalschutzes ein Baudenkmal. Der Kläger hat, indem er den zu dem Baudenkmal gehörenden Vorgarten durch den besagten Zaun teilweise hat einfrieden lassen, das Baudenkmal verändert, ohne im Besitz einer dafür nach § 9 DSchG NRW a.F. erforderlichen Erlaubnis zu sein. Er hat für diese Baumaßnahme weder eine denkmalrechtliche Erlaubnis nach § 9 Abs. 1 DSchG NRW a.F. noch eine Baugenehmigung erhalten, bei deren Erteilung die Belange des Denkmalschutzes angemessen zu berücksichtigen gewesen wären (§ 9 Abs. 3 DSchG NRW a.F.). 42Allerdings hängt die Rechtmäßigkeit des Wiederherstellungsverlangens nach § 27 Abs. 1 DSchG NRW a.F. beziehungsweise § 25 Abs. 1 DSchG NRW n.F. regelmäßig davon ab, dass die formell illegale Handlung, deren Folgen durch die Wiederherstellung des bisherigen Zustands rückgängig gemacht werden sollen, nicht materiell-rechtlich erlaubnisfähig ist. 43Vgl. OVG NRW, Urteile vom 3. September 1996 – 10 A 1453/92 –, BRS 58 Nr. 32, und vom 26. September 2000 – 8 A 769/97 –, BRS 77 Nr. 166. 44Wäre die beanstandete Handlung nämlich nach den denkmalrechtlichen Vorschriften erlaubnisfähig, könnte dem Eigentümer die Veränderung des Baudenkmals oder die denkmalrechtlich relevante Veränderung seiner engeren Umgebung, die er formell illegal bereits vorgenommen hat, auf seinen entsprechenden Antrag hin nicht verwehrt werden. 45Die Errichtung des seitlichen Zauns ist nicht erlaubnisfähig. 46Nach § 9 Abs. 3 Satz 1 DSchG NRW n.F. muss die Erlaubnis für die Veränderung eines Baudenkmals oder für die denkmalrechtlich relevante Veränderung seiner engeren Umgebung im Sinne des § 9 Abs. 2 DSchG NRW n.F. erteilt werden, wenn Gründe des Denkmalschutzes nicht entgegenstehen oder wenn – was hier nicht in Betracht kommt – ein überwiegendes öffentliches Interesse die Maßnahme verlangt. 47Das Ergebnis der nicht in das Ermessen der Denkmalbehörde gestellten Entscheidung über die Erlaubnis zur Veränderung eines Baudenkmals oder zur denkmalrechtlich relevanten Veränderung seiner engeren Umgebung hängt von einer Abwägung aller für und gegen die Veränderung sprechenden Belange ab, die gerichtlich vollständig überprüfbar ist. Dabei lassen sich die Gründe des Denkmalschutzes, die die Erteilung der Erlaubnis hindern können, nicht abstrakt bestimmen, sondern müssen stets aus den Besonderheiten des zur Entscheidung stehenden konkreten Falles abgeleitet werden. Es ist bezogen auf das jeweilige Baudenkmal zu prüfen, ob und inwieweit die Schutzzwecke des Denkmalschutzgesetzes durch die beabsichtigte Veränderung gestört oder vereitelt werden könnten. 48Vgl. OVG NRW, Urteil vom 3. September 1996 – 10 A 1453/92 –, BRS 58 Nr. 32. 49Bei dieser Prüfung kommt den Gründen für die Unterschutzstellung besonderes Gewicht zu, da sie die mit der Unterschutzstellung verbundene Einschränkung der Eigentümerbefugnisse rechtfertigen. Die für Abwägungsentscheidung im Rahmen des § 9 Abs. 3 Satz 1 DSchG NRW n.F. relevanten Gründe des Denkmalschutzes ergeben sich daher in erster Linie aus der Eintragung in die Denkmalliste und aus dem über die Unterschutzstellung erteilten Bescheid, weil darin, für den Eigentümer des Baudenkmals erkennbar, die Grundlage für die ihm auferlegte Belastung formuliert ist. 50Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. Juli 2000 – 8 A 4631/97 –, juris, Rn. 35. 51Dass eine Erlaubnis nach § 9 Abs. 3 Satz 1 DSchG NRW n.F. nur verweigert werden darf, wenn Gründe des Denkmalschutzes der Veränderung des Baudenkmals oder der denkmalrechtlich relevanten Veränderung seiner engeren Umgebung „entgegenstehen“, bedeutet, dass diese Gründe ein stärkeres Gewicht haben müssen als die für die geplante Veränderung streitenden Interessen. Nicht jede Beeinträchtigung denkmalrechtlicher Belange kann deshalb unter dem Etikett entgegenstehender Gründe des Denkmalschutzes die Verweigerung einer beantragten Erlaubnis für die Veränderung oder die Feststellung der materiellen Illegalität einer formell illegal durchgeführten Veränderung rechtfertigen. Anders als bei der Entscheidung über die Unterschutzstellung einer Sache, die unabhängig von privaten Interessen allein von dem Denkmalwert der Sache bestimmt wird, sollen die Erlaubnisse nach § 9 Abs. 3 Satz 1 DSchG NRW n.F. gegebenenfalls dabei helfen, den Eigentümern von Baudenkmälern eine flexible, profitable und zeitgerechte Nutzung ihres Eigentums zu ermöglichen, soweit dies denkmalrechtlich vertretbar ist. 52Vgl. OVG NRW, Urteil vom 3. September 1996 – 10 A 1453/92 –, BRS 58 Nr. 32, m.w.N. 53Die Vorschrift soll wesentlich dazu beitragen, dass die in § 1 Abs. 1 Satz 3 DSchG NRW n.F. genannte Aufgabe des Denkmalschutzes, auf eine sinnvolle Nutzung der Baudenkmäler hinzuwirken, erfüllt werden kann, um letztlich das Ziel der möglichst weitgehenden Erhaltung denkmalwerter Substanz auf Dauer zu gewährleisten (§ 8 Abs. 1 Satz 2 DSchG n.F. NRW). 54Es kann offen bleiben, ob die bestandskräftige Unterschutzstellung des Vorgartens durch die einschlägigen Vorschriften des Denkmalschutzgesetzes gedeckt ist und die möglicherweise dafür zu benennenden denkmalrechtlichen Gründe der Erteilung der begehrten Erlaubnis für die Veränderung des Vorgartens durch den seitlichen Zaun entgegenstehen könnten. Jedenfalls beeinträchtigt der seitliche Zaun das Erscheinungsbild des unter Schutz gestellten vorderen Wohnhauses und der angebauten ehemaligen Garage im Sinne des § 9 Abs. 2 DSchG NRW n.F. 55Das denkmalrechtliche Erscheinungsbild im Verständnis dieser Vorschrift ist als der von außen sichtbare Teil eines Baudenkmals zu verstehen, an dem jedenfalls der sachkundige Betrachter den Denkmalwert, der dem Baudenkmal innewohnt, abzulesen vermag. Da das Erscheinungsbild des Baudenkmals mit Blick auf Maßnahmen in seiner engeren Umgebung geschützt wird, muss die Beziehung des Baudenkmals zu seiner engeren Umgebung außerdem für den Denkmalwert von Bedeutung sein. 56Vgl. OVG NRW, Urteil vom 8. März 2012 – 10 A 2037/11 –, juris, Rn. 68. 57Nach nordrhein-westfälischem Recht hängt die Denkmaleigenschaft einer Sache davon ab, ob es ein öffentliches Interesse an deren Erhaltung und Nutzung gibt. Ein solches Interesse ist zu bejahen, wenn die Sache bedeutend für die Erdgeschichte, für die Geschichte des Menschen, für die Kunst- und Kulturgeschichte, für Städte und Siedlungen oder für die Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse ist und an ihrer Erhaltung und Nutzung wegen künstlerischer, wissenschaftlicher, volkskundlicher oder städtebaulicher Bedeutung ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Je nachdem, welche dieser Bedeutungs- und Erhaltungskategorien für die Unterschutzstellung ausschlaggebend waren und für welche Teile der Sache sie bejaht worden sind, kommt einem Baudenkmal ein individueller Aussagewert zu, der mit dem ihm innewohnenden Denkmalwert identisch ist und auch sein denkmalrechtliches Erscheinungsbild – wie es in § 9 Abs. 2 DSchG NRW n.F. geschützt ist – maßgeblich prägt. Zur Ermittlung des individuellen Aussagewertes eines Baudenkmals ist in erster Linie auf die Eintragung in der Denkmalliste und auf die ihr beigefügte Begründung abzustellen, denn nach nordrhein-westfälischem Recht ist die Eintragung für die Denkmaleigenschaft von Baudenkmälern, Gartendenkmälern und beweglichen Denkmälern konstitutiv (§ 5 Abs. 1 DSchG NRW n.F.). 58Vgl. OVG NRW, Urteil vom 8. März 2012 – 10 A 2037/11 –, juris, Rn. 69. 59Eine Beeinträchtigung des denkmalrechtlich geschützten Erscheinungsbildes eines Baudenkmals im Sinne des § 9 Abs. 2 DSchG NRW n.F. liegt vor, wenn der mit dem Erscheinungsbild angesprochene Denkmalwert durch eine Veränderung seiner Umgebung herabgesetzt wird. 60So ist es hier. Das vordere Wohnhaus und die daran angebaute ehemalige Garage erfüllen die Eintragungsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 und 2 DSchG NRW n.F. jedenfalls insoweit, als deren Unterschutzstellung ihre architekturgeschichtliche Bedeutung hervorhebt und darin auch die Gründe für ihre Erhaltung und Nutzung sieht. In der Anlage zur Eintragung in die Denkmalliste heißt es dazu, dass die variationsreiche Kubatur, die Plastizität durch ihr Spiel von Höhe und Tiefe, Schräge und Gerade sowie die individuelle Grundrissgestaltung das Gebäude als einen typischen Vertreter der 50er-Jahre-Architektur auswiesen, deren Wurzeln im Neuen Bauen lägen. Ferner sei das Wohnhaus ein wichtiges Werk im Oeuvre H. I2., der zu den bekannten L3. Architekten gehöre und unter anderem auch in der N. gebaut habe. Im gerichtlichen Verfahren hat der Beigeladene ergänzend ausgeführt, dass das Baudenkmal zur Straße hin durch das Verhältnis von bebauter und unbebauter Fläche, von Hochbau und Freifläche mitbestimmt sei. Die Abschottung hinter einer dichten Einfriedung, die wie eine bauliche Anlage wirke, störe dieses bewusst bestimmte Verhältnis von bebauten Flächen und Freiflächen. Sie ließe sich auch nicht mit der Villenarchitektur der Nachkriegsmoderne vereinbaren, die sich mit ihrer zurückhaltenden Eleganz und Offenheit an der amerikanischen Moderne orientiere. Dazu zählten auch offene, nur niedrig oder gar nicht umfriedete Vorgärten, deren Rasenflächen ineinander übergingen und nur punktuell durch höher wachsende Pflanzen akzentuiert würden. Diese in zulässiger Weise konkretisierte Beschreibung des Denkmalwertes des vorderen Wohnhauses und der ehemaligen Garage durch den in besonderem Maße sach- und fachkundigen Beigeladenen macht sich der Senat zu eigen. Sie entspricht im Hinblick auf ihre tatsächlichen Grundlagen den Eindrücken, die der Vorsitzende des Senats bei einer Ortsbesichtigung gewonnen hat. Diese Eindrücke hat der Vorsitzende dem Senat anhand der bei der Ortsbesichtigung gefertigten Fotos vermittelt. 61Der geschlossene seitliche Zaun, der mit mehr als 2,0 m Höhe den Vorgarten in seiner gesamten Tiefe wie eine Wand durchschneidet, steht in krassem Gegensatz zu der oben beschriebenen Offenheit, auf die die architektonische Gestaltung des vorderen Wohnhauses angewiesen ist, um in der beabsichtigten Weise wirken zu können, und die nach dem Vorstehenden seinen Denkmalwert mitbestimmt. 62In dem Wunsch des Klägers nach einer Ausweitung seiner Privatsphäre, die auch den Vorgartenbereich und die auf seinem Grundstück liegende Zuwegung zu dem vorderen Wohnhaus erfassen soll, sieht der Senat keinen Belang, der mit den vorstehend beschriebenen denkmalrechtlichen Belangen zumindest gleichgewichtig wäre. Dies gilt ebenfalls, soweit er dafür ein mit der gehobenen Wohnlage begründetes besonderes Sicherheitsbedürfnis geltend macht. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass entlang der an die Straße grenzenden Seite des Grundstücks kein entsprechender Zaun errichtet werden darf. Nach den gestalterischen Festsetzungen des Bebauungsplans sind zu den angrenzenden Straßenverkehrsflächen Einfriedungen nur bis zu einer Gesamthöhe von 1,0 m zulässig. Belastbare Anhaltspunkte dafür, dass der Bebauungsplan oder jedenfalls die besagte Festsetzung etwa wegen Funktionslosigkeit unwirksam sein könnte, sind nicht ersichtlich. 63Bebauungspläne oder einzelne ihrer Festsetzungen sind nur in äußerst seltenen Fällen funktionslos. Eine Festsetzung tritt nur dann außer Kraft, wenn und soweit die Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt und wenn diese Tatsache so offensichtlich ist, dass ein in ihre Fortgeltung gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient. Entscheidend ist, ob die Festsetzung noch geeignet ist, zur städtebaulichen Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB im Geltungsbereich des Bebauungsplans einen sinnvollen Beitrag zu leisten. Die Planungskonzeption, die einer Festsetzung zugrunde liegt, wird nicht schon dann sinnlos, wenn sie nicht mehr überall im Plangebiet umgesetzt werden kann. 64Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1998 – 4 CN 3.97 –, juris, Rn. 22. 65Allein der Umstand, dass es Grundstücke im Geltungsbereich des Bebauungsplans gibt, die diesen Vorgaben nicht entsprechen, reicht also für eine Funktionslosigkeit nicht aus. 66Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger einen Anspruch auf Erteilung einer Befreiung von der gestalterischen Festsetzung haben könnte. Vielmehr spricht Überwiegendes dafür, dass eine solche Befreiung ausscheidet, weil sie die Grundzüge der Planung berühren würde. 67Ob die Grundzüge der Planung berührt werden, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwiderläuft. Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine Änderung der Planungskonzeption nahe, die nur im Wege der Umplanung möglich ist. Die Befreiung kann nicht als Vehikel dafür herhalten, die von der Gemeinde getroffene planerische Regelung beiseitezuschieben. Sie darf – jedenfalls von Festsetzungen, die für die Planung tragend sind – nicht aus Gründen erteilt werden, die sich in einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle oder gar für alle von einer bestimmten Festsetzung betroffenen Grundstücke anführen ließen. 68Vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. März 1999 – 4 B 5.99 –, juris, Rn. 6. 69Letzteres ist hier der Fall, denn der Kläger macht für die Erforderlichkeit des Zauns ein Sicherheitsbedürfnis geltend, das nach seinem Vortrag für alle Grundstücke im Villenviertel I. gleichermaßen vorliegt. Die mit der fraglichen Festsetzung bezweckte einheitliche Gestaltung des Straßenbildes als wesentlicher Aspekt der insoweit verfolgten Planungskonzeption würde verfehlt, wenn für eine unbestimmte Zahl von Grundstücken oder gar für alle Grundstücke im Plangebiet straßenseitige Einfriedungen von mehr als 1,0 m Höhe durch die Erteilung von Befreiungen gestattet würden. 70Kann der Kläger eine Baugenehmigung für den ohne eine solche Genehmigung errichteten, mehr als 2,0 m hohen straßenseitigen Zaun und das darin integrierte Tor nicht erhalten, wäre hier der zu seinen Gunsten sprechende Belang der Privatsphäre und des Sicherheitsbedürfnisses ohnehin insgesamt hinfällig. 71Überdies ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger, der das Grundstück mit dem vorderen Wohnhaus in Kenntnis seiner Denkmaleigenschaft und der damit verbundenen Einschränkungen im Hinblick auf bauliche Veränderungen erworben hat, sein Sicherheitsbedürfnis und seinen Wunsch nach mehr Privatsphäre auch auf eine Weise befriedigen könnte, die das Erscheinungsbild des vorderen Wohnhauses weniger beeinträchtigen würde, als die besagten Zäune und das Tor. 72Der Einwand des Klägers, die Beklagte verstoße mit ihrer Ordnungsverfügung gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, da sie nicht gegen vergleichbare Einfriedungen von Grundstücken im Villenviertel I., etwa auf dem Grundstück A. 4, vorgehe, ist unberechtigt. 73Es ist anerkannt, dass eine ordnungsrechtliche Beseitigungsanordnung von dem Adressaten nicht allein mit dem Argument abgewehrt werden kann, die Behörde schreite gegen Rechtsverstöße in vergleichbaren anderen Fällen nicht ein. Art. 3 Abs. 1 GG gewährt keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht. Dieser Grundsatz entbindet die Behörde allerdings nicht von der Verpflichtung, ihre ordnungsrechtliche Tätigkeit maßgeblich auch am Gleichheitssatz auszurichten. Ermächtigt das Gesetz dazu, unter bestimmten Voraussetzungen etwa die Beseitigung von baulichen Anlagen anzuordnen, so lässt sich aus Art. 3 Abs. 1 GG die Forderung ableiten, das eingeräumte Ermessen in gleichgelagerten Fällen gleichmäßig auszuüben. Ergreift oder unterlässt die Behörde Maßnahmen zur Bekämpfung rechtswidriger Zustände, so hat sie in allen vergleichbaren Fällen in der gleichen Art und Weise zu verfahren. Das bedeutet bei einer Vielzahl von Verstößen jedoch nicht, dass sie gleichzeitig tätig werden muss. Entschließt sie sich zu einem Einschreiten, so ist es ihr unbenommen, die Verhältnisse nach und nach zu bereinigen. Ihr ist es indes verwehrt, systemlos oder willkürlich vorzugehen. Beschränkt sie sich darauf, einen Einzelfall herauszugreifen, so handelt sie dem Gleichbehandlungsgebot zuwider, es sei denn, dass sie hierfür sachliche Gründe anzuführen vermag. 74Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. April 1995 – 4 B 55.95 –, juris, Rn. 4 f.; OVG NRW, Urteil vom 7. April 2014 – 10 A 1814/12 –, juris, Rn. 47. 75Da es hier um eine denkmalrechtliche Ordnungsverfügung auf der Grundlage einer denkmalrechtlichen Ermächtigung geht, ist die Betrachtung auf solche Grundstücke zu beschränken, auf denen ein Baudenkmal steht, welches nach seiner Unterschutzstellung ohne die erforderliche Erlaubnis oder Genehmigung verändert oder dessen Erscheinungsbild durch bauliche Maßnahmen in seiner engeren Umgebung beeinträchtigt worden ist. Gegen den Eigentümer des Grundstücks A. 4 hat die Beklagte im Hinblick auf die formell illegal errichtete Einfriedung dieses Grundstücks eine denkmalrechtliche Beseitigungsanordnung mit dem Ziel der Wiederherstellung des bisherigen Zustands erlassen. Der Eigentümer hat die gegen ihn eingeleiteten Vollstreckungsmaßnahmen zur Durchsetzung der Beseitigungsanordnung mit einer Klage bei dem Verwaltungsgericht angegriffen. Die Klage hat er zurückgenommen, nachdem die Beklagte in einem im Rahmen des Klageverfahrens durchgeführten Ortstermin zugesagt hat, über die Erteilung einer denkmalrechtlichen Erlaubnis für eine veränderte Einfriedung nach einem entsprechenden Antrag des Eigentümers neu zu entscheiden. Dass damit auch eine Aussage über die baurechtliche Zulässigkeit einer künftigen Einfriedung getroffen werden sollte, lässt sich dem Protokoll des Verwaltungsgerichts nicht entnehmen. Soweit der Kläger – quasi ins Blaue hinein – pauschal eine Ungleichbehandlung gegenüber dem Eigentümer des Grundstücks A. 4 und gegenüber weiteren Denkmaleigentümern beklagt, legt er nicht ansatzweise dar, inwieweit die Fälle, die er meint, mit seinem eigenen überhaupt vergleichbar sind und die behauptete ungleiche Behandlung willkürlich ist. So ist die unter Denkmalschutz stehende Bebauung auf dem Grundstück A. 4 in vielerlei Hinsicht anders gestaltet als die Bebauung auf dem Grundstück des Klägers und sind die Gründe für ihre Unterschutzstellung jeweils andere. Der Denkmalwert des Gebäudes auf dem Grundstück A. 4, das mehr oder weniger zentral auf dem teils modellierten Gelände errichtet ist, sodass sich ein Vorgarten wie auf dem Grundstück des Klägers nicht klar abgrenzen lässt, wird vornehmlich daraus abgeleitet, dass es ein besonderes Beispiel für das organische Bauen sei. Der Umstand, dass die Beklagte gleichwohl die Einfriedung des Grundstücks ursprünglich als mit den Gründen des Denkmalschutzes nicht vereinbar angesehen hat und nicht nachvollziehbar sein mag, aus welchen Gründen sie von dieser rechtlichen Einschätzung möglicherweise abgerückt ist, lässt nicht auf eine willkürliche Ungleichbehandlung der beiden in Rede stehenden Fälle schließen. Soweit die Beklagte erwägen sollte, dem Eigentümer des Grundstück A. 4 neben einer denkmalrechtlichen Erlaubnis für die Einfriedung seines Grundstücks hinsichtlich der Höhe dieser Einfriedung eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans zu erteilen, wäre diese Befreiung nach dem Vorstehenden vermutlich rechtswidrig. Auf eine solche Befreiung könnte sich der Kläger allerdings nicht berufen, denn er kann nicht verlangen, dass zu seinen Gunsten aus Gründen der Gleichbehandlung ein begünstigender Verwaltungsakt erlassen wird, für den die rechtlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind. Die Beklagte mag in einem solchen Fall überlegen, ob sich die jeweilige Behandlung der sich quasi gegenüberliegenden Grundstücke mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung vereinbaren lässt. 76Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. 77Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. 78Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
die berufung wird zurückgewiesen. der kläger trägt die kosten des berufungsverfahrens mit ausnahme der außergerichtlichen kosten des beigeladenen, die dieser selbst trägt. das urteil ist hinsichtlich der kosten vorläufig vollstreckbar. der kläger darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 von hundert des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrags abwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 von hundert des jeweils zu vollstreckenden betrags leistet. die revision wird nicht zuglassen. 1
2der kläger ist seit 2009 eigentümer des mit einem wohnhaus bebauten grundstücks a. 3 in l.-i. (gemarkung s., flur 15, flurstück 973) (im folgenden: grundstück). 3im dezember 1997 trug die beklagte das wohnhaus (im folgenden: vorderes wohnhaus) nebst garage, vorgarten und garten als baudenkmal in die denkmalliste ein. in dem der eintragung als anlage beigefügten gutachten heißt es zu den wesentlichen charakteristischen merkmalen des denkmals unter anderem: 4das vordere wohnhaus sei 1958-60 gebaut worden. der architekt sei h. i1., der bauherr l1. l2. gewesen. es handele sich um ein eingeschossiges, freistehendes einfamilienhaus über winkelförmigem grundriss mit geschlemmter, ursprünglich backsteinsichtiger fassade, das teilweise unterkellert sei. durch zwei pultdächer unterschiedlicher tiefe sei die kubatur in der tiefe und in der höhe gestaffelt. die erneuerten metallfenster mit originalen gittern lägen in der mauerflucht. die westliche straßenfront habe vier hochrechteckige fenster. südlich schließe sich an das gebäude eine geschlemmte backsteinmauer an. nördlich grenze die stirnseite der weit zurückliegenden, mit dem gebäude verbundenen, geschlemmten backsteingarage an. ein metallzaun liege in etwa in der gebäudeflucht. die garage, der vorgarten und garten (überwiegend rasen, rabatten, unregelmäßige bepflanzung und teich mit bruchsteineinfassung) seien bestandteile des denkmals. der 1949 neugegründete i. sei der jüngste ort der gemeinde s1., wobei dort erst nach dem 2. weltkrieg eine umfangreiche bebauung nach einheitlichen bauauflagen erfolgt sei. charakteristisch seien unter anderem die grundstücksgrößen von mindestens 2.000 qm, die raum für ausgedehnte gartenanlagen böten. das vordere wohnhaus sei integraler bestandteil des baulichen und wegen seiner einheitlichen bauauflagen auch städtebaulichen ensembles „villenvorort i.“. seine variationsreiche kubatur, deren plastizität durch ihr spiel von höhe und tiefe, schräge und gerade sowie der individuelle grundriss wiesen es als einen typischen vertreter der 1950er-jahre-architektur aus, deren wurzeln im neuen bauen lägen. es sei ein wichtiges werk im oeuvre h. i2., der zu den bekannten l3. architekten gehöre und unter anderem auch in der n. gebaut habe (p. 194, erbaut 1946-50). 5etwa 2012 wurde auf einem teil der rückwärtigen gartenfläche des grundstücks ein zweites wohnhaus mit der bezeichnung a. 3a errichtet (im folgenden: hinteres wohnhaus). die zufahrt zu diesem wohnhaus von der straße aus führt an der nördlichen grundstücksgrenze entlang. 6der kläger bewohnte das vordere wohnhaus bis mitte 2021. in abstimmung mit der beklagten ließ er 2016 und 2017 die zum vorderen wohnhaus gehörende garage umbauen und um mehrere wohnräume erweitern. die frühere garage wird nun nicht mehr als solche genutzt. die ehemalige haustür und die daneben ursprünglich vorhandene wand aus glasbausteinen ließ der kläger entfernen und vor die öffnung einen geschlossenen, ganz überwiegend aus glas gefertigten windfang setzen, in den die jetzige haustür integriert ist und der den zugang von den wohnräumen im altgebäude zu der früheren garage und zu den daran angebauten wohnräumen bildet. 7anfang februar 2017 stellte die beklagte fest, dass der kläger den vorgarten des vorderen wohnhauses sowohl zur straße hin (im folgenden: straßenseitiger zaun) als auch entlang der zufahrt zu dem hinteren wohnhaus (im folgenden: seitlicher zaun) mit einem etwa 2,10 m hohen stahlgitterzaun mit eingezogenen streifen aus blickdichtem kunststoff hatte einfrieden und in den straßenseitigen zaun ein etwa 1,80 m hohes, elektrisch betriebenes geschlossenes tor aus aluminium hatte einbauen lassen. 8unter dem 16. november 2017 hörte die beklagte den kläger zum erlass einer von ihr beabsichtigten ordnungsverfügung an, mit dem ihm die beseitigung des seitlichen und des straßenseitigen zauns sowie des tores aufgegeben werden sollte. der kläger wies darauf hin, dass das grundstück vor der errichtung der zäune von einer ursprünglich deutlich über 2,10 m hohen hecke umgeben gewesen sei. entlang des straßenseitigen zauns solle eine neue hecke angelegt werden und eine höhe von 2,10 m erreichen, sodass der zaun optisch nicht mehr auffallen werde. im übrigen orientiere sich der straßenseitige zaun an den straßenseitigen einfriedungen der grundstücke a. 2 und 4. die zäune seien zum schutz vor einbrüchen und überfällen sowie als sichtschutz zur wahrung seiner privatsphäre erforderlich. zweimal hätten unbekannte versucht, in sein haus einzudringen. ohne die zäune könne insbesondere der gläserne windfang von der straße aus ungehindert eingesehen werden, was die vorbereitung von einbrüchen erleichtere. sowohl die polizei als auch seine hausratversicherung hätten ihm geraten, für einen sichtschutz zu sorgen. 9die beklagte erließ unter dem 7. dezember 2017 eine ordnungsverfügung, mit der sie dem kläger aufgab, den straßenseitigen zaun einschließlich des tores sowie den seitlichen zaun zu beseitigen. 10gegen die ordnungsverfügung erhob der kläger am 13. dezember 2017 klage bei dem verwaltungsgericht (4 k 15732/17) und beantragte bei der beklagten unter dem 2. juli 2018 die erteilung einer baugenehmigung für die besagten zäune und das tor. 11anlässlich eines von dem verwaltungsgericht anberaumten erörterungstermins hob die beklagte die ordnungsverfügung vom 7. dezember 2017 hinsichtlich des seitlichen zauns auf und erklärte, sie werde hinsichtlich des straßenseitigen zauns und des tores aus der ordnungsverfügung nicht vollstrecken, bevor nicht der bauantrag vom 2. juli 2018 bestandskräftig erledigt sei. die beteiligten erklärten das verfahren übereinstimmend für in der hauptsache erledigt. 12mit ordnungsverfügung vom 10. januar 2019 gab die beklagte dem kläger unter ziffer i auf, den seitlichen zaun von der straßenkante bis zur vorderkante der früheren garage innerhalb von zwei monaten nach bestandskräftiger erledigung des bauantrags vom 2. juli 2018 zu beseitigen. unter ziffer ii drohte sie ihm für den fall, dass er der beseitigungsanordnung nicht nachkommen sollte, die festsetzung eines zwangsgeldes in höhe von 1.000 euro an. 13den bauantrag des klägers vom 2. juli 2018 lehnte die beklagte mit bescheid vom 5. februar 2019 ab, weil dem bauvorhaben vorschriften des bauplanungsrechts und des denkmalrechts entgegenstünden. 14der kläger hat am 21. januar 2019 klage gegen die ordnungsverfügung vom 10. januar 2019 und am 20. februar 2019 klage auf erteilung der baugenehmigung (8 k 1014/19) erhoben. 15zur begründung seiner klage gegen die ordnungsverfügung vom 10. januar 2019 hat er im wesentlichen sein früheres vorbringen wiederholt. mit seinen privaten belangen habe sich die beklagte nicht ausreichend auseinandergesetzt. 16in der mündlichen verhandlung des verwaltungsgerichts hob die vertreterin der beklagten die in der ordnungsverfügung vom 10. januar 2019 ausgesprochene zwangsgeldandrohung auf. die beteiligten erklärten das verfahren insoweit übereinstimmend für in der hauptsache erledigt. 17der kläger hat daraufhin beantragt, 18den bescheid der beklagten vom 10. januar 2019 in der gestalt, die er durch die erklärung der vertreterin der beklagten in der mündlichen verhandlung erfahren hat, aufzuheben. 19die beklagte hat beantragt, 20die klage abzuweisen. 21der beigeladene hat keinen antrag gestellt. 22im klageverfahren 4 k 15732/17 hatte er wie folgt stellung genommen: das baudenkmal sei eine freistehende, repräsentative villa. sie sei in einer großzügigen, parkartigen gartenanlage errichtet worden, die zur straße hin einen recht großen, mit einzelnen büschen oder hochwachsenden bäumen locker bepflanzten vorgarten ausbilde. diese struktur entspreche der städtebaulichen anlage des villengebiets i., in dem großzügige grundstücke von mindestens 2.000 qm und damit großräumige gartenanlagen mit vorgärten zur repräsentativen darstellung der villen vorgesehen gewesen seien. zur straße hin sei das verhältnis von bebauter und unbebauter fläche, von hochbau und freifläche mitbestimmend. grünflächen wechselten sich mit bebauung ab. der vorgarten und der garten seien hier im eintragungstext auch ausdrücklich als bestandteil des denkmals genannt. ein übermannshoher zaun aus metallgittern und blickdichten streifen aus kunststoff verhindere jegliche einsicht in den vorgarten und auf die straßenfassade der villa. dies störe nicht nur das erscheinungsbild der villa selbst, sondern auch die städtebauliche anlage des villengebiets i. bezogen auf die straße a1. die abschottung durch eine derartige einfriedung, die wie eine bauliche anlage wirke, störe das bewusst bestimmte verhältnis von bebauten flächen und freiflächen. sie lasse sich auch nicht mit der villenarchitektur der nachkriegsmoderne vereinbaren, die sich mit ihrer zurückhaltenden eleganz und offenheit an der amerikanischen moderne orientiere. dazu zählten auch offene vorgärten, die nicht oder nur mit niedrigen anlagen eingefriedet seien und deren rasenflächen ineinander übergingen und nur punktuell durch höher wachsende pflanzen akzentuiert seien. die meisten grundstücke im villengebiet i. seien lediglich durch hoch gewachsene pflanzen zur straße hin abgetrennt, was durch einen entsprechenden rückschnitt leicht behoben werden könne. 23das verwaltungsgericht hat die klage abgewiesen. 24der seitliche zaun verändere das denkmal selbst und sei nicht bloß im hinblick auf den umgebungsschutz zu beurteilen. er greife substanziell in die gestaltung des vorgartens und optisch in das äußere erscheinungsbild des denkmals ein. die erforderliche denkmalrechtliche erlaubnis für diese eingriffe habe der kläger weder beantragt noch erhalten. dem verbleib des seitlichen zauns stünden gründe des denkmalschutzes entgegen. er beeinträchtige denkmalwertbegründende merkmale des vorderen wohnhauses und des zugehörigen vorgartens derart erheblich, dass ein sachverständiger betrachter diese denkmalwertbegründenden merkmale nicht mehr abzulesen vermöge. ein erleben des denkmals für sich betrachtet und als bestandteil des städtebaulichen ensembles villengebiet i. sei nicht mehr möglich. dem stünden keine hinreichend gewichtigen privaten interessen des klägers an der beibehaltung des seitlichen zauns gegenüber. die beklagte habe die grenzen des ihr zustehenden ermessens nicht überschritten. sachfremde erwägungen seien nicht zu erkennen. die dem kläger aufgegebene beseitigung des seitlichen zauns sei auch verhältnismäßig. insbesondere sei kein milderes mittel ersichtlich, das die beeinträchtigung des denkmals in gleicher weise rückgängig machen würde. der einwand, die beklagte habe ihr ermessen gleichheitswidrig ausgeübt, sei unberechtigt. 25am 23. september 2021 fand betreffend das grundstück a. 4 ein orts- und erörterungstermin des verwaltungsgerichts im verfahren 4 l 1535/21 statt. gegenstand dieses verfahrens auf gewährung vorläufigen rechtsschutzes war die festsetzung eines zwangsgeldes zur durchsetzung einer ordnungsverfügung, mit der dem antragsteller in jenem verfahren die beseitigung eines straßenseitigen zauns auf seinem grundstück aufgegeben worden war. nach dem protokoll des orts- und erörterungstermins gingen die beteiligten offenbar davon aus, dass für eine straßenseitige einfriedung des grundstücks a. 4 die erteilung einer denkmalrechtlichen erlaubnis grundsätzlich in betracht komme. der antragsteller in jenem verfahren erwäge insoweit zwei varianten eines antrags auf erteilung einer entsprechenden erlaubnis: die einfriedung könnte einschließlich der in diese integrierten tore insgesamt blickdurchlässig gestaltet werden. dazu würden aus dem stabgitterzaun die lamellen entfernt. die plattenkonstruktion mit briefkasten, klingel und lichtsteuerung bliebe erhalten. oder die türanlage könnte, wie vor jahren erlaubt, aber nicht ausgeführt, bündig mit der garage im rahmen einer nicht blickdurchlässigen stahlkonstruktion errichtet werden. daran würde sich entlang der zuwegung zum haus auf der gartenseite sowie auf der anderen seite entlang der garagenzufahrt zum dortigen gartenteil jeweils ein circa zwei meter hoher blickdurchlässiger zaun bis an die straße und entlang der straße anschließen. in beiden varianten würde hinter dem zaun eine blickdichte bepflanzung angelegt. zusätzlich könne die beseitigte bauzeitliche blickdichte türkonstruktion hinter dem blickdurchlässigen zaun wiederhergestellt werden. die antragsgegnerin erklärte, dass sie von der weiteren vollstreckung der ordnungsverfügung bis zum 15. dezember 2021 absehen werde. sollte bis zu diesem tag kein entsprechend den vorstehenden überlegungen erarbeiteter erlaubnisantrag bei ihr eingegangen sein, werde die zwangsvollstreckung fortgesetzt. sie werde die vollstreckung auch dann fortsetzen, wenn ein erlaubnisantrag abgelehnt werde. der antragsteller in jenem verfahren nahm sodann seinen antrag auf gewährung vorläufigen rechtsschutzes und die zugehörige klage im verfahren 4 k 4488/21 zurück. 26mit der von dem senat zugelassenen berufung trägt der kläger vertiefend vor, dass der seitliche zaun keiner denkmalrechtlichen erlaubnis bedürfe, da er das denkmal nicht beeinträchtige. jedenfalls stünden denkmalrechtliche belange dem verbleib des zauns nicht entgegen, weil die durch den zaun bedingten beeinträchtigungen des denkmals, wenn man solche unterstelle, allenfalls gering seien, während eine erzwungene beseitigung des zauns seine eigenen privaten belange in eklatanter weise missachte. die ordnungsverfügung sei überdies sowohl ermessensfehlerhaft als auch gleichheitswidrig. wie aus der begründung der eintragung in die denkmalliste deutlich hervorgehe, habe der vorgarten selbst keinerlei denkmalwert. die unbebaute fläche des grundstücks sei ausschließlich zur bewahrung einer gewissen großzügigkeit unter denkmalschutz gestellt worden, sodass sich der schutzzweck der eintragung allein auf das gebäude beziehe. damit wirke sich der seitliche zaun allenfalls auf die nähere umgebung des allein geschützten vorderen wohnhauses aus. die bloße verhinderung der wahrnehmbarkeit eines baudenkmals von der straße her sei grundsätzlich nicht als beeinträchtigung dieses baudenkmals zu bewerten, da die denkmalwürdigkeit eines baudenkmals im regelfall nicht durch eine solche sichtbeziehung bestimmt werde. jedenfalls wäre eine mögliche beeinträchtigung des geschützten vorderen wohnhauses durch den seitlichen zaun nur geringfügig, denn dieser könne das erscheinungsbild des denkmals überhaupt nur bei einem bestimmten blickwinkel des betrachters beeinflussen. zudem ergebe sich der denkmalwert des vorderen wohnhauses nicht daraus, dass es von der straße aus wahrnehmbar sei, sondern aus seiner besonderen architektur, deren aussage durch die nur aus einer blickrichtung unterbundene wahrnehmbarkeit nicht nachhaltig berührt werde. soweit das verwaltungsgericht vornehmlich auf die einordnung des vorderen wohnhauses in das „villenviertel i." abgestellt habe, sei dessen zwischenzeitliche entwicklung unberücksichtigt geblieben. viele der in diesem villenviertel gelegenen grundstücke seien heute mit vergleichbar hohen oder sogar noch höheren und massiveren einfriedungen umgeben. insoweit komme es nicht darauf an, ob jedes einzelne der dort aufstehenden gebäude unter denkmalschutz stehe. die begründung der eintragung in die denkmalliste mache die denkmalwürdigkeit des vorderen wohnhauses gerade an seiner integrierten lage in dem villenviertel fest, ohne diese lage auf die unter denkmalschutz gestellten gebäude innerhalb des villenviertels zu reduzieren. in dem villenviertel sei eine bauliche struktur, die sich etwa durch niedrige oder gar keine straßenseitigen einfriedungen der grundstücke auszeichne, weitgehend nicht gegeben, obgleich der maßgebliche bebauungsplan vom 30. juli 2001 (im folgenden: bebauungsplan) straßenseitige einfriedungen nur bis zu einer höhe von 1,0 m zulasse. gegen die zahlreichen höheren einfriedungen in der umgebung schreite die beklagte trotz mehrfacher entsprechender hinweise, die er, der kläger, gegeben habe, nicht ein und dulde damit diese entwicklung. früher habe auf seinem grundstück eine dem seitlichen zaun vergleichbar hohe hecke gestanden, die die wahrnehmbarkeit des vorderen wohnhauses von der straße aus ebenfalls eingeschränkt habe. die annahme des verwaltungsgerichts, eine solche hecke ließe den charakter einer „offenen von grünflächen umgebenen villa" unberührt, sei in sich widersprüchlich. den vermeintlichen beeinträchtigungen des denkmals durch den seitlichen zaun stünden seine eigenen persönlichen belange gegenüber, die erheblich seien. vor der errichtung der zäune habe es mehrere einbruchsversuche gegeben und es sei einige male versucht worden, sein grundstück auszuspähen. diese vorkommnisse stünden im kontext mit der fokussierung professioneller einbrecherbanden auf das villenviertel i., die die ortsgemeinschaft veranlasst habe, einen privaten wachdienst mit dem schutz der dortigen grundstücke und häuser zu beauftragen. die schutzfunktion des seitlichen zauns könne nicht verneint werden, weil er, der kläger, sich etwa bestandskräftig zur beseitigung des straßenseitigen zauns verpflichtet habe. diese verpflichtung gelte nämlich nur für den fall, dass die von ihm beantragte baugenehmigung für den straßenseitigen zaun bestandskräftig versagt werden sollte. das verwaltungsgericht habe über seine klage gegen die versagung der baugenehmigung durch die beklagte noch nicht entschieden. der mit den zäunen beabsichtigte schutz vor einbrechern lasse sich weder durch einen an den fenstern des vorderen wohnhauses angebrachten sichtschutz noch durch sonstige schutzmaßnahmen erreichen. der zaun solle nämlich die ausspähung des grundstücks verhindern oder zumindest wesentlich erschweren und in verbindung mit dem elektrisch betriebenen tor ermöglichen, dass ein fahrzeug, mit dem man auf das grundstück fahre, dort sicher verlassen werden könne, ohne dass die insassen befürchten müssten, beim aussteigen überfallen zu werden. schließlich verstoße die beklagte mit ihrer ordnungsverfügung gegen den grundsatz der gleichbehandlung, da sie nicht gegen vergleichbare einfriedungen von grundstücken im villenviertel i., etwa auf dem grundstück a. 4, vorgehe. vor dem hintergrund der in dem verfahren 4 l 1535/21 zwischen dem dortigen antragsteller und der beklagten getroffenen einigung könne er unter dem aspekt der gleichbehandlung eine entsprechende denkmalrechtliche erlaubnis für die von ihm errichteten zäune und das tor verlangen. 27der kläger beantragt, 28unter abänderung des urteils des verwaltungsgerichts köln vom 30. oktober 2019 (4 k 377/19) die wiederherstellungsanordnung der beklagten vom 10. januar 2019 (az.: 48/2 kr) aufzuheben. 29die beklagte beantragt, 30die berufung zurückzuweisen. 31sie hält die denkmäler auf dem grundstück des klägers und auf dem grundstück a. 4 jedenfalls im hinblick auf die denkmalbezogenen auswirkungen von einfriedungen für nicht vergleichbar und ist nicht bereit, dem kläger für die auf seinem grundstück errichteten zäune und das tor eine denkmalrechtliche erlaubnis entsprechend der für das grundstück a. 4 angedachten erlaubnis zu erteilen. 32der beigeladene stellt keinen antrag. 33der vorsitzende des senats hat die örtlichkeit am 24. juni 2021 in augenschein genommen und die sache vor ort mit den beteiligten erörtert. hinsichtlich der dabei getroffenen feststellungen wird auf das protokoll des ortstermins vom selben tage verwiesen. 34wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakte und der gerichtsakten des verwaltungsgerichts in den verfahren 4 k 2173/11, 4 k 1532/17, 4 l 1535/21 und 4 k 4488/21 sowie den der vorgelegten verwaltungsvorgänge (beiakten hefte 1 bis 13) bezug genommen. 35
36der senat entscheidet im einverständnis der beteiligten ohne mündliche verhandlung. 37die zulässige berufung ist unbegründet. 38die klage ist zulässig, aber nicht begründet. die ordnungsverfügung der beklagten vom 10. januar 2019 ist, soweit sie nicht aufgehoben worden ist, rechtmäßig und verletzt den kläger nicht in seinen rechten (§ 113 abs. 1 satz 1 vwgo). 39nach § 27 abs. 1 dschg nrw a.f. (§ 25 abs. 1 dschg nrw n.f.) kann die denkmalbehörde nach pflichtgemäßem ermessen von demjenigen, der eine nach dem denkmalschutzgesetz erlaubnispflichtige handlung ohne erlaubnis durchführt, grundsätzlich die wiederherstellung des bisherigen zustands des baudenkmals verlangen. 40die tatbestandsvoraussetzungen dieser vorschrift liegen im hinblick auf die von dem kläger verlangte beseitigung des seitlichen zauns im zeitpunkt des erlasses der ordnungsverfügung vor. 41das vordere wohnhaus auf dem grundstück a. 3 ist einschließlich des zughörigen gartens als baudenkmal in die denkmalliste der stadt l. eingetragen und damit nach der konstruktion des nordrhein-westfälischen denkmalschutzes ein baudenkmal. der kläger hat, indem er den zu dem baudenkmal gehörenden vorgarten durch den besagten zaun teilweise hat einfrieden lassen, das baudenkmal verändert, ohne im besitz einer dafür nach § 9 dschg nrw a.f. erforderlichen erlaubnis zu sein. er hat für diese baumaßnahme weder eine denkmalrechtliche erlaubnis nach § 9 abs. 1 dschg nrw a.f. noch eine baugenehmigung erhalten, bei deren erteilung die belange des denkmalschutzes angemessen zu berücksichtigen gewesen wären (§ 9 abs. 3 dschg nrw a.f.). 42allerdings hängt die rechtmäßigkeit des wiederherstellungsverlangens nach § 27 abs. 1 dschg nrw a.f. beziehungsweise § 25 abs. 1 dschg nrw n.f. regelmäßig davon ab, dass die formell illegale handlung, deren folgen durch die wiederherstellung des bisherigen zustands rückgängig gemacht werden sollen, nicht materiell-rechtlich erlaubnisfähig ist. 43vgl. ovg nrw, urteile vom 3. september 1996 – 10 a 1453/92 –, brs 58 nr. 32, und vom 26. september 2000 – 8 a 769/97 –, brs 77 nr. 166. 44wäre die beanstandete handlung nämlich nach den denkmalrechtlichen vorschriften erlaubnisfähig, könnte dem eigentümer die veränderung des baudenkmals oder die denkmalrechtlich relevante veränderung seiner engeren umgebung, die er formell illegal bereits vorgenommen hat, auf seinen entsprechenden antrag hin nicht verwehrt werden. 45die errichtung des seitlichen zauns ist nicht erlaubnisfähig. 46nach § 9 abs. 3 satz 1 dschg nrw n.f. muss die erlaubnis für die veränderung eines baudenkmals oder für die denkmalrechtlich relevante veränderung seiner engeren umgebung im sinne des § 9 abs. 2 dschg nrw n.f. erteilt werden, wenn gründe des denkmalschutzes nicht entgegenstehen oder wenn – was hier nicht in betracht kommt – ein überwiegendes öffentliches interesse die maßnahme verlangt. 47das ergebnis der nicht in das ermessen der denkmalbehörde gestellten entscheidung über die erlaubnis zur veränderung eines baudenkmals oder zur denkmalrechtlich relevanten veränderung seiner engeren umgebung hängt von einer abwägung aller für und gegen die veränderung sprechenden belange ab, die gerichtlich vollständig überprüfbar ist. dabei lassen sich die gründe des denkmalschutzes, die die erteilung der erlaubnis hindern können, nicht abstrakt bestimmen, sondern müssen stets aus den besonderheiten des zur entscheidung stehenden konkreten falles abgeleitet werden. es ist bezogen auf das jeweilige baudenkmal zu prüfen, ob und inwieweit die schutzzwecke des denkmalschutzgesetzes durch die beabsichtigte veränderung gestört oder vereitelt werden könnten. 48vgl. ovg nrw, urteil vom 3. september 1996 – 10 a 1453/92 –, brs 58 nr. 32. 49bei dieser prüfung kommt den gründen für die unterschutzstellung besonderes gewicht zu, da sie die mit der unterschutzstellung verbundene einschränkung der eigentümerbefugnisse rechtfertigen. die für abwägungsentscheidung im rahmen des § 9 abs. 3 satz 1 dschg nrw n.f. relevanten gründe des denkmalschutzes ergeben sich daher in erster linie aus der eintragung in die denkmalliste und aus dem über die unterschutzstellung erteilten bescheid, weil darin, für den eigentümer des baudenkmals erkennbar, die grundlage für die ihm auferlegte belastung formuliert ist. 50vgl. ovg nrw, urteil vom 27. juli 2000 – 8 a 4631/97 –, juris, rn. 35. 51dass eine erlaubnis nach § 9 abs. 3 satz 1 dschg nrw n.f. nur verweigert werden darf, wenn gründe des denkmalschutzes der veränderung des baudenkmals oder der denkmalrechtlich relevanten veränderung seiner engeren umgebung „entgegenstehen“, bedeutet, dass diese gründe ein stärkeres gewicht haben müssen als die für die geplante veränderung streitenden interessen. nicht jede beeinträchtigung denkmalrechtlicher belange kann deshalb unter dem etikett entgegenstehender gründe des denkmalschutzes die verweigerung einer beantragten erlaubnis für die veränderung oder die feststellung der materiellen illegalität einer formell illegal durchgeführten veränderung rechtfertigen. anders als bei der entscheidung über die unterschutzstellung einer sache, die unabhängig von privaten interessen allein von dem denkmalwert der sache bestimmt wird, sollen die erlaubnisse nach § 9 abs. 3 satz 1 dschg nrw n.f. gegebenenfalls dabei helfen, den eigentümern von baudenkmälern eine flexible, profitable und zeitgerechte nutzung ihres eigentums zu ermöglichen, soweit dies denkmalrechtlich vertretbar ist. 52vgl. ovg nrw, urteil vom 3. september 1996 – 10 a 1453/92 –, brs 58 nr. 32, m.w.n. 53die vorschrift soll wesentlich dazu beitragen, dass die in § 1 abs. 1 satz 3 dschg nrw n.f. genannte aufgabe des denkmalschutzes, auf eine sinnvolle nutzung der baudenkmäler hinzuwirken, erfüllt werden kann, um letztlich das ziel der möglichst weitgehenden erhaltung denkmalwerter substanz auf dauer zu gewährleisten (§ 8 abs. 1 satz 2 dschg n.f. nrw). 54es kann offen bleiben, ob die bestandskräftige unterschutzstellung des vorgartens durch die einschlägigen vorschriften des denkmalschutzgesetzes gedeckt ist und die möglicherweise dafür zu benennenden denkmalrechtlichen gründe der erteilung der begehrten erlaubnis für die veränderung des vorgartens durch den seitlichen zaun entgegenstehen könnten. jedenfalls beeinträchtigt der seitliche zaun das erscheinungsbild des unter schutz gestellten vorderen wohnhauses und der angebauten ehemaligen garage im sinne des § 9 abs. 2 dschg nrw n.f. 55das denkmalrechtliche erscheinungsbild im verständnis dieser vorschrift ist als der von außen sichtbare teil eines baudenkmals zu verstehen, an dem jedenfalls der sachkundige betrachter den denkmalwert, der dem baudenkmal innewohnt, abzulesen vermag. da das erscheinungsbild des baudenkmals mit blick auf maßnahmen in seiner engeren umgebung geschützt wird, muss die beziehung des baudenkmals zu seiner engeren umgebung außerdem für den denkmalwert von bedeutung sein. 56vgl. ovg nrw, urteil vom 8. märz 2012 – 10 a 2037/11 –, juris, rn. 68. 57nach nordrhein-westfälischem recht hängt die denkmaleigenschaft einer sache davon ab, ob es ein öffentliches interesse an deren erhaltung und nutzung gibt. ein solches interesse ist zu bejahen, wenn die sache bedeutend für die erdgeschichte, für die geschichte des menschen, für die kunst- und kulturgeschichte, für städte und siedlungen oder für die entwicklung der arbeits- und produktionsverhältnisse ist und an ihrer erhaltung und nutzung wegen künstlerischer, wissenschaftlicher, volkskundlicher oder städtebaulicher bedeutung ein interesse der allgemeinheit besteht. je nachdem, welche dieser bedeutungs- und erhaltungskategorien für die unterschutzstellung ausschlaggebend waren und für welche teile der sache sie bejaht worden sind, kommt einem baudenkmal ein individueller aussagewert zu, der mit dem ihm innewohnenden denkmalwert identisch ist und auch sein denkmalrechtliches erscheinungsbild – wie es in § 9 abs. 2 dschg nrw n.f. geschützt ist – maßgeblich prägt. zur ermittlung des individuellen aussagewertes eines baudenkmals ist in erster linie auf die eintragung in der denkmalliste und auf die ihr beigefügte begründung abzustellen, denn nach nordrhein-westfälischem recht ist die eintragung für die denkmaleigenschaft von baudenkmälern, gartendenkmälern und beweglichen denkmälern konstitutiv (§ 5 abs. 1 dschg nrw n.f.). 58vgl. ovg nrw, urteil vom 8. märz 2012 – 10 a 2037/11 –, juris, rn. 69. 59eine beeinträchtigung des denkmalrechtlich geschützten erscheinungsbildes eines baudenkmals im sinne des § 9 abs. 2 dschg nrw n.f. liegt vor, wenn der mit dem erscheinungsbild angesprochene denkmalwert durch eine veränderung seiner umgebung herabgesetzt wird. 60so ist es hier. das vordere wohnhaus und die daran angebaute ehemalige garage erfüllen die eintragungsvoraussetzungen des § 2 abs. 1 und 2 dschg nrw n.f. jedenfalls insoweit, als deren unterschutzstellung ihre architekturgeschichtliche bedeutung hervorhebt und darin auch die gründe für ihre erhaltung und nutzung sieht. in der anlage zur eintragung in die denkmalliste heißt es dazu, dass die variationsreiche kubatur, die plastizität durch ihr spiel von höhe und tiefe, schräge und gerade sowie die individuelle grundrissgestaltung das gebäude als einen typischen vertreter der 50er-jahre-architektur auswiesen, deren wurzeln im neuen bauen lägen. ferner sei das wohnhaus ein wichtiges werk im oeuvre h. i2., der zu den bekannten l3. architekten gehöre und unter anderem auch in der n. gebaut habe. im gerichtlichen verfahren hat der beigeladene ergänzend ausgeführt, dass das baudenkmal zur straße hin durch das verhältnis von bebauter und unbebauter fläche, von hochbau und freifläche mitbestimmt sei. die abschottung hinter einer dichten einfriedung, die wie eine bauliche anlage wirke, störe dieses bewusst bestimmte verhältnis von bebauten flächen und freiflächen. sie ließe sich auch nicht mit der villenarchitektur der nachkriegsmoderne vereinbaren, die sich mit ihrer zurückhaltenden eleganz und offenheit an der amerikanischen moderne orientiere. dazu zählten auch offene, nur niedrig oder gar nicht umfriedete vorgärten, deren rasenflächen ineinander übergingen und nur punktuell durch höher wachsende pflanzen akzentuiert würden. diese in zulässiger weise konkretisierte beschreibung des denkmalwertes des vorderen wohnhauses und der ehemaligen garage durch den in besonderem maße sach- und fachkundigen beigeladenen macht sich der senat zu eigen. sie entspricht im hinblick auf ihre tatsächlichen grundlagen den eindrücken, die der vorsitzende des senats bei einer ortsbesichtigung gewonnen hat. diese eindrücke hat der vorsitzende dem senat anhand der bei der ortsbesichtigung gefertigten fotos vermittelt. 61der geschlossene seitliche zaun, der mit mehr als 2,0 m höhe den vorgarten in seiner gesamten tiefe wie eine wand durchschneidet, steht in krassem gegensatz zu der oben beschriebenen offenheit, auf die die architektonische gestaltung des vorderen wohnhauses angewiesen ist, um in der beabsichtigten weise wirken zu können, und die nach dem vorstehenden seinen denkmalwert mitbestimmt. 62in dem wunsch des klägers nach einer ausweitung seiner privatsphäre, die auch den vorgartenbereich und die auf seinem grundstück liegende zuwegung zu dem vorderen wohnhaus erfassen soll, sieht der senat keinen belang, der mit den vorstehend beschriebenen denkmalrechtlichen belangen zumindest gleichgewichtig wäre. dies gilt ebenfalls, soweit er dafür ein mit der gehobenen wohnlage begründetes besonderes sicherheitsbedürfnis geltend macht. in diesem zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass entlang der an die straße grenzenden seite des grundstücks kein entsprechender zaun errichtet werden darf. nach den gestalterischen festsetzungen des bebauungsplans sind zu den angrenzenden straßenverkehrsflächen einfriedungen nur bis zu einer gesamthöhe von 1,0 m zulässig. belastbare anhaltspunkte dafür, dass der bebauungsplan oder jedenfalls die besagte festsetzung etwa wegen funktionslosigkeit unwirksam sein könnte, sind nicht ersichtlich. 63bebauungspläne oder einzelne ihrer festsetzungen sind nur in äußerst seltenen fällen funktionslos. eine festsetzung tritt nur dann außer kraft, wenn und soweit die verhältnisse, auf die sie sich bezieht, in der tatsächlichen entwicklung einen zustand erreicht haben, der eine verwirklichung der festsetzung auf unabsehbare zeit ausschließt und wenn diese tatsache so offensichtlich ist, dass ein in ihre fortgeltung gesetztes vertrauen keinen schutz verdient. entscheidend ist, ob die festsetzung noch geeignet ist, zur städtebaulichen ordnung im sinne des § 1 abs. 3 baugb im geltungsbereich des bebauungsplans einen sinnvollen beitrag zu leisten. die planungskonzeption, die einer festsetzung zugrunde liegt, wird nicht schon dann sinnlos, wenn sie nicht mehr überall im plangebiet umgesetzt werden kann. 64vgl. bverwg, urteil vom 3. dezember 1998 – 4 cn 3.97 –, juris, rn. 22. 65allein der umstand, dass es grundstücke im geltungsbereich des bebauungsplans gibt, die diesen vorgaben nicht entsprechen, reicht also für eine funktionslosigkeit nicht aus. 66es ist auch nicht ersichtlich, dass der kläger einen anspruch auf erteilung einer befreiung von der gestalterischen festsetzung haben könnte. vielmehr spricht überwiegendes dafür, dass eine solche befreiung ausscheidet, weil sie die grundzüge der planung berühren würde. 67ob die grundzüge der planung berührt werden, hängt von der jeweiligen planungssituation ab. entscheidend ist, ob die abweichung dem planerischen grundkonzept zuwiderläuft. je tiefer die befreiung in das interessengeflecht der planung eingreift, desto eher liegt der schluss auf eine änderung der planungskonzeption nahe, die nur im wege der umplanung möglich ist. die befreiung kann nicht als vehikel dafür herhalten, die von der gemeinde getroffene planerische regelung beiseitezuschieben. sie darf – jedenfalls von festsetzungen, die für die planung tragend sind – nicht aus gründen erteilt werden, die sich in einer vielzahl gleichgelagerter fälle oder gar für alle von einer bestimmten festsetzung betroffenen grundstücke anführen ließen. 68vgl. bverwg, beschluss vom 5. märz 1999 – 4 b 5.99 –, juris, rn. 6. 69letzteres ist hier der fall, denn der kläger macht für die erforderlichkeit des zauns ein sicherheitsbedürfnis geltend, das nach seinem vortrag für alle grundstücke im villenviertel i. gleichermaßen vorliegt. die mit der fraglichen festsetzung bezweckte einheitliche gestaltung des straßenbildes als wesentlicher aspekt der insoweit verfolgten planungskonzeption würde verfehlt, wenn für eine unbestimmte zahl von grundstücken oder gar für alle grundstücke im plangebiet straßenseitige einfriedungen von mehr als 1,0 m höhe durch die erteilung von befreiungen gestattet würden. 70kann der kläger eine baugenehmigung für den ohne eine solche genehmigung errichteten, mehr als 2,0 m hohen straßenseitigen zaun und das darin integrierte tor nicht erhalten, wäre hier der zu seinen gunsten sprechende belang der privatsphäre und des sicherheitsbedürfnisses ohnehin insgesamt hinfällig. 71überdies ist der senat davon überzeugt, dass der kläger, der das grundstück mit dem vorderen wohnhaus in kenntnis seiner denkmaleigenschaft und der damit verbundenen einschränkungen im hinblick auf bauliche veränderungen erworben hat, sein sicherheitsbedürfnis und seinen wunsch nach mehr privatsphäre auch auf eine weise befriedigen könnte, die das erscheinungsbild des vorderen wohnhauses weniger beeinträchtigen würde, als die besagten zäune und das tor. 72der einwand des klägers, die beklagte verstoße mit ihrer ordnungsverfügung gegen den grundsatz der gleichbehandlung, da sie nicht gegen vergleichbare einfriedungen von grundstücken im villenviertel i., etwa auf dem grundstück a. 4, vorgehe, ist unberechtigt. 73es ist anerkannt, dass eine ordnungsrechtliche beseitigungsanordnung von dem adressaten nicht allein mit dem argument abgewehrt werden kann, die behörde schreite gegen rechtsverstöße in vergleichbaren anderen fällen nicht ein. art. 3 abs. 1 gg gewährt keinen anspruch auf gleichbehandlung im unrecht. dieser grundsatz entbindet die behörde allerdings nicht von der verpflichtung, ihre ordnungsrechtliche tätigkeit maßgeblich auch am gleichheitssatz auszurichten. ermächtigt das gesetz dazu, unter bestimmten voraussetzungen etwa die beseitigung von baulichen anlagen anzuordnen, so lässt sich aus art. 3 abs. 1 gg die forderung ableiten, das eingeräumte ermessen in gleichgelagerten fällen gleichmäßig auszuüben. ergreift oder unterlässt die behörde maßnahmen zur bekämpfung rechtswidriger zustände, so hat sie in allen vergleichbaren fällen in der gleichen art und weise zu verfahren. das bedeutet bei einer vielzahl von verstößen jedoch nicht, dass sie gleichzeitig tätig werden muss. entschließt sie sich zu einem einschreiten, so ist es ihr unbenommen, die verhältnisse nach und nach zu bereinigen. ihr ist es indes verwehrt, systemlos oder willkürlich vorzugehen. beschränkt sie sich darauf, einen einzelfall herauszugreifen, so handelt sie dem gleichbehandlungsgebot zuwider, es sei denn, dass sie hierfür sachliche gründe anzuführen vermag. 74vgl. bverwg, beschluss vom 22. april 1995 – 4 b 55.95 –, juris, rn. 4 f.; ovg nrw, urteil vom 7. april 2014 – 10 a 1814/12 –, juris, rn. 47. 75da es hier um eine denkmalrechtliche ordnungsverfügung auf der grundlage einer denkmalrechtlichen ermächtigung geht, ist die betrachtung auf solche grundstücke zu beschränken, auf denen ein baudenkmal steht, welches nach seiner unterschutzstellung ohne die erforderliche erlaubnis oder genehmigung verändert oder dessen erscheinungsbild durch bauliche maßnahmen in seiner engeren umgebung beeinträchtigt worden ist. gegen den eigentümer des grundstücks a. 4 hat die beklagte im hinblick auf die formell illegal errichtete einfriedung dieses grundstücks eine denkmalrechtliche beseitigungsanordnung mit dem ziel der wiederherstellung des bisherigen zustands erlassen. der eigentümer hat die gegen ihn eingeleiteten vollstreckungsmaßnahmen zur durchsetzung der beseitigungsanordnung mit einer klage bei dem verwaltungsgericht angegriffen. die klage hat er zurückgenommen, nachdem die beklagte in einem im rahmen des klageverfahrens durchgeführten ortstermin zugesagt hat, über die erteilung einer denkmalrechtlichen erlaubnis für eine veränderte einfriedung nach einem entsprechenden antrag des eigentümers neu zu entscheiden. dass damit auch eine aussage über die baurechtliche zulässigkeit einer künftigen einfriedung getroffen werden sollte, lässt sich dem protokoll des verwaltungsgerichts nicht entnehmen. soweit der kläger – quasi ins blaue hinein – pauschal eine ungleichbehandlung gegenüber dem eigentümer des grundstücks a. 4 und gegenüber weiteren denkmaleigentümern beklagt, legt er nicht ansatzweise dar, inwieweit die fälle, die er meint, mit seinem eigenen überhaupt vergleichbar sind und die behauptete ungleiche behandlung willkürlich ist. so ist die unter denkmalschutz stehende bebauung auf dem grundstück a. 4 in vielerlei hinsicht anders gestaltet als die bebauung auf dem grundstück des klägers und sind die gründe für ihre unterschutzstellung jeweils andere. der denkmalwert des gebäudes auf dem grundstück a. 4, das mehr oder weniger zentral auf dem teils modellierten gelände errichtet ist, sodass sich ein vorgarten wie auf dem grundstück des klägers nicht klar abgrenzen lässt, wird vornehmlich daraus abgeleitet, dass es ein besonderes beispiel für das organische bauen sei. der umstand, dass die beklagte gleichwohl die einfriedung des grundstücks ursprünglich als mit den gründen des denkmalschutzes nicht vereinbar angesehen hat und nicht nachvollziehbar sein mag, aus welchen gründen sie von dieser rechtlichen einschätzung möglicherweise abgerückt ist, lässt nicht auf eine willkürliche ungleichbehandlung der beiden in rede stehenden fälle schließen. soweit die beklagte erwägen sollte, dem eigentümer des grundstück a. 4 neben einer denkmalrechtlichen erlaubnis für die einfriedung seines grundstücks hinsichtlich der höhe dieser einfriedung eine befreiung von den festsetzungen des bebauungsplans zu erteilen, wäre diese befreiung nach dem vorstehenden vermutlich rechtswidrig. auf eine solche befreiung könnte sich der kläger allerdings nicht berufen, denn er kann nicht verlangen, dass zu seinen gunsten aus gründen der gleichbehandlung ein begünstigender verwaltungsakt erlassen wird, für den die rechtlichen voraussetzungen nicht gegeben sind. die beklagte mag in einem solchen fall überlegen, ob sich die jeweilige behandlung der sich quasi gegenüberliegenden grundstücke mit dem grundsatz der gesetzmäßigkeit der verwaltung vereinbaren lässt. 76die kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 abs. 2, 162 abs. 3 vwgo. 77die entscheidung zur vorläufigen vollstreckbarkeit folgt aus § 167 vwgo in verbindung mit den §§ 708 nr. 10, 711 zpo. 78die revision ist nicht zuzulassen, weil die voraussetzungen des § 132 abs. 2 vwgo nicht vorliegen.
345,710
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10 D 19/20.NE
2022-06-10T00:00:00
Urteil
Tenor Der Antrag wird abgelehnt. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragsteller dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 von Hundert des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 von Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet. Die Revision wird nicht zugelassen. 1Tatbestand: 2Die Antragsteller wenden sich gegen den Bebauungsplan Nr. „Q.-I.-Straße“ der Antragsgegnerin (im Folgenden: Bebauungsplan). Sie sind Miteigentümer des im Plangebiet gelegenen Grundstücks M. F. 4. 3Das circa 9 ha große Plangebiet liegt nördlich des Gemeindezentrums zwischen der J. Straße im Osten, der U.-straße und des X. im Westen, dem L. im Norden und einer Wegeverbindung südlich der Straße C. im Süden. Es handelt sich nach der Planbegründung um ein beliebtes, ortsnahes, relativ locker bebautes Wohnquartier mit teilweise erheblichen Baulandreserven und erhaltenswerten Großbäumen. 4Der Bebauungsplan setzt ein allgemeines Wohngebiet, ganz überwiegend zwei Vollgeschosse als Höchstmaß, eine Grundflächenzahl von 0,3 und eine Geschossflächenzahl von 0,6 fest. Nach der textlichen Festsetzung Nr. 2 sind innerhalb des Bebaugebiets je Wohngebäude grundsätzlich nicht mehr als zwei Wohneinheiten, in näher bezeichneten Bereichen maximal vier Wohneinheiten und in einem Bereich nicht mehr als eine Wohneinheit zulässig. 5Ziel der Planung ist die Schaffung eines planungsrechtlichen Rahmens für die bereits überwiegend bebauten Grundstücke, für die moderate städtebauliche Weiterentwicklung des Bestandes und für eine maßvolle Nachverdichtung. Insbesondere sollen angemessene Modernisierungen und Erweiterungen der vorhandenen Bebauung sowie eine maßstabsgerechte Neubebauung bisher nicht genutzter Grundstücksteile ermöglicht werden. Der planungsrechtliche Spielraum, den die Grundeigentümer bei der Bebauung ihrer Grundstücke nach dem bisher einschlägigen § 34 BauGB hätten, solle insbesondere hinsichtlich der Anzahl der zulässigen Wohneinheiten je Gebäude und der Grundflächenzahl geringfügig eingeschränkt werden. Es sollten ausreichend unversiegelte und bepflanzte Flächen erhalten bleiben, die bei der starken Hanglage des Baugebiets das Niederschlagswasser aufnähmen und das vorhandene gesunde Kleinklima im Wohnumfeld gewährleisteten. 6Das Planverfahren nahm im Wesentlichen folgenden Verlauf: Der Rat beschloss in seiner Sitzung am 18. November 2015 die Aufstellung des Bebauungsplans im beschleunigten Verfahren nach § 13a BauGB. Nachdem im Dezember 2015 im Rahmen einer Bürgerversammlung die Öffentlichkeit über die allgemeinen Ziele und Zwecke sowie die wesentlichen Auswirkungen der Planung unterrichtet worden war und im Dezember 2017 nochmals eine Bürgerversammlung stattgefunden hatte, um die überarbeitete Planung vorzustellen, lag der Planentwurf in der Zeit vom 22. März 2019 bis zum 23. April 2019 öffentlich aus. Am 10. Juli 2019 beschloss der Rat den Bebauungsplan als Satzung. Der Satzungsbeschluss wurde am 11. Juli 2019 öffentlich bekannt gemacht. 7Am 24. März 2021 beschloss der Rat die Durchführung eines ergänzenden Verfahrens. Der geänderte Planentwurf lag in der Zeit vom 19. April 2021 bis zum 18. Mai 2021 öffentlich aus. In seiner Sitzung am 30. Juni 2021 fasste der Rat einen neuen Satzungsbeschluss und setzte den Bebauungsplan rückwirkend zum 27. August 2020 in Kraft. Dieser Satzungsbeschluss wurde durch Aushang in der Zeit vom 8. September 2021 bis zum 21. September 2021 öffentlich bekannt gemacht. 8Die Antragsteller haben am 9. März 2020 den Normenkontrollantrag gestellt. Zur Begründung tragen sie unter Bezugnahme auf ihre Einwendungen im Rahmen der öffentlichen Auslegung im Wesentlichen vor: 9Der Bebauungsplan enthalte mit den Festsetzungen zur zulässigen Grundflächen- und Geschossflächenzahl, zur Begrenzung der baulichen Nutzung durch Baufenster und zur Anzahl der zulässigen Geschosse und Wohneinheiten je Gebäude zahlreiche Beschränkungen. Er berücksichtige ihr aus dem Eigentumsrecht resultierendes schützenswertes Interesse an einer stärkeren baulichen Ausnutzung ihres Grundstücks nur unzureichend und beruhe daher auf einem Abwägungsfehler. 10Die vorbenannten zahlreichen Beschränkungen der baulichen Nutzung der Grundstücke habe der Rat im Wesentlichen mit entsprechenden Wünschen der Anwohner und Aspekten der Erschließung des Plangebiets begründet, die es erforderlich machten, die notwendigen Stellplätze auf den privaten Grundstücken anzulegen. Die Wünsche der Anwohner seien aber nicht, wie der Rat offenbar meine, im Sinne eines „freien Plebiszits“ bei der Bauleitplanung zu berücksichtigen. Der allein emotional begründete Wunsch von Anwohnern, den Charakter des Baugebiets weitgehend unverändert zu lassen, sei nicht abwägungsrelevant. Vielmehr hätte der Rat ein städtebauliches Konzept entwickeln und verfolgen müssen. Ein solches Konzept habe sich bei den mit dem Planentwurf ausgelegten Unterlagen nicht befunden. 11Ihren im Aufstellungsverfahren erhobenen Einwänden, wonach einer bis zu dreigeschossigen Bebauung in Teilen des Plangebiets und einer damit korrespondierenden Gebäudehöhe von 12 m keine auf die künftigen Wohnverhältnisse bezogenen Hinderungsgründe entgegenstünden, habe der Rat letztlich keine belastbaren oder städtebaulich begründeten Argumente entgegengesetzt. Soweit er sich durch das Maß der vorhandenen Bebauung gebunden gefühlt haben sollte, widerspräche dies einer gerechten Abwägung. 12Ein Abwägungsfehler ergebe sich insbesondere aus der Missachtung der Vorgaben und Anforderungen der Raumordnung. Nach den im Regionalplan N1. zum Siedlungsraum und zum Ziel Nummer 3 unter den Randzeichen 135 und 136 niedergelegten Grundsätzen sei zum Zwecke eines wirksamen Schutzes des Außenbereichs eine möglichst effektive Nachverdichtung geboten. Bestehende Wohnbaupotenziale müssten danach durch die Schaffung möglichst kompakter Siedlungsbereiche ausgenutzt werden. 13Auch im Hinblick auf die Festsetzungen der maximal zulässigen Wohneinheiten je Gebäude fehle es in der Planbegründung an nachvollziehbaren und überzeugenden städtebaulichen Argumenten. Insbesondere sei nicht erkennbar, dass die Erschließungssituation im Plangebiet eine derartige Beschränkung der zulässigen Wohneinheiten erforderlich mache. Im Aufstellungsverfahren seien keine Ermittlungen zu den bestehenden und den zusätzlichen planbedingten Verkehrsströmen in Form eines Verkehrsgutachtens angestellt worden, weshalb die Planung ein Ermittlungsdefizit aufweise. Auch hätten verschiedene Mobilitätskonzepte für Wohnquartiere untersucht und ernsthaft in Erwägung gezogen werden müssen. Zudem gebe es zahlreiche Möglichkeiten zur Reduzierung des Individualverkehrs in Wohnquartieren, etwa die Planung von Quartiersgaragen oder die Förderung von Car- oder Ridesharing-Konzepten. 14Jedenfalls begründe die Erschließungs- und Stellplatzsituation im Plangebiet unter keinen Umständen einen planerischen Zwangspunkt, der eine so restriktive Beschränkung der baulichen Nutzungsmöglichkeiten rechtfertigen könne. Eine ernsthafte Alternativenprüfung im Sinne der Entwicklung einer Planungsvariante, die sowohl das Privateigentum als auch den Außenbereich mehr schone als die beschlossene Planung, habe nicht stattgefunden. 15Die Antragsteller beantragen, 16den Bebauungsplan Nr. „Q.-I.-Straße“ der Gemeinde N. in der Fassung des Satzungsbeschlusses im ergänzenden Verfahren vom 30. Juni 2021 für unwirksam zu erklären. 17Die Antragsgegnerin beantragt, 18den Antrag abzulehnen. 19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Aufstellungsvorgänge (Beiakten Hefte 1 bis 3) Bezug genommen. 20Entscheidungsgründe: 21Der Antrag hat keinen Erfolg. 22Er ist zulässig. 23Die Antragsteller sind als Eigentümer eines im Plangebiet gelegenen Grundstücks nach § 47 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. 24Der Antrag ist nicht begründet. 25Der Bebauungsplan hat keine formellen Fehler, die nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB beachtlich sind und zu seiner Unwirksamkeit führen. 26Der Bebauungsplan lässt auch keine beachtlichen materiellen Mängel erkennen. 27Er ist nach seiner Grundkonzeption im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB städtebaulich gerechtfertigt. 28Was nach § 1 Abs. 3 BauGB städtebaulich erforderlich ist, bestimmt sich maßgeblich nach der jeweiligen Konzeption der Gemeinde. Welche städtebaulichen Ziele die Gemeinde sich setzt, liegt in ihrem planerischen Ermessen. Der Gesetzgeber ermächtigt sie, die Städtebaupolitik zu betreiben, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entspricht. 29Dem Bebauungsplan liegt ausweislich der im Tatbestand auszugsweise dargestellten Planbegründung eine von legitimen städtebaulichen Zielen getragene positive Planungskonzeption zugrunde. Er ist auch geeignet, das Planungsziel, nämlich eine maßvolle, am Bestand orientierte Nachverdichtung umzusetzen. Der Rat hat für die Grundstücke im Plangebiet Festsetzungen getroffen, die sich an den Bestand anlehnen und überdies Möglichkeiten eröffnen, die vorhandenen Gebäude zu erweitern und bisher unbebaute Flächen erstmals zu bebauen. Das Plankonzept wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass eine Bebauung über den Bestand hinaus möglicherweise nicht auf sämtlichen Grundstücken möglich ist. Die Ermöglichung einer flächendeckenden Ausweitung der Bebauung losgelöst von der jeweiligen konkreten Situation der Grundstücke war nicht das Planungsziel. 30Die einzelnen Festsetzungen des Bebauungsplans lassen nach Durchführung des ergänzenden Verfahrens keine Rechtsfehler erkennen. Solche haben die Antragsteller auch nicht geltend gemacht. 31Der Bebauungsplan beruht auch nicht auf beachtlichen Fehlern bei der nach § 1 Abs. 7 BauGB gebotenen Abwägung. 32Gemäß § 1 Abs. 7 BauGB sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Das Abwägungsgebot umfasst als Verfahrensnorm das Gebot zur Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials (§ 2 Abs. 3 BauGB) und stellt inhaltlich Anforderungen an den Abwägungsvorgang und an das Abwägungsergebnis. Es ist verletzt, wenn eine sachgerechte Abwägung überhaupt nicht stattfindet, wenn in die Abwägung Belange nicht eingestellt werden, die nach Lage der Dinge hätten eingestellt werden müssen, wenn die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens ist dem Abwägungserfordernis genügt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde im Widerstreit verschiedener Belange für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung des anderen Belangs entscheidet. 33Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. September 2015 – 10 D 82/13.NE –, juris, Rn. 30. 34Ohne Erfolg rügen die Antragsteller insoweit eine unzureichende Berücksichtigung der im Regionalplan N2. zum Siedlungsraum und zum Ziel Nummer 3 unter den Randzeichen 135 und 136 niedergelegten Grundsätze der Raumordnung und der hiermit korrespondierenden Planungsgrundsätze und Planungsleitlinien in § 1 Abs. 5 und 6 BauGB. 35Nach § 1 Abs. 5 Satz 3 BauGB soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen. § 1a Abs. 2 Satz 1 BauGB ergänzt hierzu mit Blick auf den Umweltschutz, dass mit Grund und Boden sparsam und schonend umgegangen werden soll; dabei sind zur Verringerung der zusätzlichen Inanspruchnahme von Flächen für bauliche Nutzungen die Möglichkeiten der Entwicklung der Gemeinde insbesondere durch Wiedernutzbarmachung von Flächen, Nachverdichtung und andere Maßnahmen zur Innenentwicklung zu nutzen sowie Bodenversiegelungen auf das notwendige Maß zu begrenzen. 36Die in § 1a Abs. 2 Satz 1 BauGB genannten Belange setzen der Gemeinde im Rahmen der planerischen Abwägung keine strikten, unüberwindbaren Grenzen. Ob sich die Belange im Einzelfall bei der Abwägung durchsetzen, hängt von dem Gewicht der ihnen gegenüberstehenden abwägungserheblichen öffentlichen und privaten Belange ab. 37Vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Juni 2008 – 4 BN 8.08 –, juris, Rn. 4. 38Die planende Gemeinde ist bei der Umsetzung der besagten bauplanungsrechtlichen Vorschriften nicht gehalten, in jedem Baugebiet die maximal mögliche Nachverdichtung zu planen oder eine bislang zulässige Bebauungsdichte zu erhalten. 39Vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 14. Mai 2019 – 1 KN 101/17 –, juris, Rn. 86. 40Nichts Anderes folgt aus den von den Antragstellern angesprochenen Grundsätzen des Regionalplans N3. unter Randnummer 135 f.: 41„Eine flächensparende kompakte Siedlungsentwicklung kann die bereits vorhandene Infrastruktur kostengünstig nutzen. Neben Maßnahmen zur Förderung der Innenentwicklung und Verdichtung der Siedlungsstrukturen sowie der vorrangigen Nutzung von Brach- und Recyclingflächen sollte weiterer Wohnraum auf bereits (teil- ) bebauten Grundstücken durch An- und Umbaumaßnahmen entwickelt werden. Die Schwerpunkte der bauleitplanerischen Vorsorgemaßnahmen sollten verstärkt in einer Verbesserung der Qualität und der Verfügbarkeit, weniger in einer rein quantitativen Ausweitung des Wohnungs- und Wohnflächenangebots liegen. 42Ziel der städtebaulichen Planung ist die Schaffung möglichst kompakter bebauter Bereiche. Deshalb sollen – wenn möglich – die nach den Fachgesetzen erforderlichen Kompensationsmaßnahmen in den dargestellten Bereichen für den Schutz der Natur, den Überschwemmungs- und den Waldbereichen platziert werden.“ 43Die Festsetzungen des Bebauungsplans stehen dazu nicht im Widerspruch. Die vorhandene Bebauung im Plangebiet ist bereits weitgehend kompakt, das heißt ohne große Baulücken und Freiräume, die – wie etwa Flächen für Kompensationsmaßnahmen – einer Bebauung nicht zugänglich sind. Der Bebauungsplan ermöglicht überdies sowohl die Ergänzung der vorhandenen Gebäude durch An- und Umbauten oder Aufstockungen als auch weitere neue Wohnbebauung auf bisher nicht bebauten Flächen. Die Schaffung zusätzlicher Wohneinheiten in bereits vorhandenen Gebäuden ist ebenfalls möglich. Damit wird die Kompaktheit des Siedlungsbereichs im Sinne einer räumlichen Zusammenfassung der zugelassenen Bebauung, die als Gegensatz zu einer unerwünschten Zersiedelung des Raums zu begreifen ist, weiter gefördert. Dagegen bedeutet Kompaktheit im Verständnis des Regionalplans nicht, wie die Antragsteller anscheinend meinen, auf möglichst wenig Fläche möglichst viel Wohnraum unterzubringen, denn nach den vorstehenden Grundsätzen ist vor allen Dingen eine Verbesserung der Qualität und der Verfügbarkeit und weniger eine rein quantitative Ausweitung des Wohnungs- und Wohnflächenangebots gewollt. 44Der Rat war weder unter der Prämisse des sparsamen Umgangs mit Grund und Boden noch mit Blick auf das Gebot, den Außenbereich zu schonen, aufgerufen, seine Planung von vornherein auf eine möglichst weitgehende bauliche Ausnutzung der in das Plangebiet einbezogenen Flächen auszurichten. Die vorstehend angesprochenen Grundsätze hindern einen Plangeber grundsätzlich nicht, Baugebiete mit einer vergleichsweise aufgelockerten Bebauung zu planen, und zwingen ihn keinesfalls zu einer Planung, die eine maximale bauliche Ausnutzung ungeachtet sonstiger städtebaulicher Aspekte ermöglicht. Entscheidend sind seine planerischen Vorstellungen in der konkreten planungsrechtlichen Situation. Dies gilt umso mehr, wenn das Plangebiet – wie hier – bereits überwiegend bebaut ist. Entspricht die Bebauung in einem bisher nicht beplanten Gebiet seinen planerischen Vorstellungen, kann er es grundsätzlich damit bewenden lassen, den Bestand mehr oder weniger festzuschreiben, um diesen Bestand und/oder die mit ihm verbundenen Strukturen planungsrechtlich zu sichern. Entscheidet er sich in einer solchen Situation dazu, über den Bestand hinaus eine moderate bauliche Nachverdichtung im Plangebiet zuzulassen, trägt er damit den vorstehend dargestellten planerischen Grundsätzen zweifelsfrei Rechnung. Vor diesem Hintergrund hatte der Rat hier keine Veranlassung, eine Planvariante in das Aufstellungsverfahren einzuführen, die auf der Grundlage vielfältiger Überlegungen und Untersuchungen die Entwicklung einer von dem Bestand wesentlich abweichenden Bebauung zum Ziel gehabt hätte. Jedenfalls für eine den Vorstellungen des Rates entsprechende Entwicklung des Plangebiets bedurfte es nicht, wie die Antragsteller meinen, der Einholung eines Verkehrsgutachtens im Aufstellungsverfahren, um zu untersuchen, wieviel zusätzlichen Verkehr die der inneren Erschließung des Plangebiets dienenden Verkehrsflächen aufnehmen und mit wieviel zusätzlichem Verkehr die jeweiligen Verbindungen dieser Verkehrsflächen mit dem übrigen Straßennetz der Gemeinde belastet werden könnten. 45Ebenfalls ohne Erfolg machen die Antragsteller geltend, dass der Bebauungsplan mit seinen zahlreichen Beschränkungen ihr aus dem Eigentumsrecht resultierendes schützenswertes Interesse an einer stärkeren baulichen Ausnutzung ihres Grundstücks nur unzureichend berücksichtige. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats kann eine Gemeinde durch ihre Bauleitplanung die bauliche Nutzbarkeit von Grundstücken verändern und dabei auch die privaten Nutzungsmöglichkeiten einschränken oder gar aufheben. Einen Planungsgrundsatz, nach dem die vorhandene Bebauung eines Gebiets nach Art, Maß und überbauter Grundstücksfläche auch bei dessen Überplanung weiterhin zuzulassen ist oder die bisherigen Bebauungsmöglichkeiten gar erweitert werden müssen, gibt es nicht. 46Allerdings setzt eine wirksame städtebauliche Planung voraus, dass hinreichend gewichtige städtebaulich beachtliche Allgemeinbelange für sie sprechen. Diese städtebaulich beachtlichen Allgemeinbelange müssen umso gewichtiger sein, je stärker die Festsetzungen eines Bebauungsplans die Befugnisse des jeweiligen Grundeigentümers einschränken, denn das durch Art. 14 GG gewährleistete Eigentumsrecht gehört in hervorgehobener Weise zu den von der Bauleitplanung zu berücksichtigenden Belangen. Es umfasst neben der Substanz des Eigentums auch die Beachtung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des allgemeinen Gleichheitssatzes. Die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks muss daher vom Plangeber als ein wichtiger Belang privater Eigentümerinteressen bei der nach § 1 Abs. 7 BauGB gebotenen Abwägung der öffentlichen und der privaten Belange beachtet werden. Im Rahmen der Abwägungsentscheidung hat er die Nachteile der Planung für die Planunterworfenen zu berücksichtigen. 47Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Mai 2013 – 4 BN 1.13 –, juris, Rn. 17. 48Ein Abwägungsfehler ist danach, auch wenn der Bebauungsplan die Bebauungsmöglichkeiten für einzelne Grundstücke im Plangebiet gegenüber den dort früher nach § 34 BauGB zulässigen Bebauungsmöglichkeiten hinsichtlich bestimmter baulicher Aspekte einschränken mag, nicht erkennbar. Die Antragsteller können ihr Grundstück vollständig für private Zwecke nutzen. Die dafür mittels Baugrenzen festgesetzte überbaubare Grundstücksfläche ist großzügig bemessen. Hinsichtlich der zulässigen Zahl von Wohneinheiten je Gebäude gehört das Grundstück mit vier zulässigen Wohneinheiten zu denjenigen im Plangebiet, die am stärksten baulich ausgenutzt werden können. Hinsichtlich der zulässigen Zahl der Vollgeschosse sowie der jeweils zulässigen Grund- und Geschossflächenzahl sind die Festsetzungen für fast alle Grundstücke im Plangebiet gleich. 49Die Interessen der betroffenen Grundeigentümer an einer möglichst wirtschaftlichen Nutzung ihrer im Plangebiet gelegenen Grundstücke sind durch die Festsetzungen nicht unangemessen beeinträchtigt. Vielmehr hat der Rat die Ausnutzbarkeit der Grundstücke im Plangebiet in den meisten Fällen verbessert. Er führt insoweit insbesondere zu den Einwendungen der Antragsteller nachvollziehbar aus, dass die sich aus der vorhandenen Bebauung ergebende durchschnittliche Grundflächenzahl von 0,15 auf 0,3 verdoppelt worden sei. Die Baugrenzen seien zur Schaffung zusätzlicher Bauflächen nach Möglichkeit großzügig festgesetzt worden. Auch die festgesetzte Geschossflächenzahl gehe deutlich über das hinaus, was bisher nach § 34 BauGB möglich gewesen sei. In der Planbegründung heißt es zudem, dass überwiegend eine maximal zweigeschossige Bebauung vorgegeben sei, um ein ausgewogenes und ansprechendes Stadtbild zu sichern. Damit werde für die überwiegende Anzahl der bereits vorhandenen Wohnhäuser eine Perspektive für eine Erweiterung eröffnet. 50Diese Erwägungen sind städtebaulicher Natur und als solche nicht zu beanstanden. Insbesondere begründet der Rat die vermeintlich zahlreichen Beschränkungen für die künftige Bebauung der Grundstücke nicht, wie die Antragsteller vortragen, maßgeblich mit entsprechenden Wünschen der Anwohner im Sinne eines „freien Plebiszits“, sondern mit ebensolchen städtebaulichen Aspekten. Abgesehen davon ist es keineswegs von vornherein fehlerhaft, sondern unter Umständen sogar geboten, dass ein Plangeber, der für ein überwiegend bebautes Gebiet erstmals einen Bebauungsplan aufstellt, die bei der erforderlichen Bestandserhebung mehrheitlich geäußerten Interessen der Grundstückseigentümer, soweit sie einen städtebaulichen Bezug haben, in seine Überlegungen zu den künftigen Festsetzungen einfließen lässt. Der Rat hat das Interesse der Antragsteller, ihr Grundstück baulich stärker auszunutzen und etwa mit einem dreigeschossigen Gebäude mit bis zu 12 m Höhe und mit mehr als vier Wohneinheiten zu bebauen, gesehen. Er hat sich aber mit einer Beschränkung der Zahl der Vollgeschosse und der Zahl der Wohneinheiten je Gebäude letztlich gegen eine derart starke bauliche Verdichtung des Plangebiets entschieden, um die Entstehung von unverträglichen beziehungsweise unmaßstäblichen Baustrukturen zu verhindern. Anders als bei der von den Antragstellern gewünschten starken baulichen Ausnutzung der Grundstücke, würde eine Umsetzung der tatsächlich eingeräumten Möglichkeiten zur behutsamen Nachverdichtung die vorhandenen Ruhebereiche nicht zusätzlichem Verkehrslärm aussetzen und würden Wohnformen vermieden, die auf die Nachbarschaft „erdrückend“ wirkten. 51Dass, wie die Antragsteller in der mündlichen Verhandlung vorgetragen haben, viele der im Plangebiet vorhandenen Wohnhäuser alt seien und davon auszugehen sei, dass sie über kurz oder lang durch Neubauten ersetzt würden, bedeutet nicht, dass sich die vom Rat gewollte, am Bestand orientierte Bebauungsstruktur damit zwangsläufig wesentlich verändern muss oder soll. Der Rat hat eine moderate Nachverdichtung des Plangebiets durch eine im Vergleich zum Bestand maßstabsgerechte Neubebauung von Grundstücken im Blick gehabt, wozu natürlich auch eine nach und nach stattfindende altersbedingte Ersetzung der heute vorhandenen Wohnhäuser gehören kann. 52Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. 53Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. 54Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
der antrag wird abgelehnt. die antragsteller tragen die kosten des verfahrens als gesamtschuldner. das urteil ist hinsichtlich der kosten vorläufig vollstreckbar. die antragsteller dürfen die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 von hundert des auf grund des urteils vollstreckbaren betrags abwenden, wenn nicht die antragsgegnerin vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 von hundert des jeweils zu vollstreckenden betrags leistet. die revision wird nicht zugelassen. 1
2die antragsteller wenden sich gegen den bebauungsplan nr. „q.-i.-straße“ der antragsgegnerin (im folgenden: bebauungsplan). sie sind miteigentümer des im plangebiet gelegenen grundstücks m. f. 4. 3das circa 9 ha große plangebiet liegt nördlich des gemeindezentrums zwischen der j. straße im osten, der u.-straße und des x. im westen, dem l. im norden und einer wegeverbindung südlich der straße c. im süden. es handelt sich nach der planbegründung um ein beliebtes, ortsnahes, relativ locker bebautes wohnquartier mit teilweise erheblichen baulandreserven und erhaltenswerten großbäumen. 4der bebauungsplan setzt ein allgemeines wohngebiet, ganz überwiegend zwei vollgeschosse als höchstmaß, eine grundflächenzahl von 0,3 und eine geschossflächenzahl von 0,6 fest. nach der textlichen festsetzung nr. 2 sind innerhalb des bebaugebiets je wohngebäude grundsätzlich nicht mehr als zwei wohneinheiten, in näher bezeichneten bereichen maximal vier wohneinheiten und in einem bereich nicht mehr als eine wohneinheit zulässig. 5ziel der planung ist die schaffung eines planungsrechtlichen rahmens für die bereits überwiegend bebauten grundstücke, für die moderate städtebauliche weiterentwicklung des bestandes und für eine maßvolle nachverdichtung. insbesondere sollen angemessene modernisierungen und erweiterungen der vorhandenen bebauung sowie eine maßstabsgerechte neubebauung bisher nicht genutzter grundstücksteile ermöglicht werden. der planungsrechtliche spielraum, den die grundeigentümer bei der bebauung ihrer grundstücke nach dem bisher einschlägigen § 34 baugb hätten, solle insbesondere hinsichtlich der anzahl der zulässigen wohneinheiten je gebäude und der grundflächenzahl geringfügig eingeschränkt werden. es sollten ausreichend unversiegelte und bepflanzte flächen erhalten bleiben, die bei der starken hanglage des baugebiets das niederschlagswasser aufnähmen und das vorhandene gesunde kleinklima im wohnumfeld gewährleisteten. 6das planverfahren nahm im wesentlichen folgenden verlauf: der rat beschloss in seiner sitzung am 18. november 2015 die aufstellung des bebauungsplans im beschleunigten verfahren nach § 13a baugb. nachdem im dezember 2015 im rahmen einer bürgerversammlung die öffentlichkeit über die allgemeinen ziele und zwecke sowie die wesentlichen auswirkungen der planung unterrichtet worden war und im dezember 2017 nochmals eine bürgerversammlung stattgefunden hatte, um die überarbeitete planung vorzustellen, lag der planentwurf in der zeit vom 22. märz 2019 bis zum 23. april 2019 öffentlich aus. am 10. juli 2019 beschloss der rat den bebauungsplan als satzung. der satzungsbeschluss wurde am 11. juli 2019 öffentlich bekannt gemacht. 7am 24. märz 2021 beschloss der rat die durchführung eines ergänzenden verfahrens. der geänderte planentwurf lag in der zeit vom 19. april 2021 bis zum 18. mai 2021 öffentlich aus. in seiner sitzung am 30. juni 2021 fasste der rat einen neuen satzungsbeschluss und setzte den bebauungsplan rückwirkend zum 27. august 2020 in kraft. dieser satzungsbeschluss wurde durch aushang in der zeit vom 8. september 2021 bis zum 21. september 2021 öffentlich bekannt gemacht. 8die antragsteller haben am 9. märz 2020 den normenkontrollantrag gestellt. zur begründung tragen sie unter bezugnahme auf ihre einwendungen im rahmen der öffentlichen auslegung im wesentlichen vor: 9der bebauungsplan enthalte mit den festsetzungen zur zulässigen grundflächen- und geschossflächenzahl, zur begrenzung der baulichen nutzung durch baufenster und zur anzahl der zulässigen geschosse und wohneinheiten je gebäude zahlreiche beschränkungen. er berücksichtige ihr aus dem eigentumsrecht resultierendes schützenswertes interesse an einer stärkeren baulichen ausnutzung ihres grundstücks nur unzureichend und beruhe daher auf einem abwägungsfehler. 10die vorbenannten zahlreichen beschränkungen der baulichen nutzung der grundstücke habe der rat im wesentlichen mit entsprechenden wünschen der anwohner und aspekten der erschließung des plangebiets begründet, die es erforderlich machten, die notwendigen stellplätze auf den privaten grundstücken anzulegen. die wünsche der anwohner seien aber nicht, wie der rat offenbar meine, im sinne eines „freien plebiszits“ bei der bauleitplanung zu berücksichtigen. der allein emotional begründete wunsch von anwohnern, den charakter des baugebiets weitgehend unverändert zu lassen, sei nicht abwägungsrelevant. vielmehr hätte der rat ein städtebauliches konzept entwickeln und verfolgen müssen. ein solches konzept habe sich bei den mit dem planentwurf ausgelegten unterlagen nicht befunden. 11ihren im aufstellungsverfahren erhobenen einwänden, wonach einer bis zu dreigeschossigen bebauung in teilen des plangebiets und einer damit korrespondierenden gebäudehöhe von 12 m keine auf die künftigen wohnverhältnisse bezogenen hinderungsgründe entgegenstünden, habe der rat letztlich keine belastbaren oder städtebaulich begründeten argumente entgegengesetzt. soweit er sich durch das maß der vorhandenen bebauung gebunden gefühlt haben sollte, widerspräche dies einer gerechten abwägung. 12ein abwägungsfehler ergebe sich insbesondere aus der missachtung der vorgaben und anforderungen der raumordnung. nach den im regionalplan n1. zum siedlungsraum und zum ziel nummer 3 unter den randzeichen 135 und 136 niedergelegten grundsätzen sei zum zwecke eines wirksamen schutzes des außenbereichs eine möglichst effektive nachverdichtung geboten. bestehende wohnbaupotenziale müssten danach durch die schaffung möglichst kompakter siedlungsbereiche ausgenutzt werden. 13auch im hinblick auf die festsetzungen der maximal zulässigen wohneinheiten je gebäude fehle es in der planbegründung an nachvollziehbaren und überzeugenden städtebaulichen argumenten. insbesondere sei nicht erkennbar, dass die erschließungssituation im plangebiet eine derartige beschränkung der zulässigen wohneinheiten erforderlich mache. im aufstellungsverfahren seien keine ermittlungen zu den bestehenden und den zusätzlichen planbedingten verkehrsströmen in form eines verkehrsgutachtens angestellt worden, weshalb die planung ein ermittlungsdefizit aufweise. auch hätten verschiedene mobilitätskonzepte für wohnquartiere untersucht und ernsthaft in erwägung gezogen werden müssen. zudem gebe es zahlreiche möglichkeiten zur reduzierung des individualverkehrs in wohnquartieren, etwa die planung von quartiersgaragen oder die förderung von car- oder ridesharing-konzepten. 14jedenfalls begründe die erschließungs- und stellplatzsituation im plangebiet unter keinen umständen einen planerischen zwangspunkt, der eine so restriktive beschränkung der baulichen nutzungsmöglichkeiten rechtfertigen könne. eine ernsthafte alternativenprüfung im sinne der entwicklung einer planungsvariante, die sowohl das privateigentum als auch den außenbereich mehr schone als die beschlossene planung, habe nicht stattgefunden. 15die antragsteller beantragen, 16den bebauungsplan nr. „q.-i.-straße“ der gemeinde n. in der fassung des satzungsbeschlusses im ergänzenden verfahren vom 30. juni 2021 für unwirksam zu erklären. 17die antragsgegnerin beantragt, 18den antrag abzulehnen. 19wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstands wird auf den inhalt der gerichtsakte und der beigezogenen aufstellungsvorgänge (beiakten hefte 1 bis 3) bezug genommen. 20
21der antrag hat keinen erfolg. 22er ist zulässig. 23die antragsteller sind als eigentümer eines im plangebiet gelegenen grundstücks nach § 47 abs. 2 vwgo antragsbefugt. 24der antrag ist nicht begründet. 25der bebauungsplan hat keine formellen fehler, die nach § 214 abs. 1 satz 1 nr. 3, § 215 abs. 1 satz 1 nr. 1 baugb beachtlich sind und zu seiner unwirksamkeit führen. 26der bebauungsplan lässt auch keine beachtlichen materiellen mängel erkennen. 27er ist nach seiner grundkonzeption im sinne von § 1 abs. 3 satz 1 baugb städtebaulich gerechtfertigt. 28was nach § 1 abs. 3 baugb städtebaulich erforderlich ist, bestimmt sich maßgeblich nach der jeweiligen konzeption der gemeinde. welche städtebaulichen ziele die gemeinde sich setzt, liegt in ihrem planerischen ermessen. der gesetzgeber ermächtigt sie, die städtebaupolitik zu betreiben, die ihren städtebaulichen ordnungsvorstellungen entspricht. 29dem bebauungsplan liegt ausweislich der im tatbestand auszugsweise dargestellten planbegründung eine von legitimen städtebaulichen zielen getragene positive planungskonzeption zugrunde. er ist auch geeignet, das planungsziel, nämlich eine maßvolle, am bestand orientierte nachverdichtung umzusetzen. der rat hat für die grundstücke im plangebiet festsetzungen getroffen, die sich an den bestand anlehnen und überdies möglichkeiten eröffnen, die vorhandenen gebäude zu erweitern und bisher unbebaute flächen erstmals zu bebauen. das plankonzept wird nicht dadurch in frage gestellt, dass eine bebauung über den bestand hinaus möglicherweise nicht auf sämtlichen grundstücken möglich ist. die ermöglichung einer flächendeckenden ausweitung der bebauung losgelöst von der jeweiligen konkreten situation der grundstücke war nicht das planungsziel. 30die einzelnen festsetzungen des bebauungsplans lassen nach durchführung des ergänzenden verfahrens keine rechtsfehler erkennen. solche haben die antragsteller auch nicht geltend gemacht. 31der bebauungsplan beruht auch nicht auf beachtlichen fehlern bei der nach § 1 abs. 7 baugb gebotenen abwägung. 32gemäß § 1 abs. 7 baugb sind die öffentlichen und privaten belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. das abwägungsgebot umfasst als verfahrensnorm das gebot zur ermittlung und bewertung des abwägungsmaterials (§ 2 abs. 3 baugb) und stellt inhaltlich anforderungen an den abwägungsvorgang und an das abwägungsergebnis. es ist verletzt, wenn eine sachgerechte abwägung überhaupt nicht stattfindet, wenn in die abwägung belange nicht eingestellt werden, die nach lage der dinge hätten eingestellt werden müssen, wenn die bedeutung der betroffenen belange verkannt oder wenn der ausgleich zwischen den von der planung berührten belangen in einer weise vorgenommen wird, die zur objektiven gewichtigkeit einzelner belange außer verhältnis steht. innerhalb des so gezogenen rahmens ist dem abwägungserfordernis genügt, wenn sich die zur planung berufene gemeinde im widerstreit verschiedener belange für die bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die zurückstellung des anderen belangs entscheidet. 33vgl. ovg nrw, urteil vom 22. september 2015 – 10 d 82/13.ne –, juris, rn. 30. 34ohne erfolg rügen die antragsteller insoweit eine unzureichende berücksichtigung der im regionalplan n2. zum siedlungsraum und zum ziel nummer 3 unter den randzeichen 135 und 136 niedergelegten grundsätze der raumordnung und der hiermit korrespondierenden planungsgrundsätze und planungsleitlinien in § 1 abs. 5 und 6 baugb. 35nach § 1 abs. 5 satz 3 baugb soll die städtebauliche entwicklung vorrangig durch maßnahmen der innenentwicklung erfolgen. § 1a abs. 2 satz 1 baugb ergänzt hierzu mit blick auf den umweltschutz, dass mit grund und boden sparsam und schonend umgegangen werden soll; dabei sind zur verringerung der zusätzlichen inanspruchnahme von flächen für bauliche nutzungen die möglichkeiten der entwicklung der gemeinde insbesondere durch wiedernutzbarmachung von flächen, nachverdichtung und andere maßnahmen zur innenentwicklung zu nutzen sowie bodenversiegelungen auf das notwendige maß zu begrenzen. 36die in § 1a abs. 2 satz 1 baugb genannten belange setzen der gemeinde im rahmen der planerischen abwägung keine strikten, unüberwindbaren grenzen. ob sich die belange im einzelfall bei der abwägung durchsetzen, hängt von dem gewicht der ihnen gegenüberstehenden abwägungserheblichen öffentlichen und privaten belange ab. 37vgl. bverwg, beschluss vom 12. juni 2008 – 4 bn 8.08 –, juris, rn. 4. 38die planende gemeinde ist bei der umsetzung der besagten bauplanungsrechtlichen vorschriften nicht gehalten, in jedem baugebiet die maximal mögliche nachverdichtung zu planen oder eine bislang zulässige bebauungsdichte zu erhalten. 39vgl. ovg lüneburg, urteil vom 14. mai 2019 – 1 kn 101/17 –, juris, rn. 86. 40nichts anderes folgt aus den von den antragstellern angesprochenen grundsätzen des regionalplans n3. unter randnummer 135 f.: 41„eine flächensparende kompakte siedlungsentwicklung kann die bereits vorhandene infrastruktur kostengünstig nutzen. neben maßnahmen zur förderung der innenentwicklung und verdichtung der siedlungsstrukturen sowie der vorrangigen nutzung von brach- und recyclingflächen sollte weiterer wohnraum auf bereits (teil- ) bebauten grundstücken durch an- und umbaumaßnahmen entwickelt werden. die schwerpunkte der bauleitplanerischen vorsorgemaßnahmen sollten verstärkt in einer verbesserung der qualität und der verfügbarkeit, weniger in einer rein quantitativen ausweitung des wohnungs- und wohnflächenangebots liegen. 42ziel der städtebaulichen planung ist die schaffung möglichst kompakter bebauter bereiche. deshalb sollen – wenn möglich – die nach den fachgesetzen erforderlichen kompensationsmaßnahmen in den dargestellten bereichen für den schutz der natur, den überschwemmungs- und den waldbereichen platziert werden.“ 43die festsetzungen des bebauungsplans stehen dazu nicht im widerspruch. die vorhandene bebauung im plangebiet ist bereits weitgehend kompakt, das heißt ohne große baulücken und freiräume, die – wie etwa flächen für kompensationsmaßnahmen – einer bebauung nicht zugänglich sind. der bebauungsplan ermöglicht überdies sowohl die ergänzung der vorhandenen gebäude durch an- und umbauten oder aufstockungen als auch weitere neue wohnbebauung auf bisher nicht bebauten flächen. die schaffung zusätzlicher wohneinheiten in bereits vorhandenen gebäuden ist ebenfalls möglich. damit wird die kompaktheit des siedlungsbereichs im sinne einer räumlichen zusammenfassung der zugelassenen bebauung, die als gegensatz zu einer unerwünschten zersiedelung des raums zu begreifen ist, weiter gefördert. dagegen bedeutet kompaktheit im verständnis des regionalplans nicht, wie die antragsteller anscheinend meinen, auf möglichst wenig fläche möglichst viel wohnraum unterzubringen, denn nach den vorstehenden grundsätzen ist vor allen dingen eine verbesserung der qualität und der verfügbarkeit und weniger eine rein quantitative ausweitung des wohnungs- und wohnflächenangebots gewollt. 44der rat war weder unter der prämisse des sparsamen umgangs mit grund und boden noch mit blick auf das gebot, den außenbereich zu schonen, aufgerufen, seine planung von vornherein auf eine möglichst weitgehende bauliche ausnutzung der in das plangebiet einbezogenen flächen auszurichten. die vorstehend angesprochenen grundsätze hindern einen plangeber grundsätzlich nicht, baugebiete mit einer vergleichsweise aufgelockerten bebauung zu planen, und zwingen ihn keinesfalls zu einer planung, die eine maximale bauliche ausnutzung ungeachtet sonstiger städtebaulicher aspekte ermöglicht. entscheidend sind seine planerischen vorstellungen in der konkreten planungsrechtlichen situation. dies gilt umso mehr, wenn das plangebiet – wie hier – bereits überwiegend bebaut ist. entspricht die bebauung in einem bisher nicht beplanten gebiet seinen planerischen vorstellungen, kann er es grundsätzlich damit bewenden lassen, den bestand mehr oder weniger festzuschreiben, um diesen bestand und/oder die mit ihm verbundenen strukturen planungsrechtlich zu sichern. entscheidet er sich in einer solchen situation dazu, über den bestand hinaus eine moderate bauliche nachverdichtung im plangebiet zuzulassen, trägt er damit den vorstehend dargestellten planerischen grundsätzen zweifelsfrei rechnung. vor diesem hintergrund hatte der rat hier keine veranlassung, eine planvariante in das aufstellungsverfahren einzuführen, die auf der grundlage vielfältiger überlegungen und untersuchungen die entwicklung einer von dem bestand wesentlich abweichenden bebauung zum ziel gehabt hätte. jedenfalls für eine den vorstellungen des rates entsprechende entwicklung des plangebiets bedurfte es nicht, wie die antragsteller meinen, der einholung eines verkehrsgutachtens im aufstellungsverfahren, um zu untersuchen, wieviel zusätzlichen verkehr die der inneren erschließung des plangebiets dienenden verkehrsflächen aufnehmen und mit wieviel zusätzlichem verkehr die jeweiligen verbindungen dieser verkehrsflächen mit dem übrigen straßennetz der gemeinde belastet werden könnten. 45ebenfalls ohne erfolg machen die antragsteller geltend, dass der bebauungsplan mit seinen zahlreichen beschränkungen ihr aus dem eigentumsrecht resultierendes schützenswertes interesse an einer stärkeren baulichen ausnutzung ihres grundstücks nur unzureichend berücksichtige. nach der rechtsprechung des bundesverwaltungsgerichts und des senats kann eine gemeinde durch ihre bauleitplanung die bauliche nutzbarkeit von grundstücken verändern und dabei auch die privaten nutzungsmöglichkeiten einschränken oder gar aufheben. einen planungsgrundsatz, nach dem die vorhandene bebauung eines gebiets nach art, maß und überbauter grundstücksfläche auch bei dessen überplanung weiterhin zuzulassen ist oder die bisherigen bebauungsmöglichkeiten gar erweitert werden müssen, gibt es nicht. 46allerdings setzt eine wirksame städtebauliche planung voraus, dass hinreichend gewichtige städtebaulich beachtliche allgemeinbelange für sie sprechen. diese städtebaulich beachtlichen allgemeinbelange müssen umso gewichtiger sein, je stärker die festsetzungen eines bebauungsplans die befugnisse des jeweiligen grundeigentümers einschränken, denn das durch art. 14 gg gewährleistete eigentumsrecht gehört in hervorgehobener weise zu den von der bauleitplanung zu berücksichtigenden belangen. es umfasst neben der substanz des eigentums auch die beachtung des verfassungsrechtlichen grundsatzes der verhältnismäßigkeit und des allgemeinen gleichheitssatzes. die beschränkung der nutzungsmöglichkeiten eines grundstücks muss daher vom plangeber als ein wichtiger belang privater eigentümerinteressen bei der nach § 1 abs. 7 baugb gebotenen abwägung der öffentlichen und der privaten belange beachtet werden. im rahmen der abwägungsentscheidung hat er die nachteile der planung für die planunterworfenen zu berücksichtigen. 47vgl. bverwg, beschluss vom 15. mai 2013 – 4 bn 1.13 –, juris, rn. 17. 48ein abwägungsfehler ist danach, auch wenn der bebauungsplan die bebauungsmöglichkeiten für einzelne grundstücke im plangebiet gegenüber den dort früher nach § 34 baugb zulässigen bebauungsmöglichkeiten hinsichtlich bestimmter baulicher aspekte einschränken mag, nicht erkennbar. die antragsteller können ihr grundstück vollständig für private zwecke nutzen. die dafür mittels baugrenzen festgesetzte überbaubare grundstücksfläche ist großzügig bemessen. hinsichtlich der zulässigen zahl von wohneinheiten je gebäude gehört das grundstück mit vier zulässigen wohneinheiten zu denjenigen im plangebiet, die am stärksten baulich ausgenutzt werden können. hinsichtlich der zulässigen zahl der vollgeschosse sowie der jeweils zulässigen grund- und geschossflächenzahl sind die festsetzungen für fast alle grundstücke im plangebiet gleich. 49die interessen der betroffenen grundeigentümer an einer möglichst wirtschaftlichen nutzung ihrer im plangebiet gelegenen grundstücke sind durch die festsetzungen nicht unangemessen beeinträchtigt. vielmehr hat der rat die ausnutzbarkeit der grundstücke im plangebiet in den meisten fällen verbessert. er führt insoweit insbesondere zu den einwendungen der antragsteller nachvollziehbar aus, dass die sich aus der vorhandenen bebauung ergebende durchschnittliche grundflächenzahl von 0,15 auf 0,3 verdoppelt worden sei. die baugrenzen seien zur schaffung zusätzlicher bauflächen nach möglichkeit großzügig festgesetzt worden. auch die festgesetzte geschossflächenzahl gehe deutlich über das hinaus, was bisher nach § 34 baugb möglich gewesen sei. in der planbegründung heißt es zudem, dass überwiegend eine maximal zweigeschossige bebauung vorgegeben sei, um ein ausgewogenes und ansprechendes stadtbild zu sichern. damit werde für die überwiegende anzahl der bereits vorhandenen wohnhäuser eine perspektive für eine erweiterung eröffnet. 50diese erwägungen sind städtebaulicher natur und als solche nicht zu beanstanden. insbesondere begründet der rat die vermeintlich zahlreichen beschränkungen für die künftige bebauung der grundstücke nicht, wie die antragsteller vortragen, maßgeblich mit entsprechenden wünschen der anwohner im sinne eines „freien plebiszits“, sondern mit ebensolchen städtebaulichen aspekten. abgesehen davon ist es keineswegs von vornherein fehlerhaft, sondern unter umständen sogar geboten, dass ein plangeber, der für ein überwiegend bebautes gebiet erstmals einen bebauungsplan aufstellt, die bei der erforderlichen bestandserhebung mehrheitlich geäußerten interessen der grundstückseigentümer, soweit sie einen städtebaulichen bezug haben, in seine überlegungen zu den künftigen festsetzungen einfließen lässt. der rat hat das interesse der antragsteller, ihr grundstück baulich stärker auszunutzen und etwa mit einem dreigeschossigen gebäude mit bis zu 12 m höhe und mit mehr als vier wohneinheiten zu bebauen, gesehen. er hat sich aber mit einer beschränkung der zahl der vollgeschosse und der zahl der wohneinheiten je gebäude letztlich gegen eine derart starke bauliche verdichtung des plangebiets entschieden, um die entstehung von unverträglichen beziehungsweise unmaßstäblichen baustrukturen zu verhindern. anders als bei der von den antragstellern gewünschten starken baulichen ausnutzung der grundstücke, würde eine umsetzung der tatsächlich eingeräumten möglichkeiten zur behutsamen nachverdichtung die vorhandenen ruhebereiche nicht zusätzlichem verkehrslärm aussetzen und würden wohnformen vermieden, die auf die nachbarschaft „erdrückend“ wirkten. 51dass, wie die antragsteller in der mündlichen verhandlung vorgetragen haben, viele der im plangebiet vorhandenen wohnhäuser alt seien und davon auszugehen sei, dass sie über kurz oder lang durch neubauten ersetzt würden, bedeutet nicht, dass sich die vom rat gewollte, am bestand orientierte bebauungsstruktur damit zwangsläufig wesentlich verändern muss oder soll. der rat hat eine moderate nachverdichtung des plangebiets durch eine im vergleich zum bestand maßstabsgerechte neubebauung von grundstücken im blick gehabt, wozu natürlich auch eine nach und nach stattfindende altersbedingte ersetzung der heute vorhandenen wohnhäuser gehören kann. 52die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 1 vwgo. 53die entscheidung zur vorläufigen vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 vwgo in verbindung mit den §§ 708 nr. 10, 711 zpo. 54die revision ist nicht zuzulassen, da die voraussetzungen des § 132 abs. 2 vwgo nicht vorliegen.
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7 D 49/17.NE
2022-06-09T00:00:00
Urteil
Tenor Der Antrag wird abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht zuvor die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags Sicherheit leistet. Die Revision wird nicht zugelassen. 1Tatbestand: 2Der Antragsteller wendet sich gegen einen Bebauungsplan, mit dem die Antragsgegnerin für einen bislang weitgehend unbebauten Bereich Wohngebiete sowie Flächen für den Gemeinbedarf (Kindertagesstätte und Schule) ausweist. 3Der Antragsteller ist Miteigentümer des Grundstücks Gemarkung L1. , Flur 00, Flurstück 000, mit der postalischen Bezeichnung X.--------straße 01. Das Grundstück liegt an der nördlichen Seite der X.--------straße . Es ist mit einem Wohnhaus bebaut. 4Das etwa 9 ha große Plangebiet liegt im Stadtbezirk M. , Ortsteil I. , westlich des Krankenhauskomplexes T. . F. -I. . Es wird im Westen durch die N.----------straße , im Norden durch die X.--------straße und im Süden durch die C. Straße begrenzt. Im Osten reicht das Plangebiet bis an die Garten- und Parkanlagen des Krankenhauses heran. Der zentrale Bereich des Plangebiets bestand überwiegend aus bewirtschafteten Ackerflächen und Wiesen. Im nordwestlichen Teil des Plangebiets liegt - über eine Zufahrt von der X.--------straße her erschlossen - der bisherige Besucher-Parkplatz des Krankenhauses. Im östlichen Teil des Plangebiets liegt eine Fläche, die früher durch eine Gärtnerei genutzt wurde. Zwischen der ehemaligen Gärtnerei und dem denkmalgeschützten Park des Krankenhauses liegt der sogenannte Rosengarten, ein eingetragenes Baudenkmal. Im Plangebiet hat inzwischen die Bebauung der Baugrundstücke begonnen. Westlich des Plangebiets liegt jenseits des N.------ ein Waldgelände. Nördlich des Plangebiets befindet sich an der nördlichen Seite der X.--------straße überwiegend Wohnbebauung. Durch Wohnbebauung ist auch der südlich angrenzende Bereich an der C. Straße geprägt. Der Flächennutzungsplan der Antragsgegnerin stellte das Plangebiet überwiegend als Gemeinbedarfsfläche mit der Zweckbestimmung Krankenhaus dar. Der westliche Teil des Plangebiets war entlang des N.------ als Grünfläche dargestellt. Der Plan wurde im parallelen Verfahren durch Feststellungsbeschluss vom 2.2.2016, dessen Genehmigung vom 23.3.2016 am 20.4.2016 bekannt gemacht wurde, geändert; nunmehr werden Wohnbauflächen, Grünflächen sowie eine Gemeinbedarfsfläche dargestellt. Der Regionalplan für den Regierungsbezirk L. stellt das Plangebiet als Allgemeinen Siedlungsbereich mit einer überlagernden Darstellung für Gewässerschutz und Grundwasserschutz dar. Der Landschaftsplan der Antragsgegnerin setzt im westlichen Plangebiet das Landschaftsschutzgebiet "Äußerer Grüngürtel N1. bis N2. und verbindende Grünzüge" fest; die Festsetzung zielt auf die Sicherung eines stadt-klimatisch und ökologisch wichtigen Ausgleichsraums, eines historischen Landschaftsparks und eines großen Erholungsraums. Der Landschaftsplan setzt ferner im südwestlichen Bereich des Bebauungsplangebiets den geschützten Landschaftsbestandteil 3.07 "Obstwiese und Obstbaumallee westlich des Krankenhauses I1. in M. " fest. 5Der angegriffene Bebauungsplan trifft im Wesentlichen folgende Festsetzungen: 6Als Art der baulichen Nutzung werden für die geplanten Wohnhäuser 6 allgemeine Wohngebiete (WA) festgesetzt. In den WA werden die gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO allgemein zulässigen, der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften ausgeschlossen. Ferner werden in den WA auch die nicht störenden Handwerksbetriebe im Sinne von § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO ausgeschlossen. Des Weiteren werden nach § 4 Abs. 3 BauNVO ausnahmsweise zulässige Anlagen für Verwaltungen, Tankstellen und Gartenbaubetriebe ausgeschlossen. In den WA 2 bis 6 werden auch die nach § 4 Abs. 3 BauNVO ausnahmsweise zulässigen Beherbergungsbetriebe ausgeschlossen. Im Bereich des WA 1 wird eine gemeinsame Tiefgarage als zulässig dargestellt. Oberirdische Stellplätze sind im WA 1 unzulässig. Am nördlichen Rand des WA 1 verläuft eine private Verkehrsfläche. Für Anlieger sowie Ver- und Entsorgungsträger werden in den WA Fahrrechte festgesetzt. Ferner wird eine Gemeinbedarfsfläche mit der Zweckbestimmung "Schule" und eine Gemeinbedarfsfläche mit der Zweckbestimmung "Kindertagesstätte" festgesetzt. Es werden Festsetzungen zur Grundflächenzahl, Geschossflächenzahl und der Zahl der Vollgeschosse sowie zur Höhe der baulichen Anlagen getroffen. Des Weiteren werden Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche und zur Bauweise getroffen. Im nördlichen Teil und im südlichen Teil des Plangebiets werden die Planstraße 1 und 2 als öffentliche Straßenverkehrsfläche festgesetzt. Dazwischen verläuft eine öffentliche Verkehrsfläche mit der Zweckbestimmung "verkehrsberuhigt". Die Durchfahrt zwischen Planstraße 1 und dieser Verkehrsfläche ist nur für Versorgungsfahrzeuge und Entsorgungsfahrzeuge erlaubt. In den WA 2 bis 6 sind Stellplätze nur in den überbaubaren Grundstücksflächen zulässig. Entlang des N.------ wird ein Lärmschutzwall festgesetzt. Ferner werden Maßnahmen des passiven Lärmschutzes festgesetzt. Des Weiteren werden private Grünflächen und ein Kinderspielplatz ausgewiesen sowie Festsetzungen zum Anpflanzen und zur Erhaltung von Bäumen und sonstigen Bepflanzungen getroffen. Westlich der geplanten Schule wird eine Versickerungsfläche festgesetzt. Ferner werden Festsetzungen zur Dachbegrünung getroffen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Festsetzungen des Plans wird auf das Original der Planurkunde verwiesen. 7Die Tiefgarage im Bereich des WA 1 soll nach der Planbegründung von Norden her unterirdisch vom Untergeschoss des geplanten Parkhauses auf dem benachbarten Gelände des MedCampus 2 über eine Privatstraße mit Zufahrt zur X.--------straße erschlossen werden. Nach der Planbegründung geht die Antragsgegnerin davon aus, dass die Verträglichkeit der Zufahrt zur Tiefgarage bzw. zum Parkhaus von der X.--------straße aus im Baugenehmigungsverfahren nachgewiesen werden kann. Zur Entsorgung des Niederschlagswassers ist nach der Planbegründung vorgesehen, dass das Niederschlagswasser der öffentlichen Verkehrsflächen in die bestehende Kanalisation geleitet wird. Das auf den privaten Flächen der WA 2-6 anfallende Niederschlagswasser soll auf diesen Grundstücken versickert werden. Das Niederschlagswasser des WA 1 soll südöstlich dieses Gebiets in einem unterirdischen Rigolen-System versickert werden. Das Niederschlagswasser der Gemeinbedarfsflächen (Schule und Kindertagesstätte) soll mithilfe von Rohr-Rigolen unter dem Schulhof innerhalb der festgesetzten Flächen für Versickerung westlich des Schulhofs versickert werden. Die Dachbegrünung in den Wohngebieten soll zu einem verzögerten Niederschlagswasserabfluss beitragen. 8Das Planaufstellungsverfahren nahm im Wesentlichen folgenden Verlauf: Der Stadtentwicklungsausschuss der Antragsgegnerin beschloss am 14.5.2012 die Planaufstellung und die Durchführung einer frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung, welche am 5.7.2012 stattfand. Dazu wurden schriftliche Stellungnahmen nachgereicht. Ferner fand im September und Oktober 2012 eine frühzeitige Beteiligung der Träger öffentlicher Belange statt. Zugleich wurden verschiedene Fachämter der Antragsgegnerin beteiligt. Vom Dezember 2013 bis Januar 2014 wurden Behörden und sonstige Träger öffentlicher Belange nach § 4 Abs. 2 BauGB beteiligt. Im Rahmen des gleichzeitigen Ämterumlaufs gaben verschiedene Fachämter der Antragsgegnerin Stellungnahmen ab. Am 22.1.2015 beschloss der Stadtentwicklungsausschuss die öffentliche Auslegung des Planentwurfs gemäß § 3 Abs. 2 BauGB. Der Beschluss wurde am 18.2.2015 im Amtsblatt der Antragsgegnerin bekannt gemacht. Wegen des Inhalts der Bekanntmachung wird auf Beiakte 8, Bl. 816 verwiesen. Vom 26.2.2015 bis 25.3.2015 einschließlich lag der Planentwurf mit Begründung öffentlich aus. Während der Offenlage reichte u. a. der Antragsteller umfangreiche Einwendungen ein. Am 7.11.2016 schlossen die Beigeladene und die Antragsgegnerin einen städtebaulichen Vertrag. Darin verpflichtete sich die Beigeladene u. a. zur Errichtung eines Parkhauses außerhalb des Plangebiets nördlich des WA 1 sowie zur Errichtung des im Plan festgesetzten Lärmschutzwalls und zur Durchführung externer Ausgleichsmaßnahmen. In dem am 2.11.2016 geschlossenen Erschließungsvertrag ist ein Lageplan im Maßstab 1:500 in Bezug genommen, in dem die Zufahrt zur Tiefgarage des WA 1 über die außerhalb der Plangebiets gelegenen Grundstücke zur X.--------straße hin eingetragen ist. Am 17.11.2016 beschloss der Rat der Antragsgegnerin den Bebauungsplan als Satzung. Ferner wurde die Begründung beschlossen. Des Weiteren wurde ein Beschluss über die zum Entwurf abgegebenen Stellungnahmen gemäß einer tabellarischen Darstellung und Bewertung gefasst Der Satzungsbeschluss wurde im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 7.6.2017 bekannt gemacht. 9Der Antragsteller hat am 3.7.2017 Antrag auf Normenkontrolle gestellt. 10Der Senat hat mit Urteil vom 18.1.2019 die Unwirksamkeit des Bebauungsplans festgestellt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Plan sei unter Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB zustande gekommen. Auf den Antrag der Antragsgegnerin und der Beigeladenen hat das Bundesverwaltungsgericht die Revision zugelassen, das Urteil des Senats durch Urteil vom 20.1.2021 - 4 CN 7.19 - aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Senat zurückverwiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts liege kein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB vor. Das Urteil stelle sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Das Oberverwaltungsgericht habe den Inhalt nicht erwähnter Stellungnahmen von Behörden und Fachämtern der Antragsgegnerin nicht festgestellt; der Senat könne daher nicht entscheiden, ob die verfügbaren Arten umweltbezogener Informationen durch die Bekanntmachung erfasst seien. Die tatrichterlichen Feststellungen ließen auch nicht den Schluss zu, dass der Plan gegen § 1 Abs. 5 BauNVO verstoße. Sie erlaubten keine Entscheidung darüber, ob für den Ausschluss der allgemein zulässigen Nutzungen nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO städtebauliche Gründe vorgelegen hätten. Sie erlaubten auch keine Entscheidung darüber, ob der Bebauungsplan im Übrigen rechtmäßig sei, das gelte auch für die Frage, ob ein "Etikettenschwindel" vorliege und der Bebauungsplan deshalb gegen § 1 Abs. 3 BauGB verstoße. 11Der Antragsteller trägt im Wesentlichen vor: Er sei antragsbefugt. Die Realisierung des Bebauungsplans führe insbesondere für die Anlieger der X.--------straße zu einer unzumutbaren Zunahme der Verkehrsbelastung. Der Antrag sei auch begründet. Der Plan sei unwirksam. Die Offenlagebekanntmachung nach § 3 Abs. 2 BauGB habe nicht die erforderliche Anstoßwirkung erzielt, weil eine Planzeichnung nicht mitveröffentlicht worden sei und weil die schriftliche Bezeichnung des Bebauungsplangebiets mit der Bezeichnung X.--------straße in L. -M. nicht ausreichend gewesen sei. Ferner seien die Ausgleichsflächen für den naturschutzrechtlichen Eingriff im Rahmen der Auslegungsbekanntmachung nicht hinreichend dargestellt worden. Es liege ein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB vor. Die Bekanntmachung der Offenlage genüge hinsichtlich des Hinweises auf die verfügbaren Umweltinformationen nicht den einschlägigen Anforderungen. Die Bekanntmachung vom 18.2.2015 beschränke sich darauf, die Stellungnahmen zu bestimmten umweltrelevanten Aspekten aufzulisten. Weder seien die Stellungnahmen nach Themenblöcken zusammengefasst noch erfolge eine schlagwortartige Charakterisierung einzelner Stellungnahmen. Ferner habe in der öffentlichen Bekanntmachung entgegen § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB kein Hinweis auf die umweltbezogenen Stellungnahmen von Trägern öffentlicher Belange und Stellungnahmen von Privatpersonen im Rahmen der ersten Offenlage stattgefunden. Von der Auflistung der Bekanntmachung nicht erfasst seien die Stellungnahme zum Brandschutz vom 4.10.2012, die Stellungnahme zu archäologischen Bodendenkmälern vom 14.9.2012, die Stellungnahmen zu Biodiversität sowie zur sparsamen Nutzung von Energie und zu elektromagnetischen Feldern vom 5.10.2012, die Stellungnahme vom 11.10.2012 zu Erschütterungen und die Stellungnahme vom 12.9.2012 zu dem Thema Kampfmittelverdacht. Die offengelegten Unterlagen seien entgegen § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB nicht vollständig gewesen. Insbesondere sei der städtebauliche Vertrag nicht ausgelegt worden. Der Plan leide auch an Bestimmtheitsmängeln. Die textlichen Festsetzungen zum aktiven und passiven Lärmschutz seien unbestimmt. Die Lärmschutzwallfestsetzung sei unbestimmt, weil nicht angegeben sei, nach welchem Regelwerk das angegebene Schalldämmmaß zu berechnen sei. Die Festsetzung zur maximalen Geschossfläche des obersten Vollgeschosses (2/3 der Geschossfläche des darunter liegenden Geschosses in WA 1, 4 und 5) in Ziff. 2.2 sei unbestimmt; sie widerspreche der Planbegründung, die auf Seite 6 eine ¾ Regelung behandele. Der Bebauungsplan sei auch deshalb fehlerhaft, weil er gegen § 1 Abs. 3 BauGB verstoße. Bei den Festsetzungen allgemeiner Wohngebiete handele es sich um einen „Etikettenschwindel“. Die Regelungen des städtebaulichen Vertrags und die festgesetzten Ausschlüsse der nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO in allgemeinen Wohngebieten an sich allgemein zulässigen Nutzungen führten dazu, dass es sich faktisch um ein reines Wohngebiet handle. Dies sei aber so aus Gründen der Lärmschutzkonzeption nicht festgesetzt worden. Es liege ein Verstoß gegen Raumordnungsziele vor. Es liege zudem ein Verstoß gegen § 1 Abs. 5 BauNVO vor, weil der Plan ohne erforderliche städtebauliche Gründe auch gebietsversorgende Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störende Handwerksbetriebe in den allgemeinen Wohngebieten ausschließe. Nach der Begründung würden sie ausgeschlossen, weil sie wegen ihres Störpotentials nicht gewollt seien. Ein im öffentlichen Interesse liegender Grund, weshalb das Störpotential nicht gewollt sei, werde nicht genannt. Zudem bestehe für den Ausschluss ohnehin wegen der erheblichen Lärmvorbelastung kein Grund, das Störpotential der wohnaffinen Versorgungsinfrastruktur trete völlig hinter dem Verkehrslärm zurück, zumal diesem durch passive Lärmschutzmaßnahmen begegnet werden solle. Die Abwägung der Antragsgegnerin beruhe auf unzureichenden Ermittlungen. Die zu erwartende Verkehrsbelastung sei fehlerhaft ermittelt und bewertet worden. Fehlerhaft seien auch die Ermittlungen zum Lärmschutz, zum Artenschutz, zum Denkmalschutz, sowie im Hinblick auf die Frischluftzufuhr und im Hinblick auf die Feinstaubbelastung. Die Abwägung sei auch materiell fehlerhaft, weil in Betracht kommende Planungsalternativen nicht hinreichend erwogen worden seien. Des Weiteren sei der Plan auch fehlerhaft, weil die so genannten CEF- Maßnahmen zum Artenschutz keinen Eingang in die Festsetzungen gefunden hätten. Es liege ein Verstoß gegen das Gebot der Konfliktbewältigung im Hinblick auf den Stellplatznachweis vor. Der Verkehrskonflikt im Bereich der Parkhauszufahrt, über die die Tiefgarage unter dem WA 1 angebunden sei, sei ebenso nicht hinreichend gelöst, der Vorbescheid vom 13.9.2016 werde im Berufungsverfahren 7 A 1559/21 angegriffen, über die Baugenehmigung vom 18.5.2021 werde beim Verwaltungsgericht im Verfahren 8 K 3716/21 gestritten. Ferner liege eine Abwägungsdisproportionalität im Hinblick auf den Lärmschutz vor, da die Antragsgegnerin im Ergebnis zu einer zumutbaren Belastung komme. Abwägungsfehlerhaft seien auch die Regelungen zu Fragen der Erschließung sowie zur Entwässerungsproblematik. Die Starkregenproblematik sei nicht hinreichend abgewogen. Die Antragsgegnerin habe sich keine Gedanken dazu gemacht, für welche Starkregenereignisse Vorsorge getroffen werden solle. Die Belange des Landschaftsschutzes seien nicht ordnungsgemäß abgewogen. 12Der Antragsteller beantragt, 13den Bebauungsplan Nr. 00000/03 X.--------straße , als Satzung beschlossen am 17.11.2016 und im Amtsblatt der Stadt L. veröffentlicht am 7.6.2017, für unwirksam zu erklären. 14Die Antragsgegnerin beantragt, 15den Antrag abzulehnen. 16Die Antragsgegnerin trägt vor: Der Antrag sei unbegründet. Insbesondere sei die Offenlagebekanntmachung nicht mangelhaft. Die Angaben zu den Arten der verfügbaren Umweltinformationen entsprächen den gesetzlichen Anforderungen. Anhand der veröffentlichten Gutachten habe sich jeder interessierte Bürger ein Bild über den Inhalt der zur Verfügung stehenden Umweltinformationen machen und während der Offenlage die Gutachten und Informationen einsehen können. Gerade durch die Auflistung der in Auftrag gegebenen Gutachten einschließlich der in den einzelnen Gutachten behandelten Themen seien die abgehandelten Umweltthemen in Themenblöcken zusammengefasst und schlagwortartig charakterisiert worden. Bei der Artenschutzprüfung I habe es sich lediglich um eine so genannte Potenzialabschätzung im Hinblick auf mögliche Vorkommen von Tier- und Pflanzengruppen im Plangebiet gehandelt. Deshalb sei es noch gar nicht möglich gewesen, die genau untersuchten Schutzgüter und damit die Arten umweltbezogener Informationen im Einzelnen zu benennen. Soweit der Antragsteller rüge, die umweltbezogenen Stellungnahmen von Trägern öffentlicher Belange und von Privatpersonen seien nicht erwähnt worden, greife dies nicht durch. Die in den eingegangenen Stellungnahmen behandelten Umweltthemen seien entsprechend den Anforderungen des Gesetzes in der Bekanntmachung vom 18.2.2015 aufgeführt worden. Da nur Angaben über „Arten“ umweltbezogener Informationen gemacht werden müssten, sei es nicht erforderlich, sämtliche auszulegenden Stellungnahmen, d. h. auch Stellungnahmen von Trägern öffentlicher Belange sowie von Privatpersonen einschließlich ihres Inhalts aufzulisten. Der Plan leide auch nicht an materiellen Mängeln. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Antragserwiderung vom 22.11.2018 verwiesen. 17Die Beigeladene beantragt, 18den Normenkontrollantrag abzulehnen. 19Sie trägt im Wesentlichen vor: Angesichts der erteilten Baugenehmigungen für die Tiefgarage und die Häuser im WA 1 sei zweifelhaft, ob noch ein Rechtschutzinteresses des Antragstellers bestehe. Der Antrag sei aber auch in der Sache unbegründet. Die Offenlagebekanntmachung sei nicht fehlerhaft. Die von der Rechtsprechung geforderte schlagwortartige Kennzeichnung bzw. Charakterisierung der vorliegenden Umweltinformationen sei hier in hinreichender Weise bereits durch die insoweit aussagekräftigen Bezeichnungen der aufgeführten Unterlagen sowie im Übrigen dadurch gegeben, dass die einzelnen Unterlagen hinsichtlich der in ihnen konkret behandelten Umweltbelange schlagwortartig zusammengefasst worden seien, wo dies erforderlich gewesen sei. Dadurch habe die Antragsgegnerin sichergestellt, dass bereits aus der Bekanntmachung ohne weiteres erkennbar sei, welche Umweltinformationen in den aufgeführten Unterlagen enthalten seien. Soweit der Antragsteller meine, der Bekanntmachung lasse sich nicht entnehmen, welche Umweltbelange in der Artenschutzprüfung I behandelt seien, habe die Antragsgegnerin bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass Sinn und Zweck der Artenschutzprüfung I im Rahmen des Bauleitplanverfahrens gerade darin liege, die möglicherweise von der Bauleitplanung betroffenen Tier- und Pflanzenarten im Rahmen einer überschlägigen Vorprüfung überhaupt erst zu identifizieren. Eine vertiefende artbezogene Analyse finde erst auf der Ebene der Artenschutzprüfung II statt. Die Offenlagebekanntmachung habe auch einen ausreichenden Hinweis darauf enthalten, welche Arten von Dokumenten zu den einzelnen Themen verfügbar seien. Sie benenne schlagwortartig den Umweltbericht sowie Fachgutachten bzw. Sachverständigengutachten und gebe damit zugleich die Quelle der jeweiligen Information an. Damit sei die Anstoßfunktion erfüllt. Für sie sei es regelmäßig nur von Belang, ob die Öffentlichkeit habe erkennen könne, dass zu bestimmten Umweltthemen bereits Stellungnahmen Fachkundiger vorliegen und daher kein Anlass bestehe, im Rahmen der Offenlage auf eine vertiefte Untersuchung dieser Themen hinzuwirken. Vor diesem Hintergrund sei es auch unschädlich, dass die Antragsgegnerin im Rahmen der Bekanntmachung nicht auch auf das Vorliegen der Stellungnahmen Privater vor allem aus der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung hingewiesen habe. Zum einen genüge es grundsätzlich, wenn der Bekanntmachungstext einen Überblick über die betroffenen Umweltbelange gebe, die nach den im Zeitpunkt der Bekanntmachung vorliegenden Stellungnahmen und Unterlagen bei dem konkreten Plan eine Rolle spielten, weshalb es keiner ausnahmslosen Auflistung aller eingegangenen Stellungnahmen bedürfe. Weitergehende Angaben zu den Stellungnahmen im Rahmen der frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit hätten nichts dazu beitragen können, interessierte Bürger dazu zu ermuntern, sich über die gemeindlichen Planungsabsichten zu informieren und gegebenenfalls mit Anregungen und Bedenken dazu beizutragen. Hinsichtlich der Bezeichnung der Themen archäologische Bodendenkmäler und Erschütterungen sei jedenfalls bei quantitativer und qualitativer Betrachtung von einzelnen fehlenden Informationen auszugehen, sodass ein Mangel des Hinweises nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 b) BauGB unbeachtlich sei. Soweit der Antragsteller eine Rechtswidrigkeit des Plans aus dem Fehlen städtebaulicher Gründe für den Ausschluss der Nutzungen nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO herleiten wolle, könne dem nicht gefolgt werden. Erforderlich und für den Nutzungsausschluss ausreichend sei, dass dieser durch hinreichend gewichtige Allgemeinwohlbelange gerechtfertigt sei. Ein besonderes öffentliches Interesse für den Ausschluss sei nicht erforderlich. Hier verhindere der Ausschluss das Entstehen gebietsfremder Verkehre, die nach dem Plankonzept vermieden werden sollen. Ein Etikettenschwindel liege nicht vor. Das Ziel der Planung, im Plangebiet neben Wohnnutzung auch weitere in einem reinen Wohngebiet nicht zulässige Nutzungen in einem begrenzten Umfang zuzulassen, hätte durch Festsetzung eines reinen Wohngebiets nicht erreicht werden können. Dass nach dem städtebaulichen Vertrag in erster Linie Wohnbebauung vorgesehen sei, rechtfertige keine andere Beurteilung. Die Festsetzung des Schalldämmmaßes des Lärmschutzwalls laufe ins Leere, da Lärmschutzwälle das erforderliche Maß in jedem Falle erfüllten. Die Abwägung sei nicht zu beanstanden, insbesondere seien auch die Aspekte des Landschaftsschutzes fehlerfrei abgewogen. 20Der Berichterstatter des Senats hat die Örtlichkeit am 16.10.2018 sowie ein weiteres Mal am 5.4.2022 besichtigt. 21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Planaufstellungsvorgänge und der Planurkunde des Bebauungsplans sowie der Gerichtsakten zu den erfolglosen Anträgen des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (OVG NRW, Beschluss vom 29.6.2021 - 7 B 373/21.NE - und BVerwG, Beschluss vom 30.4.2019 - 4 VR 3.19 - zuvor: OVG NRW - 7 B 280/19.NE) Bezug genommen. Ferner wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge zum Verfahren - 7 A 1559/21 - Bezug genommen. 22Entscheidungsgründe: 23Der Senat entscheidet über den Normenkontrollantrag gemäß § 109 Justizgesetz NRW vom 26.1.2010 (GV. NRW. S. 30) in der Besetzung mit drei Berufsrichtern. Die neue Fassung, die die Bestimmung durch Art. 1 Nr. 2 des 4. Gesetzes zur Änderung des Justizgesetzes Nordrhein-Westfalen vom 18.12.2018 (GV. NRW. 729) durch Streichung des Abs. 2 erhalten hat, findet nach der einschlägigen Übergangsregelung des § 133 Abs. 3 Satz 1 Justizgesetz NRW in der Fassung des Art. 1 Nr. 4. des Gesetzes keine Anwendung, weil der Antrag auf Normenkontrolle vor dem 1.1.2019 gestellt worden ist. 24Der Normenkontrollantrag hat keinen Erfolg. 25Der Antrag ist zulässig (dazu A.), aber nicht begründet (dazu B.). 26A. Der Antrag ist zulässig; insbesondere ist der Antragsteller antragsbefugt (I.) und es fehlt nicht an einem Rechtsschutzinteresse (II.). 27I. Der Antragsteller ist antragsbefugt. 28Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist ein Normenkontrollantrag zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Ein Antragsteller genügt seiner Darlegungspflicht, wenn er hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die angegriffene Norm in einer eigenen Rechtsposition verletzt wird. Eine solche Verletzung eigener Rechte kann sich auch aus einer Verletzung des in § 1 Abs. 7 BauGB enthaltenen Abwägungsgebots ergeben, das drittschützenden Charakter hinsichtlich solcher Belange eines Antragstellers hat, die für die planerische Abwägung erheblich sind. Macht ein Antragsteller eine Verletzung des Abwägungsgebots geltend, muss er einen eigenen Belang als verletzt benennen, und zwar einen solchen, der für die Abwägung beachtlich ist. Nicht jeder private Belang ist in der Abwägung zu berücksichtigen, sondern nur solche, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben. Nicht abwägungsbeachtlich sind danach insbesondere geringwertige oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht oder solche, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Bebauungsplan nicht erkennbar waren. Auch Eigentümer von Grundstücken außerhalb des Plangebiets können je nach Lage der Dinge Belange ins Feld führen, die als Teil des Abwägungsmaterials zu berücksichtigen sind. Der Nachweis bloßer Abwägungsrelevanz kann genügen, um im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO eine Rechtsverletzung geltend zu machen, die eine Antragsbefugnis begründet. 29Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.12.2018 30- 4 BN 27.18 -, juris. 31Nach diesen Grundsätzen ist die Antragsbefugnis im Hinblick auf das aus § 1 Abs. 7 BauGB folgende Abwägungsgebot gegeben. Der Antragsteller macht substantiiert abwägungsrelevante Belange geltend. Die Antragsgegnerin hatte im Rahmen der ihr aufgetragenen Abwägung der öffentlichen und der privaten Belange auch zu bedenken, ob die beabsichtigte Planung zu einer Beeinträchtigung des in unmittelbarer Nähe zum Plangebiet gelegenen Grundstücks des Antragstellers führen könnte. Eine solche Beeinträchtigung kommt hier durch die hinreichend geltend gemachte planbedingte Zunahme von Verkehrslärm in Betracht. Diese beträgt etwa nach den gutachtlichen Feststellungen, die im Rahmen der Planaufstellung eingeholt worden sind, am Nachbarhaus X.--------straße 02 tags und nachts deutlich über 2 dB(A). 32II. Dem Antragsteller fehlt auch nicht das Rechtsschutzinteresse für den Normenkontrollantrag. 33Besteht - wie hier - eine Antragsbefugnis, so ist regelmäßig auch das für einen Normenkontrollantrag erforderliche Rechtsschutzinteresse gegeben. Mit dem Erfordernis des Vorliegens eines allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses neben der Antragsbefugnis soll nur vermieden werden, dass die Gerichte in eine neue Prüfung eintreten müssen, deren Ergebnis für den Antragsteller wertlos ist, weil es seine Rechtsstellung nicht verbessern kann. Für das Rechtsschutzinteresse reicht es aus, dass sich nicht ausschließen lässt, dass die gerichtliche Entscheidung für den Antragsteller von Nutzen sein kann. 34Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.6.2020 35‑ 4 CN 5.18 -, BRS 88 Nr. 34 = BauR 2020, 1726. 36Diese Anforderungen sind hier erfüllt. Es erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Normenkontrollentscheidung für den Antragsteller von Nutzen sein kann. Es käme in Betracht, dass die Antragsgegnerin im Falle eines Erfolgs des Normenkontrollantrags ein anderes städtebauliches Konzept verfolgen würde, das sich für den Antragsteller als weniger beeinträchtigend darstellte. 37Dem Rechtsschutzbedürfnis steht - anders als die Beigeladene meint - auch nicht entgegen, dass für Teile des Plangebiets (Tiefgarage und Häuser im WA 1) bereits Baugenehmigungen erteilt und teilweise Bauvorhaben errichtet sind. 38Ist ein Bebauungsplan durch genehmigte oder genehmigungsfreie Maßnahmen vollständig verwirklicht, so wird ein Antragsteller in der Regel seine Rechtsstellung durch einen erfolgreichen Angriff auf den Bebauungsplan nicht mehr aktuell verbessern können. Insofern kommt eine das Rechtsschutzbedürfnis ausschließende Verwirklichung einer angegriffenen Festsetzung aber nur in Betracht, wenn die Festsetzung im Baugebiet auch räumlich "vollständig verwirklicht" ist. 39Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.6.2020 - 4 CN 5.18 -, BRS 88 Nr. 34 = BauR 2020, 1726. 40Die Verwirklichung des Plans ist in räumlicher Hinsicht indes noch nicht vollständig. Nach den dem Senat in der Beratung vermittelten Eindrücken des Berichterstatter bei dem Ortstermin vom 5.4.2022 sind erhebliche Teilbereiche des Plangebiets noch nicht mit den nach dem Plan zulässigen baulichen Anlagen bebaut. Anhaltspunkte dafür, dass sich dies in den vergangenen Wochen geändert hätte, sind auch in der mündlichen Verhandlung nicht vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich. 41B. Der Normenkontrollantrag ist aber nicht begründet. 42Der Bebauungsplan leidet nicht an den geltend gemachten oder sonstigen beachtlichen formellen Mängeln (dazu I.); er leidet auch nicht an durchgreifenden materiellen Mängeln (dazu II.). 43I. Der Bebauungsplan leidet insbesondere nicht hinsichtlich der Bekanntmachung der Offenlage bzw. deren Durchführung an einem beachtlichen Mangel. Der Hinweis auf die vorliegenden Umweltinformationen in der Offenlagebekanntmachung war nicht in beachtlicher Weise mangelhaft (dazu 1.); die Offenlagebekanntmachung war nicht mit Blick auf die erforderliche Anstoßwirkung mangelhaft (dazu 2.); die Offenlage war schließlich nicht mit Blick auf den Umfang der ausgelegten Unterlagen mangelhaft (dazu 3.). 441. Es liegt kein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB hinsichtlich des Hinweises auf die Arten der vorliegenden Umweltinformationen in der Bekanntmachung der Offenlage vom 18.2.2015 vor. 45a) Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB sind die Entwürfe der Bauleitpläne mit der Begründung und den nach Einschätzung der Gemeinde wesentlichen, bereits vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen für die Dauer eines Monats auszulegen. Ort und Dauer der Auslegung sowie Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, sind nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB mindestens eine Woche vorher ortsüblich bekannt zu machen. 46Die Anforderungen an den Hinweis auf vorliegende Umweltinformationen im Rahmen der Bekanntmachung des Offenlagebeschlusses nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB sind in der Rechtsprechung hinreichend geklärt. Danach verpflichtet § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB die Gemeinden, die in den vorhandenen Stellungnahmen und Unterlagen behandelten Umweltthemen nach Themenblöcken zusammenzufassen und diese in der Bekanntmachung schlagwortartig zu charakterisieren. Das Bekanntmachungserfordernis erstreckt sich dabei auch auf solche Arten verfügbarer Umweltinformationen, die in Stellungnahmen enthalten sind, die die Gemeinde für unwesentlich hält und deshalb nicht auszulegen beabsichtigt. 47Vgl. dazu grundlegend: BVerwG, Urteil vom 18.7.2013 - 4 CN 3.12 -, BRS 81 Nr. 51 = BauR 2013, 1803. 48Ferner legt der Senat entsprechend der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.1.2021 - 4 CN 7.19 - (BauR 2021, 913 = juris) folgendes zugrunde: Bei der Bildung der Schlagwörter kann die Gemeinde einen formalen Ausgangspunkt wählen und im Grundsatz von der Bezeichnung ausgehen, die der Ersteller einer Information selbst für zutreffend gehalten hat: Sie darf daher einen oder mehrere sinntragende Begriffe aus dem Titel der jeweiligen Information aufgreifen und ist nicht grundsätzlich verpflichtet, vermeintlich bessere oder treffendere Schlagwörter zu vergeben. Denn inhaltlich hinreichend verständliche Titel einzelner Stellungnahmen können die geforderte Anstoßwirkung entfalten, vorausgesetzt, der jeweilige Titel führt nicht offensichtlich und eindeutig in die Irre. Der Begriff der Arten umweltbezogener Informationen verlangt, die Informationen nach ihrem Inhalt zu strukturieren. Darin erschöpft sich das Tatbestandsmerkmal. Die Angabe, umweltbezogene Informationen lägen als Sachverständigengutachten oder Stellungnahmen Privater vor, ist nicht gefordert. Ebenso wenig verlangt § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB die Bekanntmachung des Autors oder Urhebers einer Umweltinformation. 49b) Die hier zu beurteilende Bekanntmachung vom 18.2.2015 enthält folgenden Hinweis: 50„Hinweis: Eine Umweltprüfung nach § 2 Absatz 4 Baugesetzbuch wurde durchgeführt. Es sind folgende Arten umweltbezogener Informationen verfügbar: 51- Verkehrsuntersuchung I1. B-Plan für die Wohnbebauung, Dr. C1. Ingenieurgesellschaft mbH, L. 2012, 52- Hydrogeologisches Gutachten, H. Umwelttechnik, X1. 2012, 53- Landschaftspflegerischer Fachbeitrag mit Eingriff/Ausgleich, D. C2. Landschaftsarchitekten, L. 2014, 54- Artenschutzprüfung Stufe I: Vorprüfung, D. de C2. , L. 2013, 55- Artenschutzprüfung Stufe II: zu den Artengruppen Fledermäuse und Vögel, D. de C2. , L. 2013, 56- Gutachterliche Stellungnahme zur Geräuschsituation im Gebiet des Bebauungsplanes Nr. 00000/03 „X.--------straße “ in L. -M. , consultants, zu den Lärmarten Straßenverkehrslärm, Schienenverkehrslärm, Gewerbelärm, L. 2014 57- I1. , Abwassertechnische Erschließung, Konzeptplanung, J. Consult, L. 2014 58- eine Bodenuntersuchung in Form von vier Rammkernsondierungen zum Bebauungsplan-Verfahren, 59- ein Umweltbericht, der sich neben den genannten Belangen mit folgenden Themen befasst: Licht, Luftschadstoffe, Abfälle und Abwässern, Grundwasser, Landschaftsplan und Ortsbild, Biotope, erneuerbare Energien, Pflanzen, biologische Vielfalt, Boden, Klima, Kaltluft, Wirkungsgefüge und Wechselwirkungen, Gefahrenschutz.“ 60c) Den maßgeblichen Anforderungen ist durch den dargestellten Hinweis im Wesentlichen Genüge getan. 61aa) Es fehlt im Wesentlichen nicht an der erforderlichen hinreichenden schlagwortartigen Kennzeichnung der in den vorhandenen umweltbezogenen Stellungnahmen und Unterlagen behandelten Umweltthemen. Die angeführten umweltbezogenen Informationen sind thematisch durch die Titel der genannten Dokumente bzw. durch die zusammenfassenden Stichworte zum Inhalt hinreichend schlagwortartig charakterisiert. So lässt sich etwa hinsichtlich des genannten hydrogeologischen Gutachtens der Bezeichnung durch den Titel dieses Dokuments - nach Maßgabe der Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts, denen sich der Senat anschließt - hinreichend entnehmen, welche Umweltgesichtspunkte behandelt werden. Ebenso verhält es sich mit der „Bodenuntersuchung in Form von vier Rammkernsondierungen zum Bebauungsplan-Verfahren“. Auch hier genügt die Charakterisierung durch diese Bezeichnung nach den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts, denen der Senat folgt, den maßgeblichen Anforderungen. Soweit die gutachterliche Stellungnahme zur Geräuschsituation im Gebiet des Bebauungsplans angesprochen wird, greift die Charakterisierung der betroffenen Umweltgesichtspunkte durch den in der Bekanntmachung angegebenen Titel „Gutachterliche Stellungnahme zur Geräuschsituation im Gebiet des Bebauungsplanes Nr. 00000/03 „X.--------straße “ in L. -M. , consultants, zu den Lärmarten Straßenverkehrslärm, Schienenverkehrslärm, Gewerbelärm, L. 2014“ ebenso wenig zu kurz. 62bb) Die „Arten“ der Umweltinformationen im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB sind auch nicht aus einem anderen Grund unzureichend charakterisiert. Die Antragsgegnerin hat es zwar versäumt, in der Offenlegungsbekanntmachung auf die "Art" im Sinne der äußeren Gestalt bzw. Urheberschaft der Stellungnahmen von Ämtern, Behörden und sonstigen Trägern öffentlicher Belange hinzuweisen, die ausweislich der Aufstellung auf Bl. 421 ff. der Aufstellungsvorgänge (Beiakte 6) in erheblichem Umfang Informationen zu unterschiedlichen Umweltthemen enthielten. Deshalb hätte es hier aber nach Maßgabe der vom Senat geteilten Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.1.2021 keiner genaueren Bezeichnung hinsichtlich der „Art“ der Dokumente bedurft. 63cc) Auch die in sonstigen Stellungnahmen angesprochenen Umweltaspekte sind durch die Hinweisbekanntmachung im Wesentlichen hinreichend schlagwortartig erfasst. Soweit dies in Einzelfällen nicht gelungen ist, handelt es sich um einen unbeachtlichen Mangel. Im Einzelnen: Die in den Ämter- bzw. Behördenstellungnahmen angesprochenen Aspekte insbesondere zum Immissionsschutz sowie zum Naturschutz und Klimaschutz sind der Sache nach durch die Stichworte erfasst, die in den Titeln der Hinweisbekanntmachung wiedergegeben werden. Dies genügt nach Maßgabe der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, den einschlägigen Anforderungen. Die dagegen gerichteten Rügen des Antragstellers, die sich auf Äußerungen von Fachämtern der Antragsgegnerin im Rahmen des Ämterumlaufs aus 2012 beziehen, greifen nicht durch. Entgegen der Auffassung des Antragstellers sind die Themen Biodiversität - mit dem synonymen Ausdruck biologische Vielfalt - und erneuerbare Energien in der Hinweisbekanntmachung angesprochen. Soweit Fragen des Brandschutzes unter Umweltaspekten zu thematisieren waren, ist dies unter dem Schlagwort "Gefahrenschutz" hinreichend erfolgt. Soweit der Antragsteller "archäologischer Bodenfunde" thematisiert, liegt hinsichtlich der Bodenfunde eine hinreichende Erfassung im vorliegenden Zusammenhang durch das Schlagwort "Boden" vor; im Stadtgebiet von L. ist regelmäßig mit archäologischen Bodenfunden zu rechnen, wenn Tiefbautätigkeiten stattfinden. Hinsichtlich des Kampfmittelverdachts kann offen bleiben, ob es sich bei der angesprochenen Stellungnahme um eine Information zu einer umweltbezogenen Thematik handelte, was die Beigeladene bezweifelt. 64Vgl. zum Begriff der Umweltinformationen die Definition in Art. 2 Abs. 1 Buchstabe d) der VO (EG) Nr. 1367/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.9.2006 über die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Aarhus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf Organe und Einrichtungen der Union (Amtsblatt L 264 vom 25.9.2006, Seite 13). 65Hinreichend bezeichnet ist die in Rede stehende Information jedenfalls über die Schlagworte "Boden" und "Gefahrenschutz". 66Hinsichtlich der Informationen zu den Themen Erschütterungen und elektromagnetische Felder vermag der Senat allerdings keine hinreichende schlagwortartige Charakterisierung zu erkennen. Das Thema Erschütterungen, das mit Blick auf die Stadtbahntrasse auf der E. Straße Gegenstand der Stellungnahme des Amts 62 vom 11.10.2012 war, ist im Umweltbericht (dort auf Seite 43) zwar benannt, findet sich indes nicht in der Bezeichnung der Themen des Umweltberichts, die in der Bekanntmachung genannt werden und auch nicht sonst in der Bekanntmachung. Ebenso fehlt hinsichtlich der Umweltinformationen zu elektromagnetischen Feldern - ausweislich der Planbegründung soll eine Trafostation errichtet werden, wozu die Stellungnahme des Fachamts 57 vom 5.10.2012 Erwägungen enthält - eine schlagwortartige Erfassung auch nach Maßgabe der Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts. 67Dabei handelt es sich indes im Sinne von § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b) BauGB um einen unbeachtlichen Mangel. Nach dieser Bestimmung ist u. a. die Verletzung von Vorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 3 Abs. 2 unbeachtlich, wenn einzelne Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, gefehlt haben. 68Es kann offen bleiben, inwieweit es hierbei auf quantitative bzw. qualitative Aspekte ankommt. 69Vgl. dazu etwa OVG Lüneburg, Urteil vom 9.9.2020 - 1 KN 87/18 -, BRS 88 Nr. 26 = BauR 2020, 1905 sowie OVG Bln.-Bbg, Urteil vom 23.11.2017 - OVG 2 A 17.15 -, juris. 70Denn der Senat ist davon überzeugt, dass mit Blick auf die zwei genannten Aspekte - Erschütterungen und elektromagnetische Felder - sowohl bei einer quantitativen Betrachtung als auch bei einer qualitativen Betrachtung nur "einzelne" Angaben dazu fehlten, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind. Im Verhältnis zu den sonstigen benannten zahlreichen umweltbezogenen Aspekten fallen die beiden genannten Themen quantitativ nicht ins Gewicht. Bei einer qualitativen Betrachtung kann nicht festgestellt werden, dass die angesprochenen Belange für die streitige Planung von mehr als marginaler Bedeutung waren. 712. Der Antragsteller rügt ohne Erfolg einen Mangel der Bekanntmachung der Offenlage des Planentwurfs und eine deshalb fehlende Anstoßwirkung des Offenlageverfahrens, weil eine Planzeichnung nicht mit veröffentlicht und die schriftliche Bezeichnung des Plangebiets nicht ausreichend gewesen sei. 72Maßgeblich ist im vorliegenden Zusammenhang, ob die Bekanntmachung der Offenlage des Planentwurfs eine hinreichende Anstoßwirkung entfaltet. Sinn und Zweck des § 3 Abs. 2 BauGB ist es, die Anstoßwirkung zu erzielen, die der Bekanntmachung nach dem Willen des Gesetzgebers zukommen soll. Die Bekanntmachung soll interessierte Bürger dazu ermuntern, sich über die gemeindlichen Planungsabsichten zu informieren und gegebenenfalls mit Anregungen und Bedenken zur Planung beizutragen. 73Vgl. BVerwG, Urteil vom 18.7.2013 - 4 CN3.12, BRS 81 Nr. 51, BauR 2013, 1803. 74Eine solche Anstoßwirkung war hier in hinreichender Weise gewährleistet. Dies ergibt sich aus den zutreffenden Erwägungen der Beigeladenen. Danach reichte die Umschreibung des räumlichen Geltungsbereichs unter Benennung des überörtlich bekannten Krankenhauses sowie der das Gebiet begrenzenden Straßen im ersten Absatz des Bekanntmachungstextes aus. 75Entgegen der Auffassung des Antragstellers ergibt sich ein Mangel auch nicht daraus, dass auf die Lage der externen Ausgleichsflächen zum Ausgleich des Eingriffs in Natur und Landschaft im Rahmen der Bekanntmachung nicht hingewiesen worden ist. Diese Flächen lagen bereits nach der Plankonzeption im Rahmen des Planentwurfs nicht innerhalb des Geltungsbereichs des Bebauungsplans. Deshalb bedurfte es insoweit auch keiner Einbeziehung dieser Flächen im Rahmen der Bekanntmachung. 763. Es besteht kein Mangel des Offenlageverfahrens, weil die offengelegten Unterlagen entgegen § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB nicht vollständig gewesen wären. 77Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB sind die Entwürfe der Bauleitpläne mit der Begründung und den nach Einschätzung der Gemeinde wesentlichen, bereits vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen für die Dauer eines Monats öffentlich auszulegen. 78Bei der Beurteilung, welche wesentlichen bereits vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen öffentlich auszulegen sind, ist den Gemeinden ein Beurteilungsspielraum eingeräumt, der nur daraufhin zu überprüfen ist, ob ein offensichtlicher Rechtsmissbrauch vorliegt. 79Vgl. Wahlhäuser, in: Bischopink/Külpmann/Wahlhäuser, Der sachgerechte Bebauungsplan, 5. Auflage, Rn. 232 unter Hinweis auf OVG NRW, Urteil vom 13.3.2008 - 7 D 34/07.NE -, BRS 73 Nr. 39 = juris. 80Danach vermag der Senat eine entscheidungserhebliche Unvollständigkeit nicht festzustellen. Dies ergibt sich aus den Ausführungen der Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderung vom 22.11.2018. Es bedurfte insbesondere nicht der Offenlage des Entwurfs des städtebaulichen Vertrags zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen, die der Antragsteller mit Blick auf den angesprochenen Bau eines Parkhauses in der Nachbarschaft des Plangebiets für erforderlich hielt. Dazu hat die Antragsgegnerin zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Vertrag nicht um einen Teil des Bebauungsplanentwurfs handelte. 81Vgl. dazu allg. auch Wahlhäuser, in: Bischopink/Külpmann/Wahlhäuser, Der sachgerechte Bebauungsplan, 5. Auflage, Rn. 231. 82Ferner ist sie im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums fehlerfrei davon ausgegangen, dass es sich bei diesem Vertrag auch nicht um eine wesentliche umweltbezogene Stellungnahme handelte. 834. Anderweitige beachtliche formelle Mängel sind weder dargetan noch sonst ersichtlich. 84II. Der Bebauungsplan leidet ferner entgegen der Meinung des Antragstellers nicht an durchgreifenden materiellen Mängeln. Es fehlt insbesondere nicht an der städtebaulichen Erforderlichkeit (dazu 1.); die Planung ist an die Raumordnungsziele angepasst (dazu 2.); die Festsetzung der Wohngebiete beruht auf einer ausreichenden Rechtsgrundlage (dazu 3.); die Festsetzungen sind hinreichend bestimmt (dazu 4.); die Planung leidet auch nicht an beachtlichen Abwägungsmängeln (dazu 5.). 851. Es fehlt nicht an der städtebaulichen Erforderlichkeit im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB. 86a) Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB haben die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. 87Was in diesem Sinne erforderlich ist, bestimmt sich nach der planerischen Konzeption der Gemeinde. Der Gesetzgeber ermächtigt die Gemeinden, diejenige Städtebaupolitik zu betreiben, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entspricht. Die städtebaulichen Gründe, die sich in einer konkreten städtebaulichen Situation zur Rechtfertigung planerischer Festsetzungen anführen lassen, sind deshalb stets auch Ergebnis städtebaupolitischer Willensbildung. Sich einen entsprechenden Willen zu bilden und hierüber Auskunft zu geben, ist ausschließlich Sache der Gemeinde. Sie hat die städtebaulichen Zielsetzungen zu formulieren. Das Gericht darf fehlende städtebauliche Ordnungsvorstellungen und Zielsetzungen der Gemeinde nicht durch eigene Erwägungen zum städtebaulich sinnvollen oder wünschenswerten ersetzen. 88Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25.7.2017 89- 4 BN 2.17 -, BRS 85 Nr. 2 = juris. 90Nicht erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB sind Pläne, die nicht dem wahren Willen der Gemeinde entsprechen, bei denen also zwischen Planungswillen und Planungsinhalt eine Diskrepanz besteht, sowie Pläne, die einer positiven Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuches nicht bestimmt sind. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist ferner verletzt, wenn ein Bebauungsplan aus tatsächlichen oder Rechtsgründen auf Dauer oder auf absehbare Zeit der Vollzugsfähigkeit entbehrt. In dieser Auslegung setzt § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB der Bauleitplanung eine erste, wenn auch strikt bindende Schranke, die lediglich grobe und einigermaßen offensichtliche Missgriffe ausschließt. Sie betrifft die generelle Erforderlichkeit der Planung, nicht hingegen die Einzelheiten einer konkreten planerischen Lösung. Dafür ist das Abwägungsgebot maßgeblich, das im Hinblick auf gerichtliche Kontrolldichte, Fehlerunbeachtlichkeit und heranzuziehende Erkenntnisquellen abweichenden Maßstäben unterliegt. Deswegen kann die Abgewogenheit einer Bebauungsplanung und ihrer Festsetzungen nicht bereits zum Maßstab für deren städtebauliche Erforderlichkeit gemacht werden. 91Vgl. BVerwG, Urteil vom 5.5.2015 - 4 CN 4.14 -, BRS 83 Nr. 8 = BauR 2015, 1620. 92b) Gemessen daran ist ein Verstoß gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht zu ersehen. 93aa) Dem Plan liegt in seiner Gesamtheit eine nachvollziehbare städtebauliche Konzeption zugrunde. Ziel der Planung ist nach der Planbegründung die Schaffung umfangreichen Wohnraums in den allgemeinen Wohngebieten und die Schaffung von Gemeinbedarfseinrichtungen in Gestalt einer Kindertagesstätte und einer Schule. Die Einwände gegen die Stimmigkeit der Konzeption greifen nicht durch. Es ist auch nicht zu ersehen, dass mit der Planung insgesamt keine städtebaulichen, sondern anderweitige Ziele verfolgt worden wären. 94bb) Die städtebauliche Erforderlichkeit kann auch nicht hinsichtlich einzelner Festsetzungen verneint werden. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Festsetzung einer Gemeinbedarfseinrichtung in Form einer Schule. Dass ein hinreichender Bedarf für eine Schule angenommen werden kann, ergibt sich aus den Ausführungen der Antragsgegnerin in der Antragserwiderung vom 22.11.2018. 95Dies gilt auch hinsichtlich der Ausweisung der Wohngebiete als allgemeine Wohngebiete. Soweit nach der Rechtsprechung hinsichtlich einzelner Festsetzungen die städtebauliche Rechtfertigung fehlt, wenn ein "Etikettenschwindel" vorliegt, 96vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 21.4.2015 97- 2 D 78/13.NE -, juris, 98ist ein solcher Etikettenschwindel hier nicht festzustellen. Ein (die städtebauliche Erforderlichkeit in Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB beseitigender) Etikettenschwindel liegt vor, wenn die planerische Festsetzung nicht dem entspricht, was von der Gemeinde tatsächlich gewollt wird, sondern nur vorgeschoben ist, um das eigentliche (unzulässige) Planungsziel zu verdecken. 99Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.4.2015 100- 2 D 78/13.NE -, juris; so wohl auch BVerwG, Urteil vom 28.2.2002 - 4 CN 5.01 -, BRS 65 Nr. 67 = BauR 2002, 1348. 101Mit Blick auf die Entscheidung für einen Baugebietstyp muss sich die Gemeinde daran orientieren, welche baulichen Nutzungen in dem Gebiet zulässig sein sollen und nach Maßgabe der übrigen Festsetzungen auch zugelassen werden können. Unzulässig ist es, einen bestimmten Baugebietstyp nur deshalb zu wählen, um andere Immissionsschutzmaßstäbe anwenden oder sonstige vorteilhafte Möglichkeiten des gewählten Baugebietstyps ausnutzen zu können. Ein solcher unzulässiger Etikettenschwindel liegt vor, wenn eine dem Baugebietstyp entsprechende Nutzungsstruktur tatsächlich gar nicht angestrebt wird. 102Vgl. BVerwG, Urteil vom 28.2.2002 - 4 CN 5.01 -, BRS 65 Nr. 67 = BauR 2002, 1348 sowie Bischopink, in: Bischopink/Külpmann/Wahlhäuser, Der sachgerechte Bebauungsplan, 5. Aufl., Rn. 512. 103Ein solcher Sachverhalt liegt hier entgegen der Meinung des Antragstellers nicht etwa hinsichtlich der allgemeinen Wohngebiete vor, weil diese aus Gründen des Lärmschutzes deshalb festgesetzt worden seien, da die Lärmwerte für eigentlich beabsichtigte reine Wohngebiete nicht einhaltbar seien. 104Die Antragsgegnerin verfolgte ausweislich der Planbegründung die Absicht, allgemeine Wohngebiete festzusetzen und nicht reine Wohngebiete zu schaffen. Dies bestätigen auch die differenzierten Festsetzungen zu einem nur teilweisen Ausschluss von Nutzungen nach § 4 Abs. 2 BauNVO - der Ausschluss erfasst nur die in § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO genannten Nutzungen - sowie die Erwägungen zur ausnahmsweisen Zulässigkeit von nicht störenden Gewerbebetrieben in allen Wohngebieten. Danach verbleiben, wie von der Beigeladenen aufgezeigt, nach der Konzeption der Antragsgegnerin in substantiellem Umfang zulässige Nutzungen, die in einem reinen Wohngebiet nicht möglich wären. 105Dass möglicherweise zugleich auch eine größere Diskrepanz zwischen planerisch anzustrebenden Orientierungswerten und den gegebenen tatsächlichen Lärmverhältnissen vermieden werden sollte, rechtfertigt keine andere Beurteilung. 106Vgl. dazu allg. OVG NRW, Urteil vom 23.10.2009 - 7 D 106/08.NE -, juris. 107Anderes folgt nicht aus dem Vorbringen des Antragstellers, insbesondere aus den Regelungen im städtebaulichen Vertrag ergebe sich, dass die Antragsgegnerin tatsächlich ein reines Wohngebiet anstrebe. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es der städtebauliche Vertrag nach dem Dafürhalten des Senats nicht ausschließt, die durch den Plan in den allgemeinen Wohngebieten nicht ausgeschlossenen Nutzungen nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO zu verwirklichen. 108Schließlich rechtfertigt auch das Vorbringen zu den Maßfestsetzungen keine andere Beurteilung, dadurch wird keineswegs auf indirekte Weise verhindert, dass die vom Plan nicht ausgeschlossenen, sonstigen Nutzungen nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO auch tatsächlich realisiert werden könnten. 1092. Die Planung verstößt nicht gegen Raumordnungsziele nach § 1 Abs. 4 BauGB. 110Der Antragsteller meint, die Vorgaben des Landesentwicklungsplans zur Inanspruchnahme von Freiraum nach Abschnitt C, Ziele 2.1 bis 2.3 seien nicht beachtet, weil die Planung weitgehend Außenbereichsflächen erfasse. 111Der Regionalplan für den Regierungsbezirk L. stellt für das Plangebiet einen Allgemeinen Siedlungsbereich (ASB) mit überlagernder Darstellung eines Bereichs für den Gewässer- und Grundwasserschutz dar. Für die Inanspruchnahme von ASB durch Bauleitplanung für die Siedlungsentwicklung sieht der Regionalplan in Abschnitt B.1 in einer als textliches Ziel 2 formulierten Anforderung vor, dass die Planung einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung im Sinne von § 1 und § 1a BauGB entsprechen muss und an bestehende Siedlungsbereiche anschließen soll. Damit sollen die Ziele 2.1 und 2.2 des Kapitels C des LEP zur Sicherstellung der Baulandversorgung konkretisiert werden. Den genannten Anforderungen des Regionalplans genügt die Planung, da sie ausweislich der Planbegründung und des Umweltberichts einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung entspricht und an drei Seiten an bestehende Siedlungsbereiche anschließt; ob es sich bei der genannten Anforderung im Rechtssinne um ein Ziel oder lediglich einen Grundsatz der Raumordnung handelt, bedarf hier keiner abschließenden Klärung. 1123. Es fehlt nicht an einer Rechtsgrundlage für die einzelnen Festsetzungen. 113a) Es liegt entgegen der Meinung des Antragstellers kein durchgreifender Mangel eines Verstoßes gegen § 1 Abs. 5 BauNVO mit Blick auf den Ausschluss auch nicht störender Handwerksbetriebe im Sinne von § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO in den WA vor; es fehlt insbesondere nicht an städtebaulichen Gründen für diese Regelung. 114aa) Nach § 1 Abs. 5 BauNVO kann in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2-9 und 13 BauNVO allgemein zulässig sind, nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt. Die allgemeinen Zweckbestimmungen der Baugebiete ergeben sich aus den jeweiligen Abs. 1 der Baugebietsvorschriften. Das allgemeine Wohngebiet dient nach § 4 Abs. 1 BauNVO vorwiegend dem Wohnen, Näheres ergibt sich aus § 4 Abs. 2 BauNVO. Zulässig sind nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO Wohngebäude, die im Gebiet zahlenmäßig überwiegen und den Wohncharakter des Gebiets auch unter Berücksichtigung der anderen zulässigen Anlagen erkennbar prägen müssen. Außerdem sind die nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schankwirtschaften und Speisewirtschaften sowie nicht störende Handwerksbetriebe und nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke zulässig. Die Nutzungen nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 BauNVO sind der Wohnnutzung zugeordnet, damit dem Wohngebiet selbst eine Versorgungsinfrastruktur bereitgestellt werden kann, mit der sich die Grundbedürfnisse der Wohnbevölkerung befriedigen lassen. Durch die Zuordnung wohnaffiner Nutzungen unterscheidet sich das allgemeine Wohngebiet von einem reinen Wohngebiet nach § 3 BauNVO, das ausschließlich dem Wohnen dient. Mit dem vollständigen Ausschluss der nach § 4 Abs. 2 BauNVO zulässigen Nutzungen ist die allgemeine Zweckbestimmung eines allgemeinen Wohngebiets nicht mehr gegeben. Ein allgemeines Wohngebiet, in dem nur Wohngebäude zulässig sind, ist ein reines Wohngebiet. 115Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29.11.2019 116- 7 D 7/18.NE -, juris, m. w. N. sowie BVerwG, Urteil vom 7.9.2017 - 4 C 8.16 -, BRS 85 Nr. 59 = BauR 2018, 69. 117bb) Danach kommt die Bestimmung als Grundlage für die Regelungen zur Art der Nutzung in den festgesetzten WA unter Ausschluss der genannten Betriebe in Betracht. 118Gemessen an diesen Anforderungen ist die allgemeine Zweckbestimmung eines allgemeinen Wohngebiets nach § 4 Abs. 1 BauNVO hier hinsichtlich der Wohngebiete WA 1 - 6 noch gewahrt. Hierzu wird auf die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in dem Zurückverweisungsurteil vom 20.1.2021 - 4 CN 7.19 - Bezug genommen. Danach verbleibt über die zugelassenen Nutzungen nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO eine hinreichende infrastrukturelle Versorgung für das Wohngebiet. Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht daraus, dass der Antragsteller geltend macht, durch den baulichen Bestand in der Umgebung sowie den städtebaulichen Vertrag zwischen Antragsgegnerin und Beigeladener sei faktisch ausgeschlossen, dass die wohnaffinen Nutzungen zur Herstellung einer Versorgungsinfrastruktur im Sinne von § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO realisiert werden könnten. Die Entwicklung des baulichen Bestands unterliegt grundsätzlich der Möglichkeit des Wandels und kann daher hier für die gerichtliche Rechtmäßigkeitsprüfung des vorliegenden Angebotsplans nicht von Belang sein. Der Vertrag schließt - wie bereits ausgeführt - nicht aus, dass sich Dritte um eine Baugenehmigung für durch den Plan zugelassene Nutzungen nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO bemühen und diese erforderlichenfalls auch gerichtlich erstreiten. 119Die weitere Anforderung des § 1 Abs. 5 BauNVO, das Vorliegen städtebaulicher Gründe, ist hinsichtlich des Ausschlusses nicht störender Handwerksbetriebe ebenfalls beachtet. 120Vgl. zu diesem Erfordernis BVerwG, Beschluss vom 8.2.1999 - 4 BN 1.99 -, BRS 62 Nr. 71 = BauR 1999, 1435 und Urteil vom 20.1.2021 - 4 CN 7.19 -, juris, m. w. N. 121Als städtebauliche Gründe sind in der Planbegründung auf Seite 4 Erwägungen enthalten, die auf das Störpotenzial der ausgeschlossenen Nutzungen abstellen. Es wird ausgeführt, in den allgemeinen Wohngebieten seien die allgemein zulässigen, der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störende Handwerksbetriebe ausgeschlossen; diese Nutzungen seien hier aufgrund ihres Störpotentials nicht gewollt. Dies erscheint auch insoweit noch tragfähig, als der Ausschluss im Sinne der Baunutzungsverordnung auch solche Handwerksbetriebe erfasst, die "nicht stören." Für solche im Sinne der BauNVO nicht störende Betriebe sind städtebauliche Gründe im vorgenannten Sinne deshalb anzunehmen, weil auch insoweit mit gebietsfremden Verkehren, insbesondere auch mit Kraftfahrzeugverkehr durch Kunden oder auch mit Lieferverkehr gerechnet werden muss, der nach der Konzeption des Plans zur verkehrlichen Erschließung als störend für die prägenden Wohnnutzungen anzusehen ist. Dies entnimmt der Senat dem Vorbringen der Beigeladenen im Gerichtsverfahren, die auf die Konzeption der Antragsgegnerin verwies, in diesen Bereichen gebietsfremde Verkehre zu vermeiden. Dass sich solche Erwägungen nicht ausdrücklich in der Planbegründung finden, ist unerheblich. Denn die in Rede stehende Voraussetzung für die Anwendung der Rechtsgrundlage eines Ausschlusses der genannten Betriebe hat der Senat von Amts wegen in den Blick zu nehmen. Die Vermeidung von stellplatzbezogenem Kraftfahrzeugverkehr, der mit solchen Betrieben, auch wenn sie der Gebietsversorgung dienen, in gewissem Umfang verbunden sein kann, darf - auch unterhalb der Schwelle der "Störung" im Sinne von § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO - als städtebaulicher Grund herangezogen werden. 122Soweit sich hinsichtlich des WA 1 aus den Planfestsetzungen zu Nr. 4.2 und den zeichnerischen Eintragungen ergibt, dass sämtlicher Kraftfahrzeugverkehr zu Stellplätzen über die Tiefgarage erfolgt, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Eine städtebaulich relevante Störung durch gebietsfremden Verkehr im Plangebiet kann sich nämlich auch dadurch ergeben, dass die unterirdischen Stellplätze in der Tiefgarage durch eine nicht unerhebliche Zahl von Besuchern oder Lieferanten der genannten Betriebe genutzt werden. 123b) Danach fehlt es entgegen der Meinung des Antragstellers auch nicht an den Voraussetzungen für den Ausschluss von Läden im Sinne von § 4 Abs. 2 BauNVO und den Ausschluss von Schank- und Speisewirtschaften im Sinne von § 4 Abs. 2 BauNVO in den Wohngebieten. Es wird aus den vorstehenden Gründen auch insoweit die Zweckbestimmung des Gebiets gewahrt. Ferner liegen städtebauliche Gründe für den Ausschluss vor. Bei Läden - auch als lediglich gebietsversorgenden Nutzungen - kann eine Störung durch Verkehr angenommen werden. Ein Störpotenzial wäre bei Gaststätten zudem auch deshalb gegeben, weil sie auch zu Zeiten Störungen bedingen, während denen ein besonderes Ruhebedürfnis der Bewohner des Gebiets besteht. Dies begründet zwar keine generelle Gebietsunverträglichkeit. 124Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.3.2019 - 4 C 5.18 -, BRS 87 Nr. 53 = BauR 2019, 1283f. 125Davon bleibt aber die hier von der Antragsgegnerin genutzte Möglichkeit unberührt, im Einzelfall aus städtebaulichen Gründen solche Vorhaben in den WA auszuschließen. 1264. Entgegen der Auffassung des Antragstellers leidet der Bebauungsplan nicht an durchgreifenden Bestimmtheitsmängeln. 127a) Der Grundsatz der Bestimmtheit verlangt, Tatbestände so präzise zu formulieren, dass die Normadressaten ihr Handeln kalkulieren können, weil die daraus folgenden Regelungen für sie voraussehbar und berechenbar sind. Rechtsnormen brauchen jedoch nur so bestimmt zu sein, wie dies nach der Eigenart der zu regelnden Sachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Es genügt, dass die Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können. Die Vorschrift darf nicht so konturlos sein, dass ihre willkürfreie Handhabung durch Behörden und Gerichte nicht gewährleistet ist. 128Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23.6.2016 129- 10 D 94/14.NE-, juris. 130b) Hinreichend bestimmt sind zunächst die beanstandeten Festsetzungen zum aktiven Lärmschutz. Anders als der Antragsteller meint, bedurfte es bei der Festsetzung des Lärmschutzwalls entlang des N.------ im Zusammenhang mit der Lärm abschirmenden Wirkung keiner ausdrücklichen Angabe dazu, nach welchem technischen Regelwerk das angegebene Schalldämmmaß von 25 dB zu bestimmen sei. Hierzu hat die Antragsgegnerin näher ausgeführt, dass - anders als bei Lärmschutzwänden, die aus unterschiedlichen Materialien hergestellt werden können - bei dem vorliegend festgesetzten Lärmschutzwall aus Erdmassen keine konkrete Definition des streitigen Maßes geboten ist; der festgesetzte Lärmschutzwall gewährleistet aufgrund seiner baulichen Ausführung aus Erdmassen und der definierten Höhe ein hinreichendes Schalldämmmaß. 131c) Ebenso wenig sind die Festsetzungen zum passiven Lärmschutz unbestimmt. Dies hat die Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderung zutreffend aufgezeigt. Insbesondere ist den Anforderungen der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts an die Abgrenzung des Lärmpegelbereichs durch Kennzeichnung von Flächen in der Planurkunde hinreichend Genüge getan. 132d) Soweit der Antragsteller rügt, die Festsetzung zur Geschossfläche in den obersten Geschossen der Wohngebiete 1, 4 und 5 sei unbestimmt, sie dürfe nach dem Plan 2/3 der Fläche des darunter liegenden Geschosses betragen, nach der Planbegründung ¾, greift dies nicht durch. Die Regelung des Plans in Ziff. 2.2 ist hinreichend deutlich. Dass in der Planbegründung etwas anderes steht, führt nicht zur Unbestimmtheit der Regelung, die die Planurkunde beinhaltet. 1335. Der Senat vermag schließlich auch keine beachtlichen Mängel der Abwägung festzustellen. Nach Maßgabe der einschlägigen Grundsätze (a) sind beachtliche Abwägungsmängel nicht gegeben; dies betrifft die Rügen der Antragsteller zu Planalternativen (b), zu planbedingten Verkehrskonflikten (c), zum Verkehrslärm im Plangebiet und in der Umgebung des Plangebietes (d), zu den planbedingten Aspekten der Niederschlagswasserbeseitigung (e), zu den Belangen des Landschaftsschutzes (f), des Denkmalschutzes (g), des Artenschutzes (h), der Frischluftzufuhr (i) und der Feinstaubbelastung (j) sowie auch zu einer einzelnen Maßfestsetzung (k). 134a) Nach § 1 Abs. 7 BauGB sind bei der Aufstellung von Bebauungsplänen die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Das Abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet oder in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Jeder Bebauungsplan muss grundsätzlich die von ihm selbst geschaffenen oder ihm sonst zurechenbaren Konflikte lösen, indem die von der Planung berührten Belange zu einem gerechten Ausgleich gebracht werden. Die Planung darf nicht dazu führen, dass Konflikte, die durch sie hervorgerufen werden, zulasten Betroffener letztlich ungelöst bleiben. Dies schließt eine Verlagerung von Problemlösungen aus dem Bebauungsplanverfahren auf nachfolgendes Verwaltungshandeln indes nicht aus; Festsetzungen eines Bebauungsplans können auch Ausdruck einer planerischen Zurückhaltung sein. Die Grenzen zulässiger Konfliktverlagerung auf die Ebene des Planvollzugs sind allerdings überschritten, wenn bereits im Planungsstadium absehbar ist, dass sich der offengelassene Interessenkonflikt in einem nachfolgenden Verfahren nicht sachgerecht wird lösen lassen. Ein Konflikttransfer ist mithin nur zulässig, wenn die Durchführung der Maßnahmen zur Konfliktbewältigung auf einer nachfolgenden Stufe möglich und sichergestellt ist. Ob eine Konfliktbewältigung durch späteres Verwaltungshandeln gesichert oder wenigstens wahrscheinlich ist, hat die Gemeinde prognostisch zu beurteilen, da es um den Eintritt zukünftiger Ereignisse geht. Ist insoweit bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung die künftige Entwicklung hinreichend sicher abschätzbar, so darf sie dem bei ihrer Abwägung Rechnung tragen. Löst der Bebauungsplan von ihm aufgeworfene Konflikte nicht, obwohl ein Konfliktlösungstransfer unzulässig ist, so führt dies zur Fehlerhaftigkeit der Abwägungsentscheidung. Lässt sich die planerische Lösung der Gemeinde unter keinem denkbaren Gesichtspunkt begründen, fehlt es mithin an der Begründbarkeit der gemeindlichen Planung, dann führt dies zudem zu einem Fehler auch im Abwägungsergebnis. Denn ein solcher Fehler ist dann anzunehmen, wenn eine fehlerfreie Nachholung der erforderlichen Abwägungsentscheidung schlechterdings nicht zum selben Ergebnis führen könnte, weil andernfalls der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen würde, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht, mithin die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit überschritten würden. Anders als ein Mangel im Abwägungsvorgang ist ein Mangel im Abwägungsergebnis stets beachtlich; er führt unabhängig vom Vorliegen weiterer Mängel der Abwägung zur (Teil-) Unwirksamkeit des Bebauungsplans. 135Vgl. BVerwG, Urteil vom 5.5.2015 - 4 CN 4.14 -, BRS 83 Nr. 8 = BauR 2015, 1620. 136b) Entgegen der Auffassung des Antragstellers sind im Rahmen der Abwägung in Betracht kommende Planungsalternativen hinreichend erwogen worden. Das hat die Antragsgegnerin in der Antragserwiderung näher aufgezeigt. Dies betrifft insbesondere die angesprochene Konzeption einer aufgelockerten Einzelhausbebauung und einer alternativen äußeren Erschließung des Plangebiets über den westlich verlaufenden Militärring. 137c) Der Senat vermag entgegen der Auffassung des Antragstellers keine fehlerhafte Abwägung zur Verkehrsproblematik bzw. unzureichende Ermittlung der Verkehrsbelastung im Rahmen der Abwägung festzustellen. 138aa) Soweit der Antragsteller hierzu insbesondere geltend macht, die betrachteten Knotenpunkte seien nicht zutreffend ausgewertet bzw. die dortigen Verkehrserhebungen seien nicht nachvollziehbar dargestellt worden, greift dies aus den Gründen der Antragserwiderung der Antragsgegnerin nicht durch. Danach bestehen insbesondere keine Anhaltspunkte dafür, dass die zugrunde gelegte Verkehrsuntersuchung der Dr. C1. Ingenieurgesellschaft vom 30.3.2012 veraltet gewesen sei oder hinsichtlich der Knotenpunktbetrachtungen an methodischen Mängeln gelitten hätte. 139bb) Hinreichend abgewogen worden sind auch die Belange, die sich aus der planbedingten Zunahme der Verkehrsbelastung und der Stellplatzproblematik ergeben. Hierzu kann auf die Antragserwiderung der Beigeladenen verwiesen werden. 140cc) Soweit der Antragsteller bemängelt, infolge der Planung komme es zu chaotischen Verkehrsverhältnissen vor seinem Haus, das sei im Rahmen der Abwägung nicht berücksichtigt worden, vermag der Senat auch im Hinblick darauf keinen durchgreifenden Abwägungsmangel festzustellen. Nach den Ausführungen in der Planbegründung ist die Antragsgegnerin davon ausgegangen, dass eine verträgliche Gestaltung der Zufahrt zu dem Parkhaus im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens erreicht werden kann. Eine solche Verlagerung der Konfliktbewältigung in ein nachfolgendes Baugenehmigungsverfahren ist hier nach Maßgabe der zu a) aufgezeigten allgemeinen Grundsätze zulässig. Die Antragsgegnerin hat erkannt, dass es sich insoweit um ein planbedingtes Thema für die Abwägung handelt; zugleich hat sie der Sache nach zutreffend angenommen, dass eine Verlagerung dieser Konfliktbewältigung in das Baugenehmigungsverfahren möglich ist und dass dort eine Konfliktbewältigung auch gelingen kann. 141Diese Abwägungsentscheidung begegnet zur Überzeugung des Senats auch nicht etwa im Lichte der verwaltungsgerichtlichen Auseinandersetzung über den Vorbescheid vom 13.9.2016 für das Parkhaus im Verfahren - 7 A 1559/21 -, in dem der Antragsteller bis zur Klagerücknahme am 9.6.2022 als Kläger auftrat, durchgreifenden Bedenken. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung im Verfahren - 7 A 1559/21 - ist der Senat vielmehr davon überzeugt, dass die Planung nicht zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Erschließungsverhältnisse und damit einem Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot zulasten des Antragstellers führt; der Konflikt zwischen Nutzung der Ausfahrt der Tiefgarage des WA 1 über die Parkhausausfahrt an der X.--------straße und den Erfordernissen der Erschließung des Grundstücks des Antragstellers ist im Vorbescheidsverfahren hinreichend bewältigt. Das Gleiche gilt mit Blick auf die Änderungen des Vorhabens in der Fassung der am 18.5.2021 erteilten Baugenehmigung, zu der der Senat die Verwaltungsvorgänge beigezogen und ausgewertet hat. 142dd) Ein Mangel der Abwägung im Zusammenhang mit der Regelung des ruhenden Verkehrs, der dem WA 1 zuzurechnen ist, ergibt sich auch nicht unter dem Aspekt sogenannter "gefangener Stellplätze" in der zugehörigen Tiefgarage. 143Vgl. zum Erfordernis der Bestimmung von Wegeflächen bei Baulasteintragungen für Stellplätze: OVG NRW, Urteil vom 19.7.2017 - 7 A 1835/14 -, BRS 85 Nr. 115 = BauR 2018, 74. 144Die Nutzer der Stellplätze in der Tiefgarage unterhalb des allgemeinen Wohngebietes sind allerdings darauf angewiesen, fremde Grundstücke in Anspruch zu nehmen, um die öffentliche Straße zu erreichen. Der Plangeber konnte aber im Rahmen der Abwägung in Rechnung stellen, dass es voraussichtlich neben der tatsächlichen Möglichkeit über die Herstellung einer Untertunnelung des Parkhauses auch eine hinreichende rechtliche Sicherung der Nutzbarkeit dieser Untertunnelung zur X.--------straße hin zugunsten der Bewohner des WA 1 geben wird. Hierzu bedurfte es keiner unmittelbaren Regelungen im Bebauungsplan selbst. Eine hinreichende Sicherung der Zugänglichkeit erfolgte durch den 2016 von Antragsgegnerin und Beigeladener geschlossenen Erschließungsvertrag. 145d) Ebenso wenig vermag der Senat eine unzureichende Ermittlung bzw. Abwägung der Belange des Verkehrslärmschutzes festzustellen. 146aa) Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist insbesondere auch eine hinreichende Abwägung der Aspekte des aktiven bzw. passiven Lärmschutzes der Bewohner innerhalb des Plangebiets erfolgt. 147Weist ein Bebauungsplan ein neues Wohngebiet aus, das durch vorhandene Verkehrswege Lärmbelastungen ausgesetzt wird, die an den Gebietsrändern deutlich über den Orientierungswerten der DIN 18005 liegen, ist es nicht von vornherein abwägungsfehlerhaft, auf einen umfassenden aktiven Schallschutz durch Lärmschutzwände oder Lärmschutzwälle zu verzichten. Je nach den Umständen des Einzelfalls, z. B. in dicht besiedelten Räumen, kann es abwägungsfehlerfrei sein, eine Minderung der Immissionen durch eine Kombination von passivem Schallschutz, Stellung und Gestaltung von Gebäuden sowie Anordnung der Wohn- und Schlafräume zu erreichen. 148Vgl. BVerwG, Urteil vom 22.3.2007 - 4 CN 2.06 -, BRS 71 Nr. 5 = BauR 2007, 1365. 149Danach musste hier nicht etwa ein höherer Wall festgesetzt werden. Im Rahmen der Abwägung hat die Antragsgegnerin darauf abgestellt, dass der Lärmschutzwall nicht als separates Bauwerk erscheinen, sondern landschaftsverträglich gestaltet sein soll. Dies genügt für eine Abwägung nach den genannten Maßstäben. Mit Blick auf die anderweitig getroffenen Lärmschutzregelungen ist der Verzicht auf eine weitergehende Gestaltung des aktiven Lärmschutzes durch eine Erhöhung des Lärmschutzwalls gerechtfertigt. 150Der Antragsteller rügt ferner, das von der Antragsgegnerin eingeholte Gutachten des Sachverständigen T1. vom 1.4.2014 sei mangelhaft. Nach der Planurkunde seien die vorgesehenen Gebäude überwiegend höher als 8 m. Der Gutachter gehe davon aus, dass die Lärmbelastung umso höher liege, je höher die Gebäude seien, dabei habe er als höchsten Wert 8 m gewählt. Danach könne nicht ausgeschlossen werden, dass andere passive Schallschutzmaßnahmen erforderlich wären, soweit es um mehr als 8 m hohe Gebäude gehe. Hierzu hat die Antragsgegnerin zutreffend darauf hingewiesen, dass die Höhe der Gebäude in dem angesprochenen Bereich in der Nähe zur N3.----------straße durch Beschränkungen der Geschosse begrenzt ist. Danach liegt die Prognose des Sachverständigen, es bedürfe keiner weiteren Lärmschutzvorkehrungen, "auf der sicheren Seite". 151bb) Ein Abwägungsfehler hinsichtlich der Lärmschutzbelange lässt sich auch nicht in Bezug auf die Nachbarn des Plangebiets feststellen. Dies ergibt sich aus den entsprechenden Ausführungen der Planbegründung, in denen die voraussichtlichen Überschreitungen der in den Blick genommenen Werte aufgezeigt und mit näheren Erwägungen als für die Betroffenen zumutbar eingeordnet werden. Soweit der Antragsteller fehlerhafte Berechnungen im Hinblick auf die Tiefgarageneinfahrt bzw. -ausfahrt an der X.--------straße rügt, greift dies nicht durch. Der Antragsteller bezweifelt in diesem Zusammenhang die Anwendbarkeit der TA Lärm und bemängelt, dass eine anzunehmende Vorbelastung unzureichend berücksichtigt worden sei. Hierzu hat die Beigeladene in ihrer Antragserwiderung zutreffend darauf hingewiesen, dass die Anwendung der TA Lärm nicht zu einer Schlechterstellung der Plannachbarn führt. Ferner hat sie darauf hingewiesen, dass die Vorbelastung nicht unzureichend berücksichtigt worden ist. 152e) Auch die Abwägung hinsichtlich der Niederschlagswasserbeseitigung ist nicht zu beanstanden. Soweit der Antragsteller hierzu insbesondere rügt, die Antragsgegnerin habe zu Unrecht auf verbindliche Festsetzungen zur Sicherung eines Entwässerungskonzepts verzichtet, zudem sei die Realisierbarkeit des Konzepts fraglich, greift dies nicht durch. Dies ergibt sich aus den zutreffenden Erwägungen der Beigeladenen ihrer Antragserwiderung. Danach führt es zu keinem durchgreifenden Abwägungsmangel, dass nicht die gewünschten detaillierten Festsetzungen zu allen Aspekten der Niederschlagswasserbeseitigung getroffen worden sind. Allerdings weist der Antragsteller zutreffend darauf hin, dass entsprechende Festsetzungen zur Ermöglichung bzw. Sicherstellung der Versickerung von Niederschlagswasser, das auf privaten Flächen anfällt, rechtlich in Betracht kämen. Zur Beseitigung von Niederschlagswasser in einem Neubaugebiet kann nach § 9 Abs. 1 Nrn. 14, 15 und 20 BauGB ein dezentrales System privater Versickerungsmulden und Grünflächen festgesetzt werden. 153Vgl. BVerwG, Urteil vom 30.8.2001 - 4 CN 9.00 -, BRS 64 Nr. 36 = BauR 2002, 424. 154Aus der Planbegründung und den vorliegenden gutachterlichen Feststellungen, insbesondere dem geotechnischen Bericht der X2. GmbH zur abwasser- und straßentechnischen Erschließung des Baugebiets L. -I1. vom 10.6.2016, ergibt sich aber, dass die Antragsgegnerin zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Problematik auf der Grundlage der getroffenen Festsetzungen zu den überbaubaren Flächen, zur Dachbegrünung und der Versickerungsfläche M4 beherrschbar ist; im Rahmen der nachfolgenden Genehmigungsverfahren können hierzu weitere Regelungen getroffen werden, die auch einen hinreichenden Schutz der Nachbarschaft des Plangebiets gewährleisten. Die entsprechende Konzeption ergibt sich aus der Planbegründung sowie dem in Ergänzung zum städtebaulichen Vertrag geschlossenen Erschließungsvertrag zwischen der Beigeladenen und der Antragsgegnerin. 155Danach vermag der Senat auch nicht im Hinblick auf die vom Antragsteller angesprochene Starkregenproblematik einen Abwägungsmangel zu erkennen. Dazu wird auf die Stellungnahme der Fa. X2. vom 16.2.2016 sowie die Stellungnahme der J. Consult vom 10.12.2018 verwiesen; daraus ergibt sich, dass auch diese Problematik, die ausweislich des Umweltberichts erkannt wurde, im weiteren Planvollzug beherrschbar ist, soweit nicht ohnehin bereits hinreichende Regelungen zu Versickerungsflächen und zu Dachbegrünungen zwecks Verlangsamung des Wasserabflusses bzw. zu Rigolensystemen getroffen worden sind (Maßnahme M 4 gem. Ziff. 7.8 der Festsetzungen, Ziff. 7.14 bzw. Seite 9 der Planbegründung). 156f) Soweit der Antragsteller einen Abwägungsmangel darin sieht, dass die Bebauung entsprechend dem Bebauungsplan gegen Verbote der Landschaftsschutzgebietsfestsetzung verstoße, trifft dies nicht zu. Nach den entsprechenden Regelungen des Landesnaturschutzrechts (§ 20 Abs. 4 LNatSchG NRW), auf die auch von der Beigeladenen hingewiesen worden ist, treten insoweit die landschaftsrechtlichen Festsetzungen zurück. Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang eine Verfassungswidrigkeit der entsprechenden Regelungen zum Verhältnis von Bebauungsplanung und Landschaftsschutz in § 20 Abs. 4 LNatSchG NRW rügt, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit dieser Regelungen sind nicht zu erkennen. Dass die Belange des Landschaftsschutzes ansonsten nicht mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Abwägung eingestellt worden seien, behauptet der Antragsteller lediglich in pauschaler Weise. 157g) Der Senat vermag auch keine unzureichende Ermittlung von Belangen des Denkmalschutzes festzustellen. Hierzu kann auf die Ausführungen in der Antragserwiderung der Antragsgegnerin verwiesen werden. 158h) Ebenso wenig sind die Festsetzungen zum Artenschutz abwägungsfehlerhaft. Die entsprechenden Rügen des Antragstellers greifen nicht durch. Dies ergibt sich aus den Darlegungen der Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderung. Danach bedurfte es insbesondere keiner verbindlichen Festsetzungen der sogenannten CEF-Maßnahmen, d. h. vorgezogener Ausgleichsmaßnahmen, die gegebenenfalls durch artenschutzrechtliche Verbote ausgelöst werden. Der Senat vermag entgegen der Meinung des Antragstellers auch keine unzureichende Ermittlung der Belange des Artenschutzes festzustellen. 159i) Der Senat vermag ferner keine unzureichende Ermittlung in Bezug auf Belange der Frischluftzufuhr zu erkennen. Dazu kann auf die Ausführungen der Antragsgegnerin verwiesen werden. Danach war insbesondere vor dem Hintergrund der vorliegenden fachkundigen Stellungnahmen des Stadtplanungsamts eine gesonderte gutachtliche Untersuchung nicht erforderlich. 160j) Der Senat vermag auch keine unzureichenden Ermittlungen in Bezug auf Feinstaubbelastungen festzustellen. Dazu kann auf die Ausführungen in der Antragserwiderung der Antragsgegnerin verwiesen werden. 161k) Soweit das Vorbringen des Antragstellers zur Unbestimmtheit der Festsetzung 2.2. als Rüge eines Abwägungsmangels wegen Divergenz zwischen der Festsetzung zur Geschossfläche in den WA 1 und 4 und 5 im obersten Geschoss gegenüber der Planbegründung gewertet werden kann, führt dies nicht zu einem beachtlichen Abwägungsmangel. Das Vorbringen ist erstmalig im Schriftsatz vom 4.11.2021 vorgebracht worden. Ein etwaiger Abwägungsmangel wäre schon nach § 215 BauGB unbeachtlich geworden, weil es an einer rechtzeitigen Mängelrüge fehlte. Bei Inkraftsetzung des Bebauungsplans ist gemäß § 215 Abs. 2 BauGB auf die Voraussetzungen für die Geltendmachung der Verletzung von Vorschriften nach § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB sowie die Rechtsfolgen hingewiesen worden. Dieser Hinweis litt auch nicht etwa an beachtlichen Mängeln. 162Siehe zu einer ähnlichen Formulierung: BVerwG, Urteil vom 14.6.2012 - 4 CN 5.10 -, BRS 79 Nr. 41 = BauR 2012, 1620. 163Der Senat geht auf der Grundlage der Mitteilung der Antragsgegnerin vom 8.6.2022 davon aus, dass ein entsprechender Mangel auch nicht etwa von Dritten rechtzeitig gerügt worden ist. 164Danach kann dahinstehen, ob - ungeachtet des Ablaufs der Rügefrist - ein erheblicher Mangel der Abwägung oder lediglich ein redaktionelles Versehen im Rahmen der Planbegründung anzunehmen wäre, die nicht an die Fassung der Festsetzung 2.2 angepasst worden ist. 165Vgl. zur Unbeachtlichkeit von Unstimmigkeiten im Rahmen der Bebauungsplanung, die auf Redaktionsversehen beruhen: BVerwG, Urteil vom 7.5.2014 - 4 CN 5.13 -, BRS 82 Nr. 50 = BauR 2014, 1736. 166l) Anderweitige beachtliche materielle Mängel sind weder dargelegt noch sonst ersichtlich. 167Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 162 Abs. 3 VwGO; die Kosten der Beigeladenen, die in der Sache obsiegt, waren dem Antragsteller aufzuerlegen; dies entspricht der Billigkeit, weil die Beigeladene einen Sachantrag gestellt und sich damit selbst einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). 168Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO und den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. 169Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
der antrag wird abgelehnt. der antragsteller trägt die kosten des verfahrens einschließlich der erstattungsfähigen außergerichtlichen kosten der beigeladenen. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der antragsteller darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung i. h. v. 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrags abwenden, wenn nicht zuvor die jeweilige vollstreckungsgläubigerin in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrags sicherheit leistet. die revision wird nicht zugelassen. 1
2der antragsteller wendet sich gegen einen bebauungsplan, mit dem die antragsgegnerin für einen bislang weitgehend unbebauten bereich wohngebiete sowie flächen für den gemeinbedarf (kindertagesstätte und schule) ausweist. 3der antragsteller ist miteigentümer des grundstücks gemarkung l1. , flur 00, flurstück 000, mit der postalischen bezeichnung x.--------straße 01. das grundstück liegt an der nördlichen seite der x.--------straße . es ist mit einem wohnhaus bebaut. 4das etwa 9 ha große plangebiet liegt im stadtbezirk m. , ortsteil i. , westlich des krankenhauskomplexes t. . f. -i. . es wird im westen durch die n.----------straße , im norden durch die x.--------straße und im süden durch die c. straße begrenzt. im osten reicht das plangebiet bis an die garten- und parkanlagen des krankenhauses heran. der zentrale bereich des plangebiets bestand überwiegend aus bewirtschafteten ackerflächen und wiesen. im nordwestlichen teil des plangebiets liegt - über eine zufahrt von der x.--------straße her erschlossen - der bisherige besucher-parkplatz des krankenhauses. im östlichen teil des plangebiets liegt eine fläche, die früher durch eine gärtnerei genutzt wurde. zwischen der ehemaligen gärtnerei und dem denkmalgeschützten park des krankenhauses liegt der sogenannte rosengarten, ein eingetragenes baudenkmal. im plangebiet hat inzwischen die bebauung der baugrundstücke begonnen. westlich des plangebiets liegt jenseits des n.------ ein waldgelände. nördlich des plangebiets befindet sich an der nördlichen seite der x.--------straße überwiegend wohnbebauung. durch wohnbebauung ist auch der südlich angrenzende bereich an der c. straße geprägt. der flächennutzungsplan der antragsgegnerin stellte das plangebiet überwiegend als gemeinbedarfsfläche mit der zweckbestimmung krankenhaus dar. der westliche teil des plangebiets war entlang des n.------ als grünfläche dargestellt. der plan wurde im parallelen verfahren durch feststellungsbeschluss vom 2.2.2016, dessen genehmigung vom 23.3.2016 am 20.4.2016 bekannt gemacht wurde, geändert; nunmehr werden wohnbauflächen, grünflächen sowie eine gemeinbedarfsfläche dargestellt. der regionalplan für den regierungsbezirk l. stellt das plangebiet als allgemeinen siedlungsbereich mit einer überlagernden darstellung für gewässerschutz und grundwasserschutz dar. der landschaftsplan der antragsgegnerin setzt im westlichen plangebiet das landschaftsschutzgebiet "äußerer grüngürtel n1. bis n2. und verbindende grünzüge" fest; die festsetzung zielt auf die sicherung eines stadt-klimatisch und ökologisch wichtigen ausgleichsraums, eines historischen landschaftsparks und eines großen erholungsraums. der landschaftsplan setzt ferner im südwestlichen bereich des bebauungsplangebiets den geschützten landschaftsbestandteil 3.07 "obstwiese und obstbaumallee westlich des krankenhauses i1. in m. " fest. 5der angegriffene bebauungsplan trifft im wesentlichen folgende festsetzungen: 6als art der baulichen nutzung werden für die geplanten wohnhäuser 6 allgemeine wohngebiete (wa) festgesetzt. in den wa werden die gemäß § 4 abs. 2 nr. 2 baunvo allgemein zulässigen, der versorgung des gebiets dienenden läden, schank- und speisewirtschaften ausgeschlossen. ferner werden in den wa auch die nicht störenden handwerksbetriebe im sinne von § 4 abs. 2 nr. 2 baunvo ausgeschlossen. des weiteren werden nach § 4 abs. 3 baunvo ausnahmsweise zulässige anlagen für verwaltungen, tankstellen und gartenbaubetriebe ausgeschlossen. in den wa 2 bis 6 werden auch die nach § 4 abs. 3 baunvo ausnahmsweise zulässigen beherbergungsbetriebe ausgeschlossen. im bereich des wa 1 wird eine gemeinsame tiefgarage als zulässig dargestellt. oberirdische stellplätze sind im wa 1 unzulässig. am nördlichen rand des wa 1 verläuft eine private verkehrsfläche. für anlieger sowie ver- und entsorgungsträger werden in den wa fahrrechte festgesetzt. ferner wird eine gemeinbedarfsfläche mit der zweckbestimmung "schule" und eine gemeinbedarfsfläche mit der zweckbestimmung "kindertagesstätte" festgesetzt. es werden festsetzungen zur grundflächenzahl, geschossflächenzahl und der zahl der vollgeschosse sowie zur höhe der baulichen anlagen getroffen. des weiteren werden festsetzungen zur überbaubaren grundstücksfläche und zur bauweise getroffen. im nördlichen teil und im südlichen teil des plangebiets werden die planstraße 1 und 2 als öffentliche straßenverkehrsfläche festgesetzt. dazwischen verläuft eine öffentliche verkehrsfläche mit der zweckbestimmung "verkehrsberuhigt". die durchfahrt zwischen planstraße 1 und dieser verkehrsfläche ist nur für versorgungsfahrzeuge und entsorgungsfahrzeuge erlaubt. in den wa 2 bis 6 sind stellplätze nur in den überbaubaren grundstücksflächen zulässig. entlang des n.------ wird ein lärmschutzwall festgesetzt. ferner werden maßnahmen des passiven lärmschutzes festgesetzt. des weiteren werden private grünflächen und ein kinderspielplatz ausgewiesen sowie festsetzungen zum anpflanzen und zur erhaltung von bäumen und sonstigen bepflanzungen getroffen. westlich der geplanten schule wird eine versickerungsfläche festgesetzt. ferner werden festsetzungen zur dachbegrünung getroffen. wegen der weiteren einzelheiten der festsetzungen des plans wird auf das original der planurkunde verwiesen. 7die tiefgarage im bereich des wa 1 soll nach der planbegründung von norden her unterirdisch vom untergeschoss des geplanten parkhauses auf dem benachbarten gelände des medcampus 2 über eine privatstraße mit zufahrt zur x.--------straße erschlossen werden. nach der planbegründung geht die antragsgegnerin davon aus, dass die verträglichkeit der zufahrt zur tiefgarage bzw. zum parkhaus von der x.--------straße aus im baugenehmigungsverfahren nachgewiesen werden kann. zur entsorgung des niederschlagswassers ist nach der planbegründung vorgesehen, dass das niederschlagswasser der öffentlichen verkehrsflächen in die bestehende kanalisation geleitet wird. das auf den privaten flächen der wa 2-6 anfallende niederschlagswasser soll auf diesen grundstücken versickert werden. das niederschlagswasser des wa 1 soll südöstlich dieses gebiets in einem unterirdischen rigolen-system versickert werden. das niederschlagswasser der gemeinbedarfsflächen (schule und kindertagesstätte) soll mithilfe von rohr-rigolen unter dem schulhof innerhalb der festgesetzten flächen für versickerung westlich des schulhofs versickert werden. die dachbegrünung in den wohngebieten soll zu einem verzögerten niederschlagswasserabfluss beitragen. 8das planaufstellungsverfahren nahm im wesentlichen folgenden verlauf: der stadtentwicklungsausschuss der antragsgegnerin beschloss am 14.5.2012 die planaufstellung und die durchführung einer frühzeitigen öffentlichkeitsbeteiligung, welche am 5.7.2012 stattfand. dazu wurden schriftliche stellungnahmen nachgereicht. ferner fand im september und oktober 2012 eine frühzeitige beteiligung der träger öffentlicher belange statt. zugleich wurden verschiedene fachämter der antragsgegnerin beteiligt. vom dezember 2013 bis januar 2014 wurden behörden und sonstige träger öffentlicher belange nach § 4 abs. 2 baugb beteiligt. im rahmen des gleichzeitigen ämterumlaufs gaben verschiedene fachämter der antragsgegnerin stellungnahmen ab. am 22.1.2015 beschloss der stadtentwicklungsausschuss die öffentliche auslegung des planentwurfs gemäß § 3 abs. 2 baugb. der beschluss wurde am 18.2.2015 im amtsblatt der antragsgegnerin bekannt gemacht. wegen des inhalts der bekanntmachung wird auf beiakte 8, bl. 816 verwiesen. vom 26.2.2015 bis 25.3.2015 einschließlich lag der planentwurf mit begründung öffentlich aus. während der offenlage reichte u. a. der antragsteller umfangreiche einwendungen ein. am 7.11.2016 schlossen die beigeladene und die antragsgegnerin einen städtebaulichen vertrag. darin verpflichtete sich die beigeladene u. a. zur errichtung eines parkhauses außerhalb des plangebiets nördlich des wa 1 sowie zur errichtung des im plan festgesetzten lärmschutzwalls und zur durchführung externer ausgleichsmaßnahmen. in dem am 2.11.2016 geschlossenen erschließungsvertrag ist ein lageplan im maßstab 1:500 in bezug genommen, in dem die zufahrt zur tiefgarage des wa 1 über die außerhalb der plangebiets gelegenen grundstücke zur x.--------straße hin eingetragen ist. am 17.11.2016 beschloss der rat der antragsgegnerin den bebauungsplan als satzung. ferner wurde die begründung beschlossen. des weiteren wurde ein beschluss über die zum entwurf abgegebenen stellungnahmen gemäß einer tabellarischen darstellung und bewertung gefasst der satzungsbeschluss wurde im amtsblatt der antragsgegnerin vom 7.6.2017 bekannt gemacht. 9der antragsteller hat am 3.7.2017 antrag auf normenkontrolle gestellt. 10der senat hat mit urteil vom 18.1.2019 die unwirksamkeit des bebauungsplans festgestellt und zur begründung im wesentlichen ausgeführt: der plan sei unter verstoß gegen § 3 abs. 2 satz 2 baugb zustande gekommen. auf den antrag der antragsgegnerin und der beigeladenen hat das bundesverwaltungsgericht die revision zugelassen, das urteil des senats durch urteil vom 20.1.2021 - 4 cn 7.19 - aufgehoben und die sache zur anderweitigen verhandlung und entscheidung an den senat zurückverwiesen. zur begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: entgegen der auffassung des oberverwaltungsgerichts liege kein verstoß gegen § 3 abs. 2 satz 2 halbs. 1 baugb vor. das urteil stelle sich auch nicht aus anderen gründen als richtig dar. das oberverwaltungsgericht habe den inhalt nicht erwähnter stellungnahmen von behörden und fachämtern der antragsgegnerin nicht festgestellt; der senat könne daher nicht entscheiden, ob die verfügbaren arten umweltbezogener informationen durch die bekanntmachung erfasst seien. die tatrichterlichen feststellungen ließen auch nicht den schluss zu, dass der plan gegen § 1 abs. 5 baunvo verstoße. sie erlaubten keine entscheidung darüber, ob für den ausschluss der allgemein zulässigen nutzungen nach § 4 abs. 2 nr. 2 baunvo städtebauliche gründe vorgelegen hätten. sie erlaubten auch keine entscheidung darüber, ob der bebauungsplan im übrigen rechtmäßig sei, das gelte auch für die frage, ob ein "etikettenschwindel" vorliege und der bebauungsplan deshalb gegen § 1 abs. 3 baugb verstoße. 11der antragsteller trägt im wesentlichen vor: er sei antragsbefugt. die realisierung des bebauungsplans führe insbesondere für die anlieger der x.--------straße zu einer unzumutbaren zunahme der verkehrsbelastung. der antrag sei auch begründet. der plan sei unwirksam. die offenlagebekanntmachung nach § 3 abs. 2 baugb habe nicht die erforderliche anstoßwirkung erzielt, weil eine planzeichnung nicht mitveröffentlicht worden sei und weil die schriftliche bezeichnung des bebauungsplangebiets mit der bezeichnung x.--------straße in l. -m. nicht ausreichend gewesen sei. ferner seien die ausgleichsflächen für den naturschutzrechtlichen eingriff im rahmen der auslegungsbekanntmachung nicht hinreichend dargestellt worden. es liege ein verstoß gegen § 3 abs. 2 satz 2 baugb vor. die bekanntmachung der offenlage genüge hinsichtlich des hinweises auf die verfügbaren umweltinformationen nicht den einschlägigen anforderungen. die bekanntmachung vom 18.2.2015 beschränke sich darauf, die stellungnahmen zu bestimmten umweltrelevanten aspekten aufzulisten. weder seien die stellungnahmen nach themenblöcken zusammengefasst noch erfolge eine schlagwortartige charakterisierung einzelner stellungnahmen. ferner habe in der öffentlichen bekanntmachung entgegen § 3 abs. 2 satz 2 baugb kein hinweis auf die umweltbezogenen stellungnahmen von trägern öffentlicher belange und stellungnahmen von privatpersonen im rahmen der ersten offenlage stattgefunden. von der auflistung der bekanntmachung nicht erfasst seien die stellungnahme zum brandschutz vom 4.10.2012, die stellungnahme zu archäologischen bodendenkmälern vom 14.9.2012, die stellungnahmen zu biodiversität sowie zur sparsamen nutzung von energie und zu elektromagnetischen feldern vom 5.10.2012, die stellungnahme vom 11.10.2012 zu erschütterungen und die stellungnahme vom 12.9.2012 zu dem thema kampfmittelverdacht. die offengelegten unterlagen seien entgegen § 3 abs. 2 satz 1 baugb nicht vollständig gewesen. insbesondere sei der städtebauliche vertrag nicht ausgelegt worden. der plan leide auch an bestimmtheitsmängeln. die textlichen festsetzungen zum aktiven und passiven lärmschutz seien unbestimmt. die lärmschutzwallfestsetzung sei unbestimmt, weil nicht angegeben sei, nach welchem regelwerk das angegebene schalldämmmaß zu berechnen sei. die festsetzung zur maximalen geschossfläche des obersten vollgeschosses (2/3 der geschossfläche des darunter liegenden geschosses in wa 1, 4 und 5) in ziff. 2.2 sei unbestimmt; sie widerspreche der planbegründung, die auf seite 6 eine ¾ regelung behandele. der bebauungsplan sei auch deshalb fehlerhaft, weil er gegen § 1 abs. 3 baugb verstoße. bei den festsetzungen allgemeiner wohngebiete handele es sich um einen „etikettenschwindel“. die regelungen des städtebaulichen vertrags und die festgesetzten ausschlüsse der nach § 4 abs. 2 nr. 2 baunvo in allgemeinen wohngebieten an sich allgemein zulässigen nutzungen führten dazu, dass es sich faktisch um ein reines wohngebiet handle. dies sei aber so aus gründen der lärmschutzkonzeption nicht festgesetzt worden. es liege ein verstoß gegen raumordnungsziele vor. es liege zudem ein verstoß gegen § 1 abs. 5 baunvo vor, weil der plan ohne erforderliche städtebauliche gründe auch gebietsversorgende läden, schank- und speisewirtschaften sowie nicht störende handwerksbetriebe in den allgemeinen wohngebieten ausschließe. nach der begründung würden sie ausgeschlossen, weil sie wegen ihres störpotentials nicht gewollt seien. ein im öffentlichen interesse liegender grund, weshalb das störpotential nicht gewollt sei, werde nicht genannt. zudem bestehe für den ausschluss ohnehin wegen der erheblichen lärmvorbelastung kein grund, das störpotential der wohnaffinen versorgungsinfrastruktur trete völlig hinter dem verkehrslärm zurück, zumal diesem durch passive lärmschutzmaßnahmen begegnet werden solle. die abwägung der antragsgegnerin beruhe auf unzureichenden ermittlungen. die zu erwartende verkehrsbelastung sei fehlerhaft ermittelt und bewertet worden. fehlerhaft seien auch die ermittlungen zum lärmschutz, zum artenschutz, zum denkmalschutz, sowie im hinblick auf die frischluftzufuhr und im hinblick auf die feinstaubbelastung. die abwägung sei auch materiell fehlerhaft, weil in betracht kommende planungsalternativen nicht hinreichend erwogen worden seien. des weiteren sei der plan auch fehlerhaft, weil die so genannten cef- maßnahmen zum artenschutz keinen eingang in die festsetzungen gefunden hätten. es liege ein verstoß gegen das gebot der konfliktbewältigung im hinblick auf den stellplatznachweis vor. der verkehrskonflikt im bereich der parkhauszufahrt, über die die tiefgarage unter dem wa 1 angebunden sei, sei ebenso nicht hinreichend gelöst, der vorbescheid vom 13.9.2016 werde im berufungsverfahren 7 a 1559/21 angegriffen, über die baugenehmigung vom 18.5.2021 werde beim verwaltungsgericht im verfahren 8 k 3716/21 gestritten. ferner liege eine abwägungsdisproportionalität im hinblick auf den lärmschutz vor, da die antragsgegnerin im ergebnis zu einer zumutbaren belastung komme. abwägungsfehlerhaft seien auch die regelungen zu fragen der erschließung sowie zur entwässerungsproblematik. die starkregenproblematik sei nicht hinreichend abgewogen. die antragsgegnerin habe sich keine gedanken dazu gemacht, für welche starkregenereignisse vorsorge getroffen werden solle. die belange des landschaftsschutzes seien nicht ordnungsgemäß abgewogen. 12der antragsteller beantragt, 13den bebauungsplan nr. 00000/03 x.--------straße , als satzung beschlossen am 17.11.2016 und im amtsblatt der stadt l. veröffentlicht am 7.6.2017, für unwirksam zu erklären. 14die antragsgegnerin beantragt, 15den antrag abzulehnen. 16die antragsgegnerin trägt vor: der antrag sei unbegründet. insbesondere sei die offenlagebekanntmachung nicht mangelhaft. die angaben zu den arten der verfügbaren umweltinformationen entsprächen den gesetzlichen anforderungen. anhand der veröffentlichten gutachten habe sich jeder interessierte bürger ein bild über den inhalt der zur verfügung stehenden umweltinformationen machen und während der offenlage die gutachten und informationen einsehen können. gerade durch die auflistung der in auftrag gegebenen gutachten einschließlich der in den einzelnen gutachten behandelten themen seien die abgehandelten umweltthemen in themenblöcken zusammengefasst und schlagwortartig charakterisiert worden. bei der artenschutzprüfung i habe es sich lediglich um eine so genannte potenzialabschätzung im hinblick auf mögliche vorkommen von tier- und pflanzengruppen im plangebiet gehandelt. deshalb sei es noch gar nicht möglich gewesen, die genau untersuchten schutzgüter und damit die arten umweltbezogener informationen im einzelnen zu benennen. soweit der antragsteller rüge, die umweltbezogenen stellungnahmen von trägern öffentlicher belange und von privatpersonen seien nicht erwähnt worden, greife dies nicht durch. die in den eingegangenen stellungnahmen behandelten umweltthemen seien entsprechend den anforderungen des gesetzes in der bekanntmachung vom 18.2.2015 aufgeführt worden. da nur angaben über „arten“ umweltbezogener informationen gemacht werden müssten, sei es nicht erforderlich, sämtliche auszulegenden stellungnahmen, d. h. auch stellungnahmen von trägern öffentlicher belange sowie von privatpersonen einschließlich ihres inhalts aufzulisten. der plan leide auch nicht an materiellen mängeln. wegen der einzelheiten des vorbringens wird auf die antragserwiderung vom 22.11.2018 verwiesen. 17die beigeladene beantragt, 18den normenkontrollantrag abzulehnen. 19sie trägt im wesentlichen vor: angesichts der erteilten baugenehmigungen für die tiefgarage und die häuser im wa 1 sei zweifelhaft, ob noch ein rechtschutzinteresses des antragstellers bestehe. der antrag sei aber auch in der sache unbegründet. die offenlagebekanntmachung sei nicht fehlerhaft. die von der rechtsprechung geforderte schlagwortartige kennzeichnung bzw. charakterisierung der vorliegenden umweltinformationen sei hier in hinreichender weise bereits durch die insoweit aussagekräftigen bezeichnungen der aufgeführten unterlagen sowie im übrigen dadurch gegeben, dass die einzelnen unterlagen hinsichtlich der in ihnen konkret behandelten umweltbelange schlagwortartig zusammengefasst worden seien, wo dies erforderlich gewesen sei. dadurch habe die antragsgegnerin sichergestellt, dass bereits aus der bekanntmachung ohne weiteres erkennbar sei, welche umweltinformationen in den aufgeführten unterlagen enthalten seien. soweit der antragsteller meine, der bekanntmachung lasse sich nicht entnehmen, welche umweltbelange in der artenschutzprüfung i behandelt seien, habe die antragsgegnerin bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass sinn und zweck der artenschutzprüfung i im rahmen des bauleitplanverfahrens gerade darin liege, die möglicherweise von der bauleitplanung betroffenen tier- und pflanzenarten im rahmen einer überschlägigen vorprüfung überhaupt erst zu identifizieren. eine vertiefende artbezogene analyse finde erst auf der ebene der artenschutzprüfung ii statt. die offenlagebekanntmachung habe auch einen ausreichenden hinweis darauf enthalten, welche arten von dokumenten zu den einzelnen themen verfügbar seien. sie benenne schlagwortartig den umweltbericht sowie fachgutachten bzw. sachverständigengutachten und gebe damit zugleich die quelle der jeweiligen information an. damit sei die anstoßfunktion erfüllt. für sie sei es regelmäßig nur von belang, ob die öffentlichkeit habe erkennen könne, dass zu bestimmten umweltthemen bereits stellungnahmen fachkundiger vorliegen und daher kein anlass bestehe, im rahmen der offenlage auf eine vertiefte untersuchung dieser themen hinzuwirken. vor diesem hintergrund sei es auch unschädlich, dass die antragsgegnerin im rahmen der bekanntmachung nicht auch auf das vorliegen der stellungnahmen privater vor allem aus der frühzeitigen öffentlichkeitsbeteiligung hingewiesen habe. zum einen genüge es grundsätzlich, wenn der bekanntmachungstext einen überblick über die betroffenen umweltbelange gebe, die nach den im zeitpunkt der bekanntmachung vorliegenden stellungnahmen und unterlagen bei dem konkreten plan eine rolle spielten, weshalb es keiner ausnahmslosen auflistung aller eingegangenen stellungnahmen bedürfe. weitergehende angaben zu den stellungnahmen im rahmen der frühzeitigen beteiligung der öffentlichkeit hätten nichts dazu beitragen können, interessierte bürger dazu zu ermuntern, sich über die gemeindlichen planungsabsichten zu informieren und gegebenenfalls mit anregungen und bedenken dazu beizutragen. hinsichtlich der bezeichnung der themen archäologische bodendenkmäler und erschütterungen sei jedenfalls bei quantitativer und qualitativer betrachtung von einzelnen fehlenden informationen auszugehen, sodass ein mangel des hinweises nach § 214 abs. 1 satz 1 nr. 2 b) baugb unbeachtlich sei. soweit der antragsteller eine rechtswidrigkeit des plans aus dem fehlen städtebaulicher gründe für den ausschluss der nutzungen nach § 4 abs. 2 nr. 2 baunvo herleiten wolle, könne dem nicht gefolgt werden. erforderlich und für den nutzungsausschluss ausreichend sei, dass dieser durch hinreichend gewichtige allgemeinwohlbelange gerechtfertigt sei. ein besonderes öffentliches interesse für den ausschluss sei nicht erforderlich. hier verhindere der ausschluss das entstehen gebietsfremder verkehre, die nach dem plankonzept vermieden werden sollen. ein etikettenschwindel liege nicht vor. das ziel der planung, im plangebiet neben wohnnutzung auch weitere in einem reinen wohngebiet nicht zulässige nutzungen in einem begrenzten umfang zuzulassen, hätte durch festsetzung eines reinen wohngebiets nicht erreicht werden können. dass nach dem städtebaulichen vertrag in erster linie wohnbebauung vorgesehen sei, rechtfertige keine andere beurteilung. die festsetzung des schalldämmmaßes des lärmschutzwalls laufe ins leere, da lärmschutzwälle das erforderliche maß in jedem falle erfüllten. die abwägung sei nicht zu beanstanden, insbesondere seien auch die aspekte des landschaftsschutzes fehlerfrei abgewogen. 20der berichterstatter des senats hat die örtlichkeit am 16.10.2018 sowie ein weiteres mal am 5.4.2022 besichtigt. 21wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstands wird auf den inhalt der gerichtsakten, der beigezogenen planaufstellungsvorgänge und der planurkunde des bebauungsplans sowie der gerichtsakten zu den erfolglosen anträgen des antragstellers auf erlass einer einstweiligen anordnung (ovg nrw, beschluss vom 29.6.2021 - 7 b 373/21.ne - und bverwg, beschluss vom 30.4.2019 - 4 vr 3.19 - zuvor: ovg nrw - 7 b 280/19.ne) bezug genommen. ferner wird auf den inhalt der gerichtsakte und der beigezogenen verwaltungsvorgänge zum verfahren - 7 a 1559/21 - bezug genommen. 22
23der senat entscheidet über den normenkontrollantrag gemäß § 109 justizgesetz nrw vom 26.1.2010 (gv. nrw. s. 30) in der besetzung mit drei berufsrichtern. die neue fassung, die die bestimmung durch art. 1 nr. 2 des 4. gesetzes zur änderung des justizgesetzes nordrhein-westfalen vom 18.12.2018 (gv. nrw. 729) durch streichung des abs. 2 erhalten hat, findet nach der einschlägigen übergangsregelung des § 133 abs. 3 satz 1 justizgesetz nrw in der fassung des art. 1 nr. 4. des gesetzes keine anwendung, weil der antrag auf normenkontrolle vor dem 1.1.2019 gestellt worden ist. 24der normenkontrollantrag hat keinen erfolg. 25der antrag ist zulässig (dazu a.), aber nicht begründet (dazu b.). 26a. der antrag ist zulässig; insbesondere ist der antragsteller antragsbefugt (i.) und es fehlt nicht an einem rechtsschutzinteresse (ii.). 27i. der antragsteller ist antragsbefugt. 28gemäß § 47 abs. 2 satz 1 vwgo ist ein normenkontrollantrag zulässig, wenn der antragsteller geltend macht, durch die rechtsvorschrift oder deren anwendung in seinen rechten verletzt zu sein oder in absehbarer zeit verletzt zu werden. ein antragsteller genügt seiner darlegungspflicht, wenn er hinreichend substantiiert tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die angegriffene norm in einer eigenen rechtsposition verletzt wird. eine solche verletzung eigener rechte kann sich auch aus einer verletzung des in § 1 abs. 7 baugb enthaltenen abwägungsgebots ergeben, das drittschützenden charakter hinsichtlich solcher belange eines antragstellers hat, die für die planerische abwägung erheblich sind. macht ein antragsteller eine verletzung des abwägungsgebots geltend, muss er einen eigenen belang als verletzt benennen, und zwar einen solchen, der für die abwägung beachtlich ist. nicht jeder private belang ist in der abwägung zu berücksichtigen, sondern nur solche, die in der konkreten planungssituation einen städtebaulich relevanten bezug haben. nicht abwägungsbeachtlich sind danach insbesondere geringwertige oder mit einem makel behaftete interessen sowie solche, auf deren fortbestand kein schutzwürdiges vertrauen besteht oder solche, die für die gemeinde bei der entscheidung über den bebauungsplan nicht erkennbar waren. auch eigentümer von grundstücken außerhalb des plangebiets können je nach lage der dinge belange ins feld führen, die als teil des abwägungsmaterials zu berücksichtigen sind. der nachweis bloßer abwägungsrelevanz kann genügen, um im sinne des § 47 abs. 2 satz 1 vwgo eine rechtsverletzung geltend zu machen, die eine antragsbefugnis begründet. 29vgl. bverwg, beschluss vom 10.12.2018 30- 4 bn 27.18 -, juris. 31nach diesen grundsätzen ist die antragsbefugnis im hinblick auf das aus § 1 abs. 7 baugb folgende abwägungsgebot gegeben. der antragsteller macht substantiiert abwägungsrelevante belange geltend. die antragsgegnerin hatte im rahmen der ihr aufgetragenen abwägung der öffentlichen und der privaten belange auch zu bedenken, ob die beabsichtigte planung zu einer beeinträchtigung des in unmittelbarer nähe zum plangebiet gelegenen grundstücks des antragstellers führen könnte. eine solche beeinträchtigung kommt hier durch die hinreichend geltend gemachte planbedingte zunahme von verkehrslärm in betracht. diese beträgt etwa nach den gutachtlichen feststellungen, die im rahmen der planaufstellung eingeholt worden sind, am nachbarhaus x.--------straße 02 tags und nachts deutlich über 2 db(a). 32ii. dem antragsteller fehlt auch nicht das rechtsschutzinteresse für den normenkontrollantrag. 33besteht - wie hier - eine antragsbefugnis, so ist regelmäßig auch das für einen normenkontrollantrag erforderliche rechtsschutzinteresse gegeben. mit dem erfordernis des vorliegens eines allgemeinen rechtsschutzbedürfnisses neben der antragsbefugnis soll nur vermieden werden, dass die gerichte in eine neue prüfung eintreten müssen, deren ergebnis für den antragsteller wertlos ist, weil es seine rechtsstellung nicht verbessern kann. für das rechtsschutzinteresse reicht es aus, dass sich nicht ausschließen lässt, dass die gerichtliche entscheidung für den antragsteller von nutzen sein kann. 34vgl. bverwg, urteil vom 25.6.2020 35‑ 4 cn 5.18 -, brs 88 nr. 34 = baur 2020, 1726. 36diese anforderungen sind hier erfüllt. es erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die normenkontrollentscheidung für den antragsteller von nutzen sein kann. es käme in betracht, dass die antragsgegnerin im falle eines erfolgs des normenkontrollantrags ein anderes städtebauliches konzept verfolgen würde, das sich für den antragsteller als weniger beeinträchtigend darstellte. 37dem rechtsschutzbedürfnis steht - anders als die beigeladene meint - auch nicht entgegen, dass für teile des plangebiets (tiefgarage und häuser im wa 1) bereits baugenehmigungen erteilt und teilweise bauvorhaben errichtet sind. 38ist ein bebauungsplan durch genehmigte oder genehmigungsfreie maßnahmen vollständig verwirklicht, so wird ein antragsteller in der regel seine rechtsstellung durch einen erfolgreichen angriff auf den bebauungsplan nicht mehr aktuell verbessern können. insofern kommt eine das rechtsschutzbedürfnis ausschließende verwirklichung einer angegriffenen festsetzung aber nur in betracht, wenn die festsetzung im baugebiet auch räumlich "vollständig verwirklicht" ist. 39vgl. bverwg, urteil vom 25.6.2020 - 4 cn 5.18 -, brs 88 nr. 34 = baur 2020, 1726. 40die verwirklichung des plans ist in räumlicher hinsicht indes noch nicht vollständig. nach den dem senat in der beratung vermittelten eindrücken des berichterstatter bei dem ortstermin vom 5.4.2022 sind erhebliche teilbereiche des plangebiets noch nicht mit den nach dem plan zulässigen baulichen anlagen bebaut. anhaltspunkte dafür, dass sich dies in den vergangenen wochen geändert hätte, sind auch in der mündlichen verhandlung nicht vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich. 41b. der normenkontrollantrag ist aber nicht begründet. 42der bebauungsplan leidet nicht an den geltend gemachten oder sonstigen beachtlichen formellen mängeln (dazu i.); er leidet auch nicht an durchgreifenden materiellen mängeln (dazu ii.). 43i. der bebauungsplan leidet insbesondere nicht hinsichtlich der bekanntmachung der offenlage bzw. deren durchführung an einem beachtlichen mangel. der hinweis auf die vorliegenden umweltinformationen in der offenlagebekanntmachung war nicht in beachtlicher weise mangelhaft (dazu 1.); die offenlagebekanntmachung war nicht mit blick auf die erforderliche anstoßwirkung mangelhaft (dazu 2.); die offenlage war schließlich nicht mit blick auf den umfang der ausgelegten unterlagen mangelhaft (dazu 3.). 441. es liegt kein verstoß gegen § 3 abs. 2 satz 2 baugb hinsichtlich des hinweises auf die arten der vorliegenden umweltinformationen in der bekanntmachung der offenlage vom 18.2.2015 vor. 45a) nach § 3 abs. 2 satz 1 baugb sind die entwürfe der bauleitpläne mit der begründung und den nach einschätzung der gemeinde wesentlichen, bereits vorliegenden umweltbezogenen stellungnahmen für die dauer eines monats auszulegen. ort und dauer der auslegung sowie angaben dazu, welche arten umweltbezogener informationen verfügbar sind, sind nach § 3 abs. 2 satz 2 halbs. 1 baugb mindestens eine woche vorher ortsüblich bekannt zu machen. 46die anforderungen an den hinweis auf vorliegende umweltinformationen im rahmen der bekanntmachung des offenlagebeschlusses nach § 3 abs. 2 satz 2 baugb sind in der rechtsprechung hinreichend geklärt. danach verpflichtet § 3 abs. 2 satz 2 baugb die gemeinden, die in den vorhandenen stellungnahmen und unterlagen behandelten umweltthemen nach themenblöcken zusammenzufassen und diese in der bekanntmachung schlagwortartig zu charakterisieren. das bekanntmachungserfordernis erstreckt sich dabei auch auf solche arten verfügbarer umweltinformationen, die in stellungnahmen enthalten sind, die die gemeinde für unwesentlich hält und deshalb nicht auszulegen beabsichtigt. 47vgl. dazu grundlegend: bverwg, urteil vom 18.7.2013 - 4 cn 3.12 -, brs 81 nr. 51 = baur 2013, 1803. 48ferner legt der senat entsprechend der entscheidung des bundesverwaltungsgerichts vom 20.1.2021 - 4 cn 7.19 - (baur 2021, 913 = juris) folgendes zugrunde: bei der bildung der schlagwörter kann die gemeinde einen formalen ausgangspunkt wählen und im grundsatz von der bezeichnung ausgehen, die der ersteller einer information selbst für zutreffend gehalten hat: sie darf daher einen oder mehrere sinntragende begriffe aus dem titel der jeweiligen information aufgreifen und ist nicht grundsätzlich verpflichtet, vermeintlich bessere oder treffendere schlagwörter zu vergeben. denn inhaltlich hinreichend verständliche titel einzelner stellungnahmen können die geforderte anstoßwirkung entfalten, vorausgesetzt, der jeweilige titel führt nicht offensichtlich und eindeutig in die irre. der begriff der arten umweltbezogener informationen verlangt, die informationen nach ihrem inhalt zu strukturieren. darin erschöpft sich das tatbestandsmerkmal. die angabe, umweltbezogene informationen lägen als sachverständigengutachten oder stellungnahmen privater vor, ist nicht gefordert. ebenso wenig verlangt § 3 abs. 2 satz 2 halbs. 1 baugb die bekanntmachung des autors oder urhebers einer umweltinformation. 49b) die hier zu beurteilende bekanntmachung vom 18.2.2015 enthält folgenden hinweis: 50„hinweis: eine umweltprüfung nach § 2 absatz 4 baugesetzbuch wurde durchgeführt. es sind folgende arten umweltbezogener informationen verfügbar: 51- verkehrsuntersuchung i1. b-plan für die wohnbebauung, dr. c1. ingenieurgesellschaft mbh, l. 2012, 52- hydrogeologisches gutachten, h. umwelttechnik, x1. 2012, 53- landschaftspflegerischer fachbeitrag mit eingriff/ausgleich, d. c2. landschaftsarchitekten, l. 2014, 54- artenschutzprüfung stufe i: vorprüfung, d. de c2. , l. 2013, 55- artenschutzprüfung stufe ii: zu den artengruppen fledermäuse und vögel, d. de c2. , l. 2013, 56- gutachterliche stellungnahme zur geräuschsituation im gebiet des bebauungsplanes nr. 00000/03 „x.--------straße “ in l. -m. , consultants, zu den lärmarten straßenverkehrslärm, schienenverkehrslärm, gewerbelärm, l. 2014 57- i1. , abwassertechnische erschließung, konzeptplanung, j. consult, l. 2014 58- eine bodenuntersuchung in form von vier rammkernsondierungen zum bebauungsplan-verfahren, 59- ein umweltbericht, der sich neben den genannten belangen mit folgenden themen befasst: licht, luftschadstoffe, abfälle und abwässern, grundwasser, landschaftsplan und ortsbild, biotope, erneuerbare energien, pflanzen, biologische vielfalt, boden, klima, kaltluft, wirkungsgefüge und wechselwirkungen, gefahrenschutz.“ 60c) den maßgeblichen anforderungen ist durch den dargestellten hinweis im wesentlichen genüge getan. 61aa) es fehlt im wesentlichen nicht an der erforderlichen hinreichenden schlagwortartigen kennzeichnung der in den vorhandenen umweltbezogenen stellungnahmen und unterlagen behandelten umweltthemen. die angeführten umweltbezogenen informationen sind thematisch durch die titel der genannten dokumente bzw. durch die zusammenfassenden stichworte zum inhalt hinreichend schlagwortartig charakterisiert. so lässt sich etwa hinsichtlich des genannten hydrogeologischen gutachtens der bezeichnung durch den titel dieses dokuments - nach maßgabe der vorgaben des bundesverwaltungsgerichts, denen sich der senat anschließt - hinreichend entnehmen, welche umweltgesichtspunkte behandelt werden. ebenso verhält es sich mit der „bodenuntersuchung in form von vier rammkernsondierungen zum bebauungsplan-verfahren“. auch hier genügt die charakterisierung durch diese bezeichnung nach den vorgaben des bundesverwaltungsgerichts, denen der senat folgt, den maßgeblichen anforderungen. soweit die gutachterliche stellungnahme zur geräuschsituation im gebiet des bebauungsplans angesprochen wird, greift die charakterisierung der betroffenen umweltgesichtspunkte durch den in der bekanntmachung angegebenen titel „gutachterliche stellungnahme zur geräuschsituation im gebiet des bebauungsplanes nr. 00000/03 „x.--------straße “ in l. -m. , consultants, zu den lärmarten straßenverkehrslärm, schienenverkehrslärm, gewerbelärm, l. 2014“ ebenso wenig zu kurz. 62bb) die „arten“ der umweltinformationen im sinne des § 3 abs. 2 satz 2 baugb sind auch nicht aus einem anderen grund unzureichend charakterisiert. die antragsgegnerin hat es zwar versäumt, in der offenlegungsbekanntmachung auf die "art" im sinne der äußeren gestalt bzw. urheberschaft der stellungnahmen von ämtern, behörden und sonstigen trägern öffentlicher belange hinzuweisen, die ausweislich der aufstellung auf bl. 421 ff. der aufstellungsvorgänge (beiakte 6) in erheblichem umfang informationen zu unterschiedlichen umweltthemen enthielten. deshalb hätte es hier aber nach maßgabe der vom senat geteilten anforderungen des bundesverwaltungsgerichts vom 20.1.2021 keiner genaueren bezeichnung hinsichtlich der „art“ der dokumente bedurft. 63cc) auch die in sonstigen stellungnahmen angesprochenen umweltaspekte sind durch die hinweisbekanntmachung im wesentlichen hinreichend schlagwortartig erfasst. soweit dies in einzelfällen nicht gelungen ist, handelt es sich um einen unbeachtlichen mangel. im einzelnen: die in den ämter- bzw. behördenstellungnahmen angesprochenen aspekte insbesondere zum immissionsschutz sowie zum naturschutz und klimaschutz sind der sache nach durch die stichworte erfasst, die in den titeln der hinweisbekanntmachung wiedergegeben werden. dies genügt nach maßgabe der auffassung des bundesverwaltungsgerichts, der der senat folgt, den einschlägigen anforderungen. die dagegen gerichteten rügen des antragstellers, die sich auf äußerungen von fachämtern der antragsgegnerin im rahmen des ämterumlaufs aus 2012 beziehen, greifen nicht durch. entgegen der auffassung des antragstellers sind die themen biodiversität - mit dem synonymen ausdruck biologische vielfalt - und erneuerbare energien in der hinweisbekanntmachung angesprochen. soweit fragen des brandschutzes unter umweltaspekten zu thematisieren waren, ist dies unter dem schlagwort "gefahrenschutz" hinreichend erfolgt. soweit der antragsteller "archäologischer bodenfunde" thematisiert, liegt hinsichtlich der bodenfunde eine hinreichende erfassung im vorliegenden zusammenhang durch das schlagwort "boden" vor; im stadtgebiet von l. ist regelmäßig mit archäologischen bodenfunden zu rechnen, wenn tiefbautätigkeiten stattfinden. hinsichtlich des kampfmittelverdachts kann offen bleiben, ob es sich bei der angesprochenen stellungnahme um eine information zu einer umweltbezogenen thematik handelte, was die beigeladene bezweifelt. 64vgl. zum begriff der umweltinformationen die definition in art. 2 abs. 1 buchstabe d) der vo (eg) nr. 1367/2006 des europäischen parlaments und des rates vom 6.9.2006 über die anwendung der bestimmungen des übereinkommens von aarhus über den zugang zu informationen, die öffentlichkeitsbeteiligung an entscheidungsverfahren und den zugang zu gerichten in umweltangelegenheiten auf organe und einrichtungen der union (amtsblatt l 264 vom 25.9.2006, seite 13). 65hinreichend bezeichnet ist die in rede stehende information jedenfalls über die schlagworte "boden" und "gefahrenschutz". 66hinsichtlich der informationen zu den themen erschütterungen und elektromagnetische felder vermag der senat allerdings keine hinreichende schlagwortartige charakterisierung zu erkennen. das thema erschütterungen, das mit blick auf die stadtbahntrasse auf der e. straße gegenstand der stellungnahme des amts 62 vom 11.10.2012 war, ist im umweltbericht (dort auf seite 43) zwar benannt, findet sich indes nicht in der bezeichnung der themen des umweltberichts, die in der bekanntmachung genannt werden und auch nicht sonst in der bekanntmachung. ebenso fehlt hinsichtlich der umweltinformationen zu elektromagnetischen feldern - ausweislich der planbegründung soll eine trafostation errichtet werden, wozu die stellungnahme des fachamts 57 vom 5.10.2012 erwägungen enthält - eine schlagwortartige erfassung auch nach maßgabe der vorgaben des bundesverwaltungsgerichts. 67dabei handelt es sich indes im sinne von § 214 abs. 1 satz 1 nr. 2 buchst. b) baugb um einen unbeachtlichen mangel. nach dieser bestimmung ist u. a. die verletzung von vorschriften über die öffentlichkeitsbeteiligung nach § 3 abs. 2 unbeachtlich, wenn einzelne angaben dazu, welche arten umweltbezogener informationen verfügbar sind, gefehlt haben. 68es kann offen bleiben, inwieweit es hierbei auf quantitative bzw. qualitative aspekte ankommt. 69vgl. dazu etwa ovg lüneburg, urteil vom 9.9.2020 - 1 kn 87/18 -, brs 88 nr. 26 = baur 2020, 1905 sowie ovg bln.-bbg, urteil vom 23.11.2017 - ovg 2 a 17.15 -, juris. 70denn der senat ist davon überzeugt, dass mit blick auf die zwei genannten aspekte - erschütterungen und elektromagnetische felder - sowohl bei einer quantitativen betrachtung als auch bei einer qualitativen betrachtung nur "einzelne" angaben dazu fehlten, welche arten umweltbezogener informationen verfügbar sind. im verhältnis zu den sonstigen benannten zahlreichen umweltbezogenen aspekten fallen die beiden genannten themen quantitativ nicht ins gewicht. bei einer qualitativen betrachtung kann nicht festgestellt werden, dass die angesprochenen belange für die streitige planung von mehr als marginaler bedeutung waren. 712. der antragsteller rügt ohne erfolg einen mangel der bekanntmachung der offenlage des planentwurfs und eine deshalb fehlende anstoßwirkung des offenlageverfahrens, weil eine planzeichnung nicht mit veröffentlicht und die schriftliche bezeichnung des plangebiets nicht ausreichend gewesen sei. 72maßgeblich ist im vorliegenden zusammenhang, ob die bekanntmachung der offenlage des planentwurfs eine hinreichende anstoßwirkung entfaltet. sinn und zweck des § 3 abs. 2 baugb ist es, die anstoßwirkung zu erzielen, die der bekanntmachung nach dem willen des gesetzgebers zukommen soll. die bekanntmachung soll interessierte bürger dazu ermuntern, sich über die gemeindlichen planungsabsichten zu informieren und gegebenenfalls mit anregungen und bedenken zur planung beizutragen. 73vgl. bverwg, urteil vom 18.7.2013 - 4 cn3.12, brs 81 nr. 51, baur 2013, 1803. 74eine solche anstoßwirkung war hier in hinreichender weise gewährleistet. dies ergibt sich aus den zutreffenden erwägungen der beigeladenen. danach reichte die umschreibung des räumlichen geltungsbereichs unter benennung des überörtlich bekannten krankenhauses sowie der das gebiet begrenzenden straßen im ersten absatz des bekanntmachungstextes aus. 75entgegen der auffassung des antragstellers ergibt sich ein mangel auch nicht daraus, dass auf die lage der externen ausgleichsflächen zum ausgleich des eingriffs in natur und landschaft im rahmen der bekanntmachung nicht hingewiesen worden ist. diese flächen lagen bereits nach der plankonzeption im rahmen des planentwurfs nicht innerhalb des geltungsbereichs des bebauungsplans. deshalb bedurfte es insoweit auch keiner einbeziehung dieser flächen im rahmen der bekanntmachung. 763. es besteht kein mangel des offenlageverfahrens, weil die offengelegten unterlagen entgegen § 3 abs. 2 satz 1 baugb nicht vollständig gewesen wären. 77nach § 3 abs. 2 satz 1 baugb sind die entwürfe der bauleitpläne mit der begründung und den nach einschätzung der gemeinde wesentlichen, bereits vorliegenden umweltbezogenen stellungnahmen für die dauer eines monats öffentlich auszulegen. 78bei der beurteilung, welche wesentlichen bereits vorliegenden umweltbezogenen stellungnahmen öffentlich auszulegen sind, ist den gemeinden ein beurteilungsspielraum eingeräumt, der nur daraufhin zu überprüfen ist, ob ein offensichtlicher rechtsmissbrauch vorliegt. 79vgl. wahlhäuser, in: bischopink/külpmann/wahlhäuser, der sachgerechte bebauungsplan, 5. auflage, rn. 232 unter hinweis auf ovg nrw, urteil vom 13.3.2008 - 7 d 34/07.ne -, brs 73 nr. 39 = juris. 80danach vermag der senat eine entscheidungserhebliche unvollständigkeit nicht festzustellen. dies ergibt sich aus den ausführungen der antragsgegnerin in ihrer antragserwiderung vom 22.11.2018. es bedurfte insbesondere nicht der offenlage des entwurfs des städtebaulichen vertrags zwischen der antragsgegnerin und der beigeladenen, die der antragsteller mit blick auf den angesprochenen bau eines parkhauses in der nachbarschaft des plangebiets für erforderlich hielt. dazu hat die antragsgegnerin zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich bei dem vertrag nicht um einen teil des bebauungsplanentwurfs handelte. 81vgl. dazu allg. auch wahlhäuser, in: bischopink/külpmann/wahlhäuser, der sachgerechte bebauungsplan, 5. auflage, rn. 231. 82ferner ist sie im rahmen ihres beurteilungsspielraums fehlerfrei davon ausgegangen, dass es sich bei diesem vertrag auch nicht um eine wesentliche umweltbezogene stellungnahme handelte. 834. anderweitige beachtliche formelle mängel sind weder dargetan noch sonst ersichtlich. 84ii. der bebauungsplan leidet ferner entgegen der meinung des antragstellers nicht an durchgreifenden materiellen mängeln. es fehlt insbesondere nicht an der städtebaulichen erforderlichkeit (dazu 1.); die planung ist an die raumordnungsziele angepasst (dazu 2.); die festsetzung der wohngebiete beruht auf einer ausreichenden rechtsgrundlage (dazu 3.); die festsetzungen sind hinreichend bestimmt (dazu 4.); die planung leidet auch nicht an beachtlichen abwägungsmängeln (dazu 5.). 851. es fehlt nicht an der städtebaulichen erforderlichkeit im sinne von § 1 abs. 3 satz 1 baugb. 86a) nach § 1 abs. 3 satz 1 baugb haben die gemeinden die bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche entwicklung und ordnung erforderlich ist. 87was in diesem sinne erforderlich ist, bestimmt sich nach der planerischen konzeption der gemeinde. der gesetzgeber ermächtigt die gemeinden, diejenige städtebaupolitik zu betreiben, die ihren städtebaulichen ordnungsvorstellungen entspricht. die städtebaulichen gründe, die sich in einer konkreten städtebaulichen situation zur rechtfertigung planerischer festsetzungen anführen lassen, sind deshalb stets auch ergebnis städtebaupolitischer willensbildung. sich einen entsprechenden willen zu bilden und hierüber auskunft zu geben, ist ausschließlich sache der gemeinde. sie hat die städtebaulichen zielsetzungen zu formulieren. das gericht darf fehlende städtebauliche ordnungsvorstellungen und zielsetzungen der gemeinde nicht durch eigene erwägungen zum städtebaulich sinnvollen oder wünschenswerten ersetzen. 88vgl. bverwg, beschluss vom 25.7.2017 89- 4 bn 2.17 -, brs 85 nr. 2 = juris. 90nicht erforderlich im sinne des § 1 abs. 3 satz 1 baugb sind pläne, die nicht dem wahren willen der gemeinde entsprechen, bei denen also zwischen planungswillen und planungsinhalt eine diskrepanz besteht, sowie pläne, die einer positiven planungskonzeption entbehren und ersichtlich der förderung von zielen dienen, für deren verwirklichung die planungsinstrumente des baugesetzbuches nicht bestimmt sind. § 1 abs. 3 satz 1 baugb ist ferner verletzt, wenn ein bebauungsplan aus tatsächlichen oder rechtsgründen auf dauer oder auf absehbare zeit der vollzugsfähigkeit entbehrt. in dieser auslegung setzt § 1 abs. 3 satz 1 baugb der bauleitplanung eine erste, wenn auch strikt bindende schranke, die lediglich grobe und einigermaßen offensichtliche missgriffe ausschließt. sie betrifft die generelle erforderlichkeit der planung, nicht hingegen die einzelheiten einer konkreten planerischen lösung. dafür ist das abwägungsgebot maßgeblich, das im hinblick auf gerichtliche kontrolldichte, fehlerunbeachtlichkeit und heranzuziehende erkenntnisquellen abweichenden maßstäben unterliegt. deswegen kann die abgewogenheit einer bebauungsplanung und ihrer festsetzungen nicht bereits zum maßstab für deren städtebauliche erforderlichkeit gemacht werden. 91vgl. bverwg, urteil vom 5.5.2015 - 4 cn 4.14 -, brs 83 nr. 8 = baur 2015, 1620. 92b) gemessen daran ist ein verstoß gegen § 1 abs. 3 satz 1 baugb nicht zu ersehen. 93aa) dem plan liegt in seiner gesamtheit eine nachvollziehbare städtebauliche konzeption zugrunde. ziel der planung ist nach der planbegründung die schaffung umfangreichen wohnraums in den allgemeinen wohngebieten und die schaffung von gemeinbedarfseinrichtungen in gestalt einer kindertagesstätte und einer schule. die einwände gegen die stimmigkeit der konzeption greifen nicht durch. es ist auch nicht zu ersehen, dass mit der planung insgesamt keine städtebaulichen, sondern anderweitige ziele verfolgt worden wären. 94bb) die städtebauliche erforderlichkeit kann auch nicht hinsichtlich einzelner festsetzungen verneint werden. dies gilt insbesondere hinsichtlich der festsetzung einer gemeinbedarfseinrichtung in form einer schule. dass ein hinreichender bedarf für eine schule angenommen werden kann, ergibt sich aus den ausführungen der antragsgegnerin in der antragserwiderung vom 22.11.2018. 95dies gilt auch hinsichtlich der ausweisung der wohngebiete als allgemeine wohngebiete. soweit nach der rechtsprechung hinsichtlich einzelner festsetzungen die städtebauliche rechtfertigung fehlt, wenn ein "etikettenschwindel" vorliegt, 96vgl. etwa ovg nrw, urteil vom 21.4.2015 97- 2 d 78/13.ne -, juris, 98ist ein solcher etikettenschwindel hier nicht festzustellen. ein (die städtebauliche erforderlichkeit in sinne von § 1 abs. 3 baugb beseitigender) etikettenschwindel liegt vor, wenn die planerische festsetzung nicht dem entspricht, was von der gemeinde tatsächlich gewollt wird, sondern nur vorgeschoben ist, um das eigentliche (unzulässige) planungsziel zu verdecken. 99vgl. ovg nrw, urteil vom 21.4.2015 100- 2 d 78/13.ne -, juris; so wohl auch bverwg, urteil vom 28.2.2002 - 4 cn 5.01 -, brs 65 nr. 67 = baur 2002, 1348. 101mit blick auf die entscheidung für einen baugebietstyp muss sich die gemeinde daran orientieren, welche baulichen nutzungen in dem gebiet zulässig sein sollen und nach maßgabe der übrigen festsetzungen auch zugelassen werden können. unzulässig ist es, einen bestimmten baugebietstyp nur deshalb zu wählen, um andere immissionsschutzmaßstäbe anwenden oder sonstige vorteilhafte möglichkeiten des gewählten baugebietstyps ausnutzen zu können. ein solcher unzulässiger etikettenschwindel liegt vor, wenn eine dem baugebietstyp entsprechende nutzungsstruktur tatsächlich gar nicht angestrebt wird. 102vgl. bverwg, urteil vom 28.2.2002 - 4 cn 5.01 -, brs 65 nr. 67 = baur 2002, 1348 sowie bischopink, in: bischopink/külpmann/wahlhäuser, der sachgerechte bebauungsplan, 5. aufl., rn. 512. 103ein solcher sachverhalt liegt hier entgegen der meinung des antragstellers nicht etwa hinsichtlich der allgemeinen wohngebiete vor, weil diese aus gründen des lärmschutzes deshalb festgesetzt worden seien, da die lärmwerte für eigentlich beabsichtigte reine wohngebiete nicht einhaltbar seien. 104die antragsgegnerin verfolgte ausweislich der planbegründung die absicht, allgemeine wohngebiete festzusetzen und nicht reine wohngebiete zu schaffen. dies bestätigen auch die differenzierten festsetzungen zu einem nur teilweisen ausschluss von nutzungen nach § 4 abs. 2 baunvo - der ausschluss erfasst nur die in § 4 abs. 2 nr. 2 baunvo genannten nutzungen - sowie die erwägungen zur ausnahmsweisen zulässigkeit von nicht störenden gewerbebetrieben in allen wohngebieten. danach verbleiben, wie von der beigeladenen aufgezeigt, nach der konzeption der antragsgegnerin in substantiellem umfang zulässige nutzungen, die in einem reinen wohngebiet nicht möglich wären. 105dass möglicherweise zugleich auch eine größere diskrepanz zwischen planerisch anzustrebenden orientierungswerten und den gegebenen tatsächlichen lärmverhältnissen vermieden werden sollte, rechtfertigt keine andere beurteilung. 106vgl. dazu allg. ovg nrw, urteil vom 23.10.2009 - 7 d 106/08.ne -, juris. 107anderes folgt nicht aus dem vorbringen des antragstellers, insbesondere aus den regelungen im städtebaulichen vertrag ergebe sich, dass die antragsgegnerin tatsächlich ein reines wohngebiet anstrebe. dabei ist zu berücksichtigen, dass es der städtebauliche vertrag nach dem dafürhalten des senats nicht ausschließt, die durch den plan in den allgemeinen wohngebieten nicht ausgeschlossenen nutzungen nach § 4 abs. 2 nr. 3 baunvo zu verwirklichen. 108schließlich rechtfertigt auch das vorbringen zu den maßfestsetzungen keine andere beurteilung, dadurch wird keineswegs auf indirekte weise verhindert, dass die vom plan nicht ausgeschlossenen, sonstigen nutzungen nach § 4 abs. 2 nr. 3 baunvo auch tatsächlich realisiert werden könnten. 1092. die planung verstößt nicht gegen raumordnungsziele nach § 1 abs. 4 baugb. 110der antragsteller meint, die vorgaben des landesentwicklungsplans zur inanspruchnahme von freiraum nach abschnitt c, ziele 2.1 bis 2.3 seien nicht beachtet, weil die planung weitgehend außenbereichsflächen erfasse. 111der regionalplan für den regierungsbezirk l. stellt für das plangebiet einen allgemeinen siedlungsbereich (asb) mit überlagernder darstellung eines bereichs für den gewässer- und grundwasserschutz dar. für die inanspruchnahme von asb durch bauleitplanung für die siedlungsentwicklung sieht der regionalplan in abschnitt b.1 in einer als textliches ziel 2 formulierten anforderung vor, dass die planung einer nachhaltigen städtebaulichen entwicklung im sinne von § 1 und § 1a baugb entsprechen muss und an bestehende siedlungsbereiche anschließen soll. damit sollen die ziele 2.1 und 2.2 des kapitels c des lep zur sicherstellung der baulandversorgung konkretisiert werden. den genannten anforderungen des regionalplans genügt die planung, da sie ausweislich der planbegründung und des umweltberichts einer nachhaltigen städtebaulichen entwicklung entspricht und an drei seiten an bestehende siedlungsbereiche anschließt; ob es sich bei der genannten anforderung im rechtssinne um ein ziel oder lediglich einen grundsatz der raumordnung handelt, bedarf hier keiner abschließenden klärung. 1123. es fehlt nicht an einer rechtsgrundlage für die einzelnen festsetzungen. 113a) es liegt entgegen der meinung des antragstellers kein durchgreifender mangel eines verstoßes gegen § 1 abs. 5 baunvo mit blick auf den ausschluss auch nicht störender handwerksbetriebe im sinne von § 4 abs. 2 nr. 2 baunvo in den wa vor; es fehlt insbesondere nicht an städtebaulichen gründen für diese regelung. 114aa) nach § 1 abs. 5 baunvo kann in einem bebauungsplan festgesetzt werden, dass bestimmte arten von nutzungen, die nach den §§ 2-9 und 13 baunvo allgemein zulässig sind, nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, sofern die allgemeine zweckbestimmung des baugebiets gewahrt bleibt. die allgemeinen zweckbestimmungen der baugebiete ergeben sich aus den jeweiligen abs. 1 der baugebietsvorschriften. das allgemeine wohngebiet dient nach § 4 abs. 1 baunvo vorwiegend dem wohnen, näheres ergibt sich aus § 4 abs. 2 baunvo. zulässig sind nach § 4 abs. 2 nr. 1 baunvo wohngebäude, die im gebiet zahlenmäßig überwiegen und den wohncharakter des gebiets auch unter berücksichtigung der anderen zulässigen anlagen erkennbar prägen müssen. außerdem sind die nach § 4 abs. 2 nr. 2 baunvo der versorgung des gebiets dienenden läden, schankwirtschaften und speisewirtschaften sowie nicht störende handwerksbetriebe und nach § 4 abs. 2 nr. 3 baunvo anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale und gesundheitliche zwecke zulässig. die nutzungen nach § 4 abs. 2 nr. 2 und nr. 3 baunvo sind der wohnnutzung zugeordnet, damit dem wohngebiet selbst eine versorgungsinfrastruktur bereitgestellt werden kann, mit der sich die grundbedürfnisse der wohnbevölkerung befriedigen lassen. durch die zuordnung wohnaffiner nutzungen unterscheidet sich das allgemeine wohngebiet von einem reinen wohngebiet nach § 3 baunvo, das ausschließlich dem wohnen dient. mit dem vollständigen ausschluss der nach § 4 abs. 2 baunvo zulässigen nutzungen ist die allgemeine zweckbestimmung eines allgemeinen wohngebiets nicht mehr gegeben. ein allgemeines wohngebiet, in dem nur wohngebäude zulässig sind, ist ein reines wohngebiet. 115vgl. ovg nrw, urteil vom 29.11.2019 116- 7 d 7/18.ne -, juris, m. w. n. sowie bverwg, urteil vom 7.9.2017 - 4 c 8.16 -, brs 85 nr. 59 = baur 2018, 69. 117bb) danach kommt die bestimmung als grundlage für die regelungen zur art der nutzung in den festgesetzten wa unter ausschluss der genannten betriebe in betracht. 118gemessen an diesen anforderungen ist die allgemeine zweckbestimmung eines allgemeinen wohngebiets nach § 4 abs. 1 baunvo hier hinsichtlich der wohngebiete wa 1 - 6 noch gewahrt. hierzu wird auf die ausführungen des bundesverwaltungsgerichts in dem zurückverweisungsurteil vom 20.1.2021 - 4 cn 7.19 - bezug genommen. danach verbleibt über die zugelassenen nutzungen nach § 4 abs. 2 nr. 3 baunvo eine hinreichende infrastrukturelle versorgung für das wohngebiet. eine andere beurteilung ergibt sich nicht daraus, dass der antragsteller geltend macht, durch den baulichen bestand in der umgebung sowie den städtebaulichen vertrag zwischen antragsgegnerin und beigeladener sei faktisch ausgeschlossen, dass die wohnaffinen nutzungen zur herstellung einer versorgungsinfrastruktur im sinne von § 4 abs. 2 nr. 3 baunvo realisiert werden könnten. die entwicklung des baulichen bestands unterliegt grundsätzlich der möglichkeit des wandels und kann daher hier für die gerichtliche rechtmäßigkeitsprüfung des vorliegenden angebotsplans nicht von belang sein. der vertrag schließt - wie bereits ausgeführt - nicht aus, dass sich dritte um eine baugenehmigung für durch den plan zugelassene nutzungen nach § 4 abs. 2 nr. 3 baunvo bemühen und diese erforderlichenfalls auch gerichtlich erstreiten. 119die weitere anforderung des § 1 abs. 5 baunvo, das vorliegen städtebaulicher gründe, ist hinsichtlich des ausschlusses nicht störender handwerksbetriebe ebenfalls beachtet. 120vgl. zu diesem erfordernis bverwg, beschluss vom 8.2.1999 - 4 bn 1.99 -, brs 62 nr. 71 = baur 1999, 1435 und urteil vom 20.1.2021 - 4 cn 7.19 -, juris, m. w. n. 121als städtebauliche gründe sind in der planbegründung auf seite 4 erwägungen enthalten, die auf das störpotenzial der ausgeschlossenen nutzungen abstellen. es wird ausgeführt, in den allgemeinen wohngebieten seien die allgemein zulässigen, der versorgung des gebiets dienenden läden, schank- und speisewirtschaften sowie nicht störende handwerksbetriebe ausgeschlossen; diese nutzungen seien hier aufgrund ihres störpotentials nicht gewollt. dies erscheint auch insoweit noch tragfähig, als der ausschluss im sinne der baunutzungsverordnung auch solche handwerksbetriebe erfasst, die "nicht stören." für solche im sinne der baunvo nicht störende betriebe sind städtebauliche gründe im vorgenannten sinne deshalb anzunehmen, weil auch insoweit mit gebietsfremden verkehren, insbesondere auch mit kraftfahrzeugverkehr durch kunden oder auch mit lieferverkehr gerechnet werden muss, der nach der konzeption des plans zur verkehrlichen erschließung als störend für die prägenden wohnnutzungen anzusehen ist. dies entnimmt der senat dem vorbringen der beigeladenen im gerichtsverfahren, die auf die konzeption der antragsgegnerin verwies, in diesen bereichen gebietsfremde verkehre zu vermeiden. dass sich solche erwägungen nicht ausdrücklich in der planbegründung finden, ist unerheblich. denn die in rede stehende voraussetzung für die anwendung der rechtsgrundlage eines ausschlusses der genannten betriebe hat der senat von amts wegen in den blick zu nehmen. die vermeidung von stellplatzbezogenem kraftfahrzeugverkehr, der mit solchen betrieben, auch wenn sie der gebietsversorgung dienen, in gewissem umfang verbunden sein kann, darf - auch unterhalb der schwelle der "störung" im sinne von § 4 abs. 2 nr. 2 baunvo - als städtebaulicher grund herangezogen werden. 122soweit sich hinsichtlich des wa 1 aus den planfestsetzungen zu nr. 4.2 und den zeichnerischen eintragungen ergibt, dass sämtlicher kraftfahrzeugverkehr zu stellplätzen über die tiefgarage erfolgt, rechtfertigt dies keine andere beurteilung. eine städtebaulich relevante störung durch gebietsfremden verkehr im plangebiet kann sich nämlich auch dadurch ergeben, dass die unterirdischen stellplätze in der tiefgarage durch eine nicht unerhebliche zahl von besuchern oder lieferanten der genannten betriebe genutzt werden. 123b) danach fehlt es entgegen der meinung des antragstellers auch nicht an den voraussetzungen für den ausschluss von läden im sinne von § 4 abs. 2 baunvo und den ausschluss von schank- und speisewirtschaften im sinne von § 4 abs. 2 baunvo in den wohngebieten. es wird aus den vorstehenden gründen auch insoweit die zweckbestimmung des gebiets gewahrt. ferner liegen städtebauliche gründe für den ausschluss vor. bei läden - auch als lediglich gebietsversorgenden nutzungen - kann eine störung durch verkehr angenommen werden. ein störpotenzial wäre bei gaststätten zudem auch deshalb gegeben, weil sie auch zu zeiten störungen bedingen, während denen ein besonderes ruhebedürfnis der bewohner des gebiets besteht. dies begründet zwar keine generelle gebietsunverträglichkeit. 124vgl. bverwg, urteil vom 20.3.2019 - 4 c 5.18 -, brs 87 nr. 53 = baur 2019, 1283f. 125davon bleibt aber die hier von der antragsgegnerin genutzte möglichkeit unberührt, im einzelfall aus städtebaulichen gründen solche vorhaben in den wa auszuschließen. 1264. entgegen der auffassung des antragstellers leidet der bebauungsplan nicht an durchgreifenden bestimmtheitsmängeln. 127a) der grundsatz der bestimmtheit verlangt, tatbestände so präzise zu formulieren, dass die normadressaten ihr handeln kalkulieren können, weil die daraus folgenden regelungen für sie voraussehbar und berechenbar sind. rechtsnormen brauchen jedoch nur so bestimmt zu sein, wie dies nach der eigenart der zu regelnden sachverhalte mit rücksicht auf den normzweck möglich ist. es genügt, dass die betroffenen die rechtslage erkennen und ihr verhalten danach einrichten können. die vorschrift darf nicht so konturlos sein, dass ihre willkürfreie handhabung durch behörden und gerichte nicht gewährleistet ist. 128vgl. ovg nrw, urteil vom 23.6.2016 129- 10 d 94/14.ne-, juris. 130b) hinreichend bestimmt sind zunächst die beanstandeten festsetzungen zum aktiven lärmschutz. anders als der antragsteller meint, bedurfte es bei der festsetzung des lärmschutzwalls entlang des n.------ im zusammenhang mit der lärm abschirmenden wirkung keiner ausdrücklichen angabe dazu, nach welchem technischen regelwerk das angegebene schalldämmmaß von 25 db zu bestimmen sei. hierzu hat die antragsgegnerin näher ausgeführt, dass - anders als bei lärmschutzwänden, die aus unterschiedlichen materialien hergestellt werden können - bei dem vorliegend festgesetzten lärmschutzwall aus erdmassen keine konkrete definition des streitigen maßes geboten ist; der festgesetzte lärmschutzwall gewährleistet aufgrund seiner baulichen ausführung aus erdmassen und der definierten höhe ein hinreichendes schalldämmmaß. 131c) ebenso wenig sind die festsetzungen zum passiven lärmschutz unbestimmt. dies hat die antragsgegnerin in ihrer antragserwiderung zutreffend aufgezeigt. insbesondere ist den anforderungen der rechtsprechung des oberverwaltungsgerichts an die abgrenzung des lärmpegelbereichs durch kennzeichnung von flächen in der planurkunde hinreichend genüge getan. 132d) soweit der antragsteller rügt, die festsetzung zur geschossfläche in den obersten geschossen der wohngebiete 1, 4 und 5 sei unbestimmt, sie dürfe nach dem plan 2/3 der fläche des darunter liegenden geschosses betragen, nach der planbegründung ¾, greift dies nicht durch. die regelung des plans in ziff. 2.2 ist hinreichend deutlich. dass in der planbegründung etwas anderes steht, führt nicht zur unbestimmtheit der regelung, die die planurkunde beinhaltet. 1335. der senat vermag schließlich auch keine beachtlichen mängel der abwägung festzustellen. nach maßgabe der einschlägigen grundsätze (a) sind beachtliche abwägungsmängel nicht gegeben; dies betrifft die rügen der antragsteller zu planalternativen (b), zu planbedingten verkehrskonflikten (c), zum verkehrslärm im plangebiet und in der umgebung des plangebietes (d), zu den planbedingten aspekten der niederschlagswasserbeseitigung (e), zu den belangen des landschaftsschutzes (f), des denkmalschutzes (g), des artenschutzes (h), der frischluftzufuhr (i) und der feinstaubbelastung (j) sowie auch zu einer einzelnen maßfestsetzung (k). 134a) nach § 1 abs. 7 baugb sind bei der aufstellung von bebauungsplänen die öffentlichen und privaten belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. das abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine abwägung überhaupt nicht stattfindet oder in die abwägung an belangen nicht eingestellt wird, was nach lage der dinge in sie eingestellt werden muss, oder wenn der ausgleich zwischen den von der planung berührten belangen in einer weise vorgenommen wird, der zur objektiven gewichtigkeit einzelner belange außer verhältnis steht. jeder bebauungsplan muss grundsätzlich die von ihm selbst geschaffenen oder ihm sonst zurechenbaren konflikte lösen, indem die von der planung berührten belange zu einem gerechten ausgleich gebracht werden. die planung darf nicht dazu führen, dass konflikte, die durch sie hervorgerufen werden, zulasten betroffener letztlich ungelöst bleiben. dies schließt eine verlagerung von problemlösungen aus dem bebauungsplanverfahren auf nachfolgendes verwaltungshandeln indes nicht aus; festsetzungen eines bebauungsplans können auch ausdruck einer planerischen zurückhaltung sein. die grenzen zulässiger konfliktverlagerung auf die ebene des planvollzugs sind allerdings überschritten, wenn bereits im planungsstadium absehbar ist, dass sich der offengelassene interessenkonflikt in einem nachfolgenden verfahren nicht sachgerecht wird lösen lassen. ein konflikttransfer ist mithin nur zulässig, wenn die durchführung der maßnahmen zur konfliktbewältigung auf einer nachfolgenden stufe möglich und sichergestellt ist. ob eine konfliktbewältigung durch späteres verwaltungshandeln gesichert oder wenigstens wahrscheinlich ist, hat die gemeinde prognostisch zu beurteilen, da es um den eintritt zukünftiger ereignisse geht. ist insoweit bereits im zeitpunkt der beschlussfassung die künftige entwicklung hinreichend sicher abschätzbar, so darf sie dem bei ihrer abwägung rechnung tragen. löst der bebauungsplan von ihm aufgeworfene konflikte nicht, obwohl ein konfliktlösungstransfer unzulässig ist, so führt dies zur fehlerhaftigkeit der abwägungsentscheidung. lässt sich die planerische lösung der gemeinde unter keinem denkbaren gesichtspunkt begründen, fehlt es mithin an der begründbarkeit der gemeindlichen planung, dann führt dies zudem zu einem fehler auch im abwägungsergebnis. denn ein solcher fehler ist dann anzunehmen, wenn eine fehlerfreie nachholung der erforderlichen abwägungsentscheidung schlechterdings nicht zum selben ergebnis führen könnte, weil andernfalls der ausgleich zwischen den von der planung berührten öffentlichen belangen in einer weise vorgenommen würde, der zur objektiven gewichtigkeit einzelner belange außer verhältnis steht, mithin die grenzen der planerischen gestaltungsfreiheit überschritten würden. anders als ein mangel im abwägungsvorgang ist ein mangel im abwägungsergebnis stets beachtlich; er führt unabhängig vom vorliegen weiterer mängel der abwägung zur (teil-) unwirksamkeit des bebauungsplans. 135vgl. bverwg, urteil vom 5.5.2015 - 4 cn 4.14 -, brs 83 nr. 8 = baur 2015, 1620. 136b) entgegen der auffassung des antragstellers sind im rahmen der abwägung in betracht kommende planungsalternativen hinreichend erwogen worden. das hat die antragsgegnerin in der antragserwiderung näher aufgezeigt. dies betrifft insbesondere die angesprochene konzeption einer aufgelockerten einzelhausbebauung und einer alternativen äußeren erschließung des plangebiets über den westlich verlaufenden militärring. 137c) der senat vermag entgegen der auffassung des antragstellers keine fehlerhafte abwägung zur verkehrsproblematik bzw. unzureichende ermittlung der verkehrsbelastung im rahmen der abwägung festzustellen. 138aa) soweit der antragsteller hierzu insbesondere geltend macht, die betrachteten knotenpunkte seien nicht zutreffend ausgewertet bzw. die dortigen verkehrserhebungen seien nicht nachvollziehbar dargestellt worden, greift dies aus den gründen der antragserwiderung der antragsgegnerin nicht durch. danach bestehen insbesondere keine anhaltspunkte dafür, dass die zugrunde gelegte verkehrsuntersuchung der dr. c1. ingenieurgesellschaft vom 30.3.2012 veraltet gewesen sei oder hinsichtlich der knotenpunktbetrachtungen an methodischen mängeln gelitten hätte. 139bb) hinreichend abgewogen worden sind auch die belange, die sich aus der planbedingten zunahme der verkehrsbelastung und der stellplatzproblematik ergeben. hierzu kann auf die antragserwiderung der beigeladenen verwiesen werden. 140cc) soweit der antragsteller bemängelt, infolge der planung komme es zu chaotischen verkehrsverhältnissen vor seinem haus, das sei im rahmen der abwägung nicht berücksichtigt worden, vermag der senat auch im hinblick darauf keinen durchgreifenden abwägungsmangel festzustellen. nach den ausführungen in der planbegründung ist die antragsgegnerin davon ausgegangen, dass eine verträgliche gestaltung der zufahrt zu dem parkhaus im rahmen des baugenehmigungsverfahrens erreicht werden kann. eine solche verlagerung der konfliktbewältigung in ein nachfolgendes baugenehmigungsverfahren ist hier nach maßgabe der zu a) aufgezeigten allgemeinen grundsätze zulässig. die antragsgegnerin hat erkannt, dass es sich insoweit um ein planbedingtes thema für die abwägung handelt; zugleich hat sie der sache nach zutreffend angenommen, dass eine verlagerung dieser konfliktbewältigung in das baugenehmigungsverfahren möglich ist und dass dort eine konfliktbewältigung auch gelingen kann. 141diese abwägungsentscheidung begegnet zur überzeugung des senats auch nicht etwa im lichte der verwaltungsgerichtlichen auseinandersetzung über den vorbescheid vom 13.9.2016 für das parkhaus im verfahren - 7 a 1559/21 -, in dem der antragsteller bis zur klagerücknahme am 9.6.2022 als kläger auftrat, durchgreifenden bedenken. nach dem ergebnis der mündlichen verhandlung im verfahren - 7 a 1559/21 - ist der senat vielmehr davon überzeugt, dass die planung nicht zu einer unzumutbaren beeinträchtigung der erschließungsverhältnisse und damit einem verstoß gegen das rücksichtnahmegebot zulasten des antragstellers führt; der konflikt zwischen nutzung der ausfahrt der tiefgarage des wa 1 über die parkhausausfahrt an der x.--------straße und den erfordernissen der erschließung des grundstücks des antragstellers ist im vorbescheidsverfahren hinreichend bewältigt. das gleiche gilt mit blick auf die änderungen des vorhabens in der fassung der am 18.5.2021 erteilten baugenehmigung, zu der der senat die verwaltungsvorgänge beigezogen und ausgewertet hat. 142dd) ein mangel der abwägung im zusammenhang mit der regelung des ruhenden verkehrs, der dem wa 1 zuzurechnen ist, ergibt sich auch nicht unter dem aspekt sogenannter "gefangener stellplätze" in der zugehörigen tiefgarage. 143vgl. zum erfordernis der bestimmung von wegeflächen bei baulasteintragungen für stellplätze: ovg nrw, urteil vom 19.7.2017 - 7 a 1835/14 -, brs 85 nr. 115 = baur 2018, 74. 144die nutzer der stellplätze in der tiefgarage unterhalb des allgemeinen wohngebietes sind allerdings darauf angewiesen, fremde grundstücke in anspruch zu nehmen, um die öffentliche straße zu erreichen. der plangeber konnte aber im rahmen der abwägung in rechnung stellen, dass es voraussichtlich neben der tatsächlichen möglichkeit über die herstellung einer untertunnelung des parkhauses auch eine hinreichende rechtliche sicherung der nutzbarkeit dieser untertunnelung zur x.--------straße hin zugunsten der bewohner des wa 1 geben wird. hierzu bedurfte es keiner unmittelbaren regelungen im bebauungsplan selbst. eine hinreichende sicherung der zugänglichkeit erfolgte durch den 2016 von antragsgegnerin und beigeladener geschlossenen erschließungsvertrag. 145d) ebenso wenig vermag der senat eine unzureichende ermittlung bzw. abwägung der belange des verkehrslärmschutzes festzustellen. 146aa) entgegen der auffassung des antragstellers ist insbesondere auch eine hinreichende abwägung der aspekte des aktiven bzw. passiven lärmschutzes der bewohner innerhalb des plangebiets erfolgt. 147weist ein bebauungsplan ein neues wohngebiet aus, das durch vorhandene verkehrswege lärmbelastungen ausgesetzt wird, die an den gebietsrändern deutlich über den orientierungswerten der din 18005 liegen, ist es nicht von vornherein abwägungsfehlerhaft, auf einen umfassenden aktiven schallschutz durch lärmschutzwände oder lärmschutzwälle zu verzichten. je nach den umständen des einzelfalls, z. b. in dicht besiedelten räumen, kann es abwägungsfehlerfrei sein, eine minderung der immissionen durch eine kombination von passivem schallschutz, stellung und gestaltung von gebäuden sowie anordnung der wohn- und schlafräume zu erreichen. 148vgl. bverwg, urteil vom 22.3.2007 - 4 cn 2.06 -, brs 71 nr. 5 = baur 2007, 1365. 149danach musste hier nicht etwa ein höherer wall festgesetzt werden. im rahmen der abwägung hat die antragsgegnerin darauf abgestellt, dass der lärmschutzwall nicht als separates bauwerk erscheinen, sondern landschaftsverträglich gestaltet sein soll. dies genügt für eine abwägung nach den genannten maßstäben. mit blick auf die anderweitig getroffenen lärmschutzregelungen ist der verzicht auf eine weitergehende gestaltung des aktiven lärmschutzes durch eine erhöhung des lärmschutzwalls gerechtfertigt. 150der antragsteller rügt ferner, das von der antragsgegnerin eingeholte gutachten des sachverständigen t1. vom 1.4.2014 sei mangelhaft. nach der planurkunde seien die vorgesehenen gebäude überwiegend höher als 8 m. der gutachter gehe davon aus, dass die lärmbelastung umso höher liege, je höher die gebäude seien, dabei habe er als höchsten wert 8 m gewählt. danach könne nicht ausgeschlossen werden, dass andere passive schallschutzmaßnahmen erforderlich wären, soweit es um mehr als 8 m hohe gebäude gehe. hierzu hat die antragsgegnerin zutreffend darauf hingewiesen, dass die höhe der gebäude in dem angesprochenen bereich in der nähe zur n3.----------straße durch beschränkungen der geschosse begrenzt ist. danach liegt die prognose des sachverständigen, es bedürfe keiner weiteren lärmschutzvorkehrungen, "auf der sicheren seite". 151bb) ein abwägungsfehler hinsichtlich der lärmschutzbelange lässt sich auch nicht in bezug auf die nachbarn des plangebiets feststellen. dies ergibt sich aus den entsprechenden ausführungen der planbegründung, in denen die voraussichtlichen überschreitungen der in den blick genommenen werte aufgezeigt und mit näheren erwägungen als für die betroffenen zumutbar eingeordnet werden. soweit der antragsteller fehlerhafte berechnungen im hinblick auf die tiefgarageneinfahrt bzw. -ausfahrt an der x.--------straße rügt, greift dies nicht durch. der antragsteller bezweifelt in diesem zusammenhang die anwendbarkeit der ta lärm und bemängelt, dass eine anzunehmende vorbelastung unzureichend berücksichtigt worden sei. hierzu hat die beigeladene in ihrer antragserwiderung zutreffend darauf hingewiesen, dass die anwendung der ta lärm nicht zu einer schlechterstellung der plannachbarn führt. ferner hat sie darauf hingewiesen, dass die vorbelastung nicht unzureichend berücksichtigt worden ist. 152e) auch die abwägung hinsichtlich der niederschlagswasserbeseitigung ist nicht zu beanstanden. soweit der antragsteller hierzu insbesondere rügt, die antragsgegnerin habe zu unrecht auf verbindliche festsetzungen zur sicherung eines entwässerungskonzepts verzichtet, zudem sei die realisierbarkeit des konzepts fraglich, greift dies nicht durch. dies ergibt sich aus den zutreffenden erwägungen der beigeladenen ihrer antragserwiderung. danach führt es zu keinem durchgreifenden abwägungsmangel, dass nicht die gewünschten detaillierten festsetzungen zu allen aspekten der niederschlagswasserbeseitigung getroffen worden sind. allerdings weist der antragsteller zutreffend darauf hin, dass entsprechende festsetzungen zur ermöglichung bzw. sicherstellung der versickerung von niederschlagswasser, das auf privaten flächen anfällt, rechtlich in betracht kämen. zur beseitigung von niederschlagswasser in einem neubaugebiet kann nach § 9 abs. 1 nrn. 14, 15 und 20 baugb ein dezentrales system privater versickerungsmulden und grünflächen festgesetzt werden. 153vgl. bverwg, urteil vom 30.8.2001 - 4 cn 9.00 -, brs 64 nr. 36 = baur 2002, 424. 154aus der planbegründung und den vorliegenden gutachterlichen feststellungen, insbesondere dem geotechnischen bericht der x2. gmbh zur abwasser- und straßentechnischen erschließung des baugebiets l. -i1. vom 10.6.2016, ergibt sich aber, dass die antragsgegnerin zu recht davon ausgegangen ist, dass die problematik auf der grundlage der getroffenen festsetzungen zu den überbaubaren flächen, zur dachbegrünung und der versickerungsfläche m4 beherrschbar ist; im rahmen der nachfolgenden genehmigungsverfahren können hierzu weitere regelungen getroffen werden, die auch einen hinreichenden schutz der nachbarschaft des plangebiets gewährleisten. die entsprechende konzeption ergibt sich aus der planbegründung sowie dem in ergänzung zum städtebaulichen vertrag geschlossenen erschließungsvertrag zwischen der beigeladenen und der antragsgegnerin. 155danach vermag der senat auch nicht im hinblick auf die vom antragsteller angesprochene starkregenproblematik einen abwägungsmangel zu erkennen. dazu wird auf die stellungnahme der fa. x2. vom 16.2.2016 sowie die stellungnahme der j. consult vom 10.12.2018 verwiesen; daraus ergibt sich, dass auch diese problematik, die ausweislich des umweltberichts erkannt wurde, im weiteren planvollzug beherrschbar ist, soweit nicht ohnehin bereits hinreichende regelungen zu versickerungsflächen und zu dachbegrünungen zwecks verlangsamung des wasserabflusses bzw. zu rigolensystemen getroffen worden sind (maßnahme m 4 gem. ziff. 7.8 der festsetzungen, ziff. 7.14 bzw. seite 9 der planbegründung). 156f) soweit der antragsteller einen abwägungsmangel darin sieht, dass die bebauung entsprechend dem bebauungsplan gegen verbote der landschaftsschutzgebietsfestsetzung verstoße, trifft dies nicht zu. nach den entsprechenden regelungen des landesnaturschutzrechts (§ 20 abs. 4 lnatschg nrw), auf die auch von der beigeladenen hingewiesen worden ist, treten insoweit die landschaftsrechtlichen festsetzungen zurück. soweit der antragsteller in diesem zusammenhang eine verfassungswidrigkeit der entsprechenden regelungen zum verhältnis von bebauungsplanung und landschaftsschutz in § 20 abs. 4 lnatschg nrw rügt, vermag der senat dem nicht zu folgen. anhaltspunkte für eine verfassungswidrigkeit dieser regelungen sind nicht zu erkennen. dass die belange des landschaftsschutzes ansonsten nicht mit dem ihnen zukommenden gewicht in die abwägung eingestellt worden seien, behauptet der antragsteller lediglich in pauschaler weise. 157g) der senat vermag auch keine unzureichende ermittlung von belangen des denkmalschutzes festzustellen. hierzu kann auf die ausführungen in der antragserwiderung der antragsgegnerin verwiesen werden. 158h) ebenso wenig sind die festsetzungen zum artenschutz abwägungsfehlerhaft. die entsprechenden rügen des antragstellers greifen nicht durch. dies ergibt sich aus den darlegungen der antragsgegnerin in ihrer antragserwiderung. danach bedurfte es insbesondere keiner verbindlichen festsetzungen der sogenannten cef-maßnahmen, d. h. vorgezogener ausgleichsmaßnahmen, die gegebenenfalls durch artenschutzrechtliche verbote ausgelöst werden. der senat vermag entgegen der meinung des antragstellers auch keine unzureichende ermittlung der belange des artenschutzes festzustellen. 159i) der senat vermag ferner keine unzureichende ermittlung in bezug auf belange der frischluftzufuhr zu erkennen. dazu kann auf die ausführungen der antragsgegnerin verwiesen werden. danach war insbesondere vor dem hintergrund der vorliegenden fachkundigen stellungnahmen des stadtplanungsamts eine gesonderte gutachtliche untersuchung nicht erforderlich. 160j) der senat vermag auch keine unzureichenden ermittlungen in bezug auf feinstaubbelastungen festzustellen. dazu kann auf die ausführungen in der antragserwiderung der antragsgegnerin verwiesen werden. 161k) soweit das vorbringen des antragstellers zur unbestimmtheit der festsetzung 2.2. als rüge eines abwägungsmangels wegen divergenz zwischen der festsetzung zur geschossfläche in den wa 1 und 4 und 5 im obersten geschoss gegenüber der planbegründung gewertet werden kann, führt dies nicht zu einem beachtlichen abwägungsmangel. das vorbringen ist erstmalig im schriftsatz vom 4.11.2021 vorgebracht worden. ein etwaiger abwägungsmangel wäre schon nach § 215 baugb unbeachtlich geworden, weil es an einer rechtzeitigen mängelrüge fehlte. bei inkraftsetzung des bebauungsplans ist gemäß § 215 abs. 2 baugb auf die voraussetzungen für die geltendmachung der verletzung von vorschriften nach § 215 abs. 1 satz 1 nr. 1 baugb sowie die rechtsfolgen hingewiesen worden. dieser hinweis litt auch nicht etwa an beachtlichen mängeln. 162siehe zu einer ähnlichen formulierung: bverwg, urteil vom 14.6.2012 - 4 cn 5.10 -, brs 79 nr. 41 = baur 2012, 1620. 163der senat geht auf der grundlage der mitteilung der antragsgegnerin vom 8.6.2022 davon aus, dass ein entsprechender mangel auch nicht etwa von dritten rechtzeitig gerügt worden ist. 164danach kann dahinstehen, ob - ungeachtet des ablaufs der rügefrist - ein erheblicher mangel der abwägung oder lediglich ein redaktionelles versehen im rahmen der planbegründung anzunehmen wäre, die nicht an die fassung der festsetzung 2.2 angepasst worden ist. 165vgl. zur unbeachtlichkeit von unstimmigkeiten im rahmen der bebauungsplanung, die auf redaktionsversehen beruhen: bverwg, urteil vom 7.5.2014 - 4 cn 5.13 -, brs 82 nr. 50 = baur 2014, 1736. 166l) anderweitige beachtliche materielle mängel sind weder dargelegt noch sonst ersichtlich. 167die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 1 vwgo und § 162 abs. 3 vwgo; die kosten der beigeladenen, die in der sache obsiegt, waren dem antragsteller aufzuerlegen; dies entspricht der billigkeit, weil die beigeladene einen sachantrag gestellt und sich damit selbst einem kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 abs. 3 vwgo). 168die entscheidung zur vorläufigen vollstreckbarkeit beruht auf § 167 vwgo und den §§ 708 nr. 10, 711 zpo. 169die revision ist nicht zuzulassen, weil die voraussetzungen des § 132 abs. 2 vwgo nicht vorliegen.
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S 14 R 167/19
2022-05-25T00:00:00
Urteil
Tenor Der Bescheid der Beklagten vom 04.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2019 unter Einschluss des Bescheides vom 06.12.2018 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger über den 31.08.2019 hinaus Rentenleistungen wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach in vollem Umfang. 1Tatbestand: 2Streitig ist die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) über den 31.08.2019 hinaus angesichts einer von der Beklagten angenommenen wesentlichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse hinsichtlich des rentenrechtlich relevanten klägerischen Leistungsvermögens gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). 3Der Kläger ist am 08.08.1962 geboren. Nach Schulabschluss absolvierte er mit Erfolg die Ausbildung zum Landmaschinenmechaniker-Gesellen. Das Beschäftigungsverhältnis im erlernten Beruf, zuletzt in leitender Funktion in der Werkstatt, endete aus gesundheitlichen Gründen tatsächlich zum Februar 2013. In der Folgezeit war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt mit Bezug von Krankengeld. Sein Grad der Behinderung (GdB) nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) beträgt nach Aktenlage 30. Derzeit lebt er nach eigenen Angaben von Grundsicherung und finanzieller Unterstützung in der Ehe. Auf den Antrag des Klägers vom August 2014 bei der Beklagten bewilligte diese die Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.01.2014 befristet bis März 2016, welche schließlich nach Verlängerung im Januar 2018 zunächst bis August 2019 befristet weiter bewilligt wurde. Nach ambulanten gutachterlichen Untersuchungen des Klägers im Laufe des Jahres 2018 erteilte die Beklagte den weiteren Bescheid vom 06.12.2018, ausdrücklich als Gegenstand des laufenden Widerspruchsverfahrens, jedoch ohne Zitat des § 85 Sozialgerichtsgesetz (SGG). In dem weiteren Bescheid vom 06.12.2018 nahm die Beklagte Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit ab 01.01.2019 an und erklärte daher die Rentengewährung über den 31.12.2018 hinaus wegen wesentlicher Änderung der tatsächlichen Verhältnisse für beendet . Dagegen erhob der Kläger wiederum am 17.12.2018 Widerspruch. Angesichts der gesetzlichen aufschiebenden Wirkung des erhobenen Widerspruchs vom Dezember 2018 leistete die Beklagte die Erwerbsminderungsrente tatsächlich noch bis Ende März 2019 weiter an den Kläger. Der Kläger hatte zuvor im Übrigen gegen den weiter befristenden Fortbewilligungsbescheid der Beklagten vom 04.01.2018 am 10.01.2018 Widerspruch eingelegt. Er rügte, die fortgesetzte Befristung sei sachlich nicht nachvollziehbar und für ihn persönlich willkürlich. Die Beklagte wies den Rechtsbehelf u.a. nach Veranlassung weiterer ambulanter Begutachtungen des Klägers auf internistischem und psychiatrischsozialmedizinischem Fachgebiet durch Widerspruchsbescheid vom 05.02.2019 als unbegründet zurück, nachdem sie , wie dargelegt, zwischenzeitlich durch Bescheid gem. § 85 SGG vom 06.12.2018 die Rentengewährung ab 01.01.2019 für beendet erklärt hatte. 4Gegen den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 05.02.2019, mit dem diese die Rechtsbehelfe des Klägers gegen die Bescheide vom 04.01.2018 und 06.12.2018 als unbegründet zurückwies, richtet sich die am 01.03.2019 bei dem Sozialgericht (SG) Münster erhobene Klage. Der Kläger verfolgt damit sein Rentenbegehren weiter. Zur Begründung rügt er u.a., dass die Beklagte ihm durch den Bescheid vom 06.12.2018 die Rentengewährung nochmals beschnitten habe. Er macht dazu im Wesentlichen seine gesundheitlichen Einschränkungen geltend. Es sei für ihn keine Besserung eingetreten. Er sei weiterhin erwerbsgemindert und könne nicht den Belastungen regelmäßiger Arbeit standhalten. Er sieht sich durch die gerichtlichen Sachverständigengutachten im Wesentlichen bestätigt. Es sei davon auszugehen, dass die Erwerbsminderung nun auf Dauer vorliege. 5Der Kläger beantragt, 6den Bescheid der Beklagten vom 04.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2019 unter Einbeziehung des weiteren Bescheides der Beklagten vom 06.12.2018 aufzuheben und ihm über den 31.08.2019 hinaus Rente wegen Erwerbsminderung auf Dauer zu gewähren. 7Die Beklagte beantragt, 8die Klage abzuweisen. 9Zur Begründung ihres Antrages nimmt sie Bezug auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und den Inhalt ihrer Verwaltungsakte. Zudem sieht sie auch nach mehreren medizinischen Sachverständigengutachten, sowohl orthopädisch als auch internistisch bzw. auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet, weiterhin keinen feststellbaren 10Anhalt für eine dem Kläger günstigere Entscheidung. 11Nach Beiziehung der Verwaltungsakte der Beklagten sowie medizinischer Unterlagen und Berichte zur Entwicklung der Erkrankungen des Klägers in den letzten Jahren hat das Gericht 3 Gutachten gemäß §§ 103, 106 SGG zur Frage der Erwerbsminderung des Klägers beigezogen. Auf den Inhalt des Gutachtens der Internistin Frau Dr. C., C., vom 09.07.2020, des Orthopäden Herrn X., E., vom 17.09.2020 sowie der Neurologin//Psychiaterin Frau Dr. X., F., vom 15.12.2021 nebst ergänzender Stellungnahme dazu vom 21.04.2022 wird verwiesen. 12Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes nimmt das Gericht Bezug auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten, die bei der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung zugrunde lagen. 13Entscheidungsgründe: 14Die als kombiniertes Anfechtungs- und Leistungsbegehren statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere gemäß §§ 87, 90 SGG form- und fristgerecht erhobene, Klage hat Erfolg. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig und beschweren den Kläger. Er hat über die Einstellung der tatsächlichen Rentenauszahlung zum Ende März 2019 hinaus weiterhin, nun über den 01.09.2019 hinaus, Anspruch auf die volle Erwerbsminderungsrente und zwar wie tenoriert jetzt auch auf Dauer. 15Gegenstand des Klageverfahrens waren die Gesamtheit der hier mit der Klage angegriffenen Bescheide der Beklagten, mit welchen schlussendlich die Weiterbewilligung von Rente wegen voller Erwerbsminderung sowohl über den 31.12.2018 aufgehoben als auch angesichts der Befristung über den 31.08.2019 insoweit schlüssig abgelehnt worden war. 16Die dagegen gerichtete Klage ist auch wie tenoriert vollauf begründet. 17Der erneut befristende Bescheid vom 04.01.2018 ist nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme und dem Inbegriff des frei zu würdigenden Beweisergebnisses, § 128 SGG, materiell rechtswidrig. Zudem ist zur Überzeugung der Kammer insbesondere keine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne einer Besserung der gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers, die für die rentenrechtlich relevante Leistungsminderung erheblich waren und weiterhin sind, objektiviert. Die Erwerbsminderung besteht nun vielmehr auf Dauer, über den Rentenwegfall aufgrund der angefochtenen Bescheide jeweils zum 01.01.2019 bzw. 31.08.2019, hinaus. 18Rechtsgrundlage für die Aufhebung der (befristet gewesenen) Weiterbewilligung von Rente wegen voller Erwerbsminderung zuletzt durch Bescheid vom 06.12.2018 mit Wirkung bereits ab 01.01.2019 ist § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X. Danach ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Zudem haben Versicherte § 43 Abs. 2 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit aufweisen und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte nach § 43 Abs. 1 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. 19Eine mittlerweile dauerhafte, zugleich volle Erwerbsminderung des Klägers ist zur Überzeugung der Kammer über die in den angefochtenen Bescheiden je zum 01.01.2019 bzw. 31.08.2019 angenommenen Wegfallzeitpunkte hinaus gegeben. Der Beklagten gelingt insoweit nicht der Nachweis, dass in den tatsächlichen Verhältnissen, genauer der sozialversicherungsrechtlichen Leistungsfähigkeit des Klägers, zum Zeitpunkt der Aufhebungsentscheidung im Dezember 2018 gegenüber dem Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides 20vom 04.01.2018 eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Zudem liegt über den 31.12.2018 und auch den 31.08.2019 hinaus hier nunmehr nachweislich volle Erwerbsminderung auf Dauer beim Kläger vor. 21Die Kammer stützt sich insofern primär auf die Einschätzung der Neurologin//Psychiaterin Frau Dr. X. in F. in deren Sachverständigengutachten vom 15.12.2021, erstellt aufgrund Untersuchung des Klägers am 15.10.2021, sowie die ergänzende Stellungnahme von Frau Dr. X. für das Gericht vom 21.04.2022. Danach setzen folgende Gesundheitsstörungen die Leistungsfähigkeit des Klägers im Erwerbsleben herab: eine chronische depressive Erkrankung im Sinne einer Dysthymia (ICD 10 F34.1), mit Verlust von Selbstwertgefühl, Selbstvertrauen, Einschränkung von Konzentration und Merkfähigkeit, psychomotorischer Hemmung und Antriebsreduktion, Freudlosigkeit, Rückzug und Interesseverlust, Neigung zu Erschöpfung; chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, u. a. Nervenwurzelreizsyndrom L5/S1 rechts mit belastungsabhängigem Taubheitsgefühl im re. Bein bei Verschleißveränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule mit Bandscheibenvorfall; eine Verengung der Herzkranzgefäße mit Gefäßschienung 2014, lt. Unterlagen kardial stabiler Befund, ein medikamentös behandelter Bluthochdruck, eine Fettstoffwechselstörung, medikamentös behandelt, Übergewicht, Schultergelenksbeschwerden, anamnestisch linksseitige Ohrgeräusche sowie Teilamputation des linken Ringfingers. Hierin werden auch die Befunde aufgrund der Begutachtung durch die Internistin Frau Dr. C., C., vom 09.07.2020 sowie den Orthopäden Herrn X., E., vom 17.09.2020, mit einbezogen. 22Ausgehend von diesen organischen und psychischen Beeinträchtigungen gelangt Frau Dr. X. zu nachfolgenden Leistungseinschränkungen bei dem Kläger: Er könne noch ständig körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten verrichten. Maßgeblich wirkten sich hier Verschleißveränderungen im Bereich des Bewegungsapparats und der chronischen Schmerzstörung aus. Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis 10 kg seien ständig unter Einhaltung von rückengerechten Bewegungsabläufen zumutbar. Arbeiten sollten ständig in möglichst wechselnder Körperhaltung bzw. aufgrund der chronischen Schmerzstörung auch jederzeit in frei wählbarer Körperhaltung ausgeübt werden. Arbeiten im Knien, Hocken oder Bücken, wobei auch hier möglichst rückengerechte Bewegungsabläufe eingehalten werden sollten, sind gelegentlich möglich. Aufgrund der orthopädisch dokumentierten Beschwerden im Schulterbereich sind nur gelegentlich Arbeiten über Kopf oder über Schulter-Höhe zumutbar. Arbeiten in Zwangshaltungen sollten lediglich gelegentlich aufgrund der chronischen Schmerzstörung zugemutet werden. Gerüst- und Leiterarbeiten sowie Arbeiten mit Treppensteigen und Besteigen von Regalleitern sind aufgrund der lumbalen Nervenwurzelreizung rechts und eventueller Sturzgefährdung durch plötzliche Schmerzen nicht zumutbar. Arbeiten mit voller Gebrauchsfähigkeit der Hände sind ständig zumutbar, eine Einschränkung der Gebrauchsfähigkeit der Hände bei rechter Gebrauchshand liegt nicht vor. Arbeiten im Freien mit Witterungsschutz und Arbeiten mit Umwelteinflüssen wie Kälte, Hitze, Zugluft, Temperaturschwankungen, Nässe, Staub/Schmutz, Gas, Hautreizstoffe, Dampf und Lärm sind aufgrund der psychovegetativen Belastungen solcher Umwelteinflüsse lediglich gelegentlich zumutbar. Arbeiten an laufenden Maschinen sind nicht zumutbar aufgrund der eingeschränkten Aufmerksamkeit und Dauerbelastbarkeit infolge der psychischen Erkrankung mit resultierender Verletzungsgefahr. Arbeiten in Wechsel- oder Nachtschicht sind nicht zumutbar aufgrund der psychischen Erkrankung. Arbeiten mit ständigem, überwiegendem, zeitweisem und gelegentlichem Publikumsverkehr sind aufgrund der psychischen Erkrankung ebenfalls nicht zumutbar. Arbeiten mit zeitlichen Anforderungen im Sinne der Notwendigkeit , festgelegte Termine einzuhalten, oder auch Arbeiten unter Zeitdruck, wie z.B. Akkord- und Fließbandarbeiten, sind aufgrund der psychischen Erkrankung nicht zumutbar. Überwiegend geistig einfache Arbeiten sind allenfalls unter Berücksichtigung der Schul- und Berufsbildung und der aktuellen Verfassung des Klägers zumutbar. Überwiegend Arbeiten mit nur geringen Anforderungen an die Reaktion, Übersicht und Aufmerksamkeit sind aufgrund der psychischen Verfassung zumutbar. Überwiegend Arbeiten mit nur geringen Anforderungen an Verantwortungsbewusstsein, Zuverlässigkeit und geistige Beweglichkeit sind aufgrund der psychischen Verfassung zumutbar. Arbeiten mit durchschnittlichen Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen sind überwiegend zumutbar. Bildschirmarbeit ist theoretisch möglich, wobei hierbei die fehlende berufliche Qualifikation und auch verminderte kognitive Belastbarkeit zu berücksichtigen sind. Umgangssprachliche Verständigung ist möglich. Unter Beachtung vorgenannter qualitativer Leistungseinschränkungen kann der Kläger danach in quantitativer Hinsicht nun nur noch unter 3 Stunden beruflich tätig werden, da es sich um eine mittlerweile chronifizierte depressive Störung handelt. Dies geht einher mit Einschränkungen der Aufmerksamkeit, der konzentrativen Belastbarkeit, Rückzugsverhalten, vermehrter Erschöpfung, Stimmungseinbrüchen und Antriebsreduktion. Da nur noch ein berufliches Rest-Leistungsvermögen von unter 3 Stunden besteht, entfällt auch die Pausenfrage. Zudem kann der Kläger mit den genannten Einschränkungen nicht mehr regelmäßig 5 Tage die Woche arbeiten. Sollte der Kläger theoretisch eine berufliche Tätigkeit ausführen, wäre aufgrund der psychischen Erkrankung mit weit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass er mehr als 6 Monate Ausfallszeiten je Kalenderjahr erreicht. Der Kläger kann arbeitstäglich zwar insgesamt 4 x täglich etwas mehr als 500 m zurücklegen, allerdings ist, angesichts des körperlichen neurologischen Befundes, von einem Nervenwurzelreizsyndrom L5/S1 rechts auszugehen, welches unter körperlicher Belastung, insbesondere beim Gehen, zu einem Taubheitsgefühl im rechten Bein führt, so dass die regelmäßige Belastungsfähigkeit nicht sicher festzustellen ist. Eine eindeutige OP-Indikation bestehe allerdings nicht, konservative orthopädische Behandlungen und Physiotherapie erfolgten bereits in Abständen, von einer wesentlichen Besserung innerhalb kurzer Zeit sei nicht auszugehen. Der Kläger kann öffentliche Verkehrsmittel ohne Begleitperson auch zu Hauptverkehrszeiten benutzen. Der Kläger hat einen Führerschein und führt auch Pkw, allerdings ist er aufgrund seiner psychischen Verfassung nur auf gewohnten Strecken unterwegs, hat sich z. B. zum Untersuchungstermin von seiner Ehefrau fahren lassen. Theoretisch kann er durchaus zwischen 30 bis zu 60 Minuten am Stück einen Pkw fahren, wobei die Ein- und Umstellfähigkeit und Reaktionsfähigkeit für ungewohnte Strecken kritisch zu sehen ist. 23Beim Kläger fehlt es nunmehr auch an einer durchschnittlichen Umstellungsfähigkeit. Zudem ist es nach dem Sachverständigengutachten von Frau Dr. X., F., vom 15.12.2021 eindeutig ausgeschlossen, dass er aggraviere oder simuliere. Seine Angaben im Rahmen der ausführlichen Befragung bei der Untersuchung Mitte Oktober 2021 deckten sich im Wesentlichen mit den, zum Teil deutlich kürzeren Angaben, in den früheren Begutachtungen und auch mit den Ausführungen in den nervenärztlichen Befundberichten, sogar mit Angaben im Gutachten von Frau Dr. C., auch wenn diese diagnostisch falsche Schlüsse zog. Aktuelle finanzielle Sorgen sind auch nicht im Sinne eines Rentenbegehrens zu werten, sondern Folge/Ausdruck seiner psychischen Verfassung. Die tatbestandliche Voraussetzung einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne der beklagtenseitig postulierten Beschwerdeverbesserung iSv § 48 SGB X hinsichtlich des rentenrechtlich nach § 43 SGB VI relevanten Leistungsvermögens ist nunmehr hier nicht festzustellen. Der Kläger ist wegen der ausführlich vorbezeichneten Krankheiten in Gesamtschau auf nicht absehbare Zeit außerstande, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Dies beruht auf der Schwere der oben ausgeführten fachlich gesicherten Diagnosen und entspricht zusammengefasst dem Gutachten gem. §§ 103, 106 SGG der Neurologin//Psychiaterin Frau Dr. X., F., vom 15.12.2021 nebst ergänzender Stellungnahme dazu vom 21.04.2022. 24Dazu gilt nun im Einzelnen: Die festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen bestehen seit 2014, seit der ersten (befristeten) Rentengewährung. Die quantitativen Leistungsbeschränkungen bestehen nach dem Sachverständigengutachten von Frau Dr. X. ebenfalls seither und insbesondere weiterhin eben auch über den 31.08.2019 hinaus. Denn nach dem Sachverständigengutachten von Frau Dr. X. sind wesentliche zwischenzeitliche Veränderungen unter Berücksichtigung der Unterlagen nicht festzustellen. Es ist nicht von einer so eindeutigen Besserung im psychischen Befund auszugehen, dass die Weitergewährung der vollen Erwerbsminderungsrente entfalle bzw. nun eine Leistungsfähigkeit von mehr als 6 Stunden pro Tag festzustellen sei. Die Leistungseinbuße des Klägers wird auch als dauerhafter Natur beschrieben; insofern besteht mit dem Sachverständigengutachten von Frau Dr. X. keine begründete Aussicht, dass sie in absehbarer Zeit, bis zu 6 Monaten, behoben sein werde. Es handele sich beim Kläger um eine chronische psychische Erkrankung, welche bislang niederfrequent ambulant nervenärztlich behandelt worden sei. Eine typische psychotherapeutische Behandlung erfolgte bislang nicht. Aufgrund der Persönlichkeitsstruktur des Klägers sei allerdings auch eher von eingeschränkter Introspektionsfähigkeit und Psychotherapiefähigkeit auszugehen. Es ist jedoch auch noch keine stationäre Rehabilitation angeboten worden, dieses wäre zu einem früheren Zeitpunkt vielleicht noch hilfreich gewesen. Jetzt ist mit dem Sachverständigengutachten von Frau Dr. X. auch unter Berücksichtigung des Zeitverlaufes und des chronischen Zustandes keine wesentliche Änderung im Sinne der Verbesserung des Leistungsvermögens zu erwarten. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Minderung der Leistungsfähigkeit tatsächlich behoben werden kann, da es sich um ein chronifiziertes Zustandsbild handelt, begünstigt durch die Persönlichkeitsstruktur des Klägers. Zusammenfassend besteht eine chronische psychische Störung und chronische Schmerzstörung mit psychischen und somatischen Faktoren neben einem Nervenwurzelreizsyndrom L5/S1 rechts mit zusätzlicher Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit , mit allerdings – entgegen der Ansicht des Beraterarztes Prof. Dr. Dr. Dipl.-Psych X., H. in dessen Gutachten für die Beklagte zuletzt vom Juli 2018-weiterhin aufgehobener beruflicher Leistungsfähigkeit. Denn eine durchgreifende Veränderung des psychischen Befundes ist hier mit dem Sachverständigengutachten von Frau Dr. X. im Vergleich zur Feststellung einer vollen Erwerbsminderung bereits im Jahr 2014 auch unter Berücksichtigung weiterer ambulanter Befundberichte nicht zu verifizieren. 25Das Gericht folgt auch in dieser Frage sowie im Übrigen insgesamt den Einschätzung der 26Sachverständigen Dr. X. im Gutachten vom 15.12.2021. Soweit sich die Beklagte dem weiterhin ausdrücklich unter Bezug auf die Einschätzungen ihres Beraterarztes Herrn Prof. Dr. Dr. Dipl.-Psych X., H., zuletzt in dessen Äußerungen nach Aktenlage vom 11.02.2022, nachdrücklich verschließt, hält das Gericht ebenso nachdrücklich an der Leistungseinschätzung von Frau Dr. X. als zutreffend und überzeugend fest. 27Soweit hingegen der Beraterarzt Herr Prof. Dr. Dr. Dipl.-Psych X., H. , am 11.02.2022 eine sozialmedizinisch falsche Leistungseinschätzung im Gutachten von Frau Dr. X. wegen „eher leichter psychischer Erkrankung“ rügt, mag sich die Beklagte erst einmal selbst fragen, in wie weit sie dann für solche angeblich „ leichten Krankheitsverläufe“ wie beim Kläger, der explizit nicht zu den tatnahen Personenkreisen der gerichts- und allgemeinbekannten Betrugsserie zu Lasten der Beklagten in den 2010 er-Jahren im EM-Rentenzugang bei der Beklagten zählte bzw. zählt, immerhin mehrjährig, im Jahr 2014 noch aufgrund insoweit zusprechendem Gutachtervotum des Beraterarztes Prof. Dr. Dr. Dipl.-Psych X., zudem mit Verlängerung auch nochmals im Jahr 2018, volle Erwerbsminderungsleistungen überhaupt erbringen konnte. 28Unbeschadet dessen sieht das Gericht die aktuellen Ausführungen von Herrn Prof. Dr. Dr. Dipl.-Psych X., in der Stellungnahme nach Aktenlage vom 11.02.2022 für die Beklagte hier durch die umfangreiche ergänzende Stellungnahme von Frau Dr. X. dazu vom 21.04.2022 als entkräftet an. Es handelt sich danach – wie aufgezeigt und auch schon im Gutachten gem. §§ 103, 106 SGG von Frau Dr. X. am 15.12.2021 ausführlich dargelegt -bei dem Kläger unter Berücksichtigung der Alltagsschilderung, aber auch der ambulanten Befundberichte nicht um eine leichte psychische Erkrankung, wie Herr Prof. Dr. Dr. Dipl.-Psych. X. in der Stellungnahme vom 11.02.2022 es darstellt. 29Denn hier besteht , wie nachvollziehbar und überzeugend von der langjährig erfahrenen, fachlich ausgesprochen versierten und medizinisch auch über die Sozialgerichtsbarkeit NRW hinaus geschätzten Sachverständigen Frau Dr. X. ausgeführt, eine Chronifizierung, wobei bislang keine angemessene psychiatrisch/psychotherapeutische Behandlung erfolgte, und angesichts des Zeitverlaufes jetzt nicht mehr von einer wesentlichen Beinflußbarkeit der Erkrankung auszugehen ist .Dass weder ärztlich noch von Seiten des Rentenversicherungsträgers stationäre intensivere Maßnahmen angeboten wurden, was vor Jahren vielleicht noch zu einer durchgreifenden Änderung und Besserung hatte fuhren können, kann - so Frau Dr. X. völlig zu Recht in ihrer die ergänzende gutachterlichen Stellungnahme vom 21.04.2022 - nicht dem Kläger angelastet werden. 30Der weiteren Rüge von Herrn Prof. Dr. Dr. Dipl.-Psych X. in dessen Äußerung für die Beklagte nach Aktenlage vom 11.02.2022, es fehle hier eine Beschwerdevalidierung , „die für ein Sozialgerichtsgutachten notwendig erscheine“, ist sachlich zum Einen entgegen zu halten, dass nach der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme von Frau Dr. X. vom 21.04.2022 hier eine Beschwerdevalidierung überflüssig und ohne zusätzliche Aussagekraft sei. Gleiches gelte auch für das Erheben von Medikamentenspiegeln: Angesichts der angegebenen Dosierung der Antidepressiva war abhängig vom Einnahmezeitpunkt ein eher niedriger oder sogar teils nicht nachweisbarer Medikamentenspiegel zu erwarten, so dass eine Aussagekraft zwischen Ausmaß der psychischen Erkrankung und Höhe des Medikamentenspiegels nicht vorliegt und daraus sich auch kein zusätzlicher Erkenntnisgewinn ergibt. Die Kammer teilt die Zweifel von Frau Dr. X. an den Einschätzungen von Herrn Prof. Dr. Dr. Dipl.-Psych X., H., zuletzt vom 11.02.2022. Denn warum gelangt Prof. Dr. Dr. Dipl.-Psych X., trotz im Wesentlichen ähnlich beschriebenem psychopathologischen Sachverhalt in seinen 2 Verwaltungsgutachten für die Beklagte einerseits zur Einschätzung einer aufgehobenen beruflichen Leistungsfähigkeit, in der zweiten Begutachtung dann jedoch zur These der Wiederherstellung der beruflichen Leistungsfähigkeit, und dass wiederum, obwohl psychopathologisch sich keine gravierenden Unterschiede darstellten. Dies bleibt seitens der Beklagten – für die Kammer beredet- unbeantwortet. Zudem werden von Frau Dr. X. noch zur geforderten Beschwerdevalidierung abschließend folgende Aspekte zur Validierung geklagter Beschwerden bei der neurologisch-psychiatrischen Begutachtung benannt: Die umfassende Beachtung der Aktenlage, eine ausführliche Anamneseerhebung, ggf. auch mittels Fremdanamnese, was jedoch gutachterlich nicht regelhaft der Fall ist, zudem sind die klinisch-neurologische und psychische Befunderhebung wesentlich. Ergänzend können elektrophysiologische Diagnostik, Fragebögen und Selbstbeurteilungsskalen sowie neuropsychologische Tests und Medikamentenmonitoring eingesetzt werden, müssen jedoch nicht zwangsläufig zum Einsatz gebracht werden. Eine Beschwerdevalidierung beginnt letztendlich schon beim Lesen der Akten und in einer chronologisch und thematisch geordneten Aufarbeitung der Aktenlage, wie in der Beurteilung im Gutachten von Frau Dr. X. vom 15.12.2021 dargelegt. Dabei zeigt sich eine konsistente Symptomatik. Unklarheiten und Widersprüche liegen nicht vor, welchen anderenfalls mittels testpsychologischer Beschwerdevalidierung hinterfragt und erklärt werden müssten. 31Den Ausführungen im Gutachten von Frau Dr. X. vom 15.12.2021 schließt sich die Kammer vollauf an. Es entspricht fachlich-medizinischem Standard. Es ist nach alledem nicht überzeugend, wird jedoch von Prof. Dr. Dr. Dipl.-Psych X. für die Beklagte am 11.02.2022 postuliert, eine Beschwerdevalidierung, „die für ein Sozialgerichtsgutachten notwendig erscheine“, und dann seitens der Beklagten ähnlich einem KO-Kriterium dem fundierten, ausführlich abgewogenen Gutachten von Frau Dr. X. entgegnet. 32Das wiederum bietet -noch darüber hinaus gehend - generell Anlass dafür, die von der Beklagten als inhaltlicher Mangel mitunter reflexhaft der Überzeugungskraft von Gerichtsgutachten auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet entgegen gehaltene Rüge angeblich „fehlender Beschwerdevalidierung“ gerichtlich nochmals gesondert differenziert zu betrachten. Das gilt wiederum – wie hier ersichtlich beim Kläger -namentlich für die bei der Beklagten rentenversicherten Personen, die explizit nicht zu den Personenkreisen der gerichts– und allgemeinbekannten Betrugsfälle in den 2010er Jahren bei den EM-Renten der Beklagten zu zählen sind . Wie schon in der Sitzungsniederschrift zur mündlichen Verhandlung am 25.05.2022 vom Gericht fixiert, stellt sich Stand der Erkenntnis u.a. zur Frage der Beschwerdevalidierung bzw. in wie fern „diese für ein Sozialgerichtsgutachten notwendig erscheine“ , nach den hier aktenkundigen sowie den Beteiligten transparent in Kopie überreichten richterlichen Fortbildungsunterlagen aus dem LSG NRW zur Rentenversicherung , Richter-Arbeitskreis vom 3.5.2022, wie folgt dar: „Nach der AWMF ( = Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.) - Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Störungen (Stand 01.12.2019), Teil 4 gilt: „Eine eingehende, explizit und nachvollziehbar dargelegte Beschwerdevalidierung ist Bestandteil jedes Gutachtens. Ihr Kernstück ist eine sorgfältige Plausibilitäts- und Konsistenzprüfung, die, je nach Einzelfall, durch spezifische Verfahren untermauert werden kann. Dabei gibt es 5 Komponenten nach Ermessen des Gutachters: Aktenlage (Abgleich der Befunde), klinische Beschwerdevalidierung (Beobachtung, klinische Untersuchung und klinische Tests), Selbstbeurteilungsskalen (Abgleich mit Befunden, spezielle Validierungsverfahren), kognitive Beschwerdevalidierung (psychologische Tests) und Bestimmung des Medikamentenspiegels.“ Genau dem entspricht auch die ergänzende gutachterliche Stellungnahme von Frau Dr. X. vom 21.04.2022 für die Kammer zur Rüge von Herrn Prof. Dr. Dr. Dipl.-Psych X. in dessen Äußerung für die Beklagte nach Aktenlage vom 11.02.2022, es fehle hier eine Beschwerdevalidierung „die für ein Sozialgerichtsgutachten notwendig erscheine“. 33Das Gericht hat für die Frage fachgerechter psychiatrischer Begutachtung und der Methodensicherung hinsichtlich der Beschwerdevalidierung danach noch allenfalls Folgendes zu ergänzen: Sowohl fachlich -medizinisch als auch rechtlich-abstrakt überzeugt für die Beklagte hier Herr Prof. Dr. Dr. Dipl.-Psych X., namentlich in der Äußerung für die Beklagte nach Aktenlage vom 11.02.2022, gerade nicht. Es verbleibt hingegen zur vollen Überzeugung der Kammer vielmehr dabei, dass mit dem Gutachten gem. §§ 103, 106 SGG der Neurologin//Psychiaterin Frau Dr. X., F., vom 15.12.2021 nebst ergänzender Stellungnahme dazu vom 21.04.2022 beim Kläger (mittlerweile) eine dauerhaft aufgehobene Erwerbsfähigkeit fachmedizinisch wohl begründet nachgewiesen ist. Der Schweregrad einer Erkrankung des psychiatrischen Fachgebietes ist dabei – wie hier ersichtlich - in verschiedenen Sachverständigengutachten, über einen langen Zeitraum erstattet, zwar terminologisch differenziert bezeichnet worden. Im Kern und insbesondere in ihren Auswirkungen auf das Leistungsvermögen des Klägers ist das aufgehobene Leistungsvermögen des Klägers auf Dauer jedoch mit dem Gerichtsgutachten von Frau Dr. X. nunmehr abschließend gesichert. Maßgeblich zu verlangen ist – wie hier jedenfalls für das Gericht durch das Gutachten gem. §§ 103, 106 SGG der Neurologin//Psychiaterin Frau Dr. X., F., vom 15.12.2021 nebst ergänzender Stellungnahme dazu vom 21.04.2022 geschehen - , dass sich begutachtende Ärzte an den immerhin anerkannten Klassifikationssystem orientieren und erkennbar ist, inwiefern sie von übereinstimmenden oder unterschiedlichen Gesundheitsstörungen ausgehen (vgl. Freudenberg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. § 43 Rn. 63). 34Die von der Beklagten zur Gerichtsakte (!) gereichte Anmerkung von Herrn Prof. Dr. Dr. Dipl.-Psych X. vom 11.02.2022 in Gestalt seines hier wörtlich zitierten Schlusssatzes, Blatt 3 oben, im Wortlaut „Für den Fall, dass das Gericht dem Gutachten der Frau Dr. X. folgt, wird bereits jetzt aus psychiatrisch-sozialmedizinischer Sicht aktiv Berufung empfohlen“ bedingt allein aufgrund Professionalität und langjähriger Erfahrung des Gerichts keine weitere inhaltliche Befassung mehr. Das kommentiert sich als sog. beraterärztliche Äußerung (sic !) vielmehr selbst. Es mag als Stellungnahme der Beklagten dieser an sich auch nicht angemessen sein, wird gleichwohl dem erkennenden Gericht präsentiert, von diesem aber nicht mehr weiter kommentiert. 35Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
der bescheid der beklagten vom 04.01.2018 in der gestalt des widerspruchsbescheides vom 05.02.2019 unter einschluss des bescheides vom 06.12.2018 wird aufgehoben. die beklagte wird verurteilt, an den kläger über den 31.08.2019 hinaus rentenleistungen wegen voller erwerbsminderung auf dauer nach maßgabe der gesetzlichen bestimmungen zu gewähren. die beklagte trägt die außergerichtlichen kosten des klägers dem grunde nach in vollem umfang. 1
2streitig ist die gewährung von rente wegen voller erwerbsminderung nach § 43 sechstes buch sozialgesetzbuch (sgb vi) über den 31.08.2019 hinaus angesichts einer von der beklagten angenommenen wesentlichen änderung der tatsächlichen verhältnisse hinsichtlich des rentenrechtlich relevanten klägerischen leistungsvermögens gem. § 48 abs. 1 satz 1 zehntes buch sozialgesetzbuch (sgb x). 3der kläger ist am 08.08.1962 geboren. nach schulabschluss absolvierte er mit erfolg die ausbildung zum landmaschinenmechaniker-gesellen. das beschäftigungsverhältnis im erlernten beruf, zuletzt in leitender funktion in der werkstatt, endete aus gesundheitlichen gründen tatsächlich zum februar 2013. in der folgezeit war der kläger arbeitsunfähig erkrankt mit bezug von krankengeld. sein grad der behinderung (gdb) nach dem neunten buch sozialgesetzbuch (sgb ix) beträgt nach aktenlage 30. derzeit lebt er nach eigenen angaben von grundsicherung und finanzieller unterstützung in der ehe. auf den antrag des klägers vom august 2014 bei der beklagten bewilligte diese die rente wegen voller erwerbsminderung ab 01.01.2014 befristet bis märz 2016, welche schließlich nach verlängerung im januar 2018 zunächst bis august 2019 befristet weiter bewilligt wurde. nach ambulanten gutachterlichen untersuchungen des klägers im laufe des jahres 2018 erteilte die beklagte den weiteren bescheid vom 06.12.2018, ausdrücklich als gegenstand des laufenden widerspruchsverfahrens, jedoch ohne zitat des § 85 sozialgerichtsgesetz (sgg). in dem weiteren bescheid vom 06.12.2018 nahm die beklagte wiederherstellung der erwerbsfähigkeit ab 01.01.2019 an und erklärte daher die rentengewährung über den 31.12.2018 hinaus wegen wesentlicher änderung der tatsächlichen verhältnisse für beendet . dagegen erhob der kläger wiederum am 17.12.2018 widerspruch. angesichts der gesetzlichen aufschiebenden wirkung des erhobenen widerspruchs vom dezember 2018 leistete die beklagte die erwerbsminderungsrente tatsächlich noch bis ende märz 2019 weiter an den kläger. der kläger hatte zuvor im übrigen gegen den weiter befristenden fortbewilligungsbescheid der beklagten vom 04.01.2018 am 10.01.2018 widerspruch eingelegt. er rügte, die fortgesetzte befristung sei sachlich nicht nachvollziehbar und für ihn persönlich willkürlich. die beklagte wies den rechtsbehelf u.a. nach veranlassung weiterer ambulanter begutachtungen des klägers auf internistischem und psychiatrischsozialmedizinischem fachgebiet durch widerspruchsbescheid vom 05.02.2019 als unbegründet zurück, nachdem sie , wie dargelegt, zwischenzeitlich durch bescheid gem. § 85 sgg vom 06.12.2018 die rentengewährung ab 01.01.2019 für beendet erklärt hatte. 4gegen den widerspruchsbescheid der beklagten vom 05.02.2019, mit dem diese die rechtsbehelfe des klägers gegen die bescheide vom 04.01.2018 und 06.12.2018 als unbegründet zurückwies, richtet sich die am 01.03.2019 bei dem sozialgericht (sg) münster erhobene klage. der kläger verfolgt damit sein rentenbegehren weiter. zur begründung rügt er u.a., dass die beklagte ihm durch den bescheid vom 06.12.2018 die rentengewährung nochmals beschnitten habe. er macht dazu im wesentlichen seine gesundheitlichen einschränkungen geltend. es sei für ihn keine besserung eingetreten. er sei weiterhin erwerbsgemindert und könne nicht den belastungen regelmäßiger arbeit standhalten. er sieht sich durch die gerichtlichen sachverständigengutachten im wesentlichen bestätigt. es sei davon auszugehen, dass die erwerbsminderung nun auf dauer vorliege. 5der kläger beantragt, 6den bescheid der beklagten vom 04.01.2018 in der gestalt des widerspruchsbescheides vom 05.02.2019 unter einbeziehung des weiteren bescheides der beklagten vom 06.12.2018 aufzuheben und ihm über den 31.08.2019 hinaus rente wegen erwerbsminderung auf dauer zu gewähren. 7die beklagte beantragt, 8die klage abzuweisen. 9zur begründung ihres antrages nimmt sie bezug auf die ausführungen in den angefochtenen bescheiden und den inhalt ihrer verwaltungsakte. zudem sieht sie auch nach mehreren medizinischen sachverständigengutachten, sowohl orthopädisch als auch internistisch bzw. auf neurologisch-psychiatrischem fachgebiet, weiterhin keinen feststellbaren 10anhalt für eine dem kläger günstigere entscheidung. 11nach beiziehung der verwaltungsakte der beklagten sowie medizinischer unterlagen und berichte zur entwicklung der erkrankungen des klägers in den letzten jahren hat das gericht 3 gutachten gemäß §§ 103, 106 sgg zur frage der erwerbsminderung des klägers beigezogen. auf den inhalt des gutachtens der internistin frau dr. c., c., vom 09.07.2020, des orthopäden herrn x., e., vom 17.09.2020 sowie der neurologin//psychiaterin frau dr. x., f., vom 15.12.2021 nebst ergänzender stellungnahme dazu vom 21.04.2022 wird verwiesen. 12hinsichtlich des weiteren sach- und streitstandes nimmt das gericht bezug auf den inhalt der gerichts- und verwaltungsakten, die bei der mündlichen verhandlung und entscheidungsfindung zugrunde lagen. 13
14die als kombiniertes anfechtungs- und leistungsbegehren statthafte und auch im übrigen zulässige, insbesondere gemäß §§ 87, 90 sgg form- und fristgerecht erhobene, klage hat erfolg. die angefochtenen bescheide der beklagten sind rechtswidrig und beschweren den kläger. er hat über die einstellung der tatsächlichen rentenauszahlung zum ende märz 2019 hinaus weiterhin, nun über den 01.09.2019 hinaus, anspruch auf die volle erwerbsminderungsrente und zwar wie tenoriert jetzt auch auf dauer. 15gegenstand des klageverfahrens waren die gesamtheit der hier mit der klage angegriffenen bescheide der beklagten, mit welchen schlussendlich die weiterbewilligung von rente wegen voller erwerbsminderung sowohl über den 31.12.2018 aufgehoben als auch angesichts der befristung über den 31.08.2019 insoweit schlüssig abgelehnt worden war. 16die dagegen gerichtete klage ist auch wie tenoriert vollauf begründet. 17der erneut befristende bescheid vom 04.01.2018 ist nach dem ergebnis der durchgeführten beweisaufnahme und dem inbegriff des frei zu würdigenden beweisergebnisses, § 128 sgg, materiell rechtswidrig. zudem ist zur überzeugung der kammer insbesondere keine wesentliche änderung der tatsächlichen verhältnisse im sinne einer besserung der gesundheitlichen verhältnisse des klägers, die für die rentenrechtlich relevante leistungsminderung erheblich waren und weiterhin sind, objektiviert. die erwerbsminderung besteht nun vielmehr auf dauer, über den rentenwegfall aufgrund der angefochtenen bescheide jeweils zum 01.01.2019 bzw. 31.08.2019, hinaus. 18rechtsgrundlage für die aufhebung der (befristet gewesenen) weiterbewilligung von rente wegen voller erwerbsminderung zuletzt durch bescheid vom 06.12.2018 mit wirkung bereits ab 01.01.2019 ist § 48 abs 1 satz 1 sgb x. danach ist der verwaltungsakt mit wirkung für die zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen verhältnissen, die beim erlass eines verwaltungsaktes mit dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche änderung eintritt. zudem haben versicherte § 43 abs. 2 sgb vi anspruch auf rente wegen voller erwerbsminderung bis zum erreichen der regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf jahren vor eintritt der erwerbsminderung drei jahre pflichtbeiträge für eine versicherte beschäftigung oder tätigkeit aufweisen und vor eintritt der erwerbsminderung die allgemeine wartezeit erfüllt haben. voll erwerbsgemindert sind versicherte, die wegen krankheit oder behinderung auf nicht absehbare zeit außerstande sind, unter den üblichen bedingungen des allgemeinen arbeitsmarktes mindestens drei stunden täglich erwerbstätig zu sein. anspruch auf rente wegen teilweiser erwerbsminderung haben versicherte nach § 43 abs. 1 sgb vi bis zum erreichen der regelaltersgrenze, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 jahren vor eintritt der erwerbsminderung drei jahre pflichtbeiträge für eine versicherte beschäftigung oder tätigkeit haben und vor eintritt der erwerbsminderung die allgemeine wartezeit erfüllt haben. teilweise erwerbsgemindert sind versicherte, die wegen krankheit oder behinderung auf nicht absehbare zeit außerstande sind, unter den üblichen bedingungen des allgemeinen arbeitsmarktes mindestens sechs stunden täglich erwerbstätig zu sein. erwerbsgemindert ist nach § 43 abs. 3 sgb vi nicht, wer unter den üblichen bedingungen des allgemeinen arbeitsmarktes mindestens 6 stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. 19eine mittlerweile dauerhafte, zugleich volle erwerbsminderung des klägers ist zur überzeugung der kammer über die in den angefochtenen bescheiden je zum 01.01.2019 bzw. 31.08.2019 angenommenen wegfallzeitpunkte hinaus gegeben. der beklagten gelingt insoweit nicht der nachweis, dass in den tatsächlichen verhältnissen, genauer der sozialversicherungsrechtlichen leistungsfähigkeit des klägers, zum zeitpunkt der aufhebungsentscheidung im dezember 2018 gegenüber dem zeitpunkt des erlasses des bescheides 20vom 04.01.2018 eine wesentliche änderung eingetreten ist. zudem liegt über den 31.12.2018 und auch den 31.08.2019 hinaus hier nunmehr nachweislich volle erwerbsminderung auf dauer beim kläger vor. 21die kammer stützt sich insofern primär auf die einschätzung der neurologin//psychiaterin frau dr. x. in f. in deren sachverständigengutachten vom 15.12.2021, erstellt aufgrund untersuchung des klägers am 15.10.2021, sowie die ergänzende stellungnahme von frau dr. x. für das gericht vom 21.04.2022. danach setzen folgende gesundheitsstörungen die leistungsfähigkeit des klägers im erwerbsleben herab: eine chronische depressive erkrankung im sinne einer dysthymia (icd 10 f34.1), mit verlust von selbstwertgefühl, selbstvertrauen, einschränkung von konzentration und merkfähigkeit, psychomotorischer hemmung und antriebsreduktion, freudlosigkeit, rückzug und interesseverlust, neigung zu erschöpfung; chronische schmerzstörung mit somatischen und psychischen faktoren, u. a. nervenwurzelreizsyndrom l5/s1 rechts mit belastungsabhängigem taubheitsgefühl im re. bein bei verschleißveränderungen im bereich der lendenwirbelsäule mit bandscheibenvorfall; eine verengung der herzkranzgefäße mit gefäßschienung 2014, lt. unterlagen kardial stabiler befund, ein medikamentös behandelter bluthochdruck, eine fettstoffwechselstörung, medikamentös behandelt, übergewicht, schultergelenksbeschwerden, anamnestisch linksseitige ohrgeräusche sowie teilamputation des linken ringfingers. hierin werden auch die befunde aufgrund der begutachtung durch die internistin frau dr. c., c., vom 09.07.2020 sowie den orthopäden herrn x., e., vom 17.09.2020, mit einbezogen. 22ausgehend von diesen organischen und psychischen beeinträchtigungen gelangt frau dr. x. zu nachfolgenden leistungseinschränkungen bei dem kläger: er könne noch ständig körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere arbeiten verrichten. maßgeblich wirkten sich hier verschleißveränderungen im bereich des bewegungsapparats und der chronischen schmerzstörung aus. arbeiten mit heben und tragen von lasten bis 10 kg seien ständig unter einhaltung von rückengerechten bewegungsabläufen zumutbar. arbeiten sollten ständig in möglichst wechselnder körperhaltung bzw. aufgrund der chronischen schmerzstörung auch jederzeit in frei wählbarer körperhaltung ausgeübt werden. arbeiten im knien, hocken oder bücken, wobei auch hier möglichst rückengerechte bewegungsabläufe eingehalten werden sollten, sind gelegentlich möglich. aufgrund der orthopädisch dokumentierten beschwerden im schulterbereich sind nur gelegentlich arbeiten über kopf oder über schulter-höhe zumutbar. arbeiten in zwangshaltungen sollten lediglich gelegentlich aufgrund der chronischen schmerzstörung zugemutet werden. gerüst- und leiterarbeiten sowie arbeiten mit treppensteigen und besteigen von regalleitern sind aufgrund der lumbalen nervenwurzelreizung rechts und eventueller sturzgefährdung durch plötzliche schmerzen nicht zumutbar. arbeiten mit voller gebrauchsfähigkeit der hände sind ständig zumutbar, eine einschränkung der gebrauchsfähigkeit der hände bei rechter gebrauchshand liegt nicht vor. arbeiten im freien mit witterungsschutz und arbeiten mit umwelteinflüssen wie kälte, hitze, zugluft, temperaturschwankungen, nässe, staub/schmutz, gas, hautreizstoffe, dampf und lärm sind aufgrund der psychovegetativen belastungen solcher umwelteinflüsse lediglich gelegentlich zumutbar. arbeiten an laufenden maschinen sind nicht zumutbar aufgrund der eingeschränkten aufmerksamkeit und dauerbelastbarkeit infolge der psychischen erkrankung mit resultierender verletzungsgefahr. arbeiten in wechsel- oder nachtschicht sind nicht zumutbar aufgrund der psychischen erkrankung. arbeiten mit ständigem, überwiegendem, zeitweisem und gelegentlichem publikumsverkehr sind aufgrund der psychischen erkrankung ebenfalls nicht zumutbar. arbeiten mit zeitlichen anforderungen im sinne der notwendigkeit , festgelegte termine einzuhalten, oder auch arbeiten unter zeitdruck, wie z.b. akkord- und fließbandarbeiten, sind aufgrund der psychischen erkrankung nicht zumutbar. überwiegend geistig einfache arbeiten sind allenfalls unter berücksichtigung der schul- und berufsbildung und der aktuellen verfassung des klägers zumutbar. überwiegend arbeiten mit nur geringen anforderungen an die reaktion, übersicht und aufmerksamkeit sind aufgrund der psychischen verfassung zumutbar. überwiegend arbeiten mit nur geringen anforderungen an verantwortungsbewusstsein, zuverlässigkeit und geistige beweglichkeit sind aufgrund der psychischen verfassung zumutbar. arbeiten mit durchschnittlichen anforderungen an das seh- und hörvermögen sind überwiegend zumutbar. bildschirmarbeit ist theoretisch möglich, wobei hierbei die fehlende berufliche qualifikation und auch verminderte kognitive belastbarkeit zu berücksichtigen sind. umgangssprachliche verständigung ist möglich. unter beachtung vorgenannter qualitativer leistungseinschränkungen kann der kläger danach in quantitativer hinsicht nun nur noch unter 3 stunden beruflich tätig werden, da es sich um eine mittlerweile chronifizierte depressive störung handelt. dies geht einher mit einschränkungen der aufmerksamkeit, der konzentrativen belastbarkeit, rückzugsverhalten, vermehrter erschöpfung, stimmungseinbrüchen und antriebsreduktion. da nur noch ein berufliches rest-leistungsvermögen von unter 3 stunden besteht, entfällt auch die pausenfrage. zudem kann der kläger mit den genannten einschränkungen nicht mehr regelmäßig 5 tage die woche arbeiten. sollte der kläger theoretisch eine berufliche tätigkeit ausführen, wäre aufgrund der psychischen erkrankung mit weit überwiegender wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass er mehr als 6 monate ausfallszeiten je kalenderjahr erreicht. der kläger kann arbeitstäglich zwar insgesamt 4 x täglich etwas mehr als 500 m zurücklegen, allerdings ist, angesichts des körperlichen neurologischen befundes, von einem nervenwurzelreizsyndrom l5/s1 rechts auszugehen, welches unter körperlicher belastung, insbesondere beim gehen, zu einem taubheitsgefühl im rechten bein führt, so dass die regelmäßige belastungsfähigkeit nicht sicher festzustellen ist. eine eindeutige op-indikation bestehe allerdings nicht, konservative orthopädische behandlungen und physiotherapie erfolgten bereits in abständen, von einer wesentlichen besserung innerhalb kurzer zeit sei nicht auszugehen. der kläger kann öffentliche verkehrsmittel ohne begleitperson auch zu hauptverkehrszeiten benutzen. der kläger hat einen führerschein und führt auch pkw, allerdings ist er aufgrund seiner psychischen verfassung nur auf gewohnten strecken unterwegs, hat sich z. b. zum untersuchungstermin von seiner ehefrau fahren lassen. theoretisch kann er durchaus zwischen 30 bis zu 60 minuten am stück einen pkw fahren, wobei die ein- und umstellfähigkeit und reaktionsfähigkeit für ungewohnte strecken kritisch zu sehen ist. 23beim kläger fehlt es nunmehr auch an einer durchschnittlichen umstellungsfähigkeit. zudem ist es nach dem sachverständigengutachten von frau dr. x., f., vom 15.12.2021 eindeutig ausgeschlossen, dass er aggraviere oder simuliere. seine angaben im rahmen der ausführlichen befragung bei der untersuchung mitte oktober 2021 deckten sich im wesentlichen mit den, zum teil deutlich kürzeren angaben, in den früheren begutachtungen und auch mit den ausführungen in den nervenärztlichen befundberichten, sogar mit angaben im gutachten von frau dr. c., auch wenn diese diagnostisch falsche schlüsse zog. aktuelle finanzielle sorgen sind auch nicht im sinne eines rentenbegehrens zu werten, sondern folge/ausdruck seiner psychischen verfassung. die tatbestandliche voraussetzung einer wesentlichen änderung der tatsächlichen verhältnisse im sinne der beklagtenseitig postulierten beschwerdeverbesserung isv § 48 sgb x hinsichtlich des rentenrechtlich nach § 43 sgb vi relevanten leistungsvermögens ist nunmehr hier nicht festzustellen. der kläger ist wegen der ausführlich vorbezeichneten krankheiten in gesamtschau auf nicht absehbare zeit außerstande, unter den üblichen bedingungen des allgemeinen arbeitsmarktes mindestens drei stunden täglich erwerbstätig zu sein. dies beruht auf der schwere der oben ausgeführten fachlich gesicherten diagnosen und entspricht zusammengefasst dem gutachten gem. §§ 103, 106 sgg der neurologin//psychiaterin frau dr. x., f., vom 15.12.2021 nebst ergänzender stellungnahme dazu vom 21.04.2022. 24dazu gilt nun im einzelnen: die festgestellten qualitativen leistungseinschränkungen bestehen seit 2014, seit der ersten (befristeten) rentengewährung. die quantitativen leistungsbeschränkungen bestehen nach dem sachverständigengutachten von frau dr. x. ebenfalls seither und insbesondere weiterhin eben auch über den 31.08.2019 hinaus. denn nach dem sachverständigengutachten von frau dr. x. sind wesentliche zwischenzeitliche veränderungen unter berücksichtigung der unterlagen nicht festzustellen. es ist nicht von einer so eindeutigen besserung im psychischen befund auszugehen, dass die weitergewährung der vollen erwerbsminderungsrente entfalle bzw. nun eine leistungsfähigkeit von mehr als 6 stunden pro tag festzustellen sei. die leistungseinbuße des klägers wird auch als dauerhafter natur beschrieben; insofern besteht mit dem sachverständigengutachten von frau dr. x. keine begründete aussicht, dass sie in absehbarer zeit, bis zu 6 monaten, behoben sein werde. es handele sich beim kläger um eine chronische psychische erkrankung, welche bislang niederfrequent ambulant nervenärztlich behandelt worden sei. eine typische psychotherapeutische behandlung erfolgte bislang nicht. aufgrund der persönlichkeitsstruktur des klägers sei allerdings auch eher von eingeschränkter introspektionsfähigkeit und psychotherapiefähigkeit auszugehen. es ist jedoch auch noch keine stationäre rehabilitation angeboten worden, dieses wäre zu einem früheren zeitpunkt vielleicht noch hilfreich gewesen. jetzt ist mit dem sachverständigengutachten von frau dr. x. auch unter berücksichtigung des zeitverlaufes und des chronischen zustandes keine wesentliche änderung im sinne der verbesserung des leistungsvermögens zu erwarten. es sei nicht davon auszugehen, dass die minderung der leistungsfähigkeit tatsächlich behoben werden kann, da es sich um ein chronifiziertes zustandsbild handelt, begünstigt durch die persönlichkeitsstruktur des klägers. zusammenfassend besteht eine chronische psychische störung und chronische schmerzstörung mit psychischen und somatischen faktoren neben einem nervenwurzelreizsyndrom l5/s1 rechts mit zusätzlicher einschränkung der körperlichen belastbarkeit , mit allerdings – entgegen der ansicht des beraterarztes prof. dr. dr. dipl.-psych x., h. in dessen gutachten für die beklagte zuletzt vom juli 2018-weiterhin aufgehobener beruflicher leistungsfähigkeit. denn eine durchgreifende veränderung des psychischen befundes ist hier mit dem sachverständigengutachten von frau dr. x. im vergleich zur feststellung einer vollen erwerbsminderung bereits im jahr 2014 auch unter berücksichtigung weiterer ambulanter befundberichte nicht zu verifizieren. 25das gericht folgt auch in dieser frage sowie im übrigen insgesamt den einschätzung der 26sachverständigen dr. x. im gutachten vom 15.12.2021. soweit sich die beklagte dem weiterhin ausdrücklich unter bezug auf die einschätzungen ihres beraterarztes herrn prof. dr. dr. dipl.-psych x., h., zuletzt in dessen äußerungen nach aktenlage vom 11.02.2022, nachdrücklich verschließt, hält das gericht ebenso nachdrücklich an der leistungseinschätzung von frau dr. x. als zutreffend und überzeugend fest. 27soweit hingegen der beraterarzt herr prof. dr. dr. dipl.-psych x., h. , am 11.02.2022 eine sozialmedizinisch falsche leistungseinschätzung im gutachten von frau dr. x. wegen „eher leichter psychischer erkrankung“ rügt, mag sich die beklagte erst einmal selbst fragen, in wie weit sie dann für solche angeblich „ leichten krankheitsverläufe“ wie beim kläger, der explizit nicht zu den tatnahen personenkreisen der gerichts- und allgemeinbekannten betrugsserie zu lasten der beklagten in den 2010 er-jahren im em-rentenzugang bei der beklagten zählte bzw. zählt, immerhin mehrjährig, im jahr 2014 noch aufgrund insoweit zusprechendem gutachtervotum des beraterarztes prof. dr. dr. dipl.-psych x., zudem mit verlängerung auch nochmals im jahr 2018, volle erwerbsminderungsleistungen überhaupt erbringen konnte. 28unbeschadet dessen sieht das gericht die aktuellen ausführungen von herrn prof. dr. dr. dipl.-psych x., in der stellungnahme nach aktenlage vom 11.02.2022 für die beklagte hier durch die umfangreiche ergänzende stellungnahme von frau dr. x. dazu vom 21.04.2022 als entkräftet an. es handelt sich danach – wie aufgezeigt und auch schon im gutachten gem. §§ 103, 106 sgg von frau dr. x. am 15.12.2021 ausführlich dargelegt -bei dem kläger unter berücksichtigung der alltagsschilderung, aber auch der ambulanten befundberichte nicht um eine leichte psychische erkrankung, wie herr prof. dr. dr. dipl.-psych. x. in der stellungnahme vom 11.02.2022 es darstellt. 29denn hier besteht , wie nachvollziehbar und überzeugend von der langjährig erfahrenen, fachlich ausgesprochen versierten und medizinisch auch über die sozialgerichtsbarkeit nrw hinaus geschätzten sachverständigen frau dr. x. ausgeführt, eine chronifizierung, wobei bislang keine angemessene psychiatrisch/psychotherapeutische behandlung erfolgte, und angesichts des zeitverlaufes jetzt nicht mehr von einer wesentlichen beinflußbarkeit der erkrankung auszugehen ist .dass weder ärztlich noch von seiten des rentenversicherungsträgers stationäre intensivere maßnahmen angeboten wurden, was vor jahren vielleicht noch zu einer durchgreifenden änderung und besserung hatte fuhren können, kann - so frau dr. x. völlig zu recht in ihrer die ergänzende gutachterlichen stellungnahme vom 21.04.2022 - nicht dem kläger angelastet werden. 30der weiteren rüge von herrn prof. dr. dr. dipl.-psych x. in dessen äußerung für die beklagte nach aktenlage vom 11.02.2022, es fehle hier eine beschwerdevalidierung , „die für ein sozialgerichtsgutachten notwendig erscheine“, ist sachlich zum einen entgegen zu halten, dass nach der ergänzenden gutachterlichen stellungnahme von frau dr. x. vom 21.04.2022 hier eine beschwerdevalidierung überflüssig und ohne zusätzliche aussagekraft sei. gleiches gelte auch für das erheben von medikamentenspiegeln: angesichts der angegebenen dosierung der antidepressiva war abhängig vom einnahmezeitpunkt ein eher niedriger oder sogar teils nicht nachweisbarer medikamentenspiegel zu erwarten, so dass eine aussagekraft zwischen ausmaß der psychischen erkrankung und höhe des medikamentenspiegels nicht vorliegt und daraus sich auch kein zusätzlicher erkenntnisgewinn ergibt. die kammer teilt die zweifel von frau dr. x. an den einschätzungen von herrn prof. dr. dr. dipl.-psych x., h., zuletzt vom 11.02.2022. denn warum gelangt prof. dr. dr. dipl.-psych x., trotz im wesentlichen ähnlich beschriebenem psychopathologischen sachverhalt in seinen 2 verwaltungsgutachten für die beklagte einerseits zur einschätzung einer aufgehobenen beruflichen leistungsfähigkeit, in der zweiten begutachtung dann jedoch zur these der wiederherstellung der beruflichen leistungsfähigkeit, und dass wiederum, obwohl psychopathologisch sich keine gravierenden unterschiede darstellten. dies bleibt seitens der beklagten – für die kammer beredet- unbeantwortet. zudem werden von frau dr. x. noch zur geforderten beschwerdevalidierung abschließend folgende aspekte zur validierung geklagter beschwerden bei der neurologisch-psychiatrischen begutachtung benannt: die umfassende beachtung der aktenlage, eine ausführliche anamneseerhebung, ggf. auch mittels fremdanamnese, was jedoch gutachterlich nicht regelhaft der fall ist, zudem sind die klinisch-neurologische und psychische befunderhebung wesentlich. ergänzend können elektrophysiologische diagnostik, fragebögen und selbstbeurteilungsskalen sowie neuropsychologische tests und medikamentenmonitoring eingesetzt werden, müssen jedoch nicht zwangsläufig zum einsatz gebracht werden. eine beschwerdevalidierung beginnt letztendlich schon beim lesen der akten und in einer chronologisch und thematisch geordneten aufarbeitung der aktenlage, wie in der beurteilung im gutachten von frau dr. x. vom 15.12.2021 dargelegt. dabei zeigt sich eine konsistente symptomatik. unklarheiten und widersprüche liegen nicht vor, welchen anderenfalls mittels testpsychologischer beschwerdevalidierung hinterfragt und erklärt werden müssten. 31den ausführungen im gutachten von frau dr. x. vom 15.12.2021 schließt sich die kammer vollauf an. es entspricht fachlich-medizinischem standard. es ist nach alledem nicht überzeugend, wird jedoch von prof. dr. dr. dipl.-psych x. für die beklagte am 11.02.2022 postuliert, eine beschwerdevalidierung, „die für ein sozialgerichtsgutachten notwendig erscheine“, und dann seitens der beklagten ähnlich einem ko-kriterium dem fundierten, ausführlich abgewogenen gutachten von frau dr. x. entgegnet. 32das wiederum bietet -noch darüber hinaus gehend - generell anlass dafür, die von der beklagten als inhaltlicher mangel mitunter reflexhaft der überzeugungskraft von gerichtsgutachten auf neurologisch-psychiatrischem gebiet entgegen gehaltene rüge angeblich „fehlender beschwerdevalidierung“ gerichtlich nochmals gesondert differenziert zu betrachten. das gilt wiederum – wie hier ersichtlich beim kläger -namentlich für die bei der beklagten rentenversicherten personen, die explizit nicht zu den personenkreisen der gerichts– und allgemeinbekannten betrugsfälle in den 2010er jahren bei den em-renten der beklagten zu zählen sind . wie schon in der sitzungsniederschrift zur mündlichen verhandlung am 25.05.2022 vom gericht fixiert, stellt sich stand der erkenntnis u.a. zur frage der beschwerdevalidierung bzw. in wie fern „diese für ein sozialgerichtsgutachten notwendig erscheine“ , nach den hier aktenkundigen sowie den beteiligten transparent in kopie überreichten richterlichen fortbildungsunterlagen aus dem lsg nrw zur rentenversicherung , richter-arbeitskreis vom 3.5.2022, wie folgt dar: „nach der awmf ( = arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen fachgesellschaften e.v.) - leitlinie zur begutachtung psychischer und psychosomatischer störungen (stand 01.12.2019), teil 4 gilt: „eine eingehende, explizit und nachvollziehbar dargelegte beschwerdevalidierung ist bestandteil jedes gutachtens. ihr kernstück ist eine sorgfältige plausibilitäts- und konsistenzprüfung, die, je nach einzelfall, durch spezifische verfahren untermauert werden kann. dabei gibt es 5 komponenten nach ermessen des gutachters: aktenlage (abgleich der befunde), klinische beschwerdevalidierung (beobachtung, klinische untersuchung und klinische tests), selbstbeurteilungsskalen (abgleich mit befunden, spezielle validierungsverfahren), kognitive beschwerdevalidierung (psychologische tests) und bestimmung des medikamentenspiegels.“ genau dem entspricht auch die ergänzende gutachterliche stellungnahme von frau dr. x. vom 21.04.2022 für die kammer zur rüge von herrn prof. dr. dr. dipl.-psych x. in dessen äußerung für die beklagte nach aktenlage vom 11.02.2022, es fehle hier eine beschwerdevalidierung „die für ein sozialgerichtsgutachten notwendig erscheine“. 33das gericht hat für die frage fachgerechter psychiatrischer begutachtung und der methodensicherung hinsichtlich der beschwerdevalidierung danach noch allenfalls folgendes zu ergänzen: sowohl fachlich -medizinisch als auch rechtlich-abstrakt überzeugt für die beklagte hier herr prof. dr. dr. dipl.-psych x., namentlich in der äußerung für die beklagte nach aktenlage vom 11.02.2022, gerade nicht. es verbleibt hingegen zur vollen überzeugung der kammer vielmehr dabei, dass mit dem gutachten gem. §§ 103, 106 sgg der neurologin//psychiaterin frau dr. x., f., vom 15.12.2021 nebst ergänzender stellungnahme dazu vom 21.04.2022 beim kläger (mittlerweile) eine dauerhaft aufgehobene erwerbsfähigkeit fachmedizinisch wohl begründet nachgewiesen ist. der schweregrad einer erkrankung des psychiatrischen fachgebietes ist dabei – wie hier ersichtlich - in verschiedenen sachverständigengutachten, über einen langen zeitraum erstattet, zwar terminologisch differenziert bezeichnet worden. im kern und insbesondere in ihren auswirkungen auf das leistungsvermögen des klägers ist das aufgehobene leistungsvermögen des klägers auf dauer jedoch mit dem gerichtsgutachten von frau dr. x. nunmehr abschließend gesichert. maßgeblich zu verlangen ist – wie hier jedenfalls für das gericht durch das gutachten gem. §§ 103, 106 sgg der neurologin//psychiaterin frau dr. x., f., vom 15.12.2021 nebst ergänzender stellungnahme dazu vom 21.04.2022 geschehen - , dass sich begutachtende ärzte an den immerhin anerkannten klassifikationssystem orientieren und erkennbar ist, inwiefern sie von übereinstimmenden oder unterschiedlichen gesundheitsstörungen ausgehen (vgl. freudenberg in: schlegel/voelzke, jurispk-sgb vi, 2. aufl. § 43 rn. 63). 34die von der beklagten zur gerichtsakte (!) gereichte anmerkung von herrn prof. dr. dr. dipl.-psych x. vom 11.02.2022 in gestalt seines hier wörtlich zitierten schlusssatzes, blatt 3 oben, im wortlaut „für den fall, dass das gericht dem gutachten der frau dr. x. folgt, wird bereits jetzt aus psychiatrisch-sozialmedizinischer sicht aktiv berufung empfohlen“ bedingt allein aufgrund professionalität und langjähriger erfahrung des gerichts keine weitere inhaltliche befassung mehr. das kommentiert sich als sog. beraterärztliche äußerung (sic !) vielmehr selbst. es mag als stellungnahme der beklagten dieser an sich auch nicht angemessen sein, wird gleichwohl dem erkennenden gericht präsentiert, von diesem aber nicht mehr weiter kommentiert. 35die kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 sgg.
345,784
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1 K 975/19
2022-05-25T00:00:00
Urteil
Tenor Der Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides der Bezirksregierung N. vom 14. Januar 2019 verpflichtet, dem Kläger insgesamt 60 Tage Erholungsurlaub für die Jahre 2013 bis 2016 finanziell abzugelten. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 80 % und der Beklagte zu 20 %. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Berufung wird zugelassen. 1Tatbestand: 2Die Beteiligten streiten um die finanzielle Abgeltung nicht genommenen Erholungsurlaubs aus den Jahren 2001 bis 2016. 3Der Kläger, der zuletzt als Gewerbehauptsekretär (Besoldungsgruppe A 8 gemäß LBesO NRW) mit Stammdienststelle bei der Bezirksregierung N. seinen Dienst verrichtete, trat mit Ablauf des 31. Dezember 2018 wegen Erreichens der Altersgrenze in den Ruhestand ein. 4Mit Verfügung vom 21. Januar 2001 wurde der Kläger im Wege eines Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes enthoben. Die Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts N. entfernte den Kläger auf eine Anschuldigungsschrift des Beklagten hin mit Urteil vom 26. Januar 2009 aus dem Dienst (Az. : 13 K 1684/06. O). Die vom Kläger hiergegen gerichtete Berufung wurde vom Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 11. September 2013 verworfen (Az. : 3d A 722/09. O). Auf die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde hob das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 12. August 2015 (Az. : 2 BvR 2646/13) die Urteile des Verwaltungsgerichts N. sowie des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen auf und verwies die Sache an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zurück. Mit Urteil vom 13. Dezember 2016 änderte dieses das Urteil des Verwaltungsgerichts N. insoweit ab, als lediglich das Gehalt des Klägers gekürzt wurde, er aber nicht mehr aus dem Dienst entfernt wurde. Der Kläger sollte daraufhin ab dem 14. Dezember 2016 seinen Dienst bei der Bezirksregierung N. versehen. 5Der Kläger war seit dem 14. Dezember 2016 bis zum Eintritt in den Ruhestand am 1. Januar 2019 dienstunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 29. Dezember 2016 bat der Kläger den Beklagten, den ihm noch zustehenden Erholungsurlaub, soweit er noch nicht verjährt sei, in das Urlaubsjahr 2017 zu übertragen. Mit Schreiben vom 10. Januar 2017 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dieser habe aus dem Jahr 2015 noch Anspruch auf 30 Urlaubstage, die aber zum 1. April 2017 verfielen. Zudem habe er auch noch Anspruch auf Erholungsurlaub in gleicher Höhe jeweils für die Jahre 2016 und 2017. Der Kläger nahm daraufhin vom 25. Februar 2017 bis zum 31. März 2017 Erholungsurlaub in Anspruch, der als Erholungsurlaub aus dem Jahr 2015 verbucht wurde. 6Mit Bescheid vom 14. Januar 2019 setzte die Bezirksregierung N. die finanzielle Abgeltung von krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommenem Erholungsurlaub für die Jahre 2017 und 2018 auf insgesamt 40 Urlaubstage fest. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Urlaubsansprüche für die Jahre vor 2017 seien verfallen. Für die Jahre 2017 und 2018 sei jeweils nur der Mindesturlaub, mithin 20 Tage, finanziell abzugelten. Der Bescheid wurde dem Kläger am 19. Januar 2019 zugestellt. 7Der Kläger hat am 18. Februar 2019 Klage vor dem Verwaltungsgericht N. erhoben. Mit Beschluss vom 25. Februar 2019 hat sich dieses für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das erkennende Gericht verwiesen. Zur Begründung seiner Klage führt der Kläger aus, er habe auch Anspruch auf finanzielle Abgeltung seines Urlaubsanspruches für die gesamte Zeit der Suspendierung, also für die Jahre 2001 bis 2016. In dieser Zeit sei es ihm nicht möglich gewesen, seinen Erholungsanspruch zu realisieren. Der Anspruch sei auch nicht verfallen, da es an dem erforderlichen Hinweis seines Dienstherrn fehle, der nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes aber Voraussetzung für den Verfall sei. 8Der Kläger beantragt – schriftsätzlich und sinngemäß –, 9den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheides der Bezirksregierung N. vom 14. Januar 2019 zu verpflichten, ihm Erholungsurlaub im Umfang von weiteren 320 Arbeitstagen für die Jahre 2001 bis 2016 finanziell abzugelten. 10Der Beklagte beantragt – schriftsätzlich –, 11die Klage abzuweisen. 12Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, die Urlaubsansprüche aus den Jahren vor 2017 seien verfallen. Für das Jahr 2015 bestehe zudem ohnehin kein Anspruch, weil der Kläger den aus diesem Jahr stammenden Erholungsurlaub zwischen dem 25. Februar und 31. März 2016 realisiert habe. Für die Zeit der Suspendierung mangele es überdies bereits an einem Antrag auf finanzielle Abgeltung. Im Übrigen unterliege der Urlaubsanspruch dem Verfall. Daran ändere auch die aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes nichts. Soweit diese für den Verfall von Erholungsurlaub einen entsprechenden Hinweis des Dienstherrn verlange, sei dieser erfolgt. Eine Information zum Verfall sei in dem für alle Beschäftigten zugänglichen Intranet hinterlegt, zudem sei im Nachgang zu dem entsprechenden Urteil des Europäischen Gerichtshofes eine ergänzende Veröffentlichung im Hausintranet eingestellt worden. Mit Schreiben vom 10. Februar 2017 sei der Kläger überdies über den Verfall aufgeklärt worden. Schließlich sei dem Kläger die Inanspruchnahme des Erholungsurlaubes stets ermöglicht worden. Die Nichtrealisierung liege beim Kläger vielmehr an dessen langandauernden Erkrankung. Dass der Kläger suspendiert worden sei, ändere nichts daran, dass der Urlaubsanspruch dem Verfall zugänglich sei. 13Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 27. Januar 2022 und vom 3. Februar 2022 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. 14Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. 15Entscheidungsgründe: 16Über die Sache entscheidet die Kammer ohne mündliche Verhandlung, nachdem sich die Beteiligten hiermit wirksam einverstanden erklärt haben (vgl. § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). 17Die zulässige Klage hat in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang Erfolg. Die mit Bescheid der Bezirksregierung N. vom 14. Januar 2019 erfolgte Ablehnung der finanziellen Abgeltung des Urlaubsanspruches aus den Jahren 2001 und 2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO), soweit sie den Zeitraum vom 12. September 2013 bis zum 31. Dezember 2016 umfasst. Im Übrigen ist gegen die Ablehnung aber rechtlich nichts zu erinnern. 18Ein Anspruch auf finanzielle Abgeltung von nicht genommenen Erholungsurlaub ergibt sich im Allgemeinen aus § 19a Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Freistellung wegen Mutterschutz für Beamtinnen und Richterinnen, Eltern- und Pflegezeit, Erholungs- und Sonderurlaub der Beamtinnen und Beamten und Richterinnen und Richter im Land Nordrhein-Westfalen in der hier zum Zeitpunkt des Eintritts des Klägers in den Ruhestand maßgeblichen Fassung vom 1. Januar 2019 (FrUrlV NRW). 19Nach dieser Vorschrift ist Erholungsurlaub bis zu einer Dauer von 20 Arbeitstagen im Urlaubsjahr (Mindesturlaub), der zum Zeitpunkt der Beendigung des Beamtenverhältnisses krankheitsbedingt ganz oder teilweise nicht in Anspruch genommen und zu diesem Zeitpunkt nach § 19 Absatz 2 FrUrlV NRW nicht verfallen ist, von Amts wegen finanziell abzugelten. Gleiches gilt für nicht beanspruchten Zusatzurlaub nach § 208 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Sozialgesetzbuches (SGB IX). 20Die Voraussetzungen der Norm liegen nur für einen Teil des geltend gemachten Zeitraums vor, nämlich für die Zeit der rechtswidrigen Entfernung aus dem Dienstverhältnis. 211. 22Für die Jahre 2001 und 2002 scheidet der Anspruch bereits deshalb aus, weil der jeweilige Urlaubsanspruch verfallen ist. Bei der Frage, ob ein Anspruch besteht, der sich – wie hier – auf einen bestimmten Zeitraum bezieht, ist auf die im betroffenen Zeitraum geltende Rechtslage abzustellen. Ob der Kläger mithin für die Jahre 2001 und 2002 überhaupt noch einen abgeltungsfähigen Urlaubsanspruch hat, ist damit anhand des für diesen Zeitraum geltenden Rechts zu beurteilen. 23Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. März 2014 - 6 A 2680/12 -, juris, Rn. 10 ff. 24Demgemäß ist das Bestehen der aus den Jahren 2001 und 2002 stammenden Urlaubsansprüche zu verneinen. Nach der damals maßgeblichen Vorschrift des § 8 Abs. 2 Satz 1 der Erholungsurlaubsverordnung Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 14. September 1993 (EUV NRW) verfiel Erholungsurlaub, der nicht innerhalb von neun Monaten nach dem Ende des jeweiligen Urlaubsjahres in Anspruch genommen worden ist. Demnach sind der Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2001 am 1. Oktober 2002 und der Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2002 am 1. Oktober 2003 verfallen. 25Dem kann auch nicht die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes über zum Teil hiervon abweichende Grundsätze des Verfalls und der finanziellen Abgeltung von Erholungsurlaub entgegengehalten werden. Denn diese Judikatur bezieht sich auf Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (RL 2003/88/EG). Diese ist aber erst am 2. August 2004 in Kraft getreten, einem Zeitpunkt, in dem die Urlaubsansprüche des Klägers aus den Jahren 2001 und 2002 bereits verfallen waren. 262. 27Für den jeweiligen Urlaubsanspruch aus den Jahren 2003 bis zum 11. September 2013, für den die europarechtlichen Vorgaben mithin gelten, scheidet ein Anspruch auf finanzielle Abgeltung jedenfalls daran, dass der Kläger nicht – wie § 19a Abs. 1 Satz 1 FrUrlV NRW fordert – aus Krankheitsgründen den Erholungsurlaub nicht in Anspruch nehmen konnte, sondern weil er rechtmäßig vorläufig des Dienstes enthoben war. 28Die Vorschrift des § 19a Abs. 1 FrUrlV NRW ist auch nicht vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zu Art. 7 RL 2003/88/EG auf den Fall wegen Suspendierung nicht genommenen Erholungsurlaubs zu erweitern. Der Anspruch auf Erholungsurlaub und dessen finanzielle Abgeltung werden – wie bereits angedeutet – unionsrechtlich durch Art. 7 RL 2003/88/EG überformt. Nach dessen Absatz 1 haben die Mitgliedsstaaten dafür Sorge zu tragen, dass ein Arbeitnehmer bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen erhält. Eine finanzielle Abgeltung kommt nach dem Absatz 2 nur im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht. 29Die Vorschrift des Art. 7 RL 2003/88/EG ist dabei auch auf Beamte anwendbar. 30Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 2 C 10. 12 -, juris, Rn. 9 ff. mit weiteren Nachweisen. 31Dabei hat der Europäische Gerichtshof zunächst überwiegend nur über Fälle entschieden, in denen der betroffene Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Erholungsurlaub wegen einer langandauernden Erkrankung nicht realisieren konnte. 32Vgl. etwa EuGH, Urteil vom 22. November 2011 - C-214/10 (KHS) -, juris. 33In jüngerer Zeit hat er aber klargestellt, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub bzw. finanzielle Abgeltung von Erholungsurlaub generell nicht entfallen bzw. ausgeschlossen werden darf, wenn es dem betroffenen Arbeitnehmer nicht möglich war, den gesamten bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, der ihm zustand. Die langandauernde Erkrankung ist demnach nur ein – wenn auch wichtiges – Beispiel. Dieselben Grundsätze gelten nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ausdrücklich auch für den Fall, in dem der Arbeitnehmer rechtswidrig entlassen worden ist und dann – wegen der Aufhebung der rechtswidrigen Entlassung – weiter beschäftigt wird. Denn im Falle der rechtswidrigen Entlassung kann der Arbeitnehmer gerade keinen Erholungsurlaub (mehr) geltend machen, weil das Arbeitsverhältnis beendet worden ist. 34Vgl. EuGH, Urteil vom 25. Juni 2020 - C-762/18 u. a. (Varhoven kasatsionen sad na Republika Bulgaria) -, juris, Rn. 78, 85. 35Insoweit hat der Anspruch auf finanzielle Abgeltung des Erholungsurlaubes nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG lediglich die beiden Voraussetzungen, dass zum einen das Arbeitsverhältnis beendet ist und zum anderen der Arbeitnehmer nicht den gesamten Jahresurlaub genommen hat, auf den er bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch hatte. 36Vgl. EuGH, Urteile vom 25. Juni 2020 - C-762/18 u. a. (Varhoven kasatsionen sad na Republika Bulgaria) -, juris, Rn. 84, und vom 6. November 2018 - C-619/16 (Kreuziger) -, juris, Rn. 31. 37So liegt die Sache hier aber nicht. Denn der Kläger hatte im benannten Zeitraum gar keinen Anspruch auf Erholungsurlaub. Die vorläufige Enthebung des Dienstes führt nämlich dazu, dass der Betroffene in dem Jahr, in dem er durchgängig des Dienstes enthoben worden war, keinen Anspruch auf Erholungsurlaub hatte. 38Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Februar 2018 - 6 B 1147/17 -, juris, Rn. 6; Bayerischer VGH, Beschluss vom 18. November 2015 - 6 ZB 15. 1856 -, juris, Rn. 8. 39Die Gewährung von Erholungsurlaub kommt hierbei bereits deshalb nicht in Betracht, weil eine Dienstleistungspflicht, von der der Beamte freizustellen wäre, mit der Suspendierung nicht mehr besteht. Die Freistellung von der Dienstleistungspflicht für einen Zeitraum, in dem nach dem jeweiligen Arbeitszeitrecht Dienst zu leisten wäre, ist aber maßgebender Inhalt der Urlaubsgewährung. Wird ein Beamter vorläufig des Dienstes enthoben, so ist er von seiner Pflicht zur Dienstleistung in vollem Umfang entbunden, 40vgl. BVerwG, Urteil vom 24. April 1980 - II C 26. 77 -, juris, Rn. 25, 41so dass für die Gewährung von Erholungsurlaub zum Zweck der Entbindung von der Pflicht zur Dienstleistung in demselben Zeitraum denknotwendig kein Raum mehr eröffnet ist. 42Dies gilt demnach für die Jahre 2002 bis zum 11. September 2013, in dem der Kläger vorläufig des Dienstes enthoben war. Anders als in dem zitierten, vom Europäischen Gerichtshof entschiedenen Fall einer rechtswidrigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses erweist sich hier die Suspendierung auch nicht als rechtswidrig. Ansatzpunkt für den Europäischen Gerichtshof war, dass ein Arbeitnehmer, der in rechtswidriger Weise entlassen worden ist, für den Zeitraum, in dem die Entlassung tatsächlich Wirkung entfaltete, wegen der Rechtswidrigkeit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf Erholungsurlaub hatte. Vorliegend erwies sich die vorläufige Enthebung des Dienstes aber nicht als rechtswidrig. Vielmehr war nur die im Rahmen des Disziplinarverfahrens vom Beklagten angestrengte, vom Verwaltungsgericht N. angeordnete und vom Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen bestätigte Disziplinarmaßnahme selbst (Entfernung aus dem Dienst) rechts- bzw. verfassungswidrig. Gegenstand des bis zum Bundesverfassungsgericht angestrengten Disziplinarklageverfahrens war indes gerade nicht die Suspendierung, die insoweit bestandskräftig geworden ist. Es gibt auch keine Hinweise darauf, dass diese rechtswidrig gewesen ist. Nach dem zum Zeitpunkt der vorläufigen Dienstenthebung geltenden § 91 der Disziplinarordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (DO NRW) konnte die Einleitungsbehörde (hier: die Bezirksregierung N. ) einen Beamten vorläufig des Dienstes entheben, wenn ein dienstliches Bedürfnis vorliegt und das förmliche Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet worden ist. Gegen diese vorläufige Enthebung hat sich der Kläger nicht gewandt. Von daher wäre selbst in dem Fall, in dem die Bezirksregierung N. von Beginn an unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben eine Disziplinarmaßnahme erstritten hätte, der Kläger suspendiert gewesen und hätte keinen Anspruch auf Erholungsurlaub gehabt. Die Rechtswidrigkeit der Disziplinarmaßnahme hatte insoweit keine inhaltlichen Auswirkungen auf die bestandskräftige Suspendierung des Klägers. 43Vor diesem Hintergrund gibt es auch auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes keinen Anlass, § 19a FrUrlV NRW dahingehend zu erweitern, dass er auch in den Fällen greift, in denen der betroffene Beamte – bestandskräftig – suspendiert wird und insoweit ohnehin keinen Anspruch auf Erholungsurlaub erhält, der abgeltungsfähig ist. 443. 45Etwas Anderes gilt aber für den Zeitraum vom 12. September 2013 bis zum 13. Dezember 2016. Denn die (bestandskräftige) Suspendierung endete mit der rechtskräftigen Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 11. September 2013, mit der der Kläger aus dem Beamtenverhältnis entlassen worden ist (vgl. § 95 Abs. 3 DO NRW). Dass der Kläger daraufhin Verfassungsbeschwerde eingelegt hat, ändert nichts an der Rechtskraft der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Die Verfassungsbeschwerde ist kein Rechtsmittel, das Bundesverfassungsgericht kein im verwaltungsgerichtlichen Instanzenzug eingebundenes Fachgericht. Eine Verfassungsbeschwerde hat damit auf den Eintritt der Rechtskraft einer fachgerichtlichen Entscheidung keinen Einfluss. 46Vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 - 1 PBvU 1/02 -, juris, Rn. 60; OVG NRW, Beschluss vom 16. Juli 2014 - 18 B 697/14 -, juris, Rn. 2. 47Bis zur Aufhebung der Urteile des Verwaltungsgerichts N. sowie des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. August 2015 war die angeordnete Entlassung des Klägers aus dem Dienst mit Verkündung des Urteils vom 11. September 2013 (vgl. § 90 DO NRW) demnach rechtskräftig. Weil diese aber rechtswidrig war, gilt für den Zeitraum der Entfernung aus dem Dienstverhältnis bis zur Wiederaufnahme des Dienstes, d. h. zwischen dem 11. September 2013 und dem 13. Dezember 2016, die oben genannte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes. Zwar war der Kläger entgegen § 19a Abs. 1 Satz 1 FrUrlV NRW nicht dienstunfähig an der Inanspruchnahme seines Erholungsurlaubes gehindert. Er konnte den Erholungsanspruch in diesem Zeitraum aber deshalb nicht realisieren, weil er rechtswidrig aus dem Dienst entfernt war. Wegen der Rechtswidrigkeit dieser Maßnahme ist ihm auch ein Erholungsurlaubsanspruch entstanden, den zu nehmen er gehindert war. 48Vgl. EuGH, Urteil vom 25. Juni 2020 - C-762/18 u. a. (Varhoven kasatsionen sad na Republika Bulgaria) -, juris, Rn. 78. 49Dagegen kann nicht angeführt werden, für den Zeitraum ab der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bis zur Wiederaufnahme des Dienstes, d. h. von dem 13. August 2015 bis einschließlich dem 13. Dezember 2016, sei – so wohl die Überlegung des Beklagten (vgl. Bl. 34 der Beiakte – Heft 5) – die Suspendierung wieder zu Leben erweckt worden. Denn nach dem vom Europäischen Gerichtshof formulierten Grundgedanken des Anspruches auf finanzielle Abgeltung bei rechtswidriger Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt es entscheidend darauf an, wann der Betroffene tatsächlich wieder seinen Dienst aufnimmt – oder wie in diesem Fall, wann er seinen Dienst wieder aufzunehmen hat –, nicht aber, wann die Beendigung des Arbeitsverhältnisses für unwirksam erklärt wird. Denn der Betroffene hätte in der gesamten Zeit bis zu seiner Wiederaufnahme des Dienstes einen Anspruch auf Erholungsurlaub erworben, den es nunmehr abzugelten gilt. So liegt die Sache auch hier. Hätte das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen bereits am 11. September 2013 unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben entschieden, wäre der Kläger nicht aus dem Beamtenverhältnis entfernt worden, d. h. hätte ab dem 12. September 2013 seinen Dienst wieder aufnehmen können. Dass dies erst am 14. Dezember 2016 erfolgen konnte, liegt darin, dass das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen aufgrund der Verfassungswidrigkeit seines Urteils vom 11. September 2013 erneut über die Sache hat entscheiden müssen. Dies kann aber nicht dem Kläger angelastet werden. 50Aus der genannten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes ergibt sich zudem, dass der Anspruch auf finanzielle Abgeltung unabhängig von den Verfallsregelungen gilt. Denn der Gerichtshof formuliert ausdrücklich, dass der Anspruch auf finanzielle Abgeltung für den Zeitraum zwischen dem Tag der rechtswidrigen Entlassung und dem Tag der aufgrund der Nichtigkeitserklärung erfolgten Wiederaufnahme seiner Beschäftigung erworben hat, nicht ausgeschlossen werden darf. Weitere Voraussetzungen für den Abgeltungsanspruch oder etwaige Einschränkungen desselben werden gerade nicht formuliert. Demnach steht dem Betroffenen nach Wiederaufnahme seiner Tätigkeit nach Aufhebung einer rechtswidrigen Entlassung der Anspruch auf finanzielle Abgeltung unbedingt zu. 51Vgl. aber VG Freiburg, Urteil vom 9. Oktober 2020 - 5 K 303/19 -, juris, Rn. 49, das von „Hemmung“ der Verfallslaufzeiten spricht. 52Hierfür spricht auch die Betrachtung der übrigen in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes entwickelten Grundsätze zum Verfall von Erholungsurlaubsansprüchen. Nach diesen ist in den Fällen, in denen der Beamte seinen Erholungsurlaubsanspruch nicht realisieren konnte, ein Verfall des Anspruches grundsätzlich ausgeschlossen. Eine Ausnahme wird nur bei besonderen Umständen bejaht, etwa wenn der Beamte durchgängig dienstunfähig erkrankt ist oder aber der Dienstherr den Beamten durch den Hinweis auf den Verfall tatsächlich in die Lage versetzt hat, den Urlaub zu nehmen. 53Vgl. EuGH, Urteile vom 22. November 2011 - C-214/10 (KHS) -, juris (durchgängige Erkrankung), und vom 6. November 2018 - C-619/16 (Kreuziger) -, juris (Hinweis des Dienstherrn). 54Solche, den Verfall von Erholungsurlaubsansprüchen ausnahmsweise legitimierenden besonderen Umstände sind hier aber gerade nicht ersichtlich. Durch sein rechtswidriges Verhalten ist der Dienstherr auch nicht schutzwürdig. 55Vor diesem Hintergrund ist § 19 Abs. 2 FrUrlV NRW auch dahingehend richtlinienkonform auszulegen, dass das Institut des Verfalles für solche Erholungsurlaubsansprüche keine Beachtung findet, die in einem Zeitraum rechtswidriger Beendigung des Dienstverhältnisses entstanden sind. 564. 57Auch für den Zeitraum vom 14. bis 31. Dezember 2016 steht dem Kläger ein finanzieller Abgeltungsanspruch zu – und damit unter Berücksichtigung des Vorgenannten für das gesamte Jahr 2016. Denn in diesem Zeitraum war der Kläger dienstunfähig erkrankt und konnte auch deshalb den Erholungsurlaub nicht in Anspruch nehmen. 58Zum Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses am 31. Dezember 2018 war dieser Anspruch entgegen § 19 Abs. 2 FrUrlV NRW auch nicht verfallen. Das Institut des Verfalles findet hier Anwendung, weil es nicht um Erholungsurlaub im Zusammenhang mit einer rechtswidrigen Beendigung des Dienstverhältnisses geht. Nach der Vorschrift wäre der Urlaub aus 2016 auch an sich zum 31. März 2018 verfallen. Es ist vorliegend auch nicht die vom Bundesarbeitsgericht dem Europäischen Gerichtshof vorgelegte Frage betroffen, ob und unter welchen Bedingungen Urlaubsansprüche verfallen, die aus einem Jahr stammen, in dem der Betroffene teilweise dienstfähig und teilweise dienstunfähig war. 59Vgl. dazu BAG, Beschluss vom 7. Juli 2020 - 9 AZR 401/19 -, juris. 60Denn der Kläger war im Jahr 2016 zwar nur teilweise krankheitsbedingt dienstunfähig, im Übrigen aber nicht dienstfähig, sondern (rechtswidrig) aus dem Dienstverhältnis entfernt. Er war daher das gesamte Jahr 2016 nicht in der Lage, Erholungsurlaub zu nehmen. Diese Fallgestaltung bedarf aus den nachfolgenden Gründen auch keiner weiteren Klärung durch den Europäischen Gerichtshof. 61Einem Verfall steht vorliegend zunächst nicht die Regelung des § 19 Abs. 6 FrUrlV NRW in der Fassung der Verordnung vom 6. Oktober 2020, in Kraft getreten am 22. Oktober 2020, entgegen. Danach setzt der Verfall des Urlaubsanspruches voraus, dass der Dienstherr zu Beginn eines Kalenderjahres über den ersatzlosen Verfall noch vorhandenen Urlaubsanspruches belehrt. Zwar ist diese Vorschrift ohnehin erst nach dem hier maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens eines möglichen Abgeltungsanspruchs in Kraft getreten und daher auf den vorliegenden Fall bereits deshalb nicht anwendbar. Denn die Regelung ist erst zum 22. Oktober 2020 in Kraft getreten und damit nach dem Zeitpunkt des Entstehens eines möglichen Abgeltungsanspruchs mit Eintritt des Klägers in den Ruhestand mit Ablauf des 31. Dezember 2018. 62Allerdings stellt sie die Umsetzung einer Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes dar, die unabhängig von der nationalen Regelungssituation gilt und damit bei richtlinienkonformer Auslegung des § 19 Abs. 2 FrUrlV NRW auch uneingeschränkt in Gestalt einer unionsrechtskonformen Anwendung bei früheren Rechtslagen zu berücksichtigen ist. 63Vgl. zu dieser Rechtsprechung EuGH, Urteile vom 6. November 2018 - C-619/16 (Kreuziger) -, juris, Rn. 24 ff. , 52; und C-684/16 (Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften) -, juris, Rn. 18 ff. , 45. 64Nach dieser Judikatur kann ein Verfall des Urlaubsanspruches nur dann eintreten, wenn die dienstvorgesetzte Stelle von Amts wegen dem Beamten zu Beginn eines jeden Kalenderjahres den vorhandenen Urlaubsanspruch nach der Freistellungs- und Urlaubsverordnung in Textform mitteilt und zur rechtzeitigen Beantragung und Inanspruchnahme des Urlaubs auffordert, sowie für den Fall der Nichtinanspruchnahme über den ersatzlosen Verfall nach Absatz 2 belehrt. Wird die Mitteilungspflicht nicht oder unvollständig erfüllt, tritt nicht beanspruchter Mindesturlaub nach § 19a Abs. 1 Satz 1 FrUrlV NRW entsprechend dieser Rechtsprechung am Ende des Übertragungszeitraums nach Absatz 2 Satz 1 zu dem im Folgejahr entstandenen Urlaubsanspruch hinzu beziehungsweise wird zum Zeitpunkt der Beendigung des Beamtenverhältnisses entsprechend dem Verfahren nach § 19a finanziell abgegolten. Die Sätze 1 bis 3 gelten entsprechend für den Zusatzurlaubsanspruch nach § 208 Absatz 1 Satz 1 SGB IX. 65Von daher ist § 19 Abs. 2 FrUrlV NRW in den Fällen wie hier, in denen § 19 Abs. 6 FrUrlV NRW noch keine Anwendung findet, grundsätzlich richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass dieser nur dann Wirkung entfaltet, wenn der insoweit beweisbelastete Dienstherr den Nachweis erbringt, dass er vorab dafür gesorgt hat, dass der Beamte als Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, dies zu tun, und ihm, damit sichergestellt ist, dass der Urlaub ihm noch die Erholung und Entspannung bieten kann, zu denen er beitragen soll, klar und rechtzeitig mitteilt, dass der Urlaub, wenn er ihn nicht nimmt, am Ende des Bezugs- oder eines zulässigen Übertragungszeitraums oder am Ende des Beamtenverhältnisses, wenn dies in einen solchen Zeitraum fällt, verfallen wird. 66Vgl. EuGH, Urteile vom 6. November 2018 - C-619/16 (Kreuziger) -, juris, Rn. 52, und C-648/16 (Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften) -, juris, Rn. 45. 67In den Fällen, in denen eine solche Belehrung nicht erfolgt ist, liegen in der Regel die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes geforderten besonderen Umstände, die zum Entfallen des Urlaubsanspruchs in Fällen fortdauernder Dienst- bzw. Arbeitsunfähigkeit führen können, auch nach Ablauf der vorstehend dargestellten zulässigen Übertragungszeit von 15 Monaten nicht vor. 68Vgl. BAG, Beschluss vom 7. Juli 2020 - 9 AZR 401/19 -, juris, Rn. 17; Urteil vom 19. Februar 2019 - 9 AZR 541/15 -, juris, Rn. 21 ff; Urteil vom 19. Februar 2019 - 9 AZR 423/16 -, juris. 69Danach bestehen die Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten des Dienstherrn regelmäßig auch, wenn und solange der Beamte dienstunfähig ist. Sie können ihren Zweck grundsätzlich erfüllen, weil sich die Dauer der Erkrankung nicht von vornherein absehen lässt. Dem Dienstherrn ist es regelmäßig möglich, den dienstunfähigen Beamten entsprechend den gesetzlichen Vorgaben rechtzeitig und zutreffend über den Umfang und die Befristung des Urlaubsanspruchs unter Berücksichtigung des bei einer langandauernden Erkrankung geltenden Übertragungszeitraums zu unterrichten. Der Dienstherr ist in den Fällen einer Erkrankung in der Regel nicht gehindert, den Beamten rechtzeitig aufzufordern, den Urlaub bei Wiedergenesung vor Ablauf des Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraums zur Vermeidung des Verfalls so rechtzeitig zu beantragen, dass er innerhalb des laufenden Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraums gewährt und genommen werden kann, so dass der Beamte ab dem ersten Arbeitstag nach seiner Wiedergenesung Urlaub in Anspruch nehmen kann. 70Vgl. BAG, Beschluss vom 7. Juli 2020 - 9 AZR 401/19 -, juris, Rn. 21. 71Dabei ist auch eine Ausnahme von der Hinweisobliegenheit des Dienstherrn, den die erkennende Kammer in Übereinstimmung mit dem Bundesarbeitsgericht in den Fällen durchgängiger, d. h. während des Bezugs- sowie Übertragungszeitraums andauernder Dienstunfähigkeit bejaht, weil ein Hinweis auf den Verfall dann nicht mehr seinen Zweck erfüllt, 72vgl. VG Gelsenkirchen, Urteile vom 25. Mai 2022 - 1 K 4003/20 sowie 1 K 2881/21 -; BAG, Beschluss vom 7. Juli 2020 - 9 AZR 401/19 -, juris, Rn. 17, 73hier nicht angezeigt. Denn der Kläger war im Hinblick auf das Urlaubsjahr 2016 nicht durchgängig dienstunfähig erkrankt. Bis einschließlich 13. Dezember 2016 ist er aus den benannten Gründen so zu behandeln, als wäre er im Dienst gewesen und der Anspruch auf Erholungsurlaub entstanden. Überdies war er im Übertragungszeitraum teilweise, genauer zwischen dem 25. Februar und 31. März 2017, nicht dienstunfähig erkrankt. Dass in diesem Fall der Hinweis auf den Verfall seinen Zweck zu erfüllen vermochte, zeigt sich auch gerade daran, dass der Kläger in dem Zeitraum bestehender Dienstfähigkeit nach entsprechender Auskunft seines Dienstherrn seinen noch bestehenden Erholungsurlaub in Anspruch genommen hat. Vor diesem Hintergrund sieht die Kammer keinen Anlass, für die hiesige Konstellation eine Ausnahme von der bestehenden Hinweisobliegenheit des Dienstherrn anzunehmen. 74Danach bestand grundsätzlich auch im vorliegenden Fall eine Pflicht des Dienstherrn, den Kläger über den anstehenden Verfall seines – krankheitsbedingt nicht genommenen Urlaubs – zu informieren. Dabei obliegt es dem Beklagten nachzuweisen, dass er seine Informations- und Belehrungsobliegenheiten erfüllt hat. 75Vgl. EuGH, Urteil vom 6. November 2018 - C-619/16 (Kreuziger) -, juris, Rn. 53. 76Dem ist der Beklagte hier indes nicht hinreichend nachgekommen. Soweit er darauf verweist, es habe im Hausintranet entsprechende Informationen zur Verfügung gestellt, genügt dies nicht. Nicht nur, dass es an einer zum Zwecke der Substantiierung erfolgten Vorlage eines maßgeblichen Exemplars der zur Verfügung gestellten Informationen mangelt, ergibt sich bereits aus dem Vortrag des Beklagten selbst, dass es sich hier nur um allgemeine und nicht auf den konkreten Beamten und das konkrete Urlaubsjahr bezogene Informationen gehandelt hat. Der Dienstherr hat aber den konkreten Beamten in die Lage zu versetzen, seinen – insoweit konkret zu beziffernden – noch offenstehenden Anspruch auf Erholungsurlaub zu realisieren. 77Auch die schriftliche Information des Beklagten vom 10. Januar 2017 (Bl. 35 der Beiakte – Heft 4) genügt nicht. Zwar wird auf einen Verfall hingewiesen. Dieser betrifft aber ausdrücklich nur den aus dem Jahr 2015 stammenden Urlaub. Im Hinblick auf das Urlaubsjahr 2016 wird lediglich darüber informiert, dass ein Anspruch noch auf 30 Tage bestehe. Der Verfall wird weder allgemein noch in Bezug auf ein konkretes Eintrittsdatum dargelegt. Demnach ist der Beklagte seiner Hinweisobliegenheit nicht nachgekommen, mit der Folge, dass der Urlaub aus dem Dezember 2016 nicht verfallen ist. 785. 79Vor diesem Hintergrund ist dem Kläger in der Zeit vom 12. September 2013 bis zum 31. Dezember 2016 Anspruch auf Erholungsurlaub entstanden, den es vom Beklagten finanziell abzugelten gilt. 80Hinsichtlich der Höhe ist zunächst zu berücksichtigen, dass sich sowohl § 19a FrUrlV NRW als auch Art. 7 RL 2003/88/EG ausschließlich auf einen Mindesturlaub in Höhe von vier Wochen bzw. 20 Tagen beziehen. Der Europäische Gerichtshof hat hervorgehoben, dass Art. 7 RL 2003/88/EG sich auf die Aufstellung von Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz beschränkt. Es sei Sache der Mitgliedstaaten zu entscheiden, ob sie den Beamten weitere Ansprüche auf bezahlten Urlaub gewähren. Deshalb sind Urlaubstage, die über den nach Art. 7 RL 2003/88/EG unionsrechtlich gewährleisten Mindesturlaub hinausgehen, nicht vom unionsrechtlichen Urlaubsanspruch umfasst, sondern unterliegen ausschließlich den nationalen Regelungen. 81Vgl. EuGH, Urteil vom 3. Mai 2012 - C-337/10 (Neidel) -, juris, Rn. 35 ff. ; BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 2 C 10. 12 -, juris, Rn. 18. 82Der nationale Gesetzgeber hat sich dabei aber – wie § 19a FrUrlV NRW zeigt – auf den Mindesturlaub beschränkt und einen weitergehenden Abgeltungsanspruch nicht eröffnet. 83a) Für das Jahr 2013 bedarf es dabei einer anteiligen Berechnung nach § 18 Abs. 3 FrUrlV. Danach besteht ein Urlaubsanspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat der Dienstzugehörigkeit, wobei von einem vollen Monat auszugehen ist, wenn das Beamtenverhältnis am ersten regelmäßigen Werktag eines Monats beginnt beziehungsweise am letzten regelmäßigen Werktag eines Monats endet. Demnach besteht für das Jahr 2013 ein Urlaubs- und damit Abgeltungsanspruch nur für die Monate Oktober bis Dezember, mithin in Höhe von (20 : 12 x 3 =) 5 Tagen. 84b) Für die Jahre 2014, 2015 und 2016 ist dem Kläger der Anspruch auf Mindesturlaub jeweils in voller Höhe entstanden, mithin insgesamt 60 Tagen. 85Einschränkend ist aber zu berücksichtigen, dass der Kläger vom 25. Februar bis zum 31. März 2017, mithin 25 Tage, Erholungsurlaub in Anspruch genommen hat. Soweit dies den für 2017 zustehenden Mindesturlaub übersteigt (fünf Tage), ist dieser „Überschuss“ auf den Mindesturlaub der Vorjahre anzurechnen, so dass dem Kläger für die Jahre 2014, 2015 und 2016 nur ein Abgeltungsanspruch in Höhe von 55 Tagen zusteht. 86Dabei ist zu berücksichtigen, dass es nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei der Berechnung der dem Beschäftigten zustehenden Urlaubstage im Rahmen der Ansprüche aus Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG nach dem Zweck dieser Norm zunächst nur darauf ankommt, ob und wie viel Urlaub der Betreffende im konkreten Jahr genommen hat. Unerheblich ist, ob es sich dabei um neuen oder um alten, also aus dem vorangegangenen Urlaubsjahr übertragenen Urlaub gehandelt hat. Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG möchte allein sicherstellen, dass der betroffene Arbeitnehmer im betroffenen Jahr den erforderlichen Mindesturlaub nimmt. Auf den Rechtsgrund des genommenen Urlaubs kommt es dabei nicht an. 87Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 2 C 10. 12 -, juris, Rn. 23; OVG NRW, Urteil vom 3. Juni 2015 - 6 A 2326/12 -, juris, Rn. 67 ff; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2021 - 2 K 3079/19 -, juris, Rn. 51 ff. 88Dies bedeutete für den vorliegenden Fall, dass der Kläger, da er nur im Jahr 2017 Urlaub genommen hat, für die früheren Jahre noch den vollen Anspruch auf Mindesturlaub hätte. Dass der im Jahr 2017 in Anspruch genommene Urlaub offiziell als aus dem im Jahr 2015 entstandenen Urlaubsanspruch gewertet wurde, spielt nach Besagtem keine Rolle. 89Einschränkend wird allerdings in der Rechtsprechung angenommen, dass Mindesturlaub des laufenden Jahres nicht die Urlaubstage sein können, die Mindesturlaub des vorangegangenen Jahres sind. Ohne dass es einer genauen Zuordnung zum laufenden oder vorangegangenen Urlaubsjahr bedarf, sollen Urlaubstage daher noch dem Vorjahr zugeordnet werden können, wenn der Mindesturlaub des Vorjahres noch nicht eingebracht wurde. Von daher kann nicht genommener Mindesturlaub aus dem Vorjahr durch über den Mindesturlaub hinausgehenden Urlaub im Folgejahr als ausgeglichen betrachtet werden. 90Vgl. VG Regensburg, Urteil vom 10. Oktober 2014 - RN 1 K 13. 1973 - juris Rn. 52; VG München, Urteil vom 24. März 2021 - M 21a K 19. 532 -, juris, Rn. 31; VG Bayreuth, Urteil vom 14. Juli 2020 - B 5 K 19. 285 -, juris, Rn. 28. 91Dem schließt sich das erkennende Gericht an. Denn in den Fällen, in denen – wie hier – in einem Jahr (2016) weniger (kein), im Folgejahr (2017) aber deutlich mehr als der dem Betroffenen zustehenden Mindesturlaub genommen wird, besteht kein Anlass, den Beamten zu schützen, weil er bei Gesamtbetrachtung den ihm zustehenden und unionsrechtlich vermittelten (Mindest-)Urlaub erhalten hat. Andernfalls könnte ein Arbeitnehmer bzw. Beamter seinen Anspruch auf Mindesturlaub regelmäßig beinahe verdoppeln, indem er in einem Jahr nahezu gar keinen Urlaub nimmt, diesen im Folgejahr aber nachholt, aber gleichwohl weiterhin Anspruch auf die Differenz aus dem Mindesturlaub und dem tatsächlich genommenen Urlaub aus dem Vorjahr erhält. Zweck der RL 2003/88/EG ist es letztlich „nur“, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, den ihm zustehenden Mindesterholungsurlaub in Anspruch zu nehmen, und ihn vor einem voraussetzungslosen Verlust seines Urlaubsanspruches zu bewahren. Wie der Arbeitnehmer bzw. Beamte den ihm zustehenden Mindesturlaub aber einsetzt, kann ihm dabei selbst überlassen bleiben. Von daher stellt der Europäische Gerichtshof auch tatsächlich darauf ab, ob der betroffene Beamte seinen Erholungsurlaub nicht zwangsweise im selben Urlaubsjahr, sondern unter anderem während des gesamten Übertragungszeitraumes, d. h. bis zu dem nach nationaler Regelung eintretenden Verfall, in Anspruch genommen hat. 92Vgl. etwa EuGH, Urteile vom 22. November 2011 - C-214/10 (KHS) -, juris, Rn. 25 ff. , und vom 20. Januar 2009 - C-350/06 u. a. (Schultz-Hoff) -, juris, Rn. 41 ff. 93Dies steht auch mit dem Zweck des Erholungsurlaubs im Einklang. Erholungsurlaub soll einerseits der Erholung von verrichteter Arbeitsleistung, anderseits der Gewährleistung eines Zeitraumes für Entspannung und Freizeit dienen. 94Vgl. EuGH, Urteile vom 22. November 2011 - C-214/10 (KHS) -, juris, Rn. 31, und vom 20. Januar 2009 - C-350/06 u. a. (Schultz-Hoff) -, juris, Rn. 25. 95Diese beiden Zwecke werden aber auch dann erreicht, wenn der betroffene Beamte seinen Mindesturlaubsanspruch jedenfalls innerhalb des gesamten Bezugs- und Übertragungszeitraumes realisiert. Ein in einem Jahr über den Mindesturlaub hinausgehender, tatsächlich genommener Urlaub kann demnach auch unter Wahrung der Zwecke des Erholungsurlaubes entsprechende Defizite beim Mindesturlaub aus den Vorjahren ausgleichen können. Der Beamte ist nicht verpflichtet, seinen gesamten Mindesturlaub gleich in demselben Urlaubsjahr zu nehmen. Es kommt vielmehr darauf an, ob er seinen Erholungsurlaub während des gesamten Zeitraumes, d. h. im Urlaubsjahr und im Übertragungszeitraum, in Anspruch genommen hat. 96Vgl. die gleiche Wertung des OVG NRW, Urteil vom 3. Juni 2015 - 6 A 2326/12 -, juris, Rn. 84. 97Dies widerspricht auch nicht der vom Bundesverwaltungsgericht angenommenen jahresspezifischen und rechtsgrundlosen Betrachtung des Erholungsurlaubes. Denn ob die Anzahl der in einem Jahr genommenen Tage an Erholungsurlaub frühere Defizite ausgleicht, ist keine Frage nach dem Rechtsgrund genommenen Erholungsurlaubes, sondern allein nach dessen Höhe. Insoweit wird in Übereinstimmung mit dem Bundesverwaltungsgericht weiterhin nicht gefragt, ob der Anspruch auf den genommenen Urlaub letztlich im Vor- oder gar Vorvorjahr entstanden ist. Maßgeblich ist vielmehr allein, ob der unionsrechtlich garantierte Mindesturlaub vor seinem Verfall gewährt wurde oder nicht. 98Angesichts dessen sind für das Jahr 2016 fünf Tage als genommen zu werten. Es sind demnach für den gesamten Zeitraum (2013 bis 2016) 60 Tage abzugelten. 996. 100Ein hierüber hinausgehender Anspruch steht dem Kläger auch nicht auf Grundlage von Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG zu. 101Aus dieser Vorschrift ergibt sich über das nationale Recht hinaus unmittelbar ein Abgeltungsanspruch, wenn der Arbeitnehmer bzw. Beamte nicht die Möglichkeit hatte, den ihm zustehenden Mindesturlaub in Anspruch zu nehmen. 102Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3. April 2017 - 6 A 1084/15 -, juris, Rn. 16. 103Im Streitfall gewährt Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG jedoch keine über die nationalen Bestimmungen hinausgehenden Ansprüche, da dessen Voraussetzungen in den entscheidungserheblichen Punkten identisch sind. Dies zugrunde gelegt kann der Kläger aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG im Streitfalle keine weitergehenden Rechte ableiten, als aus § 19a FrUrlV NRW. Zur weiteren Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die bereits zu § 19a FrUrlV NRW erfolgten Ausführungen verwiesen. 104Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Zugunsten des Klägers unterstellt, die von ihm begehrte Abgeltung umfasse nur jeweils den Mindesturlaub, für den Zeitraum zwischen 2001 und 2016 insgesamt mithin 320 Tage, unterliegt der Kläger im Hinblick auf knapp 80 %. 105Die Berufung ist nach § 124a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, da die Rechtssache im Hinblick auf den Verfall von Erholungsurlaubsansprüchen in Zeiten einer Suspendierung grundsätzliche Bedeutung hat. 106Rechtsmittelbelehrung: 107Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn 1081. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 1092. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 1103. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 1114. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 1125. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. 113Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, zu beantragen. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich einzureichen. 114Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 115Im Berufungsverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO.
der beklagte wird unter teilweiser aufhebung des bescheides der bezirksregierung n. vom 14. januar 2019 verpflichtet, dem kläger insgesamt 60 tage erholungsurlaub für die jahre 2013 bis 2016 finanziell abzugelten. im übrigen wird die klage abgewiesen. die kosten des verfahrens tragen der kläger zu 80 % und der beklagte zu 20 %. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der jeweilige vollstreckungsschuldner darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige vollstreckungsgläubiger vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. die berufung wird zugelassen. 1
2die beteiligten streiten um die finanzielle abgeltung nicht genommenen erholungsurlaubs aus den jahren 2001 bis 2016. 3der kläger, der zuletzt als gewerbehauptsekretär (besoldungsgruppe a 8 gemäß lbeso nrw) mit stammdienststelle bei der bezirksregierung n. seinen dienst verrichtete, trat mit ablauf des 31. dezember 2018 wegen erreichens der altersgrenze in den ruhestand ein. 4mit verfügung vom 21. januar 2001 wurde der kläger im wege eines disziplinarverfahrens vorläufig des dienstes enthoben. die disziplinarkammer des verwaltungsgerichts n. entfernte den kläger auf eine anschuldigungsschrift des beklagten hin mit urteil vom 26. januar 2009 aus dem dienst (az. : 13 k 1684/06. o). die vom kläger hiergegen gerichtete berufung wurde vom oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen mit urteil vom 11. september 2013 verworfen (az. : 3d a 722/09. o). auf die hiergegen erhobene verfassungsbeschwerde hob das bundesverfassungsgericht mit beschluss vom 12. august 2015 (az. : 2 bvr 2646/13) die urteile des verwaltungsgerichts n. sowie des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen auf und verwies die sache an das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen zurück. mit urteil vom 13. dezember 2016 änderte dieses das urteil des verwaltungsgerichts n. insoweit ab, als lediglich das gehalt des klägers gekürzt wurde, er aber nicht mehr aus dem dienst entfernt wurde. der kläger sollte daraufhin ab dem 14. dezember 2016 seinen dienst bei der bezirksregierung n. versehen. 5der kläger war seit dem 14. dezember 2016 bis zum eintritt in den ruhestand am 1. januar 2019 dienstunfähig erkrankt. mit schreiben vom 29. dezember 2016 bat der kläger den beklagten, den ihm noch zustehenden erholungsurlaub, soweit er noch nicht verjährt sei, in das urlaubsjahr 2017 zu übertragen. mit schreiben vom 10. januar 2017 teilte der beklagte dem kläger mit, dieser habe aus dem jahr 2015 noch anspruch auf 30 urlaubstage, die aber zum 1. april 2017 verfielen. zudem habe er auch noch anspruch auf erholungsurlaub in gleicher höhe jeweils für die jahre 2016 und 2017. der kläger nahm daraufhin vom 25. februar 2017 bis zum 31. märz 2017 erholungsurlaub in anspruch, der als erholungsurlaub aus dem jahr 2015 verbucht wurde. 6mit bescheid vom 14. januar 2019 setzte die bezirksregierung n. die finanzielle abgeltung von krankheitsbedingt nicht in anspruch genommenem erholungsurlaub für die jahre 2017 und 2018 auf insgesamt 40 urlaubstage fest. zur begründung führte sie im wesentlichen aus, die urlaubsansprüche für die jahre vor 2017 seien verfallen. für die jahre 2017 und 2018 sei jeweils nur der mindesturlaub, mithin 20 tage, finanziell abzugelten. der bescheid wurde dem kläger am 19. januar 2019 zugestellt. 7der kläger hat am 18. februar 2019 klage vor dem verwaltungsgericht n. erhoben. mit beschluss vom 25. februar 2019 hat sich dieses für örtlich unzuständig erklärt und den rechtsstreit an das erkennende gericht verwiesen. zur begründung seiner klage führt der kläger aus, er habe auch anspruch auf finanzielle abgeltung seines urlaubsanspruches für die gesamte zeit der suspendierung, also für die jahre 2001 bis 2016. in dieser zeit sei es ihm nicht möglich gewesen, seinen erholungsanspruch zu realisieren. der anspruch sei auch nicht verfallen, da es an dem erforderlichen hinweis seines dienstherrn fehle, der nach der rechtsprechung des europäischen gerichtshofes aber voraussetzung für den verfall sei. 8der kläger beantragt – schriftsätzlich und sinngemäß –, 9den beklagten unter teilweiser aufhebung des bescheides der bezirksregierung n. vom 14. januar 2019 zu verpflichten, ihm erholungsurlaub im umfang von weiteren 320 arbeitstagen für die jahre 2001 bis 2016 finanziell abzugelten. 10der beklagte beantragt – schriftsätzlich –, 11die klage abzuweisen. 12zur begründung führt er im wesentlichen aus, die urlaubsansprüche aus den jahren vor 2017 seien verfallen. für das jahr 2015 bestehe zudem ohnehin kein anspruch, weil der kläger den aus diesem jahr stammenden erholungsurlaub zwischen dem 25. februar und 31. märz 2016 realisiert habe. für die zeit der suspendierung mangele es überdies bereits an einem antrag auf finanzielle abgeltung. im übrigen unterliege der urlaubsanspruch dem verfall. daran ändere auch die aktuelle rechtsprechung des europäischen gerichtshofes nichts. soweit diese für den verfall von erholungsurlaub einen entsprechenden hinweis des dienstherrn verlange, sei dieser erfolgt. eine information zum verfall sei in dem für alle beschäftigten zugänglichen intranet hinterlegt, zudem sei im nachgang zu dem entsprechenden urteil des europäischen gerichtshofes eine ergänzende veröffentlichung im hausintranet eingestellt worden. mit schreiben vom 10. februar 2017 sei der kläger überdies über den verfall aufgeklärt worden. schließlich sei dem kläger die inanspruchnahme des erholungsurlaubes stets ermöglicht worden. die nichtrealisierung liege beim kläger vielmehr an dessen langandauernden erkrankung. dass der kläger suspendiert worden sei, ändere nichts daran, dass der urlaubsanspruch dem verfall zugänglich sei. 13die beteiligten haben mit schriftsätzen vom 27. januar 2022 und vom 3. februar 2022 auf die durchführung einer mündlichen verhandlung verzichtet. 14wegen der weiteren einzelheiten zum sach- und streitstand wird auf die gerichtsakte sowie die beigezogenen verwaltungsvorgänge verwiesen. 15
16über die sache entscheidet die kammer ohne mündliche verhandlung, nachdem sich die beteiligten hiermit wirksam einverstanden erklärt haben (vgl. § 101 abs. 2 der verwaltungsgerichtsordnung – vwgo). 17die zulässige klage hat in dem sich aus dem tenor ergebenden umfang erfolg. die mit bescheid der bezirksregierung n. vom 14. januar 2019 erfolgte ablehnung der finanziellen abgeltung des urlaubsanspruches aus den jahren 2001 und 2016 ist rechtswidrig und verletzt den kläger in seinen rechten (vgl. § 113 abs. 5 satz 1 der verwaltungsgerichtsordnung – vwgo), soweit sie den zeitraum vom 12. september 2013 bis zum 31. dezember 2016 umfasst. im übrigen ist gegen die ablehnung aber rechtlich nichts zu erinnern. 18ein anspruch auf finanzielle abgeltung von nicht genommenen erholungsurlaub ergibt sich im allgemeinen aus § 19a abs. 1 satz 1 der verordnung über die freistellung wegen mutterschutz für beamtinnen und richterinnen, eltern- und pflegezeit, erholungs- und sonderurlaub der beamtinnen und beamten und richterinnen und richter im land nordrhein-westfalen in der hier zum zeitpunkt des eintritts des klägers in den ruhestand maßgeblichen fassung vom 1. januar 2019 (frurlv nrw). 19nach dieser vorschrift ist erholungsurlaub bis zu einer dauer von 20 arbeitstagen im urlaubsjahr (mindesturlaub), der zum zeitpunkt der beendigung des beamtenverhältnisses krankheitsbedingt ganz oder teilweise nicht in anspruch genommen und zu diesem zeitpunkt nach § 19 absatz 2 frurlv nrw nicht verfallen ist, von amts wegen finanziell abzugelten. gleiches gilt für nicht beanspruchten zusatzurlaub nach § 208 absatz 1 satz 1 des neunten sozialgesetzbuches (sgb ix). 20die voraussetzungen der norm liegen nur für einen teil des geltend gemachten zeitraums vor, nämlich für die zeit der rechtswidrigen entfernung aus dem dienstverhältnis. 211. 22für die jahre 2001 und 2002 scheidet der anspruch bereits deshalb aus, weil der jeweilige urlaubsanspruch verfallen ist. bei der frage, ob ein anspruch besteht, der sich – wie hier – auf einen bestimmten zeitraum bezieht, ist auf die im betroffenen zeitraum geltende rechtslage abzustellen. ob der kläger mithin für die jahre 2001 und 2002 überhaupt noch einen abgeltungsfähigen urlaubsanspruch hat, ist damit anhand des für diesen zeitraum geltenden rechts zu beurteilen. 23vgl. ovg nrw, beschluss vom 10. märz 2014 - 6 a 2680/12 -, juris, rn. 10 ff. 24demgemäß ist das bestehen der aus den jahren 2001 und 2002 stammenden urlaubsansprüche zu verneinen. nach der damals maßgeblichen vorschrift des § 8 abs. 2 satz 1 der erholungsurlaubsverordnung nordrhein-westfalen in der fassung vom 14. september 1993 (euv nrw) verfiel erholungsurlaub, der nicht innerhalb von neun monaten nach dem ende des jeweiligen urlaubsjahres in anspruch genommen worden ist. demnach sind der urlaubsanspruch aus dem jahr 2001 am 1. oktober 2002 und der urlaubsanspruch aus dem jahr 2002 am 1. oktober 2003 verfallen. 25dem kann auch nicht die rechtsprechung des europäischen gerichtshofes über zum teil hiervon abweichende grundsätze des verfalls und der finanziellen abgeltung von erholungsurlaub entgegengehalten werden. denn diese judikatur bezieht sich auf art. 7 der richtlinie 2003/88/eg des europäischen parlaments und des rates vom 4. november 2003 über bestimmte aspekte der arbeitszeitgestaltung (rl 2003/88/eg). diese ist aber erst am 2. august 2004 in kraft getreten, einem zeitpunkt, in dem die urlaubsansprüche des klägers aus den jahren 2001 und 2002 bereits verfallen waren. 262. 27für den jeweiligen urlaubsanspruch aus den jahren 2003 bis zum 11. september 2013, für den die europarechtlichen vorgaben mithin gelten, scheidet ein anspruch auf finanzielle abgeltung jedenfalls daran, dass der kläger nicht – wie § 19a abs. 1 satz 1 frurlv nrw fordert – aus krankheitsgründen den erholungsurlaub nicht in anspruch nehmen konnte, sondern weil er rechtmäßig vorläufig des dienstes enthoben war. 28die vorschrift des § 19a abs. 1 frurlv nrw ist auch nicht vor dem hintergrund der rechtsprechung des europäischen gerichtshofes zu art. 7 rl 2003/88/eg auf den fall wegen suspendierung nicht genommenen erholungsurlaubs zu erweitern. der anspruch auf erholungsurlaub und dessen finanzielle abgeltung werden – wie bereits angedeutet – unionsrechtlich durch art. 7 rl 2003/88/eg überformt. nach dessen absatz 1 haben die mitgliedsstaaten dafür sorge zu tragen, dass ein arbeitnehmer bezahlten mindestjahresurlaub von vier wochen erhält. eine finanzielle abgeltung kommt nach dem absatz 2 nur im falle der beendigung des arbeitsverhältnisses in betracht. 29die vorschrift des art. 7 rl 2003/88/eg ist dabei auch auf beamte anwendbar. 30vgl. bverwg, urteil vom 31. januar 2013 - 2 c 10. 12 -, juris, rn. 9 ff. mit weiteren nachweisen. 31dabei hat der europäische gerichtshof zunächst überwiegend nur über fälle entschieden, in denen der betroffene arbeitnehmer seinen anspruch auf erholungsurlaub wegen einer langandauernden erkrankung nicht realisieren konnte. 32vgl. etwa eugh, urteil vom 22. november 2011 - c-214/10 (khs) -, juris. 33in jüngerer zeit hat er aber klargestellt, dass der anspruch auf erholungsurlaub bzw. finanzielle abgeltung von erholungsurlaub generell nicht entfallen bzw. ausgeschlossen werden darf, wenn es dem betroffenen arbeitnehmer nicht möglich war, den gesamten bezahlten jahresurlaub zu nehmen, der ihm zustand. die langandauernde erkrankung ist demnach nur ein – wenn auch wichtiges – beispiel. dieselben grundsätze gelten nach der rechtsprechung des gerichtshofes ausdrücklich auch für den fall, in dem der arbeitnehmer rechtswidrig entlassen worden ist und dann – wegen der aufhebung der rechtswidrigen entlassung – weiter beschäftigt wird. denn im falle der rechtswidrigen entlassung kann der arbeitnehmer gerade keinen erholungsurlaub (mehr) geltend machen, weil das arbeitsverhältnis beendet worden ist. 34vgl. eugh, urteil vom 25. juni 2020 - c-762/18 u. a. (varhoven kasatsionen sad na republika bulgaria) -, juris, rn. 78, 85. 35insoweit hat der anspruch auf finanzielle abgeltung des erholungsurlaubes nach art. 7 abs. 2 rl 2003/88/eg lediglich die beiden voraussetzungen, dass zum einen das arbeitsverhältnis beendet ist und zum anderen der arbeitnehmer nicht den gesamten jahresurlaub genommen hat, auf den er bis zur beendigung des arbeitsverhältnisses anspruch hatte. 36vgl. eugh, urteile vom 25. juni 2020 - c-762/18 u. a. (varhoven kasatsionen sad na republika bulgaria) -, juris, rn. 84, und vom 6. november 2018 - c-619/16 (kreuziger) -, juris, rn. 31. 37so liegt die sache hier aber nicht. denn der kläger hatte im benannten zeitraum gar keinen anspruch auf erholungsurlaub. die vorläufige enthebung des dienstes führt nämlich dazu, dass der betroffene in dem jahr, in dem er durchgängig des dienstes enthoben worden war, keinen anspruch auf erholungsurlaub hatte. 38vgl. ovg nrw, beschluss vom 13. februar 2018 - 6 b 1147/17 -, juris, rn. 6; bayerischer vgh, beschluss vom 18. november 2015 - 6 zb 15. 1856 -, juris, rn. 8. 39die gewährung von erholungsurlaub kommt hierbei bereits deshalb nicht in betracht, weil eine dienstleistungspflicht, von der der beamte freizustellen wäre, mit der suspendierung nicht mehr besteht. die freistellung von der dienstleistungspflicht für einen zeitraum, in dem nach dem jeweiligen arbeitszeitrecht dienst zu leisten wäre, ist aber maßgebender inhalt der urlaubsgewährung. wird ein beamter vorläufig des dienstes enthoben, so ist er von seiner pflicht zur dienstleistung in vollem umfang entbunden, 40vgl. bverwg, urteil vom 24. april 1980 - ii c 26. 77 -, juris, rn. 25, 41so dass für die gewährung von erholungsurlaub zum zweck der entbindung von der pflicht zur dienstleistung in demselben zeitraum denknotwendig kein raum mehr eröffnet ist. 42dies gilt demnach für die jahre 2002 bis zum 11. september 2013, in dem der kläger vorläufig des dienstes enthoben war. anders als in dem zitierten, vom europäischen gerichtshof entschiedenen fall einer rechtswidrigen beendigung des arbeitsverhältnisses erweist sich hier die suspendierung auch nicht als rechtswidrig. ansatzpunkt für den europäischen gerichtshof war, dass ein arbeitnehmer, der in rechtswidriger weise entlassen worden ist, für den zeitraum, in dem die entlassung tatsächlich wirkung entfaltete, wegen der rechtswidrigkeit der beendigung eines arbeitsverhältnisses einen anspruch auf erholungsurlaub hatte. vorliegend erwies sich die vorläufige enthebung des dienstes aber nicht als rechtswidrig. vielmehr war nur die im rahmen des disziplinarverfahrens vom beklagten angestrengte, vom verwaltungsgericht n. angeordnete und vom oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen bestätigte disziplinarmaßnahme selbst (entfernung aus dem dienst) rechts- bzw. verfassungswidrig. gegenstand des bis zum bundesverfassungsgericht angestrengten disziplinarklageverfahrens war indes gerade nicht die suspendierung, die insoweit bestandskräftig geworden ist. es gibt auch keine hinweise darauf, dass diese rechtswidrig gewesen ist. nach dem zum zeitpunkt der vorläufigen dienstenthebung geltenden § 91 der disziplinarordnung für das land nordrhein-westfalen (do nrw) konnte die einleitungsbehörde (hier: die bezirksregierung n. ) einen beamten vorläufig des dienstes entheben, wenn ein dienstliches bedürfnis vorliegt und das förmliche disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet worden ist. gegen diese vorläufige enthebung hat sich der kläger nicht gewandt. von daher wäre selbst in dem fall, in dem die bezirksregierung n. von beginn an unter beachtung der verfassungsrechtlichen vorgaben eine disziplinarmaßnahme erstritten hätte, der kläger suspendiert gewesen und hätte keinen anspruch auf erholungsurlaub gehabt. die rechtswidrigkeit der disziplinarmaßnahme hatte insoweit keine inhaltlichen auswirkungen auf die bestandskräftige suspendierung des klägers. 43vor diesem hintergrund gibt es auch auf der grundlage der rechtsprechung des europäischen gerichtshofes keinen anlass, § 19a frurlv nrw dahingehend zu erweitern, dass er auch in den fällen greift, in denen der betroffene beamte – bestandskräftig – suspendiert wird und insoweit ohnehin keinen anspruch auf erholungsurlaub erhält, der abgeltungsfähig ist. 443. 45etwas anderes gilt aber für den zeitraum vom 12. september 2013 bis zum 13. dezember 2016. denn die (bestandskräftige) suspendierung endete mit der rechtskräftigen entscheidung des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen vom 11. september 2013, mit der der kläger aus dem beamtenverhältnis entlassen worden ist (vgl. § 95 abs. 3 do nrw). dass der kläger daraufhin verfassungsbeschwerde eingelegt hat, ändert nichts an der rechtskraft der verwaltungsgerichtlichen entscheidung. die verfassungsbeschwerde ist kein rechtsmittel, das bundesverfassungsgericht kein im verwaltungsgerichtlichen instanzenzug eingebundenes fachgericht. eine verfassungsbeschwerde hat damit auf den eintritt der rechtskraft einer fachgerichtlichen entscheidung keinen einfluss. 46vgl. bverfg, beschluss vom 30. april 2003 - 1 pbvu 1/02 -, juris, rn. 60; ovg nrw, beschluss vom 16. juli 2014 - 18 b 697/14 -, juris, rn. 2. 47bis zur aufhebung der urteile des verwaltungsgerichts n. sowie des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen durch beschluss des bundesverfassungsgerichts vom 12. august 2015 war die angeordnete entlassung des klägers aus dem dienst mit verkündung des urteils vom 11. september 2013 (vgl. § 90 do nrw) demnach rechtskräftig. weil diese aber rechtswidrig war, gilt für den zeitraum der entfernung aus dem dienstverhältnis bis zur wiederaufnahme des dienstes, d. h. zwischen dem 11. september 2013 und dem 13. dezember 2016, die oben genannte rechtsprechung des europäischen gerichtshofes. zwar war der kläger entgegen § 19a abs. 1 satz 1 frurlv nrw nicht dienstunfähig an der inanspruchnahme seines erholungsurlaubes gehindert. er konnte den erholungsanspruch in diesem zeitraum aber deshalb nicht realisieren, weil er rechtswidrig aus dem dienst entfernt war. wegen der rechtswidrigkeit dieser maßnahme ist ihm auch ein erholungsurlaubsanspruch entstanden, den zu nehmen er gehindert war. 48vgl. eugh, urteil vom 25. juni 2020 - c-762/18 u. a. (varhoven kasatsionen sad na republika bulgaria) -, juris, rn. 78. 49dagegen kann nicht angeführt werden, für den zeitraum ab der entscheidung des bundesverfassungsgerichts bis zur wiederaufnahme des dienstes, d. h. von dem 13. august 2015 bis einschließlich dem 13. dezember 2016, sei – so wohl die überlegung des beklagten (vgl. bl. 34 der beiakte – heft 5) – die suspendierung wieder zu leben erweckt worden. denn nach dem vom europäischen gerichtshof formulierten grundgedanken des anspruches auf finanzielle abgeltung bei rechtswidriger beendigung des arbeitsverhältnisses kommt es entscheidend darauf an, wann der betroffene tatsächlich wieder seinen dienst aufnimmt – oder wie in diesem fall, wann er seinen dienst wieder aufzunehmen hat –, nicht aber, wann die beendigung des arbeitsverhältnisses für unwirksam erklärt wird. denn der betroffene hätte in der gesamten zeit bis zu seiner wiederaufnahme des dienstes einen anspruch auf erholungsurlaub erworben, den es nunmehr abzugelten gilt. so liegt die sache auch hier. hätte das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen bereits am 11. september 2013 unter beachtung der verfassungsrechtlichen vorgaben entschieden, wäre der kläger nicht aus dem beamtenverhältnis entfernt worden, d. h. hätte ab dem 12. september 2013 seinen dienst wieder aufnehmen können. dass dies erst am 14. dezember 2016 erfolgen konnte, liegt darin, dass das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen aufgrund der verfassungswidrigkeit seines urteils vom 11. september 2013 erneut über die sache hat entscheiden müssen. dies kann aber nicht dem kläger angelastet werden. 50aus der genannten entscheidung des europäischen gerichtshofes ergibt sich zudem, dass der anspruch auf finanzielle abgeltung unabhängig von den verfallsregelungen gilt. denn der gerichtshof formuliert ausdrücklich, dass der anspruch auf finanzielle abgeltung für den zeitraum zwischen dem tag der rechtswidrigen entlassung und dem tag der aufgrund der nichtigkeitserklärung erfolgten wiederaufnahme seiner beschäftigung erworben hat, nicht ausgeschlossen werden darf. weitere voraussetzungen für den abgeltungsanspruch oder etwaige einschränkungen desselben werden gerade nicht formuliert. demnach steht dem betroffenen nach wiederaufnahme seiner tätigkeit nach aufhebung einer rechtswidrigen entlassung der anspruch auf finanzielle abgeltung unbedingt zu. 51vgl. aber vg freiburg, urteil vom 9. oktober 2020 - 5 k 303/19 -, juris, rn. 49, das von „hemmung“ der verfallslaufzeiten spricht. 52hierfür spricht auch die betrachtung der übrigen in der rechtsprechung des europäischen gerichtshofes entwickelten grundsätze zum verfall von erholungsurlaubsansprüchen. nach diesen ist in den fällen, in denen der beamte seinen erholungsurlaubsanspruch nicht realisieren konnte, ein verfall des anspruches grundsätzlich ausgeschlossen. eine ausnahme wird nur bei besonderen umständen bejaht, etwa wenn der beamte durchgängig dienstunfähig erkrankt ist oder aber der dienstherr den beamten durch den hinweis auf den verfall tatsächlich in die lage versetzt hat, den urlaub zu nehmen. 53vgl. eugh, urteile vom 22. november 2011 - c-214/10 (khs) -, juris (durchgängige erkrankung), und vom 6. november 2018 - c-619/16 (kreuziger) -, juris (hinweis des dienstherrn). 54solche, den verfall von erholungsurlaubsansprüchen ausnahmsweise legitimierenden besonderen umstände sind hier aber gerade nicht ersichtlich. durch sein rechtswidriges verhalten ist der dienstherr auch nicht schutzwürdig. 55vor diesem hintergrund ist § 19 abs. 2 frurlv nrw auch dahingehend richtlinienkonform auszulegen, dass das institut des verfalles für solche erholungsurlaubsansprüche keine beachtung findet, die in einem zeitraum rechtswidriger beendigung des dienstverhältnisses entstanden sind. 564. 57auch für den zeitraum vom 14. bis 31. dezember 2016 steht dem kläger ein finanzieller abgeltungsanspruch zu – und damit unter berücksichtigung des vorgenannten für das gesamte jahr 2016. denn in diesem zeitraum war der kläger dienstunfähig erkrankt und konnte auch deshalb den erholungsurlaub nicht in anspruch nehmen. 58zum zeitpunkt der beendigung des dienstverhältnisses am 31. dezember 2018 war dieser anspruch entgegen § 19 abs. 2 frurlv nrw auch nicht verfallen. das institut des verfalles findet hier anwendung, weil es nicht um erholungsurlaub im zusammenhang mit einer rechtswidrigen beendigung des dienstverhältnisses geht. nach der vorschrift wäre der urlaub aus 2016 auch an sich zum 31. märz 2018 verfallen. es ist vorliegend auch nicht die vom bundesarbeitsgericht dem europäischen gerichtshof vorgelegte frage betroffen, ob und unter welchen bedingungen urlaubsansprüche verfallen, die aus einem jahr stammen, in dem der betroffene teilweise dienstfähig und teilweise dienstunfähig war. 59vgl. dazu bag, beschluss vom 7. juli 2020 - 9 azr 401/19 -, juris. 60denn der kläger war im jahr 2016 zwar nur teilweise krankheitsbedingt dienstunfähig, im übrigen aber nicht dienstfähig, sondern (rechtswidrig) aus dem dienstverhältnis entfernt. er war daher das gesamte jahr 2016 nicht in der lage, erholungsurlaub zu nehmen. diese fallgestaltung bedarf aus den nachfolgenden gründen auch keiner weiteren klärung durch den europäischen gerichtshof. 61einem verfall steht vorliegend zunächst nicht die regelung des § 19 abs. 6 frurlv nrw in der fassung der verordnung vom 6. oktober 2020, in kraft getreten am 22. oktober 2020, entgegen. danach setzt der verfall des urlaubsanspruches voraus, dass der dienstherr zu beginn eines kalenderjahres über den ersatzlosen verfall noch vorhandenen urlaubsanspruches belehrt. zwar ist diese vorschrift ohnehin erst nach dem hier maßgeblichen zeitpunkt des entstehens eines möglichen abgeltungsanspruchs in kraft getreten und daher auf den vorliegenden fall bereits deshalb nicht anwendbar. denn die regelung ist erst zum 22. oktober 2020 in kraft getreten und damit nach dem zeitpunkt des entstehens eines möglichen abgeltungsanspruchs mit eintritt des klägers in den ruhestand mit ablauf des 31. dezember 2018. 62allerdings stellt sie die umsetzung einer rechtsprechung des europäischen gerichtshofes dar, die unabhängig von der nationalen regelungssituation gilt und damit bei richtlinienkonformer auslegung des § 19 abs. 2 frurlv nrw auch uneingeschränkt in gestalt einer unionsrechtskonformen anwendung bei früheren rechtslagen zu berücksichtigen ist. 63vgl. zu dieser rechtsprechung eugh, urteile vom 6. november 2018 - c-619/16 (kreuziger) -, juris, rn. 24 ff. , 52; und c-684/16 (max-planck-gesellschaft zur förderung der wissenschaften) -, juris, rn. 18 ff. , 45. 64nach dieser judikatur kann ein verfall des urlaubsanspruches nur dann eintreten, wenn die dienstvorgesetzte stelle von amts wegen dem beamten zu beginn eines jeden kalenderjahres den vorhandenen urlaubsanspruch nach der freistellungs- und urlaubsverordnung in textform mitteilt und zur rechtzeitigen beantragung und inanspruchnahme des urlaubs auffordert, sowie für den fall der nichtinanspruchnahme über den ersatzlosen verfall nach absatz 2 belehrt. wird die mitteilungspflicht nicht oder unvollständig erfüllt, tritt nicht beanspruchter mindesturlaub nach § 19a abs. 1 satz 1 frurlv nrw entsprechend dieser rechtsprechung am ende des übertragungszeitraums nach absatz 2 satz 1 zu dem im folgejahr entstandenen urlaubsanspruch hinzu beziehungsweise wird zum zeitpunkt der beendigung des beamtenverhältnisses entsprechend dem verfahren nach § 19a finanziell abgegolten. die sätze 1 bis 3 gelten entsprechend für den zusatzurlaubsanspruch nach § 208 absatz 1 satz 1 sgb ix. 65von daher ist § 19 abs. 2 frurlv nrw in den fällen wie hier, in denen § 19 abs. 6 frurlv nrw noch keine anwendung findet, grundsätzlich richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass dieser nur dann wirkung entfaltet, wenn der insoweit beweisbelastete dienstherr den nachweis erbringt, dass er vorab dafür gesorgt hat, dass der beamte als arbeitnehmer tatsächlich in der lage ist, seinen bezahlten jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, dies zu tun, und ihm, damit sichergestellt ist, dass der urlaub ihm noch die erholung und entspannung bieten kann, zu denen er beitragen soll, klar und rechtzeitig mitteilt, dass der urlaub, wenn er ihn nicht nimmt, am ende des bezugs- oder eines zulässigen übertragungszeitraums oder am ende des beamtenverhältnisses, wenn dies in einen solchen zeitraum fällt, verfallen wird. 66vgl. eugh, urteile vom 6. november 2018 - c-619/16 (kreuziger) -, juris, rn. 52, und c-648/16 (max-planck-gesellschaft zur förderung der wissenschaften) -, juris, rn. 45. 67in den fällen, in denen eine solche belehrung nicht erfolgt ist, liegen in der regel die nach der rechtsprechung des europäischen gerichtshofes geforderten besonderen umstände, die zum entfallen des urlaubsanspruchs in fällen fortdauernder dienst- bzw. arbeitsunfähigkeit führen können, auch nach ablauf der vorstehend dargestellten zulässigen übertragungszeit von 15 monaten nicht vor. 68vgl. bag, beschluss vom 7. juli 2020 - 9 azr 401/19 -, juris, rn. 17; urteil vom 19. februar 2019 - 9 azr 541/15 -, juris, rn. 21 ff; urteil vom 19. februar 2019 - 9 azr 423/16 -, juris. 69danach bestehen die aufforderungs- und hinweisobliegenheiten des dienstherrn regelmäßig auch, wenn und solange der beamte dienstunfähig ist. sie können ihren zweck grundsätzlich erfüllen, weil sich die dauer der erkrankung nicht von vornherein absehen lässt. dem dienstherrn ist es regelmäßig möglich, den dienstunfähigen beamten entsprechend den gesetzlichen vorgaben rechtzeitig und zutreffend über den umfang und die befristung des urlaubsanspruchs unter berücksichtigung des bei einer langandauernden erkrankung geltenden übertragungszeitraums zu unterrichten. der dienstherr ist in den fällen einer erkrankung in der regel nicht gehindert, den beamten rechtzeitig aufzufordern, den urlaub bei wiedergenesung vor ablauf des urlaubsjahres oder des übertragungszeitraums zur vermeidung des verfalls so rechtzeitig zu beantragen, dass er innerhalb des laufenden urlaubsjahres oder des übertragungszeitraums gewährt und genommen werden kann, so dass der beamte ab dem ersten arbeitstag nach seiner wiedergenesung urlaub in anspruch nehmen kann. 70vgl. bag, beschluss vom 7. juli 2020 - 9 azr 401/19 -, juris, rn. 21. 71dabei ist auch eine ausnahme von der hinweisobliegenheit des dienstherrn, den die erkennende kammer in übereinstimmung mit dem bundesarbeitsgericht in den fällen durchgängiger, d. h. während des bezugs- sowie übertragungszeitraums andauernder dienstunfähigkeit bejaht, weil ein hinweis auf den verfall dann nicht mehr seinen zweck erfüllt, 72vgl. vg gelsenkirchen, urteile vom 25. mai 2022 - 1 k 4003/20 sowie 1 k 2881/21 -; bag, beschluss vom 7. juli 2020 - 9 azr 401/19 -, juris, rn. 17, 73hier nicht angezeigt. denn der kläger war im hinblick auf das urlaubsjahr 2016 nicht durchgängig dienstunfähig erkrankt. bis einschließlich 13. dezember 2016 ist er aus den benannten gründen so zu behandeln, als wäre er im dienst gewesen und der anspruch auf erholungsurlaub entstanden. überdies war er im übertragungszeitraum teilweise, genauer zwischen dem 25. februar und 31. märz 2017, nicht dienstunfähig erkrankt. dass in diesem fall der hinweis auf den verfall seinen zweck zu erfüllen vermochte, zeigt sich auch gerade daran, dass der kläger in dem zeitraum bestehender dienstfähigkeit nach entsprechender auskunft seines dienstherrn seinen noch bestehenden erholungsurlaub in anspruch genommen hat. vor diesem hintergrund sieht die kammer keinen anlass, für die hiesige konstellation eine ausnahme von der bestehenden hinweisobliegenheit des dienstherrn anzunehmen. 74danach bestand grundsätzlich auch im vorliegenden fall eine pflicht des dienstherrn, den kläger über den anstehenden verfall seines – krankheitsbedingt nicht genommenen urlaubs – zu informieren. dabei obliegt es dem beklagten nachzuweisen, dass er seine informations- und belehrungsobliegenheiten erfüllt hat. 75vgl. eugh, urteil vom 6. november 2018 - c-619/16 (kreuziger) -, juris, rn. 53. 76dem ist der beklagte hier indes nicht hinreichend nachgekommen. soweit er darauf verweist, es habe im hausintranet entsprechende informationen zur verfügung gestellt, genügt dies nicht. nicht nur, dass es an einer zum zwecke der substantiierung erfolgten vorlage eines maßgeblichen exemplars der zur verfügung gestellten informationen mangelt, ergibt sich bereits aus dem vortrag des beklagten selbst, dass es sich hier nur um allgemeine und nicht auf den konkreten beamten und das konkrete urlaubsjahr bezogene informationen gehandelt hat. der dienstherr hat aber den konkreten beamten in die lage zu versetzen, seinen – insoweit konkret zu beziffernden – noch offenstehenden anspruch auf erholungsurlaub zu realisieren. 77auch die schriftliche information des beklagten vom 10. januar 2017 (bl. 35 der beiakte – heft 4) genügt nicht. zwar wird auf einen verfall hingewiesen. dieser betrifft aber ausdrücklich nur den aus dem jahr 2015 stammenden urlaub. im hinblick auf das urlaubsjahr 2016 wird lediglich darüber informiert, dass ein anspruch noch auf 30 tage bestehe. der verfall wird weder allgemein noch in bezug auf ein konkretes eintrittsdatum dargelegt. demnach ist der beklagte seiner hinweisobliegenheit nicht nachgekommen, mit der folge, dass der urlaub aus dem dezember 2016 nicht verfallen ist. 785. 79vor diesem hintergrund ist dem kläger in der zeit vom 12. september 2013 bis zum 31. dezember 2016 anspruch auf erholungsurlaub entstanden, den es vom beklagten finanziell abzugelten gilt. 80hinsichtlich der höhe ist zunächst zu berücksichtigen, dass sich sowohl § 19a frurlv nrw als auch art. 7 rl 2003/88/eg ausschließlich auf einen mindesturlaub in höhe von vier wochen bzw. 20 tagen beziehen. der europäische gerichtshof hat hervorgehoben, dass art. 7 rl 2003/88/eg sich auf die aufstellung von mindestvorschriften für sicherheit und gesundheitsschutz beschränkt. es sei sache der mitgliedstaaten zu entscheiden, ob sie den beamten weitere ansprüche auf bezahlten urlaub gewähren. deshalb sind urlaubstage, die über den nach art. 7 rl 2003/88/eg unionsrechtlich gewährleisten mindesturlaub hinausgehen, nicht vom unionsrechtlichen urlaubsanspruch umfasst, sondern unterliegen ausschließlich den nationalen regelungen. 81vgl. eugh, urteil vom 3. mai 2012 - c-337/10 (neidel) -, juris, rn. 35 ff. ; bverwg, urteil vom 31. januar 2013 - 2 c 10. 12 -, juris, rn. 18. 82der nationale gesetzgeber hat sich dabei aber – wie § 19a frurlv nrw zeigt – auf den mindesturlaub beschränkt und einen weitergehenden abgeltungsanspruch nicht eröffnet. 83a) für das jahr 2013 bedarf es dabei einer anteiligen berechnung nach § 18 abs. 3 frurlv. danach besteht ein urlaubsanspruch auf ein zwölftel des jahresurlaubs für jeden vollen monat der dienstzugehörigkeit, wobei von einem vollen monat auszugehen ist, wenn das beamtenverhältnis am ersten regelmäßigen werktag eines monats beginnt beziehungsweise am letzten regelmäßigen werktag eines monats endet. demnach besteht für das jahr 2013 ein urlaubs- und damit abgeltungsanspruch nur für die monate oktober bis dezember, mithin in höhe von (20 : 12 x 3 =) 5 tagen. 84b) für die jahre 2014, 2015 und 2016 ist dem kläger der anspruch auf mindesturlaub jeweils in voller höhe entstanden, mithin insgesamt 60 tagen. 85einschränkend ist aber zu berücksichtigen, dass der kläger vom 25. februar bis zum 31. märz 2017, mithin 25 tage, erholungsurlaub in anspruch genommen hat. soweit dies den für 2017 zustehenden mindesturlaub übersteigt (fünf tage), ist dieser „überschuss“ auf den mindesturlaub der vorjahre anzurechnen, so dass dem kläger für die jahre 2014, 2015 und 2016 nur ein abgeltungsanspruch in höhe von 55 tagen zusteht. 86dabei ist zu berücksichtigen, dass es nach der höchstrichterlichen rechtsprechung bei der berechnung der dem beschäftigten zustehenden urlaubstage im rahmen der ansprüche aus art. 7 abs. 1 rl 2003/88/eg nach dem zweck dieser norm zunächst nur darauf ankommt, ob und wie viel urlaub der betreffende im konkreten jahr genommen hat. unerheblich ist, ob es sich dabei um neuen oder um alten, also aus dem vorangegangenen urlaubsjahr übertragenen urlaub gehandelt hat. art. 7 abs. 1 rl 2003/88/eg möchte allein sicherstellen, dass der betroffene arbeitnehmer im betroffenen jahr den erforderlichen mindesturlaub nimmt. auf den rechtsgrund des genommenen urlaubs kommt es dabei nicht an. 87vgl. bverwg, urteil vom 31. januar 2013 - 2 c 10. 12 -, juris, rn. 23; ovg nrw, urteil vom 3. juni 2015 - 6 a 2326/12 -, juris, rn. 67 ff; vg düsseldorf, urteil vom 12. märz 2021 - 2 k 3079/19 -, juris, rn. 51 ff. 88dies bedeutete für den vorliegenden fall, dass der kläger, da er nur im jahr 2017 urlaub genommen hat, für die früheren jahre noch den vollen anspruch auf mindesturlaub hätte. dass der im jahr 2017 in anspruch genommene urlaub offiziell als aus dem im jahr 2015 entstandenen urlaubsanspruch gewertet wurde, spielt nach besagtem keine rolle. 89einschränkend wird allerdings in der rechtsprechung angenommen, dass mindesturlaub des laufenden jahres nicht die urlaubstage sein können, die mindesturlaub des vorangegangenen jahres sind. ohne dass es einer genauen zuordnung zum laufenden oder vorangegangenen urlaubsjahr bedarf, sollen urlaubstage daher noch dem vorjahr zugeordnet werden können, wenn der mindesturlaub des vorjahres noch nicht eingebracht wurde. von daher kann nicht genommener mindesturlaub aus dem vorjahr durch über den mindesturlaub hinausgehenden urlaub im folgejahr als ausgeglichen betrachtet werden. 90vgl. vg regensburg, urteil vom 10. oktober 2014 - rn 1 k 13. 1973 - juris rn. 52; vg münchen, urteil vom 24. märz 2021 - m 21a k 19. 532 -, juris, rn. 31; vg bayreuth, urteil vom 14. juli 2020 - b 5 k 19. 285 -, juris, rn. 28. 91dem schließt sich das erkennende gericht an. denn in den fällen, in denen – wie hier – in einem jahr (2016) weniger (kein), im folgejahr (2017) aber deutlich mehr als der dem betroffenen zustehenden mindesturlaub genommen wird, besteht kein anlass, den beamten zu schützen, weil er bei gesamtbetrachtung den ihm zustehenden und unionsrechtlich vermittelten (mindest-)urlaub erhalten hat. andernfalls könnte ein arbeitnehmer bzw. beamter seinen anspruch auf mindesturlaub regelmäßig beinahe verdoppeln, indem er in einem jahr nahezu gar keinen urlaub nimmt, diesen im folgejahr aber nachholt, aber gleichwohl weiterhin anspruch auf die differenz aus dem mindesturlaub und dem tatsächlich genommenen urlaub aus dem vorjahr erhält. zweck der rl 2003/88/eg ist es letztlich „nur“, den arbeitnehmer in die lage zu versetzen, den ihm zustehenden mindesterholungsurlaub in anspruch zu nehmen, und ihn vor einem voraussetzungslosen verlust seines urlaubsanspruches zu bewahren. wie der arbeitnehmer bzw. beamte den ihm zustehenden mindesturlaub aber einsetzt, kann ihm dabei selbst überlassen bleiben. von daher stellt der europäische gerichtshof auch tatsächlich darauf ab, ob der betroffene beamte seinen erholungsurlaub nicht zwangsweise im selben urlaubsjahr, sondern unter anderem während des gesamten übertragungszeitraumes, d. h. bis zu dem nach nationaler regelung eintretenden verfall, in anspruch genommen hat. 92vgl. etwa eugh, urteile vom 22. november 2011 - c-214/10 (khs) -, juris, rn. 25 ff. , und vom 20. januar 2009 - c-350/06 u. a. (schultz-hoff) -, juris, rn. 41 ff. 93dies steht auch mit dem zweck des erholungsurlaubs im einklang. erholungsurlaub soll einerseits der erholung von verrichteter arbeitsleistung, anderseits der gewährleistung eines zeitraumes für entspannung und freizeit dienen. 94vgl. eugh, urteile vom 22. november 2011 - c-214/10 (khs) -, juris, rn. 31, und vom 20. januar 2009 - c-350/06 u. a. (schultz-hoff) -, juris, rn. 25. 95diese beiden zwecke werden aber auch dann erreicht, wenn der betroffene beamte seinen mindesturlaubsanspruch jedenfalls innerhalb des gesamten bezugs- und übertragungszeitraumes realisiert. ein in einem jahr über den mindesturlaub hinausgehender, tatsächlich genommener urlaub kann demnach auch unter wahrung der zwecke des erholungsurlaubes entsprechende defizite beim mindesturlaub aus den vorjahren ausgleichen können. der beamte ist nicht verpflichtet, seinen gesamten mindesturlaub gleich in demselben urlaubsjahr zu nehmen. es kommt vielmehr darauf an, ob er seinen erholungsurlaub während des gesamten zeitraumes, d. h. im urlaubsjahr und im übertragungszeitraum, in anspruch genommen hat. 96vgl. die gleiche wertung des ovg nrw, urteil vom 3. juni 2015 - 6 a 2326/12 -, juris, rn. 84. 97dies widerspricht auch nicht der vom bundesverwaltungsgericht angenommenen jahresspezifischen und rechtsgrundlosen betrachtung des erholungsurlaubes. denn ob die anzahl der in einem jahr genommenen tage an erholungsurlaub frühere defizite ausgleicht, ist keine frage nach dem rechtsgrund genommenen erholungsurlaubes, sondern allein nach dessen höhe. insoweit wird in übereinstimmung mit dem bundesverwaltungsgericht weiterhin nicht gefragt, ob der anspruch auf den genommenen urlaub letztlich im vor- oder gar vorvorjahr entstanden ist. maßgeblich ist vielmehr allein, ob der unionsrechtlich garantierte mindesturlaub vor seinem verfall gewährt wurde oder nicht. 98angesichts dessen sind für das jahr 2016 fünf tage als genommen zu werten. es sind demnach für den gesamten zeitraum (2013 bis 2016) 60 tage abzugelten. 996. 100ein hierüber hinausgehender anspruch steht dem kläger auch nicht auf grundlage von art. 7 abs. 2 rl 2003/88/eg zu. 101aus dieser vorschrift ergibt sich über das nationale recht hinaus unmittelbar ein abgeltungsanspruch, wenn der arbeitnehmer bzw. beamte nicht die möglichkeit hatte, den ihm zustehenden mindesturlaub in anspruch zu nehmen. 102vgl. ovg nrw, beschluss vom 3. april 2017 - 6 a 1084/15 -, juris, rn. 16. 103im streitfall gewährt art. 7 abs. 2 rl 2003/88/eg jedoch keine über die nationalen bestimmungen hinausgehenden ansprüche, da dessen voraussetzungen in den entscheidungserheblichen punkten identisch sind. dies zugrunde gelegt kann der kläger aus art. 7 abs. 2 rl 2003/88/eg im streitfalle keine weitergehenden rechte ableiten, als aus § 19a frurlv nrw. zur weiteren begründung wird zur vermeidung von wiederholungen auf die bereits zu § 19a frurlv nrw erfolgten ausführungen verwiesen. 104die kostenentscheidung beruht auf § 155 abs. 1 satz 1 vwgo. zugunsten des klägers unterstellt, die von ihm begehrte abgeltung umfasse nur jeweils den mindesturlaub, für den zeitraum zwischen 2001 und 2016 insgesamt mithin 320 tage, unterliegt der kläger im hinblick auf knapp 80 %. 105die berufung ist nach § 124a abs. 1 satz 1 in verbindung mit § 124 abs. 2 nr. 3 vwgo zuzulassen, da die rechtssache im hinblick auf den verfall von erholungsurlaubsansprüchen in zeiten einer suspendierung grundsätzliche bedeutung hat. 106rechtsmittelbelehrung: 107gegen dieses urteil steht den beteiligten die berufung an das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. die berufung ist nur zuzulassen, wenn 1081. ernstliche zweifel an der richtigkeit des urteils bestehen, 1092. die rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche schwierigkeiten aufweist, 1103. die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat, 1114. das urteil von einer entscheidung des oberverwaltungsgerichts, des bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen senats der obersten gerichtshöfe des bundes oder des bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser abweichung beruht oder 1125. ein der beurteilung des berufungsgerichts unterliegender verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die entscheidung beruhen kann. 113die zulassung der berufung ist innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils schriftlich bei dem verwaltungsgericht gelsenkirchen, bahnhofsvorplatz 3, 45879 gelsenkirchen, zu beantragen. der antrag muss das angefochtene urteil bezeichnen. innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils sind die gründe darzulegen, aus denen die berufung zuzulassen ist. die begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem antrag vorgelegt worden ist, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen, aegidiikirchplatz 5, 48143 münster, schriftlich einzureichen. 114auf die unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung von schriftstücken als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 115im berufungsverfahren muss sich jeder beteiligte durch einen prozessbevollmächtigten vertreten lassen. dies gilt auch für den antrag auf zulassung der berufung. der kreis der als prozessbevollmächtigte zugelassenen personen und organisationen bestimmt sich nach § 67 abs. 4 vwgo.
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1 K 4290/20
2022-05-25T00:00:00
Urteil
Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Berufung wird zugelassen. 1Tatbestand: 2Die Beteiligten streiten um die finanzielle Abgeltung nicht genommenen Erholungsurlaubs aus dem Jahr 2017. 3Die Klägerin, die zuletzt ihren Dienst als verbeamtete Lehrerin beim Beklagten verrichtete, wurde mit Ablauf des 31. Juli 2019 wegen Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. 4Sie ist seit dem Jahr 2010 anerkannt schwerbehindert. Vom 9. März 2017 bis zur Versetzung in den Ruhestand war sie dienstunfähig erkrankt. 5Mit anwaltlichem Schreiben vom 4. Juni 2020 beantragte die Klägerin beim Beklagten die finanzielle Abgeltung nicht genommener Urlaubstage. Mit Bescheid vom 6. Oktober 2020 setzte die Bezirksregierung B. die finanzielle Abgeltung von krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommenem Erholungsurlaub auf insgesamt 27,59 Urlaubstage fest. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin habe aufgrund ihrer Schwerbehinderung jedes Jahr einen abgeltungsfähigen Urlaubsanspruch in Höhe von 25 Tagen gehabt. Für das Jahr 2018 seien 13 Tage abzugelten, nachdem sie in diesem Jahr zwölf Tage Urlaub genommen habe. Für das Jahr 2019 habe sie Anspruch auf finanzielle Abgeltung von 14,59 Tagen. Zwar habe sie in diesem Jahr keinen Urlaub genommen, sei aber zum 1. August 2019 in den Ruhestand versetzt worden, so dass ihr Urlaubsanspruch anteilig zu berechnen sei. Der Bescheid wurde den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 10. Oktober 2020 zugestellt. 6Mit E-Mail an die Bezirksregierung B. vom 27. Oktober 2020 führte die Klägerin aus, sie habe über die gewährte Abgeltung hinaus einen Anspruch auf finanzielle Abgeltung des aus dem Jahr 2017 stammenden Urlaubsanspruches. Ein Verfall dieses Anspruches sei auf Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes nicht eingetreten. Mit E-Mail vom 30. Oktober 2020 teilte die Bezirksregierung B. der Klägerin mit, die von ihr in Bezug genommene Judikatur sei auf Lehrkräfte nicht anwendbar, wie auch der Runderlass des Ministeriums für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen vom 26. Oktober 2020 (Az. 213 - 1.21.03 - 106946) ausdrücklich besage. 7Die Klägerin hat am 10. November 2020 Klage erhoben. Zur Begründung führt sie aus, die im Bescheid vom 6. Oktober 2020 erfolgte konkludente Festsetzung des für das Jahr 2017 abzugeltenden Urlaubsanspruches auf Null sei rechtswidrig. Der Urlaubsanspruch sei nicht verfallen, weil ihr Dienstherr sie auf den konkreten Verfall nicht hingewiesen habe. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes sei dies aber Voraussetzung für den Verfall nicht genommenen Urlaubs. 8Die Klägerin beantragt – schriftsätzlich –, 9den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheides der Bezirksregierung B. vom 6. Oktober 2020 zu verpflichten, ihr weiteren Erholungsurlaub im Umfang von 25 Arbeitstagen für das Urlaubsjahr 2017 finanziell abzugelten und den Nachzahlungsbetrag mit fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verzinsen. 10Der Beklagte beantragt – schriftsätzlich –, 11die Klage abzuweisen. 12Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen seine im Verwaltungsverfahren vorgebrachten Argumente. Ergänzend führt er aus, einer Hinweispflicht bedürfe es nicht nur deshalb nicht, weil die Klägerin Lehrerin sei, sondern auch deshalb, weil die Klägerin langandauernd dienstunfähig gewesen sei, eine Hinweispflicht mithin ins Leere gehe. 13Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 8. März 2022 und vom 23. Februar 2022 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. 14Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. 15Entscheidungsgründe: 16Über die Sache entscheidet die Kammer ohne mündliche Verhandlung, nachdem sich die Beteiligten hiermit wirksam einverstanden erklärt haben (vgl. § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). 17Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Die mit Bescheid der Bezirksregierung B. vom 6. Oktober 2020 erfolgte Ablehnung der finanziellen Abgeltung der Urlaubstage für das Jahr 2017 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Der Klägerin steht weder aus nationalem (1.) noch aus europäischem Recht (2.) ein Anspruch auf finanzielle Abgeltung ihres restlichen Erholungsurlaubsanspruchs in der geltend gemachten Höhe von 25 Tagen für das Urlaubsjahr 2017 zu. 181. 19Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 19a Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Freistellung wegen Mutterschutz für Beamtinnen und Richterinnen, Eltern- und Pflegezeit, Erholungs- und Sonderurlaub der Beamtinnen und Beamten und Richterinnen und Richter im Land Nordrhein-Westfalen (FrUrlV NRW). 20Nach dieser Vorschrift ist Erholungsurlaub bis zu einer Dauer von 20 Arbeitstagen im Urlaubsjahr (Mindesturlaub), der zum Zeitpunkt der Beendigung des Beamtenverhältnisses krankheitsbedingt ganz oder teilweise nicht in Anspruch genommen und zu diesem Zeitpunkt nach § 19 Absatz 2 FrUrlV NRW nicht verfallen ist, von Amts wegen finanziell abzugelten. Gleiches gilt für nicht beanspruchten Zusatzurlaub nach § 208 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX). 21Die Voraussetzungen der Norm liegen nicht vor. Die Klägerin war zwar seit dem 9. März 2017 bis zu ihrer Versetzung in den Ruhestand mit Ablauf des 31. Juli 2019 dienstunfähig erkrankt. Sie konnte daher den ihr für das Jahr 2017 zustehenden Mindesturlaub von 20 Tagen zuzüglich des ihr aufgrund ihrer Schwerbehinderung nach § 208 SGB IX zustehenden Sonderurlaubs von fünf Tagen krankheitsbedingt nicht voll in Anspruch nehmen. 22Der der Klägerin für das Jahr 2017 zustehende krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommene Mindest- und Sonderurlaub ist jedoch am 31. März 2019 gemäß § 19 Abs. 2 FrUrlV NRW verfallen. Danach verfällt Urlaub, der nicht innerhalb von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres in Anspruch genommen worden ist und nicht nach § 20a FrUrlV NRW angespart wird. Mit dem Verfall des Urlaubsanspruchs ist nach § 19a Abs. 1 Satz 1 FrUrlV NRW auch die Entstehung des entsprechenden Urlaubsabgeltungsanspruchs bei Beendigung des Beamtenverhältnisses – hier mit Ablauf des 31. Juli 2019 – ausgeschlossen. 23Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 2 C 10.12 -, juris, Rn. 20 ff. 24a) Die Regelung des § 19 Abs. 2 FrUrlV NRW verstößt zunächst nicht gegen europäisches Recht. Insbesondere ist sie mit Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (RL 2003/88/EG), wonach die Mitgliedsstaaten die erforderlichen Maßnahmen zu treffen haben, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindesturlaub erhält, vereinbar. 25Vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2011 - C-214/10 (KHS) -, juris, Rn. 23 ff, 44; BVerwG, Urteile vom 25. Januar 2018 - 2 B 32.17 -, juris, Rn. 14, und vom 31. Januar 2013 - 2 C 1.12 -, juris, Rn. 21; BAG, Beschluss vom 7. Juli 2020 - 9 AZR 401/19 -, juris, Rn. 38 f. 26Diese Vorschrift ist auch auf Beamte anwendbar. 27Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 2 C 10.12 -, juris, Rn. 9 ff. mit weiteren Nachweisen. 28Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ist ein Erlöschen des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub wegen Art. 7 RL 2003/88/EG grundsätzlich unzulässig, wenn es dem Arbeitnehmer nicht möglich war, den Urlaub zu nehmen. Eine Ausnahme hiervon ist nach dem Europäischen Gerichtshof nur zulässig, wenn besondere Umstände vorliegen, die den Verfall des Urlaubsanspruches trotz fehlender Möglichkeit der Inanspruchnahme zustehenden Erholungsurlaubes rechtfertigen. Derartige besondere Umstände werden vom Europäischen Gerichtshof in diesem Zusammenhang zunächst insbesondere dann angenommen, wenn der jeweilige Arbeitnehmer den ihm zustehenden Urlaubsanspruch krankheitsbedingt – wie hier – über einen mehrere Bezugszeiträume umfassenden Zeitraum nicht realisieren kann. 29Vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2011 - C-214/10 (KHS) -, juris, Rn. 28 ff. 30Denn in diesen Fällen besteht anderenfalls die Möglichkeit, dass ein Arbeitnehmer – beziehungsweise wie hier ein Beamter –, der während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeitsunfähig beziehungsweise hier dienstunfähig ist und deshalb den ihm zustehenden Urlaub nicht nehmen konnte, berechtigt wäre, unbegrenzt alle während des Zeitraums seiner Abwesenheit vom Dienst erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub anzusammeln. Ein solches Recht auf derartiges unbegrenztes Ansammeln von Ansprüchen, die während der Dienstunfähigkeit erworben wurden, entspricht jedoch nicht mehr dem Zweck des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub. Sinn und Zweck des Mindesturlaubs besteht darin, dem Beamten zu ermöglichen, sich zum einen von der Ausübung der ihm obliegenden Aufgaben zu erholen und zum anderen über einen bestimmten Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen. Den Zweck als Erholungszeit kann der Urlaub jedoch nur dann noch ausreichend gewährleisten, wenn der Übertrag eine gewisse zeitliche Grenze nicht überschreitet. Über eine solche Grenze hinaus fehlt dem Jahresurlaub nämlich seine positive Wirkung für den Arbeitnehmer als Erholungszeit; erhalten bleibt ihm lediglich seine Eigenschaft als Zeitraum für Entspannung und Freizeit. Der Europäische Gerichtshof hat daher bereits entschieden, dass eine Regelung wie § 19 Abs. 2 FrUrlV NRW, die einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten in Fällen krankheitsbedingter Nichtinanspruchnahme festlegt, der Regelung des Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG nicht entgegensteht. 31Vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2011 - C-214/10 (KHS) -, juris, Rn. 30 ff. 32b) Dem danach in Fällen krankheitsbedingter Nichtinanspruchnahme ausnahmsweise zulässigen Verfall des von der Klägerin im Jahr 2017 nicht in Anspruch genommenen Urlaubsanspruchs steht weiter nicht die Regelung des § 19 Abs. 6 FrUrlV NRW in der ab dem 22. Oktober 2020 geltenden Fassung entgegen. 33Danach teilt der Dienstherr dem Beamten zu Beginn eines jeden Kalenderjahres den vorhandenen Urlaubsanspruch nach der Freistellungs- und Urlaubsverordnung in Textform mit und fordert ihn zur rechtzeitigen Beantragung und Inanspruchnahme des Urlaubs auf, und belehrt ihn für den Fall der Nichtinanspruchnahme über den ersatzlosen Verfall nach § 19 Abs. 2 FrUrlV NRW. Wird die Mitteilungspflicht nicht oder unvollständig erfüllt, tritt nicht beanspruchter Mindesturlaub nach § 19a Abs. 1 Satz 1 FrUrlV NRW entsprechend dieser Rechtsprechung am Ende des Übertragungszeitraums nach Absatz 2 Satz 1 zu dem im Folgejahr entstandenen Urlaubsanspruch hinzu beziehungsweise wird zum Zeitpunkt der Beendigung des Beamtenverhältnisses entsprechend dem Verfahren nach § 19a finanziell abgegolten. Die Sätze 1 bis 3 gelten entsprechend für den Zusatzurlaubsanspruch nach § 208 Abs. 1 Satz 1 SGB IX (§ 19a Abs. 6 Satz 4 FrUrlV NRW). 34Zwar ist diese Vorschrift ohnehin auf den vorliegenden Fall bereits nicht anwendbar. Denn die Regelung ist erst zum 22. Oktober 2020 in Kraft getreten und damit nach dem hier maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens eines möglichen Abgeltungsanspruchs mit Versetzung der Klägerin in den Ruhestand mit Ablauf des 31. Juli 2019. Allerdings stellt sie die Umsetzung einer Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes dar, die unabhängig von der nationalen Regelungssituation gilt und damit bei richtlinienkonformer Auslegung des § 19 Abs. 2 FrUrlV NRW auch uneingeschränkt in Gestalt einer unionsrechtskonformen Anwendung bei früheren Rechtslagen – und somit auch im vorliegenden Fall – zu berücksichtigen ist. 35Vgl. zu dieser Rechtsprechung EuGH, Urteile vom 6. November 2018 - C-619/16 (Kreuziger) -, juris, Rn. 24 ff., 52; und C-684/16 (Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften) -, juris, Rn. 18 ff., 45. 36Nach dieser Judikatur liegt ein Fall der fehlenden Möglichkeit der tatsächlichen Inanspruchnahme des Urlaubs durch den Arbeitnehmer bzw. Beamten und damit des zulässigen Ausschlusses des Verfalles von Erholungsurlaubsansprüchen jenseits der langfristigen Erkrankung auch dann vor, wenn die dienstvorgesetzte Stelle den Beamten nicht tatsächlich in die Lage versetzt hat, den Urlaub zu nehmen. 37Vgl. zu dieser Rechtsprechung EuGH, Urteil vom 6. November 2018 - C-619/16 (Kreuziger) -, juris, Rn. 42 ff, 45. 38Der Dienstherr hat konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Beamte den ihm zustehenden Urlaub wahrnimmt. Hierzu hat er ihn erforderlichenfalls förmlich aufzufordern und ihm klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der Urlaub andernfalls am Ende des Bezugs- oder eines zulässigen Übertragungszeitraums verfällt. 39Hat der Dienstherr dies getan, war der Beamte folglich auch in der Lage, seinen Erholungsurlaub in Anspruch zu nehmen, jedenfalls soweit keine anderen Gründe für die Nichtinanspruchnahme vorliegen. Der nicht realisierte Urlaubsanspruch verfällt dann insoweit. Hat der Dienstherr indes keinen hinreichenden Hinweis erteilt, war der betroffene Arbeitnehmer bzw. Beamte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes auch nicht in der Lage, seinen Erholungsurlaubsanspruch zu realisieren. Ein Verfall ist insoweit ausgeschlossen, zumal der Europäische Gerichtshof dann keine besonderen, einen Verfall rechtfertigende Umstände erkennt. 40Von daher ist § 19 Abs. 2 FrUrlV NRW in den Fällen wie hier, in denen § 19 Abs. 6 FrUrlV NRW noch keine Anwendung findet, grundsätzlich richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass dieser nur dann Wirkung entfaltet, wenn der insoweit beweisbelastete Dienstherr den Nachweis erbringt, dass er vorab dafür gesorgt hat, dass der Beamte als Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, dies zu tun, und ihm, damit sichergestellt ist, dass der Urlaub ihm noch die Erholung und Entspannung bieten kann, zu denen er beitragen soll, klar und rechtzeitig mitteilt, dass der Urlaub, wenn er ihn nicht nimmt, am Ende des Bezugs- oder eines zulässigen Übertragungszeitraums oder am Ende des Beamtenverhältnisses, wenn dies in einen solchen Zeitraum fällt, verfallen wird. 41Vgl. EuGH, Urteile vom 6. November 2018 - C-619/16 (Kreuziger) -, juris, Rn. 52, und C-648/16 (Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften) -, juris, Rn. 45. 42In den Fällen, in denen eine solche Belehrung nicht erfolgt ist, liegen in der Regel die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes geforderten besonderen Umstände, die zum Entfallen des Urlaubsanspruchs in Fällen fortdauernder Dienst- bzw. Arbeitsunfähigkeit führen können, auch nach Ablauf der vorstehend dargestellten zulässigen Übertragungszeit von 15 Monaten nicht vor. 43Vgl. BAG, Beschluss vom 7. Juli 2020 - 9 AZR 401/19 -, juris, Rn. 17, sowie Urteile vom 19. Februar 2019 - 9 AZR 541/15 -, juris, Rn. 21 ff. und vom 19. Februar 2019 - 9 AZR 423/16 -, juris. 44Danach bestehen die Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten des Dienstherrn regelmäßig auch, wenn und solange der Beamte dienstunfähig ist. Sie können ihren Zweck grundsätzlich erfüllen, weil sich die Dauer der Erkrankung nicht von vornherein absehen lässt. Dem Dienstherrn ist es regelmäßig möglich, den dienstunfähigen Beamten entsprechend den gesetzlichen Vorgaben rechtzeitig und zutreffend über den Umfang und die Befristung des Urlaubsanspruchs unter Berücksichtigung des bei einer langandauernden Erkrankung geltenden Übertragungszeitraums zu unterrichten. Der Dienstherr ist in den Fällen einer Erkrankung in der Regel nicht gehindert, den Beamten rechtzeitig aufzufordern, den Urlaub bei Wiedergenesung vor Ablauf des Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraums zur Vermeidung des Verfalls so rechtzeitig zu beantragen, dass er innerhalb des laufenden Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraums gewährt und genommen werden kann, so dass der Beamte ab dem ersten Arbeitstag nach seiner Wiedergenesung Urlaub in Anspruch nehmen kann. 45Vgl. BAG, Beschluss vom 7. Juli 2020 - 9 AZR 401/19 -, juris, Rn. 21. 46Dem ist der Beklagte hier indes nicht nachgekommen. Nach Auffassung der Kammer ist dies jedoch in der vorliegenden Konstellation unschädlich. 47Ob dies bereits daran liegt, dass womöglich auch für Urlaubsansprüche aus dem Jahr – wie hier dem streitgegenständlichen Jahr 2017 –, in dem die Dienstunfähigkeit eingetreten ist und daher für einen Teilzeitraum (hier: Januar bis März 2017) Dienstfähigkeit bestand, ein Verfall ohne vorherigen Hinweis eintritt, kann die Kammer offenlassen. Diese Frage liegt im Zeitpunkt der Entscheidung auf Veranlassung des Bundesarbeitsgerichts dem Europäischen Gerichtshof zur Beantwortung vor. 48Vgl. bereits die Schlussanträge des Generalanwalts vom 17. März 2022 - C-518/20 und C-727/20; vgl. auch BAG, Beschluss vom 7. Juli 2020 - 9 AZR 401/19 -, juris. 49Denn die Unschädlichkeit des unterlassenen Verfallshinweises ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass es um den Erholungsurlaubsanspruch einer Lehrkraft geht. Nach Auffassung der Kammer bedarf es für den Verfall von Erholungsurlaubsansprüchen von verbeamteten Lehrkräften generell keines Hinweises des Dienstherrn. Dass sich dies bereits aus dem Runderlass des Ministeriums für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen vom 26. Oktober 2020 (Az. 213 - 1.21.03 - 106946) ergibt, spielt keine Rolle. Denn interne Weisungen, Richtlinien und sonstige Verwaltungsvorschriften entfalten mangels Außenwirkung für das Gericht keine Bindungswirkung. 50Vielmehr ergibt sich dieses Ergebnis vor dem Hintergrund der unionsrechtlichen Judikatur. Gerade bei richtlinienkonformen Verständnis der Regelung des § 19 Abs. 2 FrUrlV NRW entsprechend der zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes führt ein unterbliebener Hinweis des Dienstherrn bei einem Lehrer nicht dazu, dass der krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommene Mindesturlaub nicht nach Ablauf von 15 Monaten verfällt. 51Denn der mit der vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Hinweisobliegenheit verfolgte Zweck verfängt im Falle der Gewährung von Urlaubsansprüchen für Lehrer nicht und macht eine solche überflüssig. Sinn und Zweck der durch Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG bestehenden Obliegenheit des Dienstherrn, den Beamten erforderlichenfalls mittels entsprechender Aufforderungen und Hinweise in die Lage zu versetzen, den Urlaub wahrzunehmen, bestehen gerade in der Vermeidung einer Situation, in der die Aufgabe, für die tatsächliche Wahrnehmung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub zu sorgen, vollständig auf den Beamten verlagert würde, während der Dienstherr die Möglichkeit erhielte, sich unter Berufung auf den fehlenden Urlaubsantrag des Beamten seinen eigenen Pflichten zu entziehen. 52Vgl. EuGH, Urteil vom 6. November 2018 - C-684/16 (Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften) -, juris, Rn. 43. 53Der Arbeitnehmer bzw. Beamte als schwächere Partei des Arbeits- bzw. Dienstverhältnisses soll nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofes insoweit durch den Hinweis des Arbeitgebers bzw. Dienstherrn tatsächlich in die Lage versetzt werden, seinen Anspruch auf Erholungsurlaub wahrzunehmen. So soll gerade vermieden werden, dass der Anreiz geschaffen wird, auf den Erholungsurlaub zu verzichten oder dass der den Dienst Verrichtende zu einem entsprechenden Verzicht angehalten wird. 54Vgl. EuGH, Urteil vom 6. November 2018 - C-619/16 (Kreuziger) -, juris, Rn. 45 ff. 55Dieser Zweck kann aber bei Lehrern deshalb nicht zum Tragen kommen, weil ihr Erholungsurlaub nach § 20 Abs. 4 FrUrlV NRW mit den Schulferienzeiten abgegolten wird, eine andere Möglichkeit zum Erholungsurlaub mithin gar nicht besteht. Aufgrund dieser Besonderheit bedarf es auch keines Urlaubsantrags und keiner Bewilligung von Erholungsurlaub durch den Dienstherrn als Voraussetzung dafür, dass Urlaub in Anspruch genommen werden kann. Es wird insoweit unterstellt, dass ein Lehrer in den Schulferien seinen Erholungsurlaub auch tatsächlich realisiert. 56Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3. April 2017 - 6 A 1084/15 -, juris, Rn. 9. 57Eine Lehrkraft wird infolgedessen durch die Schulferien automatisch tatsächlich in die Lage versetzt, ihren Anspruch auf Erholungsurlaub wahrzunehmen. Ein zusätzlicher Hinweis durch den Dienstherrn ist von daher zwecklos und unnütz. 58Eine Lehrkraft ist daher auch trotz ihrer im Vergleich zum Dienstherrn schwächeren Stellung im Dienstverhältnis nicht schutzwürdig. Denn der befürchtete Anreiz zum Verzicht auf Erholungsurlaub bleibt angesichts der beschriebenen Erholungsurlaubsregelung für Lehrkräfte in § 20 Abs. 4 FrUrlV NRW von vorneherein ausgeschlossen. Es ist auch jeder Lehrkraft bereits bei Tätigkeitsaufnahme bewusst, dass Erholungsurlaub ausschließlich in den Schulferien möglich ist und über diese abgegolten wird. Einen Grund, die Lehrkraft im Hinblick auf die Realisierung ihres Erholungsurlaubes zu schützen, gibt es daher nicht. 59Im Übrigen wäre es einer Lehrkraft wegen § 20 Abs. 4 FrUrlV NRW auch im Falle der Erteilung eines entsprechenden Hinweises nicht möglich, ihren Urlaub in eine andere Zeit als die unterrichtsfreie Ferienzeit zu legen. Im vorliegenden Falle hätte die Klägerin die ihr noch zustehenden Resturlaubsansprüche aus dem Jahr 2017 nicht in Zeiten außerhalb der Schulferien beanspruchen können. Der Hinweis auf den Verfall hätte es der Klägerin vorliegend somit nicht ermöglicht, den ihr noch zustehenden Urlaub tatsächlich zu nehmen und zu verhindern, dass sie ihn nicht rechtzeitig geltend macht. 60Vgl. BAG, Beschluss vom 7. Juli 2020 - 9 AZR 401/19 -, juris, Rn. 24. 61Angesichts dessen liegt nicht nur nahe, dass die Klägerin im Jahr 2017 teilweise Erholungsurlaub hatte, da es in diesem Jahr jedenfalls vom 2. bis 6. Januar (Weihnachtsferien) und am 27. Februar 2017 (Rosenmontag) schulfreie Zeiten gab, in denen die Klägerin wohl noch nicht dienstunfähig gewesen ist. Unabhängig davon aber ist der Verlust des (Rest-)Urlaubsanspruchs der Klägerin aus dem Jahr 2017 wegen der Regelung in § 20 Abs. 4 FrUrlV NRW nicht dem unterbliebenen Hinweis ihres Dienstherrn auf einen möglichen Verfall, sondern allein dem Umstand geschuldet, dass die Klägerin den ihr von vornherein zustehenden und festgelegten Zeitraum für die Inanspruchnahme des Erholungsurlaubs krankheitsbedingt nicht für die Realisierung des Erholungsurlaubs nutzen konnte. Denn die Klägerin war auch in den Ferienzeiten der Folgejahre bis zum Ende des bis zum 31. März 2019 laufenden Übertragungszeitraums dienstunfähig erkrankt. Kausal für den Verfall des Urlaubsanspruchs der Klägerin aus dem Jahr 2017 war somit kein Handeln oder Unterlassen des Beklagten, sondern allein ihre Dienstunfähigkeit in den für die Inanspruchnahme des Urlaubs vorgesehenen Ferienzeiten. Es liegt also eine Situation vor, die durch die dem Dienstherrn auferlegte Hinweispflicht nicht verhindert werden kann. 62Die Regelung des § 20 Abs. 4 FrUrlV NRW ist dabei auch unter Berücksichtigung von Art. 7 RL 2003/88/EG nicht zu beanstanden. Zwar führt der Umstand, dass einer Lehrkraft die Zeiten, in denen sie Urlaub zu nehmen hat, vorgegeben werden, dazu, dass sie – sofern sie in der unterrichtsfreien Zeit etwa krankheitsbedingt keinen Urlaub nehmen konnte – auch in krankheitsfreien Zeiten, in denen jedoch eine Unterrichtspflicht besteht, keinen Urlaub nehmen kann. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Dienstherr vorliegend die Klägerin als Lehrerin daran gehindert hat, ihren Anspruch auf bezahlten Urlaub auszuüben, 63vgl. EuGH, Urteil vom 29. November 2017 - C-214/16 -, juris, Rn. 39, 63. 64Denn auch insoweit liegen besondere Umstände vor, die ein Ansammeln der Urlaubsansprüche über Jahre hinweg ausschließen. 65Vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2011 - C-214/10 (KHS) -, juris, Rn. 28. 66Die Regelung des § 20 Abs. 4 FrUrlV NRW ist sachlich gerechtfertigt und mit Blick auf die Gesamtumstände nicht geeignet, die Lehrkraft davon abzuhalten, ihren Urlaub zu nehmen. Sie stellen sich als besondere Umstände dar, die eine Einschränkung in richtlinienkonformer Weise zulassen. Denn der Dienstherr ist verpflichtet, die Durchführung von Unterricht für die Schüler außerhalb der Ferienzeiten sicherzustellen. Würde in diesen Zeiten für Lehrkräfte die Möglichkeit bestehen, ihren Jahresurlaub zusätzlich zu den Ferienzeiten zu nehmen, beispielsweise, weil in den Ferienzeiten Dienstunfähigkeit bestanden hat, bestünde die Gefahr, dass der Unterricht für die Schüler nicht mehr gewährleistet wäre. Auch für diesen trifft den Dienstherrn jedoch eine Verpflichtung. Denn Art. 8 Abs. 1 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalen (LV NRW) sieht vor, dass jedes Kind Anspruch auf Erziehung und Bildung hat. Die staatliche Gemeinschaft hat Sorge zu tragen, dass das Schulwesen den kulturellen und sozialen Bedürfnissen des Landes entspricht. Nach Art. 8 Abs. 3 LV NRW haben Land und Gemeinden die Pflicht, Schulen zu errichten und zu fördern. Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Landes. Daraus folgt, dass es im Rahmen der Gewährleistung der Unterrichtsverpflichtung durch den Dienstherrn möglich sein muss, dass dieser für die zum Unterricht verpflichteten Lehrkräfte Regelungen vorsieht, dass Urlaub nur in den Ferienzeiten zu nehmen ist. Zudem ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass der Dienstherr der Lehrkraft einen weit über den ihm zustehenden Urlaubsanspruch hinausgehenden Zeitraum zur Verfügung stellt, innerhalb dessen sie den ihr zustehenden Urlaub grundsätzlich realisieren kann, sofern nicht vom Dienstherrn etwas anderes angeordnet wird. Die Regelung entspricht im Grundsatz der Regelung in § 7 Abs. 1 des Bundesurlaubsgesetzes (BurlG), wonach die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind, es sei denn, dass ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. Dann aber kann von einer unangemessenen Beschränkung der individuellen Urlaubswünsche der Lehrkraft – hier der Klägerin – nicht gesprochen werden. 67Vgl. LAG Düsseldorf, Urteil vom 28. November 2013 - 5 Sa 980/13 -, juris, Rn. 76. 682. 69Auch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG steht der Klägerin ein Anspruch auf finanzielle Abgeltung ihres restlichen Erholungsurlaubs für das Jahr 2017 nicht zu. 70Aus dieser Vorschrift ergibt sich über das nationale Recht hinaus unmittelbar ein Abgeltungsanspruch, wenn der Arbeitnehmer bzw. Beamte nicht die Möglichkeit hatte, den ihm zustehenden Mindesturlaub in Anspruch zu nehmen. 71Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3. April 2017 - 6 A 1084/15 -, juris, Rn. 16. 72Im Streitfall gewährt Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG jedoch keine über die nationalen Bestimmungen hinausgehenden Ansprüche, da dessen Voraussetzungen in den entscheidungserheblichen Punkten identisch sind. 73Die Frage, ob Hinweisobliegenheiten über den Verfall von Urlaubsansprüchen für Beamte im Falle der Geltendmachung von Ansprüchen für Zeiten durchgängiger Erkrankungen entgegen der vorstehenden Rechtsansicht unmittelbar aus der Richtlinie herzuleiten sind, ist zu verneinen, da sich die Beantwortung dieser Frage bereits im Rahmen der nationalstaatlichen Regelung an Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes orientiert. 74Dies zugrunde gelegt kann die Klägerin aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG im Streitfalle keine weitergehenden Rechte ableiten, als aus § 19a FrUrlV NRW. Zur weiteren Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die unter 1. erfolgten Ausführungen verwiesen. 75Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit basiert auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO). 76Die Berufung ist nach § 124a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, da die Rechtssache im Hinblick auf die Ablehnung einer Hinweisobliegenheit des Dienstherrn auf den Verfall von Erholungsurlaubsansprüchen bei Lehrkräften grundsätzliche Bedeutung hat. 77Rechtsmittelbelehrung: 78Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster zu. 79Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, einzulegen und muss das angefochtene Urteil bezeichnen. 80Die Berufung ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Die Begründung ist, wenn sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich einzureichen. 81Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 82Im Berufungsverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Berufung. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO. 83Rechtsmittelbelehrung: 84Gegen diesen Beschluss findet Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt. 85Die Beschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Über die Beschwerde entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, falls das beschließende Gericht ihr nicht abhilft. 86Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
die klage wird abgewiesen. die klägerin trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. die klägerin kann die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht der beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. die berufung wird zugelassen. 1
2die beteiligten streiten um die finanzielle abgeltung nicht genommenen erholungsurlaubs aus dem jahr 2017. 3die klägerin, die zuletzt ihren dienst als verbeamtete lehrerin beim beklagten verrichtete, wurde mit ablauf des 31. juli 2019 wegen dienstunfähigkeit in den vorzeitigen ruhestand versetzt. 4sie ist seit dem jahr 2010 anerkannt schwerbehindert. vom 9. märz 2017 bis zur versetzung in den ruhestand war sie dienstunfähig erkrankt. 5mit anwaltlichem schreiben vom 4. juni 2020 beantragte die klägerin beim beklagten die finanzielle abgeltung nicht genommener urlaubstage. mit bescheid vom 6. oktober 2020 setzte die bezirksregierung b. die finanzielle abgeltung von krankheitsbedingt nicht in anspruch genommenem erholungsurlaub auf insgesamt 27,59 urlaubstage fest. zur begründung führte sie aus, die klägerin habe aufgrund ihrer schwerbehinderung jedes jahr einen abgeltungsfähigen urlaubsanspruch in höhe von 25 tagen gehabt. für das jahr 2018 seien 13 tage abzugelten, nachdem sie in diesem jahr zwölf tage urlaub genommen habe. für das jahr 2019 habe sie anspruch auf finanzielle abgeltung von 14,59 tagen. zwar habe sie in diesem jahr keinen urlaub genommen, sei aber zum 1. august 2019 in den ruhestand versetzt worden, so dass ihr urlaubsanspruch anteilig zu berechnen sei. der bescheid wurde den prozessbevollmächtigten der klägerin am 10. oktober 2020 zugestellt. 6mit e-mail an die bezirksregierung b. vom 27. oktober 2020 führte die klägerin aus, sie habe über die gewährte abgeltung hinaus einen anspruch auf finanzielle abgeltung des aus dem jahr 2017 stammenden urlaubsanspruches. ein verfall dieses anspruches sei auf grundlage der rechtsprechung des europäischen gerichtshofes nicht eingetreten. mit e-mail vom 30. oktober 2020 teilte die bezirksregierung b. der klägerin mit, die von ihr in bezug genommene judikatur sei auf lehrkräfte nicht anwendbar, wie auch der runderlass des ministeriums für schule und bildung des landes nordrhein-westfalen vom 26. oktober 2020 (az. 213 - 1.21.03 - 106946) ausdrücklich besage. 7die klägerin hat am 10. november 2020 klage erhoben. zur begründung führt sie aus, die im bescheid vom 6. oktober 2020 erfolgte konkludente festsetzung des für das jahr 2017 abzugeltenden urlaubsanspruches auf null sei rechtswidrig. der urlaubsanspruch sei nicht verfallen, weil ihr dienstherr sie auf den konkreten verfall nicht hingewiesen habe. nach der rechtsprechung des europäischen gerichtshofes sei dies aber voraussetzung für den verfall nicht genommenen urlaubs. 8die klägerin beantragt – schriftsätzlich –, 9den beklagten unter teilweiser aufhebung des bescheides der bezirksregierung b. vom 6. oktober 2020 zu verpflichten, ihr weiteren erholungsurlaub im umfang von 25 arbeitstagen für das urlaubsjahr 2017 finanziell abzugelten und den nachzahlungsbetrag mit fünf prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz seit rechtshängigkeit zu verzinsen. 10der beklagte beantragt – schriftsätzlich –, 11die klage abzuweisen. 12zur begründung wiederholt er im wesentlichen seine im verwaltungsverfahren vorgebrachten argumente. ergänzend führt er aus, einer hinweispflicht bedürfe es nicht nur deshalb nicht, weil die klägerin lehrerin sei, sondern auch deshalb, weil die klägerin langandauernd dienstunfähig gewesen sei, eine hinweispflicht mithin ins leere gehe. 13die beteiligten haben mit schriftsätzen vom 8. märz 2022 und vom 23. februar 2022 auf die durchführung einer mündlichen verhandlung verzichtet. 14wegen der weiteren einzelheiten zum sach- und streitstand wird auf die gerichtsakte sowie die beigezogenen verwaltungsvorgänge verwiesen. 15
16über die sache entscheidet die kammer ohne mündliche verhandlung, nachdem sich die beteiligten hiermit wirksam einverstanden erklärt haben (vgl. § 101 abs. 2 der verwaltungsgerichtsordnung – vwgo). 17die zulässige klage hat in der sache keinen erfolg. die mit bescheid der bezirksregierung b. vom 6. oktober 2020 erfolgte ablehnung der finanziellen abgeltung der urlaubstage für das jahr 2017 ist nicht rechtswidrig und verletzt die klägerin nicht in ihren rechten (vgl. § 113 abs. 5 satz 1 der verwaltungsgerichtsordnung – vwgo). der klägerin steht weder aus nationalem (1.) noch aus europäischem recht (2.) ein anspruch auf finanzielle abgeltung ihres restlichen erholungsurlaubsanspruchs in der geltend gemachten höhe von 25 tagen für das urlaubsjahr 2017 zu. 181. 19ein solcher anspruch ergibt sich nicht aus § 19a abs. 1 satz 1 der verordnung über die freistellung wegen mutterschutz für beamtinnen und richterinnen, eltern- und pflegezeit, erholungs- und sonderurlaub der beamtinnen und beamten und richterinnen und richter im land nordrhein-westfalen (frurlv nrw). 20nach dieser vorschrift ist erholungsurlaub bis zu einer dauer von 20 arbeitstagen im urlaubsjahr (mindesturlaub), der zum zeitpunkt der beendigung des beamtenverhältnisses krankheitsbedingt ganz oder teilweise nicht in anspruch genommen und zu diesem zeitpunkt nach § 19 absatz 2 frurlv nrw nicht verfallen ist, von amts wegen finanziell abzugelten. gleiches gilt für nicht beanspruchten zusatzurlaub nach § 208 absatz 1 satz 1 des neunten buches sozialgesetzbuch (sgb ix). 21die voraussetzungen der norm liegen nicht vor. die klägerin war zwar seit dem 9. märz 2017 bis zu ihrer versetzung in den ruhestand mit ablauf des 31. juli 2019 dienstunfähig erkrankt. sie konnte daher den ihr für das jahr 2017 zustehenden mindesturlaub von 20 tagen zuzüglich des ihr aufgrund ihrer schwerbehinderung nach § 208 sgb ix zustehenden sonderurlaubs von fünf tagen krankheitsbedingt nicht voll in anspruch nehmen. 22der der klägerin für das jahr 2017 zustehende krankheitsbedingt nicht in anspruch genommene mindest- und sonderurlaub ist jedoch am 31. märz 2019 gemäß § 19 abs. 2 frurlv nrw verfallen. danach verfällt urlaub, der nicht innerhalb von 15 monaten nach dem ende des urlaubsjahres in anspruch genommen worden ist und nicht nach § 20a frurlv nrw angespart wird. mit dem verfall des urlaubsanspruchs ist nach § 19a abs. 1 satz 1 frurlv nrw auch die entstehung des entsprechenden urlaubsabgeltungsanspruchs bei beendigung des beamtenverhältnisses – hier mit ablauf des 31. juli 2019 – ausgeschlossen. 23vgl. bverwg, urteil vom 31. januar 2013 - 2 c 10.12 -, juris, rn. 20 ff. 24a) die regelung des § 19 abs. 2 frurlv nrw verstößt zunächst nicht gegen europäisches recht. insbesondere ist sie mit art. 7 abs. 1 der richtlinie 2003/88/eg des europäischen parlaments und des rates vom 4. november 2003 über bestimmte aspekte der arbeitszeitgestaltung (rl 2003/88/eg), wonach die mitgliedsstaaten die erforderlichen maßnahmen zu treffen haben, damit jeder arbeitnehmer einen bezahlten mindesturlaub erhält, vereinbar. 25vgl. eugh, urteil vom 22. november 2011 - c-214/10 (khs) -, juris, rn. 23 ff, 44; bverwg, urteile vom 25. januar 2018 - 2 b 32.17 -, juris, rn. 14, und vom 31. januar 2013 - 2 c 1.12 -, juris, rn. 21; bag, beschluss vom 7. juli 2020 - 9 azr 401/19 -, juris, rn. 38 f. 26diese vorschrift ist auch auf beamte anwendbar. 27vgl. bverwg, urteil vom 31. januar 2013 - 2 c 10.12 -, juris, rn. 9 ff. mit weiteren nachweisen. 28nach der rechtsprechung des europäischen gerichtshofes ist ein erlöschen des anspruchs auf bezahlten jahresurlaub wegen art. 7 rl 2003/88/eg grundsätzlich unzulässig, wenn es dem arbeitnehmer nicht möglich war, den urlaub zu nehmen. eine ausnahme hiervon ist nach dem europäischen gerichtshof nur zulässig, wenn besondere umstände vorliegen, die den verfall des urlaubsanspruches trotz fehlender möglichkeit der inanspruchnahme zustehenden erholungsurlaubes rechtfertigen. derartige besondere umstände werden vom europäischen gerichtshof in diesem zusammenhang zunächst insbesondere dann angenommen, wenn der jeweilige arbeitnehmer den ihm zustehenden urlaubsanspruch krankheitsbedingt – wie hier – über einen mehrere bezugszeiträume umfassenden zeitraum nicht realisieren kann. 29vgl. eugh, urteil vom 22. november 2011 - c-214/10 (khs) -, juris, rn. 28 ff. 30denn in diesen fällen besteht anderenfalls die möglichkeit, dass ein arbeitnehmer – beziehungsweise wie hier ein beamter –, der während mehrerer bezugszeiträume in folge arbeitsunfähig beziehungsweise hier dienstunfähig ist und deshalb den ihm zustehenden urlaub nicht nehmen konnte, berechtigt wäre, unbegrenzt alle während des zeitraums seiner abwesenheit vom dienst erworbenen ansprüche auf bezahlten jahresurlaub anzusammeln. ein solches recht auf derartiges unbegrenztes ansammeln von ansprüchen, die während der dienstunfähigkeit erworben wurden, entspricht jedoch nicht mehr dem zweck des anspruchs auf bezahlten jahresurlaub. sinn und zweck des mindesturlaubs besteht darin, dem beamten zu ermöglichen, sich zum einen von der ausübung der ihm obliegenden aufgaben zu erholen und zum anderen über einen bestimmten zeitraum für entspannung und freizeit zu verfügen. den zweck als erholungszeit kann der urlaub jedoch nur dann noch ausreichend gewährleisten, wenn der übertrag eine gewisse zeitliche grenze nicht überschreitet. über eine solche grenze hinaus fehlt dem jahresurlaub nämlich seine positive wirkung für den arbeitnehmer als erholungszeit; erhalten bleibt ihm lediglich seine eigenschaft als zeitraum für entspannung und freizeit. der europäische gerichtshof hat daher bereits entschieden, dass eine regelung wie § 19 abs. 2 frurlv nrw, die einen übertragungszeitraum von 15 monaten in fällen krankheitsbedingter nichtinanspruchnahme festlegt, der regelung des art. 7 abs. 1 rl 2003/88/eg nicht entgegensteht. 31vgl. eugh, urteil vom 22. november 2011 - c-214/10 (khs) -, juris, rn. 30 ff. 32b) dem danach in fällen krankheitsbedingter nichtinanspruchnahme ausnahmsweise zulässigen verfall des von der klägerin im jahr 2017 nicht in anspruch genommenen urlaubsanspruchs steht weiter nicht die regelung des § 19 abs. 6 frurlv nrw in der ab dem 22. oktober 2020 geltenden fassung entgegen. 33danach teilt der dienstherr dem beamten zu beginn eines jeden kalenderjahres den vorhandenen urlaubsanspruch nach der freistellungs- und urlaubsverordnung in textform mit und fordert ihn zur rechtzeitigen beantragung und inanspruchnahme des urlaubs auf, und belehrt ihn für den fall der nichtinanspruchnahme über den ersatzlosen verfall nach § 19 abs. 2 frurlv nrw. wird die mitteilungspflicht nicht oder unvollständig erfüllt, tritt nicht beanspruchter mindesturlaub nach § 19a abs. 1 satz 1 frurlv nrw entsprechend dieser rechtsprechung am ende des übertragungszeitraums nach absatz 2 satz 1 zu dem im folgejahr entstandenen urlaubsanspruch hinzu beziehungsweise wird zum zeitpunkt der beendigung des beamtenverhältnisses entsprechend dem verfahren nach § 19a finanziell abgegolten. die sätze 1 bis 3 gelten entsprechend für den zusatzurlaubsanspruch nach § 208 abs. 1 satz 1 sgb ix (§ 19a abs. 6 satz 4 frurlv nrw). 34zwar ist diese vorschrift ohnehin auf den vorliegenden fall bereits nicht anwendbar. denn die regelung ist erst zum 22. oktober 2020 in kraft getreten und damit nach dem hier maßgeblichen zeitpunkt des entstehens eines möglichen abgeltungsanspruchs mit versetzung der klägerin in den ruhestand mit ablauf des 31. juli 2019. allerdings stellt sie die umsetzung einer rechtsprechung des europäischen gerichtshofes dar, die unabhängig von der nationalen regelungssituation gilt und damit bei richtlinienkonformer auslegung des § 19 abs. 2 frurlv nrw auch uneingeschränkt in gestalt einer unionsrechtskonformen anwendung bei früheren rechtslagen – und somit auch im vorliegenden fall – zu berücksichtigen ist. 35vgl. zu dieser rechtsprechung eugh, urteile vom 6. november 2018 - c-619/16 (kreuziger) -, juris, rn. 24 ff., 52; und c-684/16 (max-planck-gesellschaft zur förderung der wissenschaften) -, juris, rn. 18 ff., 45. 36nach dieser judikatur liegt ein fall der fehlenden möglichkeit der tatsächlichen inanspruchnahme des urlaubs durch den arbeitnehmer bzw. beamten und damit des zulässigen ausschlusses des verfalles von erholungsurlaubsansprüchen jenseits der langfristigen erkrankung auch dann vor, wenn die dienstvorgesetzte stelle den beamten nicht tatsächlich in die lage versetzt hat, den urlaub zu nehmen. 37vgl. zu dieser rechtsprechung eugh, urteil vom 6. november 2018 - c-619/16 (kreuziger) -, juris, rn. 42 ff, 45. 38der dienstherr hat konkret und in völliger transparenz dafür zu sorgen, dass der beamte den ihm zustehenden urlaub wahrnimmt. hierzu hat er ihn erforderlichenfalls förmlich aufzufordern und ihm klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der urlaub andernfalls am ende des bezugs- oder eines zulässigen übertragungszeitraums verfällt. 39hat der dienstherr dies getan, war der beamte folglich auch in der lage, seinen erholungsurlaub in anspruch zu nehmen, jedenfalls soweit keine anderen gründe für die nichtinanspruchnahme vorliegen. der nicht realisierte urlaubsanspruch verfällt dann insoweit. hat der dienstherr indes keinen hinreichenden hinweis erteilt, war der betroffene arbeitnehmer bzw. beamte nach der rechtsprechung des europäischen gerichtshofes auch nicht in der lage, seinen erholungsurlaubsanspruch zu realisieren. ein verfall ist insoweit ausgeschlossen, zumal der europäische gerichtshof dann keine besonderen, einen verfall rechtfertigende umstände erkennt. 40von daher ist § 19 abs. 2 frurlv nrw in den fällen wie hier, in denen § 19 abs. 6 frurlv nrw noch keine anwendung findet, grundsätzlich richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass dieser nur dann wirkung entfaltet, wenn der insoweit beweisbelastete dienstherr den nachweis erbringt, dass er vorab dafür gesorgt hat, dass der beamte als arbeitnehmer tatsächlich in der lage ist, seinen bezahlten jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, dies zu tun, und ihm, damit sichergestellt ist, dass der urlaub ihm noch die erholung und entspannung bieten kann, zu denen er beitragen soll, klar und rechtzeitig mitteilt, dass der urlaub, wenn er ihn nicht nimmt, am ende des bezugs- oder eines zulässigen übertragungszeitraums oder am ende des beamtenverhältnisses, wenn dies in einen solchen zeitraum fällt, verfallen wird. 41vgl. eugh, urteile vom 6. november 2018 - c-619/16 (kreuziger) -, juris, rn. 52, und c-648/16 (max-planck-gesellschaft zur förderung der wissenschaften) -, juris, rn. 45. 42in den fällen, in denen eine solche belehrung nicht erfolgt ist, liegen in der regel die nach der rechtsprechung des europäischen gerichtshofes geforderten besonderen umstände, die zum entfallen des urlaubsanspruchs in fällen fortdauernder dienst- bzw. arbeitsunfähigkeit führen können, auch nach ablauf der vorstehend dargestellten zulässigen übertragungszeit von 15 monaten nicht vor. 43vgl. bag, beschluss vom 7. juli 2020 - 9 azr 401/19 -, juris, rn. 17, sowie urteile vom 19. februar 2019 - 9 azr 541/15 -, juris, rn. 21 ff. und vom 19. februar 2019 - 9 azr 423/16 -, juris. 44danach bestehen die aufforderungs- und hinweisobliegenheiten des dienstherrn regelmäßig auch, wenn und solange der beamte dienstunfähig ist. sie können ihren zweck grundsätzlich erfüllen, weil sich die dauer der erkrankung nicht von vornherein absehen lässt. dem dienstherrn ist es regelmäßig möglich, den dienstunfähigen beamten entsprechend den gesetzlichen vorgaben rechtzeitig und zutreffend über den umfang und die befristung des urlaubsanspruchs unter berücksichtigung des bei einer langandauernden erkrankung geltenden übertragungszeitraums zu unterrichten. der dienstherr ist in den fällen einer erkrankung in der regel nicht gehindert, den beamten rechtzeitig aufzufordern, den urlaub bei wiedergenesung vor ablauf des urlaubsjahres oder des übertragungszeitraums zur vermeidung des verfalls so rechtzeitig zu beantragen, dass er innerhalb des laufenden urlaubsjahres oder des übertragungszeitraums gewährt und genommen werden kann, so dass der beamte ab dem ersten arbeitstag nach seiner wiedergenesung urlaub in anspruch nehmen kann. 45vgl. bag, beschluss vom 7. juli 2020 - 9 azr 401/19 -, juris, rn. 21. 46dem ist der beklagte hier indes nicht nachgekommen. nach auffassung der kammer ist dies jedoch in der vorliegenden konstellation unschädlich. 47ob dies bereits daran liegt, dass womöglich auch für urlaubsansprüche aus dem jahr – wie hier dem streitgegenständlichen jahr 2017 –, in dem die dienstunfähigkeit eingetreten ist und daher für einen teilzeitraum (hier: januar bis märz 2017) dienstfähigkeit bestand, ein verfall ohne vorherigen hinweis eintritt, kann die kammer offenlassen. diese frage liegt im zeitpunkt der entscheidung auf veranlassung des bundesarbeitsgerichts dem europäischen gerichtshof zur beantwortung vor. 48vgl. bereits die schlussanträge des generalanwalts vom 17. märz 2022 - c-518/20 und c-727/20; vgl. auch bag, beschluss vom 7. juli 2020 - 9 azr 401/19 -, juris. 49denn die unschädlichkeit des unterlassenen verfallshinweises ergibt sich bereits aus dem umstand, dass es um den erholungsurlaubsanspruch einer lehrkraft geht. nach auffassung der kammer bedarf es für den verfall von erholungsurlaubsansprüchen von verbeamteten lehrkräften generell keines hinweises des dienstherrn. dass sich dies bereits aus dem runderlass des ministeriums für schule und bildung des landes nordrhein-westfalen vom 26. oktober 2020 (az. 213 - 1.21.03 - 106946) ergibt, spielt keine rolle. denn interne weisungen, richtlinien und sonstige verwaltungsvorschriften entfalten mangels außenwirkung für das gericht keine bindungswirkung. 50vielmehr ergibt sich dieses ergebnis vor dem hintergrund der unionsrechtlichen judikatur. gerade bei richtlinienkonformen verständnis der regelung des § 19 abs. 2 frurlv nrw entsprechend der zitierten rechtsprechung des europäischen gerichtshofes führt ein unterbliebener hinweis des dienstherrn bei einem lehrer nicht dazu, dass der krankheitsbedingt nicht in anspruch genommene mindesturlaub nicht nach ablauf von 15 monaten verfällt. 51denn der mit der vom europäischen gerichtshof entwickelten hinweisobliegenheit verfolgte zweck verfängt im falle der gewährung von urlaubsansprüchen für lehrer nicht und macht eine solche überflüssig. sinn und zweck der durch art. 7 der richtlinie 2003/88/eg bestehenden obliegenheit des dienstherrn, den beamten erforderlichenfalls mittels entsprechender aufforderungen und hinweise in die lage zu versetzen, den urlaub wahrzunehmen, bestehen gerade in der vermeidung einer situation, in der die aufgabe, für die tatsächliche wahrnehmung des anspruchs auf bezahlten jahresurlaub zu sorgen, vollständig auf den beamten verlagert würde, während der dienstherr die möglichkeit erhielte, sich unter berufung auf den fehlenden urlaubsantrag des beamten seinen eigenen pflichten zu entziehen. 52vgl. eugh, urteil vom 6. november 2018 - c-684/16 (max-planck-gesellschaft zur förderung der wissenschaften) -, juris, rn. 43. 53der arbeitnehmer bzw. beamte als schwächere partei des arbeits- bzw. dienstverhältnisses soll nach auffassung des europäischen gerichtshofes insoweit durch den hinweis des arbeitgebers bzw. dienstherrn tatsächlich in die lage versetzt werden, seinen anspruch auf erholungsurlaub wahrzunehmen. so soll gerade vermieden werden, dass der anreiz geschaffen wird, auf den erholungsurlaub zu verzichten oder dass der den dienst verrichtende zu einem entsprechenden verzicht angehalten wird. 54vgl. eugh, urteil vom 6. november 2018 - c-619/16 (kreuziger) -, juris, rn. 45 ff. 55dieser zweck kann aber bei lehrern deshalb nicht zum tragen kommen, weil ihr erholungsurlaub nach § 20 abs. 4 frurlv nrw mit den schulferienzeiten abgegolten wird, eine andere möglichkeit zum erholungsurlaub mithin gar nicht besteht. aufgrund dieser besonderheit bedarf es auch keines urlaubsantrags und keiner bewilligung von erholungsurlaub durch den dienstherrn als voraussetzung dafür, dass urlaub in anspruch genommen werden kann. es wird insoweit unterstellt, dass ein lehrer in den schulferien seinen erholungsurlaub auch tatsächlich realisiert. 56vgl. ovg nrw, beschluss vom 3. april 2017 - 6 a 1084/15 -, juris, rn. 9. 57eine lehrkraft wird infolgedessen durch die schulferien automatisch tatsächlich in die lage versetzt, ihren anspruch auf erholungsurlaub wahrzunehmen. ein zusätzlicher hinweis durch den dienstherrn ist von daher zwecklos und unnütz. 58eine lehrkraft ist daher auch trotz ihrer im vergleich zum dienstherrn schwächeren stellung im dienstverhältnis nicht schutzwürdig. denn der befürchtete anreiz zum verzicht auf erholungsurlaub bleibt angesichts der beschriebenen erholungsurlaubsregelung für lehrkräfte in § 20 abs. 4 frurlv nrw von vorneherein ausgeschlossen. es ist auch jeder lehrkraft bereits bei tätigkeitsaufnahme bewusst, dass erholungsurlaub ausschließlich in den schulferien möglich ist und über diese abgegolten wird. einen grund, die lehrkraft im hinblick auf die realisierung ihres erholungsurlaubes zu schützen, gibt es daher nicht. 59im übrigen wäre es einer lehrkraft wegen § 20 abs. 4 frurlv nrw auch im falle der erteilung eines entsprechenden hinweises nicht möglich, ihren urlaub in eine andere zeit als die unterrichtsfreie ferienzeit zu legen. im vorliegenden falle hätte die klägerin die ihr noch zustehenden resturlaubsansprüche aus dem jahr 2017 nicht in zeiten außerhalb der schulferien beanspruchen können. der hinweis auf den verfall hätte es der klägerin vorliegend somit nicht ermöglicht, den ihr noch zustehenden urlaub tatsächlich zu nehmen und zu verhindern, dass sie ihn nicht rechtzeitig geltend macht. 60vgl. bag, beschluss vom 7. juli 2020 - 9 azr 401/19 -, juris, rn. 24. 61angesichts dessen liegt nicht nur nahe, dass die klägerin im jahr 2017 teilweise erholungsurlaub hatte, da es in diesem jahr jedenfalls vom 2. bis 6. januar (weihnachtsferien) und am 27. februar 2017 (rosenmontag) schulfreie zeiten gab, in denen die klägerin wohl noch nicht dienstunfähig gewesen ist. unabhängig davon aber ist der verlust des (rest-)urlaubsanspruchs der klägerin aus dem jahr 2017 wegen der regelung in § 20 abs. 4 frurlv nrw nicht dem unterbliebenen hinweis ihres dienstherrn auf einen möglichen verfall, sondern allein dem umstand geschuldet, dass die klägerin den ihr von vornherein zustehenden und festgelegten zeitraum für die inanspruchnahme des erholungsurlaubs krankheitsbedingt nicht für die realisierung des erholungsurlaubs nutzen konnte. denn die klägerin war auch in den ferienzeiten der folgejahre bis zum ende des bis zum 31. märz 2019 laufenden übertragungszeitraums dienstunfähig erkrankt. kausal für den verfall des urlaubsanspruchs der klägerin aus dem jahr 2017 war somit kein handeln oder unterlassen des beklagten, sondern allein ihre dienstunfähigkeit in den für die inanspruchnahme des urlaubs vorgesehenen ferienzeiten. es liegt also eine situation vor, die durch die dem dienstherrn auferlegte hinweispflicht nicht verhindert werden kann. 62die regelung des § 20 abs. 4 frurlv nrw ist dabei auch unter berücksichtigung von art. 7 rl 2003/88/eg nicht zu beanstanden. zwar führt der umstand, dass einer lehrkraft die zeiten, in denen sie urlaub zu nehmen hat, vorgegeben werden, dazu, dass sie – sofern sie in der unterrichtsfreien zeit etwa krankheitsbedingt keinen urlaub nehmen konnte – auch in krankheitsfreien zeiten, in denen jedoch eine unterrichtspflicht besteht, keinen urlaub nehmen kann. dies bedeutet jedoch nicht, dass der dienstherr vorliegend die klägerin als lehrerin daran gehindert hat, ihren anspruch auf bezahlten urlaub auszuüben, 63vgl. eugh, urteil vom 29. november 2017 - c-214/16 -, juris, rn. 39, 63. 64denn auch insoweit liegen besondere umstände vor, die ein ansammeln der urlaubsansprüche über jahre hinweg ausschließen. 65vgl. eugh, urteil vom 22. november 2011 - c-214/10 (khs) -, juris, rn. 28. 66die regelung des § 20 abs. 4 frurlv nrw ist sachlich gerechtfertigt und mit blick auf die gesamtumstände nicht geeignet, die lehrkraft davon abzuhalten, ihren urlaub zu nehmen. sie stellen sich als besondere umstände dar, die eine einschränkung in richtlinienkonformer weise zulassen. denn der dienstherr ist verpflichtet, die durchführung von unterricht für die schüler außerhalb der ferienzeiten sicherzustellen. würde in diesen zeiten für lehrkräfte die möglichkeit bestehen, ihren jahresurlaub zusätzlich zu den ferienzeiten zu nehmen, beispielsweise, weil in den ferienzeiten dienstunfähigkeit bestanden hat, bestünde die gefahr, dass der unterricht für die schüler nicht mehr gewährleistet wäre. auch für diesen trifft den dienstherrn jedoch eine verpflichtung. denn art. 8 abs. 1 der landesverfassung nordrhein-westfalen (lv nrw) sieht vor, dass jedes kind anspruch auf erziehung und bildung hat. die staatliche gemeinschaft hat sorge zu tragen, dass das schulwesen den kulturellen und sozialen bedürfnissen des landes entspricht. nach art. 8 abs. 3 lv nrw haben land und gemeinden die pflicht, schulen zu errichten und zu fördern. das gesamte schulwesen steht unter der aufsicht des landes. daraus folgt, dass es im rahmen der gewährleistung der unterrichtsverpflichtung durch den dienstherrn möglich sein muss, dass dieser für die zum unterricht verpflichteten lehrkräfte regelungen vorsieht, dass urlaub nur in den ferienzeiten zu nehmen ist. zudem ist in diesem zusammenhang zu berücksichtigen, dass der dienstherr der lehrkraft einen weit über den ihm zustehenden urlaubsanspruch hinausgehenden zeitraum zur verfügung stellt, innerhalb dessen sie den ihr zustehenden urlaub grundsätzlich realisieren kann, sofern nicht vom dienstherrn etwas anderes angeordnet wird. die regelung entspricht im grundsatz der regelung in § 7 abs. 1 des bundesurlaubsgesetzes (burlg), wonach die urlaubswünsche des arbeitnehmers zu berücksichtigen sind, es sei denn, dass ihrer berücksichtigung dringende betriebliche belange oder urlaubswünsche anderer arbeitnehmer, die unter sozialen gesichtspunkten den vorrang verdienen, entgegenstehen. dann aber kann von einer unangemessenen beschränkung der individuellen urlaubswünsche der lehrkraft – hier der klägerin – nicht gesprochen werden. 67vgl. lag düsseldorf, urteil vom 28. november 2013 - 5 sa 980/13 -, juris, rn. 76. 682. 69auch aus art. 7 abs. 2 rl 2003/88/eg steht der klägerin ein anspruch auf finanzielle abgeltung ihres restlichen erholungsurlaubs für das jahr 2017 nicht zu. 70aus dieser vorschrift ergibt sich über das nationale recht hinaus unmittelbar ein abgeltungsanspruch, wenn der arbeitnehmer bzw. beamte nicht die möglichkeit hatte, den ihm zustehenden mindesturlaub in anspruch zu nehmen. 71vgl. ovg nrw, beschluss vom 3. april 2017 - 6 a 1084/15 -, juris, rn. 16. 72im streitfall gewährt art. 7 abs. 2 rl 2003/88/eg jedoch keine über die nationalen bestimmungen hinausgehenden ansprüche, da dessen voraussetzungen in den entscheidungserheblichen punkten identisch sind. 73die frage, ob hinweisobliegenheiten über den verfall von urlaubsansprüchen für beamte im falle der geltendmachung von ansprüchen für zeiten durchgängiger erkrankungen entgegen der vorstehenden rechtsansicht unmittelbar aus der richtlinie herzuleiten sind, ist zu verneinen, da sich die beantwortung dieser frage bereits im rahmen der nationalstaatlichen regelung an art. 7 abs. 2 rl 2003/88/eg und der rechtsprechung des europäischen gerichtshofes orientiert. 74dies zugrunde gelegt kann die klägerin aus art. 7 abs. 2 rl 2003/88/eg im streitfalle keine weitergehenden rechte ableiten, als aus § 19a frurlv nrw. zur weiteren begründung wird zur vermeidung von wiederholungen auf die unter 1. erfolgten ausführungen verwiesen. 75die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 1 vwgo. die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit basiert auf § 167 vwgo in verbindung mit §§ 708 nr. 11, 709 satz 2, 711 der zivilprozessordnung (zpo). 76die berufung ist nach § 124a abs. 1 satz 1 in verbindung mit § 124 abs. 2 nr. 3 vwgo zuzulassen, da die rechtssache im hinblick auf die ablehnung einer hinweisobliegenheit des dienstherrn auf den verfall von erholungsurlaubsansprüchen bei lehrkräften grundsätzliche bedeutung hat. 77rechtsmittelbelehrung: 78gegen dieses urteil steht den beteiligten die berufung an das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen in münster zu. 79die berufung ist innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils schriftlich bei dem verwaltungsgericht gelsenkirchen, bahnhofsvorplatz 3, 45879 gelsenkirchen, einzulegen und muss das angefochtene urteil bezeichnen. 80die berufung ist innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils zu begründen. die begründung muss einen bestimmten antrag enthalten sowie die im einzelnen anzuführenden gründe der anfechtung (berufungsgründe). die begründung ist, wenn sie nicht zugleich mit der einlegung der berufung erfolgt, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen, aegidiikirchplatz 5, 48143 münster, schriftlich einzureichen. 81auf die unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung von schriftstücken als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 82im berufungsverfahren muss sich jeder beteiligte durch einen prozessbevollmächtigten vertreten lassen. dies gilt auch für die einlegung der berufung. der kreis der als prozessbevollmächtigte zugelassenen personen und organisationen bestimmt sich nach § 67 abs. 4 vwgo. 83rechtsmittelbelehrung: 84gegen diesen beschluss findet beschwerde statt, wenn der wert des beschwerdegegenstandes 200 euro übersteigt. 85die beschwerde ist bei dem verwaltungsgericht gelsenkirchen, bahnhofsvorplatz 3, 45879 gelsenkirchen, innerhalb von sechs monaten, nachdem die entscheidung in der hauptsache rechtskraft erlangt oder das verfahren sich anderweitig erledigt hat, schriftlich oder zur niederschrift des urkundsbeamten der geschäftsstelle einzulegen. über die beschwerde entscheidet das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen, aegidiikirchplatz 5, 48143 münster, falls das beschließende gericht ihr nicht abhilft. 86auf die unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung von schriftstücken als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen.
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1 K 4003/20
2022-05-25T00:00:00
Urteil
Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Die Beteiligten streiten um die finanzielle Abgeltung krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommenen Erholungsurlaub aus den Jahren 2017 und 2018. 3Der Kläger, der zuletzt als Kriminaloberkommissar (Besoldungsgruppe A 10 der Landesbesoldungsordnung NRW Teil A, Stufe 11) mit Stammdienststelle beim Polizeipräsidium F. seinen Dienst verrichtete, wurde mit Ablauf des 31. August 2020 wegen Polizeidienstunfähigkeit und allgemeiner Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. 4Seit dem Jahr 2011 hatte er einen Grad der Behinderung von 50 %. 5Er war in der Zeit vom 11. Juni 2015 bis zum 16. August 2015 dienstunfähig erkrankt. In der Zeit vom 17. August 2015 bis zum 1. Oktober 2015 schloss sich eine Wiedereingliederung an. Ab dem 2. Oktober 2015 bis zum 8. Februar 2016 war der Kläger erneut dienstunfähig erkrankt. In der Zeit vom 9. Februar 2016 bis zum 23. Februar 2016 erfolgte eine stationäre Rehabilitierungsmaßnahme. Im Anschluss war er in der Zeit vom 24. Februar 2016 bis zum 23. August 2016 wiederum dienstunfähig erkrankt. Sodann erfolgte erneut eine stationäre Rehabilitierungsmaßnahme in der Zeit vom 24. August 2016 bis zum 4. Oktober 2016. In der Folgezeit war der Kläger erneut ab dem 5. Oktober 2016 bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand am 31. August 2020 dienstunfähig erkrankt. 6Mit Bescheid vom 21. September 2020 setzte das Polizeipräsidium F. die finanzielle Abgeltung von krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommenem Erholungsurlaub für die Jahre 2019 und 2020 auf insgesamt 41,666 Urlaubstage fest. Zur Begründung führte es im Wesentlichen Folgendes aus: Krankheitsbedingt nicht genommener Erholungsurlaub werde bis zu einer Dauer von 20 Tagen sowie Zusatzurlaub für Schwerbehinderte für eine Dauer von bis zu fünf Tagen abgegolten. Bei unterjährigem Eintritt in den Ruhestand erfolge die Berechnung der zu vergütenden Mindestjahresurlaubstage anteilig entsprechend der aktiven Dienstzeit. Voraussetzung sei, dass der Urlaub krankheitsbedingt nicht habe genommen werden können. Der Kläger sei seit dem 11. Juni 2015 krankheitsbedingt durchgängig erkrankt gewesen. Für das Jahr 2019 würden 25 Tage zuzüglich Zusatzurlaub zugrunde gelegt. Für das Jahr 2020 berechne sich der Anspruch anteilig nach der aktiven Dienstzeit. Daraus ergebe sich ein abgeltungsfähiger Anspruch von 16,666 Tagen Mindesturlaub inklusive Zusatzurlaub. Dem Kläger würden daher insgesamt 41,666 Urlaubstage vergütet. Die Ansprüche für die Jahre 2015 bis 2018 unterlägen dem Verfall. 7Der Kläger hat am 21. Oktober 2020 Klage erhoben. 8Zur Begründung trägt er vor, er beanspruche eine weitergehende Festsetzung finanziell abzugeltender Urlaubstage für die Jahre 2017 und 2018 nach § 19a Abs. 1 FrUrlV NRW. Zunächst sei festzustellen, dass der Beklagte zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass der Urlaub für das Jahr 2018 mit Ablauf des 31. März 2020 verfallen sei. Der Beklagte habe die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zum Verfall von Erholungsurlaub verkannt (Urteil vom 6. November 2018 – C-619/16). Zwar habe der Kläger seinen ihm zustehenden Urlaub nicht innerhalb von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres genommen, doch habe der Beklagte den Kläger nicht – wie nach dem genannten Urteil erforderlich – auf den Verfall des Urlaubs hingewiesen. Der Dienstherr habe darauf hinzuwirken, dass der Beamte tatsächlich in der Lage sei, seinen Urlaub zu nehmen, indem er ihn auffordere, dies zu tun, sowie auf den andernfalls erfolgenden Verfall hinzuweisen, damit sichergestellt sei, dass der Urlaub dem jeweiligen Beamten noch die Erholung und Entspannung bieten könne, zu der er beitragen solle. Gleiches gelte für die ihm aus dem Jahr 2017 zustehenden Urlaubstage. Soweit der Beklagte der Ansicht sei, die dem Dienstherrn obliegende Hinweispflicht zum Verfall von Urlaub bestünde nicht gegenüber dienstunfähig erkrankten Beamten, sei dies rechtsfehlerhaft, als der Beklagte die Sach- und Rechtslage ex post betrachte. Aus einer ex ante Betrachtung sei jedoch nicht klar gewesen, dass er, der Kläger, die Ansprüche aus den Jahren 2017 und 2018 letztlich nicht habe realisieren können. Im Falle einer ex post Betrachtung würden die Vorgaben des Unionsrechts und des nationalen Rechts ausgehöhlt. Dass bezüglich der Hinweispflicht bei der Frage der Urlaubsabgeltung nicht zwischen Fällen von Erkrankten und anderen Beamten zu differenzieren sei, zeige sich auch daran, dass inzwischen auch der Gesetzgeber in § 19 Abs. 6 FrUrlV NRW die Hinweispflicht voraussetzungslos für alle Beamten geregelt habe. Die Frage, ob und in welcher Weise eine Hinweispflicht bestehe, knüpfe nicht an das Entstehen des strittigen Anspruchs an. Andernfalls wäre es obsolet, dem Dienstherrn derartige Obliegenheiten aufzuerlegen. Die Erwägung, der Zweck des Urlaubs könne nicht erreicht werden, rechtfertige ebenfalls nicht die Vorenthaltung des geltend gemachten Urlaubsanspruchs. Mit dieser Erwägung ließe sich auch ein Abgeltungsanspruch für Beamte, die aus sonstigen Gründen aus dem Beamtenverhältnis entlassen würden, nicht rechtfertigen, obgleich für diese ein derartiger Anspruch bestünde. Der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei in diesen Fällen nicht relevant. Gleichermaßen käme der Zweck des Erholungsurlaubs auch in den Fällen nicht mehr zum Tragen, in denen Urlaub für Zeiten abgegolten werde, der noch nicht verfallen sei. Auch für diese Zeiten sei eine Erholungsfunktion nicht mehr gegeben. Zudem wäre es sowohl tatsächlich als auch rechtlich für den Kläger möglich gewesen, seinen Urlaub aus den Jahren 2017 und 2018 zu nehmen, solange er hierdurch nicht gegen seine Gesunderhaltungspflichten verstoßen hätte. Dies ergebe sich im Umkehrschluss zu § 38 Satz 1 FrUrlV NRW. Danach werde die Zeit krankheitsbedingter Dienstunfähigkeit nur dann nicht auf den Urlaub angerechnet, wenn dies durch ein ärztliches Zeugnis nachgewiesen werde. Im Umkehrschluss liege daher Urlaub während Dienstunfähigkeit vor, wenn der Beamte seine Dienstunfähigkeit nicht unverzüglich anzeige. 9Der Kläger beantragt, 10den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Polizeipräsidiums F. vom 21. September 2020 zu verpflichten, dem Kläger Erholungsurlaub im Umfang von weiteren 50 Arbeitstagen für die Jahre 2017 und 2018 finanziell abzugelten und den jeweiligen Nachzahlungsbetrag mit fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen. 11Der Beklagte beantragt, 12die Klage abzuweisen. 13Zur Begründung macht er im Wesentlichen Folgendes geltend: Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Abgeltung von 50 Tagen Urlaub für die Jahre 2017 und 2018 sei verfallen. Dem stehe nicht die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes entgegen. Bereits mit Urteil vom 22. November 2011 habe dieser entschieden, dass das Ansparen von Urlaubsansprüchen auch bei langer Erkrankung zeitlich begrenzt werden könne. Eine Verfallfrist von 15 Monaten sei zulässig (Urteil vom 22. November 2011 – C-214/10). Auch aus einer aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, Urteil vom 19. Februar 2019 – 9 AZR 541/15, ergebe sich nichts anderes. Die Aufklärungspflicht des Arbeitgebers bzw. Dienstherrn zur angemessenen Aufklärung über den Verfall von Mindesturlaubsansprüchen stehe dem Verfall durch Zeitablauf nicht grundsätzlich entgegen. § 19 Abs. 2 FrUrlV NRW sei daher grundsätzlich richtlinienkonform dahin auszulegen, dass der Verfall zwar nur eintreten könne, wenn der Dienstherr den Beamten zuvor korrekt aufgefordert habe, den Urlaub zu nehmen und ihn rechtzeitig auf den ansonsten eintretenden Verfall hingewiesen habe. Der Kläger habe aber hier den ihm zustehenden Urlaub nicht aufgrund einer Verletzung der Mitwirkungspflichten des Dienstherrn verloren, sondern weil er krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen sei, seinen Erholungsurlaub zeitgerecht in Anspruch zu nehmen. Auch eine Mitteilung über den drohenden Verfall hätte daran nichts geändert. Der vorliegende Fall unterscheide sich daher deutlich von dem durch den Europäischen Gerichtshof entschiedenen Regelfall, dass der Urlaubsanspruch verfalle, wenn ein Arbeitnehmer, ohne krank zu sein, seinen Urlaub nicht in Anspruch nehme. Anders als in Krankheitsfällen habe der Arbeitgeber beziehungsweise Dienstherr in diesen Fällen von den Leistungen seines Arbeitnehmers profitiert. Die Anspruchsgrundlage des § 19a FrUrlV NRW bringe in Umsetzung der Richtlinie 2003/88/EG zum Ausdruck, dass Urlaubsansprüche auch bei langwieriger Erkrankung durch Zeitablauf verfallen könnten. Einem unfreiwilligen Verlust von Urlaubsansprüchen infolge Erkrankung könne ein Hinweis nicht entgegen wirken. Ein Verfall führe nicht zu einer unrechtmäßigen Bereicherung des Arbeitgebers, der dem Zweck der Richtlinie, die Gesundheit des Arbeitnehmers zu schützen, zuwider laufen würde. Eine unbegrenzte Anhäufung von Urlaubsansprüchen allein aufgrund einer Obliegenheitsverletzung erweise sich in diesem Fall als unangemessen. Zudem sei zu berücksichtigen, dass ein Hinweis über den Resturlaubsanspruch mit Blick auf die Unwissenheit über den Gesundheitszustand des Klägers möglicherweise unpassend gewesen wäre. Es sei beabsichtigt gewesen, dem Kläger diese Information zu dem Zeitpunkt zukommen zu lassen, zu dem er seinen Dienst wieder aufgenommen hätte. Der Umstand, dass § 19 Abs. 6 FrUrlV NRW keine Differenzierung für krankheitsbedingt nicht genommenen Urlaub hinsichtlich der Hinweispflicht treffe, führe nicht zu der Annahme, dass eine solche Pflicht in diesen Fällen dennoch bestehe. Es sei allgemein bekannt, dass es möglich sei, dass der Gesetzgeber nicht alle erdenklichen Eventualitäten mitbedacht habe und dass Ausnahmetatbestände möglich sein müssten, auch wenn sie nicht geregelt seien. Eine solche Ausnahme sei hier gegeben, da der Kläger seinen Anspruch auf Erholungsurlaub allein aufgrund seiner durchgängigen Erkrankung, nicht aber wegen einer Verletzung der Mitwirkungspflicht des Dienstherrn verloren habe. Der Kläger verkenne zudem, dass sich eine zeitliche Festlegung bezüglich der Hinweispflicht zu Beginn eines jeden Kalenderjahres erst aus dem neu geschaffenen § 19 Abs. 6 FrUrlV NRW ergebe. Derartiges ergebe sich jedoch weder aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts noch des Europäischen Gerichtshofes. Diese fordern lediglich, dass der Arbeitgeber – hier der Dienstherr – seiner Hinweispflicht rechtzeitig nachkomme. § 19 Abs. 6 FrUrlV NRW sei jedoch erst nach der Zurruhesetzung des Klägers, nämlich am 22. Oktober 2020 in Kraft getreten. Er finde auf den vorliegenden Fall daher keine Anwendung. 14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs ergänzend Bezug genommen. 15Entscheidungsgründe: 16Die Klage hat keinen Erfolg. 17Die zulässige Klage ist unbegründet. Die mit Bescheid des Polizeipräsidiums F. vom 21. September 2020 erfolgte Ablehnung der finanziellen Abgeltung von insgesamt 50 Urlaubstagen für die Jahre 2017 und 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). 18Dem Kläger steht weder aus nationalem (1.) noch aus europäischem Recht (2.) ein Anspruch auf (weitere) finanzielle Abgeltung seines Erholungsurlaubsanspruchs in der geltend gemachten Höhe von 50 Tagen für die Urlaubsjahre 2017 und 2018 zu. 191. 20Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 19a Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Freistellung wegen Mutterschutz für Beamtinnen und Richterinnen, Eltern- und Pflegezeit, Erholungs- und Sonderurlaub der Beamtinnen und Beamten und Richterinnen und Richter im Land Nordrhein-Westfalen (FrUrlV NRW). 21Nach dieser Vorschrift ist Erholungsurlaub bis zu einer Dauer von 20 Arbeitstagen im Urlaubsjahr (Mindesturlaub), der zum Zeitpunkt der Beendigung des Beamtenverhältnisses krankheitsbedingt ganz oder teilweise nicht in Anspruch genommen und zu diesem Zeitpunkt nach § 19 Absatz 2 FrUrlV NRW nicht verfallen ist, von Amts wegen finanziell abzugelten. Gleiches gilt für nicht beanspruchten Zusatzurlaub nach § 208 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX). 22Die Voraussetzungen des § 19a Abs. 1 Satz 1 FrUrlV NRW liegen nicht vor. Der Kläger war zwar seit dem 11. Juni 2015 bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand mit Ablauf des 31. August 2020 dienstunfähig erkrankt. Er konnte daher den ihm für die Jahre 2017 und 2018 jeweils zustehenden Mindesturlaub von 20 Tagen zuzüglich des ihm aufgrund seiner Schwerbehinderung nach § 208 SGB IX zustehenden Sonderurlaubs von fünf Tagen nicht in Anspruch nehmen. 23Der dem Kläger für das Jahr 2017 zustehende krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommene Mindest- und Sonderurlaub ist aber am 31. März 2019 und der ihm für das Jahr 2018 zustehende Anspruch am 31. März 2020 gemäß § 19 Abs. 2 FrUrlV NRW verfallen. Danach verfällt Urlaub, der nicht innerhalb von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres in Anspruch genommen worden ist und nicht nach § 20a FrUrlV NRW angespart wird. Mit dem Verfall des Urlaubsanspruchs ist nach § 19a Abs. 1 Satz 1 FrUrlV NRW auch die Entstehung des entsprechenden Urlaubsabgeltungsanspruchs bei Beendigung des Beamtenverhältnisses – hier mit Ablauf des 31. August 2020 – ausgeschlossen. 24Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 2 C 10.12 -, juris, Rn. 20 ff. 25a) Die Regelung des § 19 Abs. 2 FrUrlV NRW verstößt zunächst nicht gegen europäisches Recht. Insbesondere ist sie mit Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (RL 2003/88/EG), wonach die Mitgliedsstaaten die erforderlichen Maßnahmen zu treffen haben, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindesturlaub erhält, vereinbar. 26Vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2011 - C-214/10 (KHS) -, juris, Rn. 23 ff, 44; BVerwG, Urteile vom 25. Januar 2018 - 2 B 32.17 -, juris, Rn. 14, und vom 31. Januar 2013 - 2 C 1.12 -, juris, Rn. 21; BAG, Beschluss vom 7. Juli 2020 - 9 AZR 401/19 -, juris, Rn. 38 f. 27Diese Vorschrift ist auch auf Beamte anwendbar. 28Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 2 C 10.12 -, juris, Rn. 9 ff. mit weiteren Nachweisen. 29Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ist ein Erlöschen des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub wegen Art. 7 RL 2003/88/EG grundsätzlich unzulässig, wenn es dem Arbeitnehmer nicht möglich war, den Urlaub zu nehmen. Eine Ausnahme hiervon ist nach dem Europäischen Gerichtshof nur zulässig, wenn besondere Umstände vorliegen, die den Verfall des Urlaubsanspruches trotz fehlender Möglichkeit der Inanspruchnahme zustehenden Erholungsurlaubes rechtfertigen. Derartige besondere Umstände werden vom Europäischen Gerichtshof in diesem Zusammenhang zunächst insbesondere dann angenommen, wenn der jeweilige Arbeitnehmer den ihm zustehenden Urlaubsanspruch krankheitsbedingt – wie hier – über einen mehrere Bezugszeiträume umfassenden Zeitraum nicht realisieren kann. 30Vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2011 - C-214/10 (KHS) -, juris, Rn. 28 ff. 31Denn in diesen Fällen besteht anderenfalls die Möglichkeit, dass ein Arbeitnehmer – beziehungsweise wie hier ein Beamter –, der während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeitsunfähig beziehungsweise hier dienstunfähig ist und deshalb den ihm zustehenden Urlaub nicht nehmen konnte, berechtigt wäre, unbegrenzt alle während des Zeitraums seiner Abwesenheit vom Dienst erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub anzusammeln. Ein solches Recht auf derartiges unbegrenztes Ansammeln von Ansprüchen, die während der Dienstunfähigkeit erworben wurden, entspricht jedoch nicht mehr dem Zweck des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub. Sinn und Zweck des Mindesturlaubs besteht darin, dem Beamten zu ermöglichen, sich zum einen von der Ausübung der ihm obliegenden Aufgaben zu erholen und zum anderen über einen bestimmten Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen. Den Zweck als Erholungszeit kann der Urlaub jedoch nur dann noch ausreichend gewährleisten, wenn der Übertrag eine gewisse zeitliche Grenze nicht überschreitet. Über eine solche Grenze hinaus fehlt dem Jahresurlaub nämlich seine positive Wirkung für den Arbeitnehmer als Erholungszeit; erhalten bleibt ihm lediglich seine Eigenschaft als Zeitraum für Entspannung und Freizeit. Der Europäische Gerichtshof hat daher bereits entschieden, dass eine Regelung wie § 19 Abs. 2 FrUrlV NRW, die einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten in Fällen krankheitsbedingter Nichtinanspruchnahme festlegt, der Regelung des Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG nicht entgegensteht. 32b) Dem danach in Fällen krankheitsbedingter Nichtinanspruchnahme ausnahmsweise zulässigen Verfall des vom Kläger in den Jahren 2017 und 2018 nicht in Anspruch genommenen Urlaubsanspruchs steht weiter nicht die Regelung des § 19 Abs. 6 FrUrlV NRW in der ab dem 22. Oktober 2020 geltenden Fassung entgegen. 33Danach teilt der Dienstherr dem Beamten zu Beginn eines jeden Kalenderjahres den vorhandenen Urlaubsanspruch nach der Freistellungs- und Urlaubsverordnung in Textform mit, fordert ihn zur rechtzeitigen Beantragung und Inanspruchnahme des Urlaubs auf und belehrt ihn für den Fall der Nichtinanspruchnahme über den ersatzlosen Verfall nach Absatz 2. Wird die Mitteilungspflicht nicht oder unvollständig erfüllt, tritt nicht beanspruchter Mindesturlaub nach § 19a Abs. 1 Satz 1 FrUrlV NRW entsprechend dieser Rechtsprechung am Ende des Übertragungszeitraums nach Absatz 2 Satz 1 zu dem im Folgejahr entstandenen Urlaubsanspruch hinzu beziehungsweise wird zum Zeitpunkt der Beendigung des Beamtenverhältnisses entsprechend dem Verfahren nach § 19a finanziell abgegolten. Die Sätze 1 bis 3 gelten entsprechend für den Zusatzurlaubsanspruch nach § 208 Abs. 1 Satz 1 SGB IX (§ 19a Abs. 6 Satz 4 FrUrlV NRW). 34Zwar ist diese Vorschrift ohnehin auf den vorliegenden Fall bereits nicht anwendbar. Denn die Regelung ist erst zum 22. Oktober 2020 in Kraft getreten und damit nach dem hier maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens eines möglichen Abgeltungsanspruchs mit Versetzung des Klägers in den Ruhestand mit Ablauf des 31. August 2020. Allerdings stellt sie die Umsetzung einer Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes dar, die unabhängig von der nationalen Regelungssituation gilt und damit bei richtlinienkonformer Auslegung des § 19 Abs. 2 FrUrlV NRW auch uneingeschränkt in Gestalt einer unionsrechtskonformen Anwendung bei früheren Rechtslagen – und somit auch im vorliegenden Fall – zu berücksichtigen ist. 35Vgl. zu dieser Rechtsprechung EuGH, Urteile vom 6. November 2018 - C-619/16 (Kreuziger) -, juris, Rn. 24 ff., 52; und C-684/16 (Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften) -, juris, Rn. 18 ff., 45. 36Nach dieser Judikatur liegt ein Fall der fehlenden Möglichkeit der tatsächlichen Inanspruchnahme des Urlaubs durch den Arbeitnehmer bzw. Beamten und damit des zulässigen Ausschlusses des Verfalles von Erholungsurlaubsansprüchen jenseits der langfristigen Erkrankung auch dann vor, wenn die dienstvorgesetzte Stelle den Beamten nicht tatsächlich in die Lage versetzt hat, den Urlaub zu nehmen. 37Vgl. zu dieser Rechtsprechung EuGH, Urteil vom 6. November 2018 - C-619/16 (Kreuziger) -, juris, Rn. 42 ff, 45. 38Der Dienstherr hat konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Beamte den ihm zustehenden Urlaub wahrnimmt. Hierzu hat er ihn erforderlichenfalls förmlich aufzufordern und ihm klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der Urlaub andernfalls am Ende des Bezugs- oder eines zulässigen Übertragungszeitraums verfällt. 39Hat der Dienstherr dies getan, war der Arbeitnehmer folglich auch in der Lage, seinen Erholungsurlaub in Anspruch zu nehmen, jedenfalls soweit keine anderen Gründe für die Nichtinanspruchnahme vorliegen. Der nicht realisierte Urlaubsanspruch verfällt dann insoweit. Hat der Dienstherr indes keinen hinreichenden Hinweis erteilt, war der betroffene Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes auch nicht in der Lage, seinen Erholungsurlaubsanspruch zu realisieren. Ein Verfall ist insoweit ausgeschlossen, zumal der Europäische Gerichtshof dann keine besonderen, einen Verfall rechtfertigende Umstände erkennt. 40Von daher ist § 19 Abs. 2 FrUrlV NRW in den Fällen wie hier, in denen § 19 Abs. 6 FrUrlV NRW noch keine Anwendung findet, grundsätzlich richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass dieser nur dann Wirkung entfaltet, wenn der insoweit beweisbelastete Dienstherr den Nachweis erbringt, dass er vorab dafür gesorgt hat, dass der Beamte als Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, dies zu tun, und ihm, damit sichergestellt ist, dass der Urlaub ihm noch die Erholung und Entspannung bieten kann, zu denen er beitragen soll, klar und rechtzeitig mitteilt, dass der Urlaub, wenn er ihn nicht nimmt, am Ende des Bezugs- oder eines zulässigen Übertragungszeitraums oder am Ende des Beamtenverhältnisses, wenn dies in einen solchen Zeitraum fällt, verfallen wird. 41Vgl. EuGH, Urteile vom 6. November 2018 - C-619/16 (Kreuziger) -, juris, Rn. 52, und C-648/16 (Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften) -, juris, Rn. 45. 42In den Fällen, in denen eine solche Belehrung nicht erfolgt ist, liegen in der Regel die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes geforderten besonderen Umstände, die zum Entfallen des Urlaubsanspruchs in Fällen fortdauernder Dienst- bzw. Arbeitsunfähigkeit führen können, auch nach Ablauf der vorstehend dargestellten zulässigen Übertragungszeit von 15 Monaten nicht vor. 43Vgl. BAG, Beschluss vom 7. Juli 2020 - 9 AZR 401/19 -, juris, Rn. 17, sowie Urteile vom 19. Februar 2019 - 9 AZR 541/15 -, juris, Rn. 21 ff. und vom 19. Februar 2019 - 9 AZR 423/16 -, juris. 44Danach bestehen die Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten des Dienstherrn regelmäßig auch, wenn und solange der Beamte dienstunfähig ist. Sie können ihren Zweck grundsätzlich erfüllen, weil sich die Dauer der Erkrankung nicht von vornherein absehen lässt. Dem Dienstherrn ist es in der Regel möglich, den dienstunfähigen Beamten entsprechend den gesetzlichen Vorgaben rechtzeitig und zutreffend über den Umfang und die Befristung des Urlaubsanspruchs unter Berücksichtigung des bei einer langandauernden Erkrankung geltenden Übertragungszeitraums zu unterrichten. Der Dienstherr ist in den Fällen einer Erkrankung regelmäßig nicht gehindert, den Beamten rechtzeitig aufzufordern, den Urlaub bei Wiedergenesung vor Ablauf des Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraums zur Vermeidung des Verfalls so rechtzeitig zu beantragen, dass er innerhalb des laufenden Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraums gewährt und genommen werden kann, so dass der Beamte ab dem ersten Arbeitstag nach seiner Wiedergenesung Urlaub in Anspruch nehmen kann. 45Vgl. BAG, Beschluss vom 7. Juli 2020 - 9 AZR 401/19 -, juris, Rn. 21. 46Dem ist der Beklagte hier indes nicht nachgekommen. 47Von diesem Grundsatz ausgehend ist jedoch gleichwohl für die vorliegende Fallkonstellation der Beanspruchung von Urlaubsabgeltung für Zeiten durchgängiger Erkrankung festzustellen, dass einem Verfall der Urlaubsansprüche des Klägers für den von ihm geltend gemachten Zeitraum vorliegend nicht entgegensteht, dass der Dienstherr ihn nicht vorab auf einen Verfall von Urlaubstagen hingewiesen hat. Denn die oben zitierte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zur Hinweisobliegenheit des Dienstherrn greift in der hier vorliegenden Konstellation nicht ein. Vielmehr gelten weiterhin die bereits benannten, vom Europäischen Gerichtshof zum Verfall von aufgrund langandauernder Dienstunfähigkeit nicht in Anspruch genommenen Erholungsurlaubs entwickelten Grundsätze. 48Das Fehlen einer solchen Belehrung und damit die Nichterfüllung der dem Dienstherrn auferlegten Obliegenheit bleibt zur Überzeugung der Kammer in Übereinstimmung mit der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts in Fällen wie dem vorliegenden für die Zeiten folgenlos, in denen ein Beamter durchgehend dienstunfähig erkrankt war und deshalb – unabhängig davon, ob der Dienstherr seine Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten erfüllt hat – überhaupt keinen Urlaub nehmen konnte, die Nichtinanspruchnahme des Erholungsurlaubs mithin nicht auf dem unterbliebenen Hinweis des Dienstherrn, sondern ausschließlich auf der Erkrankung des Beamten beruht. 49Vgl. BAG, Beschluss vom 7. Juli 2020 - 9 AZR 401/19 -, juris, Rn. 24 ff.. 50Die Befristung des Urlaubsanspruchs ist bei einem richtlinienkonformen Verständnis des § 19 Abs. 2 FrUrlV NRW nämlich nicht von der Erfüllung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten abhängig, wenn es – was jedoch erst im Nachhinein feststellbar ist – objektiv unmöglich gewesen wäre, den Beamten durch Mitwirkung des Dienstherrn in die Lage zu versetzen, den Urlaubsanspruch zu realisieren. 51Vgl. BAG, Beschluss vom 7. Juli 2020 - 9 AZR 401/19 -, juris, Rn. 24. 52In diesen Fällen, in denen der Beamte für Zeiten durchgängiger Erkrankung keinen Erholungsurlaub nehmen konnte, ist von besonderen Umständen im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes auszugehen, die den Verfall des Urlaubsanspruchs auch ohne die Erfüllung der Hinweisobliegenheiten rechtfertigen. 53Vgl. zu dem entsprechenden Erfordernis: Schlussanträge des Generalanwalts vom 17. März 2022 - C-518/20 und C-727/20, juris, Rn. 46; BAG, Beschluss vom 7. Juli 2020 - 9 AZR 245/19 -, juris, Rn. 18. 54Denn der Zweck der Hinweisobliegenheit des Dienstherrn, zu verhindern, dass der Beamte den Urlaubsanspruch verliert, weil er ihn in Unkenntnis der Befristung und des damit einhergehenden Risikos des Erlöschens nicht rechtzeitig gegenüber dem Dienstherrn geltend macht, bestimmt nicht nur den Inhalt der rechtlich gebotenen Aufforderungen und Hinweise, sondern ist auch auf der Rechtsfolgenseite zu berücksichtigen. 55Vgl. hierzu BAG, Urteil vom 19. Februar 2019 - 9 AZR 423/16 -, juris, Rn. 40 f., und Beschluss vom 7. Juli 2020 - 9 AZR 401/19 -, juris, Rn. 24. 56Sinn und Zweck der durch Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 der Europäischen Grundrechte-Charta bestehenden Obliegenheit des Dienstherrn, den Beamten erforderlichenfalls mittels entsprechender Aufforderungen und Hinweise in die Lage zu versetzen, den Urlaub wahrzunehmen, besteht in der Vermeidung einer Situation, in der die Aufgabe, für die tatsächliche Wahrnehmung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub zu sorgen, vollständig auf den Beamten verlagert würde, während der Dienstherr die Möglichkeit erhielte, sich unter Berufung auf den fehlenden Urlaubsantrag des Beamten seinen eigenen Pflichten zu entziehen. 57Vgl. EuGH Urteil vom 6. November 2018 - C-684/16 (Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften) -, juris, Rn. 43. 58Unter diesen Umständen ist es dem Dienstherrn, der seinen Obliegenheiten nicht nachgekommen ist, nicht verwehrt, sich auf die Befristung und das Erlöschen des Urlaubsanspruchs zu berufen, wenn der Beamte seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres dienstunfähig war oder die bis zu diesem Zeitpunkt fortbestehende Dienstunfähigkeit im Verlauf des Urlaubsjahres eintrat, ohne dass dem Beamten vor deren Beginn (weiterer) Urlaub hätte gewährt werden können. Denn dann sind nicht Handlungen oder Unterlassungen des Dienstherrn, sondern allein die Dienstunfähigkeit des Beamten für den Verfall des Urlaubsanspruches kausal. Auch bei Erfüllung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten hätte daher deren Zweck nicht hätte erreicht werden können. 59Vgl. BAG, Beschluss vom 7. Juli 2020 - 9 AZR 401/19 -, juris, Rn. 26, und Urteil vom 19. Februar 2019 - 9 AZR 423/16 -, juris, Rn. 40. 60Die Unzweckmäßigkeit einer Hinweispflicht im Falle durchgängiger Erkrankung währen des geltend gemachten Bezugszeitraums und des sich anschließenden Übertragungszeitraums zeigt sich beispielhaft auch daran, dass eine Hinweispflicht in Fällen schwerster Erkrankung, in denen der jeweilige Beamte möglicherweise schon nicht in der Lage ist, den Hinweis wahrzunehmen, offenkundig seinen Zweck nicht erfüllen kann. Denn der Hinweis würde den Beamten bereits nicht erreichen. 61Ein Beamter, der während des Bezugs- und/oder Übertragungszeitraums krankheitsbedingt dienstunfähig ist, kann seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub entgegen der Ansicht des Klägers im Schriftsatz vom 18. Oktober 2021 nicht ausüben. 62Vgl. EuGH, Urteile vom 6. November 2018 - C-684/16 (Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften) -, juris, Rn. 24, und vom 22. November 2011 - C-214/10 (KHS) -, juris, Rn. 27; BAG, Beschluss vom 7. Juli 2020 - 9 AZR 401/19 -, juris, Rn. 27. 63Denn eine freie Entscheidung über die Verwirklichung des Urlaubsanspruchs ist– ohne dass es auf die Aufforderungen und Hinweise des Dienstherrn ankäme – von vornherein ausgeschlossen, weil die durchgängige Dienstunfähigkeit auf psychischen oder physischen Beschwerden beruht und vom Willen des Beamten unabhängig ist. 64Vgl. EuGH, Urteil vom 25. Juni 2020 - C-762/18 und C-37/19 (Varhoven kasatsionen sad na Republika Bulgaria) -, juris, Rn. 66; BAG, Beschluss vom 7. Juli 2020 - 9 AZR 401/19 -, juris, Rn. 23 ff. 65In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der Urlaubsanspruch in Fällen von Arbeitsverhältnissen außerhalb des Beamtenverhältnisses auf eine bezahlte Befreiung von der Arbeitspflicht gerichtet ist. 66Vgl. BAG, Urteile vom 24. September 2019 - 9 AZR 481/18 -, juris, Rn. 50, und vom 19. Februar 2019 - 9 AZR 321/16 -, juris, Rn. 17. 67Ausgehend hiervon kann jedoch auch für Beamte wegen der von der Rechtsprechung anerkannten Gleichstellung nichts anderes gelten. Kann der Beamte die Dienstleistung krankheitsbedingt nicht erbringen, wird ihm die Dienstpflicht unmöglich. Entgegen der Ansicht des Klägers im Schriftsatz vom 18. Oktober 2021 ist daher auch eine Befreiung von der Dienstpflicht durch Urlaubsgewährung sodann rechtlich unmöglich. 68Vgl. BAG, Urteil vom 18. März 2014 - 9 AZR 669/12 -, juris, Rn. 16, und Beschluss vom 7. Juli 2020 - 9 AZR 401/19 -, juris, Rn. 26. 69Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass nach § 38 Satz 1 FrUrlV NRW Zeiten krankheitsbedingter Dienstunfähigkeit nur dann auf den Urlaubsanspruch nicht angerechnet werden, wenn dies unverzüglich angezeigt und durch ein ärztliches Zeugnis nachgewiesen wird. Denn diese Vorschrift regelt vorrangig die Frage, wie der Dienstherr Fehlzeiten zu verbuchen hat. Sie trifft eine Sonderregelung für während einer bereits festgelegten Fehlzeit (hier: aufgrund von Urlaub) eintretenden Erkrankung. Weiter enthält die Regelung Vorschriften in Bezug auf die Mitwirkungspflichten des Beamten im Falle einer während eines beantragten und genehmigten Urlaubs auftretenden Erkrankung. Ein Rückschluss darauf, dass bei bereits bestehender dauerhafter Erkrankung Urlaub mit der gleichen Erholungsfunktion genommen werden kann wie ohne die Erkrankung, lässt sich daraus jedoch nicht ziehen. 70Etwas anderes kann auch nicht daraus abgeleitet werden, dass es – wie der Kläger vorträgt – teilweise behördlicher Praxis entspricht, die Beamten anzuweisen, in Fällen von Dienstunfähigkeit geplanten Urlaub anzuzeigen. Denn eine solche Verpflichtung zielt – sofern sie vorliegend überhaupt besteht – darauf ab, den Dienstherrn über Abwesenheitszeiten während einer Erkrankung zu informieren und damit seinen beamtenrechtlichen Pflichten der vollen persönlichen Hingabe für das Dienstverhältnis zu genügen. Zudem muss der Dienstherr in Zeiten der Dienstunfähigkeit die Möglichkeit haben zu überprüfen, ob bestimmte Handlungen des Beamten der weiteren Genesung möglicherweise schädlich sein könnten. Ferner muss die Erreichbarkeit des Beamten unter Umständen für behördliche Anordnungen sichergestellt sein. Hieraus ergibt sich jedoch keine Genehmigungspflichtigkeit der geplanten Abwesenheit im Krankheitsfall im Sinne einer Urlaubsbewilligung. 71Weiter streitet für die Entbehrlichkeit eines Hinweises auf den noch bestehenden Urlaubsanspruch, dass es in der die Hinweispflicht des Dienstherrn begründenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes, 72vgl. EuGH, Urteil vom 6. November 2018 - C-684/16 (Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften) -, juris Rn. 24, 73um eine Weigerung des Arbeitgebers, eine Vergütung für bezahlten Jahresurlaub zu zahlen, ging, der zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien aufgrund fehlender Beantragung nicht genommen worden war. 74Vgl. EuGH, Urteil vom 6. November 2018 - C-684/16 (Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften) -, juris, Rn. 21. 75Damit unterscheidet sich der vom Europäischen Gerichtshof entschiedene Fall zur Frage des Bestehens von der Hinweisobliegenheit von dem vorliegenden. Eine krankheitsbedingte Verhinderung an der tatsächlichen Inanspruchnahme des Urlaubs war nach dem dortigen Sachverhalt nicht gegeben. Im Unterschied zum dargestellten Sachverhalt in dem vom Europäischen Gerichtshof entschiedenen Fall war es dem Dienstherrn im streitgegenständlichen Zeitraum jedoch – wie ausgeführt – gar nicht möglich, dafür zu sorgen, dass der Kläger tatsächlich in der Lage war, den bezahlten Jahresurlaub auch zu nehmen, da der dienstunfähige Beamte diesen auch bei einer förmlichen Aufforderung, den Jahresurlaub zu nehmen, wegen der durchgängigen Dienstunfähigkeit in der Zeit vom 11. Juni 2015 bis zur Versetzung in den Ruhestand nicht hätte antreten können. Eine Belehrung als Obliegenheit des Dienstherrn ergibt jedoch – wie ausgeführt – nur dann Sinn, wenn der Beamte auch in der Lage ist, auf diese zu reagieren und den Urlaub tatsächlich zu nehmen. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Kläger war nicht durch die mangelnde Aufklärung bzw. fehlende Aufforderung des Dienstherrn an der Inanspruchnahme des Urlaubs gehindert, sondern allein wegen seiner fortdauernden Dienstunfähigkeit. 76Vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 27. November 2019 - 4 K 10252/18 -, juris, Rn. 38; VG Köln, Urteil vom 31. August 2020 - 15 K 8349/18 -, juris, Rn. 64. 77Etwas anderes ergibt sich im vorliegenden Fall auch nicht aus dem Umstand, dass sich die Zeiten der Dienstunfähigkeit des Klägers jedenfalls bis zum 1. Oktober 2015 teilweise mit Zeiten einer Wiedereingliederungsmaßnahme abwechselten. Es kann insoweit dahinstehen, ob die Zeit der Wiedereingliederung keine Zeit der Dienstunfähigkeit ist, wie der Kläger meint, 78vgl. dazu OVG Hamburg, Beschluss vom 22. Mai 2018 - 5 Bs 80/18 -, juris, Rn. 30 und BAG, Urteil vom 19. April 1994 - 9 AZR 462/92 -, juris, Leitsatz 2, 79und daher für diesen Zeitraum eine Unterbrechung der Dienstunfähigkeit anzunehmen ist, so dass der Kläger seinen Urlaub möglicherweise bis zum erneuten Eintritt der (vollen) Dienstunfähigkeit noch hätte nehmen können. 80Vgl. zur Frage der möglichen Erforderlichkeit einer Hinweispflicht in Zeiten nur teilweiser Erkrankung im Bezugszeitraum und sich anschließender dauerhafter Erkrankung: BAG, Beschluss vom Beschluss vom 7. Juli 2020 - 9 AZR 401/19 -, juris, Rn. 29 ff. 81Denn die Zeit der Wiedereingliederung des Klägers liegt bereits nicht im Zeitraum der streitgegenständlichen Urlaubsjahre 2017 und 2018. 82Für die Folgenlosigkeit der nicht erfüllten Hinweisobliegenheit spricht im vorliegenden Fall weiter, dass ein den Verfall rechtfertigender besonderer Umstand, der ein unbegrenztes Ansammeln des dem Beamten zustehenden Erholungsurlaubs auch ohne die Erteilung eines Hinweises auf den anstehenden Verfall verhindert, darin begründet ist, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ein unbegrenztes Ansammeln von Urlaub insbesondere in Fällen durchgängiger Erkrankung begrenzt werden darf, weil mit dem in Art. 31 Abs. 2 der Europäischen Grundrechte-Charta und in Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG verankerten Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub – wie ausgeführt – ein doppelter Zweck verfolgt wird. Dieser besteht darin, es dem Beamten zu ermöglichen, sich zum einen von der Ausübung der ihm obliegenden Dienstpflichten zu erholen und zum anderen über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen. Ein Recht auf ein unbegrenztes Ansammeln von Ansprüchen auf bezahlten Jahresurlaub aus mehreren Bezugszeiträumen, die während eines Zeitraums der Dienstunfähigkeit erworben wurden, entspräche jedoch nicht mehr dem Zweck des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub. 83Vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2011 - C-214/10 (KHS) - juris, Rn. 30 f. 84Dessen positive Wirkung für die Sicherheit und die Gesundheit des Beamten verliert zwar nicht an Bedeutung, wenn der Urlaub zu einer späteren Zeit genommen wird. Der Urlaub kann seiner Zweckbestimmung jedoch nur insoweit entsprechen, als der Übertrag eine gewisse zeitliche Grenze nicht überschreitet. Über eine solche Grenze hinaus fehlt dem Jahresurlaub seine positive Wirkung für den Beamten als Erholungszeit; erhalten bleibt ihm lediglich seine Eigenschaft als Zeitraum für Entspannung und Freizeit. Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen hat der Gerichtshof festgestellt, dass Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG einzelstaatlichen Rechtsvorschriften nicht entgegensteht, die in Fällen der Langzeiterkrankung von Arbeitnehmern einen auf 15 Monate begrenzten Übertragungszeitraum vorsehen, nach dessen Ablauf der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erlischt. 85Vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2011 - C-214/10 (KHS) -, juris, Rn. 33, 43; BAG, Beschluss vom 7. Juli 2020 - 9 AZR 401/19 -, juris, Rn. 38 ff. 86Dem steht nicht die Erwägung des Klägers entgegen, dass der Zweck des Erholungsurlaubs auch in den Fällen nicht mehr erreicht werden könne, in denen ein Beamter aus anderen Gründen als dem der Dienstunfähigkeit aus dem Beamtenverhältnis entlassen würde, diesen Beamten jedoch bei Verletzung der Hinweisobliegenheit ein unbegrenztes Ansammeln möglich gewesen sei, sodass der nicht in Anspruch genommene Urlaub abzugelten sei. Hierbei ist nämlich zu berücksichtigen, dass in diesen Fällen eine andere Sachverhaltskonstellation gegeben ist. Anders als in den Fällen durchgängiger Erkrankung des Beamten hat der Dienstherr von der Dienstleistung dieser Beamten auch tatsächlich profitiert und ist daher weniger schützenswert als in den Fällen, in denen ein Beamter durchgängig erkrankt war und dementsprechend keine Dienstleistung erbracht hat. In diesem Umstand liegen besondere Umstände, die den Europäischen Gerichtshof veranlasst haben, in Fällen durchgängiger Erkrankung ein unbegrenztes Ansammeln von Urlaubsansprüchen durch die Schaffung eines hinreichend lagen Übergangszeitraums zu ermöglichen. 87Vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2011 - C-214/10 (KHS) -, juris, Rn. 33, 43; Schlussantrag des Generalstaatsanwaltes vom 17. März 2022 - C-518/20 und C-727/20, juris -, Rn. 49, 52. 88Vor diesem Hintergrund greifen die vom Europäischen Gerichtshof getroffenen Erwägungen hinsichtlich der Hinweisobliegenheit des Dienstherrn, durch die der betroffene Beamten in die Lage versetzen soll, seinen ihm zustehenden Erholungsurlaub in Anspruch zu nehmen, in der vorliegenden Konstellation nicht. Vielmehr bleibt es bei den vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten Grundsätzen, wonach ein Erholungsurlaubsanspruch eines Beamten, der im Bezugszeitraum und im sich anschließenden Übertragungszeitraum allein aus dauerhaften gesundheitlichen Gründen seinen Erholungsurlaubsanspruch nicht realisieren kann, gemäß einer nationalen Regelung – wie hier § 19 Abs. 2 FrUrlV NRW – nach 15 Monaten verfallen kann, weil wegen der Gefahr des unbegrenzten Ansammelns von Erholungsurlaubsansprüchen besondere, den Verfall rechtfertigende Umstände vorliegen. 892. Auch aus Art. 7 RL 2003/88/EG steht dem Kläger ein Anspruch auf finanzielle Abgeltung seines restlichen Erholungsurlaubs für die Jahre 2017 und 2018 nicht zu. 90Nach dieser Vorschrift treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind (Absatz 1). Der bezahlte Mindestjahresurlaub darf außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden (Absatz 2). 91Aus Art. 7 Abs. 2 Richtlinie 2003/88/EG ergibt sich über das nationale Recht hinaus unmittelbar ein Abgeltungsanspruch, wenn der Arbeitnehmer nicht die Möglichkeit hatte, den ihm zustehenden Mindesturlaub in Anspruch zu nehmen. 92Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3. April 2017 - 6 A 1084/15 -, juris, Rn. 16. 93Im Streitfall gewährt Art. 7 Abs. 2 Richtlinie 2003/88/EG jedoch keine über die nationalen Bestimmungen hinausgehenden Ansprüche, da dessen Voraussetzungen in den entscheidungserheblichen Punkten identisch sind. 94Die Frage, ob Hinweisobliegenheiten über den Verfall von Urlaubsansprüchen für Beamte im Falle der Geltendmachung von Ansprüchen für Zeiten durchgängiger Erkrankungen entgegen der vorstehenden Rechtsansicht unmittelbar aus der Richtlinie herzuleiten sind, ist zu verneinen, da sich die Beantwortung dieser Frage bereits im Rahmen der nationalstaatlichen Regelung an Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG und der Rechtsprechung der Europäischen Gerichtshofes orientiert. 95Dies zugrunde gelegt kann der Kläger aus Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2003/88/EG im Streitfalle keine weitergehenden Rechte ableiten als aus § 19a FrUrlV NRW. Zur weiteren Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die unter 1. erfolgten Ausführungen verwiesen. 96Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit basiert auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO). 97Rechtsmittelbelehrung: 98Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn 991. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 1002. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 1013. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 1024. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 1035. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. 104Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, zu beantragen. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich einzureichen. 105Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 106Im Berufungsverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO. 107B e s c h l u s s : 108Der Streitwert wird auf 9.269,33 EUR festgesetzt. 109G r ü n d e : 110Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 GKG. Unter Zugrundelegung der nach § 19a Abs. 2 FrUrlV NRW festzusetzenden Höhe des begehrten Abgeltungsanspruchs für 50 Urlaubstage ist der Streitwert unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger vor seiner Zurruhesetzung der Besoldungsgruppe A 10 und der Erfahrungsstufe 11 (4016,71 EUR Brutto / Monat) zugeordnet war von einem Streitwert in Höhe von 9.269,22 EUR auszugehen (4016,71 EUR x 3 = 12.050,13 EUR / 13 = 926,922 EUR / 5 = 185,386 EUR x 50 Tage = 9.269,33 EUR). 111Rechtsmittelbelehrung: 112Gegen diesen Beschluss findet innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt. 113Die Beschwerde ist schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen einzulegen. Über sie entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, falls das beschließende Gericht ihr nicht abhilft. 114Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
die klage wird abgewiesen. der kläger trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der kläger kann die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht der beklagte zuvor sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1
2die beteiligten streiten um die finanzielle abgeltung krankheitsbedingt nicht in anspruch genommenen erholungsurlaub aus den jahren 2017 und 2018. 3der kläger, der zuletzt als kriminaloberkommissar (besoldungsgruppe a 10 der landesbesoldungsordnung nrw teil a, stufe 11) mit stammdienststelle beim polizeipräsidium f. seinen dienst verrichtete, wurde mit ablauf des 31. august 2020 wegen polizeidienstunfähigkeit und allgemeiner dienstunfähigkeit in den vorzeitigen ruhestand versetzt. 4seit dem jahr 2011 hatte er einen grad der behinderung von 50 %. 5er war in der zeit vom 11. juni 2015 bis zum 16. august 2015 dienstunfähig erkrankt. in der zeit vom 17. august 2015 bis zum 1. oktober 2015 schloss sich eine wiedereingliederung an. ab dem 2. oktober 2015 bis zum 8. februar 2016 war der kläger erneut dienstunfähig erkrankt. in der zeit vom 9. februar 2016 bis zum 23. februar 2016 erfolgte eine stationäre rehabilitierungsmaßnahme. im anschluss war er in der zeit vom 24. februar 2016 bis zum 23. august 2016 wiederum dienstunfähig erkrankt. sodann erfolgte erneut eine stationäre rehabilitierungsmaßnahme in der zeit vom 24. august 2016 bis zum 4. oktober 2016. in der folgezeit war der kläger erneut ab dem 5. oktober 2016 bis zu seiner versetzung in den ruhestand am 31. august 2020 dienstunfähig erkrankt. 6mit bescheid vom 21. september 2020 setzte das polizeipräsidium f. die finanzielle abgeltung von krankheitsbedingt nicht in anspruch genommenem erholungsurlaub für die jahre 2019 und 2020 auf insgesamt 41,666 urlaubstage fest. zur begründung führte es im wesentlichen folgendes aus: krankheitsbedingt nicht genommener erholungsurlaub werde bis zu einer dauer von 20 tagen sowie zusatzurlaub für schwerbehinderte für eine dauer von bis zu fünf tagen abgegolten. bei unterjährigem eintritt in den ruhestand erfolge die berechnung der zu vergütenden mindestjahresurlaubstage anteilig entsprechend der aktiven dienstzeit. voraussetzung sei, dass der urlaub krankheitsbedingt nicht habe genommen werden können. der kläger sei seit dem 11. juni 2015 krankheitsbedingt durchgängig erkrankt gewesen. für das jahr 2019 würden 25 tage zuzüglich zusatzurlaub zugrunde gelegt. für das jahr 2020 berechne sich der anspruch anteilig nach der aktiven dienstzeit. daraus ergebe sich ein abgeltungsfähiger anspruch von 16,666 tagen mindesturlaub inklusive zusatzurlaub. dem kläger würden daher insgesamt 41,666 urlaubstage vergütet. die ansprüche für die jahre 2015 bis 2018 unterlägen dem verfall. 7der kläger hat am 21. oktober 2020 klage erhoben. 8zur begründung trägt er vor, er beanspruche eine weitergehende festsetzung finanziell abzugeltender urlaubstage für die jahre 2017 und 2018 nach § 19a abs. 1 frurlv nrw. zunächst sei festzustellen, dass der beklagte zu unrecht davon ausgegangen sei, dass der urlaub für das jahr 2018 mit ablauf des 31. märz 2020 verfallen sei. der beklagte habe die rechtsprechung des europäischen gerichtshofes zum verfall von erholungsurlaub verkannt (urteil vom 6. november 2018 – c-619/16). zwar habe der kläger seinen ihm zustehenden urlaub nicht innerhalb von 15 monaten nach dem ende des urlaubsjahres genommen, doch habe der beklagte den kläger nicht – wie nach dem genannten urteil erforderlich – auf den verfall des urlaubs hingewiesen. der dienstherr habe darauf hinzuwirken, dass der beamte tatsächlich in der lage sei, seinen urlaub zu nehmen, indem er ihn auffordere, dies zu tun, sowie auf den andernfalls erfolgenden verfall hinzuweisen, damit sichergestellt sei, dass der urlaub dem jeweiligen beamten noch die erholung und entspannung bieten könne, zu der er beitragen solle. gleiches gelte für die ihm aus dem jahr 2017 zustehenden urlaubstage. soweit der beklagte der ansicht sei, die dem dienstherrn obliegende hinweispflicht zum verfall von urlaub bestünde nicht gegenüber dienstunfähig erkrankten beamten, sei dies rechtsfehlerhaft, als der beklagte die sach- und rechtslage ex post betrachte. aus einer ex ante betrachtung sei jedoch nicht klar gewesen, dass er, der kläger, die ansprüche aus den jahren 2017 und 2018 letztlich nicht habe realisieren können. im falle einer ex post betrachtung würden die vorgaben des unionsrechts und des nationalen rechts ausgehöhlt. dass bezüglich der hinweispflicht bei der frage der urlaubsabgeltung nicht zwischen fällen von erkrankten und anderen beamten zu differenzieren sei, zeige sich auch daran, dass inzwischen auch der gesetzgeber in § 19 abs. 6 frurlv nrw die hinweispflicht voraussetzungslos für alle beamten geregelt habe. die frage, ob und in welcher weise eine hinweispflicht bestehe, knüpfe nicht an das entstehen des strittigen anspruchs an. andernfalls wäre es obsolet, dem dienstherrn derartige obliegenheiten aufzuerlegen. die erwägung, der zweck des urlaubs könne nicht erreicht werden, rechtfertige ebenfalls nicht die vorenthaltung des geltend gemachten urlaubsanspruchs. mit dieser erwägung ließe sich auch ein abgeltungsanspruch für beamte, die aus sonstigen gründen aus dem beamtenverhältnis entlassen würden, nicht rechtfertigen, obgleich für diese ein derartiger anspruch bestünde. der grund für die beendigung des arbeitsverhältnisses sei in diesen fällen nicht relevant. gleichermaßen käme der zweck des erholungsurlaubs auch in den fällen nicht mehr zum tragen, in denen urlaub für zeiten abgegolten werde, der noch nicht verfallen sei. auch für diese zeiten sei eine erholungsfunktion nicht mehr gegeben. zudem wäre es sowohl tatsächlich als auch rechtlich für den kläger möglich gewesen, seinen urlaub aus den jahren 2017 und 2018 zu nehmen, solange er hierdurch nicht gegen seine gesunderhaltungspflichten verstoßen hätte. dies ergebe sich im umkehrschluss zu § 38 satz 1 frurlv nrw. danach werde die zeit krankheitsbedingter dienstunfähigkeit nur dann nicht auf den urlaub angerechnet, wenn dies durch ein ärztliches zeugnis nachgewiesen werde. im umkehrschluss liege daher urlaub während dienstunfähigkeit vor, wenn der beamte seine dienstunfähigkeit nicht unverzüglich anzeige. 9der kläger beantragt, 10den beklagten unter teilweiser aufhebung des bescheides des polizeipräsidiums f. vom 21. september 2020 zu verpflichten, dem kläger erholungsurlaub im umfang von weiteren 50 arbeitstagen für die jahre 2017 und 2018 finanziell abzugelten und den jeweiligen nachzahlungsbetrag mit fünf prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz zu verzinsen. 11der beklagte beantragt, 12die klage abzuweisen. 13zur begründung macht er im wesentlichen folgendes geltend: der vom kläger geltend gemachte anspruch auf abgeltung von 50 tagen urlaub für die jahre 2017 und 2018 sei verfallen. dem stehe nicht die rechtsprechung des europäischen gerichtshofes entgegen. bereits mit urteil vom 22. november 2011 habe dieser entschieden, dass das ansparen von urlaubsansprüchen auch bei langer erkrankung zeitlich begrenzt werden könne. eine verfallfrist von 15 monaten sei zulässig (urteil vom 22. november 2011 – c-214/10). auch aus einer aktuellen entscheidung des bundesarbeitsgerichts, urteil vom 19. februar 2019 – 9 azr 541/15, ergebe sich nichts anderes. die aufklärungspflicht des arbeitgebers bzw. dienstherrn zur angemessenen aufklärung über den verfall von mindesturlaubsansprüchen stehe dem verfall durch zeitablauf nicht grundsätzlich entgegen. § 19 abs. 2 frurlv nrw sei daher grundsätzlich richtlinienkonform dahin auszulegen, dass der verfall zwar nur eintreten könne, wenn der dienstherr den beamten zuvor korrekt aufgefordert habe, den urlaub zu nehmen und ihn rechtzeitig auf den ansonsten eintretenden verfall hingewiesen habe. der kläger habe aber hier den ihm zustehenden urlaub nicht aufgrund einer verletzung der mitwirkungspflichten des dienstherrn verloren, sondern weil er krankheitsbedingt nicht in der lage gewesen sei, seinen erholungsurlaub zeitgerecht in anspruch zu nehmen. auch eine mitteilung über den drohenden verfall hätte daran nichts geändert. der vorliegende fall unterscheide sich daher deutlich von dem durch den europäischen gerichtshof entschiedenen regelfall, dass der urlaubsanspruch verfalle, wenn ein arbeitnehmer, ohne krank zu sein, seinen urlaub nicht in anspruch nehme. anders als in krankheitsfällen habe der arbeitgeber beziehungsweise dienstherr in diesen fällen von den leistungen seines arbeitnehmers profitiert. die anspruchsgrundlage des § 19a frurlv nrw bringe in umsetzung der richtlinie 2003/88/eg zum ausdruck, dass urlaubsansprüche auch bei langwieriger erkrankung durch zeitablauf verfallen könnten. einem unfreiwilligen verlust von urlaubsansprüchen infolge erkrankung könne ein hinweis nicht entgegen wirken. ein verfall führe nicht zu einer unrechtmäßigen bereicherung des arbeitgebers, der dem zweck der richtlinie, die gesundheit des arbeitnehmers zu schützen, zuwider laufen würde. eine unbegrenzte anhäufung von urlaubsansprüchen allein aufgrund einer obliegenheitsverletzung erweise sich in diesem fall als unangemessen. zudem sei zu berücksichtigen, dass ein hinweis über den resturlaubsanspruch mit blick auf die unwissenheit über den gesundheitszustand des klägers möglicherweise unpassend gewesen wäre. es sei beabsichtigt gewesen, dem kläger diese information zu dem zeitpunkt zukommen zu lassen, zu dem er seinen dienst wieder aufgenommen hätte. der umstand, dass § 19 abs. 6 frurlv nrw keine differenzierung für krankheitsbedingt nicht genommenen urlaub hinsichtlich der hinweispflicht treffe, führe nicht zu der annahme, dass eine solche pflicht in diesen fällen dennoch bestehe. es sei allgemein bekannt, dass es möglich sei, dass der gesetzgeber nicht alle erdenklichen eventualitäten mitbedacht habe und dass ausnahmetatbestände möglich sein müssten, auch wenn sie nicht geregelt seien. eine solche ausnahme sei hier gegeben, da der kläger seinen anspruch auf erholungsurlaub allein aufgrund seiner durchgängigen erkrankung, nicht aber wegen einer verletzung der mitwirkungspflicht des dienstherrn verloren habe. der kläger verkenne zudem, dass sich eine zeitliche festlegung bezüglich der hinweispflicht zu beginn eines jeden kalenderjahres erst aus dem neu geschaffenen § 19 abs. 6 frurlv nrw ergebe. derartiges ergebe sich jedoch weder aus der rechtsprechung des bundesarbeitsgerichts noch des europäischen gerichtshofes. diese fordern lediglich, dass der arbeitgeber – hier der dienstherr – seiner hinweispflicht rechtzeitig nachkomme. § 19 abs. 6 frurlv nrw sei jedoch erst nach der zurruhesetzung des klägers, nämlich am 22. oktober 2020 in kraft getreten. er finde auf den vorliegenden fall daher keine anwendung. 14wegen der weiteren einzelheiten des sachverhalts und des vorbringens der beteiligten wird auf den inhalt der gerichtsakte sowie des beigezogenen verwaltungsvorgangs ergänzend bezug genommen. 15
16die klage hat keinen erfolg. 17die zulässige klage ist unbegründet. die mit bescheid des polizeipräsidiums f. vom 21. september 2020 erfolgte ablehnung der finanziellen abgeltung von insgesamt 50 urlaubstagen für die jahre 2017 und 2018 ist rechtmäßig und verletzt den kläger nicht in seinen rechten (vgl. § 113 abs. 5 satz 1 der verwaltungsgerichtsordnung – vwgo). 18dem kläger steht weder aus nationalem (1.) noch aus europäischem recht (2.) ein anspruch auf (weitere) finanzielle abgeltung seines erholungsurlaubsanspruchs in der geltend gemachten höhe von 50 tagen für die urlaubsjahre 2017 und 2018 zu. 191. 20ein solcher anspruch ergibt sich nicht aus § 19a abs. 1 satz 1 der verordnung über die freistellung wegen mutterschutz für beamtinnen und richterinnen, eltern- und pflegezeit, erholungs- und sonderurlaub der beamtinnen und beamten und richterinnen und richter im land nordrhein-westfalen (frurlv nrw). 21nach dieser vorschrift ist erholungsurlaub bis zu einer dauer von 20 arbeitstagen im urlaubsjahr (mindesturlaub), der zum zeitpunkt der beendigung des beamtenverhältnisses krankheitsbedingt ganz oder teilweise nicht in anspruch genommen und zu diesem zeitpunkt nach § 19 absatz 2 frurlv nrw nicht verfallen ist, von amts wegen finanziell abzugelten. gleiches gilt für nicht beanspruchten zusatzurlaub nach § 208 absatz 1 satz 1 des neunten buches sozialgesetzbuch (sgb ix). 22die voraussetzungen des § 19a abs. 1 satz 1 frurlv nrw liegen nicht vor. der kläger war zwar seit dem 11. juni 2015 bis zu seiner versetzung in den ruhestand mit ablauf des 31. august 2020 dienstunfähig erkrankt. er konnte daher den ihm für die jahre 2017 und 2018 jeweils zustehenden mindesturlaub von 20 tagen zuzüglich des ihm aufgrund seiner schwerbehinderung nach § 208 sgb ix zustehenden sonderurlaubs von fünf tagen nicht in anspruch nehmen. 23der dem kläger für das jahr 2017 zustehende krankheitsbedingt nicht in anspruch genommene mindest- und sonderurlaub ist aber am 31. märz 2019 und der ihm für das jahr 2018 zustehende anspruch am 31. märz 2020 gemäß § 19 abs. 2 frurlv nrw verfallen. danach verfällt urlaub, der nicht innerhalb von 15 monaten nach dem ende des urlaubsjahres in anspruch genommen worden ist und nicht nach § 20a frurlv nrw angespart wird. mit dem verfall des urlaubsanspruchs ist nach § 19a abs. 1 satz 1 frurlv nrw auch die entstehung des entsprechenden urlaubsabgeltungsanspruchs bei beendigung des beamtenverhältnisses – hier mit ablauf des 31. august 2020 – ausgeschlossen. 24vgl. bverwg, urteil vom 31. januar 2013 - 2 c 10.12 -, juris, rn. 20 ff. 25a) die regelung des § 19 abs. 2 frurlv nrw verstößt zunächst nicht gegen europäisches recht. insbesondere ist sie mit art. 7 abs. 1 der richtlinie 2003/88/eg des europäischen parlaments und des rates vom 4. november 2003 über bestimmte aspekte der arbeitszeitgestaltung (rl 2003/88/eg), wonach die mitgliedsstaaten die erforderlichen maßnahmen zu treffen haben, damit jeder arbeitnehmer einen bezahlten mindesturlaub erhält, vereinbar. 26vgl. eugh, urteil vom 22. november 2011 - c-214/10 (khs) -, juris, rn. 23 ff, 44; bverwg, urteile vom 25. januar 2018 - 2 b 32.17 -, juris, rn. 14, und vom 31. januar 2013 - 2 c 1.12 -, juris, rn. 21; bag, beschluss vom 7. juli 2020 - 9 azr 401/19 -, juris, rn. 38 f. 27diese vorschrift ist auch auf beamte anwendbar. 28vgl. bverwg, urteil vom 31. januar 2013 - 2 c 10.12 -, juris, rn. 9 ff. mit weiteren nachweisen. 29nach der rechtsprechung des europäischen gerichtshofes ist ein erlöschen des anspruchs auf bezahlten jahresurlaub wegen art. 7 rl 2003/88/eg grundsätzlich unzulässig, wenn es dem arbeitnehmer nicht möglich war, den urlaub zu nehmen. eine ausnahme hiervon ist nach dem europäischen gerichtshof nur zulässig, wenn besondere umstände vorliegen, die den verfall des urlaubsanspruches trotz fehlender möglichkeit der inanspruchnahme zustehenden erholungsurlaubes rechtfertigen. derartige besondere umstände werden vom europäischen gerichtshof in diesem zusammenhang zunächst insbesondere dann angenommen, wenn der jeweilige arbeitnehmer den ihm zustehenden urlaubsanspruch krankheitsbedingt – wie hier – über einen mehrere bezugszeiträume umfassenden zeitraum nicht realisieren kann. 30vgl. eugh, urteil vom 22. november 2011 - c-214/10 (khs) -, juris, rn. 28 ff. 31denn in diesen fällen besteht anderenfalls die möglichkeit, dass ein arbeitnehmer – beziehungsweise wie hier ein beamter –, der während mehrerer bezugszeiträume in folge arbeitsunfähig beziehungsweise hier dienstunfähig ist und deshalb den ihm zustehenden urlaub nicht nehmen konnte, berechtigt wäre, unbegrenzt alle während des zeitraums seiner abwesenheit vom dienst erworbenen ansprüche auf bezahlten jahresurlaub anzusammeln. ein solches recht auf derartiges unbegrenztes ansammeln von ansprüchen, die während der dienstunfähigkeit erworben wurden, entspricht jedoch nicht mehr dem zweck des anspruchs auf bezahlten jahresurlaub. sinn und zweck des mindesturlaubs besteht darin, dem beamten zu ermöglichen, sich zum einen von der ausübung der ihm obliegenden aufgaben zu erholen und zum anderen über einen bestimmten zeitraum für entspannung und freizeit zu verfügen. den zweck als erholungszeit kann der urlaub jedoch nur dann noch ausreichend gewährleisten, wenn der übertrag eine gewisse zeitliche grenze nicht überschreitet. über eine solche grenze hinaus fehlt dem jahresurlaub nämlich seine positive wirkung für den arbeitnehmer als erholungszeit; erhalten bleibt ihm lediglich seine eigenschaft als zeitraum für entspannung und freizeit. der europäische gerichtshof hat daher bereits entschieden, dass eine regelung wie § 19 abs. 2 frurlv nrw, die einen übertragungszeitraum von 15 monaten in fällen krankheitsbedingter nichtinanspruchnahme festlegt, der regelung des art. 7 abs. 1 rl 2003/88/eg nicht entgegensteht. 32b) dem danach in fällen krankheitsbedingter nichtinanspruchnahme ausnahmsweise zulässigen verfall des vom kläger in den jahren 2017 und 2018 nicht in anspruch genommenen urlaubsanspruchs steht weiter nicht die regelung des § 19 abs. 6 frurlv nrw in der ab dem 22. oktober 2020 geltenden fassung entgegen. 33danach teilt der dienstherr dem beamten zu beginn eines jeden kalenderjahres den vorhandenen urlaubsanspruch nach der freistellungs- und urlaubsverordnung in textform mit, fordert ihn zur rechtzeitigen beantragung und inanspruchnahme des urlaubs auf und belehrt ihn für den fall der nichtinanspruchnahme über den ersatzlosen verfall nach absatz 2. wird die mitteilungspflicht nicht oder unvollständig erfüllt, tritt nicht beanspruchter mindesturlaub nach § 19a abs. 1 satz 1 frurlv nrw entsprechend dieser rechtsprechung am ende des übertragungszeitraums nach absatz 2 satz 1 zu dem im folgejahr entstandenen urlaubsanspruch hinzu beziehungsweise wird zum zeitpunkt der beendigung des beamtenverhältnisses entsprechend dem verfahren nach § 19a finanziell abgegolten. die sätze 1 bis 3 gelten entsprechend für den zusatzurlaubsanspruch nach § 208 abs. 1 satz 1 sgb ix (§ 19a abs. 6 satz 4 frurlv nrw). 34zwar ist diese vorschrift ohnehin auf den vorliegenden fall bereits nicht anwendbar. denn die regelung ist erst zum 22. oktober 2020 in kraft getreten und damit nach dem hier maßgeblichen zeitpunkt des entstehens eines möglichen abgeltungsanspruchs mit versetzung des klägers in den ruhestand mit ablauf des 31. august 2020. allerdings stellt sie die umsetzung einer rechtsprechung des europäischen gerichtshofes dar, die unabhängig von der nationalen regelungssituation gilt und damit bei richtlinienkonformer auslegung des § 19 abs. 2 frurlv nrw auch uneingeschränkt in gestalt einer unionsrechtskonformen anwendung bei früheren rechtslagen – und somit auch im vorliegenden fall – zu berücksichtigen ist. 35vgl. zu dieser rechtsprechung eugh, urteile vom 6. november 2018 - c-619/16 (kreuziger) -, juris, rn. 24 ff., 52; und c-684/16 (max-planck-gesellschaft zur förderung der wissenschaften) -, juris, rn. 18 ff., 45. 36nach dieser judikatur liegt ein fall der fehlenden möglichkeit der tatsächlichen inanspruchnahme des urlaubs durch den arbeitnehmer bzw. beamten und damit des zulässigen ausschlusses des verfalles von erholungsurlaubsansprüchen jenseits der langfristigen erkrankung auch dann vor, wenn die dienstvorgesetzte stelle den beamten nicht tatsächlich in die lage versetzt hat, den urlaub zu nehmen. 37vgl. zu dieser rechtsprechung eugh, urteil vom 6. november 2018 - c-619/16 (kreuziger) -, juris, rn. 42 ff, 45. 38der dienstherr hat konkret und in völliger transparenz dafür zu sorgen, dass der beamte den ihm zustehenden urlaub wahrnimmt. hierzu hat er ihn erforderlichenfalls förmlich aufzufordern und ihm klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der urlaub andernfalls am ende des bezugs- oder eines zulässigen übertragungszeitraums verfällt. 39hat der dienstherr dies getan, war der arbeitnehmer folglich auch in der lage, seinen erholungsurlaub in anspruch zu nehmen, jedenfalls soweit keine anderen gründe für die nichtinanspruchnahme vorliegen. der nicht realisierte urlaubsanspruch verfällt dann insoweit. hat der dienstherr indes keinen hinreichenden hinweis erteilt, war der betroffene arbeitnehmer nach der rechtsprechung des europäischen gerichtshofes auch nicht in der lage, seinen erholungsurlaubsanspruch zu realisieren. ein verfall ist insoweit ausgeschlossen, zumal der europäische gerichtshof dann keine besonderen, einen verfall rechtfertigende umstände erkennt. 40von daher ist § 19 abs. 2 frurlv nrw in den fällen wie hier, in denen § 19 abs. 6 frurlv nrw noch keine anwendung findet, grundsätzlich richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass dieser nur dann wirkung entfaltet, wenn der insoweit beweisbelastete dienstherr den nachweis erbringt, dass er vorab dafür gesorgt hat, dass der beamte als arbeitnehmer tatsächlich in der lage ist, seinen bezahlten jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, dies zu tun, und ihm, damit sichergestellt ist, dass der urlaub ihm noch die erholung und entspannung bieten kann, zu denen er beitragen soll, klar und rechtzeitig mitteilt, dass der urlaub, wenn er ihn nicht nimmt, am ende des bezugs- oder eines zulässigen übertragungszeitraums oder am ende des beamtenverhältnisses, wenn dies in einen solchen zeitraum fällt, verfallen wird. 41vgl. eugh, urteile vom 6. november 2018 - c-619/16 (kreuziger) -, juris, rn. 52, und c-648/16 (max-planck-gesellschaft zur förderung der wissenschaften) -, juris, rn. 45. 42in den fällen, in denen eine solche belehrung nicht erfolgt ist, liegen in der regel die nach der rechtsprechung des europäischen gerichtshofes geforderten besonderen umstände, die zum entfallen des urlaubsanspruchs in fällen fortdauernder dienst- bzw. arbeitsunfähigkeit führen können, auch nach ablauf der vorstehend dargestellten zulässigen übertragungszeit von 15 monaten nicht vor. 43vgl. bag, beschluss vom 7. juli 2020 - 9 azr 401/19 -, juris, rn. 17, sowie urteile vom 19. februar 2019 - 9 azr 541/15 -, juris, rn. 21 ff. und vom 19. februar 2019 - 9 azr 423/16 -, juris. 44danach bestehen die aufforderungs- und hinweisobliegenheiten des dienstherrn regelmäßig auch, wenn und solange der beamte dienstunfähig ist. sie können ihren zweck grundsätzlich erfüllen, weil sich die dauer der erkrankung nicht von vornherein absehen lässt. dem dienstherrn ist es in der regel möglich, den dienstunfähigen beamten entsprechend den gesetzlichen vorgaben rechtzeitig und zutreffend über den umfang und die befristung des urlaubsanspruchs unter berücksichtigung des bei einer langandauernden erkrankung geltenden übertragungszeitraums zu unterrichten. der dienstherr ist in den fällen einer erkrankung regelmäßig nicht gehindert, den beamten rechtzeitig aufzufordern, den urlaub bei wiedergenesung vor ablauf des urlaubsjahres oder des übertragungszeitraums zur vermeidung des verfalls so rechtzeitig zu beantragen, dass er innerhalb des laufenden urlaubsjahres oder des übertragungszeitraums gewährt und genommen werden kann, so dass der beamte ab dem ersten arbeitstag nach seiner wiedergenesung urlaub in anspruch nehmen kann. 45vgl. bag, beschluss vom 7. juli 2020 - 9 azr 401/19 -, juris, rn. 21. 46dem ist der beklagte hier indes nicht nachgekommen. 47von diesem grundsatz ausgehend ist jedoch gleichwohl für die vorliegende fallkonstellation der beanspruchung von urlaubsabgeltung für zeiten durchgängiger erkrankung festzustellen, dass einem verfall der urlaubsansprüche des klägers für den von ihm geltend gemachten zeitraum vorliegend nicht entgegensteht, dass der dienstherr ihn nicht vorab auf einen verfall von urlaubstagen hingewiesen hat. denn die oben zitierte rechtsprechung des europäischen gerichtshofes zur hinweisobliegenheit des dienstherrn greift in der hier vorliegenden konstellation nicht ein. vielmehr gelten weiterhin die bereits benannten, vom europäischen gerichtshof zum verfall von aufgrund langandauernder dienstunfähigkeit nicht in anspruch genommenen erholungsurlaubs entwickelten grundsätze. 48das fehlen einer solchen belehrung und damit die nichterfüllung der dem dienstherrn auferlegten obliegenheit bleibt zur überzeugung der kammer in übereinstimmung mit der auffassung des bundesarbeitsgerichts in fällen wie dem vorliegenden für die zeiten folgenlos, in denen ein beamter durchgehend dienstunfähig erkrankt war und deshalb – unabhängig davon, ob der dienstherr seine aufforderungs- und hinweisobliegenheiten erfüllt hat – überhaupt keinen urlaub nehmen konnte, die nichtinanspruchnahme des erholungsurlaubs mithin nicht auf dem unterbliebenen hinweis des dienstherrn, sondern ausschließlich auf der erkrankung des beamten beruht. 49vgl. bag, beschluss vom 7. juli 2020 - 9 azr 401/19 -, juris, rn. 24 ff.. 50die befristung des urlaubsanspruchs ist bei einem richtlinienkonformen verständnis des § 19 abs. 2 frurlv nrw nämlich nicht von der erfüllung der aufforderungs- und hinweisobliegenheiten abhängig, wenn es – was jedoch erst im nachhinein feststellbar ist – objektiv unmöglich gewesen wäre, den beamten durch mitwirkung des dienstherrn in die lage zu versetzen, den urlaubsanspruch zu realisieren. 51vgl. bag, beschluss vom 7. juli 2020 - 9 azr 401/19 -, juris, rn. 24. 52in diesen fällen, in denen der beamte für zeiten durchgängiger erkrankung keinen erholungsurlaub nehmen konnte, ist von besonderen umständen im sinne der rechtsprechung des europäischen gerichtshofes auszugehen, die den verfall des urlaubsanspruchs auch ohne die erfüllung der hinweisobliegenheiten rechtfertigen. 53vgl. zu dem entsprechenden erfordernis: schlussanträge des generalanwalts vom 17. märz 2022 - c-518/20 und c-727/20, juris, rn. 46; bag, beschluss vom 7. juli 2020 - 9 azr 245/19 -, juris, rn. 18. 54denn der zweck der hinweisobliegenheit des dienstherrn, zu verhindern, dass der beamte den urlaubsanspruch verliert, weil er ihn in unkenntnis der befristung und des damit einhergehenden risikos des erlöschens nicht rechtzeitig gegenüber dem dienstherrn geltend macht, bestimmt nicht nur den inhalt der rechtlich gebotenen aufforderungen und hinweise, sondern ist auch auf der rechtsfolgenseite zu berücksichtigen. 55vgl. hierzu bag, urteil vom 19. februar 2019 - 9 azr 423/16 -, juris, rn. 40 f., und beschluss vom 7. juli 2020 - 9 azr 401/19 -, juris, rn. 24. 56sinn und zweck der durch art. 7 der richtlinie 2003/88/eg und art. 31 abs. 2 der europäischen grundrechte-charta bestehenden obliegenheit des dienstherrn, den beamten erforderlichenfalls mittels entsprechender aufforderungen und hinweise in die lage zu versetzen, den urlaub wahrzunehmen, besteht in der vermeidung einer situation, in der die aufgabe, für die tatsächliche wahrnehmung des anspruchs auf bezahlten jahresurlaub zu sorgen, vollständig auf den beamten verlagert würde, während der dienstherr die möglichkeit erhielte, sich unter berufung auf den fehlenden urlaubsantrag des beamten seinen eigenen pflichten zu entziehen. 57vgl. eugh urteil vom 6. november 2018 - c-684/16 (max-planck-gesellschaft zur förderung der wissenschaften) -, juris, rn. 43. 58unter diesen umständen ist es dem dienstherrn, der seinen obliegenheiten nicht nachgekommen ist, nicht verwehrt, sich auf die befristung und das erlöschen des urlaubsanspruchs zu berufen, wenn der beamte seit beginn des urlaubsjahres durchgehend bis zum 31. märz des zweiten auf das urlaubsjahr folgenden kalenderjahres dienstunfähig war oder die bis zu diesem zeitpunkt fortbestehende dienstunfähigkeit im verlauf des urlaubsjahres eintrat, ohne dass dem beamten vor deren beginn (weiterer) urlaub hätte gewährt werden können. denn dann sind nicht handlungen oder unterlassungen des dienstherrn, sondern allein die dienstunfähigkeit des beamten für den verfall des urlaubsanspruches kausal. auch bei erfüllung der aufforderungs- und hinweisobliegenheiten hätte daher deren zweck nicht hätte erreicht werden können. 59vgl. bag, beschluss vom 7. juli 2020 - 9 azr 401/19 -, juris, rn. 26, und urteil vom 19. februar 2019 - 9 azr 423/16 -, juris, rn. 40. 60die unzweckmäßigkeit einer hinweispflicht im falle durchgängiger erkrankung währen des geltend gemachten bezugszeitraums und des sich anschließenden übertragungszeitraums zeigt sich beispielhaft auch daran, dass eine hinweispflicht in fällen schwerster erkrankung, in denen der jeweilige beamte möglicherweise schon nicht in der lage ist, den hinweis wahrzunehmen, offenkundig seinen zweck nicht erfüllen kann. denn der hinweis würde den beamten bereits nicht erreichen. 61ein beamter, der während des bezugs- und/oder übertragungszeitraums krankheitsbedingt dienstunfähig ist, kann seinen anspruch auf bezahlten jahresurlaub entgegen der ansicht des klägers im schriftsatz vom 18. oktober 2021 nicht ausüben. 62vgl. eugh, urteile vom 6. november 2018 - c-684/16 (max-planck-gesellschaft zur förderung der wissenschaften) -, juris, rn. 24, und vom 22. november 2011 - c-214/10 (khs) -, juris, rn. 27; bag, beschluss vom 7. juli 2020 - 9 azr 401/19 -, juris, rn. 27. 63denn eine freie entscheidung über die verwirklichung des urlaubsanspruchs ist– ohne dass es auf die aufforderungen und hinweise des dienstherrn ankäme – von vornherein ausgeschlossen, weil die durchgängige dienstunfähigkeit auf psychischen oder physischen beschwerden beruht und vom willen des beamten unabhängig ist. 64vgl. eugh, urteil vom 25. juni 2020 - c-762/18 und c-37/19 (varhoven kasatsionen sad na republika bulgaria) -, juris, rn. 66; bag, beschluss vom 7. juli 2020 - 9 azr 401/19 -, juris, rn. 23 ff. 65in diesem zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der urlaubsanspruch in fällen von arbeitsverhältnissen außerhalb des beamtenverhältnisses auf eine bezahlte befreiung von der arbeitspflicht gerichtet ist. 66vgl. bag, urteile vom 24. september 2019 - 9 azr 481/18 -, juris, rn. 50, und vom 19. februar 2019 - 9 azr 321/16 -, juris, rn. 17. 67ausgehend hiervon kann jedoch auch für beamte wegen der von der rechtsprechung anerkannten gleichstellung nichts anderes gelten. kann der beamte die dienstleistung krankheitsbedingt nicht erbringen, wird ihm die dienstpflicht unmöglich. entgegen der ansicht des klägers im schriftsatz vom 18. oktober 2021 ist daher auch eine befreiung von der dienstpflicht durch urlaubsgewährung sodann rechtlich unmöglich. 68vgl. bag, urteil vom 18. märz 2014 - 9 azr 669/12 -, juris, rn. 16, und beschluss vom 7. juli 2020 - 9 azr 401/19 -, juris, rn. 26. 69etwas anderes folgt auch nicht aus dem umstand, dass nach § 38 satz 1 frurlv nrw zeiten krankheitsbedingter dienstunfähigkeit nur dann auf den urlaubsanspruch nicht angerechnet werden, wenn dies unverzüglich angezeigt und durch ein ärztliches zeugnis nachgewiesen wird. denn diese vorschrift regelt vorrangig die frage, wie der dienstherr fehlzeiten zu verbuchen hat. sie trifft eine sonderregelung für während einer bereits festgelegten fehlzeit (hier: aufgrund von urlaub) eintretenden erkrankung. weiter enthält die regelung vorschriften in bezug auf die mitwirkungspflichten des beamten im falle einer während eines beantragten und genehmigten urlaubs auftretenden erkrankung. ein rückschluss darauf, dass bei bereits bestehender dauerhafter erkrankung urlaub mit der gleichen erholungsfunktion genommen werden kann wie ohne die erkrankung, lässt sich daraus jedoch nicht ziehen. 70etwas anderes kann auch nicht daraus abgeleitet werden, dass es – wie der kläger vorträgt – teilweise behördlicher praxis entspricht, die beamten anzuweisen, in fällen von dienstunfähigkeit geplanten urlaub anzuzeigen. denn eine solche verpflichtung zielt – sofern sie vorliegend überhaupt besteht – darauf ab, den dienstherrn über abwesenheitszeiten während einer erkrankung zu informieren und damit seinen beamtenrechtlichen pflichten der vollen persönlichen hingabe für das dienstverhältnis zu genügen. zudem muss der dienstherr in zeiten der dienstunfähigkeit die möglichkeit haben zu überprüfen, ob bestimmte handlungen des beamten der weiteren genesung möglicherweise schädlich sein könnten. ferner muss die erreichbarkeit des beamten unter umständen für behördliche anordnungen sichergestellt sein. hieraus ergibt sich jedoch keine genehmigungspflichtigkeit der geplanten abwesenheit im krankheitsfall im sinne einer urlaubsbewilligung. 71weiter streitet für die entbehrlichkeit eines hinweises auf den noch bestehenden urlaubsanspruch, dass es in der die hinweispflicht des dienstherrn begründenden entscheidung des europäischen gerichtshofes, 72vgl. eugh, urteil vom 6. november 2018 - c-684/16 (max-planck-gesellschaft zur förderung der wissenschaften) -, juris rn. 24, 73um eine weigerung des arbeitgebers, eine vergütung für bezahlten jahresurlaub zu zahlen, ging, der zum zeitpunkt der beendigung des arbeitsverhältnisses zwischen den parteien aufgrund fehlender beantragung nicht genommen worden war. 74vgl. eugh, urteil vom 6. november 2018 - c-684/16 (max-planck-gesellschaft zur förderung der wissenschaften) -, juris, rn. 21. 75damit unterscheidet sich der vom europäischen gerichtshof entschiedene fall zur frage des bestehens von der hinweisobliegenheit von dem vorliegenden. eine krankheitsbedingte verhinderung an der tatsächlichen inanspruchnahme des urlaubs war nach dem dortigen sachverhalt nicht gegeben. im unterschied zum dargestellten sachverhalt in dem vom europäischen gerichtshof entschiedenen fall war es dem dienstherrn im streitgegenständlichen zeitraum jedoch – wie ausgeführt – gar nicht möglich, dafür zu sorgen, dass der kläger tatsächlich in der lage war, den bezahlten jahresurlaub auch zu nehmen, da der dienstunfähige beamte diesen auch bei einer förmlichen aufforderung, den jahresurlaub zu nehmen, wegen der durchgängigen dienstunfähigkeit in der zeit vom 11. juni 2015 bis zur versetzung in den ruhestand nicht hätte antreten können. eine belehrung als obliegenheit des dienstherrn ergibt jedoch – wie ausgeführt – nur dann sinn, wenn der beamte auch in der lage ist, auf diese zu reagieren und den urlaub tatsächlich zu nehmen. dies ist vorliegend nicht der fall. der kläger war nicht durch die mangelnde aufklärung bzw. fehlende aufforderung des dienstherrn an der inanspruchnahme des urlaubs gehindert, sondern allein wegen seiner fortdauernden dienstunfähigkeit. 76vgl. vg karlsruhe, urteil vom 27. november 2019 - 4 k 10252/18 -, juris, rn. 38; vg köln, urteil vom 31. august 2020 - 15 k 8349/18 -, juris, rn. 64. 77etwas anderes ergibt sich im vorliegenden fall auch nicht aus dem umstand, dass sich die zeiten der dienstunfähigkeit des klägers jedenfalls bis zum 1. oktober 2015 teilweise mit zeiten einer wiedereingliederungsmaßnahme abwechselten. es kann insoweit dahinstehen, ob die zeit der wiedereingliederung keine zeit der dienstunfähigkeit ist, wie der kläger meint, 78vgl. dazu ovg hamburg, beschluss vom 22. mai 2018 - 5 bs 80/18 -, juris, rn. 30 und bag, urteil vom 19. april 1994 - 9 azr 462/92 -, juris, leitsatz 2, 79und daher für diesen zeitraum eine unterbrechung der dienstunfähigkeit anzunehmen ist, so dass der kläger seinen urlaub möglicherweise bis zum erneuten eintritt der (vollen) dienstunfähigkeit noch hätte nehmen können. 80vgl. zur frage der möglichen erforderlichkeit einer hinweispflicht in zeiten nur teilweiser erkrankung im bezugszeitraum und sich anschließender dauerhafter erkrankung: bag, beschluss vom beschluss vom 7. juli 2020 - 9 azr 401/19 -, juris, rn. 29 ff. 81denn die zeit der wiedereingliederung des klägers liegt bereits nicht im zeitraum der streitgegenständlichen urlaubsjahre 2017 und 2018. 82für die folgenlosigkeit der nicht erfüllten hinweisobliegenheit spricht im vorliegenden fall weiter, dass ein den verfall rechtfertigender besonderer umstand, der ein unbegrenztes ansammeln des dem beamten zustehenden erholungsurlaubs auch ohne die erteilung eines hinweises auf den anstehenden verfall verhindert, darin begründet ist, dass nach der rechtsprechung des europäischen gerichtshofes ein unbegrenztes ansammeln von urlaub insbesondere in fällen durchgängiger erkrankung begrenzt werden darf, weil mit dem in art. 31 abs. 2 der europäischen grundrechte-charta und in art. 7 der richtlinie 2003/88/eg verankerten anspruch auf bezahlten jahresurlaub – wie ausgeführt – ein doppelter zweck verfolgt wird. dieser besteht darin, es dem beamten zu ermöglichen, sich zum einen von der ausübung der ihm obliegenden dienstpflichten zu erholen und zum anderen über einen zeitraum für entspannung und freizeit zu verfügen. ein recht auf ein unbegrenztes ansammeln von ansprüchen auf bezahlten jahresurlaub aus mehreren bezugszeiträumen, die während eines zeitraums der dienstunfähigkeit erworben wurden, entspräche jedoch nicht mehr dem zweck des anspruchs auf bezahlten jahresurlaub. 83vgl. eugh, urteil vom 22. november 2011 - c-214/10 (khs) - juris, rn. 30 f. 84dessen positive wirkung für die sicherheit und die gesundheit des beamten verliert zwar nicht an bedeutung, wenn der urlaub zu einer späteren zeit genommen wird. der urlaub kann seiner zweckbestimmung jedoch nur insoweit entsprechen, als der übertrag eine gewisse zeitliche grenze nicht überschreitet. über eine solche grenze hinaus fehlt dem jahresurlaub seine positive wirkung für den beamten als erholungszeit; erhalten bleibt ihm lediglich seine eigenschaft als zeitraum für entspannung und freizeit. unter berücksichtigung dieser erwägungen hat der gerichtshof festgestellt, dass art. 7 abs. 1 der richtlinie 2003/88/eg einzelstaatlichen rechtsvorschriften nicht entgegensteht, die in fällen der langzeiterkrankung von arbeitnehmern einen auf 15 monate begrenzten übertragungszeitraum vorsehen, nach dessen ablauf der anspruch auf bezahlten jahresurlaub erlischt. 85vgl. eugh, urteil vom 22. november 2011 - c-214/10 (khs) -, juris, rn. 33, 43; bag, beschluss vom 7. juli 2020 - 9 azr 401/19 -, juris, rn. 38 ff. 86dem steht nicht die erwägung des klägers entgegen, dass der zweck des erholungsurlaubs auch in den fällen nicht mehr erreicht werden könne, in denen ein beamter aus anderen gründen als dem der dienstunfähigkeit aus dem beamtenverhältnis entlassen würde, diesen beamten jedoch bei verletzung der hinweisobliegenheit ein unbegrenztes ansammeln möglich gewesen sei, sodass der nicht in anspruch genommene urlaub abzugelten sei. hierbei ist nämlich zu berücksichtigen, dass in diesen fällen eine andere sachverhaltskonstellation gegeben ist. anders als in den fällen durchgängiger erkrankung des beamten hat der dienstherr von der dienstleistung dieser beamten auch tatsächlich profitiert und ist daher weniger schützenswert als in den fällen, in denen ein beamter durchgängig erkrankt war und dementsprechend keine dienstleistung erbracht hat. in diesem umstand liegen besondere umstände, die den europäischen gerichtshof veranlasst haben, in fällen durchgängiger erkrankung ein unbegrenztes ansammeln von urlaubsansprüchen durch die schaffung eines hinreichend lagen übergangszeitraums zu ermöglichen. 87vgl. eugh, urteil vom 22. november 2011 - c-214/10 (khs) -, juris, rn. 33, 43; schlussantrag des generalstaatsanwaltes vom 17. märz 2022 - c-518/20 und c-727/20, juris -, rn. 49, 52. 88vor diesem hintergrund greifen die vom europäischen gerichtshof getroffenen erwägungen hinsichtlich der hinweisobliegenheit des dienstherrn, durch die der betroffene beamten in die lage versetzen soll, seinen ihm zustehenden erholungsurlaub in anspruch zu nehmen, in der vorliegenden konstellation nicht. vielmehr bleibt es bei den vom europäischen gerichtshof aufgestellten grundsätzen, wonach ein erholungsurlaubsanspruch eines beamten, der im bezugszeitraum und im sich anschließenden übertragungszeitraum allein aus dauerhaften gesundheitlichen gründen seinen erholungsurlaubsanspruch nicht realisieren kann, gemäß einer nationalen regelung – wie hier § 19 abs. 2 frurlv nrw – nach 15 monaten verfallen kann, weil wegen der gefahr des unbegrenzten ansammelns von erholungsurlaubsansprüchen besondere, den verfall rechtfertigende umstände vorliegen. 892. auch aus art. 7 rl 2003/88/eg steht dem kläger ein anspruch auf finanzielle abgeltung seines restlichen erholungsurlaubs für die jahre 2017 und 2018 nicht zu. 90nach dieser vorschrift treffen die mitgliedstaaten die erforderlichen maßnahmen, damit jeder arbeitnehmer einen bezahlten mindestjahresurlaub von vier wochen nach maßgabe der bedingungen für die inanspruchnahme und die gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen gepflogenheiten vorgesehen sind (absatz 1). der bezahlte mindestjahresurlaub darf außer bei beendigung des arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle vergütung ersetzt werden (absatz 2). 91aus art. 7 abs. 2 richtlinie 2003/88/eg ergibt sich über das nationale recht hinaus unmittelbar ein abgeltungsanspruch, wenn der arbeitnehmer nicht die möglichkeit hatte, den ihm zustehenden mindesturlaub in anspruch zu nehmen. 92vgl. ovg nrw, beschluss vom 3. april 2017 - 6 a 1084/15 -, juris, rn. 16. 93im streitfall gewährt art. 7 abs. 2 richtlinie 2003/88/eg jedoch keine über die nationalen bestimmungen hinausgehenden ansprüche, da dessen voraussetzungen in den entscheidungserheblichen punkten identisch sind. 94die frage, ob hinweisobliegenheiten über den verfall von urlaubsansprüchen für beamte im falle der geltendmachung von ansprüchen für zeiten durchgängiger erkrankungen entgegen der vorstehenden rechtsansicht unmittelbar aus der richtlinie herzuleiten sind, ist zu verneinen, da sich die beantwortung dieser frage bereits im rahmen der nationalstaatlichen regelung an art. 7 abs. 2 der richtlinie 2003/88/eg und der rechtsprechung der europäischen gerichtshofes orientiert. 95dies zugrunde gelegt kann der kläger aus art. 7 abs. 1 und 2 der richtlinie 2003/88/eg im streitfalle keine weitergehenden rechte ableiten als aus § 19a frurlv nrw. zur weiteren begründung wird zur vermeidung von wiederholungen auf die unter 1. erfolgten ausführungen verwiesen. 96die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 1 vwgo. die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit basiert auf § 167 vwgo in verbindung mit §§ 708 nr. 11, 709 satz 2, 711 der zivilprozessordnung (zpo). 97rechtsmittelbelehrung: 98gegen dieses urteil steht den beteiligten die berufung an das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. die berufung ist nur zuzulassen, wenn 991. ernstliche zweifel an der richtigkeit des urteils bestehen, 1002. die rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche schwierigkeiten aufweist, 1013. die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat, 1024. das urteil von einer entscheidung des oberverwaltungsgerichts, des bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen senats der obersten gerichtshöfe des bundes oder des bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser abweichung beruht oder 1035. ein der beurteilung des berufungsgerichts unterliegender verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die entscheidung beruhen kann. 104die zulassung der berufung ist innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils schriftlich bei dem verwaltungsgericht gelsenkirchen, bahnhofsvorplatz 3, 45879 gelsenkirchen, zu beantragen. der antrag muss das angefochtene urteil bezeichnen. innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils sind die gründe darzulegen, aus denen die berufung zuzulassen ist. die begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem antrag vorgelegt worden ist, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen, aegidiikirchplatz 5, 48143 münster, schriftlich einzureichen. 105auf die unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung von schriftstücken als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 106im berufungsverfahren muss sich jeder beteiligte durch einen prozessbevollmächtigten vertreten lassen. dies gilt auch für den antrag auf zulassung der berufung. der kreis der als prozessbevollmächtigte zugelassenen personen und organisationen bestimmt sich nach § 67 abs. 4 vwgo. 107b e s c h l u s s : 108der streitwert wird auf 9.269,33 eur festgesetzt. 109g r ü n d e : 110die streitwertfestsetzung beruht auf § 52 abs. 3 gkg. unter zugrundelegung der nach § 19a abs. 2 frurlv nrw festzusetzenden höhe des begehrten abgeltungsanspruchs für 50 urlaubstage ist der streitwert unter berücksichtigung des umstandes, dass der kläger vor seiner zurruhesetzung der besoldungsgruppe a 10 und der erfahrungsstufe 11 (4016,71 eur brutto / monat) zugeordnet war von einem streitwert in höhe von 9.269,22 eur auszugehen (4016,71 eur x 3 = 12.050,13 eur / 13 = 926,922 eur / 5 = 185,386 eur x 50 tage = 9.269,33 eur). 111rechtsmittelbelehrung: 112gegen diesen beschluss findet innerhalb von sechs monaten, nachdem die entscheidung in der hauptsache rechtskraft erlangt oder das verfahren sich anderweitig erledigt hat, beschwerde statt, wenn der wert des beschwerdegegenstandes 200 euro übersteigt. 113die beschwerde ist schriftlich oder zur niederschrift des urkundsbeamten der geschäftsstelle beim verwaltungsgericht gelsenkirchen, bahnhofsvorplatz 3, 45879 gelsenkirchen einzulegen. über sie entscheidet das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen, aegidiikirchplatz 5, 48143 münster, falls das beschließende gericht ihr nicht abhilft. 114auf die unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung von schriftstücken als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen.
345,781
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1 K 2881/21
2022-05-25T00:00:00
Urteil
Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Berufung wird zugelassen. 1Tatbestand: 2Die Beteiligten streiten um die finanzielle Abgeltung krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommenen Erholungsurlaubs aus dem Jahr 2019. 3Der Kläger, der zuletzt als Polizeikommissar mit Stammdienststelle beim Polizeipräsidium C. seinen Dienst verrichtete, wurde mit Ablauf des 30. April 2021 wegen Polizeidienstunfähigkeit und allgemeiner Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. 4Er hat seit dem Jahr 2018 einen Grad der Behinderung von 50 %. 5In der Zeit vom 27. August 2018 bis seiner Versetzung in den Ruhestand war er dienstunfähig erkrankt. Der Beklagte erteilte dem Kläger, der im Verdacht stand, eine Geiselnahme verwirklicht zu haben, ab dem 31. Januar 2019 Hausverbot und verbot ihm die Führung von Dienstgeschäften. 6Mit Bescheid vom 14. Juni 2021 setzte das Polizeipräsidium C. auf Antrag des Klägers die finanzielle Abgeltung von krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommenem Erholungsurlaub für die Jahre 2020 und 2021 auf insgesamt 33,34 Urlaubstage fest. Der Anspruch auf Mindesturlaub aus dem Jahre 2019 sei hingegen am 31. März 2021 verfallen. Der Bescheid wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 15. Juni 2021 zugestellt. 7Der Kläger hat am 15. Juli 2021 Klage erhoben. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, er habe als Schwerbehinderter für das Jahr 2019 weiterhin einen Anspruch auf Abgeltung von krankheitsbedingt nicht genommenem Erholungsurlaub in Höhe von 25 Tagen. Ein Verfall sei nicht eingetreten, da dies nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes nur dann der Fall sei, wenn er zuvor vom Dienstherrn hierauf hingewiesen worden sei, was hier nicht erfolgt sei. Er wäre auch in der Lage gewesen, den Erholungsurlaub zumindest teilweise in Anspruch zu nehmen, wenn ihn der Beklagte nicht vom Dienst ausgeschlossen hätte. 8Der Kläger beantragt – schriftsätzlich und sinngemäß –, 9den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Polizeipräsidiums C. vom 14. Juni 2021 zu verpflichten, ihm krankheitsbedingt bei Versetzung in den Ruhestand nicht in Anspruch genommenen Mindesturlaub von 25 Tagen für das Jahr 2019 finanziell abzugelten. 10Der Beklagte beantragt – schriftsätzlich –, 11die Klage abzuweisen. 12Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, der aus dem Jahr 2019 stammende Urlaubsanspruch des Klägers sei verfallen. Der hier unterbliebene Hinweis auf den Verfall des Urlaubsanspruches aus dem Jahr 2019 sei wegen seiner Zwecklosigkeit unschädlich. Ein Hinweis auf den Verfall erfülle nur dann seinen Sinn, wenn der Betroffene nicht ohnehin wegen andauernder Dienstunfähigkeit gehindert sei, seinen Urlaubsanspruch zu realisieren. Dies sei beim Kläger aber der Fall, da er das gesamte Jahr 2019 dienstunfähig erkrankt und allein deshalb an der Inanspruchnahme seines Erholungsurlaubes gehindert gewesen sei. 13Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 16. Mai 2022 und vom 17. Mai 2022 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. 14Für weitere Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. 15Entscheidungsgründe: 16Über die Sache entscheidet die Kammer ohne mündliche Verhandlung, nachdem sich die Beteiligten hiermit wirksam einverstanden erklärt haben (vgl. § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). 17Die zulässige Klage ist unbegründet. Die mit Bescheid des Polizeipräsidiums C. vom 14. Juni 2021 erfolgte Ablehnung der finanziellen Abgeltung von insgesamt 25 Urlaubstagen für das Jahr 2019 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). 18Dem Kläger steht weder aus nationalem (1.) noch aus europäischem Recht (2.) ein Anspruch auf finanzielle Abgeltung seines restlichen Erholungsurlaubsanspruchs in der geltend gemachten Höhe von 25 Tagen für das Urlaubsjahr 2019 zu. 191. 20Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 19a Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Freistellung wegen Mutterschutz für Beamtinnen und Richterinnen, Eltern- und Pflegezeit, Erholungs- und Sonderurlaub der Beamtinnen und Beamten und Richterinnen und Richter im Land Nordrhein-Westfalen (FrUrlV NRW). 21Nach dieser Vorschrift ist Erholungsurlaub bis zu einer Dauer von 20 Arbeitstagen im Urlaubsjahr (Mindesturlaub), der zum Zeitpunkt der Beendigung des Beamtenverhältnisses krankheitsbedingt ganz oder teilweise nicht in Anspruch genommen und zu diesem Zeitpunkt nach § 19 Absatz 2 FrUrlV NRW nicht verfallen ist, von Amts wegen finanziell abzugelten. Gleiches gilt für nicht beanspruchten Zusatzurlaub nach § 208 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX). 22Die Voraussetzungen der Norm liegen nicht vor. Der Kläger war zwar seit dem 27. August 2018 bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand mit Ablauf des 30. April 2021 dienstunfähig erkrankt. Er konnte daher den ihm auch für das Jahr 2019 zustehenden Mindesturlaub von 20 Tagen zuzüglich der ihm aufgrund seiner Schwerbehinderung nach § 208 SGB IX zustehenden Sonderurlaubs von fünf Tagen nicht in Anspruch nehmen. 23Der dem Kläger für das Jahr 2019 zustehende krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommene Mindest- und Sonderurlaub ist aber am 31. März 2021 gemäß § 19 Abs. 2 FrUrlV NRW verfallen. Danach verfällt Urlaub, der nicht innerhalb von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres in Anspruch genommen worden ist und nicht nach § 20a FrUrlV NRW angespart wird. Mit dem Verfall des Urlaubsanspruchs ist nach § 19a Abs. 1 Satz 1 FrUrlV NRW auch die Entstehung des entsprechenden Urlaubsabgeltungsanspruchs bei Beendigung des Beamtenverhältnisses – hier mit Ablauf des 30. April 2021 – ausgeschlossen. 24Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 2 C 10.12 -, juris, Rn. 20 ff. 25a) Die Regelung des § 19 Abs. 2 FrUrlV NRW verstößt zunächst nicht gegen europäisches Recht. Insbesondere ist sie mit Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (RL 2003/88/EG), wonach die Mitgliedsstaaten die erforderlichen Maßnahmen zu treffen haben, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindesturlaub erhält, vereinbar. 26Vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2011 - C-214/10 (KHS) -, juris, Rn. 23 ff, 44; BVerwG, Urteile vom 25. Januar 2018 - 2 B 32.17 -, juris, Rn. 14, und vom 31. Januar 2013 - 2 C 1.12 -, juris, Rn. 21; BAG, Beschluss vom 7. Juli 2020 - 9 AZR 401/19 -, juris, Rn. 38 f. 27Diese Vorschrift ist auch auf Beamte anwendbar. 28Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 2 C 10.12 -, juris, Rn. 9 ff. mit weiteren Nachweisen. 29Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ist ein Erlöschen des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub wegen Art. 7 RL 2003/88/EG grundsätzlich unzulässig, wenn es dem Arbeitnehmer nicht möglich war, den Urlaub zu nehmen. Eine Ausnahme hiervon ist nach dem Europäischen Gerichtshof nur zulässig, wenn besondere Umstände vorliegen, die den Verfall des Urlaubsanspruches trotz fehlender Möglichkeit der Inanspruchnahme zustehenden Erholungsurlaubes rechtfertigen. Derartige besondere Umstände werden vom Europäischen Gerichtshof in diesem Zusammenhang zunächst insbesondere dann angenommen, wenn der jeweilige Arbeitnehmer den ihm zustehenden Urlaubsanspruch krankheitsbedingt – wie hier – über einen mehrere Bezugseiträume umfassenden Zeitraum nicht realisieren kann. 30Vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2011 - C-214/10 (KHS) -, juris, Rn. 28 ff. 31Denn in diesen Fällen besteht anderenfalls die Möglichkeit, dass ein Arbeitnehmer – bzw. wie hier ein Beamter –, der während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeitsunfähig bzw. hier dienstunfähig ist und deshalb den ihm zustehenden Urlaub nicht nehmen konnte, berechtigt wäre, unbegrenzt alle während des Zeitraums seiner Abwesenheit vom Dienst erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub anzusammeln. Ein solches Recht auf derartiges unbegrenztes Ansammeln von Ansprüchen, die während der Dienstunfähigkeit erworben wurden, entspricht jedoch nicht mehr dem Zweck des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub. Sinn und Zweck des Mindesturlaubs besteht darin, dem Beamten zu ermöglichen, sich zum einen von der Ausübung der ihm obliegenden Aufgaben zu erholen und zum anderen über einen bestimmten Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen. Den Zweck als Erholungszeit kann der Urlaub jedoch nur dann noch ausreichend gewährleisten, wenn der Übertrag eine gewisse zeitliche Grenze nicht überschreitet. Über eine solche Grenze hinaus fehlt dem Jahresurlaub nämlich seine positive Wirkung für den Arbeitnehmer als Erholungszeit; erhalten bleibt ihm lediglich seine Eigenschaft als Zeitraum für Entspannung und Freizeit. Der Europäische Gerichtshof hat daher bereits entschieden, dass eine Regelung wie § 19 Abs. 2 FrUrlV NRW, die einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten in Fällen krankheitsbedingter Nichtinanspruchnahme festlegt, der Regelung des Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG nicht entgegensteht. 32b) Dem danach in Fällen krankheitsbedingter Nichtinanspruchnahme ausnahmsweise zulässigen Verfall des vom Kläger im Jahr 2019 nicht in Anspruch genommenen Urlaubsanspruchs steht vorliegend auch nicht die Regelung des § 19 Abs. 6 FrUrlV NRW in der ab dem 6. Oktober 2020 geltenden Fassung entgegen. Danach setzt der Verfall des Urlaubsanspruches voraus, dass der Dienstherr zu Beginn eines Kalenderjahres über den ersatzlosen Verfall noch vorhandenen Urlaubsanspruches belehrt. 33aa) Die Vorschrift ist bereits am 22. Oktober 2020, also vor dem hier maßgeblichen Zeitpunkt des möglichen Verfalles des Urlaubsanspruches aus dem Jahr 2019, in Kraft getreten und daher auf den vorliegenden Fall auch anwendbar. Bei der Frage, ob ein Anspruch besteht, der sich – wie hier – auf einen bestimmten Zeitraum bezieht, ist auf die im betroffenen Zeitraum geltende Rechtslage abzustellen. Ob der Kläger mithin für das Jahr 2019 noch einen abgeltungsfähigen Urlaubsanspruch hat, ist damit anhand des für diesen Zeitraum geltenden Rechts zu beurteilen. 34Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. März 2014 - 6 A 2680/12 -, juris, Rn. 10 ff. 35Demnach gilt die FrUrlV NRW in der Fassung vom 22. Oktober 2020 auch noch für den Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2019, weil der zum 22. Oktober 2020 neu eingefügte § 19 Abs. 6 FrUrlV NRW sich auf Urlaubsansprüche bezieht, die zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens noch nicht nach § 19 Abs. 2 FrUrlV NRW verfallen waren, was auf den Urlaubsanspruch des Klägers aus dem Jahr 2019 zutrifft. 36bb) Auch wenn der Wortlaut des § 19 Abs. 6 FrUrlV NRW dazu Anlass geben mag, eine uneingeschränkte Hinweisobliegenheit des Dienstherrn zu vermuten, ergibt eine auf ihren Zweck gerichtete Auslegung der Vorschrift, dass ein unterbliebener Hinweis des Dienstherrn auf den Verfall jedenfalls in der hier vorliegenden Konstellation durchgängiger Dienstunfähigkeit folgenlos ist. Insoweit ist die Vorschrift teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass die Fälle durchgängiger Dienstunfähigkeit nach dem Willen des Normgebers von der allgemeinen Hinweisobliegenheit nicht umfasst sein sollen. 37Zur Erfassung des Inhalts einer Norm darf sich das Gericht der verschiedenen anerkannten, insbesondere der teleologischen Auslegungsmethoden bedienen. Sie stehen zur grammatischen – also wortlautbezogenen – Auslegung im Verhältnis gegenseitiger Ergänzung. Dabei ist es das Ziel, den Sinn und Zweck der Norm, mithin ihre wahre Bedeutung, freizulegen. Die Interpretation ist demnach Methode und Weg, auf dem das Gericht den Inhalt einer Gesetzesbestimmung erforscht, ohne durch den formalen Wortlaut des Gesetzes begrenzt zu sein. 38Vgl. grundlegend BVerfG, Beschlüsse vom 19. Juni 1973 - 1 BvL 36/69 und 1 BvL 14/72 -, juris, Rn. 49, und vom 23. Oktober 1958 - 1 BvL 45/56 -, juris, Rn. 28 ff. 39Im Hinblick auf § 19 Abs. 6 FrUrlV NRW ist der Wortlaut als offen zu bezeichnen, da er eine inhaltliche Einschränkung zwar nicht vorsieht, sie aber auch nicht explizit ausschließt. Eine teleologische Auslegung ergibt hingegen offenkundig, dass § 19 Abs. 6 FrUrlV NRW ausschließlich die Umsetzung einer Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes sicherstellen und nicht über diese hinausgehen will. Dies hat der Normgeber des Öfteren klargestellt. 40Vgl. etwa Runderlass des Ministeriums der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 15. Oktober 2020 - 24-42.01.26 -, Ziffer 1 lit. a: „Die Regelung setzt die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vom 6. November 2018 - C-619/16 (Kreuziger) und C-684/16 (Shimizu) um, wonach Erholungsurlaub ohne eine konkrete Information des Arbeitgebers zur Inanspruchnahme und zum Verfall nicht - wie bisher geregelt - automatisch am Ende eines Übertragungszeitraumes verfallen darf“. 41Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ist demnach für den Normgeber teleologisch betrachtet nicht nur Anlass, sondern auch Inhalts- und Umfangsbestimmung der Vorschrift. Eine umfangreiche, in allen Konstellationen greifende Hinweisobliegenheit des Dienstherrn war insoweit keinesfalls die Absicht des Normgebers. Das zeigt sich nicht zuletzt auch daran, dass die Hinweisobliegenheit nach seinen Vorstellungen und trotz fehlender Einschränkung des Wortlautes des § 19 Abs. 6 FrUrlV NRW nicht für verbeamtete Lehrkräfte gelten soll. 42Vgl. etwa Runderlass des Ministeriums für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen vom 26. Oktober 2020 - 213-1.21.03-106946 -, S. 2. 43Schließlich ergibt sich die Absicht des Normgebers, sich hinsichtlich der Regelungen des Verfalles sowie der Urlaubsabgeltung auf die europarechtlichen Mindestvorgaben zu beschränken, auch anhand des § 19a Abs. 1 Satz 1 FrUrlV NRW, der eine finanzielle Abgeltung nicht genommenen Erholungsurlaubes allenfalls in Höhe des europarechtlich garantierten Mindesturlaub ermöglicht, nicht aber den gesamten nach nordrhein-westfälischem Recht zugesprochenen Erholungsurlaubsanspruch umfasst. 44Vor diesem Hintergrund reicht der Inhalt des § 19 Abs. 6 FrUrlV NRW auch nur soweit, wie es nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zu Art. 7 RL 2003/88/EG der Fall ist. Nach dieser bleibt ein unterbliebener Hinweis aber in den Fällen durchgängiger Dienstunfähigkeit folgenlos. 45Zunächst geht der Europäische Gerichtshof grundsätzlich davon aus, dass ein Verfall des Urlaubsanspruches nur dann eintreten kann, wenn die dienstvorgesetzte Stelle von Amts wegen dem Beamten zu Beginn eines jeden Kalenderjahres den vorhandenen Urlaubsanspruch nach der Freistellungs- und Urlaubsverordnung in Textform mitteilt und zur rechtzeitigen Beantragung und Inanspruchnahme des Urlaubs auffordert, sowie für den Fall der Nichtinanspruchnahme über den ersatzlosen Verfall nach Absatz 2 belehrt. Wird die Mitteilungspflicht nicht oder unvollständig erfüllt, tritt nicht beanspruchter Mindesturlaub nach § 19a Abs. 1 Satz 1 FrUrlV NRW entsprechend dieser Rechtsprechung am Ende des Übertragungszeitraums nach Absatz 2 Satz 1 zu dem im Folgejahr entstandenen Urlaubsanspruch hinzu bzw. wird zum Zeitpunkt der Beendigung des Beamtenverhältnisses entsprechend dem Verfahren nach § 19a finanziell abgegolten. Die Sätze 1 bis 3 gelten entsprechend für den Zusatzurlaubsanspruch nach § 208 Absatz 1 Satz 1 SGB IX. 46Vgl. EuGH, Urteile vom 6. November 2018 - C-619/16 (Kreuziger) -, juris, Rn. 24 ff., 52; und C-684/16 (Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften) -, juris, Rn. 18 ff., 45. 47In den Fällen, in denen eine solche Belehrung nicht erfolgt ist, liegen in der Regel die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes geforderten besonderen Umstände, die zum Entfallen des Urlaubsanspruchs in Fällen fortdauernder Dienst- bzw. Arbeitsunfähigkeit führen können, auch nach Ablauf der vorstehend dargestellten zulässigen Übertragungszeit von 15 Monaten nicht vor. 48Vgl. BAG, Beschluss vom 7. Juli 2020 - 9 AZR 401/19 -, juris, Rn. 17; Urteil vom 19. Februar 2019 - 9 AZR 541/15 -, juris, Rn. 21 ff; Urteil vom 19. Februar 2019 - 9 AZR 423/16 -, juris. 49Danach bestehen die Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten des Dienstherrn regelmäßig auch, wenn und solange der Beamte dienstunfähig ist. Sie können ihren Zweck grundsätzlich erfüllen, weil sich die Dauer der Erkrankung nicht von vornherein absehen lässt. Dem Dienstherrn ist es in der Regel möglich, den dienstunfähigen Beamten entsprechend den gesetzlichen Vorgaben rechtzeitig und zutreffend über den Umfang und die Befristung des Urlaubsanspruchs unter Berücksichtigung des bei einer langandauernden Erkrankung geltenden Übertragungszeitraums zu unterrichten. Der Dienstherr ist in den Fällen einer Erkrankung regelmäßig nicht gehindert, den Beamten rechtzeitig aufzufordern, den Urlaub bei Wiedergenesung vor Ablauf des Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraums zur Vermeidung des Verfalls so rechtzeitig zu beantragen, dass er innerhalb des laufenden Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraums gewährt und genommen werden kann, so dass der Beamte ab dem ersten Arbeitstag nach seiner Wiedergenesung Urlaub in Anspruch nehmen kann. 50Vgl. BAG, Beschluss vom 7. Juli 2020 - 9 AZR 401/19 -, juris, Rn. 21. 51Dem ist der Beklagte hier indes nicht nachgekommen. 52Von diesem Grundsatz ausgehend ist jedoch gleichwohl für die vorliegende Fallkonstellation der Beanspruchung von Urlaubsabgeltung für Zeiten durchgängiger Erkrankung festzustellen, dass einem Verfall der Urlaubsansprüche des Klägers für diesen Zeitraum vorliegend nicht entgegensteht, dass der Dienstherr ihn nicht vorab auf einen Verfall von Urlaubstagen hingewiesen hat. Denn die oben zitierte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zur Hinweisobliegenheit des Dienstherrn – und damit auch § 19 Abs. 6 FrUrlV NRW – greift in der hier vorliegenden Konstellation nicht ein. Vielmehr gelten weiterhin die bereits benannten, vom Europäischen Gerichtshof zum Verfall von aufgrund langandauernder Dienstunfähigkeit nicht in Anspruch genommenen Erholungsurlaubs entwickelten Grundsätze. Auch das Bundesarbeitsgericht geht davon aus, dass sich die fehlende Notwendigkeit eines Verfallshinweises bei andauernder Erkrankung ohne Weiteres aus der bisherigen Judikatur des Europäischen Gerichtshofes ergebe, ohne dass es etwa einer entsprechenden Vorlage der Frage an den Gerichtshof bedürfe. 53Vgl. BAG, Beschluss vom 7. Juli 2020 - 9 AZR 401/19 -, juris, Rn. 17. 54Das Fehlen einer solchen Belehrung und damit die Nichterfüllung der dem Dienstherrn auferlegten Obliegenheit bleibt auch zur Überzeugung der Kammer in Fällen wie dem vorliegenden für die Zeiten folgenlos, in denen ein Beamter durchgehend dienstunfähig erkrankt war und deshalb – unabhängig davon, ob der Dienstherr seine Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten erfüllt hat – überhaupt keinen Urlaub nehmen konnte, die Nichtinanspruchnahme des Erholungsurlaubs mithin nicht auf dem unterbliebenen Hinweis des Dienstherrn, sondern ausschließlich auf der Erkrankung des Beamten beruht. 55Vgl. BAG, Beschluss vom 7. Juli 2020 - 9 AZR 401/19 -, juris, Rn. 24 ff. 56Die Befristung des Urlaubsanspruchs ist bei einem richtlinienkonformen Verständnis des § 19 Abs. 2 FrUrlV NRW nämlich nicht von der Erfüllung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten abhängig, wenn es – was jedoch erst im Nachhinein feststellbar ist – objektiv unmöglich gewesen wäre, den Beamten durch Mitwirkung des Dienstherrn in die Lage zu versetzen, den Urlaubsanspruch zu realisieren. 57Vgl. BAG, Beschluss vom 7. Juli 2020 - 9 AZR 401/19 -, juris, Rn. 24. 58In diesen Fällen, in denen der Beamte für Zeiten durchgängiger Erkrankung keinen Erholungsurlaub nehmen konnte, ist von besonderen Umständen im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes auszugehen, die den Verfall des Urlaubsanspruchs auch ohne die Erfüllung der Hinweisobliegenheiten rechtfertigen. 59Vgl. zu dem entsprechenden Erfordernis: Schlussanträge des Generalanwalts vom 17. März 2022 - C-518/20 und C-727/20, juris, Rn. 46; BAG, Beschluss vom 7. Juli 2020 - 9 AZR 401/19 -, juris, Rn. 17. 60Denn der Zweck der Hinweisobliegenheit des Dienstherrn, zu verhindern, dass der Beamte den Urlaubsanspruch verliert, weil er ihn in Unkenntnis der Befristung und des damit einhergehenden Risikos des Erlöschens nicht rechtzeitig gegenüber dem Dienstherrn geltend macht, bestimmt nicht nur den Inhalt der rechtlich gebotenen Aufforderungen und Hinweise, sondern ist auch auf der Rechtsfolgenseite zu berücksichtigen. 61Vgl. hierzu BAG, Urteil vom 19. Februar 2019 - 9 AZR 423/16 -, juris, Rn. 40 f., und Beschluss vom 7. Juli 2020 - 9 AZR 401/19 -, juris, Rn. 24. 62Sinn und Zweck der durch Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 der Europäischen Grundrechte-Charta bestehenden Obliegenheit des Dienstherrn, den Beamten erforderlichenfalls mittels entsprechender Aufforderungen und Hinweise in die Lage zu versetzen, den Urlaub wahrzunehmen, besteht in der Vermeidung einer Situation, in der die Aufgabe, für die tatsächliche Wahrnehmung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub zu sorgen, vollständig auf den Beamten verlagert würde, während der Dienstherr die Möglichkeit erhielte, sich unter Berufung auf den fehlenden Urlaubsantrag des Beamten seinen eigenen Pflichten zu entziehen. 63Vgl. EuGH Urteil vom 6. November 2018 - C-684/16 (Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften) -, juris, Rn. 43. 64Unter diesen Umständen ist es dem Dienstherrn, der seinen Obliegenheiten nicht nachgekommen ist, nicht verwehrt, sich auf die Befristung und das Erlöschen des Urlaubsanspruchs zu berufen, wenn der Beamte seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres dienstunfähig war oder die bis zu diesem Zeitpunkt fortbestehende Dienstunfähigkeit im Verlauf des Urlaubsjahres eintrat, ohne dass dem Beamten vor deren Beginn (weiterer) Urlaub hätte gewährt werden können. Denn dann sind nicht Handlungen oder Unterlassungen des Dienstherrn, sondern allein die Dienstunfähigkeit des Beamten für den Verfall des Urlaubsanspruches kausal. Auch bei Erfüllung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten hätte daher deren Zweck nicht erreicht werden können. 65Vgl. BAG, Beschluss vom 7. Juli 2020 - 9 AZR 401/19 -, juris, Rn. 26, und Urteil vom 19. Februar 2019 - 9 AZR 423/16 -, juris, Rn. 40. 66Die Unzweckmäßigkeit einer Hinweispflicht im Falle durchgängiger Erkrankung währen des geltend gemachten Bezugszeitraums und des sich anschließenden Übertragungszeitraums zeigt sich beispielhaft auch daran, dass eine Hinweispflicht in Fällen schwerster Erkrankung, in denen der jeweilige Beamte möglicherweise schon nicht in der Lage ist, den Hinweis wahrzunehmen, offenkundig seinen Zweck nicht erfüllen kann. Denn der Hinweis würde den Beamten bereits nicht erreichen. 67Ein Beamter, der während des Bezugs- und/oder Übertragungszeitraums krankheitsbedingt dienstunfähig ist, kann seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben. 68Vgl. EuGH, Urteile vom 6. November 2018 - C-684/16 (Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften) -, juris, Rn. 24, und vom 22. November 2011 - C-214/10 (KHS) -, juris, Rn. 27; BAG, Beschluss vom 7. Juli 2020 - 9 AZR 401/19 -, juris, Rn. 27. 69Denn eine freie Entscheidung über die Verwirklichung des Urlaubsanspruchs ist – ohne dass es auf die Aufforderungen und Hinweise des Dienstherrn ankäme – von vornherein ausgeschlossen, weil die durchgängige Dienstunfähigkeit auf psychischen oder physischen Beschwerden beruht und vom Willen des Beamten unabhängig ist. 70Vgl. EuGH, Urteil vom 25. Juni 2020 - C-762/18 und C-37/19 (Varhoven kasatsionen sad na Republika Bulgaria) -, juris, Rn. 66; BAG, Beschluss vom 7. Juli 2020 - 9 AZR 401/19 -, juris, Rn. 23 ff. 71In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der Urlaubsanspruch in Fällen von Arbeitsverhältnissen außerhalb des Beamtenverhältnisses auf eine bezahlte Befreiung von der Arbeitspflicht gerichtet ist. 72Vgl. BAG, Urteile vom 24. September 2019 - 9 AZR 481/18 -, juris, Rn. 50, und vom 19. Februar 2019 - 9 AZR 321/16 -, juris, Rn. 17. 73Ausgehend hiervon kann jedoch auch für Beamte wegen der von der Rechtsprechung anerkannten Gleichstellung nichts anderes gelten. Kann der Beamte die Dienstleistung krankheitsbedingt nicht erbringen, wird ihm die Dienstpflicht unmöglich. Auch eine Befreiung von der Dienstpflicht durch Urlaubsgewährung ist daher sodann rechtlich unmöglich. 74Vgl. BAG, Urteil vom 18. März 2014 - 9 AZR 669/12 -, juris, Rn. 16, und Beschluss vom 7. Juli 2020 - 9 AZR 401/19 -, juris, Rn. 26. 75Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass nach § 38 Satz 1 FrUrlV NRW Zeiten krankheitsbedingter Dienstunfähigkeit nur dann auf den Urlaubsanspruch nicht angerechnet werden, wenn dies unverzüglich angezeigt und durch ein ärztliches Zeugnis nachgewiesen wird. Denn diese Vorschrift regelt lediglich die Frage, wie der Dienstherr Fehlzeiten zu verbuchen hat. Sie trifft eine Sonderregelung für während einer bereits festgelegten Fehlzeit (hier: aufgrund von Urlaub) eintretenden Erkrankung. Weiter enthält die Regelung Vorschriften in Bezug auf die Mitwirkungspflichten des Beamten im Falle einer während eines beantragten und genehmigten Urlaubs auftretenden Erkrankung. Ein Rückschluss darauf, dass bei bereits bestehender dauerhafter Erkrankung Urlaub mit der gleichen Erholungsfunktion genommen werden kann, wie ohne die Erkrankung, lässt sich daraus nicht ziehen. 76Weiter streitet für die Entbehrlichkeit eines Hinweises auf den noch bestehenden Urlaubsanspruch, dass es in der die Hinweispflicht des Dienstherrn begründenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes, 77vgl. EuGH, Urteile vom 6. November 2018 - C-684/16 (Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften) -, juris Rn. 24, 78um eine Weigerung des Arbeitgebers, eine Vergütung für bezahlten Jahresurlaub zu zahlen, ging, der zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien aufgrund fehlender Beantragung nicht genommen worden war. 79Vgl. EuGH, Urteil vom 6. November 2018 - C-684/16 (Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften) -, juris, Rn. 21. 80Damit unterscheidet sich der vom Europäischen Gerichtshof entschiedene Fall zur Frage des Bestehens von der Hinweisobliegenheit von dem vorliegenden. Eine krankheitsbedingte Verhinderung an der tatsächlichen Inanspruchnahme des Urlaubs war nach dem dortigen Sachverhalt nicht gegeben. Im Unterschied zum dargestellten Sachverhalt in dem vom Europäischen Gerichtshof entschiedenen Fall war es dem Dienstherrn im streitgegenständlichen Zeitraum jedoch – wie ausgeführt – gar nicht möglich, dafür zu sorgen, dass der Kläger tatsächlich in der Lage war, den bezahlten Jahresurlaub auch zu nehmen, da der dienstunfähige Beamte diesen auch bei einer förmlichen Aufforderung, den Jahresurlaub zu nehmen, wegen der durchgängigen Dienstunfähigkeit nicht hätte antreten können. Eine Belehrung als Obliegenheit des Dienstherrn ergibt jedoch – wie ausgeführt – nur dann Sinn, wenn der Beamte auch in der Lage ist, auf diese zu reagieren und den Urlaub tatsächlich zu nehmen. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Kläger war nicht durch die mangelnde Aufklärung bzw. fehlende Aufforderung des Dienstherrn an der Inanspruchnahme des Urlaubs gehindert, sondern allein wegen seiner fortdauernden Dienstunfähigkeit. 81Vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 27. November 2019 - 4 K 10252/18 -, juris, Rn. 38; VG Köln, Urteil vom 31. August 2020 - 15 K 8349/18 -, juris, Rn. 64. 82Weiter ist vorliegend zu berücksichtigen, dass ein den Verfall rechtfertigender besonderer Umstand, der ein unbegrenztes Ansammeln des dem Beamten zustehenden Erholungsurlaubs auch ohne die Erteilung eines Hinweises auf den anstehenden Verfall verhindert, darin begründet ist, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ein unbegrenztes Ansammeln von Urlaub insbesondere in Fällen durchgängiger Erkrankung begrenzt werden darf, weil mit dem in Art. 31 Abs. 2 der Europäischen Grundrechte-Charta und in Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG verankerten Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub – wie ausgeführt – ein doppelter Zweck verfolgt wird. Dieser besteht darin, es dem Beamten zu ermöglichen, sich zum einen von der Ausübung der ihm obliegenden Dienstpflichten zu erholen und zum anderen über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen. Ein Recht auf ein unbegrenztes Ansammeln von Ansprüchen auf bezahlten Jahresurlaub aus mehreren Bezugszeiträumen, die während eines Zeitraums der Dienstunfähigkeit erworben wurden, entspräche jedoch nicht mehr dem Zweck des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub. 83Vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2011 - C-214/10 (KHS)- juris, Rn. 30 f. 84Dessen positive Wirkung für die Sicherheit und die Gesundheit des Beamten verliert zwar nicht an Bedeutung, wenn der Urlaub zu einer späteren Zeit genommen wird. Der Urlaub kann seiner Zweckbestimmung jedoch nur insoweit entsprechen, als der Übertrag eine gewisse zeitliche Grenze nicht überschreitet. Über eine solche Grenze hinaus fehlt dem Jahresurlaub seine positive Wirkung für den Beamten als Erholungszeit; erhalten bleibt ihm lediglich seine Eigenschaft als Zeitraum für Entspannung und Freizeit. Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen hat der Gerichtshof festgestellt, dass Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG einzelstaatlichen Rechtsvorschriften nicht entgegensteht, die in Fällen der Langzeiterkrankung von Arbeitnehmern einen auf 15 Monate begrenzten Übertragungszeitraum vorsehen, nach dessen Ablauf der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erlischt. 85Vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2011 - C-214/10 (KHS)-, juris, Rn. 33, 43; BAG, Beschluss vom 7. Juli 2020 - 9 AZR 401/19 -, juris, Rn. 38 ff. 86Vor diesem Hintergrund ergibt sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes die Entbehrlichkeit eines Hinweises auf den Verfall von Erholungsurlaub, wenn – wie hier – nachträglich festgestellt wird, dass der Betroffene im Bezugszeitraum und im sich anschließenden Übertragungszeitraum allein aus dauerhaften gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage war, den Erholungsurlaub zu realisieren. Dagegen kann der Kläger auch nicht mit Erfolg anführen, er hätte den Erholungsurlaub zumindest teilweise realisieren können, wenn sein Dienstherrn ihn nicht durch Erlass eines Hausverbotes und das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte an der Dienstausübung gehindert hätte. Denn selbst wenn der Dienstherr dem Kläger gegenüber kein Hausverbot erteilt sowie das Führens von Dienstgeschäfte verboten hätte, wäre der Kläger – wie er auch selbst vorträgt – bis zum Eintritt in seinen Ruhestand mit Ablauf des 30. April 2021 dauerhaft erkrankt. Demnach ist die andauernde Dienstunfähigkeit vom Beklagten zu Recht als Grund für den fehlenden Hinweis angebracht worden. 872. 88Auch aus Art. 7 RL 2003/88/EG steht dem Kläger ein Anspruch auf finanzielle Abgeltung seines restlichen Erholungsurlaubanspruchs aus dem Jahr 2019 nicht zu. 89Aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG ergibt sich über das nationale Recht hinaus unmittelbar ein Abgeltungsanspruch, wenn der Arbeitnehmer nicht die Möglichkeit hatte, den ihm zustehenden Mindesturlaub in Anspruch zu nehmen. 90Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3. April 2017 - 6 A 1084/15 -, juris, Rn. 16. 91Im Streitfall gewährt Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG jedoch keine über die nationalen Bestimmungen hinausgehenden Ansprüche, da dessen Voraussetzungen in den entscheidungserheblichen Punkten identisch sind. 92Die Frage, ob Hinweisobliegenheiten über den Verfall von Urlaubsansprüchen für Beamte im Falle der Geltendmachung von Ansprüchen für Zeiten durchgängiger Erkrankungen entgegen der vorstehenden Rechtsansicht unmittelbar aus der Richtlinie herzuleiten sind, ist zu verneinen, da sich die Beantwortung dieser Frage bereits im Rahmen der nationalstaatlichen Regelung an Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG und der Rechtsprechung der Europäischen Gerichtshofes orientiert. 93Dies zugrunde gelegt kann der Kläger aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG im Streitfalle keine weitergehenden Rechte ableiten als aus § 19a FrUrlV NRW. Zur weiteren Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die unter 1. erfolgten Ausführungen verwiesen. 94Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO 95Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. 96Die Berufung ist nach § 124a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, da die Rechtssache angesichts der angenommenen teleologischen Reduktion des § 19 Abs. 6 FrUrlV NRW grundsätzliche Bedeutung hat. 97Rechtsmittelbelehrung: 98Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster zu. 99Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, einzulegen und muss das angefochtene Urteil bezeichnen. 100Die Berufung ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Die Begründung ist, wenn sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich einzureichen. 101Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 102Im Berufungsverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Berufung. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO.
die klage wird abgewiesen. der kläger trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der kläger kann die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht der beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. die berufung wird zugelassen. 1
2die beteiligten streiten um die finanzielle abgeltung krankheitsbedingt nicht in anspruch genommenen erholungsurlaubs aus dem jahr 2019. 3der kläger, der zuletzt als polizeikommissar mit stammdienststelle beim polizeipräsidium c. seinen dienst verrichtete, wurde mit ablauf des 30. april 2021 wegen polizeidienstunfähigkeit und allgemeiner dienstunfähigkeit in den vorzeitigen ruhestand versetzt. 4er hat seit dem jahr 2018 einen grad der behinderung von 50 %. 5in der zeit vom 27. august 2018 bis seiner versetzung in den ruhestand war er dienstunfähig erkrankt. der beklagte erteilte dem kläger, der im verdacht stand, eine geiselnahme verwirklicht zu haben, ab dem 31. januar 2019 hausverbot und verbot ihm die führung von dienstgeschäften. 6mit bescheid vom 14. juni 2021 setzte das polizeipräsidium c. auf antrag des klägers die finanzielle abgeltung von krankheitsbedingt nicht in anspruch genommenem erholungsurlaub für die jahre 2020 und 2021 auf insgesamt 33,34 urlaubstage fest. der anspruch auf mindesturlaub aus dem jahre 2019 sei hingegen am 31. märz 2021 verfallen. der bescheid wurde dem prozessbevollmächtigten des klägers am 15. juni 2021 zugestellt. 7der kläger hat am 15. juli 2021 klage erhoben. zur begründung führt er im wesentlichen aus, er habe als schwerbehinderter für das jahr 2019 weiterhin einen anspruch auf abgeltung von krankheitsbedingt nicht genommenem erholungsurlaub in höhe von 25 tagen. ein verfall sei nicht eingetreten, da dies nach der rechtsprechung des europäischen gerichtshofes nur dann der fall sei, wenn er zuvor vom dienstherrn hierauf hingewiesen worden sei, was hier nicht erfolgt sei. er wäre auch in der lage gewesen, den erholungsurlaub zumindest teilweise in anspruch zu nehmen, wenn ihn der beklagte nicht vom dienst ausgeschlossen hätte. 8der kläger beantragt – schriftsätzlich und sinngemäß –, 9den beklagten unter teilweiser aufhebung des bescheides des polizeipräsidiums c. vom 14. juni 2021 zu verpflichten, ihm krankheitsbedingt bei versetzung in den ruhestand nicht in anspruch genommenen mindesturlaub von 25 tagen für das jahr 2019 finanziell abzugelten. 10der beklagte beantragt – schriftsätzlich –, 11die klage abzuweisen. 12zur begründung führt er im wesentlichen aus, der aus dem jahr 2019 stammende urlaubsanspruch des klägers sei verfallen. der hier unterbliebene hinweis auf den verfall des urlaubsanspruches aus dem jahr 2019 sei wegen seiner zwecklosigkeit unschädlich. ein hinweis auf den verfall erfülle nur dann seinen sinn, wenn der betroffene nicht ohnehin wegen andauernder dienstunfähigkeit gehindert sei, seinen urlaubsanspruch zu realisieren. dies sei beim kläger aber der fall, da er das gesamte jahr 2019 dienstunfähig erkrankt und allein deshalb an der inanspruchnahme seines erholungsurlaubes gehindert gewesen sei. 13die beteiligten haben mit schriftsätzen vom 16. mai 2022 und vom 17. mai 2022 auf die durchführung einer mündlichen verhandlung verzichtet. 14für weitere einzelheiten zum sach- und streitstand wird auf die gerichtsakte sowie die beigezogenen verwaltungsvorgänge verwiesen. 15
16über die sache entscheidet die kammer ohne mündliche verhandlung, nachdem sich die beteiligten hiermit wirksam einverstanden erklärt haben (vgl. § 101 abs. 2 der verwaltungsgerichtsordnung – vwgo). 17die zulässige klage ist unbegründet. die mit bescheid des polizeipräsidiums c. vom 14. juni 2021 erfolgte ablehnung der finanziellen abgeltung von insgesamt 25 urlaubstagen für das jahr 2019 ist nicht rechtswidrig und verletzt den kläger nicht in seinen rechten (vgl. § 113 abs. 5 satz 1 vwgo). 18dem kläger steht weder aus nationalem (1.) noch aus europäischem recht (2.) ein anspruch auf finanzielle abgeltung seines restlichen erholungsurlaubsanspruchs in der geltend gemachten höhe von 25 tagen für das urlaubsjahr 2019 zu. 191. 20ein solcher anspruch ergibt sich nicht aus § 19a abs. 1 satz 1 der verordnung über die freistellung wegen mutterschutz für beamtinnen und richterinnen, eltern- und pflegezeit, erholungs- und sonderurlaub der beamtinnen und beamten und richterinnen und richter im land nordrhein-westfalen (frurlv nrw). 21nach dieser vorschrift ist erholungsurlaub bis zu einer dauer von 20 arbeitstagen im urlaubsjahr (mindesturlaub), der zum zeitpunkt der beendigung des beamtenverhältnisses krankheitsbedingt ganz oder teilweise nicht in anspruch genommen und zu diesem zeitpunkt nach § 19 absatz 2 frurlv nrw nicht verfallen ist, von amts wegen finanziell abzugelten. gleiches gilt für nicht beanspruchten zusatzurlaub nach § 208 absatz 1 satz 1 des neunten buches sozialgesetzbuch (sgb ix). 22die voraussetzungen der norm liegen nicht vor. der kläger war zwar seit dem 27. august 2018 bis zu seiner versetzung in den ruhestand mit ablauf des 30. april 2021 dienstunfähig erkrankt. er konnte daher den ihm auch für das jahr 2019 zustehenden mindesturlaub von 20 tagen zuzüglich der ihm aufgrund seiner schwerbehinderung nach § 208 sgb ix zustehenden sonderurlaubs von fünf tagen nicht in anspruch nehmen. 23der dem kläger für das jahr 2019 zustehende krankheitsbedingt nicht in anspruch genommene mindest- und sonderurlaub ist aber am 31. märz 2021 gemäß § 19 abs. 2 frurlv nrw verfallen. danach verfällt urlaub, der nicht innerhalb von 15 monaten nach dem ende des urlaubsjahres in anspruch genommen worden ist und nicht nach § 20a frurlv nrw angespart wird. mit dem verfall des urlaubsanspruchs ist nach § 19a abs. 1 satz 1 frurlv nrw auch die entstehung des entsprechenden urlaubsabgeltungsanspruchs bei beendigung des beamtenverhältnisses – hier mit ablauf des 30. april 2021 – ausgeschlossen. 24vgl. bverwg, urteil vom 31. januar 2013 - 2 c 10.12 -, juris, rn. 20 ff. 25a) die regelung des § 19 abs. 2 frurlv nrw verstößt zunächst nicht gegen europäisches recht. insbesondere ist sie mit art. 7 abs. 1 der richtlinie 2003/88/eg des europäischen parlaments und des rates vom 4. november 2003 über bestimmte aspekte der arbeitszeitgestaltung (rl 2003/88/eg), wonach die mitgliedsstaaten die erforderlichen maßnahmen zu treffen haben, damit jeder arbeitnehmer einen bezahlten mindesturlaub erhält, vereinbar. 26vgl. eugh, urteil vom 22. november 2011 - c-214/10 (khs) -, juris, rn. 23 ff, 44; bverwg, urteile vom 25. januar 2018 - 2 b 32.17 -, juris, rn. 14, und vom 31. januar 2013 - 2 c 1.12 -, juris, rn. 21; bag, beschluss vom 7. juli 2020 - 9 azr 401/19 -, juris, rn. 38 f. 27diese vorschrift ist auch auf beamte anwendbar. 28vgl. bverwg, urteil vom 31. januar 2013 - 2 c 10.12 -, juris, rn. 9 ff. mit weiteren nachweisen. 29nach der rechtsprechung des europäischen gerichtshofes ist ein erlöschen des anspruchs auf bezahlten jahresurlaub wegen art. 7 rl 2003/88/eg grundsätzlich unzulässig, wenn es dem arbeitnehmer nicht möglich war, den urlaub zu nehmen. eine ausnahme hiervon ist nach dem europäischen gerichtshof nur zulässig, wenn besondere umstände vorliegen, die den verfall des urlaubsanspruches trotz fehlender möglichkeit der inanspruchnahme zustehenden erholungsurlaubes rechtfertigen. derartige besondere umstände werden vom europäischen gerichtshof in diesem zusammenhang zunächst insbesondere dann angenommen, wenn der jeweilige arbeitnehmer den ihm zustehenden urlaubsanspruch krankheitsbedingt – wie hier – über einen mehrere bezugseiträume umfassenden zeitraum nicht realisieren kann. 30vgl. eugh, urteil vom 22. november 2011 - c-214/10 (khs) -, juris, rn. 28 ff. 31denn in diesen fällen besteht anderenfalls die möglichkeit, dass ein arbeitnehmer – bzw. wie hier ein beamter –, der während mehrerer bezugszeiträume in folge arbeitsunfähig bzw. hier dienstunfähig ist und deshalb den ihm zustehenden urlaub nicht nehmen konnte, berechtigt wäre, unbegrenzt alle während des zeitraums seiner abwesenheit vom dienst erworbenen ansprüche auf bezahlten jahresurlaub anzusammeln. ein solches recht auf derartiges unbegrenztes ansammeln von ansprüchen, die während der dienstunfähigkeit erworben wurden, entspricht jedoch nicht mehr dem zweck des anspruchs auf bezahlten jahresurlaub. sinn und zweck des mindesturlaubs besteht darin, dem beamten zu ermöglichen, sich zum einen von der ausübung der ihm obliegenden aufgaben zu erholen und zum anderen über einen bestimmten zeitraum für entspannung und freizeit zu verfügen. den zweck als erholungszeit kann der urlaub jedoch nur dann noch ausreichend gewährleisten, wenn der übertrag eine gewisse zeitliche grenze nicht überschreitet. über eine solche grenze hinaus fehlt dem jahresurlaub nämlich seine positive wirkung für den arbeitnehmer als erholungszeit; erhalten bleibt ihm lediglich seine eigenschaft als zeitraum für entspannung und freizeit. der europäische gerichtshof hat daher bereits entschieden, dass eine regelung wie § 19 abs. 2 frurlv nrw, die einen übertragungszeitraum von 15 monaten in fällen krankheitsbedingter nichtinanspruchnahme festlegt, der regelung des art. 7 abs. 1 rl 2003/88/eg nicht entgegensteht. 32b) dem danach in fällen krankheitsbedingter nichtinanspruchnahme ausnahmsweise zulässigen verfall des vom kläger im jahr 2019 nicht in anspruch genommenen urlaubsanspruchs steht vorliegend auch nicht die regelung des § 19 abs. 6 frurlv nrw in der ab dem 6. oktober 2020 geltenden fassung entgegen. danach setzt der verfall des urlaubsanspruches voraus, dass der dienstherr zu beginn eines kalenderjahres über den ersatzlosen verfall noch vorhandenen urlaubsanspruches belehrt. 33aa) die vorschrift ist bereits am 22. oktober 2020, also vor dem hier maßgeblichen zeitpunkt des möglichen verfalles des urlaubsanspruches aus dem jahr 2019, in kraft getreten und daher auf den vorliegenden fall auch anwendbar. bei der frage, ob ein anspruch besteht, der sich – wie hier – auf einen bestimmten zeitraum bezieht, ist auf die im betroffenen zeitraum geltende rechtslage abzustellen. ob der kläger mithin für das jahr 2019 noch einen abgeltungsfähigen urlaubsanspruch hat, ist damit anhand des für diesen zeitraum geltenden rechts zu beurteilen. 34vgl. ovg nrw, beschluss vom 10. märz 2014 - 6 a 2680/12 -, juris, rn. 10 ff. 35demnach gilt die frurlv nrw in der fassung vom 22. oktober 2020 auch noch für den urlaubsanspruch aus dem jahr 2019, weil der zum 22. oktober 2020 neu eingefügte § 19 abs. 6 frurlv nrw sich auf urlaubsansprüche bezieht, die zum zeitpunkt seines inkrafttretens noch nicht nach § 19 abs. 2 frurlv nrw verfallen waren, was auf den urlaubsanspruch des klägers aus dem jahr 2019 zutrifft. 36bb) auch wenn der wortlaut des § 19 abs. 6 frurlv nrw dazu anlass geben mag, eine uneingeschränkte hinweisobliegenheit des dienstherrn zu vermuten, ergibt eine auf ihren zweck gerichtete auslegung der vorschrift, dass ein unterbliebener hinweis des dienstherrn auf den verfall jedenfalls in der hier vorliegenden konstellation durchgängiger dienstunfähigkeit folgenlos ist. insoweit ist die vorschrift teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass die fälle durchgängiger dienstunfähigkeit nach dem willen des normgebers von der allgemeinen hinweisobliegenheit nicht umfasst sein sollen. 37zur erfassung des inhalts einer norm darf sich das gericht der verschiedenen anerkannten, insbesondere der teleologischen auslegungsmethoden bedienen. sie stehen zur grammatischen – also wortlautbezogenen – auslegung im verhältnis gegenseitiger ergänzung. dabei ist es das ziel, den sinn und zweck der norm, mithin ihre wahre bedeutung, freizulegen. die interpretation ist demnach methode und weg, auf dem das gericht den inhalt einer gesetzesbestimmung erforscht, ohne durch den formalen wortlaut des gesetzes begrenzt zu sein. 38vgl. grundlegend bverfg, beschlüsse vom 19. juni 1973 - 1 bvl 36/69 und 1 bvl 14/72 -, juris, rn. 49, und vom 23. oktober 1958 - 1 bvl 45/56 -, juris, rn. 28 ff. 39im hinblick auf § 19 abs. 6 frurlv nrw ist der wortlaut als offen zu bezeichnen, da er eine inhaltliche einschränkung zwar nicht vorsieht, sie aber auch nicht explizit ausschließt. eine teleologische auslegung ergibt hingegen offenkundig, dass § 19 abs. 6 frurlv nrw ausschließlich die umsetzung einer rechtsprechung des europäischen gerichtshofes sicherstellen und nicht über diese hinausgehen will. dies hat der normgeber des öfteren klargestellt. 40vgl. etwa runderlass des ministeriums der justiz des landes nordrhein-westfalen vom 15. oktober 2020 - 24-42.01.26 -, ziffer 1 lit. a: „die regelung setzt die rechtsprechung des europäischen gerichtshofs vom 6. november 2018 - c-619/16 (kreuziger) und c-684/16 (shimizu) um, wonach erholungsurlaub ohne eine konkrete information des arbeitgebers zur inanspruchnahme und zum verfall nicht - wie bisher geregelt - automatisch am ende eines übertragungszeitraumes verfallen darf“. 41die rechtsprechung des europäischen gerichtshofes ist demnach für den normgeber teleologisch betrachtet nicht nur anlass, sondern auch inhalts- und umfangsbestimmung der vorschrift. eine umfangreiche, in allen konstellationen greifende hinweisobliegenheit des dienstherrn war insoweit keinesfalls die absicht des normgebers. das zeigt sich nicht zuletzt auch daran, dass die hinweisobliegenheit nach seinen vorstellungen und trotz fehlender einschränkung des wortlautes des § 19 abs. 6 frurlv nrw nicht für verbeamtete lehrkräfte gelten soll. 42vgl. etwa runderlass des ministeriums für schule und bildung des landes nordrhein-westfalen vom 26. oktober 2020 - 213-1.21.03-106946 -, s. 2. 43schließlich ergibt sich die absicht des normgebers, sich hinsichtlich der regelungen des verfalles sowie der urlaubsabgeltung auf die europarechtlichen mindestvorgaben zu beschränken, auch anhand des § 19a abs. 1 satz 1 frurlv nrw, der eine finanzielle abgeltung nicht genommenen erholungsurlaubes allenfalls in höhe des europarechtlich garantierten mindesturlaub ermöglicht, nicht aber den gesamten nach nordrhein-westfälischem recht zugesprochenen erholungsurlaubsanspruch umfasst. 44vor diesem hintergrund reicht der inhalt des § 19 abs. 6 frurlv nrw auch nur soweit, wie es nach der rechtsprechung des europäischen gerichtshofes zu art. 7 rl 2003/88/eg der fall ist. nach dieser bleibt ein unterbliebener hinweis aber in den fällen durchgängiger dienstunfähigkeit folgenlos. 45zunächst geht der europäische gerichtshof grundsätzlich davon aus, dass ein verfall des urlaubsanspruches nur dann eintreten kann, wenn die dienstvorgesetzte stelle von amts wegen dem beamten zu beginn eines jeden kalenderjahres den vorhandenen urlaubsanspruch nach der freistellungs- und urlaubsverordnung in textform mitteilt und zur rechtzeitigen beantragung und inanspruchnahme des urlaubs auffordert, sowie für den fall der nichtinanspruchnahme über den ersatzlosen verfall nach absatz 2 belehrt. wird die mitteilungspflicht nicht oder unvollständig erfüllt, tritt nicht beanspruchter mindesturlaub nach § 19a abs. 1 satz 1 frurlv nrw entsprechend dieser rechtsprechung am ende des übertragungszeitraums nach absatz 2 satz 1 zu dem im folgejahr entstandenen urlaubsanspruch hinzu bzw. wird zum zeitpunkt der beendigung des beamtenverhältnisses entsprechend dem verfahren nach § 19a finanziell abgegolten. die sätze 1 bis 3 gelten entsprechend für den zusatzurlaubsanspruch nach § 208 absatz 1 satz 1 sgb ix. 46vgl. eugh, urteile vom 6. november 2018 - c-619/16 (kreuziger) -, juris, rn. 24 ff., 52; und c-684/16 (max-planck-gesellschaft zur förderung der wissenschaften) -, juris, rn. 18 ff., 45. 47in den fällen, in denen eine solche belehrung nicht erfolgt ist, liegen in der regel die nach der rechtsprechung des europäischen gerichtshofes geforderten besonderen umstände, die zum entfallen des urlaubsanspruchs in fällen fortdauernder dienst- bzw. arbeitsunfähigkeit führen können, auch nach ablauf der vorstehend dargestellten zulässigen übertragungszeit von 15 monaten nicht vor. 48vgl. bag, beschluss vom 7. juli 2020 - 9 azr 401/19 -, juris, rn. 17; urteil vom 19. februar 2019 - 9 azr 541/15 -, juris, rn. 21 ff; urteil vom 19. februar 2019 - 9 azr 423/16 -, juris. 49danach bestehen die aufforderungs- und hinweisobliegenheiten des dienstherrn regelmäßig auch, wenn und solange der beamte dienstunfähig ist. sie können ihren zweck grundsätzlich erfüllen, weil sich die dauer der erkrankung nicht von vornherein absehen lässt. dem dienstherrn ist es in der regel möglich, den dienstunfähigen beamten entsprechend den gesetzlichen vorgaben rechtzeitig und zutreffend über den umfang und die befristung des urlaubsanspruchs unter berücksichtigung des bei einer langandauernden erkrankung geltenden übertragungszeitraums zu unterrichten. der dienstherr ist in den fällen einer erkrankung regelmäßig nicht gehindert, den beamten rechtzeitig aufzufordern, den urlaub bei wiedergenesung vor ablauf des urlaubsjahres oder des übertragungszeitraums zur vermeidung des verfalls so rechtzeitig zu beantragen, dass er innerhalb des laufenden urlaubsjahres oder des übertragungszeitraums gewährt und genommen werden kann, so dass der beamte ab dem ersten arbeitstag nach seiner wiedergenesung urlaub in anspruch nehmen kann. 50vgl. bag, beschluss vom 7. juli 2020 - 9 azr 401/19 -, juris, rn. 21. 51dem ist der beklagte hier indes nicht nachgekommen. 52von diesem grundsatz ausgehend ist jedoch gleichwohl für die vorliegende fallkonstellation der beanspruchung von urlaubsabgeltung für zeiten durchgängiger erkrankung festzustellen, dass einem verfall der urlaubsansprüche des klägers für diesen zeitraum vorliegend nicht entgegensteht, dass der dienstherr ihn nicht vorab auf einen verfall von urlaubstagen hingewiesen hat. denn die oben zitierte rechtsprechung des europäischen gerichtshofes zur hinweisobliegenheit des dienstherrn – und damit auch § 19 abs. 6 frurlv nrw – greift in der hier vorliegenden konstellation nicht ein. vielmehr gelten weiterhin die bereits benannten, vom europäischen gerichtshof zum verfall von aufgrund langandauernder dienstunfähigkeit nicht in anspruch genommenen erholungsurlaubs entwickelten grundsätze. auch das bundesarbeitsgericht geht davon aus, dass sich die fehlende notwendigkeit eines verfallshinweises bei andauernder erkrankung ohne weiteres aus der bisherigen judikatur des europäischen gerichtshofes ergebe, ohne dass es etwa einer entsprechenden vorlage der frage an den gerichtshof bedürfe. 53vgl. bag, beschluss vom 7. juli 2020 - 9 azr 401/19 -, juris, rn. 17. 54das fehlen einer solchen belehrung und damit die nichterfüllung der dem dienstherrn auferlegten obliegenheit bleibt auch zur überzeugung der kammer in fällen wie dem vorliegenden für die zeiten folgenlos, in denen ein beamter durchgehend dienstunfähig erkrankt war und deshalb – unabhängig davon, ob der dienstherr seine aufforderungs- und hinweisobliegenheiten erfüllt hat – überhaupt keinen urlaub nehmen konnte, die nichtinanspruchnahme des erholungsurlaubs mithin nicht auf dem unterbliebenen hinweis des dienstherrn, sondern ausschließlich auf der erkrankung des beamten beruht. 55vgl. bag, beschluss vom 7. juli 2020 - 9 azr 401/19 -, juris, rn. 24 ff. 56die befristung des urlaubsanspruchs ist bei einem richtlinienkonformen verständnis des § 19 abs. 2 frurlv nrw nämlich nicht von der erfüllung der aufforderungs- und hinweisobliegenheiten abhängig, wenn es – was jedoch erst im nachhinein feststellbar ist – objektiv unmöglich gewesen wäre, den beamten durch mitwirkung des dienstherrn in die lage zu versetzen, den urlaubsanspruch zu realisieren. 57vgl. bag, beschluss vom 7. juli 2020 - 9 azr 401/19 -, juris, rn. 24. 58in diesen fällen, in denen der beamte für zeiten durchgängiger erkrankung keinen erholungsurlaub nehmen konnte, ist von besonderen umständen im sinne der rechtsprechung des europäischen gerichtshofes auszugehen, die den verfall des urlaubsanspruchs auch ohne die erfüllung der hinweisobliegenheiten rechtfertigen. 59vgl. zu dem entsprechenden erfordernis: schlussanträge des generalanwalts vom 17. märz 2022 - c-518/20 und c-727/20, juris, rn. 46; bag, beschluss vom 7. juli 2020 - 9 azr 401/19 -, juris, rn. 17. 60denn der zweck der hinweisobliegenheit des dienstherrn, zu verhindern, dass der beamte den urlaubsanspruch verliert, weil er ihn in unkenntnis der befristung und des damit einhergehenden risikos des erlöschens nicht rechtzeitig gegenüber dem dienstherrn geltend macht, bestimmt nicht nur den inhalt der rechtlich gebotenen aufforderungen und hinweise, sondern ist auch auf der rechtsfolgenseite zu berücksichtigen. 61vgl. hierzu bag, urteil vom 19. februar 2019 - 9 azr 423/16 -, juris, rn. 40 f., und beschluss vom 7. juli 2020 - 9 azr 401/19 -, juris, rn. 24. 62sinn und zweck der durch art. 7 der richtlinie 2003/88/eg und art. 31 abs. 2 der europäischen grundrechte-charta bestehenden obliegenheit des dienstherrn, den beamten erforderlichenfalls mittels entsprechender aufforderungen und hinweise in die lage zu versetzen, den urlaub wahrzunehmen, besteht in der vermeidung einer situation, in der die aufgabe, für die tatsächliche wahrnehmung des anspruchs auf bezahlten jahresurlaub zu sorgen, vollständig auf den beamten verlagert würde, während der dienstherr die möglichkeit erhielte, sich unter berufung auf den fehlenden urlaubsantrag des beamten seinen eigenen pflichten zu entziehen. 63vgl. eugh urteil vom 6. november 2018 - c-684/16 (max-planck-gesellschaft zur förderung der wissenschaften) -, juris, rn. 43. 64unter diesen umständen ist es dem dienstherrn, der seinen obliegenheiten nicht nachgekommen ist, nicht verwehrt, sich auf die befristung und das erlöschen des urlaubsanspruchs zu berufen, wenn der beamte seit beginn des urlaubsjahres durchgehend bis zum 31. märz des zweiten auf das urlaubsjahr folgenden kalenderjahres dienstunfähig war oder die bis zu diesem zeitpunkt fortbestehende dienstunfähigkeit im verlauf des urlaubsjahres eintrat, ohne dass dem beamten vor deren beginn (weiterer) urlaub hätte gewährt werden können. denn dann sind nicht handlungen oder unterlassungen des dienstherrn, sondern allein die dienstunfähigkeit des beamten für den verfall des urlaubsanspruches kausal. auch bei erfüllung der aufforderungs- und hinweisobliegenheiten hätte daher deren zweck nicht erreicht werden können. 65vgl. bag, beschluss vom 7. juli 2020 - 9 azr 401/19 -, juris, rn. 26, und urteil vom 19. februar 2019 - 9 azr 423/16 -, juris, rn. 40. 66die unzweckmäßigkeit einer hinweispflicht im falle durchgängiger erkrankung währen des geltend gemachten bezugszeitraums und des sich anschließenden übertragungszeitraums zeigt sich beispielhaft auch daran, dass eine hinweispflicht in fällen schwerster erkrankung, in denen der jeweilige beamte möglicherweise schon nicht in der lage ist, den hinweis wahrzunehmen, offenkundig seinen zweck nicht erfüllen kann. denn der hinweis würde den beamten bereits nicht erreichen. 67ein beamter, der während des bezugs- und/oder übertragungszeitraums krankheitsbedingt dienstunfähig ist, kann seinen anspruch auf bezahlten jahresurlaub nicht ausüben. 68vgl. eugh, urteile vom 6. november 2018 - c-684/16 (max-planck-gesellschaft zur förderung der wissenschaften) -, juris, rn. 24, und vom 22. november 2011 - c-214/10 (khs) -, juris, rn. 27; bag, beschluss vom 7. juli 2020 - 9 azr 401/19 -, juris, rn. 27. 69denn eine freie entscheidung über die verwirklichung des urlaubsanspruchs ist – ohne dass es auf die aufforderungen und hinweise des dienstherrn ankäme – von vornherein ausgeschlossen, weil die durchgängige dienstunfähigkeit auf psychischen oder physischen beschwerden beruht und vom willen des beamten unabhängig ist. 70vgl. eugh, urteil vom 25. juni 2020 - c-762/18 und c-37/19 (varhoven kasatsionen sad na republika bulgaria) -, juris, rn. 66; bag, beschluss vom 7. juli 2020 - 9 azr 401/19 -, juris, rn. 23 ff. 71in diesem zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der urlaubsanspruch in fällen von arbeitsverhältnissen außerhalb des beamtenverhältnisses auf eine bezahlte befreiung von der arbeitspflicht gerichtet ist. 72vgl. bag, urteile vom 24. september 2019 - 9 azr 481/18 -, juris, rn. 50, und vom 19. februar 2019 - 9 azr 321/16 -, juris, rn. 17. 73ausgehend hiervon kann jedoch auch für beamte wegen der von der rechtsprechung anerkannten gleichstellung nichts anderes gelten. kann der beamte die dienstleistung krankheitsbedingt nicht erbringen, wird ihm die dienstpflicht unmöglich. auch eine befreiung von der dienstpflicht durch urlaubsgewährung ist daher sodann rechtlich unmöglich. 74vgl. bag, urteil vom 18. märz 2014 - 9 azr 669/12 -, juris, rn. 16, und beschluss vom 7. juli 2020 - 9 azr 401/19 -, juris, rn. 26. 75etwas anderes folgt auch nicht aus dem umstand, dass nach § 38 satz 1 frurlv nrw zeiten krankheitsbedingter dienstunfähigkeit nur dann auf den urlaubsanspruch nicht angerechnet werden, wenn dies unverzüglich angezeigt und durch ein ärztliches zeugnis nachgewiesen wird. denn diese vorschrift regelt lediglich die frage, wie der dienstherr fehlzeiten zu verbuchen hat. sie trifft eine sonderregelung für während einer bereits festgelegten fehlzeit (hier: aufgrund von urlaub) eintretenden erkrankung. weiter enthält die regelung vorschriften in bezug auf die mitwirkungspflichten des beamten im falle einer während eines beantragten und genehmigten urlaubs auftretenden erkrankung. ein rückschluss darauf, dass bei bereits bestehender dauerhafter erkrankung urlaub mit der gleichen erholungsfunktion genommen werden kann, wie ohne die erkrankung, lässt sich daraus nicht ziehen. 76weiter streitet für die entbehrlichkeit eines hinweises auf den noch bestehenden urlaubsanspruch, dass es in der die hinweispflicht des dienstherrn begründenden entscheidung des europäischen gerichtshofes, 77vgl. eugh, urteile vom 6. november 2018 - c-684/16 (max-planck-gesellschaft zur förderung der wissenschaften) -, juris rn. 24, 78um eine weigerung des arbeitgebers, eine vergütung für bezahlten jahresurlaub zu zahlen, ging, der zum zeitpunkt der beendigung des arbeitsverhältnisses zwischen den parteien aufgrund fehlender beantragung nicht genommen worden war. 79vgl. eugh, urteil vom 6. november 2018 - c-684/16 (max-planck-gesellschaft zur förderung der wissenschaften) -, juris, rn. 21. 80damit unterscheidet sich der vom europäischen gerichtshof entschiedene fall zur frage des bestehens von der hinweisobliegenheit von dem vorliegenden. eine krankheitsbedingte verhinderung an der tatsächlichen inanspruchnahme des urlaubs war nach dem dortigen sachverhalt nicht gegeben. im unterschied zum dargestellten sachverhalt in dem vom europäischen gerichtshof entschiedenen fall war es dem dienstherrn im streitgegenständlichen zeitraum jedoch – wie ausgeführt – gar nicht möglich, dafür zu sorgen, dass der kläger tatsächlich in der lage war, den bezahlten jahresurlaub auch zu nehmen, da der dienstunfähige beamte diesen auch bei einer förmlichen aufforderung, den jahresurlaub zu nehmen, wegen der durchgängigen dienstunfähigkeit nicht hätte antreten können. eine belehrung als obliegenheit des dienstherrn ergibt jedoch – wie ausgeführt – nur dann sinn, wenn der beamte auch in der lage ist, auf diese zu reagieren und den urlaub tatsächlich zu nehmen. dies ist vorliegend nicht der fall. der kläger war nicht durch die mangelnde aufklärung bzw. fehlende aufforderung des dienstherrn an der inanspruchnahme des urlaubs gehindert, sondern allein wegen seiner fortdauernden dienstunfähigkeit. 81vgl. vg karlsruhe, urteil vom 27. november 2019 - 4 k 10252/18 -, juris, rn. 38; vg köln, urteil vom 31. august 2020 - 15 k 8349/18 -, juris, rn. 64. 82weiter ist vorliegend zu berücksichtigen, dass ein den verfall rechtfertigender besonderer umstand, der ein unbegrenztes ansammeln des dem beamten zustehenden erholungsurlaubs auch ohne die erteilung eines hinweises auf den anstehenden verfall verhindert, darin begründet ist, dass nach der rechtsprechung des europäischen gerichtshofes ein unbegrenztes ansammeln von urlaub insbesondere in fällen durchgängiger erkrankung begrenzt werden darf, weil mit dem in art. 31 abs. 2 der europäischen grundrechte-charta und in art. 7 der richtlinie 2003/88/eg verankerten anspruch auf bezahlten jahresurlaub – wie ausgeführt – ein doppelter zweck verfolgt wird. dieser besteht darin, es dem beamten zu ermöglichen, sich zum einen von der ausübung der ihm obliegenden dienstpflichten zu erholen und zum anderen über einen zeitraum für entspannung und freizeit zu verfügen. ein recht auf ein unbegrenztes ansammeln von ansprüchen auf bezahlten jahresurlaub aus mehreren bezugszeiträumen, die während eines zeitraums der dienstunfähigkeit erworben wurden, entspräche jedoch nicht mehr dem zweck des anspruchs auf bezahlten jahresurlaub. 83vgl. eugh, urteil vom 22. november 2011 - c-214/10 (khs)- juris, rn. 30 f. 84dessen positive wirkung für die sicherheit und die gesundheit des beamten verliert zwar nicht an bedeutung, wenn der urlaub zu einer späteren zeit genommen wird. der urlaub kann seiner zweckbestimmung jedoch nur insoweit entsprechen, als der übertrag eine gewisse zeitliche grenze nicht überschreitet. über eine solche grenze hinaus fehlt dem jahresurlaub seine positive wirkung für den beamten als erholungszeit; erhalten bleibt ihm lediglich seine eigenschaft als zeitraum für entspannung und freizeit. unter berücksichtigung dieser erwägungen hat der gerichtshof festgestellt, dass art. 7 abs. 1 der richtlinie 2003/88/eg einzelstaatlichen rechtsvorschriften nicht entgegensteht, die in fällen der langzeiterkrankung von arbeitnehmern einen auf 15 monate begrenzten übertragungszeitraum vorsehen, nach dessen ablauf der anspruch auf bezahlten jahresurlaub erlischt. 85vgl. eugh, urteil vom 22. november 2011 - c-214/10 (khs)-, juris, rn. 33, 43; bag, beschluss vom 7. juli 2020 - 9 azr 401/19 -, juris, rn. 38 ff. 86vor diesem hintergrund ergibt sich aus der rechtsprechung des europäischen gerichtshofes die entbehrlichkeit eines hinweises auf den verfall von erholungsurlaub, wenn – wie hier – nachträglich festgestellt wird, dass der betroffene im bezugszeitraum und im sich anschließenden übertragungszeitraum allein aus dauerhaften gesundheitlichen gründen nicht in der lage war, den erholungsurlaub zu realisieren. dagegen kann der kläger auch nicht mit erfolg anführen, er hätte den erholungsurlaub zumindest teilweise realisieren können, wenn sein dienstherrn ihn nicht durch erlass eines hausverbotes und das verbot der führung der dienstgeschäfte an der dienstausübung gehindert hätte. denn selbst wenn der dienstherr dem kläger gegenüber kein hausverbot erteilt sowie das führens von dienstgeschäfte verboten hätte, wäre der kläger – wie er auch selbst vorträgt – bis zum eintritt in seinen ruhestand mit ablauf des 30. april 2021 dauerhaft erkrankt. demnach ist die andauernde dienstunfähigkeit vom beklagten zu recht als grund für den fehlenden hinweis angebracht worden. 872. 88auch aus art. 7 rl 2003/88/eg steht dem kläger ein anspruch auf finanzielle abgeltung seines restlichen erholungsurlaubanspruchs aus dem jahr 2019 nicht zu. 89aus art. 7 abs. 2 rl 2003/88/eg ergibt sich über das nationale recht hinaus unmittelbar ein abgeltungsanspruch, wenn der arbeitnehmer nicht die möglichkeit hatte, den ihm zustehenden mindesturlaub in anspruch zu nehmen. 90vgl. ovg nrw, beschluss vom 3. april 2017 - 6 a 1084/15 -, juris, rn. 16. 91im streitfall gewährt art. 7 abs. 2 rl 2003/88/eg jedoch keine über die nationalen bestimmungen hinausgehenden ansprüche, da dessen voraussetzungen in den entscheidungserheblichen punkten identisch sind. 92die frage, ob hinweisobliegenheiten über den verfall von urlaubsansprüchen für beamte im falle der geltendmachung von ansprüchen für zeiten durchgängiger erkrankungen entgegen der vorstehenden rechtsansicht unmittelbar aus der richtlinie herzuleiten sind, ist zu verneinen, da sich die beantwortung dieser frage bereits im rahmen der nationalstaatlichen regelung an art. 7 abs. 2 rl 2003/88/eg und der rechtsprechung der europäischen gerichtshofes orientiert. 93dies zugrunde gelegt kann der kläger aus art. 7 abs. 2 rl 2003/88/eg im streitfalle keine weitergehenden rechte ableiten als aus § 19a frurlv nrw. zur weiteren begründung wird zur vermeidung von wiederholungen auf die unter 1. erfolgten ausführungen verwiesen. 94die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 1 vwgo 95die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit folgt aus § 167 vwgo in verbindung mit §§ 708 nr. 11, 711 zpo. 96die berufung ist nach § 124a abs. 1 satz 1 in verbindung mit § 124 abs. 2 nr. 3 vwgo zuzulassen, da die rechtssache angesichts der angenommenen teleologischen reduktion des § 19 abs. 6 frurlv nrw grundsätzliche bedeutung hat. 97rechtsmittelbelehrung: 98gegen dieses urteil steht den beteiligten die berufung an das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen in münster zu. 99die berufung ist innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils schriftlich bei dem verwaltungsgericht gelsenkirchen, bahnhofsvorplatz 3, 45879 gelsenkirchen, einzulegen und muss das angefochtene urteil bezeichnen. 100die berufung ist innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils zu begründen. die begründung muss einen bestimmten antrag enthalten sowie die im einzelnen anzuführenden gründe der anfechtung (berufungsgründe). die begründung ist, wenn sie nicht zugleich mit der einlegung der berufung erfolgt, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen, aegidiikirchplatz 5, 48143 münster, schriftlich einzureichen. 101auf die unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung von schriftstücken als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 102im berufungsverfahren muss sich jeder beteiligte durch einen prozessbevollmächtigten vertreten lassen. dies gilt auch für die einlegung der berufung. der kreis der als prozessbevollmächtigte zugelassenen personen und organisationen bestimmt sich nach § 67 abs. 4 vwgo.
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7 D 77/21.AK
2022-05-24T00:00:00
Urteil
Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht zuvor der Beklagte i. H. v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet. Die Revision wird nicht zugelassen. 1Tatbestand: 2Die Klägerin beabsichtigt, im nördlichen Gebiet der Stadt J. im Bereich der „T. I. “ im Ortsteil M. Windenergieanlagen (WEA) zu errichten und zu betreiben. 3Sie beantragte dafür unter dem 27.3.2018 bei dem Beklagten die Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem Planungsrecht, dem Landschaftsschutz und den militärischen und zivilen Belangen der Luftfahrt. Das Verfahren betraf zunächst drei und sodann - nach einer Antragsrücknahme hinsichtlich der WEA 2 - zwei Windenergieanlagen des Typs Senvion 148-4.2 mit einer Nabenhöhe von 165 m, einem Rotordurchmesser von 148 m und einer Leistung von 4,2 MW auf den Grundstücken Gemarkung M. , Flur 0, Flurstück 00 und Flur 1, Flurstück 01 (UTM-Koordinaten der Zone 32 für WEA 1: East 402.452, North 5.694.279 und für WEA 3: East 403.136, North 5.693.914). 4Unter dem 6.7.2020 erteilte der Beklagte der Klägerin den begehrten immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid für die beiden Windenergieanlagen (WEA 1 und WEA 3) des Typs Senvion 148-4.2 mit den genannten technischen Daten für die genannten Standorte. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus: Das Vorhaben sei planungsrechtlich zulässig. Es widerspreche nicht den Darstellungen eines Flächennutzungsplans und auch eine Zurückstellung komme nicht in Betracht. Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB oder weitere öffentliche Belange stünden dem Vorhaben nicht entgegen. Das Vorhaben sei auch mit dem Landschaftsschutz und mit den militärischen und zivilen Belangen der Luftfahrt vereinbar. 5Mit E-Mail vom 19.8.2020 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie im Vollgenehmigungsverfahren vom Anlagentyp Senvion 148-4.2 zum Typ Nordex N149 5,7 STE wechseln wolle, da der bisherige Anlagentyp nicht mehr ohne Weiteres verfügbar sei. Wie ein Typenvergleich zeige, bleibe der Charakter bzw. die Identität des Projekts gewahrt, so dass von einer fortbestehenden Bindungswirkung des Vorbescheids auszugehen sei. Der Beklagte teilte der Klägerin daraufhin mit Schreiben vom 26.8.2020 und weiterem Schreiben vom 28.9.2020 mit, dass nach seiner Einschätzung mit der Änderung des Anlagentyps von Senvion 148-4.2 zu Nordex N149 5,7 STE die Bindungswirkung des erteilten Vorbescheids entfallen würde. 6Die Klägerin hat am 16.2.2021 Klage beim Verwaltungsgericht Arnsberg erhoben. 7Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren wegen sachlicher Unzuständigkeit mit Beschluss vom 30.3.2021 an das Oberverwaltungsgericht verwiesen. 8Unter dem 14.4.2021 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Vollgenehmigung für die Errichtung und den Betrieb von zunächst vier und sodann - nach einer Antragsrücknahme hinsichtlich der WEA 4 - drei Windenergieanlagen des Typs Nordex N149 5,7 STE, wobei die WEA 1 und die WEA 3 an den bereits im vorangegangenen Vorbescheidsverfahren benannten Standorten errichtet werden sollen. 9Die Klägerin trägt vor: Ihre Klage sei als Feststellungsklage zulässig. Das vorausgesetzte konkrete Rechtsverhältnis betreffe die in dem anhängigen Vollgenehmigungsverfahren zu prüfenden Voraussetzungen angesichts der Reichweite der Bindungswirkung des Vorbescheids vom 6.7.2020. Die Feststellungsklage sei nicht subsidiär gegenüber einer Gestaltungs- oder Leistungsklage. Insbesondere sei eine Leistungsklage, die sich auf ein Unterlassen der erneuten Prüfung von Genehmigungsvoraussetzungen richte, nach § 44a VwGO unzulässig. Sie besitze auch ein Interesse an einer wegen der Bindungswirkung des Vorbescheids reduzierten Prüfung im Vollgenehmigungsverfahren. Die Feststellungsklage sei zudem begründet, weil die Feststellungen des Vorbescheids auch den Anlagentyp Nordex N149 5,7 STE erfassten. Dieser Anlagentyp weise gegenüber dem im Vorbescheidsverfahren zugrunde gelegten Anlagentyp keinerlei Merkmale auf, die für die mit dem Vorbescheid festgestellte Vereinbarkeit mit Belangen der Luftfahrt, dem Planungsrecht und dem Landschaftsschutz relevant seien. Der Wechsel des Anlagentyps sei nicht als aliud anzusehen. Auch nach Erteilung einer Vollgenehmigung wäre beim Wechsel des Anlagentyps lediglich eine Änderungsgenehmigung nach § 16 BImSchG erforderlich. Hierfür spreche auch der Anlagenbegriff nach § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV und der dazugehörigen Anlage 1. Für ein weites Verständnis der Bindungswirkung des Vorbescheids spreche auch § 16 Abs. 5 BImSchG, wonach sogar der vollständige Austausch einer genehmigten Anlage „im Rahmen der erteilten Genehmigung“ zulässig sei. Auch der Umstand, dass das Genehmigungsverfahren drei Windenergieanlagen betreffe, ändere nichts an der bestehenden Bindungswirkung. In diesem Verfahren seien Kumulationswirkungen erstmalig zu prüfen. 10Die Klägerin beantragt, 11festzustellen, dass der Vorbescheid vom 6.7.2020 für die Errichtung und den Betrieb von zwei Windenergieanlagen vom Typ Senvion 4.2-148 auf dem Gebiet der Stadt J. , Gz: 46-32.30.11-962.0007/18/1.6.2, mit den getroffenen Aussagen zur Vereinbarkeit mit zivilen und militärischen Belangen der Flugsicherung, mit dem Planungsrecht und dem Landschaftsschutz für das folgende Genehmigungsverfahren gemäß §§ 4, 6 BImSchG auch dann gilt, wenn sich dieses Verfahren auf den Anlagentyp Nordex N149 5,7 STE bezieht. 12Der Beklagte beantragt, 13die Klage abzuweisen. 14Er trägt vor: Die erhobene Feststellungsklage sei bereits unzulässig. Sie sei subsidiär. Es bestehe keine Notwendigkeit, einen Ausschnitt des Vollgenehmigungsverfahrens für den neuen Anlagentyp mittels dieser Klageart vorab klären zu lassen. Dem Konzentrationsziel könne hier nur entsprochen werden, wenn die Klägerin auf eine - im Falle der Ablehnung des Vollgenehmigungsantrags gegebenenfalls zu erhebende - Verpflichtungsklage verwiesen werde. Hiermit sei ohne Weiteres zu vereinbaren, dass auch eine Leistungsklage, die sich auf ein Unterlassen der (erneuten) Prüfung von Genehmigungsvoraussetzungen richte, nach § 44a VwGO unzulässig sei. Zudem bestehe kein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass die Bindungswirkung des Vorbescheids nach dem Wechsel des Anlagentyps fortbestehe, da diese für das Vollgenehmigungsverfahren schon wegen der Erhöhung der Anzahl der Windenergieanlagen auf insgesamt drei entfalle. Die Klage sei auch unbegründet. Dies ergebe sich schon daraus, dass keine Bindungswirkung des Vorbescheids für zwei Windenergieanlagen für ein Vollgenehmigungsverfahren für drei Windenergieanlagen bestehe. Darüber hinaus führe der Wechsel des Anlagentyps zum Wegfall der Bindungswirkung. Im Vorbescheidsverfahren sei nur über den durch den Vorbescheidsantrag konkretisierten Anlagentyp entschieden worden. Werde dieser Anlagentyp im Genehmigungsverfahren geändert, so handele es sich um ein anderes Vorhaben und die Bindungswirkung des Vorbescheids entfalle. Die Klägerin habe selbst ihre Planung verändert, die nun einen anderen Hersteller, ein anderes Modell und andere technische Parameter vorsehe, was sich auch auf die betroffenen Schutzgüter auswirke. Bei Anlagen mit - wie hier - höherer Nennleistung sei auch mit höheren maximalen Schallemissionen zu rechnen. Zudem erhöhe sich die maximale Drehzahl der Rotoren um ca. 20 %; die anlagentypischen Drehbewegungen verstärkten die optischen Auswirkungen einer Windenergieanlage und seien nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts bei der planungsrechtlichen Prüfung zu berücksichtigen. 15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. 16Entscheidungsgründe: 17Die Klage hat keinen Erfolg. 18Das Oberverwaltungsgericht ist schon aufgrund des nach § 83 Satz 1 VwGO verbindlichen Verweisungsbeschlusses des Verwaltungsgerichts Arnsberg für die Entscheidung über die am 16.2.2021 eingegangene Klage sachlich zuständig. 19Die Verweisung entspricht im Übrigen auch der Rechtslage. § 48 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a VwGO in der Fassung des am 10.12.2020 in Kraft getretenen Gesetzes zur Beschleunigung von Investitionen vom 3.12.2020 (BGBl. I S. 2694) besitzt einen weiten Anwendungsbereich. 20Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20.7.2021 - 8 B 1088/21.AK -, juris. 21Die Vorschrift erfasst auch - wie hier - Streitigkeiten über die Reichweite der Bindungswirkung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids für das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren betreffend die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen an Land mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern. 22Die Feststellungsklage ist bereits unzulässig. 23Die Klage ist auf die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses im Sinne von § 43 Abs. 1 1. Fall VwGO gerichtet. Das geltend gemachte Rechtsverhältnis betrifft die Frage der Bindung des Beklagten an die Feststellungen seines Vorbescheids vom 6.7.2020 im Rahmen des nachfolgend von der Klägerin eingeleiteten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens. 24Die Feststellungsklage ist jedenfalls deshalb unzulässig, weil der Klägerin das nach § 43 Abs. 1 VwGO erforderliche berechtigte Interesse an der baldigen Feststellung fehlt. 25Hierunter fällt jedes anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art, das hinreichend gewichtig ist, um die Position des Betroffenen zu verbessern. 26Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.12.2017 - 6 B 14.17 -, juris, sowie Urteil vom 6.2.1986 - 5 C 40.84 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 27.8.1996 27- 5 A 3485/94 -, juris. 28Nach diesen Maßgaben fehlt ein anzuerkennendes schutzwürdiges Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung, dass der Vorbescheid vom 6.7.2020 auch dann für das nachfolgende immissionsschutzrechtliche (Voll)Genehmigungsverfahren gelte, wenn sich dieses Verfahren auf den Anlagentyp Nordex N 149 5,7 STE beziehe. Denn unabhängig vom Wechsel des Anlagentyps ist bereits nicht ersichtlich, dass ein Vorbescheid für zwei Windenergieanlagen Bindungswirkung für das von der Klägerin eingeleitete Vollgenehmigungsverfahren für drei Windenergieanlagen entfalten könnte. Vielmehr handelt es sich bei dem geänderten Vorhaben um ein aliud. 29Ein solches aliud liegt nämlich bereits dann vor, wenn die Frage der Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens - auch im Verhältnis des Vorbescheidsvorhabens zum nachfolgenden Vollgenehmigungsantrag - neu aufgeworfen wird, d. h., wenn die Zulässigkeit des geänderten Vorhabens möglicherweise anders zu beurteilen ist. 30Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25.9.2020 - 10 A 4607/19 -, juris, Urteil vom 23.4.1996 - 10 A 620/91 -, juris; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 3.8.2016 - 8 A 10377/16 -, juris. 31Dies ist bei der hier vorgenommenen Erhöhung der Anzahl der Anlagen von zwei auf drei ersichtlich der Fall. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die hinzukommende Windenergieanlage (WEA 2) zwischen den WEA 1 und WEA 3 befinden soll und der Beklagte bereits im Vorbescheidsverfahren im Falle der Planung von drei Windenergieanlagen von einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen Vorprüfung nach § 7 Abs. 2 UVPG i. V. m. Anlage 1 Nr. 1.6.3 ausging. 32Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, dass sie eine Vollgenehmigung allein für die im Vorbescheid vom 6.7.2020 benannten Vorhabenstandorte (dort für WEA 1 und WEA 3) anstrebe. Auf die gerichtliche Anfrage vom 6.4.2022 hat sie dies vielmehr mit Schriftsatz vom 13.4.2022 verneint. 33Die aus den vorstehenden Gründen unzulässige Klage wäre im Übrigen auch unbegründet. Es besteht keine Bindungswirkung des Vorbescheids vom 6.7.2020 in dem von der Klägerin nachfolgend eingeleiteten immissionsschutzrechtlichen Vollgenehmigungsverfahren und damit kein Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 1. Fall VwGO. 34Dabei mag dahinstehen, ob sich dies schon aus dem vom Beklagten aufgezeigten Umstand ergibt, dass bei dem von der Klägerin eingeleiteten Vollgenehmigungsverfahren die Identität des Vorhabens durch die Veränderung der Anzahl der vorgesehenen Anlagen von zwei im Vorbescheidsverfahren zu drei im Vollgenehmigungsantrag entfallen ist. 35Unabhängig von der unterschiedlichen Anzahl der Windenergieanlagen im Vorbescheidsverfahren einerseits und im von der Klägerin eingeleiteten Vollgenehmigungsverfahren andererseits führt im vorliegenden Einzelfall jedenfalls die Gesamtwürdigung der mit dem Wechsel vom Anlagentyp Senvion 148-4.2 zum Typ Nordex N149 5,7 STE verbundenen Aspekte dazu, dass eine Bindungswirkung des Vorbescheids für das folgende immissionsschutzrechtliche Vollgenehmigungsverfahren nicht besteht, wenn sich dieses auf den genannten Anlagentyp bezieht. 36Vgl. demgegenüber für einen generellen Wegfall der Bindungswirkung eines Vorbescheids bei Änderung des Anlagentyps noch OVG NRW, Urteil vom 25.2.2015 - 8 A 959/10 -, juris. 37Denn es handelt sich insoweit bei einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls um ein aliud. 38Die technischen Daten der genannten beiden Anlagentypen weichen nicht unerheblich voneinander ab. 39So ist die Nabenhöhe beim Anlagentyp Nordex N149 5,7 STE mit 164 m um 1 m niedriger als beim Anlagentyp Senvion 148-4.2 bei gleichzeitig längerem Rotordurchmesser (149,1 m statt bisher 148 m). Dies führt dazu, dass die vom Rotor überstrichene Fläche bei dem Typ Nordex N149 5,7 STE deutlich näher an der Geländeoberfläche als beim Typ Senvion 148-4.2 liegt, was Auswirkungen auf die Belange des Artenschutzes haben kann. 40Auch die Nennleistung ist mit 5,7 MW gegenüber vormals 4,2 MW unterschiedlich. Dies kann sich nach dem Vortrag des Beklagten, den die Klägerin nicht erschüttert hat, auch auf die jeweiligen Schallemissionen auswirken. 41Nach dem unbestrittenen Vortrag des Beklagten in seinem Schriftsatz vom 11.2.2022 (dort Seite 13) ergibt sich zudem ein Unterschied hinsichtlich der maximalen Drehzahl der Anlagentypen. Dies kann sich wegen des mit der Drehbewegung verbundenen Unruhelements auf die Belange des Landschaftsschutzes bzw. des Landschaftsbildes auswirken. 42Diese Unterschiede genügen bei einer Gesamtwürdigung, um im Sinne der genannten Maßstäbe von einem aliud auszugehen. Das geänderte Vorhaben ist möglicherweise hinsichtlich der im Vorbescheid getroffenen Feststellungen (Vereinbarkeit mit dem Planungsrecht, dem Landschaftsrecht und den militärischen und zivilen Belangen der Luftfahrt) anders zu beurteilen. 43Nicht erforderlich ist hingegen, dass das Vorhaben auch tatsächlich anders zu beurteilen ist als dasjenige, für das eine Genehmigung oder ein Vorbescheid erteilt beziehungsweise versagt wurde. Die Erkenntnis, dass sich die Änderung des Vorhabens genehmigungsrechtlich nicht auswirkt, kann nur das Ergebnis der Prüfung in einem Vorbescheids- oder Genehmigungsverfahren sein, macht ein solches aber nicht etwa von vornherein überflüssig. 44Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25.9.2020 - 10 A 4607/19 -, juris. 45Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. 46Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO und §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. 47Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision ergibt sich aus § 132 Abs. 2 VwGO; Zulassungsgründe sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
die klage wird abgewiesen. die klägerin trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. die klägerin darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung i. h. v. 110 % des auf grund des urteils vollstreckbaren betrags abwenden, wenn nicht zuvor der beklagte i. h. v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages sicherheit leistet. die revision wird nicht zugelassen. 1
2die klägerin beabsichtigt, im nördlichen gebiet der stadt j. im bereich der „t. i. “ im ortsteil m. windenergieanlagen (wea) zu errichten und zu betreiben. 3sie beantragte dafür unter dem 27.3.2018 bei dem beklagten die erteilung eines immissionsschutzrechtlichen vorbescheids hinsichtlich der vereinbarkeit mit dem planungsrecht, dem landschaftsschutz und den militärischen und zivilen belangen der luftfahrt. das verfahren betraf zunächst drei und sodann - nach einer antragsrücknahme hinsichtlich der wea 2 - zwei windenergieanlagen des typs senvion 148-4.2 mit einer nabenhöhe von 165 m, einem rotordurchmesser von 148 m und einer leistung von 4,2 mw auf den grundstücken gemarkung m. , flur 0, flurstück 00 und flur 1, flurstück 01 (utm-koordinaten der zone 32 für wea 1: east 402.452, north 5.694.279 und für wea 3: east 403.136, north 5.693.914). 4unter dem 6.7.2020 erteilte der beklagte der klägerin den begehrten immissionsschutzrechtlichen vorbescheid für die beiden windenergieanlagen (wea 1 und wea 3) des typs senvion 148-4.2 mit den genannten technischen daten für die genannten standorte. zur begründung führte er im wesentlichen aus: das vorhaben sei planungsrechtlich zulässig. es widerspreche nicht den darstellungen eines flächennutzungsplans und auch eine zurückstellung komme nicht in betracht. belange des naturschutzes und der landschaftspflege im sinne des § 35 abs. 3 satz 1 nr. 5 baugb oder weitere öffentliche belange stünden dem vorhaben nicht entgegen. das vorhaben sei auch mit dem landschaftsschutz und mit den militärischen und zivilen belangen der luftfahrt vereinbar. 5mit e-mail vom 19.8.2020 teilte die klägerin dem beklagten mit, dass sie im vollgenehmigungsverfahren vom anlagentyp senvion 148-4.2 zum typ nordex n149 5,7 ste wechseln wolle, da der bisherige anlagentyp nicht mehr ohne weiteres verfügbar sei. wie ein typenvergleich zeige, bleibe der charakter bzw. die identität des projekts gewahrt, so dass von einer fortbestehenden bindungswirkung des vorbescheids auszugehen sei. der beklagte teilte der klägerin daraufhin mit schreiben vom 26.8.2020 und weiterem schreiben vom 28.9.2020 mit, dass nach seiner einschätzung mit der änderung des anlagentyps von senvion 148-4.2 zu nordex n149 5,7 ste die bindungswirkung des erteilten vorbescheids entfallen würde. 6die klägerin hat am 16.2.2021 klage beim verwaltungsgericht arnsberg erhoben. 7das verwaltungsgericht hat das verfahren wegen sachlicher unzuständigkeit mit beschluss vom 30.3.2021 an das oberverwaltungsgericht verwiesen. 8unter dem 14.4.2021 beantragte die klägerin bei dem beklagten die erteilung einer immissionsschutzrechtlichen vollgenehmigung für die errichtung und den betrieb von zunächst vier und sodann - nach einer antragsrücknahme hinsichtlich der wea 4 - drei windenergieanlagen des typs nordex n149 5,7 ste, wobei die wea 1 und die wea 3 an den bereits im vorangegangenen vorbescheidsverfahren benannten standorten errichtet werden sollen. 9die klägerin trägt vor: ihre klage sei als feststellungsklage zulässig. das vorausgesetzte konkrete rechtsverhältnis betreffe die in dem anhängigen vollgenehmigungsverfahren zu prüfenden voraussetzungen angesichts der reichweite der bindungswirkung des vorbescheids vom 6.7.2020. die feststellungsklage sei nicht subsidiär gegenüber einer gestaltungs- oder leistungsklage. insbesondere sei eine leistungsklage, die sich auf ein unterlassen der erneuten prüfung von genehmigungsvoraussetzungen richte, nach § 44a vwgo unzulässig. sie besitze auch ein interesse an einer wegen der bindungswirkung des vorbescheids reduzierten prüfung im vollgenehmigungsverfahren. die feststellungsklage sei zudem begründet, weil die feststellungen des vorbescheids auch den anlagentyp nordex n149 5,7 ste erfassten. dieser anlagentyp weise gegenüber dem im vorbescheidsverfahren zugrunde gelegten anlagentyp keinerlei merkmale auf, die für die mit dem vorbescheid festgestellte vereinbarkeit mit belangen der luftfahrt, dem planungsrecht und dem landschaftsschutz relevant seien. der wechsel des anlagentyps sei nicht als aliud anzusehen. auch nach erteilung einer vollgenehmigung wäre beim wechsel des anlagentyps lediglich eine änderungsgenehmigung nach § 16 bimschg erforderlich. hierfür spreche auch der anlagenbegriff nach § 1 abs. 3 der 4. bimschv und der dazugehörigen anlage 1. für ein weites verständnis der bindungswirkung des vorbescheids spreche auch § 16 abs. 5 bimschg, wonach sogar der vollständige austausch einer genehmigten anlage „im rahmen der erteilten genehmigung“ zulässig sei. auch der umstand, dass das genehmigungsverfahren drei windenergieanlagen betreffe, ändere nichts an der bestehenden bindungswirkung. in diesem verfahren seien kumulationswirkungen erstmalig zu prüfen. 10die klägerin beantragt, 11festzustellen, dass der vorbescheid vom 6.7.2020 für die errichtung und den betrieb von zwei windenergieanlagen vom typ senvion 4.2-148 auf dem gebiet der stadt j. , gz: 46-32.30.11-962.0007/18/1.6.2, mit den getroffenen aussagen zur vereinbarkeit mit zivilen und militärischen belangen der flugsicherung, mit dem planungsrecht und dem landschaftsschutz für das folgende genehmigungsverfahren gemäß §§ 4, 6 bimschg auch dann gilt, wenn sich dieses verfahren auf den anlagentyp nordex n149 5,7 ste bezieht. 12der beklagte beantragt, 13die klage abzuweisen. 14er trägt vor: die erhobene feststellungsklage sei bereits unzulässig. sie sei subsidiär. es bestehe keine notwendigkeit, einen ausschnitt des vollgenehmigungsverfahrens für den neuen anlagentyp mittels dieser klageart vorab klären zu lassen. dem konzentrationsziel könne hier nur entsprochen werden, wenn die klägerin auf eine - im falle der ablehnung des vollgenehmigungsantrags gegebenenfalls zu erhebende - verpflichtungsklage verwiesen werde. hiermit sei ohne weiteres zu vereinbaren, dass auch eine leistungsklage, die sich auf ein unterlassen der (erneuten) prüfung von genehmigungsvoraussetzungen richte, nach § 44a vwgo unzulässig sei. zudem bestehe kein berechtigtes interesse an der feststellung, dass die bindungswirkung des vorbescheids nach dem wechsel des anlagentyps fortbestehe, da diese für das vollgenehmigungsverfahren schon wegen der erhöhung der anzahl der windenergieanlagen auf insgesamt drei entfalle. die klage sei auch unbegründet. dies ergebe sich schon daraus, dass keine bindungswirkung des vorbescheids für zwei windenergieanlagen für ein vollgenehmigungsverfahren für drei windenergieanlagen bestehe. darüber hinaus führe der wechsel des anlagentyps zum wegfall der bindungswirkung. im vorbescheidsverfahren sei nur über den durch den vorbescheidsantrag konkretisierten anlagentyp entschieden worden. werde dieser anlagentyp im genehmigungsverfahren geändert, so handele es sich um ein anderes vorhaben und die bindungswirkung des vorbescheids entfalle. die klägerin habe selbst ihre planung verändert, die nun einen anderen hersteller, ein anderes modell und andere technische parameter vorsehe, was sich auch auf die betroffenen schutzgüter auswirke. bei anlagen mit - wie hier - höherer nennleistung sei auch mit höheren maximalen schallemissionen zu rechnen. zudem erhöhe sich die maximale drehzahl der rotoren um ca. 20 %; die anlagentypischen drehbewegungen verstärkten die optischen auswirkungen einer windenergieanlage und seien nach der rechtsprechung des oberverwaltungsgerichts bei der planungsrechtlichen prüfung zu berücksichtigen. 15wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf die gerichtsakte sowie auf die beigezogenen verwaltungsvorgänge bezug genommen. 16
17die klage hat keinen erfolg. 18das oberverwaltungsgericht ist schon aufgrund des nach § 83 satz 1 vwgo verbindlichen verweisungsbeschlusses des verwaltungsgerichts arnsberg für die entscheidung über die am 16.2.2021 eingegangene klage sachlich zuständig. 19die verweisung entspricht im übrigen auch der rechtslage. § 48 abs. 1 nr. 3 buchst. a vwgo in der fassung des am 10.12.2020 in kraft getretenen gesetzes zur beschleunigung von investitionen vom 3.12.2020 (bgbl. i s. 2694) besitzt einen weiten anwendungsbereich. 20vgl. ovg nrw, beschluss vom 20.7.2021 - 8 b 1088/21.ak -, juris. 21die vorschrift erfasst auch - wie hier - streitigkeiten über die reichweite der bindungswirkung eines immissionsschutzrechtlichen vorbescheids für das immissionsschutzrechtliche genehmigungsverfahren betreffend die errichtung und den betrieb von windenergieanlagen an land mit einer gesamthöhe von mehr als 50 metern. 22die feststellungsklage ist bereits unzulässig. 23die klage ist auf die feststellung des bestehens eines rechtsverhältnisses im sinne von § 43 abs. 1 1. fall vwgo gerichtet. das geltend gemachte rechtsverhältnis betrifft die frage der bindung des beklagten an die feststellungen seines vorbescheids vom 6.7.2020 im rahmen des nachfolgend von der klägerin eingeleiteten immissionsschutzrechtlichen genehmigungsverfahrens. 24die feststellungsklage ist jedenfalls deshalb unzulässig, weil der klägerin das nach § 43 abs. 1 vwgo erforderliche berechtigte interesse an der baldigen feststellung fehlt. 25hierunter fällt jedes anzuerkennende schutzwürdige interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller art, das hinreichend gewichtig ist, um die position des betroffenen zu verbessern. 26vgl. bverwg, beschluss vom 20.12.2017 - 6 b 14.17 -, juris, sowie urteil vom 6.2.1986 - 5 c 40.84 -, juris; ovg nrw, urteil vom 27.8.1996 27- 5 a 3485/94 -, juris. 28nach diesen maßgaben fehlt ein anzuerkennendes schutzwürdiges interesse der klägerin an der begehrten feststellung, dass der vorbescheid vom 6.7.2020 auch dann für das nachfolgende immissionsschutzrechtliche (voll)genehmigungsverfahren gelte, wenn sich dieses verfahren auf den anlagentyp nordex n 149 5,7 ste beziehe. denn unabhängig vom wechsel des anlagentyps ist bereits nicht ersichtlich, dass ein vorbescheid für zwei windenergieanlagen bindungswirkung für das von der klägerin eingeleitete vollgenehmigungsverfahren für drei windenergieanlagen entfalten könnte. vielmehr handelt es sich bei dem geänderten vorhaben um ein aliud. 29ein solches aliud liegt nämlich bereits dann vor, wenn die frage der genehmigungsfähigkeit des vorhabens - auch im verhältnis des vorbescheidsvorhabens zum nachfolgenden vollgenehmigungsantrag - neu aufgeworfen wird, d. h., wenn die zulässigkeit des geänderten vorhabens möglicherweise anders zu beurteilen ist. 30vgl. ovg nrw, beschluss vom 25.9.2020 - 10 a 4607/19 -, juris, urteil vom 23.4.1996 - 10 a 620/91 -, juris; ovg rh.-pf., urteil vom 3.8.2016 - 8 a 10377/16 -, juris. 31dies ist bei der hier vorgenommenen erhöhung der anzahl der anlagen von zwei auf drei ersichtlich der fall. dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die hinzukommende windenergieanlage (wea 2) zwischen den wea 1 und wea 3 befinden soll und der beklagte bereits im vorbescheidsverfahren im falle der planung von drei windenergieanlagen von einer pflicht zur durchführung einer standortbezogenen vorprüfung nach § 7 abs. 2 uvpg i. v. m. anlage 1 nr. 1.6.3 ausging. 32die klägerin hat auch nicht vorgetragen, dass sie eine vollgenehmigung allein für die im vorbescheid vom 6.7.2020 benannten vorhabenstandorte (dort für wea 1 und wea 3) anstrebe. auf die gerichtliche anfrage vom 6.4.2022 hat sie dies vielmehr mit schriftsatz vom 13.4.2022 verneint. 33die aus den vorstehenden gründen unzulässige klage wäre im übrigen auch unbegründet. es besteht keine bindungswirkung des vorbescheids vom 6.7.2020 in dem von der klägerin nachfolgend eingeleiteten immissionsschutzrechtlichen vollgenehmigungsverfahren und damit kein rechtsverhältnis im sinne des § 43 abs. 1 1. fall vwgo. 34dabei mag dahinstehen, ob sich dies schon aus dem vom beklagten aufgezeigten umstand ergibt, dass bei dem von der klägerin eingeleiteten vollgenehmigungsverfahren die identität des vorhabens durch die veränderung der anzahl der vorgesehenen anlagen von zwei im vorbescheidsverfahren zu drei im vollgenehmigungsantrag entfallen ist. 35unabhängig von der unterschiedlichen anzahl der windenergieanlagen im vorbescheidsverfahren einerseits und im von der klägerin eingeleiteten vollgenehmigungsverfahren andererseits führt im vorliegenden einzelfall jedenfalls die gesamtwürdigung der mit dem wechsel vom anlagentyp senvion 148-4.2 zum typ nordex n149 5,7 ste verbundenen aspekte dazu, dass eine bindungswirkung des vorbescheids für das folgende immissionsschutzrechtliche vollgenehmigungsverfahren nicht besteht, wenn sich dieses auf den genannten anlagentyp bezieht. 36vgl. demgegenüber für einen generellen wegfall der bindungswirkung eines vorbescheids bei änderung des anlagentyps noch ovg nrw, urteil vom 25.2.2015 - 8 a 959/10 -, juris. 37denn es handelt sich insoweit bei einer gesamtwürdigung der umstände des einzelfalls um ein aliud. 38die technischen daten der genannten beiden anlagentypen weichen nicht unerheblich voneinander ab. 39so ist die nabenhöhe beim anlagentyp nordex n149 5,7 ste mit 164 m um 1 m niedriger als beim anlagentyp senvion 148-4.2 bei gleichzeitig längerem rotordurchmesser (149,1 m statt bisher 148 m). dies führt dazu, dass die vom rotor überstrichene fläche bei dem typ nordex n149 5,7 ste deutlich näher an der geländeoberfläche als beim typ senvion 148-4.2 liegt, was auswirkungen auf die belange des artenschutzes haben kann. 40auch die nennleistung ist mit 5,7 mw gegenüber vormals 4,2 mw unterschiedlich. dies kann sich nach dem vortrag des beklagten, den die klägerin nicht erschüttert hat, auch auf die jeweiligen schallemissionen auswirken. 41nach dem unbestrittenen vortrag des beklagten in seinem schriftsatz vom 11.2.2022 (dort seite 13) ergibt sich zudem ein unterschied hinsichtlich der maximalen drehzahl der anlagentypen. dies kann sich wegen des mit der drehbewegung verbundenen unruhelements auf die belange des landschaftsschutzes bzw. des landschaftsbildes auswirken. 42diese unterschiede genügen bei einer gesamtwürdigung, um im sinne der genannten maßstäbe von einem aliud auszugehen. das geänderte vorhaben ist möglicherweise hinsichtlich der im vorbescheid getroffenen feststellungen (vereinbarkeit mit dem planungsrecht, dem landschaftsrecht und den militärischen und zivilen belangen der luftfahrt) anders zu beurteilen. 43nicht erforderlich ist hingegen, dass das vorhaben auch tatsächlich anders zu beurteilen ist als dasjenige, für das eine genehmigung oder ein vorbescheid erteilt beziehungsweise versagt wurde. die erkenntnis, dass sich die änderung des vorhabens genehmigungsrechtlich nicht auswirkt, kann nur das ergebnis der prüfung in einem vorbescheids- oder genehmigungsverfahren sein, macht ein solches aber nicht etwa von vornherein überflüssig. 44vgl. ovg nrw, beschluss vom 25.9.2020 - 10 a 4607/19 -, juris. 45die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 1 vwgo. 46die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit folgt aus § 167 vwgo und §§ 708 nr. 10, 711 zpo. 47die entscheidung über die nichtzulassung der revision ergibt sich aus § 132 abs. 2 vwgo; zulassungsgründe sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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10 D 205/20.NE
2022-05-23T00:00:00
Urteil
Tenor Die Satzung der Stadt T. über die Veränderungssperre für einen Teil des Geltungsbereichs des Bebauungsplans Nr. der Stadt T. „Ortskern D.“ ist unwirksam. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 von Hundert des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Antragstellerinnen vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 von Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten. Die Revision wird nicht zugelassen. 1Tatbestand: 2Die Antragstellerinnen wenden sich gegen die Satzung der Antragsgegnerin über die Veränderungssperre für einen Teil des Geltungsbereichs des Bebauungsplans Nr. der Stadt T. „Ortskern D.“ (im Folgenden: Veränderungssperre). 3Die Antragstellerinnen sind jeweils zur Hälfte Miteigentümerinnen des Grundstücks C. Straße 14 in T. (Gemarkung C1., Flur 53, Flurstück 49), der Antragstellerin zu 2. gehört außerdem das benachbarte Grundstück C. Straße 16 (Gemarkung C1., Flur 55, Flurstück 59). Beide Grundstücke (im Folgenden: Grundstücke) liegen im Plangebiet des Bebauungsplans Nr. „Ortskern D.“ der Antragsgegnerin (im Folgenden: Bebauungsplan Nr.). Dieser setzt den jeweils größeren Teil der Grundstücke als Allgemeines Wohngebiet und jeweils einen schmaleren, an die C. Straße angrenzenden Streifen der Grundstücke als private Grünfläche fest. Die Grundstücke sind mit zwei derzeit unbewohnten Villen bebaut, die nach den Angaben der Antragstellerinnen um das Jahr 1900 entstanden sind (im Folgenden: Villen). Die Antragstellerinnen haben die Grundstücke mit notariellem Vertrag vom 11. März 2022 an die G. & S. X. GmbH mit Sitz in M. verkauft, zu deren Gunsten Auflassungsvormerkungen in das Grundbuch eingetragen worden sind. 4Der Rat beschloss in seiner Sitzung am 25. Juni 2020 die Aufstellung der 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. (im Folgenden: 1. Änderung) und die Veränderungssperre als Satzung. Ihr räumlicher Geltungsbereich umfasst einen Teil des Plangebiets des Bebauungsplans Nr. und liegt zwischen der Straße C2. im Norden, der Straße C3. im Osten, der C. Straße im Süden und den westlichen Grenzen der bebauten Grundstücke westlich der Straße T1. beziehungsweise des Grundstücks C. Straße Nr. 16 im Westen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 der Veränderungssperre dürfen in ihrem Geltungsbereich weder Vorhaben im Sinne des § 29 BauGB durchgeführt noch bauliche Anlagen beseitigt werden. In der Vorlage für die Ratssitzung am 25. Juni 2020 (2020/063) (im Folgenden: Sitzungsvorlage) heißt es, ein Investor beabsichtige, die beiden auf den Grundstücken stehenden historischen Villen abzureißen und die Grundstücksflächen mit 26 Doppelhaushälften zu bebauen. Dieses Vorhaben widerspreche dem Ortsteilentwicklungskonzept für D., das eine weitere bauliche Entwicklung nur am D1. und am F. vorsehe und die Erhaltung und Pflege der im Ort noch vorhandenen historischen Bebauung als städtebauliches Ziel formuliere. Wegen der Vielfalt und Verschiedenartigkeit der vorhandenen Bebauung sei seinerzeit darauf verzichtet worden, in dem Bebauungsplan Nr. detaillierte Festsetzungen für die Grundstücke zu treffen, weil solche der baulichen Situation nicht hätten gerecht werden können. Der Bebauungsplan setze daher die Grundstücke nur als Allgemeines Wohngebiet fest und enthalte überdies nur Nutzungsbeschränkungen und Pflanzgebote. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des von dem Investor vorgestellten Vorhabens könne auf der Grundlage des aktuell geltenden Planungsrechts nicht rechtssicher beurteilt werden. Es werde empfohlen, eine Änderung des Bebauungsplans Nr. zu beschließen mit dem Ziel, für das Umfeld der Villen städtebauliche Ziele zu formulieren und durch Festsetzungen umzusetzen. Die Villen seien erhaltenswerte, das Ortsbild prägende Gebäude, die nicht unter Denkmalschutz stünden. Um zu verhindern, dass während der Aufstellung der 1. Änderung durch ihren Abriss Fakten geschaffen würden, werde empfohlen, eine Veränderungssperre zu erlassen. Ohne eine solche sei zu befürchten, dass die beabsichtigte Bauleitplanung durch eine Verwirklichung des von dem Investor vorgestellten Vorhabens unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert würde. 5Der Aufstellungsbeschluss und die Veränderungssperre wurden im Amtsblatt vom 3. Juli 2020 bekannt gemacht. Dort heißt es zum Planungsziel: „Die derzeitig bestehenden Festsetzungen des Bebauungsplans regeln ausschließlich die Art der baulichen Nutzung, Nutzungsbeschränkungen sowie Pflanzgebote. Es sollen weitere Festsetzungen erarbeitet werden, die es ermöglichen, dass [das] Ortsbild prägende und erhaltenswerte Gebäudestrukturen erhalten bleiben sowie unter Berücksichtigung städtebaulicher Ziele neue Gebäude errichtet werden können.“ 6Die Antragstellerinnen haben am 6. Oktober 2020 den Normenkontrollantrag gestellt. 7Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor: Der Normenkontrollantrag sei, auch wenn sie die Grundstücke inzwischen veräußert hätten, zulässig. Der Kaufvertrag sei noch nicht vollzogen worden. Der Antrag sei auch begründet. Die Veränderungssperre sei unwirksam. Sie sei weder ordnungsgemäß ausgefertigt noch wirksam bekannt gemacht worden. Die materiellen Voraussetzungen für ihren Erlass lägen nicht vor. Die ihr zugrunde liegende Planung sei nicht sicherungsfähig, denn sie lasse nicht einmal ein Mindestmaß dessen erkennen, was Inhalt des künftigen Bebauungsplans sein solle. Sie diene allein der Verhinderung ihrer, der Antragstellerinnen, Absicht, die Villen abreißen zu lassen. 8Die Antragstellerinnen beantragen schriftsätzlich, 9die Satzung der Stadt T. über die Veränderungssperre für einen Teil des Geltungsbereichs des Bebauungsplans Nr. der Stadt T. „Ortskern D.“ für unwirksam zu erklären. 10Die Antragsgegnerin beantragt schriftsätzlich, 11den Antrag abzulehnen. 12Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Aufstellungsvorgangs (Beiakte Heft 1) Bezug genommen. 13Entscheidungsgründe: 14Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten durch die Berichterstatterin ohne mündliche Verhandlung. 15Der Antrag hat Erfolg. 16Er ist zulässig. Hieran änderte sich auch mit einem Verlust des Eigentums der Antragstellerinnen an den beiden im Geltungsbereich der Veränderungssperre liegenden Grundstücken nichts (§ 173 VwGO in Verbindung mit § 265 Abs. 2 Satz1 ZPO). 17Vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. August 2001 – 4 BN 43.01 –, juris, Rn. 5. 18Der Antrag ist begründet. Die Veränderungssperre ist unwirksam. 19Sie hat einen zu ihrer Unwirksamkeit führenden formellen Fehler. 20Sie ist nicht ordnungsgemäß ausgefertigt. 21Bebauungspläne sind Satzungen (§ 10 Abs. 1 BauGB) und als solche auszufertigen, bevor sie gemäß § 10 Abs. 3 Satz 4 BauGB mit der Bekanntmachung in Kraft treten. Dies folgt aus dem in Art. 20 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich verankerten Rechtsstaatsprinzip. Mit der Ausfertigung wird die Satzung als Originalurkunde hergestellt und sichergestellt, dass der textliche und der zeichnerische Gegenstand der Satzung mit dem Willen des Rates im Zeitpunkt seiner Beschlussfassung übereinstimmen. 22Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. November 2015 – 10 D 84/13.NE –, juris, Rn. 47. 23Welche Anforderungen im Einzelnen an eine Ausfertigung zu stellen sind, gibt das Bundesrecht nicht vor. Dies bestimmt sich vielmehr nach Maßgabe des Landesrechts. 24Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 1998 – 4 NB 3.97 –, juris, Rn. 16. 25Dabei müssen die fundamentalen Elemente des Rechtsstaats und die Rechtsstaatlichkeit im Ganzen gewahrt bleiben. Das Rechtsstaatsgebot verlangt die Identität der anzuwendenden Norm und ihres Inhalts mit dem, was der Normgeber beschlossen hat („Identitätsfunktion“, „Beurkundungs- und Gewährleistungsfunktion“), nicht jedoch die Bestätigung der Legalität des Normsetzungsverfahrens („Legalitätsfunktion“). Wegen der Beurkundungs- und Gewährleistungsfunktion der Ausfertigung muss ihr eine Prüfung vorausgehen, ob die zu verkündende Fassung der Norm mit der von dem Normgeber beschlossenen Fassung der Norm übereinstimmt. Es muss erkennbar sein, dass der Normgeber diese ihm obliegende Prüfung tatsächlich durchgeführt hat. Die Identität des Normtextes mit dem, was der Normgeber beschlossen hat, wird durch die Ausfertigung bestätigt. Folglich genügt etwa das bloße Herstellen einer gedruckten Fassung der Norm nicht als Ausfertigung. Weiteres, insbesondere zur Art und Weise der Prüfung der Identität und ihrer Beurkundung, also zu einem geeigneten Nachweis, dass die Identitätsprüfung stattgefunden hat, gibt das Bundesrecht nicht vor. 26Vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. September 2014 – 4 B 29.14 –, juris, Rn. 5. 27Für das nordrhein-westfälische Landesrecht ist in der Rechtsprechung geklärt, dass es mangels ausdrücklicher normativer Vorgaben für die Ausfertigung von Bebauungsplänen – für die Ausfertigung von Veränderungssperren gilt nichts anderes – ausreichend, aber auch erforderlich ist, dass eine Originalurkunde geschaffen wird, auf welcher der (Ober-)Bürgermeister als Vorsitzender des Rates, des zuständigen Beschlussorgans der Gemeinde, zeitlich nach dem Satzungsbeschluss und vor der Verkündung der Satzung schriftlich bestätigt, dass der Rat an einem näher bezeichneten Tag diesen Bebauungsplan als Satzung beschlossen habe. 28Vgl. OVG NRW, Urteile vom 11. Oktober 2017 – 7 D 94/15.NE – juris, Rn. 33, vom 19. November 2015 – 10 D 84/13.NE –, juris, Rn. 51, und vom 8. März 2012 – 10 D 17/10.NE –, juris, Rn. 38, jeweils mit weiteren Nachweisen. 29Diesen Anforderungen ist hier nicht genügt. In den übersandten Aufstellungsvorgängen befindet sich eine solche Originalurkunde nicht, sondern lediglich eine von dem Bürgermeister der Antragsgegnerin unterschriebene Bekanntmachungsanordnung, in der auch eine Bestätigung (§ 2 Abs. 3 BekanntmVO), dass die bekanntzumachende Satzung dem Wortlaut dessen entspricht, was der Rat beschlossen hat, fehlt. 30Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 17. Dezember 2020 – 2 B 1249/20.NE –, juris, Rn. 22 ff., mit weiteren Nachweisen. 31Die Antragsgegnerin hat auch nicht vorgetragen, dass eine die oben genannten Anforderungen erfüllende Ausfertigung der Veränderungssperre existiere. 32Der Ausfertigungsmangel führt zur Unwirksamkeit der Veränderungssperre, denn das Unterbleiben einer Ausfertigung stellt als Verstoß gegen ein verfassungsrechtliches Gültigkeitserfordernis einen stets beachtlichen Mangel dar. 33Vgl. OVG NRW, Urteil vom 11. Oktober 2017 – 7 D 94/15.NE –, juris, Rn. 39. 34Die Veränderungssperre hat überdies einen zu ihrer Unwirksamkeit führenden materiellen Fehler. 35Nach § 14 Abs. 1 BauGB kann die Gemeinde, wenn ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst ist, zur Sicherung der Planung für den Planbereich eine Veränderungssperre beschließen. Die als Satzung von der Gemeinde zu beschließende Veränderungssperre soll verhindern, dass die Planung durch tatsächliche Veränderungen baulicher oder sonstiger Art während der von der Verwaltung für die Aufstellung eines Bebauungsplans benötigten Erarbeitungszeit durch Schaffung vollendeter Tatsachen vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Welchen sachlichen Inhalt eine Veränderungssperre haben kann, ist in § 14 Abs. 1 BauGB abschließend geregelt. Das zeitlich befristete Verbot, Vorhaben im Sinne des § 29 BauGB zu verwirklichen, ist als Ausdruck zulässiger Inhalts- und Schrankenbestimmung des Grundeigentums verfassungsrechtlich unbedenklich. Anders als ein Flächennutzungsplan oder ein Bebauungsplan unterliegt die Veränderungssperre nicht dem allgemeinen Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB. Sie muss lediglich zur Erreichung des mit ihr verfolgten Sicherungszwecks erforderlich sein. Auch für die beabsichtigte Änderung eines Bebauungsplans darf sich die Gemeinde des Sicherungsmittels der Veränderungssperre bedienen (§ 1 Abs. 8 BauGB). 36Vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. September 1992 – 4 NB 35.92 –, juris, Rn. 6, mit weiteren Nachweisen. 37Der Beschluss einer Veränderungssperre setzt voraus, dass die Planung, die sie sichern soll, ein Mindestmaß dessen erkennen lässt, was Inhalt des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans sein soll. 38Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Juli 2008 – 4 BN 18.08 –, juris, Rn. 3, Urteile vom 19. Februar 2004 – 4 CN 13.03 – und – 4 CN 16.03 –, juris, Rn. 15 und Rn. 28. 39Die Gemeinde muss bereits positive Vorstellungen über den Inhalt des Bebauungsplans entwickelt haben. Ein Mindestmaß an konkreter planerischer Vorstellung gehört auch zur Konzeption des § 14 BauGB. Nach Absatz 2 Satz 1 der Vorschrift kann eine Ausnahme von der jeweiligen Veränderungssperre zugelassen werden, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Ob der in diesem Zusammenhang praktisch wichtigste öffentliche Belang, nämlich die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der beabsichtigten Planung, beeinträchtigt ist, kann aber nur beurteilt werden, wenn die planerischen Vorstellungen der Gemeinde nicht noch völlig offen sind. 40Vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Februar 2004 – 4 CN 13.03 – und – 4 CN 16.03 –, juris, Rn. 15 und Rn. 28. 41Der Zweck einer Veränderungssperre besteht darin, eine bestimmte Bauleitplanung zu sichern. Sie darf nicht eingesetzt werden, um lediglich die Planungszuständigkeit beziehungsweise die Planungshoheit der Gemeinde zu sichern. Dies ist jedoch der Fall, wenn eine Gemeinde eine Veränderungssperre erlässt, um erst Zeit für die Entwicklung eines bestimmten Planungskonzepts zu gewinnen. Die „Absicht zu planen“ genügt als Sicherungszweck nicht. Zwar kann der Wunsch, ein konkretes Bauvorhaben zu verhindern, ein zulässiges Motiv für die Aufstellung eines Bebauungsplans und den Erlass einer Veränderungssperre sein. Eingesetzt werden darf sie in einem solchen Fall jedoch nur, wenn die Gemeinde bereits ein bestimmtes positives Planungsziel hat oder anlässlich eines für das unerwünschte Bauvorhaben gestellten Bauantrags entwickelt und deshalb mit Hilfe der Veränderungssperre das Entstehen vollendeter Tatsachen verhindern will. 42Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2004 – 4 CN 16.03 –, juris, Rn. 30, mit weiteren Nachweisen; OVG NRW, Urteil vom 16. April 2021 – 2 D 106/20.NE –, juris, Rn. 43. 43Allerdings dürfen die Anforderungen an das erforderliche Mindestmaß der Konkretisierung der zu sichernden Planung nicht überspannt werden, weil sonst die praktische Wirksamkeit der Veränderungssperre verloren gehen würde. Die Gemeinde wird sich im Allgemeinen nicht bereits zu Beginn des Aufstellungsverfahrens auf ein bestimmtes Planungsergebnis festlegen können. Vielmehr ist der Sinn der Vorschriften, die die Aufstellung von Bebauungsplänen regeln, dass der jeweilige Bebauungsplan innerhalb des Aufstellungsverfahrens – insbesondere unter Beachtung des Abwägungsgebots – erst erarbeitet wird. Davon zu unterscheiden ist jedoch eine Planung, für die es noch gar kein Konzept gibt und deren Konzept erst im Aufstellungsverfahren entwickelt werden soll. Eine solche Planung ist nicht sicherungsfähig. 44Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2004 – 4 CN 16.03 –, juris, Rn. 31, mit weiteren Nachweisen. 45Gemessen an diesen Maßstäben fehlt es hier im Hinblick auf die 1. Änderung an einer durch eine Veränderungssperre sicherungsfähigen Planung. Ausweislich der Begründung für die 1. Änderung und den Erlass der Veränderungssperre, wie sie sich aus der Sitzungsvorlage ergibt, ist die Aufstellung der 1. Änderung mit dem Ziel beschlossen worden, „für das Umfeld der Villen städtebauliche Ziele zu formulieren und diese durch Festsetzungen in den Änderungsplan aufzunehmen“. Dass ein bestimmtes positives mit der 1. Änderung verfolgtes städtebauliches Ziel zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses bereits entwickelt gewesen wäre, lässt sich der besagten Begründung nicht entnehmen. Daraus ergibt sich lediglich, dass nach dem Entwicklungskonzept für den Ortsteil D. eine weitere bauliche Entwicklung nur an anderer Stelle vorgesehen sei. Der im Geltungsbereich der Veränderungssperre geltende Bebauungsplan Nr. wird für ungeeignet gehalten, die bauliche Entwicklung der Grundstücke im Fall des beabsichtigten Abrisses der Villen ausreichend zu steuern. Welche städtebaulichen Vorstellungen, die mit der 1. Änderung umgesetzt werden sollen, für den Geltungsbereich der Veränderungssperre bestehen, ist völlig offen. Auch aus der Begründung für den Aufstellungsbeschluss, die in dessen Bekanntmachung formuliert ist, ergeben sich solche konkreten planerischen Vorstellungen nicht. Was mit dem Erhalt von das Ortsbild prägenden und erhaltenswerten Gebäudestrukturen gemeint ist, bleibt ebenso unklar wie der Inhalt der städtebaulichen Ziele, die bei der Errichtung neuer Gebäude berücksichtigt werden sollen. Anhaltspunkte dafür, mit welchen städtebaulichen Zielen eine neue Bebauung etwa durch erstmalige Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung, zur Bauweise und zu den überbaubaren Grundstücksflächen gesteuert werden soll, fehlen. In der Begründung für den Erlass der Veränderungssperre in der Sitzungsvorlage wird auf die „Diversität der Bebauung“ im Plangebiet des Bebauungsplans Nr. hingewiesen, weshalb bei dessen Aufstellung darauf verzichtet worden sei, „detaillierte Festsetzungen zu erlassen, weil diese nicht der Vielfalt der Gebäude gerecht geworden wären“. Vor diesem Hintergrund kann auch ein etwaiges städtebauliches Ziel, sich bei der Zulassung einer neuen Bebauung an der vorhandenen Bebauungsdichte zu orientieren, nicht unterstellt werden. 46Unter den konkreten Umständen fehlt es danach an einer positiven Planungskonzeption für die in Rede stehende 1. Änderung, die durch die Veränderungssperre gesichert werden soll. Dies gilt auch dann, wenn man davon ausgehen wollte, dass sich den Begründungen für ihren jeweiligen Erlass jedenfalls entnehmen lasse, dass eine grundlegende Änderung der Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung nicht beabsichtigt sei. Zwar soll es für die Annahme eines positiven Planungskonzepts grundsätzlich ausreichen, dass die Gemeinde im Zeitpunkt des Erlasses einer Veränderungssperre zumindest Vorstellungen über die Art der baulichen Nutzung hat, die sie mit der zu sichernden Planung zulassen will. 47Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 9. August 2016 – 4 C 5.15 –, juris, Rn. 19, mit weiteren Nachweisen. 48Dies kann jedoch in einem Fall, wie er hier in Rede steht, nicht genügen, wenn die Veränderungssperre nur der Sicherung einer Änderungsplanung dient, die die bestehenden Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung im Wesentlichen nicht betreffen, sondern eine Steuerung der Dichte einer etwaigen Neubebauung ermöglichen soll. Für ein Mindestmaß an Konkretisierung der zu sichernden Änderungsplanung ist in solchen Fällen zu verlangen, dass die Zielrichtung der angedachten Steuerung zumindest ansatzweise erkennbar ist. Daran fehlt es hier. 49Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. 50Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. 51Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
die satzung der stadt t. über die veränderungssperre für einen teil des geltungsbereichs des bebauungsplans nr. der stadt t. „ortskern d.“ ist unwirksam. die antragsgegnerin trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist hinsichtlich der kosten vorläufig vollstreckbar. die antragsgegnerin darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 von hundert des auf grund des urteils vollstreckbaren betrags abwenden, wenn nicht die antragstellerinnen vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 von hundert des jeweils zu vollstreckenden betrags leisten. die revision wird nicht zugelassen. 1
2die antragstellerinnen wenden sich gegen die satzung der antragsgegnerin über die veränderungssperre für einen teil des geltungsbereichs des bebauungsplans nr. der stadt t. „ortskern d.“ (im folgenden: veränderungssperre). 3die antragstellerinnen sind jeweils zur hälfte miteigentümerinnen des grundstücks c. straße 14 in t. (gemarkung c1., flur 53, flurstück 49), der antragstellerin zu 2. gehört außerdem das benachbarte grundstück c. straße 16 (gemarkung c1., flur 55, flurstück 59). beide grundstücke (im folgenden: grundstücke) liegen im plangebiet des bebauungsplans nr. „ortskern d.“ der antragsgegnerin (im folgenden: bebauungsplan nr.). dieser setzt den jeweils größeren teil der grundstücke als allgemeines wohngebiet und jeweils einen schmaleren, an die c. straße angrenzenden streifen der grundstücke als private grünfläche fest. die grundstücke sind mit zwei derzeit unbewohnten villen bebaut, die nach den angaben der antragstellerinnen um das jahr 1900 entstanden sind (im folgenden: villen). die antragstellerinnen haben die grundstücke mit notariellem vertrag vom 11. märz 2022 an die g. & s. x. gmbh mit sitz in m. verkauft, zu deren gunsten auflassungsvormerkungen in das grundbuch eingetragen worden sind. 4der rat beschloss in seiner sitzung am 25. juni 2020 die aufstellung der 1. änderung des bebauungsplans nr. (im folgenden: 1. änderung) und die veränderungssperre als satzung. ihr räumlicher geltungsbereich umfasst einen teil des plangebiets des bebauungsplans nr. und liegt zwischen der straße c2. im norden, der straße c3. im osten, der c. straße im süden und den westlichen grenzen der bebauten grundstücke westlich der straße t1. beziehungsweise des grundstücks c. straße nr. 16 im westen. nach § 2 abs. 1 nr. 1 der veränderungssperre dürfen in ihrem geltungsbereich weder vorhaben im sinne des § 29 baugb durchgeführt noch bauliche anlagen beseitigt werden. in der vorlage für die ratssitzung am 25. juni 2020 (2020/063) (im folgenden: sitzungsvorlage) heißt es, ein investor beabsichtige, die beiden auf den grundstücken stehenden historischen villen abzureißen und die grundstücksflächen mit 26 doppelhaushälften zu bebauen. dieses vorhaben widerspreche dem ortsteilentwicklungskonzept für d., das eine weitere bauliche entwicklung nur am d1. und am f. vorsehe und die erhaltung und pflege der im ort noch vorhandenen historischen bebauung als städtebauliches ziel formuliere. wegen der vielfalt und verschiedenartigkeit der vorhandenen bebauung sei seinerzeit darauf verzichtet worden, in dem bebauungsplan nr. detaillierte festsetzungen für die grundstücke zu treffen, weil solche der baulichen situation nicht hätten gerecht werden können. der bebauungsplan setze daher die grundstücke nur als allgemeines wohngebiet fest und enthalte überdies nur nutzungsbeschränkungen und pflanzgebote. die bauplanungsrechtliche zulässigkeit des von dem investor vorgestellten vorhabens könne auf der grundlage des aktuell geltenden planungsrechts nicht rechtssicher beurteilt werden. es werde empfohlen, eine änderung des bebauungsplans nr. zu beschließen mit dem ziel, für das umfeld der villen städtebauliche ziele zu formulieren und durch festsetzungen umzusetzen. die villen seien erhaltenswerte, das ortsbild prägende gebäude, die nicht unter denkmalschutz stünden. um zu verhindern, dass während der aufstellung der 1. änderung durch ihren abriss fakten geschaffen würden, werde empfohlen, eine veränderungssperre zu erlassen. ohne eine solche sei zu befürchten, dass die beabsichtigte bauleitplanung durch eine verwirklichung des von dem investor vorgestellten vorhabens unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert würde. 5der aufstellungsbeschluss und die veränderungssperre wurden im amtsblatt vom 3. juli 2020 bekannt gemacht. dort heißt es zum planungsziel: „die derzeitig bestehenden festsetzungen des bebauungsplans regeln ausschließlich die art der baulichen nutzung, nutzungsbeschränkungen sowie pflanzgebote. es sollen weitere festsetzungen erarbeitet werden, die es ermöglichen, dass [das] ortsbild prägende und erhaltenswerte gebäudestrukturen erhalten bleiben sowie unter berücksichtigung städtebaulicher ziele neue gebäude errichtet werden können.“ 6die antragstellerinnen haben am 6. oktober 2020 den normenkontrollantrag gestellt. 7zur begründung tragen sie im wesentlichen vor: der normenkontrollantrag sei, auch wenn sie die grundstücke inzwischen veräußert hätten, zulässig. der kaufvertrag sei noch nicht vollzogen worden. der antrag sei auch begründet. die veränderungssperre sei unwirksam. sie sei weder ordnungsgemäß ausgefertigt noch wirksam bekannt gemacht worden. die materiellen voraussetzungen für ihren erlass lägen nicht vor. die ihr zugrunde liegende planung sei nicht sicherungsfähig, denn sie lasse nicht einmal ein mindestmaß dessen erkennen, was inhalt des künftigen bebauungsplans sein solle. sie diene allein der verhinderung ihrer, der antragstellerinnen, absicht, die villen abreißen zu lassen. 8die antragstellerinnen beantragen schriftsätzlich, 9die satzung der stadt t. über die veränderungssperre für einen teil des geltungsbereichs des bebauungsplans nr. der stadt t. „ortskern d.“ für unwirksam zu erklären. 10die antragsgegnerin beantragt schriftsätzlich, 11den antrag abzulehnen. 12wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstands wird auf den inhalt der gerichtsakte und des aufstellungsvorgangs (beiakte heft 1) bezug genommen. 13
14der senat entscheidet im einverständnis der beteiligten durch die berichterstatterin ohne mündliche verhandlung. 15der antrag hat erfolg. 16er ist zulässig. hieran änderte sich auch mit einem verlust des eigentums der antragstellerinnen an den beiden im geltungsbereich der veränderungssperre liegenden grundstücken nichts (§ 173 vwgo in verbindung mit § 265 abs. 2 satz1 zpo). 17vgl. bverwg, beschluss vom 1. august 2001 – 4 bn 43.01 –, juris, rn. 5. 18der antrag ist begründet. die veränderungssperre ist unwirksam. 19sie hat einen zu ihrer unwirksamkeit führenden formellen fehler. 20sie ist nicht ordnungsgemäß ausgefertigt. 21bebauungspläne sind satzungen (§ 10 abs. 1 baugb) und als solche auszufertigen, bevor sie gemäß § 10 abs. 3 satz 4 baugb mit der bekanntmachung in kraft treten. dies folgt aus dem in art. 20 abs. 3 gg verfassungsrechtlich verankerten rechtsstaatsprinzip. mit der ausfertigung wird die satzung als originalurkunde hergestellt und sichergestellt, dass der textliche und der zeichnerische gegenstand der satzung mit dem willen des rates im zeitpunkt seiner beschlussfassung übereinstimmen. 22vgl. ovg nrw, urteil vom 19. november 2015 – 10 d 84/13.ne –, juris, rn. 47. 23welche anforderungen im einzelnen an eine ausfertigung zu stellen sind, gibt das bundesrecht nicht vor. dies bestimmt sich vielmehr nach maßgabe des landesrechts. 24vgl. bverwg, beschluss vom 27. januar 1998 – 4 nb 3.97 –, juris, rn. 16. 25dabei müssen die fundamentalen elemente des rechtsstaats und die rechtsstaatlichkeit im ganzen gewahrt bleiben. das rechtsstaatsgebot verlangt die identität der anzuwendenden norm und ihres inhalts mit dem, was der normgeber beschlossen hat („identitätsfunktion“, „beurkundungs- und gewährleistungsfunktion“), nicht jedoch die bestätigung der legalität des normsetzungsverfahrens („legalitätsfunktion“). wegen der beurkundungs- und gewährleistungsfunktion der ausfertigung muss ihr eine prüfung vorausgehen, ob die zu verkündende fassung der norm mit der von dem normgeber beschlossenen fassung der norm übereinstimmt. es muss erkennbar sein, dass der normgeber diese ihm obliegende prüfung tatsächlich durchgeführt hat. die identität des normtextes mit dem, was der normgeber beschlossen hat, wird durch die ausfertigung bestätigt. folglich genügt etwa das bloße herstellen einer gedruckten fassung der norm nicht als ausfertigung. weiteres, insbesondere zur art und weise der prüfung der identität und ihrer beurkundung, also zu einem geeigneten nachweis, dass die identitätsprüfung stattgefunden hat, gibt das bundesrecht nicht vor. 26vgl. bverwg, beschluss vom 4. september 2014 – 4 b 29.14 –, juris, rn. 5. 27für das nordrhein-westfälische landesrecht ist in der rechtsprechung geklärt, dass es mangels ausdrücklicher normativer vorgaben für die ausfertigung von bebauungsplänen – für die ausfertigung von veränderungssperren gilt nichts anderes – ausreichend, aber auch erforderlich ist, dass eine originalurkunde geschaffen wird, auf welcher der (ober-)bürgermeister als vorsitzender des rates, des zuständigen beschlussorgans der gemeinde, zeitlich nach dem satzungsbeschluss und vor der verkündung der satzung schriftlich bestätigt, dass der rat an einem näher bezeichneten tag diesen bebauungsplan als satzung beschlossen habe. 28vgl. ovg nrw, urteile vom 11. oktober 2017 – 7 d 94/15.ne – juris, rn. 33, vom 19. november 2015 – 10 d 84/13.ne –, juris, rn. 51, und vom 8. märz 2012 – 10 d 17/10.ne –, juris, rn. 38, jeweils mit weiteren nachweisen. 29diesen anforderungen ist hier nicht genügt. in den übersandten aufstellungsvorgängen befindet sich eine solche originalurkunde nicht, sondern lediglich eine von dem bürgermeister der antragsgegnerin unterschriebene bekanntmachungsanordnung, in der auch eine bestätigung (§ 2 abs. 3 bekanntmvo), dass die bekanntzumachende satzung dem wortlaut dessen entspricht, was der rat beschlossen hat, fehlt. 30vgl. hierzu ovg nrw, beschluss vom 17. dezember 2020 – 2 b 1249/20.ne –, juris, rn. 22 ff., mit weiteren nachweisen. 31die antragsgegnerin hat auch nicht vorgetragen, dass eine die oben genannten anforderungen erfüllende ausfertigung der veränderungssperre existiere. 32der ausfertigungsmangel führt zur unwirksamkeit der veränderungssperre, denn das unterbleiben einer ausfertigung stellt als verstoß gegen ein verfassungsrechtliches gültigkeitserfordernis einen stets beachtlichen mangel dar. 33vgl. ovg nrw, urteil vom 11. oktober 2017 – 7 d 94/15.ne –, juris, rn. 39. 34die veränderungssperre hat überdies einen zu ihrer unwirksamkeit führenden materiellen fehler. 35nach § 14 abs. 1 baugb kann die gemeinde, wenn ein beschluss über die aufstellung eines bebauungsplans gefasst ist, zur sicherung der planung für den planbereich eine veränderungssperre beschließen. die als satzung von der gemeinde zu beschließende veränderungssperre soll verhindern, dass die planung durch tatsächliche veränderungen baulicher oder sonstiger art während der von der verwaltung für die aufstellung eines bebauungsplans benötigten erarbeitungszeit durch schaffung vollendeter tatsachen vereitelt oder wesentlich erschwert wird. welchen sachlichen inhalt eine veränderungssperre haben kann, ist in § 14 abs. 1 baugb abschließend geregelt. das zeitlich befristete verbot, vorhaben im sinne des § 29 baugb zu verwirklichen, ist als ausdruck zulässiger inhalts- und schrankenbestimmung des grundeigentums verfassungsrechtlich unbedenklich. anders als ein flächennutzungsplan oder ein bebauungsplan unterliegt die veränderungssperre nicht dem allgemeinen abwägungsgebot des § 1 abs. 7 baugb. sie muss lediglich zur erreichung des mit ihr verfolgten sicherungszwecks erforderlich sein. auch für die beabsichtigte änderung eines bebauungsplans darf sich die gemeinde des sicherungsmittels der veränderungssperre bedienen (§ 1 abs. 8 baugb). 36vgl. bverwg, beschluss vom 30. september 1992 – 4 nb 35.92 –, juris, rn. 6, mit weiteren nachweisen. 37der beschluss einer veränderungssperre setzt voraus, dass die planung, die sie sichern soll, ein mindestmaß dessen erkennen lässt, was inhalt des in aufstellung befindlichen bebauungsplans sein soll. 38vgl. bverwg, beschluss vom 22. juli 2008 – 4 bn 18.08 –, juris, rn. 3, urteile vom 19. februar 2004 – 4 cn 13.03 – und – 4 cn 16.03 –, juris, rn. 15 und rn. 28. 39die gemeinde muss bereits positive vorstellungen über den inhalt des bebauungsplans entwickelt haben. ein mindestmaß an konkreter planerischer vorstellung gehört auch zur konzeption des § 14 baugb. nach absatz 2 satz 1 der vorschrift kann eine ausnahme von der jeweiligen veränderungssperre zugelassen werden, wenn öffentliche belange nicht entgegenstehen. ob der in diesem zusammenhang praktisch wichtigste öffentliche belang, nämlich die vereinbarkeit des vorhabens mit der beabsichtigten planung, beeinträchtigt ist, kann aber nur beurteilt werden, wenn die planerischen vorstellungen der gemeinde nicht noch völlig offen sind. 40vgl. bverwg, urteile vom 19. februar 2004 – 4 cn 13.03 – und – 4 cn 16.03 –, juris, rn. 15 und rn. 28. 41der zweck einer veränderungssperre besteht darin, eine bestimmte bauleitplanung zu sichern. sie darf nicht eingesetzt werden, um lediglich die planungszuständigkeit beziehungsweise die planungshoheit der gemeinde zu sichern. dies ist jedoch der fall, wenn eine gemeinde eine veränderungssperre erlässt, um erst zeit für die entwicklung eines bestimmten planungskonzepts zu gewinnen. die „absicht zu planen“ genügt als sicherungszweck nicht. zwar kann der wunsch, ein konkretes bauvorhaben zu verhindern, ein zulässiges motiv für die aufstellung eines bebauungsplans und den erlass einer veränderungssperre sein. eingesetzt werden darf sie in einem solchen fall jedoch nur, wenn die gemeinde bereits ein bestimmtes positives planungsziel hat oder anlässlich eines für das unerwünschte bauvorhaben gestellten bauantrags entwickelt und deshalb mit hilfe der veränderungssperre das entstehen vollendeter tatsachen verhindern will. 42vgl. bverwg, urteil vom 19. februar 2004 – 4 cn 16.03 –, juris, rn. 30, mit weiteren nachweisen; ovg nrw, urteil vom 16. april 2021 – 2 d 106/20.ne –, juris, rn. 43. 43allerdings dürfen die anforderungen an das erforderliche mindestmaß der konkretisierung der zu sichernden planung nicht überspannt werden, weil sonst die praktische wirksamkeit der veränderungssperre verloren gehen würde. die gemeinde wird sich im allgemeinen nicht bereits zu beginn des aufstellungsverfahrens auf ein bestimmtes planungsergebnis festlegen können. vielmehr ist der sinn der vorschriften, die die aufstellung von bebauungsplänen regeln, dass der jeweilige bebauungsplan innerhalb des aufstellungsverfahrens – insbesondere unter beachtung des abwägungsgebots – erst erarbeitet wird. davon zu unterscheiden ist jedoch eine planung, für die es noch gar kein konzept gibt und deren konzept erst im aufstellungsverfahren entwickelt werden soll. eine solche planung ist nicht sicherungsfähig. 44vgl. bverwg, urteil vom 19. februar 2004 – 4 cn 16.03 –, juris, rn. 31, mit weiteren nachweisen. 45gemessen an diesen maßstäben fehlt es hier im hinblick auf die 1. änderung an einer durch eine veränderungssperre sicherungsfähigen planung. ausweislich der begründung für die 1. änderung und den erlass der veränderungssperre, wie sie sich aus der sitzungsvorlage ergibt, ist die aufstellung der 1. änderung mit dem ziel beschlossen worden, „für das umfeld der villen städtebauliche ziele zu formulieren und diese durch festsetzungen in den änderungsplan aufzunehmen“. dass ein bestimmtes positives mit der 1. änderung verfolgtes städtebauliches ziel zum zeitpunkt des satzungsbeschlusses bereits entwickelt gewesen wäre, lässt sich der besagten begründung nicht entnehmen. daraus ergibt sich lediglich, dass nach dem entwicklungskonzept für den ortsteil d. eine weitere bauliche entwicklung nur an anderer stelle vorgesehen sei. der im geltungsbereich der veränderungssperre geltende bebauungsplan nr. wird für ungeeignet gehalten, die bauliche entwicklung der grundstücke im fall des beabsichtigten abrisses der villen ausreichend zu steuern. welche städtebaulichen vorstellungen, die mit der 1. änderung umgesetzt werden sollen, für den geltungsbereich der veränderungssperre bestehen, ist völlig offen. auch aus der begründung für den aufstellungsbeschluss, die in dessen bekanntmachung formuliert ist, ergeben sich solche konkreten planerischen vorstellungen nicht. was mit dem erhalt von das ortsbild prägenden und erhaltenswerten gebäudestrukturen gemeint ist, bleibt ebenso unklar wie der inhalt der städtebaulichen ziele, die bei der errichtung neuer gebäude berücksichtigt werden sollen. anhaltspunkte dafür, mit welchen städtebaulichen zielen eine neue bebauung etwa durch erstmalige festsetzungen zum maß der baulichen nutzung, zur bauweise und zu den überbaubaren grundstücksflächen gesteuert werden soll, fehlen. in der begründung für den erlass der veränderungssperre in der sitzungsvorlage wird auf die „diversität der bebauung“ im plangebiet des bebauungsplans nr. hingewiesen, weshalb bei dessen aufstellung darauf verzichtet worden sei, „detaillierte festsetzungen zu erlassen, weil diese nicht der vielfalt der gebäude gerecht geworden wären“. vor diesem hintergrund kann auch ein etwaiges städtebauliches ziel, sich bei der zulassung einer neuen bebauung an der vorhandenen bebauungsdichte zu orientieren, nicht unterstellt werden. 46unter den konkreten umständen fehlt es danach an einer positiven planungskonzeption für die in rede stehende 1. änderung, die durch die veränderungssperre gesichert werden soll. dies gilt auch dann, wenn man davon ausgehen wollte, dass sich den begründungen für ihren jeweiligen erlass jedenfalls entnehmen lasse, dass eine grundlegende änderung der festsetzungen zur art der baulichen nutzung nicht beabsichtigt sei. zwar soll es für die annahme eines positiven planungskonzepts grundsätzlich ausreichen, dass die gemeinde im zeitpunkt des erlasses einer veränderungssperre zumindest vorstellungen über die art der baulichen nutzung hat, die sie mit der zu sichernden planung zulassen will. 47vgl. etwa bverwg, urteil vom 9. august 2016 – 4 c 5.15 –, juris, rn. 19, mit weiteren nachweisen. 48dies kann jedoch in einem fall, wie er hier in rede steht, nicht genügen, wenn die veränderungssperre nur der sicherung einer änderungsplanung dient, die die bestehenden festsetzungen zur art der baulichen nutzung im wesentlichen nicht betreffen, sondern eine steuerung der dichte einer etwaigen neubebauung ermöglichen soll. für ein mindestmaß an konkretisierung der zu sichernden änderungsplanung ist in solchen fällen zu verlangen, dass die zielrichtung der angedachten steuerung zumindest ansatzweise erkennbar ist. daran fehlt es hier. 49die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 1 vwgo. 50die entscheidung zur vorläufigen vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 vwgo in verbindung mit den §§ 708 nr. 10, 711 zpo. 51die revision ist nicht zuzulassen, da die voraussetzungen des § 132 abs. 2 vwgo nicht vorliegen.
345,573
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23 K 15695/17
2022-05-20T00:00:00
Urteil
Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 1Tatbestand: 2Die Klägerin begehrt die friedhofsrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines sogenannten Friedwaldes in kommunaler Trägerschaft. 32014/2015 traten die W GmbH und die U. Vermögensverwaltung GmbH gemeinsam mit dem Ansinnen an die Klägerin heran, in I. einen Friedwald zu errichten und zu betreiben. Dabei soll die Asche Verstorbener in einer biologisch abbaubaren Urne an den Wurzeln eines Baumes in freier Natur beigesetzt werden. Die betroffenen Waldgrundstücke sind Teil der überwiegend bewaldeten U1. berge und stehen im Eigentum der U. Vermögensverwaltung GmbH. Der Friedhof soll von der W GmbH betrieben werden. Hierzu unterbreitete die W GmbH ihr Konzept der klassischen Partnerschaft, nach dem zwischen Waldbesitzer, Gemeinde und W GmbH Verträge geschlossen werden, der Waldbesitzer die Waldfläche zur Verfügung stellt, die Gemeinde als Friedhofsträger die Genehmigung beantragt und die W GmbH als deren Verwaltungshelfer den Friedwald betreibt. 4Die Klägerin verfügt bisher über keine kommunalen Friedhofseinrichtungen. Die Friedhöfe im Gemeindegebiet befinden sich in kirchlicher Trägerschaft (Evangelische Kirchengemeinde E. und Evangelische Kirchengemeinde I. ). Auf Beschluss des Haupt- und Finanzausschusses der Klägerin im April 2015 wurden die Kirchengemeinden zu dem Vorhaben angehört; die Evangelische Kirchengemeinde E. sprach sich dagegen aus. 5Im Februar 2016 richtete die Klägerin eine informelle Anfrage zur Genehmigungsfähigkeit an den Beklagten. Mit Ratsbeschluss vom 6. Juli 2016 entschied die Klägerin, die friedhofsrechtliche Genehmigung zu beantragen und die Verträge vorzubereiten. 6Im August 2016 reichte die W GmbH Unterlagen zur Erläuterung und kartenmäßigen Darstellung des Vorhabens bei dem Beklagten ein. Von der beteiligten Landschaftsplanung wurden daraufhin Bedenken erhoben, weil der Landschaftsplan des Beklagten für den Raum I. /T. mit seinen Darstellungen und Festsetzungen, insbesondere mit seinem Betretungsverbot, dem Vorhaben entgegenstehe. 7Am 26. September 2016 erfolgte eine Besprechung der Beteiligten zum Austausch über den Stand des Verfahrens nach Prüfung der vorgelegten Unterlagen. Dabei teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass keine grundsätzlichen Bedenken bestünden, aus Sicht der Unteren Landschaftsbehörde auch keine Bedenken aus materieller Sicht, jedoch müsse das formelle Problem, dass der Landschaftsplan mit dem allgemeinen Betretungsverbot dem Planungsziel entgegenstehe, überwunden werden. Dazu sei eine Bauleitplanung in Form einer Flächennutzungsplanänderung und eines (einfachen) Bebauungsplanes erforderlich. Die Klägerin trat dem mit einer im Auftrag der W GmbH gefertigten Stellungnahme von Prof. Dr. Dr. T1. vom 5. November 2016 entgegen, wonach das Betretungsverbot in Ermangelung einer tragfähigen Begründung nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen zu genügen vermöge, die Anpassung aber über eine landschaftsschutzrechtliche Befreiung im Rahmen des friedhofsrechtlichen Genehmigungsverfahrens erfolgen solle. Denn der friedhofsrechtlichen Genehmigung komme Konzentrationswirkung zu. Anfang März 2017 fand eine Unterredung zwischen Landrat und Bürgermeister statt, in der der Klägerin aufgezeigt wurde, dass ein Genehmigungsantrag nach dem Bestattungsgesetz NRW nicht erfolgversprechend sei. 8Unter dem 25. April 2017 schloss die Klägerin einen Nutzungsvertrag mit der U. Vermögensverwaltung GmbH und einen Austauschvertrag mit der W GmbH, jeweils unter der aufschiebenden Bedingung, dass sämtliche erforderlichen Genehmigungen zum Friedwaldbetrieb vorliegen. 9Am 2. Mai 2017 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten, die Einrichtung eines Friedwald-Standortes auf den Gemarkungen C. (Flur 0) und C1. (Flur 00) gemäß § 2 des Gesetzes über das Friedhofs- und Bestattungswesen (Bestattungsgesetz – BestG NRW) zu genehmigen. 10Sämtliche Grundstücke liegen im Außenbereich des Gemeindegebietes. Der Flächennutzungsplan stellt hier Fläche für Wald dar; es besteht kein Bebauungsplan. Das Plangebiet befindet sich im Wasserschutzgebiet III B der Wassergewinnungsanlage C1. /H. der Niederrheinischen Gas- und Wasserwerke. 11Die insgesamt ca. 44 ha großen Grundstücke liegen weiter im Geltungsbereich des am 27. Dezember 2004 in Kraft getretenen Landschaftsplanes des Kreises X. , Raum I. /T. , dort im Bereich des ca. 3.337 ha großen Landschaftsschutzgebiets X 0 „Landschaftsschutzgebiet Hauptterrasse südlich I. “. Zusätzlich zu den allgemeinen Festsetzungen des Landschaftsplans, nach denen es u.a. verboten ist, bauliche Anlagen im Sinne der Bauordnung des Landes Nordrhein-Westfalen zu errichten oder in einer das Landschaftsbild beeinträchtigenden Weise zu ändern, auch wenn sie keiner bauaufsichtlichen Genehmigung bedürfen (Ziff. 2.4.1 Verbot I.1), gilt hier auch das Verbot, Flächen außerhalb der Straßen, Wege, Park- und Stellplätze sowie Grillplätze zu betreten oder auf diesen zu reiten (Ziff. 2.4.2 Verbot I.14). 12In ihrem Antrag führte die Klägerin aus, mittelfristig sei mit etwa 4-5 Beisetzungen pro Woche zu rechnen. Zuwegung und Parkplätze seien vorhanden. Zu Beisetzungszeiten seien etwa 15-20 Stellplätze notwendig; der öffentliche Wanderparkplatz biete ausreichend Stellplätze für alle Waldbesucher. Im Zugangsbereich vom Parkplatz in den Friedwald solle eine Informationstafel im Format DIN A0 mit hölzernem Rahmen aufgestellt werden, auf der die Friedwaldfläche deutlich gekennzeichnet sei. Zudem werde eine Satzungstafel im Bereich des Parkplatzes sowie eine mobile Toilette aufgestellt. Um kurze Andachtsfeiern abhalten zu können, werde ein kleiner Andachtsplatz auf einer Fläche von ca. 200-300 m² in einer existierenden Bestandslücke im Wald angelegt. Zusätzlich werde der Andachtsplatz mit natürlichen und standortgerechten Forstgehölzen eingefasst. Der Boden werde mit einem sand-wassergebundenen Material befestigt und sei somit wasserdurchlässig. Auf dem Andachtsplatz würden 6-8 Holzbänke sowie ein Urnenpult aus Naturstein oder einem Baumstammabschnitt aufgestellt sowie ein Holzkreuz errichtet. Dazu werde ein Metallschuh einbetoniert, sodass das Kreuz je nach Wunsch der Trauernden bei der Beisetzung aufgebaut oder mit wenigen Handgriffen entfernt werden könne. Von dem bestehenden, bereits asphaltierten M.--------weg aus sei zudem ein etwa 2,5-3 m breiter befestigter Waldweg hin zu dem gedachten Andachtsplatz geplant, ebenfalls in sandwassergebundener Form. Ein weiterer Wegeausbau sei nicht notwendig. Lediglich die bereits vorhandenen Waldwege und Pfade würden während des Friedwaldbetriebes so instandgehalten, dass sie mit festem Schuhwerk genutzt werden könnten. Im südlichen Plangebiet befinde sich eine von vier separaten Flächen eines gesetzlich geschützten Biotops. Im Bereich des Feuchtbiotops seien schon aufgrund der Bodenbeschaffenheit keine Beisetzungen möglich. Zudem werde zum Schutze des Biotops mindestens ein Abstand von 10 m eingehalten, in dem keine Beisetzungen durchgeführt würden. Ferner würden die Fußwege so geleitet, dass die Waldbesucher diesen schützenswerten Bereich nicht durchlaufen und somit auch nicht negativ beeinträchtigen könnten. Pro Hektar seien 85-100 Bestattungsbäume vorgesehen. An einem Baum könnten bis zu zehn Urnen beigesetzt werden. Ohne Abweichung von dem Betretungsverbot könne der Friedwald nicht betrieben werden. Daher werde eine Befreiung nach § 67 Abs. 1 Nr. 1 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) von dem Betretungsverbot in Ziffer 2.4.2 I.14 des Landschaftsplans beantragt. Es liege ein atypischer Fall vor. Friedwälder seien zur Zeit der Aufstellung des Landschaftsplans in den Jahren 2001-2004 in Deutschland noch weitgehend unbekannt gewesen. Das nordrheinwestfälische Bestattungsgesetz habe erst im Juni 2003 die Voraussetzungen für eine Zulassung von Bestattungswäldern geschaffen. An der Errichtung eines Bestattungswaldes bestehe ein öffentliches Interesse. Kommunen seien im Wege der Daseinsvorsorge verpflichtet, ausreichende Bestattungsmöglichkeiten vorzuhalten. Dabei bestehe auch ein öffentliches Interesse an der Ermöglichung alternativer Bestattungsformen. Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägungsentscheidung überwiege das öffentliche Interesse. Vergleichbare Flächen zur Verwirklichung des Bedarfs an alternativen Gestaltungsmöglichkeiten existierten im Gemeindegebiet nicht. Demgegenüber würden durch das Betretungsverbot auf den antragsgegenständlichen Waldflächen keine einzigartigen oder besonders wertvollen Strukturen geschützt. Zudem werde der Zweck des Betretungsverbotes im Landschaftsschutzgebiet durch die Stille und pietätsvolle Nutzung der antragsgegenständlichen Waldflächen im Falle des Betriebes eines Friedwaldes kaum beeinträchtigt. Die Pflege und Entwicklung der Friedwaldflächen fördere den Zweck des Betretungsverbotes sogar in weiten Teilen. Die Befreiung könne gemeinsam mit der beantragten bestattungsrechtlichen Genehmigung erteilt werden. 13In dem von dem Beklagten durchgeführten Beteiligungsverfahren wurden insbesondere seitens der Unteren und Oberen Wasserbehörde und der Unteren Gesundheitsbehörde keine grundsätzlichen Bedenken geäußert. Die Untere Bauaufsicht nahm dahingehend Stellung, dass der geplante Andachtsplatz einer bauaufsichtlichen Genehmigung bedürfe. Aus Sicht von Naturschutz und Landschaftspflege wurden die Darstellungen und Festsetzungen des Landschaftsplanes eingewandt, insbesondere das Betretungsverbot, das gegenüber jedermann und damit einem unbestimmten Personenkreis gelte und von dem nicht im Wege einer Befreiung abgewichen werden könne. 14Mit Bescheid vom 16. August 2017 versagte der Beklagte die Genehmigung, da ihr öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstünden. Das Vorhaben stehe im Widerspruch zum Bauplanungsrecht. Es widerspreche den Darstellungen des Flächennutzungsplanes. Ein Friedhof sei keine Waldnutzung. Auch bedürfe es einer förmlichen Planung nach § 1 Abs. 3 S. 1 Baugesetzbuch (BauGB), wenn – wie hier – eine umfassende Prüfung sämtlicher Belange im Rahmen eines Baugenehmigungsverfahrens nicht möglich sei. Dabei stelle sich die Frage des gemeindlichen Bedarfs, und die hauptsächlich bezweckte Erzielung von Einnahmen verstoße wohl gegen § 107 der Gemeindeordnung NRW. Ferner stehe der Landschaftsplan als Vorschrift des öffentlichen Rechts dem Vorhaben an der geplanten Stelle entgegen. Die gemäß Ziffern 2.4.1 und 2.4.2 geltenden Ge- und Verbote, insbesondere das Verbot I.14, seien zur Erreichung des Schutzzwecks „Biotopverbund“ erforderlich. Das Betretungsverbot außerhalb der Wege, Park- und Stellflächen sei erforderlich, um den Biotopverbund dauerhaft zu gewährleisten. Es schütze insbesondere solche störempfindlichen Tierarten, deren arttypische Wanderbewegungen auf vernetzten, störungsfreien und hinsichtlich der Biotopstrukturen funktionsgerecht ausgestatteten Korridoren basierten. Eine Befreiung von den Ge- und Verboten des Landschaftsplanes komme nicht in Betracht. Der Geltungsanspruch des in Rede stehenden Verbotes dürfe durch eine Behördenentscheidung grundsätzlich nicht auf breiter Front durchbrochen werden. Dies sei nicht Inhalt der Ermächtigung zur Befreiung im Einzelfalle. Da das Betretungsverbot gegenüber jedermann und damit einem unbestimmten Personenkreis gelte, könne von der Norm nicht im Wege einer Befreiung abgewichen werden. Eine generelle Befreiung zur Überwindung des Betretungsverbotes komme somit für die Klägerin, aber auch für die W GmbH formalrechtlich nicht in Betracht. Ferner stehe das Eigentum Dritter einer Nutzung als gemeindlichem Friedhof entgegen. Mit Blick auf den Wasserschutz werde ein begleitendes Grundwassermonitoring gefordert, dessen Einzelheiten erst dann festgelegt würden, wenn die Ergebnisse der vom Umweltbundesamt in Auftrag gegebenen Forschungsarbeit „Evaluierung von Ausmaß und Ursachen einer Schadstofffreisetzung aus Urnen in Bestattungswäldern“ vorlägen. Einige Flächen des Vorhabens seien als Teil des Ökokontos der U. Vermögensverwaltung GmbH ausgewiesen. Bei der geplanten Nutzung könne die Anerkennung dieser Flächen als Ökokontoflächen nicht in Aussicht gestellt werden. Der erforderlichen baurechtlichen Genehmigung für die Befestigung des vorgesehenen Andachtsplatzes stehe der Landschaftsplan entgegen. Die Darstellungen hinsichtlich des Verkehrsaufkommens ließen keine Grundlage erkennen. Ein entsprechendes Verkehrsgutachten sei nicht vorgelegt worden. Forstrechtlich bestünden Anzeigepflichten. Für eine abschließende Beurteilung möglicher Beeinträchtigungen des im südlichen Planbereich gelegenen Biotops durch Bestattungen und Besucherverkehr seien konkrete Angaben zu den geplanten Eingriffen sowie Kompensationsmaßnahmen erforderlich und ein landschaftspflegerischer Begleitplan vorzulegen. Jagdrechtlich bestünden Informationspflichten. Die nach dem Bestattungsgesetz erforderliche Satzung sei nicht vorgelegt worden, ein Beleihungsakt nicht erfolgt und gegen die mobile Toilettenanlage bestünden erhebliche Bedenken, da sie negative Vorbildwirkung für Anlagen im Außenbereich habe. Die geplante Informationstafel genüge nicht zur Wahrung der Totenwürde. 15Am 15. September 2017 hat die Klägerin Klage erhoben, zu deren Begründung sie im Einzelnen ausführt, dass die Ablehnungsgründe des Beklagten nicht trügen und auch im Übrigen Vorschriften des öffentlichen Rechts der Genehmigungserteilung nicht entgegenstünden. Die Genehmigungserteilung sei weder vom Vorliegen der Friedhofssatzung noch von der Vorlage ihres Entwurfs abhängig. Es handele sich schon nicht um ein Vorhaben im Sinne des BauGB; selbst wenn dies der Fall wäre, bestehe jedenfalls kein Planungserfordernis. Gegen den Flächennutzungsplan werde nicht verstoßen, da sich an der Nutzungsart „Wald“ nichts ändere. Das Betretungsverbot des Landschaftsplans sei unwirksam, da es nicht von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt sei und gegen das Übermaßverbot verstoße. Es gebe keine substantiierte besondere Begründung für das Betretungsverbot. Eine Analyse zu erwartender Beeinträchtigungen bzw. Störungen sei offensichtlich nicht erfolgt. Die Rüge unterliege nicht der Geltendmachungsfrist. Jedenfalls bestehe ein Anspruch auf Befreiung vom Betretungsverbot. Dieses werde durch die Befreiung nicht generell aufgehoben; vielmehr handele es sich um einen vergleichsweise kleinen Personenkreis, der den Friedwald nutzen werde, und auch flächenmäßig sei bei einem Vorhabenbereich von 43/44 ha im Vergleich zur Gesamtfläche von ca. 3.300 ha keine breite Durchbrechung zu besorgen. Gegen das Bauverbot werde nicht verstoßen, da schon keine baulichen Anlagen geplant seien. Der Andachtsplatz könne anstatt mit einem Schottersandgemisch auch mit Holzhackschnitzeln befestigt werden. Selbst wenn es sich um bauliche Anlagen handeln sollte, bestünde ein Anspruch auf Befreiung vom Bauverbot, da hier noch offensichtlicher nicht die verfahrensrechtlichen Anforderungen an eine förmliche Satzungsänderung unterlaufen würden und das Landschaftsschutzgebiet nur punktuell und singulär betroffen sei. Der bloße Entwurf des Regionalplans Ruhr stelle noch keine verbindlichen Ziele der Raumordnung dar. In Aufstellung befindliche Ziele der Raumordnung seien lediglich in Abwägungs- oder Ermessensentscheidungen zu berücksichtigen. Sofern die Sache noch nicht spruchreif sei, sei der Beklagte zur Neubescheidung zu verpflichten. Das folge nicht allein aus den unzutreffenden rechtlichen Erwägungen des Beklagten, sondern bereits aus der unterbliebenen Anhörung der Klägerin vor Ablehnung ihres Antrags. 16Die Klägerin beantragt, 171.18den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 16.08.2017 zu verpflichten, ihr die unter dem 02.05.2017 beantragte Genehmigung zur Errichtung eines kommunalen Friedhofs in I. auf den Grundstücken Gemarkung C1. , Flur 00, Flurstücke 000, 000, 000 und Gemarkung C. , Flur 0, Flurstücke 0, 00, 00, 00, 00, 00, 00 zu erteilen, 2.19hilfsweise, den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 16.08.2017 zu verpflichten, der Klägerin eine Befreiung nach § 67 Bundesnaturschutzgesetz für die Errichtung des unter dem 02.05.2017 beantragten kommunalen Friedhofs in I. zu erteilen und anschließend die unter dem 02.05.2017 beantragte bestattungsrechtliche Genehmigung zur Errichtung des Friedhofs zu erteilen, 3.20weiter hilfsweise, den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 16.08.2017 zu verpflichten, den Antrag vom 02.05.2017 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. 21Der Beklagte beantragt, 22die Klage abzuweisen. 23Er verweist auf die Gründe seines ablehnenden Bescheids und macht weiter geltend: Eine Anhörung der Klägerin vor Erlass des Ablehnungsbescheides sei nicht erforderlich gewesen, zumal sie bereits im Vorfeld auf die entscheidungsrelevanten Aspekte hingewiesen worden sei. Der Antrag sei unterdessen nicht entscheidungsreif, da die Klägerin keine vollständigen prüffähigen Unterlagen vorgelegt habe. Es fehle der Satzungsentwurf, in dem die wesentlichen Förmlichkeiten für die Nutzung des Friedhofs geregelt würden. Das Betretungsverbot sei wirksam. Die Klägerin sei mit ihren dagegen erhobenen Einwendungen schon präkludiert, weil die Rügefrist abgelaufen sei. Die Gründe für die Ausweisung des Landschaftsschutzgebietes ergäben sich aus dem Landschaftsplan. Der Schutzzweck der landesweiten und regionalen Bedeutung für den Biotopverbund mache das festgesetzte Betretungsverbot notwendig. Entscheidend für die Schutzbedürftigkeit sei die gesamträumliche Situation. Es handelte sich nicht um ein beliebiges Landschaftsschutzgebiet, sondern um einen Schwerpunkt der Biotopvernetzung in der Region. Eine Auflistung zu schützender Tierarten sei entbehrlich. Die Erholungsfunktion werde nicht ausgeschlossen. Es bestehe ein ausgedehntes frei nutzbares Wander- und Reitwegenetz. Das Vorhabengebiet liege im Bereich eines künftigen Naturschutzgebiets. Die Regelung im Gesamtzusammenhang stelle kein repressives Verbot ohne Erlaubnisvorbehalt dar. Eine Befreiung vom Verbot für eine unbestimmte Zahl von Personen bzw. eine generelle Befreiung für die geplante Friedhofsfläche komme einer Planänderung gleich. Das Vorhaben verstoße auch gegen das Bauverbot. Der Andachtsplatz, die Errichtung neuer und der Ausbau vorhandener Wege sowie die Informationstafel seien bauliche Anlagen. Entscheidend sei, dass aufgrund der Bedeutung der in Rede stehenden Teile des Landschaftsschutzgebietes für den Biotopverbund gemäß § 21 BNatSchG und der Konkretisierungen durch das bestehende Landschaftsschutzgebiet eine Abweichung vom aktuellen Landschaftsplan nicht möglich sei. 24Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beteiligten und des Landschaftsplans des Kreises X. Raum I. /T. Bezug genommen. 25Entscheidungsgründe: 26Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet. 27Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten friedhofsrechtlichen Genehmigung (I.). Die hilfsweise begehrte Befreiung von den dem Vorhaben entgegenstehenden Verboten des Landschaftsplans kommt nicht in Betracht (II.). Insoweit erweist sich die Ablehnungsentscheidung des Beklagten vom 16. August 2017 als rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO). Hiernach besteht auch kein Anspruch auf die weiter hilfsweise begehrte Neubescheidung, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO (III.). 28I. Die Klägerin kann von dem Beklagten nicht die nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BestG NRW erforderliche Genehmigung für die Errichtung eines Friedhofs einer kreisangehörigen Gemeinde beanspruchen. 29Die Genehmigung ist gemäß § 2 Abs. 3 BestG NRW zu erteilen, wenn der Friedhof den Erfordernissen des Wasserhaushaltsrechts und des Gesundheitsschutzes entspricht und ihr sonstige Vorschriften des öffentlichen Rechts nicht entgegenstehen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend jedoch nicht gegeben. Der beantragten Genehmigung stehen die rechtsverbindlichen Festsetzungen des im Dezember 2004 in Kraft getretenen Landschaftsplans des Kreises X. , Raum I. /T. entgegen. 301. Nach Ziffer 2.4.2 I.14 der textlichen Festsetzungen des Landschaftsplanes ist es im Landschaftsschutzgebiet X 0 verboten, Flächen außerhalb der Straßen, Wege, Park- und Stellplätze sowie Grillplätze zu betreten oder auf diesen zu reiten. Dieses Betretensverbot steht der geplanten Friedwaldnutzung, bei der die Asche Verstorbener an den Wurzeln eines Baumes in freier Natur beigesetzt werden soll und die ein Betreten von Flächen abseits der Wege erfordert, entgegen. 31Der Einwand der Klägerin, dieses Betretensverbot sei unwirksam und stehe dem Vorhaben nicht entgegen, weil es nicht von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt sei und gegen das Übermaßverbot verstoße, verfängt nicht. 32Dabei geht das Gericht davon aus, dass der Einwand entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten nicht bereits unbeachtlich ist nach der damals geltenden Vorschrift des § 30 Abs. 3 Nr. 2 des zwischenzeitlich außer Kraft getretenen Landschaftsgesetzes NRW in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Juli 2000 (im Folgenden: LG NRW). Die Klägerin rügt keine Mängel des Abwägungsergebnisses, die nach der vorstehenden, zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Landschaftsplans im Dezember 2004 geltenden Vorschrift für die Rechtswirksamkeit des Landschaftsplans unbeachtlich sind, wenn sie nicht innerhalb von sieben Jahren seit Bekanntmachung des Landschaftsplans schriftlich geltend gemacht worden sind. Vielmehr beanstandet die Klägerin das Vorliegen der normativ vorgegebenen Kriterien für die Unterschutzstellung. Die Verbote müssen zur Erreichung des Schutzzwecks geeignet und notwendig (§ 19 LG NRW bzw. § 22 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG), die Schutzmaßnahme also für das Gemeinwohl erforderlich sein. Erst dann sind ihre Auswirkungen mit den übrigen Zielen des Naturschutzes und gegen die sonstigen Anforderungen der Allgemeinheit an Natur und Landschaft abzuwägen. 33Vgl. Schumacher/Fischer-Hüftle, Bundesnaturschutzgesetz, 3. Aufl. (2021), § 22 Rn. 46. 34Damit unterliegt die Schutzerklärung der verwaltungsgerichtlichen Inzidentkontrolle im Rahmen der Überprüfung der hierauf gestützten Genehmigungsversagung. 35Das Betretensverbot ist aber materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Es entspricht den an den Erlass eines solchen Verbots gestellten Anforderungen und ist mit höherrangigem Recht vereinbar. 36Es findet seine Rechtsgrundlage im seinerzeit geltenden § 34 Abs. 2 LG NRW. Danach sind in Landschaftsschutzgebieten nach Maßgabe näherer Bestimmungen im Landschaftsplan alle Handlungen verboten, die dem besonderen Schutzzweck zuwiderlaufen. Diese näheren Bestimmungen werden in der Schutzerklärung festgelegt. 37Repressive Verbote ohne Erlaubnisvorbehalt dürfen dabei nur dann erlassen werden, wenn von vornherein feststeht, dass die verbotene Handlung dem besonderen Schutzzweck schlechthin zuwiderläuft. Denn landschaftsschutzrechtliche Verbote dürfen nicht weiterreichen, als im Interesse der gesetzlich anerkannten Schutzgüter erforderlich ist. Dem Schutzzweck nicht generell zuwider laufende Handlungen dürfen dagegen nur mit präventiven Verboten mit Erlaubnisvorbehalt belegt werden, die es der Naturschutzbehörde ermöglichen, die Vereinbarkeit der Maßnahmen mit den Schutzgütern der Schutzerklärung in jedem Einzelfall zu überprüfen, und einen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis begründen, wenn die Schutzgüter nicht beeinträchtigt werden. 38Vgl. HessVGH, Urteil vom 9. März 2017 – 4 C 328/16.N –, juris Rn. 85; OVG Lüneburg, Urteil vom 13. März 2003 – 8 KN 236/01 –, juris Rn. 46 m.w.N. und Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 12. Juli 1956 – I C 91.54 –, juris. 39Bei dem streitgegenständlichen Verbot, Flächen außerhalb der Straßen, Wege, Park- und Stellplätze sowie Grillplätze zu betreten oder auf diesen zu reiten, handelt es sich um ein repressives Verbot ohne Erlaubnisvorbehalt. Jenseits diverser Maßnahmen und Nutzungen, die von dem Verbot unberührt bleiben (allgemeine Unberührtheitsklausel Ziffer 2.1 I., besondere Unberührtheitsklausel Ziffer 2.4.2 I.14 und Unberührtheiten gemäß textlichen Festsetzungen zum Landschaftsschutzgebiet X ), besteht nur die Möglichkeit der Befreiung nach § 69 Abs. 1 LG NRW (Ziffer 2.1 I. Befreiungen), die sich nach Außerkrafttreten dieser Vorschrift nunmehr in § 67 Abs. 1 BNatSchG findet. 40Das solchermaßen ausgestaltete Betretensverbot war und ist wegen der Bedeutung des Gebietes für den landesweiten und den regionalen Biotopverbund erforderlich im Sinne der §§ 19, 21 LG NRW. 41Wild lebende Tiere und Pflanzen sind Teil des Naturhaushalts, weshalb in Landschaftsschutzgebieten schon vor der durch das Bundesnaturschutzgesetz 2009 erfolgten Ergänzung von § 67 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG Ziele des Arten- und Biotopschutzes verfolgt werden konnten. Der nach § 21a LG NRW bzw. § 26 BNatSchG ermöglichte Schutz von Lebensstätten und Lebensräumen geht über das spezielle, nur für besonders geschützte Arten und unter weiteren Voraussetzungen greifende Störungsverbot nach § 44 Abs. 1 BNatSchG hinaus. In einem Landschaftsschutzgebiet sind zum Schutz von Lebensstätten und Lebensräumen alle Handlungen zu verbieten, die geeignet sind, die Lebensbedingungen der Pflanzen und Tierarten zu beeinträchtigen. 42Vgl. HessVGH, Urteil vom 9. März 2017 – 4 C 328/16.N –, juris Rn. 62; Schumacher/Fischer-Hüftle, Bundesnaturschutzgesetz, § 26 Rn. 23. 43Repressive Verbote sind zur Abwehr von Beeinträchtigungen und Störungen z.B. durch Betreten möglich, wenn die Störung mit dem Schutzzweck schlechthin unvereinbar ist. 44Vgl. Schumacher/Fischer-Hüftle, Bundesnaturschutzgesetz, § 26 Rn. 41. 45So verhält es sich vorliegend. Der Schutzzweck „Biotopverbund“ erfordert das Betretensverbot abseits der Straßen, Wege und Plätze. 46Das großflächige Landschaftsschutzgebiet X 0 ist überwiegend bewaldet, und der Wald ist Teil des regional bedeutsamen Biotopverbundes. Außerdem hat das Gebiet in Verbindung mit den angrenzenden Naturschutzgebieten für den Arten- und Biotopschutz eine wichtige Habitatfunktion (Erläuterungsband zum Landschaftsplan, S. 67). Die gesamträumliche Bedeutung des Schutzgebiets auch für den landesweiten Biotopverbund und seine Besonderheit als Schwerpunkt der Biotopvernetzung in der Region ist aus der dem Erläuterungsband zum Landschaftsplan anliegenden Themenkarte „Biotopverbund“ zu ersehen. Ausweislich dieser Themenkarte erstreckt sich der Biotopverbund über das gesamte Landschaftsschutzgebiet. Nichts anderes ist dem von der Klägerin eingereichten Übersichtsplan des Ingenieur- und Planungsbüros M1. GbR von September 2019 (Anlage K 2 zum Schriftsatz vom 16. September 2019, Bl. 300 GA) zu entnehmen. Die Darstellung zeigt Biotopverbundsflächen mit besonderer oder stellenweiser herausragender Bedeutung im gesamten Landschaftsschutzgebiet. Soweit kennzeichnende Schraffuren unterbrochen sind, ist dem – wenn überhaupt – jedenfalls keine maßgebliche Bedeutung zuzumessen. 47Auf dieser Grundlage ist seitens des Beklagten in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar erläutert worden, dass die Biotopvernetzung für das gesamte Schutzgebiet in alle Himmelsrichtungen gilt und das Schutzgebiet ein tragendes Element des landesweiten Biotopverbundes ist. Hier werden die Biotope des Hellweg-Bereiches zu den Lebensräumen an der Lippe und am Rhein miteinander verbunden. 48Die Festsetzungen für das Landschaftsschutzgebiet haben den Zielsetzungen des Biotopverbunds Rechnung zu tragen. Als Ziel des Biotopverbunds hat der Gesetzgeber seinerzeit die nachhaltige Sicherung von heimischen Tier- und Pflanzenarten und deren Populationen einschließlich ihrer Lebensräume und Lebensgemeinschaften sowie die Bewahrung, Wiederherstellung und Entwicklung funktionsfähiger ökologischer Wechselbeziehungen formuliert (§ 2b Abs. 2 Satz 1 LG NRW). Der Plangeber hat zum Biotopverbund erläuternd ausgeführt, dass bestimmte Tierarten bzw. –gemeinschaften auf funktional zusammenhängende Lebensräume oder ein bestimmtes Minimalareal angewiesen seien; außerdem sei zum erforderlichen Austausch zwischen verschiedenen Tierpopulationen und für die erforderlichen Funktionsbeziehungen zwischen den Biotopen und Lebensräumen untereinander die Vernetzung bzw. der Verbund der Biotope zu gewährleisten (Erläuterungsband zum Landschaftsplan, S. 48). Es geht mithin um geschützte Rückzugsbereiche und die Ermöglichung von Wanderbewegungen der dort lebenden Tiere. 49Das Betretensverbot ist zur Erreichung dieser Schutzfunktionen geeignet und erforderlich. Es sichert die Rückzugsräume der störempfindlichen waldbewohnenden Tierarten abseits des bestehenden dichten Wegenetzes. Es schützt insbesondere solche störempfindlichen Tierarten, deren arttypische Wanderbewegungen auf vernetzten, störungsfreien und hinsichtlich der Biotopstrukturen funktionsgerecht ausgestatteten Korridoren basieren. Letzteres hat der Beklagte bereits in seinem ablehnenden Bescheid vom 16. August 2017 ausgeführt (Seite 8). Insofern handelt es sich nicht um in der mündlichen Verhandlung erstmals neu vorgetragene Tatsachen, die das Betretensverbot rechtfertigen sollen. Vielmehr ist seitens des Beklagten der bisherige Vortrag erläutert und dargelegt worden, welche anderweitigen – bestandsgeschützten – Nutzungen zur Korridorbildung im Vorhabengebiet geführt haben. 50Gleiches gilt für die Erläuterungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung, welche Tiere u.a. auf Wandermöglichkeiten angewiesen sind (neben dem Rothirsch, Wolf und Biber Allerweltsarten wie Wildschweine und Rehe) und wie der Biotopverbund funktioniert (nachhaltige Sicherung heimischer Tier- und Pflanzenarten etwa durch den tierischen Transport von Pflanzensamen, genetischer Austausch von Arten). 51Das Gericht hat hiernach keine Veranlassung, an der im Verfahren zur Aufstellung des Landschaftsplans getroffenen fachlichen Einschätzung zur Erforderlichkeit des Betretensverbots im Landschaftsschutzgebiet X 0 zu zweifeln. In der mündlichen Verhandlung ist seitens des Beklagten weiter nachvollziehbar erläutert worden, dass es Landschaftsschutzgebiete mit gleichlautendendem Schutzzweck (Biotopverbund), aber ohne Betretungsverbot gibt, weil es keines Betretungsverbotes bedarf, wenn die Vernetzung über Gewässer erfolgt oder es etwa darum geht, die Wanderbewegung von Vögeln zu sichern. Dies trifft auf das Landschaftsschutzgebiet X 0 nicht zu. Zweifel ergeben sich auch nicht daraus, dass dem Vorhaben im Rahmen der Voranfrage zunächst hauptsächlich formelle Bedenken entgegen gehalten worden sind. Der Inhalt der Verwaltungsvorgänge trägt die Erklärung, man sei auf Seiten des Beklagten (erst) nach intensiverer Auseinandersetzung mit der Angelegenheit zu dem Ergebnis gekommen, dass dem Vorbringen auch materielle Gründe entgegenstünden. Dies soll ausweislich eines Aktenvermerks in einem Gespräch zwischen Landrat und Bürgermeister auch der Klägerin vor Antragstellung aufgezeigt worden sein (Beiakte Heft 1 Bl. 212). 52Der beantragten Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens bedurfte es bei dieser Sachlage nicht. Es besteht keine Veranlassung zu weiterer Sachaufklärung. Insbesondere geben die erläuternden Erklärungen des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung keine Veranlassung, die Erforderlichkeit des Betretensverbots im Landschaftsschutzgebiet X 0 weiter aufzuklären. Die erläuterte Korridorbildung im Vorhabengebiet und die Wanderbewegungen dort vorkommender Tierarten werden von der Klägerin selbst nicht bestritten. Das Vorkommen von Wölfen im Raum I. /T. ist zudem über die Presse hinlänglich bekannt und auch der Lebensraum des Rothirschs im Landschaftsschutzgebiet – außerhalb des Vorhabengebiets – seitens der U. Vermögensverwaltung GmbH in der mündlichen Verhandlung bestätigt worden. Ausweislich des Kartenmaterials erstreckt sich der Biotopverbund – wie ausgeführt – über das gesamte Landschaftsschutzgebiet. Damit korrespondiert das flächendeckende Verbot zur Erreichung des Schutzzwecks. 53Abgesehen davon würde die beantragte Beweiserhebung zur Verfahrensverzögerung führen. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin sind mit der Ladungsverfügung unter Hinweis auf die Folgen einer Fristversäumung aufgefordert worden, Erklärungen und Beweismittel innerhalb einer nach § 87b Abs. 1 und 2 VwGO gesetzten Frist vorzubringen. Das Beweismittel des Sachverständigenbeweises ist nicht bis zum 29. April 2022 bezeichnet worden, ohne dass dies genügend entschuldigt worden ist. Dem lässt sich nicht entgegen halten, Beweistatsachen seien erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgebracht worden. Wanderbewegungen von Tieren auf störungsfreien Korridoren hat der Beklagte bereits im angefochtenen Bescheid angeführt und sein demnach nicht neues Vorbringen in der mündlichen Verhandlung lediglich konkretisierend erläutert. Die Klage stützt sich ganz wesentlich auf die Annahme, das Betretensverbot im Landschaftsschutzgebiet X 0 sei nicht erforderlich. Der darauf abzielende Beweisantrag hätte in allgemeiner Form fristgerecht angebracht werden können. 54Das Betretensverbot ist auch mit höherrangigem Recht vereinbar. Es verstößt nicht gegen das Übermaßverbot. Angesichts der zahlreichen Unberührtheiten – darunter sämtliche dem Bestandsschutz unterfallenden Nutzungen, die von dem Betretensverbot unberührt bleiben – und der bestehenden Nutzungsmöglichkeiten der freien Landschaft auf dem sehr dichten Wegenetz zu Erholungszwecken ist die Ausgestaltung als ansonsten repressives Verbot nicht zu beanstanden. Vielmehr ist nachzuvollziehen, dass das dichte Wegenetz und die sonstigen, den Biotopverbund einschränkenden Nutzungen es erfordern, in dem für den Verbund bedeutsamen Bereich der Tierwelt ohne weitere Einschränkungen Rückzugsräume zu sichern. Es liefe dem Schutzzweck schlechthin zuwider, die Flächen, die dem Lebensbereich von Tieren und Pflanzen vorbehalten bleiben sollen, weiterer Störung preiszugeben. Das Betreten dieser Flächen stört die Rückzugs- und Wandermöglichkeiten der dort lebenden Tiere und beeinträchtigt die Lebensräume wildwachsender Pflanzen. Dies ist ein wichtiger Grund des Naturschutzes und der Landschaftspflege, aus dem das Betreten des Waldes gemäß § 59 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG eingeschränkt werden kann. 552. Weiter ist es nach Ziffer 2.4.1 I.1 der textlichen Festsetzungen des Landschaftsplanes in allen Landschaftsschutzgebieten verboten, bauliche Anlagen im Sinne der Bauordnung des Landes Nordrhein-Westfalen (BauO NRW) zu errichten oder in einer das Landschaftsbild beeinträchtigenden Weise zu ändern, auch wenn sie keiner bauaufsichtlichen Genehmigung bedürfen. Auch dieses allgemeine Bauverbot steht der geplanten Friedwaldeinrichtung entgegen. 56Bei den im Antrag vom 2. Mai 2017 genannten Bestandteilen des Friedwaldes handelt es sich um bauliche Anlagen gemäß § 2 Abs. 1 BauO NRW. Nach dieser Vorschrift sind bauliche Anlagen mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen (Satz 1). Eine Verbindung mit dem Erdboden besteht auch dann, wenn die Anlage durch eigene Schwere auf dem Boden ruht oder auf ortsfesten Bahnen begrenzt beweglich ist oder wenn die Anlage nach ihrem Verwendungszweck dazu bestimmt ist, überwiegend ortsfest benutzt zu werden (Satz 2). 57Danach stellen der geplante 200-300 qm große Andachtsplatz mit Holzkreuz, Pult und Sitzbänken sowie die mobile Toilette, die Informationstafel und der Weg zum Andachtsplatz bauliche Anlagen dar. Sämtliche Einrichtungen sind aus Bauprodukten hergestellt, ruhen mindestens kraft eigener Schwere auf dem Boden und sind zur ortsfesten Verwendung bestimmt. Die Eigenschaft des Andachtsplatzes als bauliche Anlage entfällt auch nicht, wenn statt eines Sand-Kies-Gemisches Holzhackschnitzel zur Befestigung verwendet werden. Entscheidend ist die jedenfalls beabsichtigte Bodenbefestigung, nicht zuletzt als Vorkehrung für nasses Wetter. 58Es handelt sich zugleich um ein bodenrechtlich (bauplanungsrechtlich) relevantes Vorhaben im Sinne von § 29 Abs. 1 BauGB, das der bauaufsichtlichen Genehmigung bedarf. Bei der Beurteilung der bodenrechtlichen Relevanz ist nicht die bauliche Anlage allein zu betrachten, sondern auch die ihr zugedachte Funktion einzubeziehen. 59Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1988 – 4 C 50/87 –, juris Rn. 14 ff. 60Bodenrechtliche Relevanz kommt den vorgenannten Einrichtungen in ihrer Gesamtheit im Hinblick auf ihre Funktion als (naturnahe) Friedhofseinrichtung zu, von der in Ziffer 8 der Hygiene-Richtlinien für die Anlage und Erweiterung von Begräbnisplätzen vorgesehenen Toilette bis hin zum Andachtsplatz für die Trauerfeier. Nichts anderes folgt aus dem von der Klägerin angeführten Erlass des Ministeriums für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen vom 22. Februar 2017, in dem ausdrücklich von Parkplätzen, Holzkreuzen, Sitzbänken, Einfriedungen, Wegebefestigungen und Sanitäranlagen als baulichen Vorhaben im Sinne des Bauplanungsrechts die Rede ist. 61Dabei hilft es nicht weiter, dass die beabsichtigte Verlängerung eines bestehenden Weges als bloße Änderung einer vorhandenen baulichen Anlage nicht dem Bauverbot unterfallen mag, wenn sie das Landschaftsbild nicht beeinträchtigt. Das Bauverbot greift jedenfalls für die Gesamtanlage mit ihren weiteren Bestandteilen. 62Eine Befreiung von den dem Vorhaben entgegenstehenden Verboten gemäß § 67 BNatSchG liegt nicht vor. 63II. Die Klägerin kann auch nicht hilfsweise beanspruchen, den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 16. August 2017 zur Erteilung einer Befreiung nach § 67 BNatSchG und sodann zur Erteilung der friedhofsrechtlichen Genehmigung zu verpflichten. 64Für die Erteilung von Befreiungen nach § 67 BNatSchG ist gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LNatSchG NRW der Beklagte als untere Naturschutzbehörde zuständig. Es handelt sich um eine gesonderte Entscheidung, die ihrerseits mit Rechtsbehelfen angreifbar ist, wenn – wie hier – die Befreiung nicht durch eine andere Genehmigung ersetzt oder von der Konzentrationswirkung einer Genehmigung erfasst wird. Die Genehmigung nach § 2 Abs. 3 BestG NRW hat keine Konzentrationswirkung. Sie schließt nach anderen Gesetzen erforderliche Erlaubnisse oder Genehmigungen nicht ein. 65Vgl. Gaedke, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 13 Aufl. (2022), Kapitel 2 Rn. 40, 42. 66Bedarf ein Vorhaben – so wie vorliegend – einer Genehmigung, die voraussetzt, dass dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, ist die Befreiung vorgreiflich. 67Vgl. Schumacher/Fischer-Hüftle, Bundesnaturschutzgesetz, § 67 Rn. 56. 68Der Beklagte ist jedoch zutreffend davon ausgegangen, dass die Erteilung einer Befreiung hier nicht in Betracht kommt, weil es sich nicht um einen Einzelfall handelt, in dem nach § 67 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG ein Dispens erteilt werden kann. 69Die Funktion der Befreiung besteht darin, rechtlichen Unausgewogenheiten abzuhelfen, die sich bei Anwendung einer Norm auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles ergeben. 70Vgl. Landmann/Rohmer UmweltR/Gellermann, 96. EL September 2021, BNatSchG § 67 Rn. 10. 71Da der Anwendungsbereich von § 67 nur für besondere Einzelfälle eröffnet ist, darf mittels der Erteilung einer (oder mehrerer) Befreiung(en) nicht die Geltung der Norm an sich in Frage gestellt werden. Die Befreiung darf nach Umfang und Häufigkeit nicht dazu führen, dass die Norm ganz oder teilweise gegenstandslos oder funktionslos, die Norm sozusagen „in kleiner Münze“ aufgehoben wird. Damit würde die Entscheidung des Normgebers in unzulässiger Weise auf administrativem Weg konterkariert. 72Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Juni 1992 – 4 B 1-11.92 –, juris Rn. 40; OVG NRW, Urteil vom 21. April 2020 – 8 A 311/19 –, juris Rn. 70 f.; VG Köln, Urteil vom 5. September 2017 – 2 K 6600/15 –, juris Rn. 70 ff.; Schumacher/Fischer-Hüftle, Bundesnaturschutzgesetz, § 67 Rn. 10; BeckOK UmweltR/Teßmer, 61. Ed. 1.1.2022, BNatSchG § 67 Rn. 6. 73Das Instrument der Befreiung erlaubt der Verwaltung nicht, grundlegende Korrekturen an den im Landschaftsplan getroffenen Festsetzungen zu treffen. Solche sind einzig dem Plangeber im Wege der Planänderung vorbehalten. 74Vgl. VG Köln, Urteil vom 5. September 2017 – 2 K 6600/15 –, juris Rn. 70 ff. 75Eine naturschutzrechtliche Befreiung für ein Vorhaben kommt daher vor allem bei Planungen in Betracht, die das Schutzgebiet nur punktuell, „linear“ oder in Grenzbereichen berühren. 76Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1997 – 4 C 3/95 –, juris Rn. 30; OVG NRW, Urteil vom 21. April 2020 – 8 A 311/19 –, juris Rn. 72 f. 77Dagegen sind Befreiungen nicht dafür konzipiert, bauliche Anlagen in nennenswertem Umfang, in für den Landschaftsschutz bedeutsamen Teilen eines Landschaftsschutzgebiets oder gar flächendeckend zuzulassen und auf diese Weise einen allgemeinen Konflikt zu lösen. 78Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21. April 2020 – 8 A 311/19 –, juris Rn. 70. 79In Rechtsprechung und Literatur wird zudem bezweifelt, dass es im Wege der Befreiung möglich sein soll, großflächig Bereiche eines Landschaftsschutzgebiets den Festsetzungen einer Landschaftsschutzverordnung zu entziehen. 80Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24. März 2014 – 10 S 216/13 –, juris Rn. 18 und Urteil vom 5. April 1990 – 8 S 2303/89 –, juris Rn. 20; BeckOK UmweltR/Teßmer, 61. Ed. 1.1.2022, BNatSchG § 67 Rn. 6; die Fläche als bestimmendes Kriterium ablehnend: VG Köln, Urteil vom 5. September 2017 – 2 K 6600/15 –, juris Rn. 75. 81Nach Maßgabe dessen kommt hier die Erteilung einer Befreiung von den dem Vorhaben entgegenstehenden Verboten nicht in Betracht, weil dadurch das Vorhabengebiet den maßgeblichen Festsetzungen des Landschaftsplans entzogen und das Schutzgebiet verkleinert würde, was jedoch alleine dem Plangeber vorbehalten ist. 82Das Friedwaldvorhaben ließe sich nur verwirklichen, wenn im Vorhabengebiet sowohl vom Bauverbot als auch – langfristig für die Dauer des Friedwaldbetriebes – von dem Betretensverbot befreit würde. Das Betretensverbot würde damit im Vorhabengebiet funktionslos. Soweit die Klägerin dem entgegenhält, von der Befreiung würden zweckgebunden nur diejenigen Personen Gebrauch machen können, die den Wald im Zusammenhang mit der Nutzung als Friedwald betreten, und dabei handele es sich um einen von der Allgemeinheit abgrenzbaren, vergleichsweise kleinen Personenkreis, lässt sie unberücksichtigt, dass Friedhöfe öffentlich zugänglich sind (Voraussetzung auch bei privater Trägerschaft, § 1 Abs. 6 BestG NRW). Sie können von jedermann, auch zu Erholungszwecken, aufgesucht werden. Faktisch wäre das Betretensverbot damit im Vorhabengebiet aufgehoben. Dies liefe jedoch dem planerischen Grundkonzept zuwider und würde das Schutzgebiet auch nicht nur punktuell, linear oder in Grenzbereichen berühren. Dabei ist nicht entscheidend auf die Fläche abzustellen, auf die sich die Befreiung erstrecken soll. Ihr Anteil von weniger als 1,5 % der Gesamtfläche des Landschaftsschutzgebietes X 0 scheint gering. Für sich betrachtet ist das Vorhabengebiet mit 44 ha hingegen als großflächig zu bezeichnen. Vor allem aber handelt es sich um einen zentralen Bereich für den Biotopverbund, wie aus der Themenkarte „Biotopverbund“ zu ersehen ist. Eine Aufhebung der besonderen Schutzanordnung, auf die es in der Sache hinausläuft, berührt die Grundzüge der Planung und kann nicht im Wege eines Dispenses nach § 67 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG erfolgen. 83III. Nach alledem hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf die weiter hilfsweise geltend gemachte Aufhebung des Bescheides vom 16. August 2017 und Neubescheidung ihres Antrags vom 2. Mai 2017. 84Dies setzte die Rechtswidrigkeit der Ablehnungsentscheidung und fehlende Spruchreife voraus. Die Versagung der begehrten Genehmigung, die im Übrigen als gebundene Entscheidung ausgestaltet ist, stellt sich jedoch als rechtmäßig dar. 85Aus dem geltend gemachten Anhörungsfehler kann die Klägerin keinen Aufhebungsanspruch für sich herleiten. Nach § 28 Abs. 1 VwVfG NRW ist vor Erlass eines Verwaltungsaktes, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Hiernach ist eine Anhörung nur bei Erlass eines belastenden Verwaltungsaktes vorgesehen. Die Versagung eines begünstigenden Verwaltungsaktes fällt nach ständiger Rechtsprechung nicht hierunter. 86Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 1982 – 3 C 46.81 –, juris Rn. 35; OVG Magdeburg, Beschluss vom 21. April 2021 – 2 L 97/19 –, juris Rn. 32; VG Lüneburg, Urteil vom 10. Mai 2017 – 5 A 104/16 –, juris Rn. 28; Engel/Pfau, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. (2019), § 28 Rn. 32; a.A.: Schneider, in: Schoch/Schneider, VwVfG, Stand: Juli 2020, § 28 Rn. 23; Kallerhoff/Mayer, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. (2018), § 28 Rn. 31 ff.; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl. (2021), § 28 Rn. 26 ff. 87Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. 88Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO. 89Rechtsmittelbelehrung: 90Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. 91Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 92Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. 93Die Berufung ist nur zuzulassen, 941. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 952. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 963. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 974. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 985. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. 99Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich einzureichen. 100Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen. 101Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen. 102Die Antragsschrift und die Zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. 103Beschluss: 104Der Streitwert wird auf 15.000,- Euro festgesetzt. 105Gründe: 106Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 1 GKG erfolgt. 107Rechtsmittelbelehrung: 108Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. 109Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 110Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 111Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt. 112Die Beschwerdeschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. 113War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
die klage wird abgewiesen. die klägerin trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. die klägerin darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung oder hinterlegung in höhe von 110 % des auf grund des urteils beizutreibenden betrages abwenden, wenn nicht der beklagte vor der vollstreckung sicherheit in gleicher höhe leistet. 1
2die klägerin begehrt die friedhofsrechtliche genehmigung für die errichtung und den betrieb eines sogenannten friedwaldes in kommunaler trägerschaft. 32014/2015 traten die w gmbh und die u. vermögensverwaltung gmbh gemeinsam mit dem ansinnen an die klägerin heran, in i. einen friedwald zu errichten und zu betreiben. dabei soll die asche verstorbener in einer biologisch abbaubaren urne an den wurzeln eines baumes in freier natur beigesetzt werden. die betroffenen waldgrundstücke sind teil der überwiegend bewaldeten u1. berge und stehen im eigentum der u. vermögensverwaltung gmbh. der friedhof soll von der w gmbh betrieben werden. hierzu unterbreitete die w gmbh ihr konzept der klassischen partnerschaft, nach dem zwischen waldbesitzer, gemeinde und w gmbh verträge geschlossen werden, der waldbesitzer die waldfläche zur verfügung stellt, die gemeinde als friedhofsträger die genehmigung beantragt und die w gmbh als deren verwaltungshelfer den friedwald betreibt. 4die klägerin verfügt bisher über keine kommunalen friedhofseinrichtungen. die friedhöfe im gemeindegebiet befinden sich in kirchlicher trägerschaft (evangelische kirchengemeinde e. und evangelische kirchengemeinde i. ). auf beschluss des haupt- und finanzausschusses der klägerin im april 2015 wurden die kirchengemeinden zu dem vorhaben angehört; die evangelische kirchengemeinde e. sprach sich dagegen aus. 5im februar 2016 richtete die klägerin eine informelle anfrage zur genehmigungsfähigkeit an den beklagten. mit ratsbeschluss vom 6. juli 2016 entschied die klägerin, die friedhofsrechtliche genehmigung zu beantragen und die verträge vorzubereiten. 6im august 2016 reichte die w gmbh unterlagen zur erläuterung und kartenmäßigen darstellung des vorhabens bei dem beklagten ein. von der beteiligten landschaftsplanung wurden daraufhin bedenken erhoben, weil der landschaftsplan des beklagten für den raum i. /t. mit seinen darstellungen und festsetzungen, insbesondere mit seinem betretungsverbot, dem vorhaben entgegenstehe. 7am 26. september 2016 erfolgte eine besprechung der beteiligten zum austausch über den stand des verfahrens nach prüfung der vorgelegten unterlagen. dabei teilte der beklagte der klägerin mit, dass keine grundsätzlichen bedenken bestünden, aus sicht der unteren landschaftsbehörde auch keine bedenken aus materieller sicht, jedoch müsse das formelle problem, dass der landschaftsplan mit dem allgemeinen betretungsverbot dem planungsziel entgegenstehe, überwunden werden. dazu sei eine bauleitplanung in form einer flächennutzungsplanänderung und eines (einfachen) bebauungsplanes erforderlich. die klägerin trat dem mit einer im auftrag der w gmbh gefertigten stellungnahme von prof. dr. dr. t1. vom 5. november 2016 entgegen, wonach das betretungsverbot in ermangelung einer tragfähigen begründung nicht den verfassungsrechtlichen anforderungen zu genügen vermöge, die anpassung aber über eine landschaftsschutzrechtliche befreiung im rahmen des friedhofsrechtlichen genehmigungsverfahrens erfolgen solle. denn der friedhofsrechtlichen genehmigung komme konzentrationswirkung zu. anfang märz 2017 fand eine unterredung zwischen landrat und bürgermeister statt, in der der klägerin aufgezeigt wurde, dass ein genehmigungsantrag nach dem bestattungsgesetz nrw nicht erfolgversprechend sei. 8unter dem 25. april 2017 schloss die klägerin einen nutzungsvertrag mit der u. vermögensverwaltung gmbh und einen austauschvertrag mit der w gmbh, jeweils unter der aufschiebenden bedingung, dass sämtliche erforderlichen genehmigungen zum friedwaldbetrieb vorliegen. 9am 2. mai 2017 beantragte die klägerin bei dem beklagten, die einrichtung eines friedwald-standortes auf den gemarkungen c. (flur 0) und c1. (flur 00) gemäß § 2 des gesetzes über das friedhofs- und bestattungswesen (bestattungsgesetz – bestg nrw) zu genehmigen. 10sämtliche grundstücke liegen im außenbereich des gemeindegebietes. der flächennutzungsplan stellt hier fläche für wald dar; es besteht kein bebauungsplan. das plangebiet befindet sich im wasserschutzgebiet iii b der wassergewinnungsanlage c1. /h. der niederrheinischen gas- und wasserwerke. 11die insgesamt ca. 44 ha großen grundstücke liegen weiter im geltungsbereich des am 27. dezember 2004 in kraft getretenen landschaftsplanes des kreises x. , raum i. /t. , dort im bereich des ca. 3.337 ha großen landschaftsschutzgebiets x 0 „landschaftsschutzgebiet hauptterrasse südlich i. “. zusätzlich zu den allgemeinen festsetzungen des landschaftsplans, nach denen es u.a. verboten ist, bauliche anlagen im sinne der bauordnung des landes nordrhein-westfalen zu errichten oder in einer das landschaftsbild beeinträchtigenden weise zu ändern, auch wenn sie keiner bauaufsichtlichen genehmigung bedürfen (ziff. 2.4.1 verbot i.1), gilt hier auch das verbot, flächen außerhalb der straßen, wege, park- und stellplätze sowie grillplätze zu betreten oder auf diesen zu reiten (ziff. 2.4.2 verbot i.14). 12in ihrem antrag führte die klägerin aus, mittelfristig sei mit etwa 4-5 beisetzungen pro woche zu rechnen. zuwegung und parkplätze seien vorhanden. zu beisetzungszeiten seien etwa 15-20 stellplätze notwendig; der öffentliche wanderparkplatz biete ausreichend stellplätze für alle waldbesucher. im zugangsbereich vom parkplatz in den friedwald solle eine informationstafel im format din a0 mit hölzernem rahmen aufgestellt werden, auf der die friedwaldfläche deutlich gekennzeichnet sei. zudem werde eine satzungstafel im bereich des parkplatzes sowie eine mobile toilette aufgestellt. um kurze andachtsfeiern abhalten zu können, werde ein kleiner andachtsplatz auf einer fläche von ca. 200-300 m² in einer existierenden bestandslücke im wald angelegt. zusätzlich werde der andachtsplatz mit natürlichen und standortgerechten forstgehölzen eingefasst. der boden werde mit einem sand-wassergebundenen material befestigt und sei somit wasserdurchlässig. auf dem andachtsplatz würden 6-8 holzbänke sowie ein urnenpult aus naturstein oder einem baumstammabschnitt aufgestellt sowie ein holzkreuz errichtet. dazu werde ein metallschuh einbetoniert, sodass das kreuz je nach wunsch der trauernden bei der beisetzung aufgebaut oder mit wenigen handgriffen entfernt werden könne. von dem bestehenden, bereits asphaltierten m.--------weg aus sei zudem ein etwa 2,5-3 m breiter befestigter waldweg hin zu dem gedachten andachtsplatz geplant, ebenfalls in sandwassergebundener form. ein weiterer wegeausbau sei nicht notwendig. lediglich die bereits vorhandenen waldwege und pfade würden während des friedwaldbetriebes so instandgehalten, dass sie mit festem schuhwerk genutzt werden könnten. im südlichen plangebiet befinde sich eine von vier separaten flächen eines gesetzlich geschützten biotops. im bereich des feuchtbiotops seien schon aufgrund der bodenbeschaffenheit keine beisetzungen möglich. zudem werde zum schutze des biotops mindestens ein abstand von 10 m eingehalten, in dem keine beisetzungen durchgeführt würden. ferner würden die fußwege so geleitet, dass die waldbesucher diesen schützenswerten bereich nicht durchlaufen und somit auch nicht negativ beeinträchtigen könnten. pro hektar seien 85-100 bestattungsbäume vorgesehen. an einem baum könnten bis zu zehn urnen beigesetzt werden. ohne abweichung von dem betretungsverbot könne der friedwald nicht betrieben werden. daher werde eine befreiung nach § 67 abs. 1 nr. 1 bundesnaturschutzgesetz (bnatschg) von dem betretungsverbot in ziffer 2.4.2 i.14 des landschaftsplans beantragt. es liege ein atypischer fall vor. friedwälder seien zur zeit der aufstellung des landschaftsplans in den jahren 2001-2004 in deutschland noch weitgehend unbekannt gewesen. das nordrheinwestfälische bestattungsgesetz habe erst im juni 2003 die voraussetzungen für eine zulassung von bestattungswäldern geschaffen. an der errichtung eines bestattungswaldes bestehe ein öffentliches interesse. kommunen seien im wege der daseinsvorsorge verpflichtet, ausreichende bestattungsmöglichkeiten vorzuhalten. dabei bestehe auch ein öffentliches interesse an der ermöglichung alternativer bestattungsformen. im rahmen der vorzunehmenden abwägungsentscheidung überwiege das öffentliche interesse. vergleichbare flächen zur verwirklichung des bedarfs an alternativen gestaltungsmöglichkeiten existierten im gemeindegebiet nicht. demgegenüber würden durch das betretungsverbot auf den antragsgegenständlichen waldflächen keine einzigartigen oder besonders wertvollen strukturen geschützt. zudem werde der zweck des betretungsverbotes im landschaftsschutzgebiet durch die stille und pietätsvolle nutzung der antragsgegenständlichen waldflächen im falle des betriebes eines friedwaldes kaum beeinträchtigt. die pflege und entwicklung der friedwaldflächen fördere den zweck des betretungsverbotes sogar in weiten teilen. die befreiung könne gemeinsam mit der beantragten bestattungsrechtlichen genehmigung erteilt werden. 13in dem von dem beklagten durchgeführten beteiligungsverfahren wurden insbesondere seitens der unteren und oberen wasserbehörde und der unteren gesundheitsbehörde keine grundsätzlichen bedenken geäußert. die untere bauaufsicht nahm dahingehend stellung, dass der geplante andachtsplatz einer bauaufsichtlichen genehmigung bedürfe. aus sicht von naturschutz und landschaftspflege wurden die darstellungen und festsetzungen des landschaftsplanes eingewandt, insbesondere das betretungsverbot, das gegenüber jedermann und damit einem unbestimmten personenkreis gelte und von dem nicht im wege einer befreiung abgewichen werden könne. 14mit bescheid vom 16. august 2017 versagte der beklagte die genehmigung, da ihr öffentlich-rechtliche vorschriften entgegenstünden. das vorhaben stehe im widerspruch zum bauplanungsrecht. es widerspreche den darstellungen des flächennutzungsplanes. ein friedhof sei keine waldnutzung. auch bedürfe es einer förmlichen planung nach § 1 abs. 3 s. 1 baugesetzbuch (baugb), wenn – wie hier – eine umfassende prüfung sämtlicher belange im rahmen eines baugenehmigungsverfahrens nicht möglich sei. dabei stelle sich die frage des gemeindlichen bedarfs, und die hauptsächlich bezweckte erzielung von einnahmen verstoße wohl gegen § 107 der gemeindeordnung nrw. ferner stehe der landschaftsplan als vorschrift des öffentlichen rechts dem vorhaben an der geplanten stelle entgegen. die gemäß ziffern 2.4.1 und 2.4.2 geltenden ge- und verbote, insbesondere das verbot i.14, seien zur erreichung des schutzzwecks „biotopverbund“ erforderlich. das betretungsverbot außerhalb der wege, park- und stellflächen sei erforderlich, um den biotopverbund dauerhaft zu gewährleisten. es schütze insbesondere solche störempfindlichen tierarten, deren arttypische wanderbewegungen auf vernetzten, störungsfreien und hinsichtlich der biotopstrukturen funktionsgerecht ausgestatteten korridoren basierten. eine befreiung von den ge- und verboten des landschaftsplanes komme nicht in betracht. der geltungsanspruch des in rede stehenden verbotes dürfe durch eine behördenentscheidung grundsätzlich nicht auf breiter front durchbrochen werden. dies sei nicht inhalt der ermächtigung zur befreiung im einzelfalle. da das betretungsverbot gegenüber jedermann und damit einem unbestimmten personenkreis gelte, könne von der norm nicht im wege einer befreiung abgewichen werden. eine generelle befreiung zur überwindung des betretungsverbotes komme somit für die klägerin, aber auch für die w gmbh formalrechtlich nicht in betracht. ferner stehe das eigentum dritter einer nutzung als gemeindlichem friedhof entgegen. mit blick auf den wasserschutz werde ein begleitendes grundwassermonitoring gefordert, dessen einzelheiten erst dann festgelegt würden, wenn die ergebnisse der vom umweltbundesamt in auftrag gegebenen forschungsarbeit „evaluierung von ausmaß und ursachen einer schadstofffreisetzung aus urnen in bestattungswäldern“ vorlägen. einige flächen des vorhabens seien als teil des ökokontos der u. vermögensverwaltung gmbh ausgewiesen. bei der geplanten nutzung könne die anerkennung dieser flächen als ökokontoflächen nicht in aussicht gestellt werden. der erforderlichen baurechtlichen genehmigung für die befestigung des vorgesehenen andachtsplatzes stehe der landschaftsplan entgegen. die darstellungen hinsichtlich des verkehrsaufkommens ließen keine grundlage erkennen. ein entsprechendes verkehrsgutachten sei nicht vorgelegt worden. forstrechtlich bestünden anzeigepflichten. für eine abschließende beurteilung möglicher beeinträchtigungen des im südlichen planbereich gelegenen biotops durch bestattungen und besucherverkehr seien konkrete angaben zu den geplanten eingriffen sowie kompensationsmaßnahmen erforderlich und ein landschaftspflegerischer begleitplan vorzulegen. jagdrechtlich bestünden informationspflichten. die nach dem bestattungsgesetz erforderliche satzung sei nicht vorgelegt worden, ein beleihungsakt nicht erfolgt und gegen die mobile toilettenanlage bestünden erhebliche bedenken, da sie negative vorbildwirkung für anlagen im außenbereich habe. die geplante informationstafel genüge nicht zur wahrung der totenwürde. 15am 15. september 2017 hat die klägerin klage erhoben, zu deren begründung sie im einzelnen ausführt, dass die ablehnungsgründe des beklagten nicht trügen und auch im übrigen vorschriften des öffentlichen rechts der genehmigungserteilung nicht entgegenstünden. die genehmigungserteilung sei weder vom vorliegen der friedhofssatzung noch von der vorlage ihres entwurfs abhängig. es handele sich schon nicht um ein vorhaben im sinne des baugb; selbst wenn dies der fall wäre, bestehe jedenfalls kein planungserfordernis. gegen den flächennutzungsplan werde nicht verstoßen, da sich an der nutzungsart „wald“ nichts ändere. das betretungsverbot des landschaftsplans sei unwirksam, da es nicht von der ermächtigungsgrundlage gedeckt sei und gegen das übermaßverbot verstoße. es gebe keine substantiierte besondere begründung für das betretungsverbot. eine analyse zu erwartender beeinträchtigungen bzw. störungen sei offensichtlich nicht erfolgt. die rüge unterliege nicht der geltendmachungsfrist. jedenfalls bestehe ein anspruch auf befreiung vom betretungsverbot. dieses werde durch die befreiung nicht generell aufgehoben; vielmehr handele es sich um einen vergleichsweise kleinen personenkreis, der den friedwald nutzen werde, und auch flächenmäßig sei bei einem vorhabenbereich von 43/44 ha im vergleich zur gesamtfläche von ca. 3.300 ha keine breite durchbrechung zu besorgen. gegen das bauverbot werde nicht verstoßen, da schon keine baulichen anlagen geplant seien. der andachtsplatz könne anstatt mit einem schottersandgemisch auch mit holzhackschnitzeln befestigt werden. selbst wenn es sich um bauliche anlagen handeln sollte, bestünde ein anspruch auf befreiung vom bauverbot, da hier noch offensichtlicher nicht die verfahrensrechtlichen anforderungen an eine förmliche satzungsänderung unterlaufen würden und das landschaftsschutzgebiet nur punktuell und singulär betroffen sei. der bloße entwurf des regionalplans ruhr stelle noch keine verbindlichen ziele der raumordnung dar. in aufstellung befindliche ziele der raumordnung seien lediglich in abwägungs- oder ermessensentscheidungen zu berücksichtigen. sofern die sache noch nicht spruchreif sei, sei der beklagte zur neubescheidung zu verpflichten. das folge nicht allein aus den unzutreffenden rechtlichen erwägungen des beklagten, sondern bereits aus der unterbliebenen anhörung der klägerin vor ablehnung ihres antrags. 16die klägerin beantragt, 171.18den beklagten unter aufhebung seines bescheides vom 16.08.2017 zu verpflichten, ihr die unter dem 02.05.2017 beantragte genehmigung zur errichtung eines kommunalen friedhofs in i. auf den grundstücken gemarkung c1. , flur 00, flurstücke 000, 000, 000 und gemarkung c. , flur 0, flurstücke 0, 00, 00, 00, 00, 00, 00 zu erteilen, 2.19hilfsweise, den beklagten unter aufhebung seines bescheides vom 16.08.2017 zu verpflichten, der klägerin eine befreiung nach § 67 bundesnaturschutzgesetz für die errichtung des unter dem 02.05.2017 beantragten kommunalen friedhofs in i. zu erteilen und anschließend die unter dem 02.05.2017 beantragte bestattungsrechtliche genehmigung zur errichtung des friedhofs zu erteilen, 3.20weiter hilfsweise, den beklagten unter aufhebung seines bescheides vom 16.08.2017 zu verpflichten, den antrag vom 02.05.2017 unter beachtung der rechtsauffassung des gerichts erneut zu bescheiden. 21der beklagte beantragt, 22die klage abzuweisen. 23er verweist auf die gründe seines ablehnenden bescheids und macht weiter geltend: eine anhörung der klägerin vor erlass des ablehnungsbescheides sei nicht erforderlich gewesen, zumal sie bereits im vorfeld auf die entscheidungsrelevanten aspekte hingewiesen worden sei. der antrag sei unterdessen nicht entscheidungsreif, da die klägerin keine vollständigen prüffähigen unterlagen vorgelegt habe. es fehle der satzungsentwurf, in dem die wesentlichen förmlichkeiten für die nutzung des friedhofs geregelt würden. das betretungsverbot sei wirksam. die klägerin sei mit ihren dagegen erhobenen einwendungen schon präkludiert, weil die rügefrist abgelaufen sei. die gründe für die ausweisung des landschaftsschutzgebietes ergäben sich aus dem landschaftsplan. der schutzzweck der landesweiten und regionalen bedeutung für den biotopverbund mache das festgesetzte betretungsverbot notwendig. entscheidend für die schutzbedürftigkeit sei die gesamträumliche situation. es handelte sich nicht um ein beliebiges landschaftsschutzgebiet, sondern um einen schwerpunkt der biotopvernetzung in der region. eine auflistung zu schützender tierarten sei entbehrlich. die erholungsfunktion werde nicht ausgeschlossen. es bestehe ein ausgedehntes frei nutzbares wander- und reitwegenetz. das vorhabengebiet liege im bereich eines künftigen naturschutzgebiets. die regelung im gesamtzusammenhang stelle kein repressives verbot ohne erlaubnisvorbehalt dar. eine befreiung vom verbot für eine unbestimmte zahl von personen bzw. eine generelle befreiung für die geplante friedhofsfläche komme einer planänderung gleich. das vorhaben verstoße auch gegen das bauverbot. der andachtsplatz, die errichtung neuer und der ausbau vorhandener wege sowie die informationstafel seien bauliche anlagen. entscheidend sei, dass aufgrund der bedeutung der in rede stehenden teile des landschaftsschutzgebietes für den biotopverbund gemäß § 21 bnatschg und der konkretisierungen durch das bestehende landschaftsschutzgebiet eine abweichung vom aktuellen landschaftsplan nicht möglich sei. 24wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakten sowie der beigezogenen verwaltungsvorgänge der beteiligten und des landschaftsplans des kreises x. raum i. /t. bezug genommen. 25
26die klage hat keinen erfolg. sie ist zulässig, aber unbegründet. 27die klägerin hat keinen anspruch auf erteilung der begehrten friedhofsrechtlichen genehmigung (i.). die hilfsweise begehrte befreiung von den dem vorhaben entgegenstehenden verboten des landschaftsplans kommt nicht in betracht (ii.). insoweit erweist sich die ablehnungsentscheidung des beklagten vom 16. august 2017 als rechtmäßig und verletzt die klägerin daher nicht in ihren rechten (§ 113 abs. 5 satz 1, abs. 1 satz 1 vwgo). hiernach besteht auch kein anspruch auf die weiter hilfsweise begehrte neubescheidung, § 113 abs. 5 satz 2 vwgo (iii.). 28i. die klägerin kann von dem beklagten nicht die nach § 2 abs. 1 satz 1 bestg nrw erforderliche genehmigung für die errichtung eines friedhofs einer kreisangehörigen gemeinde beanspruchen. 29die genehmigung ist gemäß § 2 abs. 3 bestg nrw zu erteilen, wenn der friedhof den erfordernissen des wasserhaushaltsrechts und des gesundheitsschutzes entspricht und ihr sonstige vorschriften des öffentlichen rechts nicht entgegenstehen. diese voraussetzungen sind vorliegend jedoch nicht gegeben. der beantragten genehmigung stehen die rechtsverbindlichen festsetzungen des im dezember 2004 in kraft getretenen landschaftsplans des kreises x. , raum i. /t. entgegen. 301. nach ziffer 2.4.2 i.14 der textlichen festsetzungen des landschaftsplanes ist es im landschaftsschutzgebiet x 0 verboten, flächen außerhalb der straßen, wege, park- und stellplätze sowie grillplätze zu betreten oder auf diesen zu reiten. dieses betretensverbot steht der geplanten friedwaldnutzung, bei der die asche verstorbener an den wurzeln eines baumes in freier natur beigesetzt werden soll und die ein betreten von flächen abseits der wege erfordert, entgegen. 31der einwand der klägerin, dieses betretensverbot sei unwirksam und stehe dem vorhaben nicht entgegen, weil es nicht von der ermächtigungsgrundlage gedeckt sei und gegen das übermaßverbot verstoße, verfängt nicht. 32dabei geht das gericht davon aus, dass der einwand entgegen der rechtsauffassung des beklagten nicht bereits unbeachtlich ist nach der damals geltenden vorschrift des § 30 abs. 3 nr. 2 des zwischenzeitlich außer kraft getretenen landschaftsgesetzes nrw in der fassung der bekanntmachung vom 21. juli 2000 (im folgenden: lg nrw). die klägerin rügt keine mängel des abwägungsergebnisses, die nach der vorstehenden, zum zeitpunkt des inkrafttretens des landschaftsplans im dezember 2004 geltenden vorschrift für die rechtswirksamkeit des landschaftsplans unbeachtlich sind, wenn sie nicht innerhalb von sieben jahren seit bekanntmachung des landschaftsplans schriftlich geltend gemacht worden sind. vielmehr beanstandet die klägerin das vorliegen der normativ vorgegebenen kriterien für die unterschutzstellung. die verbote müssen zur erreichung des schutzzwecks geeignet und notwendig (§ 19 lg nrw bzw. § 22 abs. 1 satz 2 bnatschg), die schutzmaßnahme also für das gemeinwohl erforderlich sein. erst dann sind ihre auswirkungen mit den übrigen zielen des naturschutzes und gegen die sonstigen anforderungen der allgemeinheit an natur und landschaft abzuwägen. 33vgl. schumacher/fischer-hüftle, bundesnaturschutzgesetz, 3. aufl. (2021), § 22 rn. 46. 34damit unterliegt die schutzerklärung der verwaltungsgerichtlichen inzidentkontrolle im rahmen der überprüfung der hierauf gestützten genehmigungsversagung. 35das betretensverbot ist aber materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. es entspricht den an den erlass eines solchen verbots gestellten anforderungen und ist mit höherrangigem recht vereinbar. 36es findet seine rechtsgrundlage im seinerzeit geltenden § 34 abs. 2 lg nrw. danach sind in landschaftsschutzgebieten nach maßgabe näherer bestimmungen im landschaftsplan alle handlungen verboten, die dem besonderen schutzzweck zuwiderlaufen. diese näheren bestimmungen werden in der schutzerklärung festgelegt. 37repressive verbote ohne erlaubnisvorbehalt dürfen dabei nur dann erlassen werden, wenn von vornherein feststeht, dass die verbotene handlung dem besonderen schutzzweck schlechthin zuwiderläuft. denn landschaftsschutzrechtliche verbote dürfen nicht weiterreichen, als im interesse der gesetzlich anerkannten schutzgüter erforderlich ist. dem schutzzweck nicht generell zuwider laufende handlungen dürfen dagegen nur mit präventiven verboten mit erlaubnisvorbehalt belegt werden, die es der naturschutzbehörde ermöglichen, die vereinbarkeit der maßnahmen mit den schutzgütern der schutzerklärung in jedem einzelfall zu überprüfen, und einen anspruch auf erteilung der erlaubnis begründen, wenn die schutzgüter nicht beeinträchtigt werden. 38vgl. hessvgh, urteil vom 9. märz 2017 – 4 c 328/16.n –, juris rn. 85; ovg lüneburg, urteil vom 13. märz 2003 – 8 kn 236/01 –, juris rn. 46 m.w.n. und hinweis auf bverwg, urteil vom 12. juli 1956 – i c 91.54 –, juris. 39bei dem streitgegenständlichen verbot, flächen außerhalb der straßen, wege, park- und stellplätze sowie grillplätze zu betreten oder auf diesen zu reiten, handelt es sich um ein repressives verbot ohne erlaubnisvorbehalt. jenseits diverser maßnahmen und nutzungen, die von dem verbot unberührt bleiben (allgemeine unberührtheitsklausel ziffer 2.1 i., besondere unberührtheitsklausel ziffer 2.4.2 i.14 und unberührtheiten gemäß textlichen festsetzungen zum landschaftsschutzgebiet x ), besteht nur die möglichkeit der befreiung nach § 69 abs. 1 lg nrw (ziffer 2.1 i. befreiungen), die sich nach außerkrafttreten dieser vorschrift nunmehr in § 67 abs. 1 bnatschg findet. 40das solchermaßen ausgestaltete betretensverbot war und ist wegen der bedeutung des gebietes für den landesweiten und den regionalen biotopverbund erforderlich im sinne der §§ 19, 21 lg nrw. 41wild lebende tiere und pflanzen sind teil des naturhaushalts, weshalb in landschaftsschutzgebieten schon vor der durch das bundesnaturschutzgesetz 2009 erfolgten ergänzung von § 67 abs. 1 nr. 1 bnatschg ziele des arten- und biotopschutzes verfolgt werden konnten. der nach § 21a lg nrw bzw. § 26 bnatschg ermöglichte schutz von lebensstätten und lebensräumen geht über das spezielle, nur für besonders geschützte arten und unter weiteren voraussetzungen greifende störungsverbot nach § 44 abs. 1 bnatschg hinaus. in einem landschaftsschutzgebiet sind zum schutz von lebensstätten und lebensräumen alle handlungen zu verbieten, die geeignet sind, die lebensbedingungen der pflanzen und tierarten zu beeinträchtigen. 42vgl. hessvgh, urteil vom 9. märz 2017 – 4 c 328/16.n –, juris rn. 62; schumacher/fischer-hüftle, bundesnaturschutzgesetz, § 26 rn. 23. 43repressive verbote sind zur abwehr von beeinträchtigungen und störungen z.b. durch betreten möglich, wenn die störung mit dem schutzzweck schlechthin unvereinbar ist. 44vgl. schumacher/fischer-hüftle, bundesnaturschutzgesetz, § 26 rn. 41. 45so verhält es sich vorliegend. der schutzzweck „biotopverbund“ erfordert das betretensverbot abseits der straßen, wege und plätze. 46das großflächige landschaftsschutzgebiet x 0 ist überwiegend bewaldet, und der wald ist teil des regional bedeutsamen biotopverbundes. außerdem hat das gebiet in verbindung mit den angrenzenden naturschutzgebieten für den arten- und biotopschutz eine wichtige habitatfunktion (erläuterungsband zum landschaftsplan, s. 67). die gesamträumliche bedeutung des schutzgebiets auch für den landesweiten biotopverbund und seine besonderheit als schwerpunkt der biotopvernetzung in der region ist aus der dem erläuterungsband zum landschaftsplan anliegenden themenkarte „biotopverbund“ zu ersehen. ausweislich dieser themenkarte erstreckt sich der biotopverbund über das gesamte landschaftsschutzgebiet. nichts anderes ist dem von der klägerin eingereichten übersichtsplan des ingenieur- und planungsbüros m1. gbr von september 2019 (anlage k 2 zum schriftsatz vom 16. september 2019, bl. 300 ga) zu entnehmen. die darstellung zeigt biotopverbundsflächen mit besonderer oder stellenweiser herausragender bedeutung im gesamten landschaftsschutzgebiet. soweit kennzeichnende schraffuren unterbrochen sind, ist dem – wenn überhaupt – jedenfalls keine maßgebliche bedeutung zuzumessen. 47auf dieser grundlage ist seitens des beklagten in der mündlichen verhandlung nachvollziehbar erläutert worden, dass die biotopvernetzung für das gesamte schutzgebiet in alle himmelsrichtungen gilt und das schutzgebiet ein tragendes element des landesweiten biotopverbundes ist. hier werden die biotope des hellweg-bereiches zu den lebensräumen an der lippe und am rhein miteinander verbunden. 48die festsetzungen für das landschaftsschutzgebiet haben den zielsetzungen des biotopverbunds rechnung zu tragen. als ziel des biotopverbunds hat der gesetzgeber seinerzeit die nachhaltige sicherung von heimischen tier- und pflanzenarten und deren populationen einschließlich ihrer lebensräume und lebensgemeinschaften sowie die bewahrung, wiederherstellung und entwicklung funktionsfähiger ökologischer wechselbeziehungen formuliert (§ 2b abs. 2 satz 1 lg nrw). der plangeber hat zum biotopverbund erläuternd ausgeführt, dass bestimmte tierarten bzw. –gemeinschaften auf funktional zusammenhängende lebensräume oder ein bestimmtes minimalareal angewiesen seien; außerdem sei zum erforderlichen austausch zwischen verschiedenen tierpopulationen und für die erforderlichen funktionsbeziehungen zwischen den biotopen und lebensräumen untereinander die vernetzung bzw. der verbund der biotope zu gewährleisten (erläuterungsband zum landschaftsplan, s. 48). es geht mithin um geschützte rückzugsbereiche und die ermöglichung von wanderbewegungen der dort lebenden tiere. 49das betretensverbot ist zur erreichung dieser schutzfunktionen geeignet und erforderlich. es sichert die rückzugsräume der störempfindlichen waldbewohnenden tierarten abseits des bestehenden dichten wegenetzes. es schützt insbesondere solche störempfindlichen tierarten, deren arttypische wanderbewegungen auf vernetzten, störungsfreien und hinsichtlich der biotopstrukturen funktionsgerecht ausgestatteten korridoren basieren. letzteres hat der beklagte bereits in seinem ablehnenden bescheid vom 16. august 2017 ausgeführt (seite 8). insofern handelt es sich nicht um in der mündlichen verhandlung erstmals neu vorgetragene tatsachen, die das betretensverbot rechtfertigen sollen. vielmehr ist seitens des beklagten der bisherige vortrag erläutert und dargelegt worden, welche anderweitigen – bestandsgeschützten – nutzungen zur korridorbildung im vorhabengebiet geführt haben. 50gleiches gilt für die erläuterungen des beklagten in der mündlichen verhandlung, welche tiere u.a. auf wandermöglichkeiten angewiesen sind (neben dem rothirsch, wolf und biber allerweltsarten wie wildschweine und rehe) und wie der biotopverbund funktioniert (nachhaltige sicherung heimischer tier- und pflanzenarten etwa durch den tierischen transport von pflanzensamen, genetischer austausch von arten). 51das gericht hat hiernach keine veranlassung, an der im verfahren zur aufstellung des landschaftsplans getroffenen fachlichen einschätzung zur erforderlichkeit des betretensverbots im landschaftsschutzgebiet x 0 zu zweifeln. in der mündlichen verhandlung ist seitens des beklagten weiter nachvollziehbar erläutert worden, dass es landschaftsschutzgebiete mit gleichlautendendem schutzzweck (biotopverbund), aber ohne betretungsverbot gibt, weil es keines betretungsverbotes bedarf, wenn die vernetzung über gewässer erfolgt oder es etwa darum geht, die wanderbewegung von vögeln zu sichern. dies trifft auf das landschaftsschutzgebiet x 0 nicht zu. zweifel ergeben sich auch nicht daraus, dass dem vorhaben im rahmen der voranfrage zunächst hauptsächlich formelle bedenken entgegen gehalten worden sind. der inhalt der verwaltungsvorgänge trägt die erklärung, man sei auf seiten des beklagten (erst) nach intensiverer auseinandersetzung mit der angelegenheit zu dem ergebnis gekommen, dass dem vorbringen auch materielle gründe entgegenstünden. dies soll ausweislich eines aktenvermerks in einem gespräch zwischen landrat und bürgermeister auch der klägerin vor antragstellung aufgezeigt worden sein (beiakte heft 1 bl. 212). 52der beantragten beweiserhebung durch einholung eines sachverständigengutachtens bedurfte es bei dieser sachlage nicht. es besteht keine veranlassung zu weiterer sachaufklärung. insbesondere geben die erläuternden erklärungen des beklagtenvertreters in der mündlichen verhandlung keine veranlassung, die erforderlichkeit des betretensverbots im landschaftsschutzgebiet x 0 weiter aufzuklären. die erläuterte korridorbildung im vorhabengebiet und die wanderbewegungen dort vorkommender tierarten werden von der klägerin selbst nicht bestritten. das vorkommen von wölfen im raum i. /t. ist zudem über die presse hinlänglich bekannt und auch der lebensraum des rothirschs im landschaftsschutzgebiet – außerhalb des vorhabengebiets – seitens der u. vermögensverwaltung gmbh in der mündlichen verhandlung bestätigt worden. ausweislich des kartenmaterials erstreckt sich der biotopverbund – wie ausgeführt – über das gesamte landschaftsschutzgebiet. damit korrespondiert das flächendeckende verbot zur erreichung des schutzzwecks. 53abgesehen davon würde die beantragte beweiserhebung zur verfahrensverzögerung führen. die prozessbevollmächtigten der klägerin sind mit der ladungsverfügung unter hinweis auf die folgen einer fristversäumung aufgefordert worden, erklärungen und beweismittel innerhalb einer nach § 87b abs. 1 und 2 vwgo gesetzten frist vorzubringen. das beweismittel des sachverständigenbeweises ist nicht bis zum 29. april 2022 bezeichnet worden, ohne dass dies genügend entschuldigt worden ist. dem lässt sich nicht entgegen halten, beweistatsachen seien erstmals in der mündlichen verhandlung vorgebracht worden. wanderbewegungen von tieren auf störungsfreien korridoren hat der beklagte bereits im angefochtenen bescheid angeführt und sein demnach nicht neues vorbringen in der mündlichen verhandlung lediglich konkretisierend erläutert. die klage stützt sich ganz wesentlich auf die annahme, das betretensverbot im landschaftsschutzgebiet x 0 sei nicht erforderlich. der darauf abzielende beweisantrag hätte in allgemeiner form fristgerecht angebracht werden können. 54das betretensverbot ist auch mit höherrangigem recht vereinbar. es verstößt nicht gegen das übermaßverbot. angesichts der zahlreichen unberührtheiten – darunter sämtliche dem bestandsschutz unterfallenden nutzungen, die von dem betretensverbot unberührt bleiben – und der bestehenden nutzungsmöglichkeiten der freien landschaft auf dem sehr dichten wegenetz zu erholungszwecken ist die ausgestaltung als ansonsten repressives verbot nicht zu beanstanden. vielmehr ist nachzuvollziehen, dass das dichte wegenetz und die sonstigen, den biotopverbund einschränkenden nutzungen es erfordern, in dem für den verbund bedeutsamen bereich der tierwelt ohne weitere einschränkungen rückzugsräume zu sichern. es liefe dem schutzzweck schlechthin zuwider, die flächen, die dem lebensbereich von tieren und pflanzen vorbehalten bleiben sollen, weiterer störung preiszugeben. das betreten dieser flächen stört die rückzugs- und wandermöglichkeiten der dort lebenden tiere und beeinträchtigt die lebensräume wildwachsender pflanzen. dies ist ein wichtiger grund des naturschutzes und der landschaftspflege, aus dem das betreten des waldes gemäß § 59 abs. 2 satz 2 bnatschg eingeschränkt werden kann. 552. weiter ist es nach ziffer 2.4.1 i.1 der textlichen festsetzungen des landschaftsplanes in allen landschaftsschutzgebieten verboten, bauliche anlagen im sinne der bauordnung des landes nordrhein-westfalen (bauo nrw) zu errichten oder in einer das landschaftsbild beeinträchtigenden weise zu ändern, auch wenn sie keiner bauaufsichtlichen genehmigung bedürfen. auch dieses allgemeine bauverbot steht der geplanten friedwaldeinrichtung entgegen. 56bei den im antrag vom 2. mai 2017 genannten bestandteilen des friedwaldes handelt es sich um bauliche anlagen gemäß § 2 abs. 1 bauo nrw. nach dieser vorschrift sind bauliche anlagen mit dem erdboden verbundene, aus bauprodukten hergestellte anlagen (satz 1). eine verbindung mit dem erdboden besteht auch dann, wenn die anlage durch eigene schwere auf dem boden ruht oder auf ortsfesten bahnen begrenzt beweglich ist oder wenn die anlage nach ihrem verwendungszweck dazu bestimmt ist, überwiegend ortsfest benutzt zu werden (satz 2). 57danach stellen der geplante 200-300 qm große andachtsplatz mit holzkreuz, pult und sitzbänken sowie die mobile toilette, die informationstafel und der weg zum andachtsplatz bauliche anlagen dar. sämtliche einrichtungen sind aus bauprodukten hergestellt, ruhen mindestens kraft eigener schwere auf dem boden und sind zur ortsfesten verwendung bestimmt. die eigenschaft des andachtsplatzes als bauliche anlage entfällt auch nicht, wenn statt eines sand-kies-gemisches holzhackschnitzel zur befestigung verwendet werden. entscheidend ist die jedenfalls beabsichtigte bodenbefestigung, nicht zuletzt als vorkehrung für nasses wetter. 58es handelt sich zugleich um ein bodenrechtlich (bauplanungsrechtlich) relevantes vorhaben im sinne von § 29 abs. 1 baugb, das der bauaufsichtlichen genehmigung bedarf. bei der beurteilung der bodenrechtlichen relevanz ist nicht die bauliche anlage allein zu betrachten, sondern auch die ihr zugedachte funktion einzubeziehen. 59vgl. bverwg, urteil vom 11. november 1988 – 4 c 50/87 –, juris rn. 14 ff. 60bodenrechtliche relevanz kommt den vorgenannten einrichtungen in ihrer gesamtheit im hinblick auf ihre funktion als (naturnahe) friedhofseinrichtung zu, von der in ziffer 8 der hygiene-richtlinien für die anlage und erweiterung von begräbnisplätzen vorgesehenen toilette bis hin zum andachtsplatz für die trauerfeier. nichts anderes folgt aus dem von der klägerin angeführten erlass des ministeriums für bauen, wohnen, stadtentwicklung und verkehr des landes nordrhein-westfalen vom 22. februar 2017, in dem ausdrücklich von parkplätzen, holzkreuzen, sitzbänken, einfriedungen, wegebefestigungen und sanitäranlagen als baulichen vorhaben im sinne des bauplanungsrechts die rede ist. 61dabei hilft es nicht weiter, dass die beabsichtigte verlängerung eines bestehenden weges als bloße änderung einer vorhandenen baulichen anlage nicht dem bauverbot unterfallen mag, wenn sie das landschaftsbild nicht beeinträchtigt. das bauverbot greift jedenfalls für die gesamtanlage mit ihren weiteren bestandteilen. 62eine befreiung von den dem vorhaben entgegenstehenden verboten gemäß § 67 bnatschg liegt nicht vor. 63ii. die klägerin kann auch nicht hilfsweise beanspruchen, den beklagten unter aufhebung seines bescheides vom 16. august 2017 zur erteilung einer befreiung nach § 67 bnatschg und sodann zur erteilung der friedhofsrechtlichen genehmigung zu verpflichten. 64für die erteilung von befreiungen nach § 67 bnatschg ist gemäß § 75 abs. 1 satz 1 i.v.m. § 2 abs. 1 satz 1 nr. 3 lnatschg nrw der beklagte als untere naturschutzbehörde zuständig. es handelt sich um eine gesonderte entscheidung, die ihrerseits mit rechtsbehelfen angreifbar ist, wenn – wie hier – die befreiung nicht durch eine andere genehmigung ersetzt oder von der konzentrationswirkung einer genehmigung erfasst wird. die genehmigung nach § 2 abs. 3 bestg nrw hat keine konzentrationswirkung. sie schließt nach anderen gesetzen erforderliche erlaubnisse oder genehmigungen nicht ein. 65vgl. gaedke, handbuch des friedhofs- und bestattungsrechts, 13 aufl. (2022), kapitel 2 rn. 40, 42. 66bedarf ein vorhaben – so wie vorliegend – einer genehmigung, die voraussetzt, dass dem vorhaben keine öffentlich-rechtlichen vorschriften entgegenstehen, ist die befreiung vorgreiflich. 67vgl. schumacher/fischer-hüftle, bundesnaturschutzgesetz, § 67 rn. 56. 68der beklagte ist jedoch zutreffend davon ausgegangen, dass die erteilung einer befreiung hier nicht in betracht kommt, weil es sich nicht um einen einzelfall handelt, in dem nach § 67 abs. 1 satz 1 bnatschg ein dispens erteilt werden kann. 69die funktion der befreiung besteht darin, rechtlichen unausgewogenheiten abzuhelfen, die sich bei anwendung einer norm auf grund besonderer umstände des einzelfalles ergeben. 70vgl. landmann/rohmer umweltr/gellermann, 96. el september 2021, bnatschg § 67 rn. 10. 71da der anwendungsbereich von § 67 nur für besondere einzelfälle eröffnet ist, darf mittels der erteilung einer (oder mehrerer) befreiung(en) nicht die geltung der norm an sich in frage gestellt werden. die befreiung darf nach umfang und häufigkeit nicht dazu führen, dass die norm ganz oder teilweise gegenstandslos oder funktionslos, die norm sozusagen „in kleiner münze“ aufgehoben wird. damit würde die entscheidung des normgebers in unzulässiger weise auf administrativem weg konterkariert. 72vgl. bverwg, beschluss vom 26. juni 1992 – 4 b 1-11.92 –, juris rn. 40; ovg nrw, urteil vom 21. april 2020 – 8 a 311/19 –, juris rn. 70 f.; vg köln, urteil vom 5. september 2017 – 2 k 6600/15 –, juris rn. 70 ff.; schumacher/fischer-hüftle, bundesnaturschutzgesetz, § 67 rn. 10; beckok umweltr/teßmer, 61. ed. 1.1.2022, bnatschg § 67 rn. 6. 73das instrument der befreiung erlaubt der verwaltung nicht, grundlegende korrekturen an den im landschaftsplan getroffenen festsetzungen zu treffen. solche sind einzig dem plangeber im wege der planänderung vorbehalten. 74vgl. vg köln, urteil vom 5. september 2017 – 2 k 6600/15 –, juris rn. 70 ff. 75eine naturschutzrechtliche befreiung für ein vorhaben kommt daher vor allem bei planungen in betracht, die das schutzgebiet nur punktuell, „linear“ oder in grenzbereichen berühren. 76vgl. bverwg, urteil vom 18. juni 1997 – 4 c 3/95 –, juris rn. 30; ovg nrw, urteil vom 21. april 2020 – 8 a 311/19 –, juris rn. 72 f. 77dagegen sind befreiungen nicht dafür konzipiert, bauliche anlagen in nennenswertem umfang, in für den landschaftsschutz bedeutsamen teilen eines landschaftsschutzgebiets oder gar flächendeckend zuzulassen und auf diese weise einen allgemeinen konflikt zu lösen. 78vgl. ovg nrw, urteil vom 21. april 2020 – 8 a 311/19 –, juris rn. 70. 79in rechtsprechung und literatur wird zudem bezweifelt, dass es im wege der befreiung möglich sein soll, großflächig bereiche eines landschaftsschutzgebiets den festsetzungen einer landschaftsschutzverordnung zu entziehen. 80vgl. vgh baden-württemberg, beschluss vom 24. märz 2014 – 10 s 216/13 –, juris rn. 18 und urteil vom 5. april 1990 – 8 s 2303/89 –, juris rn. 20; beckok umweltr/teßmer, 61. ed. 1.1.2022, bnatschg § 67 rn. 6; die fläche als bestimmendes kriterium ablehnend: vg köln, urteil vom 5. september 2017 – 2 k 6600/15 –, juris rn. 75. 81nach maßgabe dessen kommt hier die erteilung einer befreiung von den dem vorhaben entgegenstehenden verboten nicht in betracht, weil dadurch das vorhabengebiet den maßgeblichen festsetzungen des landschaftsplans entzogen und das schutzgebiet verkleinert würde, was jedoch alleine dem plangeber vorbehalten ist. 82das friedwaldvorhaben ließe sich nur verwirklichen, wenn im vorhabengebiet sowohl vom bauverbot als auch – langfristig für die dauer des friedwaldbetriebes – von dem betretensverbot befreit würde. das betretensverbot würde damit im vorhabengebiet funktionslos. soweit die klägerin dem entgegenhält, von der befreiung würden zweckgebunden nur diejenigen personen gebrauch machen können, die den wald im zusammenhang mit der nutzung als friedwald betreten, und dabei handele es sich um einen von der allgemeinheit abgrenzbaren, vergleichsweise kleinen personenkreis, lässt sie unberücksichtigt, dass friedhöfe öffentlich zugänglich sind (voraussetzung auch bei privater trägerschaft, § 1 abs. 6 bestg nrw). sie können von jedermann, auch zu erholungszwecken, aufgesucht werden. faktisch wäre das betretensverbot damit im vorhabengebiet aufgehoben. dies liefe jedoch dem planerischen grundkonzept zuwider und würde das schutzgebiet auch nicht nur punktuell, linear oder in grenzbereichen berühren. dabei ist nicht entscheidend auf die fläche abzustellen, auf die sich die befreiung erstrecken soll. ihr anteil von weniger als 1,5 % der gesamtfläche des landschaftsschutzgebietes x 0 scheint gering. für sich betrachtet ist das vorhabengebiet mit 44 ha hingegen als großflächig zu bezeichnen. vor allem aber handelt es sich um einen zentralen bereich für den biotopverbund, wie aus der themenkarte „biotopverbund“ zu ersehen ist. eine aufhebung der besonderen schutzanordnung, auf die es in der sache hinausläuft, berührt die grundzüge der planung und kann nicht im wege eines dispenses nach § 67 abs. 1 satz 1 bnatschg erfolgen. 83iii. nach alledem hat die klägerin auch keinen anspruch auf die weiter hilfsweise geltend gemachte aufhebung des bescheides vom 16. august 2017 und neubescheidung ihres antrags vom 2. mai 2017. 84dies setzte die rechtswidrigkeit der ablehnungsentscheidung und fehlende spruchreife voraus. die versagung der begehrten genehmigung, die im übrigen als gebundene entscheidung ausgestaltet ist, stellt sich jedoch als rechtmäßig dar. 85aus dem geltend gemachten anhörungsfehler kann die klägerin keinen aufhebungsanspruch für sich herleiten. nach § 28 abs. 1 vwvfg nrw ist vor erlass eines verwaltungsaktes, der in rechte eines beteiligten eingreift, diesem gelegenheit zu geben, sich zu den für die entscheidung erheblichen tatsachen zu äußern. hiernach ist eine anhörung nur bei erlass eines belastenden verwaltungsaktes vorgesehen. die versagung eines begünstigenden verwaltungsaktes fällt nach ständiger rechtsprechung nicht hierunter. 86vgl. bverwg, urteil vom 14. oktober 1982 – 3 c 46.81 –, juris rn. 35; ovg magdeburg, beschluss vom 21. april 2021 – 2 l 97/19 –, juris rn. 32; vg lüneburg, urteil vom 10. mai 2017 – 5 a 104/16 –, juris rn. 28; engel/pfau, in: mann/sennekamp/uechtritz, vwvfg, 2. aufl. (2019), § 28 rn. 32; a.a.: schneider, in: schoch/schneider, vwvfg, stand: juli 2020, § 28 rn. 23; kallerhoff/mayer, in: stelkens/bonk/sachs, vwvfg, 9. aufl. (2018), § 28 rn. 31 ff.; ramsauer, in: kopp/ramsauer, vwvfg, 22. aufl. (2021), § 28 rn. 26 ff. 87die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 1 vwgo. 88die entscheidung zur vorläufigen vollstreckbarkeit beruht auf § 167 abs. 1 satz 1 und abs. 2 vwgo in verbindung mit §§ 708 nr. 11, 711 satz 1 zpo. 89rechtsmittelbelehrung: 90gegen dieses urteil kann innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) schriftlich die zulassung der berufung beantragt werden. der antrag muss das angefochtene urteil bezeichnen. 91auf die ab dem 1. januar 2022 unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 92innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils sind die gründe darzulegen, aus denen die berufung zuzulassen ist. 93die berufung ist nur zuzulassen, 941. wenn ernstliche zweifel an der richtigkeit des urteils bestehen, 952. wenn die rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche schwierigkeiten aufweist, 963. wenn die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat, 974. wenn das urteil von einer entscheidung des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen, des bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen senats der obersten gerichtshöfe des bundes oder des bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser abweichung beruht oder 985. wenn ein der beurteilung des berufungsgerichts unterliegender verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die entscheidung beruhen kann. 99die begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem antrag vorgelegt worden ist, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen (aegidiikirchplatz 5, 48143 münster oder postfach 6309, 48033 münster) schriftlich einzureichen. 100über den antrag entscheidet das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen. 101im berufungs- und berufungszulassungsverfahren müssen sich die beteiligten durch prozessbevollmächtigte vertreten lassen. dies gilt auch für prozesshandlungen, durch die das verfahren eingeleitet wird. die beteiligten können sich durch einen rechtsanwalt oder einen rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten hochschule eines mitgliedstaates der europäischen union, eines anderen vertragsstaates des abkommens über den europäischen wirtschaftsraum oder der schweiz, der die befähigung zum richteramt besitzt, als bevollmächtigten vertreten lassen. auf die zusätzlichen vertretungsmöglichkeiten für behörden und juristische personen des öffentlichen rechts einschließlich der von ihnen zur erfüllung ihrer öffentlichen aufgaben gebildeten zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 abs. 4 satz 4 vwgo und § 5 nr. 6 des einführungsgesetzes zum rechtsdienstleistungsgesetz – rdgeg –). darüber hinaus sind die in § 67 abs. 2 satz 2 nr. 3 bis 7 vwgo bezeichneten personen und organisationen unter den dort genannten voraussetzungen als bevollmächtigte zugelassen. 102die antragsschrift und die zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst zweifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. 103beschluss: 104der streitwert wird auf 15.000,- euro festgesetzt. 105gründe: 106die festsetzung des streitwertes ist nach § 52 abs. 1 gkg erfolgt. 107rechtsmittelbelehrung: 108gegen den streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur niederschrift des urkundsbeamten der geschäftsstelle bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) beschwerde eingelegt werden, über die das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen in münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der zivilprozessordnung gilt entsprechend. 109auf die ab dem 1. januar 2022 unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 110die beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs monaten eingelegt wird, nachdem die entscheidung in der hauptsache rechtskraft erlangt oder das verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der streitwert später als einen monat vor ablauf dieser frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines monats nach zustellung oder formloser mitteilung des festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 111die beschwerde ist nicht gegeben, wenn der wert des beschwerdegegenstandes 200,-- euro nicht übersteigt. 112die beschwerdeschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. 113war der beschwerdeführer ohne sein verschulden verhindert, die frist einzuhalten, ist ihm auf antrag von dem gericht, das über die beschwerde zu entscheiden hat, wiedereinsetzung in den vorigen stand zu gewähren, wenn er die beschwerde binnen zwei wochen nach der beseitigung des hindernisses einlegt und die tatsachen, welche die wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. nach ablauf eines jahres, von dem ende der versäumten frist angerechnet, kann die wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
345,575
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43 O 51/21
2022-05-19T00:00:00
Urteil
Tenor Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250.000,00 €, ersatzweise von Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten zu unterlassen, 1.) für einen „hand sanitizer" mit den folgenden Aussagen zu werben: a) ,,natürlicher; hautpflegender hand sanitizer" und/oder b) ,,99,6% natürliche inhaltsstoffe" und/oder c) ,,... und pflegt zugleich die hände (e-test: sehr gut), natürliche feuchtigkeitsspender wie aloe vera und pflanzliches glycerin regenerieren beanspruchte hände und sorgen für ein zartes und seidenweiches hautgefühl." und/oder d) ,,unser hand-sanitizer besteht zu 99,7% aus natürlichen inhaltsstoffen, wobei der hauptinhaltsstoff (bioethanol) aus nachhaltiger landwirtschaft gewonnen wird" und/oder e) ,,99,6% natürliche inhalte: natürliche feuchtigkeitsspender wie aloe vera und pflanzliches glycerin wirken dem austrocknen der haut entgegen, ätherische öle sorgen für zusätzliche hautpflege." und/oder f) ,,99,6% natürliche inhaltsstoffe, vegane formulierung" und/oder g) ,,natürliche feuchtigkeitsspender wie aloe vera und pflanzliches glycerin" und/oder h) ,,feuchtigkeitsspendend" und/oder i) ,,vegane formulierung" und/oder j) ,,pflegend" und/oder 2.) für einen „hand sanitizer" ohne einen Biozid-Warnhinweis gem. Art. 72 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 zu werben und zwar zu 1.) und 2.) jeweils wie nachstehend wiedergegeben: - Bilddarstellungen wurden entfernt - Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger 374,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 24.08.2021 zu zahlen. Die Widerklage wird abgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. 1Tatbestand: 2Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung einzelner werblicher Maßnahmen im Internet in Anspruch. 3Der Kläger bekämpft nach seinen satzungsgemäßen Aufgaben unlauteren Wettbewerb. Die Beklagte stellt sanitäre Hygieneartikel und weitere Kosmetikartikel her und vertreibt diese. 4Im Rahmen eines Internetauftritts unter der Web-Adresse "www.….de" bewarb die Beklagte unter der Rubrik "hand sanitizer" das Produkt "I - wirkt gegen viren und bakterien, pflegt die haut und spendet feuchtigkeit. 99,6 % natürliche inhaltsstoffe. mit 70 % bioethanol. (6+45 ml)" für einen Kaufpreis in Höhe von 29,90 €. Wegen der Ausgestaltung des Internetauftritts und der Werbung im Einzelnen wird auf die im Rahmen des Klageantrags zu 1. diesem Urteil beigefügten Screenshots verwiesen. 5Mit Schreiben vom 21.05.2021 (Anlage 2 zur Klageschrift, BI. 20 ff. d.A.) mahnte der Kläger die Beklagte ab und forderte sie auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Darin heißt es auszugsweise wie folgt: 6"... sind wir auf Ihren Internetauftritt www…..de und die dort beworbenen Produkte aus der Reihe "hand sanitizer" aufmerksam geworden. Ausweislich der Produktbeschreibung wirken diese gegen Viren und Bakterien. Es handelt sich damit um Biozide ... 7Bereits gleich zu Anfang unter der eine Melone haltenden Hand bezeichnen Sie das Produkt als „natürlicher, hautpflegender hand sanitizer." ... Ähnliches gilt für den Hinweis auf „99,7 % natürliche Inhaltsstoffe" ...... Ebenso ist im Fließtext davon die Rede,,... und pflegt zugleich die Hände (e-test: sehr gut)." Wiederum ist davon die Rede, das Produkt enthalte „natürliche feuchtigkeitsspender wie aloe vera und pflanzliches glycerin ..." Darüber hinaus forderte der Kläger die Beklagte auf, einen Betrag in Höhe von 374,00 € brutto als Anwendungsersatz für die Rechtsverfolgung zu zahlen. 8Mit Schreiben vom 02.06.2021 (Anlage 3 zur Klageschrift, BI. 26 d.A.) bat die Beklagte um Verlängerung der Stellungnahmefrist zu der Abmahnung. Mit Schreiben vom 17.06.2021 (Anlage 4 zur Klageschrift, BI. 27 f. d.A.) wies sie die Abmahnung als unberechtigt zurück. Sodann stellte der Kläger mit Schreiben vom 21.06.2021 (Anlage 5 zur Klageschrift, BI. 32 f. d.A.) klar, dass er Wettbewerbsverstöße auf der Internetseite www…..de der Beklagten moniere und diese versehentlich als www…..de bezeichnet worden sei. 9Die Beklagte gab keine Unterlassungserklärung ab. Sie erhebt die Einrede der Verjährung. 10Der Kläger behauptet, er sei Mitte Mai 2021 auf den Internetauftritt der Beklagten aufmerksam geworden. Bei dem von der Beklagten beworbenen Produkt handele es sich um ein Biozidprodukt. Es ist der Ansicht, die Werbung sei wettbewerbswidrig, da sie gegen Art. 72 Abs. 1 und Abs. 3 Biozid-VO verstoße. 11Der Kläger beantragt (BI. 3 f. d.A.), 12I. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250.000,00 €, ersatzweise von Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten zu unterlassen, 131.) für einen „hand sanitizer" mit den folgenden Aussagen zu werben: 14 15a) ,,natürlicher; hautpflegender hand sanitizer" und/oder 16b) ,,99,6% natürliche inhaltsstoffe" und/oder 17c) ,,... und pflegt zugleich die hände (e-test: sehr gut), natürliche feuchtigkeitsspender wie aloe vera und pflanzliches glycerin regenerieren beanspruchte hände und sorgen für ein zartes und seidenweiches hautgefühl." und/oder 18d) ,,unser hand-sanitizer besteht zu 99,7% aus natürlichen inhaltsstoffen, wobei der hauptinhaltsstoff (bioethanol) aus nachhaltiger landwirtschaft gewonnen wird" und/oder 19e) ,,99,6% natürliche inhalte: natürliche feuchtigkeitsspender wie aloe vera und pflanzliches glycerin wirken dem austrocknen der haut entgegen, ätherische öle sorgen für zusätzliche hautpflege." und/oder 20f) ,,99,6% natürliche inhaltsstoffe, vegane formulierung" und/oder 21g) ,,natürliche feuchtigkeitsspender wie aloe vera und pflanzliches glycerin" und/oder 22h) ,,feuchtigkeitsspendend" und/oder 23i) ,,vegane formulierung" und/oder 24j) ,,pflegend" und/oder 252.) für einen „hand sanitizer" ohne einen Biozid-Warnhinweis gem. Art. 72 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 zu werben 26und zwar zu 1.) und 2.) jeweils wie nachstehend wiedergegeben: 27- Bilddarstellungen wurden entfernt - 28II. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 374,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (23.08.2021, BI. 41) zu zahlen. 29Die Beklagte beantragt, 30die Klage abzuweisen. 31Widerklagend beantragt die Beklagte (Bl. 48 d.A.), 32die Klägerin zu verurteilen, an sie 374,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (28.09.2021, BI. 125 d.A.) zu zahlen. 33Die Klägerin beantragt, 34die Widerklage abzuweisen. 35Die Beklagte ist der Ansicht, die Klage sei wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Klägers unzulässig. Darüber hinaus sei sie auch unbegründet, da ihr kein Rechtsbruch im Sinne von § 3a UWG vorzuwerfen sei. Die Beklagte behauptet, bei dem in Rede stehenden Produkt handele es sich um ein kosmetisches Mittel und nicht um ein Handdesinfektionsmittel. Da es kein Biozidprodukt darstelle, verstoße die Werbung nicht gegen Art. 72 der Biozid-VO. Hilfsweise handele es sich um ein dual-use Kosmetik-Biozid. Schließlich meint die Beklagte, dem Kläger stehe kein Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen für die Abmahnung aus § 13 Abs. 3 UWG zu, da die Abmahnung nicht den gesetzlichen Anforderungen entspräche und deshalb unberechtigt sei. 36Wegen des weiteren Sach- und Rechtsvortrages der Parteien wird ergänzend auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung ist am 24.03.2022 der Internetauftritt der Beklagten in Augenschein genommen worden. Dieser ist nunmehr abweichend von dem vorliegend zu beurteilenden Auftritt gestaltet. 37Entscheidungsgründe: 38I. 39Die Klage ist zulässig. 40Ein von Seiten der Beklagten vorgetragenes rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers ist nicht erkennbar. Die Beklagte hat ein überwiegendes Gewinnerzielungsinteresse des Klägers ins Blaue hinein behauptet. Der Kläger hat demgegenüber substantiiert vorgetragen, dass er ihm Rahmen seiner Abmahntätigkeit nicht kostendeckend arbeitet. 41II. 42Die Klage ist auch begründet. 431. 44Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der beanstandeten Werbung für das Produkt "I1" wie in dem Klageantrag zu 1. wiedergegeben aus § 8 Abs. 1 UWG. 45a. Der Kläger ist gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG anspruchsberechtigt. 46b. 47Unlautere geschäftlichen Handlungen sind unzulässig, § 3 Abs. 1 UWG. Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen, § 3a UWG. 48C. Die hier in Rede stehende Werbung verstößt gegen Art. 72 Abs. 1 und 3 VO (EU) 528/2012 [Biozid-VO] und stellt insofern einen Rechtsbruch im Sinne von § 3a UWG dar. 49aa. 50Bei dem Produkt "I1" handelt es sich um ein "Biozidprodukt" im Sinne von Art. 3 Abs. 1 S. 1 lit. a Biozid-VO. Nach der genannten Vorschrift ist ein "Biozidprodukt" jeglicher Stoff oder jegliches Gemisch in der Form, in der er/es zum Verwender gelangt, und der/das aus einem oder mehreren Wirkstoffen besteht, diese enthält oder erzeugt, der/das dazu bestimmt ist, auf andere Art als durch bloße physikalische oder mechanische Einwirkung Schadorganismen zu zerstören, abzuschrecken, unschädlich zu machen, ihre Wirkung zu verhindern oder sie in anderer Weise zu bekämpfen. Eine behandelte Ware mit einer primären Biozidfunktion gilt als Biozidprodukt, Art. 3 Abs. 1 S. 2 Biozid-VO. Gem. Art. 2 Abs. 1 S. 2 Biozid-VO i.V.m. Anhang V unterfallen Biozidprodukte, die für die menschliche Hygiene zum Zwecke der Hautdesinfektion verwendet werden, der genannten Verordnung. Das Produkt der Beklagten besteht nach den werblichen Aussagen zu 70 % aus Bioethanol und beseitigt behüllte Viren wie das Coronavirus (gem. EN 14476) sowie Bakterien (gem. EN 1040, EN 1276 und EN 1500). Es stellt mithin ein aus mehreren Wirkstoffen bestehendes Gemisch dar, welches dazu bestimmt ist, auf andere Art als durch physikalische oder mechanische Einwirkung auf menschlichen Händen Schadorganismen zu zerstören bzw. unschädlich zu machen. 51Demgegenüber stellt das Handprodukt der Beklagten kein kosmetisches Mittel im Sinne von Art. 2 Abs. 1 S. 1 lit. a) VO (EG) 1223/2009 [Kosmetik-VO] dar. Nach der genannten Vorschrift sind "kosmetische Mittel", Stoffe oder Gemische, die dazu bestimmt sind, äußerlich mit den Teilen des menschlichen Körpers (Haut, ...) ... in Berührung zu kommen, und zwar zu dem ausschließlichen oder überwiegenden Zweck, diese zu reinigen, zu parfümieren, ihr Aussehen zu verändern, sie zu schützen, sie in gutem Zustand zu halten oder den Körpergeruch zu beeinflussen. 52Der ausschließliche und überwiegende Zweck des Produkts der Beklagten besteht nicht darin, die menschliche Haut an den Händen zu reinigen, zu parfümieren, zu schützen oder sie in gutem Zustand zu halten. Der "hand sanitizer" (engl. Handdesinfetionsmittel/Händedesinfektinsmittel) enthält nach den werblichen Aussagen den "Hauptinhaltsstoff' Bioethanol, welcher in seiner Wirkung die Viren und Bakterien beseitigt. Diese desinfizierende Wirkung geht über eine bloße Reinigung der Hände (etwa mit Seife), über eine Parfümierung, einen Schutz oder eine Pflege der Hände hinaus. Der überwiegende Zweck des Produkts ist insoweit kein kosmetischer. Die Ausnahme des Art. 72 Abs. 2 S. 1 lit. j) Biozid-VO ist deshalb nicht einschlägig. 53Das Produkt ist nach dem Vorstehenden auch nicht als dual-use Produkt zu klassifizieren, sondern als reines Biozidprodukt. 54bb. 55Die in Rede stehende Werbung verstößt gegen Art. 72 Abs. 1 S. 1 Biozid-VO. Nach der genannten Vorschrift ist jeder Werbung für Biozidprodukte folgender Hinweis hinzuzufügen: "Biozidprodukte vorsichtig verwenden. Vor Gebrauch stets Etikett und Produktinformation lesen." Diese Sätze müssen sich von der eigentlichen Werbung deutlich abheben und gut lesbar sein, Art. 72 Abs. 1 S. 2 Biozid.-VO. Einen solchen Hinweis enthält die Werbung der Beklagten nicht. 56cc. Darüber hinaus verstößt die Werbung gegen Art. 72 Abs. 3 Biozid-VO. Die Vorschrift bestimmt, dass das Produkt nicht in einer Art und Weise dargestellt werden darf, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch und Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit irreführend ist. Die Werbung für ein Biozidprodukt darf auf keinen Fall die Angaben "Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotential", "ungiftig", "unschädlich", "natürlich", "umweltfreundlich", "tierfreundlich" oder ähnliche Hinweise enthalten, Art. 72 Abs. 3 S. 2 Biozid-VO. 57Die in der Werbung der Beklagten enthaltenen Angaben 58- "natürlicher, hautpflegender hand sanitizer" 59- ,,99,6% natürliche inhaltsstoffe" 60- ,,... und pflegt zugleich die hände (e-test: sehr gut), natürliche feuchtigkeitsspender wie aloe vera und pflanzliches glycerin regenerieren beanspruchte hände und sorgen für ein zartes und seidenweiches hautgefühl." 61- ,,unser hand-sanitizer besteht zu 99,7% aus natürlichen inhaltsstoffen, wobei der hauptinhaltsstoff (bioethanol) aus nachhaltiger landwirtschaft gewonnen wird" 62- ,,99,6% natürliche inhalte: natürliche feuchtigkeitsspender wie aloe vera und pflanzliches glycerin wirken dem austrocknen der haut entgegen, ätherische öle sorgen für zusätzliche hautpflege." 63- ,,99,6% natürliche inhaltsstoffe, vegane formulierung" 64- ,,natürliche feuchtigkeitsspender wie aloe vera und pflanzliches glycerin" 65- ,,feuchtigkeitsspendend" 66- ,,vegane formulierung" 67- ,,pflegend" 68stellen "ähnliche Hinweise" im Sinne von Art. 72 Abs. 3 S. 2 Biozid-VO dar. Sie relativieren die Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch und Umwelt. d. 69Der Anspruch ist nicht gem. § 11 UWG verjährt. Nach der genannten Vorschrift verjährt der Anspruch in sechs Monaten, die Verjährungsfrist beginnt, wenn der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, § 11 Abs. 1 und 2 UWG. Vorliegend hat der Kläger nach seinem Vortrag Mitte Mai 2021 von dem Internetauftritt der Beklagten Kenntnis erlangt, das erste Abmahnschreiben datiert vom 21.05.2021. Die Klage ist bereits am 23.08.2021 in unverjährter Zeit zugestellt worden. Die Beklagte, welche für einen früheren Verjährungsbeginn bzw. die diesem zugrunde liegenden Tatsachen darlegungs- und beweisbelastet ist, hat eine frühere Kenntniserlangung hingegen nicht substantiiert vorgetragen. 3. 70Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen in Höhe von 374,50 € aus § 13 Abs. 3 UWG. 71Nach der genannten Vorschrift kann der Abmahnende von dem Abgemahnten den Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, wenn die Abmahnung berechtigt ist und den Anforderungen des § 13 Abs. 2 UWG genügt. Beides ist vorliegend der Fall. 72Gem. § 13 Abs. 2 UWG muss in der Abmahnung klar und verständlich der Name des Abmahnenden, die Voraussetzungen der Anspruchsberechtigung nach § 8 Abs. 3 UWG, ob und in welcher Höhe ein Aufwendungsersatzanspruch geltend gemacht wird und wie sich dieser berechnet sowie die Rechtsverletzung unter Angabe der tatsächlichen Umstände angegeben werden. Dabei muss der Sachverhalt, der den Vorwurf rechtswidrigen Verhaltens begründen soll, genau angegeben und der darin erblickte Verstoß so klar und eindeutig bezeichnet wird, dass der Abgemahnte die gebotenen Folgerungen ziehen kann (BGH, GRUR 2021, 752). Die Abmahnung des Klägers vom 21.05.2021 genügt diesen Anforderungen. Zwar ist darin die Internetseite der Beklagten mit "www…..de" und nicht mit "www…..de" bezeichnet worden. Dennoch war für die Beklagte aufgrund der detaillierten weiteren Angaben zu der beanstandeten Werbung (insbesondere der Beschreibung der bildlichen Darstellung) und dem betroffenen Produkt ohne weiteres ersichtlich, dass es sich um eine versehentliche Falschbezeichnung der Internetseite handelte. Aus dem objektiven Empfängerhorizont heraus war für die Beklagte eindeutig ersichtlich, welches wettbewerbswidrige Verhalten ihr vorgeworfen wird. 73Die von Seiten des Klägers für das Abmahnschreiben vom 07.10.2020 geltend gemachte Pauschale in Höhe von 374,50 € hält das Gericht entsprechend § 287 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO für angemessen. Der Kläger hat zu den kalkulatorischen Grundlagen des geltend gemachten Betrages im Einzelnen vorgetragen. 4. 74Der Zinsanspruch ist begründet gem. §§ 291 S. 1 und S. 2, 288 Abs. 1 S. 2 BGB. III. 75Die Widerklage ist unbegründet. 76Die Beklagte hat ihrerseits keinen Anspruch auf Aufwendungsersatz für Rechtsverteidigungskosten in Höhe von 374,50 € aus § 13 Abs. 5 UWG. 77Soweit eine Abmahnung unberechtigt ist oder nicht den Anforderungen des § 13 Abs. 2 UWG entspricht, hat der Abgemahnte gegen den Abmahnenden einen Anspruch auf Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen, § 13 Abs. 5 UWG. Die Abmahnung des Klägers war jedoch weder unberechtigt noch entsprach sie nicht den Anforderungen des § 13 Abs. 2 UWG. Es wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen. 78IV. 79Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. 80Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und 2 ZPO. 81Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt: 82- für die Klage: bis zu 25.000,00 € 83- für die Widerklage: 374,50 € 84Rechtsbehelfsbelehrung: 85Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist, 861. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder 872. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Landgericht zugelassen worden ist. 88Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Oberlandesgericht Hamm, Heßlerstr. 53, 59065 Hamm, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils (Datum des Urteils, Geschäftsnummer und Parteien) gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten. 89Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Oberlandesgericht Hamm zu begründen. 90Die Parteien müssen sich vor dem Oberlandesgericht Hamm durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein. 91Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
die beklagte wird verurteilt, es bei meidung eines vom gericht für jeden fall der zuwiderhandlung festzusetzenden ordnungsgeldes bis zur höhe von 250.000,00 €, ersatzweise von ordnungshaft, oder von ordnungshaft bis zur dauer von 6 monaten zu unterlassen, 1.) für einen „hand sanitizer" mit den folgenden aussagen zu werben: a) ,,natürlicher; hautpflegender hand sanitizer" und/oder b) ,,99,6% natürliche inhaltsstoffe" und/oder c) ,,... und pflegt zugleich die hände (e-test: sehr gut), natürliche feuchtigkeitsspender wie aloe vera und pflanzliches glycerin regenerieren beanspruchte hände und sorgen für ein zartes und seidenweiches hautgefühl." und/oder d) ,,unser hand-sanitizer besteht zu 99,7% aus natürlichen inhaltsstoffen, wobei der hauptinhaltsstoff (bioethanol) aus nachhaltiger landwirtschaft gewonnen wird" und/oder e) ,,99,6% natürliche inhalte: natürliche feuchtigkeitsspender wie aloe vera und pflanzliches glycerin wirken dem austrocknen der haut entgegen, ätherische öle sorgen für zusätzliche hautpflege." und/oder f) ,,99,6% natürliche inhaltsstoffe, vegane formulierung" und/oder g) ,,natürliche feuchtigkeitsspender wie aloe vera und pflanzliches glycerin" und/oder h) ,,feuchtigkeitsspendend" und/oder i) ,,vegane formulierung" und/oder j) ,,pflegend" und/oder 2.) für einen „hand sanitizer" ohne einen biozid-warnhinweis gem. art. 72 abs. 1 der verordnung (eu) nr. 528/2012 zu werben und zwar zu 1.) und 2.) jeweils wie nachstehend wiedergegeben: - bilddarstellungen wurden entfernt - die beklagte wird ferner verurteilt, an den kläger 374,50 € nebst zinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz seit 24.08.2021 zu zahlen. die widerklage wird abgewiesen. die beklagte trägt die kosten des rechtsstreits. das urteil ist für den kläger gegen sicherheitsleistung in höhe von 110 prozent des jeweils zu vollstreckenden betrages vorläufig vollstreckbar. 1
2der kläger nimmt die beklagte auf unterlassung einzelner werblicher maßnahmen im internet in anspruch. 3der kläger bekämpft nach seinen satzungsgemäßen aufgaben unlauteren wettbewerb. die beklagte stellt sanitäre hygieneartikel und weitere kosmetikartikel her und vertreibt diese. 4im rahmen eines internetauftritts unter der web-adresse "www.….de" bewarb die beklagte unter der rubrik "hand sanitizer" das produkt "i - wirkt gegen viren und bakterien, pflegt die haut und spendet feuchtigkeit. 99,6 % natürliche inhaltsstoffe. mit 70 % bioethanol. (6+45 ml)" für einen kaufpreis in höhe von 29,90 €. wegen der ausgestaltung des internetauftritts und der werbung im einzelnen wird auf die im rahmen des klageantrags zu 1. diesem urteil beigefügten screenshots verwiesen. 5mit schreiben vom 21.05.2021 (anlage 2 zur klageschrift, bi. 20 ff. d.a.) mahnte der kläger die beklagte ab und forderte sie auf, eine strafbewehrte unterlassungserklärung abzugeben. darin heißt es auszugsweise wie folgt: 6"... sind wir auf ihren internetauftritt www…..de und die dort beworbenen produkte aus der reihe "hand sanitizer" aufmerksam geworden. ausweislich der produktbeschreibung wirken diese gegen viren und bakterien. es handelt sich damit um biozide ... 7bereits gleich zu anfang unter der eine melone haltenden hand bezeichnen sie das produkt als „natürlicher, hautpflegender hand sanitizer." ... ähnliches gilt für den hinweis auf „99,7 % natürliche inhaltsstoffe" ...... ebenso ist im fließtext davon die rede,,... und pflegt zugleich die hände (e-test: sehr gut)." wiederum ist davon die rede, das produkt enthalte „natürliche feuchtigkeitsspender wie aloe vera und pflanzliches glycerin ..." darüber hinaus forderte der kläger die beklagte auf, einen betrag in höhe von 374,00 € brutto als anwendungsersatz für die rechtsverfolgung zu zahlen. 8mit schreiben vom 02.06.2021 (anlage 3 zur klageschrift, bi. 26 d.a.) bat die beklagte um verlängerung der stellungnahmefrist zu der abmahnung. mit schreiben vom 17.06.2021 (anlage 4 zur klageschrift, bi. 27 f. d.a.) wies sie die abmahnung als unberechtigt zurück. sodann stellte der kläger mit schreiben vom 21.06.2021 (anlage 5 zur klageschrift, bi. 32 f. d.a.) klar, dass er wettbewerbsverstöße auf der internetseite www…..de der beklagten moniere und diese versehentlich als www…..de bezeichnet worden sei. 9die beklagte gab keine unterlassungserklärung ab. sie erhebt die einrede der verjährung. 10der kläger behauptet, er sei mitte mai 2021 auf den internetauftritt der beklagten aufmerksam geworden. bei dem von der beklagten beworbenen produkt handele es sich um ein biozidprodukt. es ist der ansicht, die werbung sei wettbewerbswidrig, da sie gegen art. 72 abs. 1 und abs. 3 biozid-vo verstoße. 11der kläger beantragt (bi. 3 f. d.a.), 12i. die beklagte zu verurteilen, es bei meidung eines vom gericht für jeden fall der zuwiderhandlung festzusetzenden ordnungsgeldes bis zur höhe von 250.000,00 €, ersatzweise von ordnungshaft, oder von ordnungshaft bis zur dauer von 6 monaten zu unterlassen, 131.) für einen „hand sanitizer" mit den folgenden aussagen zu werben: 14 15a) ,,natürlicher; hautpflegender hand sanitizer" und/oder 16b) ,,99,6% natürliche inhaltsstoffe" und/oder 17c) ,,... und pflegt zugleich die hände (e-test: sehr gut), natürliche feuchtigkeitsspender wie aloe vera und pflanzliches glycerin regenerieren beanspruchte hände und sorgen für ein zartes und seidenweiches hautgefühl." und/oder 18d) ,,unser hand-sanitizer besteht zu 99,7% aus natürlichen inhaltsstoffen, wobei der hauptinhaltsstoff (bioethanol) aus nachhaltiger landwirtschaft gewonnen wird" und/oder 19e) ,,99,6% natürliche inhalte: natürliche feuchtigkeitsspender wie aloe vera und pflanzliches glycerin wirken dem austrocknen der haut entgegen, ätherische öle sorgen für zusätzliche hautpflege." und/oder 20f) ,,99,6% natürliche inhaltsstoffe, vegane formulierung" und/oder 21g) ,,natürliche feuchtigkeitsspender wie aloe vera und pflanzliches glycerin" und/oder 22h) ,,feuchtigkeitsspendend" und/oder 23i) ,,vegane formulierung" und/oder 24j) ,,pflegend" und/oder 252.) für einen „hand sanitizer" ohne einen biozid-warnhinweis gem. art. 72 abs. 1 der verordnung (eu) nr. 528/2012 zu werben 26und zwar zu 1.) und 2.) jeweils wie nachstehend wiedergegeben: 27- bilddarstellungen wurden entfernt - 28ii. die beklagte zu verurteilen, an die klägerin 374,50 € nebst zinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz seit rechtshängigkeit (23.08.2021, bi. 41) zu zahlen. 29die beklagte beantragt, 30die klage abzuweisen. 31widerklagend beantragt die beklagte (bl. 48 d.a.), 32die klägerin zu verurteilen, an sie 374,50 € nebst zinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz seit rechtshängigkeit (28.09.2021, bi. 125 d.a.) zu zahlen. 33die klägerin beantragt, 34die widerklage abzuweisen. 35die beklagte ist der ansicht, die klage sei wegen rechtsmissbräuchlichen verhaltens des klägers unzulässig. darüber hinaus sei sie auch unbegründet, da ihr kein rechtsbruch im sinne von § 3a uwg vorzuwerfen sei. die beklagte behauptet, bei dem in rede stehenden produkt handele es sich um ein kosmetisches mittel und nicht um ein handdesinfektionsmittel. da es kein biozidprodukt darstelle, verstoße die werbung nicht gegen art. 72 der biozid-vo. hilfsweise handele es sich um ein dual-use kosmetik-biozid. schließlich meint die beklagte, dem kläger stehe kein anspruch auf ersatz seiner aufwendungen für die abmahnung aus § 13 abs. 3 uwg zu, da die abmahnung nicht den gesetzlichen anforderungen entspräche und deshalb unberechtigt sei. 36wegen des weiteren sach- und rechtsvortrages der parteien wird ergänzend auf die zwischen ihnen gewechselten schriftsätze nebst anlagen bezug genommen. im rahmen der mündlichen verhandlung ist am 24.03.2022 der internetauftritt der beklagten in augenschein genommen worden. dieser ist nunmehr abweichend von dem vorliegend zu beurteilenden auftritt gestaltet. 37
38i. 39die klage ist zulässig. 40ein von seiten der beklagten vorgetragenes rechtsmissbräuchliches verhalten des klägers ist nicht erkennbar. die beklagte hat ein überwiegendes gewinnerzielungsinteresse des klägers ins blaue hinein behauptet. der kläger hat demgegenüber substantiiert vorgetragen, dass er ihm rahmen seiner abmahntätigkeit nicht kostendeckend arbeitet. 41ii. 42die klage ist auch begründet. 431. 44der kläger hat gegen die beklagte einen anspruch auf unterlassung der beanstandeten werbung für das produkt "i1" wie in dem klageantrag zu 1. wiedergegeben aus § 8 abs. 1 uwg. 45a. der kläger ist gem. § 8 abs. 3 nr. 2 uwg anspruchsberechtigt. 46b. 47unlautere geschäftlichen handlungen sind unzulässig, § 3 abs. 1 uwg. unlauter handelt, wer einer gesetzlichen vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im interesse der marktteilnehmer das marktverhalten zu regeln, und der verstoß geeignet ist, die interessen von verbrauchern, sonstigen marktteilnehmern oder mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen, § 3a uwg. 48c. die hier in rede stehende werbung verstößt gegen art. 72 abs. 1 und 3 vo (eu) 528/2012 [biozid-vo] und stellt insofern einen rechtsbruch im sinne von § 3a uwg dar. 49aa. 50bei dem produkt "i1" handelt es sich um ein "biozidprodukt" im sinne von art. 3 abs. 1 s. 1 lit. a biozid-vo. nach der genannten vorschrift ist ein "biozidprodukt" jeglicher stoff oder jegliches gemisch in der form, in der er/es zum verwender gelangt, und der/das aus einem oder mehreren wirkstoffen besteht, diese enthält oder erzeugt, der/das dazu bestimmt ist, auf andere art als durch bloße physikalische oder mechanische einwirkung schadorganismen zu zerstören, abzuschrecken, unschädlich zu machen, ihre wirkung zu verhindern oder sie in anderer weise zu bekämpfen. eine behandelte ware mit einer primären biozidfunktion gilt als biozidprodukt, art. 3 abs. 1 s. 2 biozid-vo. gem. art. 2 abs. 1 s. 2 biozid-vo i.v.m. anhang v unterfallen biozidprodukte, die für die menschliche hygiene zum zwecke der hautdesinfektion verwendet werden, der genannten verordnung. das produkt der beklagten besteht nach den werblichen aussagen zu 70 % aus bioethanol und beseitigt behüllte viren wie das coronavirus (gem. en 14476) sowie bakterien (gem. en 1040, en 1276 und en 1500). es stellt mithin ein aus mehreren wirkstoffen bestehendes gemisch dar, welches dazu bestimmt ist, auf andere art als durch physikalische oder mechanische einwirkung auf menschlichen händen schadorganismen zu zerstören bzw. unschädlich zu machen. 51demgegenüber stellt das handprodukt der beklagten kein kosmetisches mittel im sinne von art. 2 abs. 1 s. 1 lit. a) vo (eg) 1223/2009 [kosmetik-vo] dar. nach der genannten vorschrift sind "kosmetische mittel", stoffe oder gemische, die dazu bestimmt sind, äußerlich mit den teilen des menschlichen körpers (haut, ...) ... in berührung zu kommen, und zwar zu dem ausschließlichen oder überwiegenden zweck, diese zu reinigen, zu parfümieren, ihr aussehen zu verändern, sie zu schützen, sie in gutem zustand zu halten oder den körpergeruch zu beeinflussen. 52der ausschließliche und überwiegende zweck des produkts der beklagten besteht nicht darin, die menschliche haut an den händen zu reinigen, zu parfümieren, zu schützen oder sie in gutem zustand zu halten. der "hand sanitizer" (engl. handdesinfetionsmittel/händedesinfektinsmittel) enthält nach den werblichen aussagen den "hauptinhaltsstoff' bioethanol, welcher in seiner wirkung die viren und bakterien beseitigt. diese desinfizierende wirkung geht über eine bloße reinigung der hände (etwa mit seife), über eine parfümierung, einen schutz oder eine pflege der hände hinaus. der überwiegende zweck des produkts ist insoweit kein kosmetischer. die ausnahme des art. 72 abs. 2 s. 1 lit. j) biozid-vo ist deshalb nicht einschlägig. 53das produkt ist nach dem vorstehenden auch nicht als dual-use produkt zu klassifizieren, sondern als reines biozidprodukt. 54bb. 55die in rede stehende werbung verstößt gegen art. 72 abs. 1 s. 1 biozid-vo. nach der genannten vorschrift ist jeder werbung für biozidprodukte folgender hinweis hinzuzufügen: "biozidprodukte vorsichtig verwenden. vor gebrauch stets etikett und produktinformation lesen." diese sätze müssen sich von der eigentlichen werbung deutlich abheben und gut lesbar sein, art. 72 abs. 1 s. 2 biozid.-vo. einen solchen hinweis enthält die werbung der beklagten nicht. 56cc. darüber hinaus verstößt die werbung gegen art. 72 abs. 3 biozid-vo. die vorschrift bestimmt, dass das produkt nicht in einer art und weise dargestellt werden darf, die hinsichtlich der risiken des produkts für die gesundheit von mensch und tier oder für die umwelt oder seiner wirksamkeit irreführend ist. die werbung für ein biozidprodukt darf auf keinen fall die angaben "biozidprodukt mit niedrigem risikopotential", "ungiftig", "unschädlich", "natürlich", "umweltfreundlich", "tierfreundlich" oder ähnliche hinweise enthalten, art. 72 abs. 3 s. 2 biozid-vo. 57die in der werbung der beklagten enthaltenen angaben 58- "natürlicher, hautpflegender hand sanitizer" 59- ,,99,6% natürliche inhaltsstoffe" 60- ,,... und pflegt zugleich die hände (e-test: sehr gut), natürliche feuchtigkeitsspender wie aloe vera und pflanzliches glycerin regenerieren beanspruchte hände und sorgen für ein zartes und seidenweiches hautgefühl." 61- ,,unser hand-sanitizer besteht zu 99,7% aus natürlichen inhaltsstoffen, wobei der hauptinhaltsstoff (bioethanol) aus nachhaltiger landwirtschaft gewonnen wird" 62- ,,99,6% natürliche inhalte: natürliche feuchtigkeitsspender wie aloe vera und pflanzliches glycerin wirken dem austrocknen der haut entgegen, ätherische öle sorgen für zusätzliche hautpflege." 63- ,,99,6% natürliche inhaltsstoffe, vegane formulierung" 64- ,,natürliche feuchtigkeitsspender wie aloe vera und pflanzliches glycerin" 65- ,,feuchtigkeitsspendend" 66- ,,vegane formulierung" 67- ,,pflegend" 68stellen "ähnliche hinweise" im sinne von art. 72 abs. 3 s. 2 biozid-vo dar. sie relativieren die risiken des produkts für die gesundheit von mensch und umwelt. d. 69der anspruch ist nicht gem. § 11 uwg verjährt. nach der genannten vorschrift verjährt der anspruch in sechs monaten, die verjährungsfrist beginnt, wenn der anspruch entstanden ist und der gläubiger von den den anspruch begründenden umständen und der person des schuldners kenntnis erlangt oder ohne grobe fahrlässigkeit erlangen müsste, § 11 abs. 1 und 2 uwg. vorliegend hat der kläger nach seinem vortrag mitte mai 2021 von dem internetauftritt der beklagten kenntnis erlangt, das erste abmahnschreiben datiert vom 21.05.2021. die klage ist bereits am 23.08.2021 in unverjährter zeit zugestellt worden. die beklagte, welche für einen früheren verjährungsbeginn bzw. die diesem zugrunde liegenden tatsachen darlegungs- und beweisbelastet ist, hat eine frühere kenntniserlangung hingegen nicht substantiiert vorgetragen. 3. 70der kläger hat gegen die beklagte einen anspruch auf ersatz der erforderlichen aufwendungen in höhe von 374,50 € aus § 13 abs. 3 uwg. 71nach der genannten vorschrift kann der abmahnende von dem abgemahnten den ersatz der erforderlichen aufwendungen verlangen, wenn die abmahnung berechtigt ist und den anforderungen des § 13 abs. 2 uwg genügt. beides ist vorliegend der fall. 72gem. § 13 abs. 2 uwg muss in der abmahnung klar und verständlich der name des abmahnenden, die voraussetzungen der anspruchsberechtigung nach § 8 abs. 3 uwg, ob und in welcher höhe ein aufwendungsersatzanspruch geltend gemacht wird und wie sich dieser berechnet sowie die rechtsverletzung unter angabe der tatsächlichen umstände angegeben werden. dabei muss der sachverhalt, der den vorwurf rechtswidrigen verhaltens begründen soll, genau angegeben und der darin erblickte verstoß so klar und eindeutig bezeichnet wird, dass der abgemahnte die gebotenen folgerungen ziehen kann (bgh, grur 2021, 752). die abmahnung des klägers vom 21.05.2021 genügt diesen anforderungen. zwar ist darin die internetseite der beklagten mit "www…..de" und nicht mit "www…..de" bezeichnet worden. dennoch war für die beklagte aufgrund der detaillierten weiteren angaben zu der beanstandeten werbung (insbesondere der beschreibung der bildlichen darstellung) und dem betroffenen produkt ohne weiteres ersichtlich, dass es sich um eine versehentliche falschbezeichnung der internetseite handelte. aus dem objektiven empfängerhorizont heraus war für die beklagte eindeutig ersichtlich, welches wettbewerbswidrige verhalten ihr vorgeworfen wird. 73die von seiten des klägers für das abmahnschreiben vom 07.10.2020 geltend gemachte pauschale in höhe von 374,50 € hält das gericht entsprechend § 287 abs. 1 und abs. 2 zpo für angemessen. der kläger hat zu den kalkulatorischen grundlagen des geltend gemachten betrages im einzelnen vorgetragen. 4. 74der zinsanspruch ist begründet gem. §§ 291 s. 1 und s. 2, 288 abs. 1 s. 2 bgb. iii. 75die widerklage ist unbegründet. 76die beklagte hat ihrerseits keinen anspruch auf aufwendungsersatz für rechtsverteidigungskosten in höhe von 374,50 € aus § 13 abs. 5 uwg. 77soweit eine abmahnung unberechtigt ist oder nicht den anforderungen des § 13 abs. 2 uwg entspricht, hat der abgemahnte gegen den abmahnenden einen anspruch auf ersatz der für seine rechtsverteidigung erforderlichen aufwendungen, § 13 abs. 5 uwg. die abmahnung des klägers war jedoch weder unberechtigt noch entsprach sie nicht den anforderungen des § 13 abs. 2 uwg. es wird auf die vorstehenden ausführungen verwiesen. 78iv. 79die kostenentscheidung stützt sich auf § 91 abs. 1 s. 1 zpo. 80die entscheidung zur vorläufigen vollstreckbarkeit beruht auf § 709 s. 1 und 2 zpo. 81der streitwert wird wie folgt festgesetzt: 82- für die klage: bis zu 25.000,00 € 83- für die widerklage: 374,50 € 84rechtsbehelfsbelehrung: 85gegen dieses urteil ist das rechtsmittel der berufung für jeden zulässig, der durch dieses urteil in seinen rechten benachteiligt ist, 861. wenn der wert des beschwerdegegenstandes 600,00 eur übersteigt oder 872. wenn die berufung in dem urteil durch das landgericht zugelassen worden ist. 88die berufung muss innerhalb einer notfrist von einem monat nach zustellung dieses urteils schriftlich bei dem oberlandesgericht hamm, heßlerstr. 53, 59065 hamm, eingegangen sein. die berufungsschrift muss die bezeichnung des urteils (datum des urteils, geschäftsnummer und parteien) gegen das die berufung gerichtet wird, sowie die erklärung, dass gegen dieses urteil berufung eingelegt werde, enthalten. 89die berufung ist, sofern nicht bereits in der berufungsschrift erfolgt, binnen zwei monaten nach zustellung dieses urteils schriftlich gegenüber dem oberlandesgericht hamm zu begründen. 90die parteien müssen sich vor dem oberlandesgericht hamm durch einen rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die berufungs- und die berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein. 91mit der berufungsschrift soll eine ausfertigung oder beglaubigte abschrift des angefochtenen urteils vorgelegt werden.
345,374
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15 K 7677/20
2022-05-16T00:00:00
Urteil
Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 1Tatbestand: 2Der Kläger ist bei der Beklagten seit Beginn des Wintersemesters 2010/2011 als Studierender des Bachelorstudiengangs Wirtschaftswissenschaft eingeschrieben. 3Am 17. Februar 2014 nahm er erstmals an der Abschlussprüfung im Modul „BWiWi 2.3. Controlling“ teil, bestand die Prüfung aber nicht. Zur Wiederholungsprüfung im Sommersemester 2014 trat er krankheitsbedingt nicht an; sein Rücktritt wurde mit Bescheid vom 7. Oktober 2014 genehmigt und als neuer Prüfungstermin das Wintersemester 2014/2015 festgesetzt. Die Wiederholungsprüfung am 24. Februar 2015 bestand er nicht; sein nachträglich erklärter Rücktritt wurde nicht genehmigt. Von der (zweiten) Wiederholungsprüfung im Sommersemester 2015 sowie von allen nachfolgenden Prüfungsterminen bis einschließlich des Sommersemesters 2019 trat der Kläger unter Vorlage ärztlicher Atteste zurück. Sämtliche Rücktritte genehmigte die Beklagte. 4Mit Bescheid vom 25. Juli 2018 schloss der Gemeinsame Prüfungsausschuss der Fakultät für Wirtschaftswissenschaft (Prüfungsausschuss) den Kläger wegen der Vorlage eines gefälschten Attestes für den Rücktritt von einer Modulprüfung im Fach „BWiWi 2.7 Entrepreneurship und Gründungsmanagement“ von sämtlichen weiteren Prüfungsleistungen aus und erklärte die Bachelor-Prüfung für nicht bestanden. Das hierauf vom Kläger nach erfolgloser Durchführung eines Widerspruchsverfahrens vor dem erkennenden Gericht angestrengte Klageverfahren – 15 K 9818/18 – wurde durch Abschluss eines Prozessvergleichs vom 14. Mai 2019 beendet. Hiernach hat die Beklagte ihren Bescheid vom 25. Juli 2018 und den Widerspruchsbescheid insoweit aufgehoben, als darin der Ausschluss des Klägers von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen verfügt ist. Ziffer 2 des Vergleichs lautet wie folgt: „Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass der Kläger bis zum Ende seines Studiums an der Beklagten zur Glaubhaftmachung krankheitsbedingter Säumnis- oder Rücktrittsgründe […] jeweils eines ärztlichen Attestes bedarf, welches die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers beschreibt und angibt, welche Auswirkungen sich daraus für das Leistungsvermögen des Klägers in der konkreten Prüfung ergeben, sodass dem zuständigen Prüfungsausschuss eine sachgerechte Beurteilung der Frage, ob Prüfungsunfähigkeit im Rechtssinne vorliegt, möglich ist“. 5Im Wintersemester 2019/2020 erschien der Kläger zum Termin seiner zweiten Wiederholungsprüfung im Modul „BWiWi 2.3. Controlling“ am 18. Februar 2020 erneut nicht. Er reichte bei der Beklagten am 20. Februar 2020 eine ärztliche Bescheinigung des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. med. E. L. ein, welche mit „i.A. N. “ unterzeichnet war und den folgenden Inhalt hat: „o.g. Pat. war am 18.02.20 wegen Magen-Darm in meiner Behandlung. Aufgrund der Beschwerden kann ein regulärer Prüfungsablauf nicht stattfinden.“ 6Am 10. März 2020 erstattete die Beklagte hinsichtlich dieser und zweier weiterer ärztlicher Bescheinigungen des Arztes Dr. L. , in welchen dem Kläger jeweils attestiert wurde, ein regulärer Prüfungsablauf könne nicht stattfinden, Strafanzeige wegen des Verdachts der Urkundenfälschung und Fälschung von Gesundheitszeugnissen. Auf die schriftliche Anfrage des Polizeipräsidiums X. an Herrn Dr. L. , ob „die Atteste tatsächlich durch Ihre Arztpraxis ausgestellt“ worden seien, wurde unter dem Briefkopf des Arztes mit Datum vom 16. März 2020 mitgeteilt, dass die benannten Atteste von der Praxis ausgestellt worden seien. Daraufhin stellte die Staatsanwaltschaft X. das gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren durch Verfügung vom 23. März 2020 nach § 170 Abs. 2 StPO ein. 7Der Prüfungsausschuss verweigerte mit Bescheid vom 29. April 2020, zugestellt am 5. Mai 2020, die Genehmigung des Rücktritts von der Prüfung vom 18. Februar 2020, stellte fest, dass die Prüfung deshalb als mit „nicht ausreichend (5,0)“ bewertet gelte, und erklärte die Bachelorprüfung im Studiengang Wirtschaftswissenschaft für endgültig nicht bestanden. Zur Begründung führte er aus, das am 20. Februar 2020 für die Modulabschlussprüfung „BWiWi 2.3. Controlling“ eingereichte Attest erlaube keine sachgerechte Beurteilung der Prüfungsunfähigkeit, so dass triftige Gründe für das Fernbleiben von der Prüfung nicht glaubhaft gemacht seien. Beigefügt war dem Bescheid eine Belehrung über den Widerspruch als statthaftes Rechtsmittel. 8Der Kläger erhob am 25. Mai 2020 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, das Attest des Dr. L. entspreche sowohl den Anforderungen der Prüfungsordnung als auch dem zwischen den Beteiligten geschlossenen Prozessvergleich. Es erlaube die sachgerechte Beurteilung, ob eine Prüfungsunfähigkeit im Rechtssinne vorliege. 9Der Prüfungsausschuss wies den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 17. November 2020, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 23. November 2020, als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies er auf die Begründung des angefochtenen Bescheides und führte ergänzend aus, die Bescheinigung enthalte keine ärztliche Diagnose oder Angabe über gesundheitliche Beeinträchtigungen. Aus ihr gehe nicht hervor, welche Art von Magen-Darm-Erkrankung vorläge oder welche Symptome oder gesundheitliche Einschränkungen des Klägers konkret bestanden hätten. Es ergebe sich nicht von selbst, dass eine Behandlung wegen „Magen-Darm“ zu einer Prüfungsunfähigkeit führe. Das Attest lasse auch keine Rückschlüsse darauf zu, „welche Auswirkungen sich daraus für das Leistungsvermögen des Klägers in der konkreten Prüfung ergäben“. 10Der Kläger hat am 21. Dezember 2020 Klage erhoben. Zur Begründung seiner Klage verweist er zunächst auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren. Ergänzend führt er aus, der Einwurf des Attestes in den Briefkasten des Prüfungsamtes genüge nach dessen ständiger Praxis als Rücktrittserklärung. Zudem habe er den Prüfungsausschuss telefonisch über sein Fernbleiben informiert. Es sei ausreichend, dass das Attest mit „i.A. N. “ unterzeichnet worden sei. Dr. L. sei Urheber und verantwortlich für den Text. Auch die Unterschrift sei im Auftrag des Arztes erfolgt. Im Übrigen könne ihm als Laien ein etwaiger Formfehler nicht angelastet werden. Die Beklagte habe ihn auf einen vermeintlichen Formfehler hinweisen müssen, so dass er die Möglichkeit gehabt hätte, zeitnah ein formgültiges Attest einzureichen. Auch inhaltlich genüge das Attest den Anforderungen. Die in Ziffer 2 des Prozessvergleichs geforderte „gesundheitliche Beeinträchtigung“ sei in der ärztlichen Bescheinigung mit „Magen-Darm“ ausreichend angegeben worden. Ferner sei aufgrund der Passage in der Bescheinigung, dass „aufgrund der Beschwerden ein regulärer Prüfungsablauf nicht stattfinden könne“, auch die Voraussetzung aus dem Prozessvergleich, wonach die sich aus der Beeinträchtigung ergebenden Auswirkungen auf das Leistungsvermögen des Klägers bezeichnet werden müssen, erfüllt. Weiterer Erläuterungen bedürfe es insoweit nicht. Die landläufige Bezeichnung „Magen-Darm“ sei die übliche Umschreibung für eine Durchfallerkrankung. Es liege auf der Hand, dass ein Patient mit einer Magen-Darm-Erkrankung nicht in der Lage sei, eine mehrstündige schriftliche Prüfung zu absolvieren. 11Der Kläger beantragt, 121.13den Bescheid der Beklagten vom 29. April 2020 und den Widerspruchsbescheid vom 17. November 2020 aufzuheben, 2.14die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären. 15Die Beklagte beantragt, 16die Klage abzuweisen. 17Zur Begründung macht sie über die Argumentation im Widerspruchsbescheid hinaus geltend, streng genommen fehle es bereits an einer Rücktrittserklärung, da eine solche sich dem Attest nicht entnehmen lasse. Auch fehle die persönliche Unterschrift des Arztes auf dem Attest. Unter der Bezeichnung „Magen-Darm“ seien die verschiedensten Krankheits- und Symptombilder möglich. Eine „Durchfallerkrankung“ bescheinige das Attest nicht eindeutig. Des Weiteren erfülle auch die Bezeichnung „Durchfallerkrankung“ die nach dem Prozessvergleich maßgeblichen Anforderungen an das Attest nicht; auch diesbezüglich seien verschiedenste Krankheitsbilder möglich, bei denen die Frage der Prüfungsunfähigkeit für die in Rede stehende 90-minütige Klausur jeweils unterschiedlich zu bewerten sei. 18Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 3. und 23. März 2022 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt. 19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Prüfungsakte der Beklagten, der beigezogenen Akte des Verwaltungsgerichts Düsseldorf zum Aktenzeichen 15 K 9818/18 und der Auszugskopie der beigezogenen Akte der Staatsanwaltschaft X. – 000 Xx 000/00 – Bezug genommen. 20Entscheidungsgründe: 21Das Gericht entscheidet gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung, nachdem die Beteiligten ihr Einverständnis mit dieser Verfahrensweise erklärt haben. 22Die Klage hat keinen Erfolg. 23Sie ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben. 24Nach § 74 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO müssen Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 VwGO ein Widerspruchsverfahren nicht erforderlich, muss die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden (§ 74 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 VwGO). 25Hier liegt ein Fall des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO vor. Entgegen der dem angefochtenen Bescheid beigefügten Rechtsmittelbelehrung war ein Widerspruchsverfahren hier gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 110 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Gesetzes über die Justiz im Land Nordrhein-Westfalen (JustG NRW) nicht statthaft. Nach den genannten Vorschriften bedarf es vor der Erhebung einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage einer Nachprüfung in einem Vorverfahren grundsätzlich nicht. Wird eine solche Anordnung zum Wegfall des Widerspruchsverfahrens getroffen, ist trotz des unscharfen Wortlauts („bedarf es nicht“) der Widerspruch nicht statthaft. 26Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. April 2016 – 4 B 10.16 –, juris, Rdnr. 6. 27Ein Widerspruch war auch nicht ausnahmsweise nach § 110 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 JustG NRW statthaft. Nach dieser Vorschrift gilt § 110 Abs. 1 Satz 1 und 2 JustG NRW nicht für den Erlass oder die Ablehnung der Vornahme von Verwaltungsakten, denen die Bewertung einer Leistung im Rahmen einer berufsbezogenen Prüfung zugrunde liegt. An den tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm fehlt es hier. Eine Leistungsbewertung im Sinne der zuletzt genannten Vorschrift liegt nämlich nur vor, wenn ein Prüfer die Leistung eines Prüflings inhaltlich bewertet und ihm dabei ein prüfungsspezifischer Bewertungsspielraum zusteht. 28Vgl. OVG NRW, Urteile vom 10. Dezember 2015 – 19 A 254/13 –, juris, Rdnr. 24, und vom 20. Juni 2017 – 14 A 1776/16 –, juris, Rdnr. 27. 29Der Kläger hat jedoch keine Prüfungsleistung erbracht, die nach Bewertung durch einen Prüfer Grundlage des hier angefochtenen Bescheids hätte werden können. 30Dass die Klage nicht binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheides vom 29. Mai 2020 erhoben ist, ist für ihre Zulässigkeit unerheblich. Mit der Bekanntgabe des genannten Bescheides ist eine Klagefrist nicht in Lauf gesetzt worden. 31Die dem angefochtenen Bescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung genügt den Vorgaben des § 58 Abs. 1 VwGO nicht. Denn der Kläger ist dort auf den Widerspruch und nicht auf die Klage als statthaftes Rechtsmittel hingewiesen worden. 32Damit ist eine Rechtsmittelfrist überhaupt nicht in Lauf gesetzt worden. 33Nach § 58 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO ist zwar bei unterbliebener oder unrichtiger Belehrung die Einlegung eines Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, dass ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei (§ 58 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO). 34Die Belehrung über den falschen Rechtsbehelf ist dabei derjenigen gleichzusetzen, dass ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. 35Vgl. BVerwG, Urteil vom 2. April 1987 – 5 C 67.84 –, juris, Rdn. 15; OVG NRW, Urteil vom 3. September 2012 – 9 A 1565/09 –, juris, Rdnr. 54 m.w.N. 36Die Frage, ob die Monatsfrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO nachträglich durch den Widerspruchsbescheid vom 17. November 2020 in Gang gesetzt worden ist, 37vgl. zu dieser Möglichkeit BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 1998 – 7 B 30.98 –, juris, Rdnr. 2; BayVGH, Beschluss vom 28. Februar 2008 – 6 ZB 07.2704 –, juris, Rdnr. 13, 38bedarf keiner Klärung. Denn der Kläger hat binnen eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheides Klage erhoben. 39Die Klage ist jedoch unbegründet. 40Der Bescheid vom 29. April 2020 und der Widerspruchsbescheid vom 17. November 2020 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung seiner Rücktrittsgründe durch den Prüfungsausschuss. 41Die Feststellungen über das endgültige Nichtbestehen der Prüfung im Modul „BWiWi 2.3. Controlling“ und das endgültige Nichtbestehen der Bachelorprüfung finden ihre Rechtsgrundlage in §§ 8 Abs. 1, 11 Abs. 3, 22 Abs. 1, 23 Abs. 2 Nr. 2 der Prüfungsordnung für den Studiengang Wirtschaftswissenschaft mit dem Abschluss Bachelor of Science an der Beklagten in der Fassung vom 1. Oktober 2019, Amtl. Mitteilungen Nr_66, (PO). 42Nach 23 Abs. 2 Nr. 2 PO ist die Bachelorprüfung endgültig nicht bestanden, sobald die Kandidatinnen und Kandidaten in einem Modul nach § 11 Abs. 3 PO eine Modulabschlussprüfung auch unter Beachtung von Wiederholungsmöglichkeiten endgültig nicht bestanden haben. 43Der Kläger hat die Abschlussprüfung im Modul des Vertiefungsbereichs Betriebswirtschaftslehre „BWiWi 2.3. Controlling“ (vgl. § 11 Abs. 3 Nr. 2 PO) auch im zweiten und damit gemäß § 22 Abs. 1 PO letzten Wiederholungsversuch nicht bestanden. Aufgrund seiner Säumnis im Prüfungstermin vom 18. Februar 2020 gilt seine – dortige fiktive – Prüfungsleistung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 PO als mit „nicht ausreichend (5,0)“ bewertet. Denn er ist ohne triftigen Grund zu dem Prüfungstermin nicht erschienen; er hat deshalb auch keinen Anspruch auf Anerkennung seiner Gründe durch den Prüfungsausschuss. 44Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 PO müssen die für den Rücktritt oder das Versäumnis nach Absatz 1 Satz 1 geltend gemachten Gründe dem Prüfungsausschuss unverzüglich schriftlich angezeigt und glaubhaft gemacht werden. 45Es kann dahinstehen, ob die frühestens mit dem Zugang des Attestes beim Prüfungsamt am 20. Februar 2020 erfolgte schriftliche Anzeige der Säumnisgründe des Klägers noch unverzüglich im Sinne der zitierten Vorschrift ist. Denn jedenfalls ist das vorgelegte Attest vom 18. Februar 2020 nicht geeignet, den vom Kläger behaupteten Säumnisgrund glaubhaft zu machen. 46Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 PO kann bei Krankheit die Vorlage eines ärztlichen Attestes verlangt werden. Zugleich reicht gemäß § 63 Abs. 7 Satz 1 des Hochschulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. September 2014, GV. NRW. S. 331, (HG NRW) für den Nachweis der krankheitsbedingten Prüfungsunfähigkeit eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Prüfungsunfähigkeit hin, es sei denn, es bestehen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte, die eine Prüfungsfähigkeit als wahrscheinlich annehmen oder einen anderen Nachweis als sachgerecht erscheinen lassen. 47Im Verhältnis der Beteiligten gelten für die Glaubhaftmachung einer Erkrankung jedoch strengere Maßgaben als nach den zuletzt genannten Vorschriften. Nach dem von den Beteiligten geschlossenen Prozessvergleich vom 14. Mai 2019 erfordert die Glaubhaftmachung krankheitsbedingter Säumnisgründe ein ärztliches Attest, welches die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers beschreibt und angibt, welche Auswirkungen sich daraus für sein Leistungsvermögen in der konkreten Prüfung ergeben, sodass dem zuständigen Prüfungsausschuss eine sachgerechte Beurteilung der Frage, ob Prüfungsunfähigkeit im Rechtssinne vorliegt, möglich ist. 48Diesen Voraussetzungen wird das Attest der Praxis des Dr. med. L. vom 18. Februar 2020 nicht gerecht. 49Es handelt sich bereits nicht um ein rechtsgültiges ärztliches Attest. Denn es ist nicht vom Arzt selbst, sondern von einer dritten Person – mutmaßlich einer/s Angestellten der Arztpraxis – „im Auftrag“ unterschrieben. Bei einer Unterzeichnung mit „im Auftrag“ gibt der Unterzeichnende zu erkennen, dass er lediglich als Erklärungsbote auftritt. 50BGH, Beschluss vom 25. September 2012 – VIII ZB 22/12 –, juris, Rdn. 11. 51Ein Attest ist jedoch nur dann ein ärztliches Attest, wenn aus ihm hervorgeht, dass der Arzt selbst – und zwar im Regelfall durch seine Unterschrift – die Verantwortung für dessen Inhalt übernommen hat. Denn bei einem Attest handelt sich nicht um eine Willenserklärung oder eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung, sondern um eine höchstpersönliche Wissenserklärung, die der Arzt grundsätzlich selbst abzugeben hat. 52So auch OLG Nürnberg, Beschluss vom 6. August 2013 – 1 Ws 354/13 WA u.a. –, juris, Rdnr. 20 ff.; vgl. auch Rechtsabteilung der Ärztekammer Nordrhein „Attest nur im Ausnahmefall – Eltern müssen zahlen“, Rheinisches Ärzteblatt 6/2000. 53Ein ärztliches Attest enthält die Erklärung des Arztes, welche Feststellungen er über den gesundheitlichen Zustand des Patienten getroffen und welche Diagnose er daraufhin gestellt hat. Diese Angaben stellen mithin Auskünfte über Tatsachenfeststellungen und ärztliche Schlussfolgerungen dar. Eine solche Auskunft hat der Arzt selbst abzugeben, also zu ihrer Wirksamkeit durch seine Unterschrift zu bestätigen. 54Vgl. BGH, Beschluss vom 23. September 2021 – I ZB 20/21 –, juris, Rdnr. 60 (zur Auskunft nach BGB); BVerwG, Urteil vom 3. Mai 2007 – 2 C 30.05 –, juris, Rdnr. 14 f. (zum Geständnis als Wissenserklärung). 55Dass die Erklärung in dem Attest vom 18. Februar 2020 von dem Arzt Dr. L. selbst stammt bzw. sein Wissen inhaltlich zutreffend wiedergibt, ergibt sich auch nicht aus anderen Umständen, insbesondere nicht aus den Ermittlungsergebnissen der Staatsanwaltschaft X. im Rahmen des eingeleiteten Ermittlungsverfahrens. Denn die unter dem Briefkopf des Arztes mit Datum vom 16. März 2020 erfolgte Mitteilung bestätigt lediglich, dass die benannten Atteste „von der Praxis ausgestellt“ worden seien. Hinzu kommt, dass auch diese Mitteilung wiederum „i.A.“ und damit offensichtlich nicht von Dr. L. selbst, sondern von einer anderen Person unterschrieben worden ist. 56Die Beklagte war auch unter Berücksichtigung ihrer aus dem Prüfungsrechtsverhältnis folgenden Fürsorgepflicht, 57vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 29. Januar 2020 – 19 A 3028/15 –, juris, Rdnr. 62 ff., 58nicht gehalten, den Kläger nach Vorlage des Attestes zeitnah auf den Mangel der Unterschrift hinzuweisen. Denn es ist der Verantwortungssphäre des Klägers als Patienten zuzurechnen, sicherzustellen, dass der Arzt seiner aus dem Behandlungsvertrag folgenden Nebenpflicht, ein Attest auszustellen, 59Weidenkaff, in: Palandt, 81. Auflage 2022, § 630a BGB, Rdnr. 21, 60rechtswirksam nachkommt. 61Bei dieser Sachlage war das Gericht auch nicht gehalten, den Sachverhalt weiter aufzuklären. Soweit der Kläger unter dem 19. Januar 2021 schriftsätzlich und damit vor Abgabe der Verzichtserklärung nach § 101 Abs. 2 VwGO, 62vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. September 2011 – 9 B 48.11 u.a. –, juris, Rdnr. 10, 63beantragt hat, den Arzt Dr. L. als Zeugen dafür zu hören, dass dieser „Urheber und verantwortlich für den Text“ des Attestes sei, ist eine entsprechende Beweiserhebung nicht erforderlich. Denn es ist für die Frage, ob der Kläger einen Säumnisgrund bezogen auf die Prüfung vom 18. Februar 2020 unverzüglich glaubhaft gemacht hat, rechtlich unerheblich, ob der Arzt in einer mehr als zwei Jahre später vorzunehmenden Beweisaufnahme durch seine Zeugenaussage bestätigt, dass er den Kläger am 18. Februar 2020 untersucht und die im Attest vom gleichen Tage dokumentierten Feststellungen selbst getroffen hat (§ 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 StPO analog). Darüber hinaus ist eine solche Beweiserhebung auch deshalb nicht vorzunehmen, weil das Attest aus den nachstehend dargelegten Gründen schon inhaltlich nicht geeignet ist, das Vorliegen eines triftigen Grundes für die Säumnis im Prüfungstermin glaubhaft zu machen. 64Das vorgelegte Attest wird auch seinem Inhalt nach den Maßgaben des Vergleichs nicht gerecht. 65Weder beschreibt es nachvollziehbar die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers am Prüfungstag, noch ist in ihm dargelegt, welche Auswirkungen sich daraus für die Leistungsfähigkeit des Klägers ergeben haben. Damit genügt es auch nicht der weiteren Anforderung des Vergleichs, wonach die Angaben dem zuständigen Prüfungsausschuss eine sachgerechte Beurteilung der Frage, ob Prüfungsunfähigkeit im Rechtssinne vorliegt, ermöglichen müssen. 66Mit der Angabe im Attest, der Kläger sei am 18. Februar 2020 wegen „Magen-Darm“ in Behandlung gewesen, werden die am Prüfungstag beim Kläger festgestellten „gesundheitlichen Einschränkungen“ nicht hinreichend konkret beschrieben. Aus dem Kontext, in dem dieser Begriff in Ziff. 2 des Vergleichs verwendet wird, ergibt sich, dass die Angaben so genau sein müssen, dass sie dem Prüfungsausschuss die Beurteilung ermöglichen, ob Prüfungsunfähigkeit gegeben ist. Dies erfordert regelmäßig – auch ohne eine entsprechende Regelung, etwa in der Prüfungsordnung – die Angabe konkreter Befundtatsachen. 67Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. August 1996 – 6 B 17.96 –, juris, Rdnr. 6; OVG NRW, Urteil vom 29. Januar 2020 – 19 A 3028/15 –, juris, Rdnr. 46 ff., und Beschluss vom 19. November 2014 – 14 A 884/14 –, juris, Rdnr. 6; BayVGH, Beschluss vom 4. März 2013 – 7 CE 13.181 –, juris, Rdnr. 15. 68Solche Befundtatsachen fehlen hier. Die Bezeichnung „Magen-Darm“ ersetzt die Angabe von konkreten Befundtatsachen auch nicht. Bei dieser Bezeichnung handelt es sich nicht um eine fachlich definierte ärztliche Diagnose – wie etwa nach ICD-10 –, sondern um einen umgangssprachlichen Ausdruck, der regelmäßig für eine Vielzahl von Störungen des Verdauungsapparates, die mit unterschiedlichen Symptomen einhergehen, verwendet wird. Keineswegs steht die Bezeichnung „Magen-Darm“ – wie der Kläger ohne Beleg behauptet – für die übliche Umschreibung einer Durchfallerkrankung. Gefasst werden darunter ebenso Magenverstimmungen und -erkrankungen (einhergehend etwa mit Bauchschmerzen, Übelkeit oder Erbrechen). Zugleich lässt sich aus der Bezeichnung „Magen-Darm“ nicht zweifelsfrei auf die Stärke etwa festgestellter Symptome schließen. Denn Störungen des Verdauungsapparates können nach allgemeiner Lebenserfahrung trotz wahrnehmbarer Symptome so leicht sein, dass die Leistungsfähigkeit betreffend die Teilnahme an einer konkret anstehenden Prüfung nicht in rechtserheblichem Umfang beeinträchtigt ist. 69Im Übrigen würde auch die Bescheinigung einer „Durchfallerkrankung“ den Anforderungen nicht genügen. Zwar kann in Einzelfällen schon durch die genaue Bezeichnung einer Krankheit offensichtlich gemacht werden, dass die Leistungsfähigkeit des Prüflings erheblich beeinträchtigt ist, wie etwa mit der Bezeichnung „fiebrige Grippe“. 70Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Auflage 2022, Rdnr. 277. 71Denn die Bezeichnung „fiebrige Grippe“ beschreibt das Symptom „Fieber“ eindeutig. Eine Durchfallerkrankung bedingt aber nicht zwingend eine rechtserhebliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit eines Prüflings. Dies hängt vielmehr von Frequenz und Stärke der Symptome im Einzelfall ab. 72Schließlich enthält das Attest auch keine Feststellungen über die Auswirkungen festgestellter gesundheitlicher Einschränkungen auf das Leistungsvermögen des Klägers. Soweit in dem Attest festgehalten ist, dass „aufgrund der Beschwerden ein regulärer Prüfungsablauf nicht stattfinden könne“, wird mit dieser Passage lediglich umschrieben, dass der Kläger nach Auffassung des Ausstellers des Attestes nicht prüfungsfähig ist. Eine konkrete Darstellung, ob und wie sich festgestellte gesundheitliche Einschränkungen auf die Leistungsfähigkeit des Klägers auswirkten, liegt darin nicht. Die getroffene Feststellung zur Unmöglichkeit eines regulären Prüfungsablaufs vermag die nach dem Vergleich erforderliche Wiedergabe von Befundtatsachen und Schussfolgerungen hinsichtlich der Leistungsfähigkeit auch nicht zu ersetzen. Denn die Beurteilung der Prüfungsunfähigkeit obliegt nach dem zwischen den Beteiligten geschlossenen Prozessvergleich ausschließlich dem zuständigen Prüfungsausschuss. 73Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. 74Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO. 75Rechtsmittelbelehrung: 76Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. 77Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 78Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. 79Die Berufung ist nur zuzulassen, 801. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 812. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 823. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 834. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 845. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. 85Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich einzureichen. 86Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen. 87Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen. 88Die Antragsschrift und die Zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. 89Beschluss: 90Der Streitwert wird auf 7.500,00 Euro festgesetzt. 91Gründe: 92Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 1 GKG erfolgt. Die Kammer bemisst den Streitwert in Verfahren, die das Nichtbestehen einer Prüfung betreffen, welche zur Beendigung des Studiums führt, in Anlehnung an den Vorschlag in Ziff. 36.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des OVG NRW, 93vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. November 2018 – 14 E 976/18 –, n.v., und Beschluss vom 4. Februar 2021 – 19 E 17/21 –, juris. 94regelmäßig mit einem Wert von 7.500,00 Euro. 95Rechtsmittelbelehrung: 96Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. 97Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 98Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 99Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt. 100Die Beschwerdeschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. 101War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
die klage wird abgewiesen. der kläger trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der kläger darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung oder hinterlegung in höhe von 110 % des beizutreibenden betrages abwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in gleicher höhe leistet. 1
2der kläger ist bei der beklagten seit beginn des wintersemesters 2010/2011 als studierender des bachelorstudiengangs wirtschaftswissenschaft eingeschrieben. 3am 17. februar 2014 nahm er erstmals an der abschlussprüfung im modul „bwiwi 2.3. controlling“ teil, bestand die prüfung aber nicht. zur wiederholungsprüfung im sommersemester 2014 trat er krankheitsbedingt nicht an; sein rücktritt wurde mit bescheid vom 7. oktober 2014 genehmigt und als neuer prüfungstermin das wintersemester 2014/2015 festgesetzt. die wiederholungsprüfung am 24. februar 2015 bestand er nicht; sein nachträglich erklärter rücktritt wurde nicht genehmigt. von der (zweiten) wiederholungsprüfung im sommersemester 2015 sowie von allen nachfolgenden prüfungsterminen bis einschließlich des sommersemesters 2019 trat der kläger unter vorlage ärztlicher atteste zurück. sämtliche rücktritte genehmigte die beklagte. 4mit bescheid vom 25. juli 2018 schloss der gemeinsame prüfungsausschuss der fakultät für wirtschaftswissenschaft (prüfungsausschuss) den kläger wegen der vorlage eines gefälschten attestes für den rücktritt von einer modulprüfung im fach „bwiwi 2.7 entrepreneurship und gründungsmanagement“ von sämtlichen weiteren prüfungsleistungen aus und erklärte die bachelor-prüfung für nicht bestanden. das hierauf vom kläger nach erfolgloser durchführung eines widerspruchsverfahrens vor dem erkennenden gericht angestrengte klageverfahren – 15 k 9818/18 – wurde durch abschluss eines prozessvergleichs vom 14. mai 2019 beendet. hiernach hat die beklagte ihren bescheid vom 25. juli 2018 und den widerspruchsbescheid insoweit aufgehoben, als darin der ausschluss des klägers von der erbringung weiterer prüfungsleistungen verfügt ist. ziffer 2 des vergleichs lautet wie folgt: „die beteiligten sind sich darüber einig, dass der kläger bis zum ende seines studiums an der beklagten zur glaubhaftmachung krankheitsbedingter säumnis- oder rücktrittsgründe […] jeweils eines ärztlichen attestes bedarf, welches die gesundheitlichen beeinträchtigungen des klägers beschreibt und angibt, welche auswirkungen sich daraus für das leistungsvermögen des klägers in der konkreten prüfung ergeben, sodass dem zuständigen prüfungsausschuss eine sachgerechte beurteilung der frage, ob prüfungsunfähigkeit im rechtssinne vorliegt, möglich ist“. 5im wintersemester 2019/2020 erschien der kläger zum termin seiner zweiten wiederholungsprüfung im modul „bwiwi 2.3. controlling“ am 18. februar 2020 erneut nicht. er reichte bei der beklagten am 20. februar 2020 eine ärztliche bescheinigung des facharztes für allgemeinmedizin dr. med. e. l. ein, welche mit „i.a. n. “ unterzeichnet war und den folgenden inhalt hat: „o.g. pat. war am 18.02.20 wegen magen-darm in meiner behandlung. aufgrund der beschwerden kann ein regulärer prüfungsablauf nicht stattfinden.“ 6am 10. märz 2020 erstattete die beklagte hinsichtlich dieser und zweier weiterer ärztlicher bescheinigungen des arztes dr. l. , in welchen dem kläger jeweils attestiert wurde, ein regulärer prüfungsablauf könne nicht stattfinden, strafanzeige wegen des verdachts der urkundenfälschung und fälschung von gesundheitszeugnissen. auf die schriftliche anfrage des polizeipräsidiums x. an herrn dr. l. , ob „die atteste tatsächlich durch ihre arztpraxis ausgestellt“ worden seien, wurde unter dem briefkopf des arztes mit datum vom 16. märz 2020 mitgeteilt, dass die benannten atteste von der praxis ausgestellt worden seien. daraufhin stellte die staatsanwaltschaft x. das gegen den kläger eingeleitete ermittlungsverfahren durch verfügung vom 23. märz 2020 nach § 170 abs. 2 stpo ein. 7der prüfungsausschuss verweigerte mit bescheid vom 29. april 2020, zugestellt am 5. mai 2020, die genehmigung des rücktritts von der prüfung vom 18. februar 2020, stellte fest, dass die prüfung deshalb als mit „nicht ausreichend (5,0)“ bewertet gelte, und erklärte die bachelorprüfung im studiengang wirtschaftswissenschaft für endgültig nicht bestanden. zur begründung führte er aus, das am 20. februar 2020 für die modulabschlussprüfung „bwiwi 2.3. controlling“ eingereichte attest erlaube keine sachgerechte beurteilung der prüfungsunfähigkeit, so dass triftige gründe für das fernbleiben von der prüfung nicht glaubhaft gemacht seien. beigefügt war dem bescheid eine belehrung über den widerspruch als statthaftes rechtsmittel. 8der kläger erhob am 25. mai 2020 widerspruch. zur begründung führte er aus, das attest des dr. l. entspreche sowohl den anforderungen der prüfungsordnung als auch dem zwischen den beteiligten geschlossenen prozessvergleich. es erlaube die sachgerechte beurteilung, ob eine prüfungsunfähigkeit im rechtssinne vorliege. 9der prüfungsausschuss wies den widerspruch des klägers mit bescheid vom 17. november 2020, dem prozessbevollmächtigten des klägers zugestellt am 23. november 2020, als unbegründet zurück. zur begründung verwies er auf die begründung des angefochtenen bescheides und führte ergänzend aus, die bescheinigung enthalte keine ärztliche diagnose oder angabe über gesundheitliche beeinträchtigungen. aus ihr gehe nicht hervor, welche art von magen-darm-erkrankung vorläge oder welche symptome oder gesundheitliche einschränkungen des klägers konkret bestanden hätten. es ergebe sich nicht von selbst, dass eine behandlung wegen „magen-darm“ zu einer prüfungsunfähigkeit führe. das attest lasse auch keine rückschlüsse darauf zu, „welche auswirkungen sich daraus für das leistungsvermögen des klägers in der konkreten prüfung ergäben“. 10der kläger hat am 21. dezember 2020 klage erhoben. zur begründung seiner klage verweist er zunächst auf sein vorbringen im widerspruchsverfahren. ergänzend führt er aus, der einwurf des attestes in den briefkasten des prüfungsamtes genüge nach dessen ständiger praxis als rücktrittserklärung. zudem habe er den prüfungsausschuss telefonisch über sein fernbleiben informiert. es sei ausreichend, dass das attest mit „i.a. n. “ unterzeichnet worden sei. dr. l. sei urheber und verantwortlich für den text. auch die unterschrift sei im auftrag des arztes erfolgt. im übrigen könne ihm als laien ein etwaiger formfehler nicht angelastet werden. die beklagte habe ihn auf einen vermeintlichen formfehler hinweisen müssen, so dass er die möglichkeit gehabt hätte, zeitnah ein formgültiges attest einzureichen. auch inhaltlich genüge das attest den anforderungen. die in ziffer 2 des prozessvergleichs geforderte „gesundheitliche beeinträchtigung“ sei in der ärztlichen bescheinigung mit „magen-darm“ ausreichend angegeben worden. ferner sei aufgrund der passage in der bescheinigung, dass „aufgrund der beschwerden ein regulärer prüfungsablauf nicht stattfinden könne“, auch die voraussetzung aus dem prozessvergleich, wonach die sich aus der beeinträchtigung ergebenden auswirkungen auf das leistungsvermögen des klägers bezeichnet werden müssen, erfüllt. weiterer erläuterungen bedürfe es insoweit nicht. die landläufige bezeichnung „magen-darm“ sei die übliche umschreibung für eine durchfallerkrankung. es liege auf der hand, dass ein patient mit einer magen-darm-erkrankung nicht in der lage sei, eine mehrstündige schriftliche prüfung zu absolvieren. 11der kläger beantragt, 121.13den bescheid der beklagten vom 29. april 2020 und den widerspruchsbescheid vom 17. november 2020 aufzuheben, 2.14die hinzuziehung eines bevollmächtigten im vorverfahren für notwendig zu erklären. 15die beklagte beantragt, 16die klage abzuweisen. 17zur begründung macht sie über die argumentation im widerspruchsbescheid hinaus geltend, streng genommen fehle es bereits an einer rücktrittserklärung, da eine solche sich dem attest nicht entnehmen lasse. auch fehle die persönliche unterschrift des arztes auf dem attest. unter der bezeichnung „magen-darm“ seien die verschiedensten krankheits- und symptombilder möglich. eine „durchfallerkrankung“ bescheinige das attest nicht eindeutig. des weiteren erfülle auch die bezeichnung „durchfallerkrankung“ die nach dem prozessvergleich maßgeblichen anforderungen an das attest nicht; auch diesbezüglich seien verschiedenste krankheitsbilder möglich, bei denen die frage der prüfungsunfähigkeit für die in rede stehende 90-minütige klausur jeweils unterschiedlich zu bewerten sei. 18die beteiligten haben mit schriftsätzen vom 3. und 23. märz 2022 ihr einverständnis mit einer entscheidung ohne mündliche verhandlung erklärt. 19wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird ergänzend auf den inhalt der gerichtsakte sowie der beigezogenen prüfungsakte der beklagten, der beigezogenen akte des verwaltungsgerichts düsseldorf zum aktenzeichen 15 k 9818/18 und der auszugskopie der beigezogenen akte der staatsanwaltschaft x. – 000 xx 000/00 – bezug genommen. 20
21das gericht entscheidet gemäß § 101 abs. 2 vwgo ohne mündliche verhandlung, nachdem die beteiligten ihr einverständnis mit dieser verfahrensweise erklärt haben. 22die klage hat keinen erfolg. 23sie ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben. 24nach § 74 abs. 1 satz 1, abs. 2 vwgo müssen anfechtungs- und verpflichtungsklagen innerhalb eines monats nach zustellung des widerspruchsbescheids erhoben werden. ist nach § 68 vwgo ein widerspruchsverfahren nicht erforderlich, muss die klage innerhalb eines monats nach bekanntgabe des verwaltungsakts erhoben werden (§ 74 abs. 1 satz 2, abs. 2 vwgo). 25hier liegt ein fall des § 74 abs. 1 satz 2 vwgo vor. entgegen der dem angefochtenen bescheid beigefügten rechtsmittelbelehrung war ein widerspruchsverfahren hier gemäß § 68 abs. 1 satz 2 alt. 1, abs. 2 vwgo i.v.m. § 110 abs. 1 satz 1 und 2 des gesetzes über die justiz im land nordrhein-westfalen (justg nrw) nicht statthaft. nach den genannten vorschriften bedarf es vor der erhebung einer anfechtungs- oder verpflichtungsklage einer nachprüfung in einem vorverfahren grundsätzlich nicht. wird eine solche anordnung zum wegfall des widerspruchsverfahrens getroffen, ist trotz des unscharfen wortlauts („bedarf es nicht“) der widerspruch nicht statthaft. 26vgl. bverwg, beschluss vom 25. april 2016 – 4 b 10.16 –, juris, rdnr. 6. 27ein widerspruch war auch nicht ausnahmsweise nach § 110 abs. 2 satz 1 nr. 2 justg nrw statthaft. nach dieser vorschrift gilt § 110 abs. 1 satz 1 und 2 justg nrw nicht für den erlass oder die ablehnung der vornahme von verwaltungsakten, denen die bewertung einer leistung im rahmen einer berufsbezogenen prüfung zugrunde liegt. an den tatbestandlichen voraussetzungen dieser norm fehlt es hier. eine leistungsbewertung im sinne der zuletzt genannten vorschrift liegt nämlich nur vor, wenn ein prüfer die leistung eines prüflings inhaltlich bewertet und ihm dabei ein prüfungsspezifischer bewertungsspielraum zusteht. 28vgl. ovg nrw, urteile vom 10. dezember 2015 – 19 a 254/13 –, juris, rdnr. 24, und vom 20. juni 2017 – 14 a 1776/16 –, juris, rdnr. 27. 29der kläger hat jedoch keine prüfungsleistung erbracht, die nach bewertung durch einen prüfer grundlage des hier angefochtenen bescheids hätte werden können. 30dass die klage nicht binnen eines monats nach bekanntgabe des bescheides vom 29. mai 2020 erhoben ist, ist für ihre zulässigkeit unerheblich. mit der bekanntgabe des genannten bescheides ist eine klagefrist nicht in lauf gesetzt worden. 31die dem angefochtenen bescheid beigefügte rechtsbehelfsbelehrung genügt den vorgaben des § 58 abs. 1 vwgo nicht. denn der kläger ist dort auf den widerspruch und nicht auf die klage als statthaftes rechtsmittel hingewiesen worden. 32damit ist eine rechtsmittelfrist überhaupt nicht in lauf gesetzt worden. 33nach § 58 abs. 2 satz 1 halbsatz 1 vwgo ist zwar bei unterbliebener oder unrichtiger belehrung die einlegung eines rechtsbehelfs nur innerhalb eines jahres seit zustellung, eröffnung oder verkündung zulässig. dies gilt jedoch nicht, wenn die einlegung vor ablauf der jahresfrist infolge höherer gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische belehrung dahin erfolgt ist, dass ein rechtsbehelf nicht gegeben sei (§ 58 abs. 2 satz 1 halbsatz 2 vwgo). 34die belehrung über den falschen rechtsbehelf ist dabei derjenigen gleichzusetzen, dass ein rechtsbehelf nicht gegeben sei. 35vgl. bverwg, urteil vom 2. april 1987 – 5 c 67.84 –, juris, rdn. 15; ovg nrw, urteil vom 3. september 2012 – 9 a 1565/09 –, juris, rdnr. 54 m.w.n. 36die frage, ob die monatsfrist des § 74 abs. 1 satz 2 vwgo nachträglich durch den widerspruchsbescheid vom 17. november 2020 in gang gesetzt worden ist, 37vgl. zu dieser möglichkeit bverwg, beschluss vom 11. februar 1998 – 7 b 30.98 –, juris, rdnr. 2; bayvgh, beschluss vom 28. februar 2008 – 6 zb 07.2704 –, juris, rdnr. 13, 38bedarf keiner klärung. denn der kläger hat binnen eines monats nach zustellung des widerspruchsbescheides klage erhoben. 39die klage ist jedoch unbegründet. 40der bescheid vom 29. april 2020 und der widerspruchsbescheid vom 17. november 2020 sind rechtmäßig und verletzen den kläger nicht in eigenen rechten (§ 113 abs. 1, abs. 5 vwgo). der kläger hat keinen anspruch auf anerkennung seiner rücktrittsgründe durch den prüfungsausschuss. 41die feststellungen über das endgültige nichtbestehen der prüfung im modul „bwiwi 2.3. controlling“ und das endgültige nichtbestehen der bachelorprüfung finden ihre rechtsgrundlage in §§ 8 abs. 1, 11 abs. 3, 22 abs. 1, 23 abs. 2 nr. 2 der prüfungsordnung für den studiengang wirtschaftswissenschaft mit dem abschluss bachelor of science an der beklagten in der fassung vom 1. oktober 2019, amtl. mitteilungen nr_66, (po). 42nach 23 abs. 2 nr. 2 po ist die bachelorprüfung endgültig nicht bestanden, sobald die kandidatinnen und kandidaten in einem modul nach § 11 abs. 3 po eine modulabschlussprüfung auch unter beachtung von wiederholungsmöglichkeiten endgültig nicht bestanden haben. 43der kläger hat die abschlussprüfung im modul des vertiefungsbereichs betriebswirtschaftslehre „bwiwi 2.3. controlling“ (vgl. § 11 abs. 3 nr. 2 po) auch im zweiten und damit gemäß § 22 abs. 1 po letzten wiederholungsversuch nicht bestanden. aufgrund seiner säumnis im prüfungstermin vom 18. februar 2020 gilt seine – dortige fiktive – prüfungsleistung gemäß § 8 abs. 1 satz 1 po als mit „nicht ausreichend (5,0)“ bewertet. denn er ist ohne triftigen grund zu dem prüfungstermin nicht erschienen; er hat deshalb auch keinen anspruch auf anerkennung seiner gründe durch den prüfungsausschuss. 44nach § 8 abs. 2 satz 1 po müssen die für den rücktritt oder das versäumnis nach absatz 1 satz 1 geltend gemachten gründe dem prüfungsausschuss unverzüglich schriftlich angezeigt und glaubhaft gemacht werden. 45es kann dahinstehen, ob die frühestens mit dem zugang des attestes beim prüfungsamt am 20. februar 2020 erfolgte schriftliche anzeige der säumnisgründe des klägers noch unverzüglich im sinne der zitierten vorschrift ist. denn jedenfalls ist das vorgelegte attest vom 18. februar 2020 nicht geeignet, den vom kläger behaupteten säumnisgrund glaubhaft zu machen. 46gemäß § 8 abs. 2 satz 2 po kann bei krankheit die vorlage eines ärztlichen attestes verlangt werden. zugleich reicht gemäß § 63 abs. 7 satz 1 des hochschulgesetzes für das land nordrhein-westfalen vom 16. september 2014, gv. nrw. s. 331, (hg nrw) für den nachweis der krankheitsbedingten prüfungsunfähigkeit eine ärztliche bescheinigung über das bestehen der prüfungsunfähigkeit hin, es sei denn, es bestehen zureichende tatsächliche anhaltspunkte, die eine prüfungsfähigkeit als wahrscheinlich annehmen oder einen anderen nachweis als sachgerecht erscheinen lassen. 47im verhältnis der beteiligten gelten für die glaubhaftmachung einer erkrankung jedoch strengere maßgaben als nach den zuletzt genannten vorschriften. nach dem von den beteiligten geschlossenen prozessvergleich vom 14. mai 2019 erfordert die glaubhaftmachung krankheitsbedingter säumnisgründe ein ärztliches attest, welches die gesundheitlichen beeinträchtigungen des klägers beschreibt und angibt, welche auswirkungen sich daraus für sein leistungsvermögen in der konkreten prüfung ergeben, sodass dem zuständigen prüfungsausschuss eine sachgerechte beurteilung der frage, ob prüfungsunfähigkeit im rechtssinne vorliegt, möglich ist. 48diesen voraussetzungen wird das attest der praxis des dr. med. l. vom 18. februar 2020 nicht gerecht. 49es handelt sich bereits nicht um ein rechtsgültiges ärztliches attest. denn es ist nicht vom arzt selbst, sondern von einer dritten person – mutmaßlich einer/s angestellten der arztpraxis – „im auftrag“ unterschrieben. bei einer unterzeichnung mit „im auftrag“ gibt der unterzeichnende zu erkennen, dass er lediglich als erklärungsbote auftritt. 50bgh, beschluss vom 25. september 2012 – viii zb 22/12 –, juris, rdn. 11. 51ein attest ist jedoch nur dann ein ärztliches attest, wenn aus ihm hervorgeht, dass der arzt selbst – und zwar im regelfall durch seine unterschrift – die verantwortung für dessen inhalt übernommen hat. denn bei einem attest handelt sich nicht um eine willenserklärung oder eine rechtsgeschäftsähnliche handlung, sondern um eine höchstpersönliche wissenserklärung, die der arzt grundsätzlich selbst abzugeben hat. 52so auch olg nürnberg, beschluss vom 6. august 2013 – 1 ws 354/13 wa u.a. –, juris, rdnr. 20 ff.; vgl. auch rechtsabteilung der ärztekammer nordrhein „attest nur im ausnahmefall – eltern müssen zahlen“, rheinisches ärzteblatt 6/2000. 53ein ärztliches attest enthält die erklärung des arztes, welche feststellungen er über den gesundheitlichen zustand des patienten getroffen und welche diagnose er daraufhin gestellt hat. diese angaben stellen mithin auskünfte über tatsachenfeststellungen und ärztliche schlussfolgerungen dar. eine solche auskunft hat der arzt selbst abzugeben, also zu ihrer wirksamkeit durch seine unterschrift zu bestätigen. 54vgl. bgh, beschluss vom 23. september 2021 – i zb 20/21 –, juris, rdnr. 60 (zur auskunft nach bgb); bverwg, urteil vom 3. mai 2007 – 2 c 30.05 –, juris, rdnr. 14 f. (zum geständnis als wissenserklärung). 55dass die erklärung in dem attest vom 18. februar 2020 von dem arzt dr. l. selbst stammt bzw. sein wissen inhaltlich zutreffend wiedergibt, ergibt sich auch nicht aus anderen umständen, insbesondere nicht aus den ermittlungsergebnissen der staatsanwaltschaft x. im rahmen des eingeleiteten ermittlungsverfahrens. denn die unter dem briefkopf des arztes mit datum vom 16. märz 2020 erfolgte mitteilung bestätigt lediglich, dass die benannten atteste „von der praxis ausgestellt“ worden seien. hinzu kommt, dass auch diese mitteilung wiederum „i.a.“ und damit offensichtlich nicht von dr. l. selbst, sondern von einer anderen person unterschrieben worden ist. 56die beklagte war auch unter berücksichtigung ihrer aus dem prüfungsrechtsverhältnis folgenden fürsorgepflicht, 57vgl. hierzu ovg nrw, urteil vom 29. januar 2020 – 19 a 3028/15 –, juris, rdnr. 62 ff., 58nicht gehalten, den kläger nach vorlage des attestes zeitnah auf den mangel der unterschrift hinzuweisen. denn es ist der verantwortungssphäre des klägers als patienten zuzurechnen, sicherzustellen, dass der arzt seiner aus dem behandlungsvertrag folgenden nebenpflicht, ein attest auszustellen, 59weidenkaff, in: palandt, 81. auflage 2022, § 630a bgb, rdnr. 21, 60rechtswirksam nachkommt. 61bei dieser sachlage war das gericht auch nicht gehalten, den sachverhalt weiter aufzuklären. soweit der kläger unter dem 19. januar 2021 schriftsätzlich und damit vor abgabe der verzichtserklärung nach § 101 abs. 2 vwgo, 62vgl. bverwg, beschluss vom 6. september 2011 – 9 b 48.11 u.a. –, juris, rdnr. 10, 63beantragt hat, den arzt dr. l. als zeugen dafür zu hören, dass dieser „urheber und verantwortlich für den text“ des attestes sei, ist eine entsprechende beweiserhebung nicht erforderlich. denn es ist für die frage, ob der kläger einen säumnisgrund bezogen auf die prüfung vom 18. februar 2020 unverzüglich glaubhaft gemacht hat, rechtlich unerheblich, ob der arzt in einer mehr als zwei jahre später vorzunehmenden beweisaufnahme durch seine zeugenaussage bestätigt, dass er den kläger am 18. februar 2020 untersucht und die im attest vom gleichen tage dokumentierten feststellungen selbst getroffen hat (§ 244 abs. 3 satz 3 nr. 2 stpo analog). darüber hinaus ist eine solche beweiserhebung auch deshalb nicht vorzunehmen, weil das attest aus den nachstehend dargelegten gründen schon inhaltlich nicht geeignet ist, das vorliegen eines triftigen grundes für die säumnis im prüfungstermin glaubhaft zu machen. 64das vorgelegte attest wird auch seinem inhalt nach den maßgaben des vergleichs nicht gerecht. 65weder beschreibt es nachvollziehbar die gesundheitlichen einschränkungen des klägers am prüfungstag, noch ist in ihm dargelegt, welche auswirkungen sich daraus für die leistungsfähigkeit des klägers ergeben haben. damit genügt es auch nicht der weiteren anforderung des vergleichs, wonach die angaben dem zuständigen prüfungsausschuss eine sachgerechte beurteilung der frage, ob prüfungsunfähigkeit im rechtssinne vorliegt, ermöglichen müssen. 66mit der angabe im attest, der kläger sei am 18. februar 2020 wegen „magen-darm“ in behandlung gewesen, werden die am prüfungstag beim kläger festgestellten „gesundheitlichen einschränkungen“ nicht hinreichend konkret beschrieben. aus dem kontext, in dem dieser begriff in ziff. 2 des vergleichs verwendet wird, ergibt sich, dass die angaben so genau sein müssen, dass sie dem prüfungsausschuss die beurteilung ermöglichen, ob prüfungsunfähigkeit gegeben ist. dies erfordert regelmäßig – auch ohne eine entsprechende regelung, etwa in der prüfungsordnung – die angabe konkreter befundtatsachen. 67vgl. bverwg, beschluss vom 6. august 1996 – 6 b 17.96 –, juris, rdnr. 6; ovg nrw, urteil vom 29. januar 2020 – 19 a 3028/15 –, juris, rdnr. 46 ff., und beschluss vom 19. november 2014 – 14 a 884/14 –, juris, rdnr. 6; bayvgh, beschluss vom 4. märz 2013 – 7 ce 13.181 –, juris, rdnr. 15. 68solche befundtatsachen fehlen hier. die bezeichnung „magen-darm“ ersetzt die angabe von konkreten befundtatsachen auch nicht. bei dieser bezeichnung handelt es sich nicht um eine fachlich definierte ärztliche diagnose – wie etwa nach icd-10 –, sondern um einen umgangssprachlichen ausdruck, der regelmäßig für eine vielzahl von störungen des verdauungsapparates, die mit unterschiedlichen symptomen einhergehen, verwendet wird. keineswegs steht die bezeichnung „magen-darm“ – wie der kläger ohne beleg behauptet – für die übliche umschreibung einer durchfallerkrankung. gefasst werden darunter ebenso magenverstimmungen und -erkrankungen (einhergehend etwa mit bauchschmerzen, übelkeit oder erbrechen). zugleich lässt sich aus der bezeichnung „magen-darm“ nicht zweifelsfrei auf die stärke etwa festgestellter symptome schließen. denn störungen des verdauungsapparates können nach allgemeiner lebenserfahrung trotz wahrnehmbarer symptome so leicht sein, dass die leistungsfähigkeit betreffend die teilnahme an einer konkret anstehenden prüfung nicht in rechtserheblichem umfang beeinträchtigt ist. 69im übrigen würde auch die bescheinigung einer „durchfallerkrankung“ den anforderungen nicht genügen. zwar kann in einzelfällen schon durch die genaue bezeichnung einer krankheit offensichtlich gemacht werden, dass die leistungsfähigkeit des prüflings erheblich beeinträchtigt ist, wie etwa mit der bezeichnung „fiebrige grippe“. 70fischer/jeremias/dieterich, prüfungsrecht, 8. auflage 2022, rdnr. 277. 71denn die bezeichnung „fiebrige grippe“ beschreibt das symptom „fieber“ eindeutig. eine durchfallerkrankung bedingt aber nicht zwingend eine rechtserhebliche einschränkung der leistungsfähigkeit eines prüflings. dies hängt vielmehr von frequenz und stärke der symptome im einzelfall ab. 72schließlich enthält das attest auch keine feststellungen über die auswirkungen festgestellter gesundheitlicher einschränkungen auf das leistungsvermögen des klägers. soweit in dem attest festgehalten ist, dass „aufgrund der beschwerden ein regulärer prüfungsablauf nicht stattfinden könne“, wird mit dieser passage lediglich umschrieben, dass der kläger nach auffassung des ausstellers des attestes nicht prüfungsfähig ist. eine konkrete darstellung, ob und wie sich festgestellte gesundheitliche einschränkungen auf die leistungsfähigkeit des klägers auswirkten, liegt darin nicht. die getroffene feststellung zur unmöglichkeit eines regulären prüfungsablaufs vermag die nach dem vergleich erforderliche wiedergabe von befundtatsachen und schussfolgerungen hinsichtlich der leistungsfähigkeit auch nicht zu ersetzen. denn die beurteilung der prüfungsunfähigkeit obliegt nach dem zwischen den beteiligten geschlossenen prozessvergleich ausschließlich dem zuständigen prüfungsausschuss. 73die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 1 vwgo. 74die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 vwgo, 708 nr. 11, 711 zpo. 75rechtsmittelbelehrung: 76gegen dieses urteil kann innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) schriftlich die zulassung der berufung beantragt werden. der antrag muss das angefochtene urteil bezeichnen. 77auf die ab dem 1. januar 2022 unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 78innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils sind die gründe darzulegen, aus denen die berufung zuzulassen ist. 79die berufung ist nur zuzulassen, 801. wenn ernstliche zweifel an der richtigkeit des urteils bestehen, 812. wenn die rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche schwierigkeiten aufweist, 823. wenn die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat, 834. wenn das urteil von einer entscheidung des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen, des bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen senats der obersten gerichtshöfe des bundes oder des bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser abweichung beruht oder 845. wenn ein der beurteilung des berufungsgerichts unterliegender verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die entscheidung beruhen kann. 85die begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem antrag vorgelegt worden ist, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen (aegidiikirchplatz 5, 48143 münster oder postfach 6309, 48033 münster) schriftlich einzureichen. 86über den antrag entscheidet das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen. 87im berufungs- und berufungszulassungsverfahren müssen sich die beteiligten durch prozessbevollmächtigte vertreten lassen. dies gilt auch für prozesshandlungen, durch die das verfahren eingeleitet wird. die beteiligten können sich durch einen rechtsanwalt oder einen rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten hochschule eines mitgliedstaates der europäischen union, eines anderen vertragsstaates des abkommens über den europäischen wirtschaftsraum oder der schweiz, der die befähigung zum richteramt besitzt, als bevollmächtigten vertreten lassen. auf die zusätzlichen vertretungsmöglichkeiten für behörden und juristische personen des öffentlichen rechts einschließlich der von ihnen zur erfüllung ihrer öffentlichen aufgaben gebildeten zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 abs. 4 satz 4 vwgo und § 5 nr. 6 des einführungsgesetzes zum rechtsdienstleistungsgesetz – rdgeg –). darüber hinaus sind die in § 67 abs. 2 satz 2 nr. 3 bis 7 vwgo bezeichneten personen und organisationen unter den dort genannten voraussetzungen als bevollmächtigte zugelassen. 88die antragsschrift und die zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst zweifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. 89beschluss: 90der streitwert wird auf 7.500,00 euro festgesetzt. 91gründe: 92die festsetzung des streitwertes ist nach § 52 abs. 1 gkg erfolgt. die kammer bemisst den streitwert in verfahren, die das nichtbestehen einer prüfung betreffen, welche zur beendigung des studiums führt, in anlehnung an den vorschlag in ziff. 36.1 des streitwertkatalogs für die verwaltungsgerichtsbarkeit und in übereinstimmung mit der rechtsprechung des ovg nrw, 93vgl. ovg nrw, beschluss vom 6. november 2018 – 14 e 976/18 –, n.v., und beschluss vom 4. februar 2021 – 19 e 17/21 –, juris. 94regelmäßig mit einem wert von 7.500,00 euro. 95rechtsmittelbelehrung: 96gegen den streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur niederschrift des urkundsbeamten der geschäftsstelle bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) beschwerde eingelegt werden, über die das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen in münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der zivilprozessordnung gilt entsprechend. 97auf die ab dem 1. januar 2022 unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 98die beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs monaten eingelegt wird, nachdem die entscheidung in der hauptsache rechtskraft erlangt oder das verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der streitwert später als einen monat vor ablauf dieser frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines monats nach zustellung oder formloser mitteilung des festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 99die beschwerde ist nicht gegeben, wenn der wert des beschwerdegegenstandes 200,-- euro nicht übersteigt. 100die beschwerdeschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. 101war der beschwerdeführer ohne sein verschulden verhindert, die frist einzuhalten, ist ihm auf antrag von dem gericht, das über die beschwerde zu entscheiden hat, wiedereinsetzung in den vorigen stand zu gewähren, wenn er die beschwerde binnen zwei wochen nach der beseitigung des hindernisses einlegt und die tatsachen, welche die wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. nach ablauf eines jahres, von dem ende der versäumten frist angerechnet, kann die wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
345,309
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9 K 2762/21
2022-05-16T00:00:00
Urteil
Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet. 1Tatbestand: 2Der Kläger ist Eigentümer des nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes befindlichen und derzeit mit einem straßennahen Einfamilienhaus bebauten Grundstücks C. Weg 000 (Gemarkung T. , Flur 00, Flurstück 000 – im Folgenden: Vorhabengrundstück). Das Vorhabengrundstück liegt an der nordwestlichen Straßenseite im südwestlichen Bereich des Ortsteils T. unmittelbar am Rande einer Waldfläche, die sich von dort nach Westen über die Grenze zur Stadt E. bis hin zur Bundesautobahn 0 erstreckt. Die nordwestliche Straßenseite des C. Wegs ist auch in der Umgebung überwiegend straßennah bebaut. Vor allem nördlich, teilweise aber auch südlich des Vorhabengrundstücks reichen einzelne Wohnhäuser aber auch tiefer in den rückwärtigen Bereich hinein – so etwa am C. Weg 000 und 000 (im Süden) bzw. 000, 000, 000-000e sowie 000 (im Norden). Außerdem befinden sich hinter der straßennahen Bebauung im südlichen Bereich sonstige bauliche Anlagen, wie etwa eine Doppelgarage (auf dem Flurstück 000 zwischen den Hausnummern 000 und 000), ein Swimmingpool (Hausnummer 000) und mehrere Gartenhäuser (z.B. Hausnummern 000, 000a und 000). 3Unter dem 5. Februar 2021 – bei der Bauaufsicht der Beklagten am 8. Februar 2021 eingegangen – beantragte der Kläger einen zunächst nicht weiter konkretisierten Vorbescheid für die Errichtung eines eingeschossigen Wohngebäudes mit einer Tiefe von 15 m, einer Breite von 12,50 m und einem umbauten Raum von 1148,44 m³ (im Folgenden: Vorhaben), das etwa 16m westlich des Bestandsgebäudes auf dem Vorhabengrundstück beginnen und bis zu einer Tiefe von etwa 50 m vom Straßenrand reichen sowie einen Abstand zu den Nachbargrenzen von mindestens 3 m wahren sollte (im Folgenden: Vorhabenstandort). Gleichzeitig war der Abbruch des Bestandsgebäudes vorgesehen. Im regionalen Flächennutzungsplan der Planungsgemeinschaft T1. S. (XXXX) ist der Vorhabenstandort als Wohnbaufläche dargestellt. 4Mit Bescheid vom 31. März 2021 lehnte die Beklagte die Bauvoranfrage ab und führte zur Begründung aus: Das Vorhaben sei bauplanungsrechtlich unzulässig. Das Vorhabengrundstück liege nicht innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils. Die Grenze zwischen der so bebauten Fläche und dem Außenbereich verlaufe an der Rückseite der vorhandenen Wohngebäude entlang. Die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richte sich daher nach § 35 des Baugesetzbuches (BauGB). Die dortigen gesetzlichen Regelungen, insbesondere § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 BauGB dienten dazu, die Außenbereichslandschaft in ihrer Bestimmung für die naturgegebene Bodennutzung sowie als Erholungslandschaft für die Allgemeinheit zu erhalten und in dieser natürlichen Funktion und Eigenart vor dem Eindringen oder Verfestigen wesensfremder Nutzung zu schützen. Das nicht privilegierte Vorhaben widerspreche jedoch der für die Landschaft charakteristischen Bodennutzung und somit dem grundsätzlichen Schutzgedanken des Außenbereichs und beeinträchtige auch seine Aufgabe als Erholungsgebiet erheblich. Außerdem würde die Genehmigung für die Errichtung eines Wohngebäudes an der vorgesehenen Stelle zu einer unerwünschten Entwicklung führen, weil gleichartige Vorhaben auf den benachbarten Grundstücken nicht verhindert werden könnten. 5Mit der am 23. April 2021 erhobenen Klage trägt der Kläger vor: Der Vorhabenstandort gehöre zu dem im Zusammenhang bebauten Ortsteil im Sinne des § 34 BauGB, nämlich der geschlossenen und einheitlich verkehrstechnisch erschlossenen fast ausschließlichen Wohnbebauung entlang des C. Wegs und seiner Nebenstraßen. Das Vorhaben füge sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden solle, ohne weiteres in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Der Ortsteil ende nicht direkt hinter den vorhandenen Baukörpern, sondern erstrecke sich auch auf den Gartenbereich. Dort befänden sich auf den südlich angrenzenden Grundstücken Garagen, Gartenhäuser und Schwimmbecken, die teilweise tiefer lägen als der geplante Baukörper. In der unmittelbaren nördlichen Nachbarschaft seien Grundstücke teilweise sogar noch weiter zurückliegend als mit dem Vorhaben geplant bebaut – so am C. Weg 000, 000 und 000. Genauso tief wie das Vorhaben reiche zudem noch die Bebauung am C. Weg 000-000e in den rückwärtigen Bereich hinein. Das Vorhaben füge sich optisch in eine vorhandene Bebauung ein, die nicht nur von einer geraden Linie von Gebäuden entlang der Straße geprägt sei, sondern immer wieder auch von deutlich zurückgesetzt errichteten Gebäuden und erheblichen Nebenanlagen. Dementsprechend könne vom Vorhaben auch nicht die von der Beklagten befürchtete negative Vorbildfunktion ausgehen. Nicht erst dieses Vorhaben würde in einem neuen und zu beanstandenden Sinne prägend werden. Vor diesem Hintergrund sei das Vorhaben nicht negatives Vorbild, sondern eher Nachzügler. Darüber hinaus ende ein Bebauungszusammenhang im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB zwar grundsätzlich mit der letzten vorhandenen Bebauung, erfasse aber auch zurück gelegene Grundstücksbereiche, wenn sie – wie hier – ohne weiteres erkennbar den weiter nach vorne gebauten Gebäuden zugeordnet und von Nebenanlagen geprägt seien. Hierzu werde auf die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Schleswig-Holstein vom 23. November 1994 verwiesen. Im Übrigen sei der Bebauungszusammenhang, selbst wenn man ihn anhand der letzten Hauptbebauung definiere, weiter zu ziehen als von der Beklagten angenommen. Insbesondere erstrecke er sich auch auf die Häuser am C. Weg 000 und 000. Entsprechend der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Dezember 1972 (BVerwGE 41, 227) müsse die insoweit zu berücksichtigende Bebauung gerade keine organische Siedlungsstruktur aufweisen oder einem bestimmten Ordnungsbild entsprechen. Die nähere Umgebung reiche dabei soweit, wie sich die Ausführung des geplanten Vorhabens auswirken können und die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks präge oder doch beeinflusse, wobei für die Bewertung die örtlichen, optisch wahrnehmbaren Gegebenheiten maßgeblich seien. Danach seien vorliegend die Objekte 000, 000 und 000, aber auch 000 und 000 zu berücksichtigen. Dementsprechend habe die Beklagte in einem anderweitigen Baugenehmigungsverfahren, das unmittelbare Nachbargrundstück C. Weg 000 auch wie selbstverständlich dem Innenbereich nach § 34 BauGB zugeordnet. Selbst wenn man dies, wie die Beklagte nunmehr erkennen lasse, lediglich auf den Bereich bis zu dem letzten Baukörper in Form des gemauerten Toilettenhauses begrenze, ergebe sich eine jetzt schon optisch deutlich wahrnehmbare Verschiebung der Wohnbebauung in den rückwärtigen Grundstücksbereichen zum Waldrand. Auch wenn man die Objekte 000 und 000 außer Betracht lasse, ergebe sich auch hinsichtlich der Objekte 000-000 kein einheitliches, mehr oder minder straßenseitiges Erscheinungsbild, sondern ein sehr deutlicher Bogen mit den am stärksten in den rückwärtigen Bereich ragenden Enden sowohl im Norden als auch im Süden. Die Zuordnung des Vorhabenstandorts zum Bebauungszusammenhang decke sich im Übrigen auch damit, dass die festgesetzte Verbandsgrünfläche erst jenseits beginne. 6Äußerst vorsorglich sei ausführen, dass das Vorhaben aber auch bei einer Beurteilung nach § 35 BauGB zulässig wäre. Angesichts der obigen Ausführungen fehle es an einer wesensfremden Nutzung der betreffenden Flächen, sodass das Vorhaben die natürliche Eigenart der Landschaft nicht berühre, zumal der XXXX den Vorhabenstandort ausdrücklich als Wohnbaufläche darstelle. Auch sei die Entstehung einer Splittersiedlung nicht zu befürchten, da das Siedlungsbild bereits durch über die gesamte Grundstückstiefe vorhandene Haupt- und Nebenanlagen geprägt sei. Es handele sich allenfalls um zulässige Streubebauung, nicht aber um eine Splittersiedlung. Selbst wenn eine Splittersiedlung vorläge, sei diese jedoch bereits verfestigt, sodass das Vorhaben entsprechend der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. November 2010 (IV B 45.10) nicht mehr zu einer solchen Verfestigung beitrage und daher auch nicht unzulässig sei. 7Das Gericht hat im Rahmen eines Ortstermins am 4. März 2022 durch Inaugenscheinnahme der Örtlichkeit Beweis erhoben. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll des Ortstermins verwiesen. 8Im Ortstermin hat der Kläger seine Bauvoranfrage dahingehend konkretisiert, dass sie sich auf die gesamte planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens bezieht. 9Dementsprechend beantragt er nach Präzisierung im Ortstermin, 10die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 31. März 2021 zu verpflichten, ihm entsprechend seinem Antrag vom 5./8. Februar 2021 einen bauplanungsrechtlichen Bauvorbescheid zur Errichtung eines eingeschossigen Wohngebäudes auf dem Grundstück C. Weg 000 in N. an der S. (Gemarkung T. , Flur 00, Flurstück 000) zu erteilen. 11Die Beklagte beantragt schriftsätzlich, 12die Klage abzuweisen. 13Sie führt ergänzend aus: Die hinteren Grundstücksbereiche ab Hausnummer 000 in südlicher Richtung vermittelten auch deshalb keinen Bebauungszusammenhang, weil auf ihnen keine Hauptnutzungen vorhanden seien, die den Eindruck der Zusammengehörigkeit und Geschlossenheit vermitteln könnten. Dort befänden sich keine relevanten zum dauernden Aufenthalt von Menschen bestimmten Anlagen, sondern lediglich wohnakzessorische Nebenanlagen. Jenseits der vorhandenen Straßenrandbebauung fehle es daher an einer organischen Siedlungsstruktur. Dass es mit den bebauten Grundstücken am C. Weg 000 und 000 hinsichtlich der dort vorhandenen Bautiefen eine andere Bebauungsstruktur gebe, vermittle für das Vorhabengrundstück keinen Bebauungszusammenhang. Da es insoweit auf Grundstücks- und Parzellengrenzen nicht ankomme, sei ein bebautes Grundstück auch nicht regelmäßig in seiner vollen Ausdehnung dem Bebauungszusammenhang zuzurechnen. Schließlich seien für dessen Bestimmung auch die Darstellungen eines Flächennutzungsplanes nicht maßgeblich. Der Kläger verkenne bei seiner gegenteiligen Argumentation, dass es keine schematische Grenzziehung zwischen Innen- und Außenbereich gebe, der Außenbereich vielmehr grundsätzlich und so auch hier unmittelbar an der hinteren Hauskante des bestehenden Gebäudes auf dem Vorhabengrundstück beginne. Eine allgemein zu ziehende Linie des Bebauungszusammenhangs anhand des am weitesten in den Außenbereich ragenden Gebäudes, wie sie offenbar dem Kläger mit seinem Hinweis auf die Bebauung am C. Weg 000, 000, 000 oder auch 000 vorschwebe, verbiete sich daher. Zu dem vom Kläger angeführten anderweitigen Baugenehmigungsverfahren sei darauf hinzuweisen, dass der Entscheidung über den dortigen Bauantrag vorbehalten sei, wie weit auf dem Nachbargrundstück der Innenbereich zu ziehen sei. Das im Außenbereich nicht privilegierte sonstige Vorhaben beeinträchtige öffentliche Belange, jedenfalls im Sinne des § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 BauGB. Auch durch die Ausuferung eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils könne eine städtebaulich unerwünschte Zersiedlung des Außenbereichs eintreten und eine Splittersiedlung entstehen. Da die Zulassung des Vorhabens eine weitere Ausdehnung des westlichen Ortsrands in den bislang von Bebauung freigehaltenen Außenbereich zur Folge hätte, sei eine solche weitere Zersiedlung auch konkret zu befürchten, zumal sich in der unmittelbaren Nachbarschaft des Vorhabengrundstücks mehrere, in vergleichbarer Weise zur Bebauung geeignete Grundstücke befänden, für die das Vorhaben Vorbildwirkung entfalten würde. 14Im Ortstermin haben die Beteiligten übereinstimmend für den Fall einer Fortsetzung des Verfahrens auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. 15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen. 16Entscheidungsgründe: 17Mit dem im Ortstermin übereinstimmend erklärten Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung entscheiden. 18Die zulässige Klage ist unbegründet. 19Die gegenüber dem Kläger mit Bescheid der Beklagten vom 31. März 2021 erfolgte Versagung der Erteilung eines positiven Bauvorbescheides zur planungsrechtlichen Zulässigkeit der Errichtung eines eingeschossigen Wohngebäudes auf dem Grundstück C. Weg 000 in N. an der S. (Gemarkung T. , Flur 00, Flurstück 000) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf die Erteilung eines entsprechenden positiven Bauvorbescheides. 20Nach § 77 Abs. 1 S. 1 und S. 4 i.V.m. § 74 Abs. 1 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (BauO NRW 2018) ist vor Einreichung des Bauantrags auf Antrag der Bauherrin oder des Bauherrn zu einzelnen Fragen des Bauvorhabens ein Vorbescheid zu erteilen, wenn dem Vorhaben im Umfang der Bauvoranfrage keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Denn das Vorhaben ist bauplanungsrechtlich unzulässig. 21Das Vorhaben soll im Außenbereich errichtet werden (1.) und ist dort nach § 35 BauGB nicht zulässig (2.) 221. Der Vorhabenstandort, der nicht vom Geltungsbereich eines Bebauungsplanes erfasst wird, liegt auch nicht innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB. Er nimmt nicht an dem Bebauungszusammenhang teil, der sich an der nordwestlichen Seite des C. Wegs erstreckt. 23Auf die vom Kläger in seinen Stellungnahmen behandelten Fragen, wie weit bei Anwendung des § 34 Abs. 1 BauGB der Bereich der näheren Umgebung zu ziehen ist und ob sich das Vorhaben (insbesondere nach der überbaubaren Grundstücksfläche) in deren Eigenart einfügt, kommt es daher gar nicht an. Diese Fragen spielen für die Abgrenzung des Innenbereichs im Sinne des § 34 BauGB vom Außenbereich im Sinne des § 35 BauGB keine Rolle. 24Ein Bebauungszusammenhang reicht soweit, wie die aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt: 25Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2015 – 4 C 5.14 –, juris, Rn. 11 ff. m.w.N. 26Hierüber ist allerdings nicht nach geographisch-mathematischen Maßstäben, sondern aufgrund einer umfassenden Wertung und Bewertung des im Einzelfall gegebenen konkreten Sachverhalts zu entscheiden. Grundlage und Ausgangspunkt einer solchen wertenden und bewertenden Beurteilung sind jedoch die tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten, also insbesondere die vorhandenen baulichen Anlagen, sowie außerdem auch andere topographische Verhältnisse. In aller Regel endet ein Bebauungszusammenhang am letzten Baukörper. 27Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1990 – 4 C 40.87 –, juris, Rn. 22 sowie Beschlüsse vom 8. Oktober 2015 – 4 B 28.15 –, juris, Rn. 6, vom 2. März 2000 – 4 B 15.00 –, juris, Rn. 4 und vom 10. März 1994 – 4 B 50.94 –, juris, Rn. 3 28Dementsprechend kommt es für die Bestimmung der Grenzen des Bebauungszusammenhangs auf die (lediglich formalen) Grundstücksgrenzen nicht an, sodass die auf einem Grundstück vorhandene Bebauung typischerweise nicht das gesamte Grundstück in den Zusammenhang hineinzieht. 29Vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Januar 1993 – 4 C 33.90 –, juris, Rn. 10, vom 3. März 1972 – IV C 4.69 –, juris, Rn. 17 und vom 6. November 1968 – IV C 47.68 –, juris, Rn. 19. 30Von diesen Grundsätzen ausgehend endet der an der nordwestlichen Seite des C. Wegs bestehende Bebauungszusammenhang auf dem Vorhabengrundstück an der nordwestlichen Außenwand des vorhandenen Bestandsgebäudes als dem letzten Baukörper auf diesem Grundstück, so dass sich der erst weiter westlich gelegene Vorhabenstandort außerhalb des Bebauungszusammenhangs befindet. 31Dass der Bebauungszusammenhang in diesem Bereich – wie der Kläger darlegt – hinsichtlich der Bebauungstiefe kein einheitliches Erscheinungsbild aufweist, sondern einen Bogen mit den am stärksten in den rückwärtigen Bereich ragenden Enden im Norden und Süden bildet, ist im vorliegenden Zusammenhang unbeachtlich. Denn entsprechend dem oben beschriebenen Ansatz ist die Grenzlinie zwischen Innen- und Außenbereich bei einer unregelmäßigen Bebauung des Ortsrandes nicht in dem Sinne künstlich zu begradigen, dass sie entlang der am weitesten in den Außenbereich hineinragenden Gebäude verläuft. Vielmehr ist die Grenzlinie grundsätzlich entlang jeder einzelnen Bebauung zu ziehen und kann dabei durchaus auch vor- und zurückspringen. 32Vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Juli 1990 – 4 B 103.90 –, juris, Rn. 2 und Urteil vom 6. Dezember 1967 – IV C 94.66 –, juris, Rn. 26; Dürr, in: Brügelmann, BauGB – Kommentar, Stand: Januar 2022, § 34, Rn. 28; Spieß, in: Jäde/Dirnberger, BauGB / BauNVO – Kommentar, 9. Aufl., § 34, Rn. 18. 33Auch der Einwand des Klägers, dass der Bebauungszusammenhang auch zurück gelegene Grundstücksbereiche erfasse, wenn sie den weiter vorne errichteten Gebäuden zugeordnet und von Nebenanlagen geprägt seien, greift nicht durch. Die damit angesprochene Figur einer nach den Umständen des Einzelfalls in den Bebauungszusammenhang einzubeziehenden Fläche mit bebauungs- bzw. wohnakzessorischer Nutzung in Form von Nebenanlagen wie Gartenhäusern, Hühnerställen, Schuppen, Spiel- oder Sportanlagen, aber auch in Form von Freiflächen wie etwa einem Garten, einem Hof, einem Stell- oder Lagerplatz, 34vgl. BVerwG, Urteile vom 12. November 2014 – 9 C 7.13 –, juris, Rn. 25 und vom 17. Juni 1993 - 4 C 17.91 –, juris, Rn. 12; OVG NRW, Beschlüsse vom 25. Februar 2014 – 2 A 1295/13 –, juris, Rn. 18 und vom 13. Juni 2013 – 7 A 2150/12 –, juris, Rn. 5; Bayerischer VGH, Beschluss vom 27. Januar 2010 – 9 ZB 08.37 –, juris, Rn. 3 f.; Hamburgisches OVG, Urteil vom 25. Februar 2015 – 2 Bf 213/11 –, juris, Rn. 55; Sächsisches OVG, Urteil vom 6. Juni 2018 – 5 A 532/17 –, juris, Rn. 29; OVG Saarland, Urteile vom 27. Januar 1982 – 2 R 22/81 –, BRS 39 Nr. 60, S. 127 (129) und vom 2. Oktober 1981 – 2 Z 2/80 –, BRS 38 Nr. 73, S. 163 (164 f.); OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 23. November 1994 – 1 L 110/93 –, juris, Rn. 14; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB-Kommentar, 143. EL August 2021, § 34 Rn. 25; Dürr, in: Brügelmann, BauGB – Kommentar, Stand: Januar 2022, § 34, Rn. 27 und 29, 35begegnet bereits als solches nicht unbeachtlichen Bedenken. Denn damit hätte es der Bauherr gegebenenfalls in der Hand, durch die Errichtung entsprechender Nebenanlagen oder die Anlage von der Bebauung zugeordneter Freiflächen aus Außenbereichsflächen immer wieder zusätzliche Innenbereichsflächen zu schaffen, was zu einer weitgehenden Besiedlung des Außenbereichs führen könnte. 36Vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 13. Dezember 2018 – 2 B 18.1797 –, juris, Rn. 26, entsprechend eingrenzend aber auch schon Beschluss vom 27. Januar 2010 – 9 ZB 08.37 –, juris, Rn. 4; Johlen, in: Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl., § 34, Rn. 6. 37Jedenfalls aber können ausgehend vom grundlegenden Erfordernis des Eindrucks der Zusammengehörigkeit und Geschlossenheit einem Wohnhaus allenfalls solche Anlagen und Flächen als akzessorisch zugerechnet werden, die ihm optisch ohne weiteres erkennbar als Nebenanlage oder Außenwohnbereich zugeordnet sind und in einem angemessenen Verhältnis zur Hauptanlage stehen. 38Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 1993 - 4 C 17.91 –, juris, Rn. 12; Bayerischer VGH, Beschluss vom 27. Januar 2010 – 9 ZB 08.37 –, juris, Rn. 3 f. 39Dieser Bereich erstreckt sich auf einen verhältnismäßig schmalen Streifen (nah) „hinter“ dem Hauptgebäude, soweit dieser durch die vorhandenen Baulichkeiten geprägt und „bauakzessorisch“ in Form einer Nebenanlage, als Hausgarten oder dem Wohnen zugeordneter Erholungsbereich genutzt wird. 40Vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 26. September 2012 – 1 LA 42/12 –, juris, Rn. 11. 41Nicht als akzessorisch erfasst werden danach jedoch solche Flächen, die einer selbständigen baulichen Nutzung zugeführt werden können. 42Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11. Juni 2004 – 7 A 1475/04 –, juris, Rn. 10. 43Für die Abgrenzung gilt ein restriktiver, den Außenbereich möglichst schonender Maßstab. 44Vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 26. September 2012 – 1 LA 42/12 –, juris, Rn. 11; zu alledem auch: Weiß-Ludwig, Abgrenzung Innen- und Außenbereich – „Ein – nicht nur – bauplanungsrechtlicher Dauerbrenner“, NordÖR 2018, 1 (5 f.). 45Hiervon ausgehend liegt der Vorhabenstandort nach dem Eindruck im Ortstermin nicht auf einer solchen bebauungsakzessorischen Fläche. Auf dem Vorhabengrundstück verfügt das Bestandsgebäude als letzter Baukörper vielmehr unmittelbar hinter seiner westlichen und südlichen Außenwand bereits über einen Außenwohnbereich, der nach Westen hin durch Bäume abgegrenzt ist. Der Vorhabenstandort selbst beginnt dagegen erst mehr als 16m westlich des eigentlichen Bestandsgebäudes, stellt sich daher nicht mehr als hausnah dar, sondern liegt in einem größeren Grundstücksbereich, bei dem es sich um eine zum anschließenden Wald ansteigende Rasenfläche handelt, die dem Bestandsgebäude nicht mehr als Außenwohnbereich zugeordnet werden kann, 46vgl. zu entsprechend unbebauten Garten- bzw. Freiflächen in Ortsrandlage: OVG NRW, Urteil vom 8. Oktober 2018 – 10 A 1803/16 –, juris, Rn, 31 ff.; Bayerischer VGH, Urteil vom 13. Dezember 2018 – 2 B 18.1797 –, juris, Rn. 26 und Beschluss vom 19. Dezember 2017 – 1 ZB 16.1301 –, juris, Rn. 6; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB-Kommentar, 143. EL August 2021, § 34 Rn. 25, 47sondern einer selbständigen baulichen Nutzung zugeführt werden könnte und vom Kläger auch soll. Seine bloße Eingrenzung durch eine Mauer nach Norden und einen Zaun nach Süden führt allein nicht zu der erforderlichen Zuordnung zum vorhandenen Wohnhaus. 48Selbst wenn man aber eine solche Akzessorietät auch für den Vorhabenstandort noch annehmen würde, ließe sich damit die planungsrechtliche Zulässigkeit einer dortigen Wohnbebauung nicht rechtfertigen. Denn in einem allein aufgrund dieser Akzessorietät in den Innenbereich einbezogenen hinteren Grundstücksteil kann ausgehend von Sinn und Zweck dieser Einbeziehung zur Vermeidung einer planungsrechtlichen Unzulässigkeit der dortigen „Nebenanlage“ auch nur ein Vorhaben verwirklicht werden, dass der speziellen Funktion dieses Bereichs als Ergänzung der Nutzung des Hauptgebäudes entspricht und nicht – wie das Vorhaben – selbst eine Hauptnutzung darstellt. 49Vgl. Dürr, in: Brügelmann, BauGB – Kommentar, Stand: Januar 2022, § 34, Rn. 29; so im Ergebnis auch: OVG Saarland, Urteil vom 2. Oktober 1981 – 2 Z 2/80 –, BRS 38 Nr. 73, S. 163 (165); OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 5. Juli 2001 – 3 L 197/00 –, juris. 50Dass das Bestandsgebäude im Zuge der Durchführung des Vorhabens abgerissen werden soll, steht dieser Einschätzung nicht entgegen. Denn dies würde nichts daran ändern, dass auf einem vormals (allenfalls) akzessorisch genutzten Bereich erstmals eine Hauptnutzung verwirklicht, die bodenrechtliche Struktur des Vorhabengrundstücks damit verändert und seine Hauptnutzung (jedenfalls) in Richtung des Außenbereichs verschoben würde. 51Auch im Übrigen ergibt sich aus den tatsächlichen örtlichen Verhältnissen am Vorhabengrundstück, insbesondere dem Verlauf des Waldrandes, keine Verlagerung der Grenze des Innenbereichs zum Außenbereich nach Westen. 52Allerdings können es örtliche Besonderheiten wie etwa Geländehindernisse, Erhebungen oder Einschnitte (Dämme, Böschungen, Flüsse und dergleichen) rechtfertigen, dem Bebauungszusammenhang noch ein oder mehrere unbebaute Grundstücke bis zu einer sich aus der örtlichen Situation ergebenden natürlichen Grenze zuzuordnen. 53Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1990 – 4 C 40.87 –, juris, Rn. 22 sowie Beschlüsse vom 2. März 2000 – 4 B 15.00 –, juris, Rn. 4, vom 10. März 1994 – 4 B 50.94 –, juris, Rn. 3 und vom 27. Mai 1988 – 4 B 71.88 –, juris, Rn. 5. 54Wesentliche Gesichtspunkte sind dabei insbesondere Höhe und Ausdehnung des Geländehindernisses, der Erhebung oder des Einschnitts, inwieweit solche örtlichen Besonderheiten optisch markant bzw. prägend in Erscheinung treten und wie sich der Geländeverlauf im Übrigen darstellt. 55Vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. Oktober 2015 – 4 B 28.15 –, juris, Rn. 7; OVG NRW, Urteil vom 24. Juli 2000 – 10 A 5693/98 –, juris, Rn. 51 und Beschluss vom 16. Juni 2016 – 2 A 1795/15 –, juris, Rn. 17; Bayerischer VGH, Beschluss vom 19. Februar 2015 – 1 ZB 14.2696 –, juris, Rn. 3. 56Dementsprechend kann auch ein Waldrand als markante Grenze zu einem größeren forstwirtschaftlich nutzbaren Bereich als natürliche Grenze zwischen Innen- und Außenbereich anzusehen sein. Dies muss aber nicht immer oder auch nur regelmäßig so sein. Maßgeblich sind vielmehr auch insofern die konkreten Verhältnisse des Einzelfalls. 57Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. März 1972 – IV C 4.69 –, juris, Rn. 18 und Beschluss vom 8. Oktober 2015 – 4 B 28.15 –, juris, Rn. 7. 58Nach dem Ergebnis des Ortstermins stellt sich der Beginn des Waldes westlich des C. Wegs jedoch optisch nicht als eine solche natürliche Zäsur dar. Er tritt als solches nicht markant etwa in Form einer durchgehenden Grenzlinie in Erscheinung. Vielmehr ragt der Baumbestand auf dem Vorhabengrundstück wie auch auf den Nachbargrundstücken immer wieder in unregelmäßigen Abständen und unterschiedlicher Tiefe in die rückwärtigen Grundstücksbereiche hinein. 59Schließlich geht auch der Hinweis des Klägers, dass die festgesetzte Verbandsgrünfläche erst westlich des Vorhabenstandortes beginne, im vorliegenden Zusammenhang fehl. Ebenso wenig von Bedeutung ist, dass der Vorhabenstandort im RFNP noch als Wohnbaufläche dargestellt ist. Denn bei der Bestimmung der Weite des Bebauungszusammenhangs sind nur äußerlich erkennbare Umstände, d.h. mit dem Auge wahrnehmbare Gegebenheiten der vorhandenen Bebauung und der übrigen Geländeverhältnisse zu berücksichtigen. Maßgeblich hierfür ist, dass es bei der Grenzziehung zwischen Innen- und Außenbereich darum geht, inwieweit ein Grundstück zur Bebauung ansteht und sich aus dem tatsächlich Vorhandenen ein hinreichend verlässlicher Maßstab für die Zulassung weiterer Bebauung nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche gewinnen lässt. Die (be-)wertende Betrachtung der konkreten tatsächlichen Verhältnisse kann sich angesichts dieser vom Gesetzgeber vorgegebenen Kriterien nur nach optisch wahrnehmbaren Merkmalen richten. 60Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1990 – 4 C 40.87 –, juris, Rn. 24 und Beschluss vom 8. Oktober 2015 – 4 B 28.15 –, juris, Rn. 5. 61Angesichts dessen ist für die Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich die Art der Darstellung des Vorhabenstandorts in einem Flächennutzungs- oder Landschaftsplan schlichtweg unbeachtlich. 62Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 8. November 1999 – 4 B 85.99 –, juris, Rn. 4, vom 20. August 1998 – 4 B 79.98 –, juris, Rn. 6 und vom 15. Juli 1994 – 4 B 109.94 – juris, Rn. 6; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB-Kommentar, 143. EL August 2021, § 34 Rn. 25; Dürr, in: Brügelmann, BauGB – Kommentar, Stand: Januar 2022, § 34, Rn. 25. 63Johlen, in: Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl., § 34, Rn. 10. 64Nichts anderes gilt für den Verlauf der Festsetzung einer Verbandsgrünfläche. 652. Liegt der Vorhabenstandort somit im Außenbereich, ist das dort nicht nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegierte Wohnbauvorhaben nach § 35 Abs. 2 und 3 BauGB planungsrechtlich unzulässig. Denn es beeinträchtigt öffentliche Belange. 66Zwar widerspricht es nicht im Sinne des § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BauGB den Darstellungen des Flächennutzungsplanes, da dieser auch den Vorhabenstandort noch als Wohnbaufläche darstellt. 67Das Vorhaben lässt jedoch die Entstehung, alternativ die Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten, die in § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 BauGB als typischer Fall einer siedlungsstrukturell unerwünschten baulichen Außenbereichsnutzung genannt ist, die nach dem Willen des Gesetzgebers allgemein verhindert werden soll. Unerwünscht ist eine Splittersiedlung, wenn mit ihr ein Vorgang der Zersiedlung eingeleitet oder gar schon vollzogen wird. Als Grund für eine Missbilligung kommt unter anderem in Betracht, dass das Vorhaben eine weitreichende oder doch nicht genau übersehbare Vorbildwirkung besitzt und daher seine unabweisbare Konsequenz sein könnte, dass in nicht verlässlich eingrenzbarer Weise noch weitere Bauten hinzutreten werden. Hierfür reicht es aus, dass bei einer Zulassung des Vorhabens weitere ähnliche Vorhaben nicht verhindert werden könnten und der Außenbereich durch solche Vorhaben zersiedelt werden würde, die dort nach der gesetzgeberischen Wertung gerade nicht errichtet werden sollen. 68Vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Juni 2004 – 4 B 23.04 –, juris, Rn. 8; OVG NRW, Urteil vom 25. Februar 2019 – 10 A 21/17 –, juris, Rn. 59. 69Die Entstehung einer Splittersiedlung kann gerade auch durch die Ausuferung eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils anzunehmen sein, da auch durch einen solchen Vorgang eine städtebaulich unerwünschte Zersiedlung des Außenbereichs eintreten kann. 70Vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Februar 1976 – IV C 72.74 –, juris, Rn. 21 und vom 25. Januar 1985 – 4 C 29.81 –, juris, Rn. 11 sowie Beschluss vom 11. Oktober 1999 – 4 B 77.99 –, juris, Rn. 6; OVG NRW, Urteil vom 25. Februar 2019 – 10 A 21/17 –, juris, Rn. 61 und Beschluss vom 7. März 2006 – 10 A 1654/05 –, juris, Rn. 12. 71Die Zulassung des Vorhabens hätte eine Ausdehnung des südwestlichen Randes des Ortsteils T. in den bislang von Bebauung freigehaltenen Außenbereich zur Folge. Dies genügt nach Vorstehendem grundsätzlich bereits, um das Vorhaben als siedlungsstrukturell unerwünscht zu qualifizieren. 72Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. Februar 2019 – 10 A 21/17 –, juris, Rn. 61. 73Es ist darüber hinaus aber auch konkret geeignet, eine Nachfolgebebauung nach sich zu ziehen. Denn mit der Zulassung des Vorhabens würden jedenfalls Versagungsgründe für vergleichbare Bauvorhaben auf den südlich angrenzenden Grundstücken am C. Weg 000-000, aber auch auf dem nördlichen Nachbargrundstück am C. Weg 000 deutlich abgeschwächt. 74Dass – wie der Kläger anführt – eine Verfestigung einer Splittersiedlung nicht zu befürchten ist, wenn eine solche unerwünschte verfestigte Siedlung bereits vorhanden ist, das Hinzutreten einer weiteren baulichen Anlage aber zu einer solchen Verfestigung nichts mehr beitragen kann, 75vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. November 2010 – 4 B 45.10 –, juris, Rn. 4, 76steht dem schon deshalb nicht entgegen, weil die Durchführung des Vorhabens nicht zu einer solchen Verfestigung, sondern der Entstehung bzw. räumlichen Erweiterung einer Splittersiedlung führen würde. Denn mit dem Vorhaben würde nicht ein bisher schon von einer Splittersiedlung in Anspruch genommener räumlicher Bereich aufgefüllt und damit dessen Verfestigung vorangetrieben, 77vgl. zur gesetzlichen Begrifflichkeit insoweit: BVerwG, Urteil vom 3. Juni 1977 – 4 C 29.75 -, juris, Rn. 25, 78sondern eine neue Splittersiedlung in Form einer Ausdehnung der bebauten Ortslage in den Außenbereich geschaffen. Allenfalls könnte man stattdessen noch von einer räumlichen Erweiterung einer Splittersiedlung ausgehen, nämlich sofern man in den Gebäuden am C. Weg 000 und 000 bereits eine solche Ausdehnung sehen sollte. Jedenfalls befinden sich auf den hieran südlich anschließenden, oben in den Blick genommenen Grundstücken C. Weg 000-000 keine baulichen Anlagen, die bereits eine Splittersiedlung begründen. Der Begriff der Splittersiedlung ist zwar nicht auf Wohnhäuser beschränkt, sondern erfasst grundsätzlich auch andere Bauten, die mit dem Aufenthalt von Menschen verbunden sind, etwa auch Garagen. 79Vgl. BVerwG, Urteile vom 12. März 1998 – 4 C 10.97 –, juris, Rn. 21 und vom 9. Juni 1976 – IV C 42.74 –, juris, Rn. 15. 80Erforderlich ist aber jedenfalls eine Ansammlung bzw. Anhäufung zum – wenn auch eventuell nur gelegentlichen – Aufenthalt von Menschen geeigneter und bestimmter baulicher Anlagen. 81Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. April 2012 – 4 C 10.11 –, juris, Rn. 19 und Beschluss vom 17. März 2015 – 4 B 45.14 –, juris, Rn. 6; OVG NRW, Beschluss vom 7. Dezember 2021 – 10 A 1584/21 –, juris, Rn. 10. 82In der Tiefe des Vorhabenstandorts finden sich in dem genannten Bereich jedoch bisher keine baulichen Anlagen, die bereits die Annahme einer solchen Ansammlung bzw. Anhäufung rechtfertigen könnten. Auch nach Darstellung des Klägers sind insoweit bisher lediglich auf den Grundstücken C. Weg 000, 000a und 000 sowie dem unmittelbar daran südlich angrenzenden Flurstück 000 bauliche Anlagen in Form von drei Gartenhäusern, einem Swimmingpool und einer Doppelgarage vorhanden. Diese Anlagen fallen angesichts der Größe des fraglichen rückwärtigen Bereichs von etwa 40 m Tiefe (hinter den Terrassen bis hin zum Beginn des Waldes) und gut 150 m Breite, d.h. etwa 6000 m2 kaum ins Gewicht. 83Selbst wenn es sich aber insoweit bereits um eine Splittersiedlung handeln würde, wäre sie jedenfalls aufgrund der überwiegend noch vorhandenen rückwärtigen Freiflächen ohne weiteres einer weiteren Verfestigung zugänglich. 84Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. 85Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 11, 709 S. 2, 711 der Zivilprozessordnung. 86Rechtsmittelbelehrung: 87Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. 88Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 89Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. 90Die Berufung ist nur zuzulassen, 911. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 922. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 933. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 944. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 955. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. 96Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich einzureichen. 97Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen. 98Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen. 99Die Antragsschrift und die Zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. 100Beschluss: 101Der Streitwert wird auf 15.000,00 Euro festgesetzt. 102Gründe: 103Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes erfolgt und orientiert sich an den Ziffern 1.) a) und 5.) des Streitwertkatalogs der Bausenate des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. Januar 2019 (BauR 2019, 610). 104Rechtsmittelbelehrung: 105Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. 106Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 107Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 108Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt. 109Die Beschwerdeschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. 110War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
die klage wird abgewiesen. der kläger trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der kläger darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe des auf grund des urteils vollstreckbaren betrags abwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung in gleicher höhe sicherheit leistet. 1
2der kläger ist eigentümer des nicht im geltungsbereich eines bebauungsplanes befindlichen und derzeit mit einem straßennahen einfamilienhaus bebauten grundstücks c. weg 000 (gemarkung t. , flur 00, flurstück 000 – im folgenden: vorhabengrundstück). das vorhabengrundstück liegt an der nordwestlichen straßenseite im südwestlichen bereich des ortsteils t. unmittelbar am rande einer waldfläche, die sich von dort nach westen über die grenze zur stadt e. bis hin zur bundesautobahn 0 erstreckt. die nordwestliche straßenseite des c. wegs ist auch in der umgebung überwiegend straßennah bebaut. vor allem nördlich, teilweise aber auch südlich des vorhabengrundstücks reichen einzelne wohnhäuser aber auch tiefer in den rückwärtigen bereich hinein – so etwa am c. weg 000 und 000 (im süden) bzw. 000, 000, 000-000e sowie 000 (im norden). außerdem befinden sich hinter der straßennahen bebauung im südlichen bereich sonstige bauliche anlagen, wie etwa eine doppelgarage (auf dem flurstück 000 zwischen den hausnummern 000 und 000), ein swimmingpool (hausnummer 000) und mehrere gartenhäuser (z.b. hausnummern 000, 000a und 000). 3unter dem 5. februar 2021 – bei der bauaufsicht der beklagten am 8. februar 2021 eingegangen – beantragte der kläger einen zunächst nicht weiter konkretisierten vorbescheid für die errichtung eines eingeschossigen wohngebäudes mit einer tiefe von 15 m, einer breite von 12,50 m und einem umbauten raum von 1148,44 m³ (im folgenden: vorhaben), das etwa 16m westlich des bestandsgebäudes auf dem vorhabengrundstück beginnen und bis zu einer tiefe von etwa 50 m vom straßenrand reichen sowie einen abstand zu den nachbargrenzen von mindestens 3 m wahren sollte (im folgenden: vorhabenstandort). gleichzeitig war der abbruch des bestandsgebäudes vorgesehen. im regionalen flächennutzungsplan der planungsgemeinschaft t1. s. (xxxx) ist der vorhabenstandort als wohnbaufläche dargestellt. 4mit bescheid vom 31. märz 2021 lehnte die beklagte die bauvoranfrage ab und führte zur begründung aus: das vorhaben sei bauplanungsrechtlich unzulässig. das vorhabengrundstück liege nicht innerhalb eines im zusammenhang bebauten ortsteils. die grenze zwischen der so bebauten fläche und dem außenbereich verlaufe an der rückseite der vorhandenen wohngebäude entlang. die planungsrechtliche zulässigkeit des vorhabens richte sich daher nach § 35 des baugesetzbuches (baugb). die dortigen gesetzlichen regelungen, insbesondere § 35 abs. 3 s. 1 nr. 5 baugb dienten dazu, die außenbereichslandschaft in ihrer bestimmung für die naturgegebene bodennutzung sowie als erholungslandschaft für die allgemeinheit zu erhalten und in dieser natürlichen funktion und eigenart vor dem eindringen oder verfestigen wesensfremder nutzung zu schützen. das nicht privilegierte vorhaben widerspreche jedoch der für die landschaft charakteristischen bodennutzung und somit dem grundsätzlichen schutzgedanken des außenbereichs und beeinträchtige auch seine aufgabe als erholungsgebiet erheblich. außerdem würde die genehmigung für die errichtung eines wohngebäudes an der vorgesehenen stelle zu einer unerwünschten entwicklung führen, weil gleichartige vorhaben auf den benachbarten grundstücken nicht verhindert werden könnten. 5mit der am 23. april 2021 erhobenen klage trägt der kläger vor: der vorhabenstandort gehöre zu dem im zusammenhang bebauten ortsteil im sinne des § 34 baugb, nämlich der geschlossenen und einheitlich verkehrstechnisch erschlossenen fast ausschließlichen wohnbebauung entlang des c. wegs und seiner nebenstraßen. das vorhaben füge sich nach art und maß der baulichen nutzung, der bauweise und der grundstücksfläche, die überbaut werden solle, ohne weiteres in die eigenart der näheren umgebung ein. der ortsteil ende nicht direkt hinter den vorhandenen baukörpern, sondern erstrecke sich auch auf den gartenbereich. dort befänden sich auf den südlich angrenzenden grundstücken garagen, gartenhäuser und schwimmbecken, die teilweise tiefer lägen als der geplante baukörper. in der unmittelbaren nördlichen nachbarschaft seien grundstücke teilweise sogar noch weiter zurückliegend als mit dem vorhaben geplant bebaut – so am c. weg 000, 000 und 000. genauso tief wie das vorhaben reiche zudem noch die bebauung am c. weg 000-000e in den rückwärtigen bereich hinein. das vorhaben füge sich optisch in eine vorhandene bebauung ein, die nicht nur von einer geraden linie von gebäuden entlang der straße geprägt sei, sondern immer wieder auch von deutlich zurückgesetzt errichteten gebäuden und erheblichen nebenanlagen. dementsprechend könne vom vorhaben auch nicht die von der beklagten befürchtete negative vorbildfunktion ausgehen. nicht erst dieses vorhaben würde in einem neuen und zu beanstandenden sinne prägend werden. vor diesem hintergrund sei das vorhaben nicht negatives vorbild, sondern eher nachzügler. darüber hinaus ende ein bebauungszusammenhang im sinne des § 34 abs. 1 baugb zwar grundsätzlich mit der letzten vorhandenen bebauung, erfasse aber auch zurück gelegene grundstücksbereiche, wenn sie – wie hier – ohne weiteres erkennbar den weiter nach vorne gebauten gebäuden zugeordnet und von nebenanlagen geprägt seien. hierzu werde auf die entscheidung des oberverwaltungsgerichts für das land schleswig-holstein vom 23. november 1994 verwiesen. im übrigen sei der bebauungszusammenhang, selbst wenn man ihn anhand der letzten hauptbebauung definiere, weiter zu ziehen als von der beklagten angenommen. insbesondere erstrecke er sich auch auf die häuser am c. weg 000 und 000. entsprechend der entscheidung des bundesverwaltungsgerichts vom 1. dezember 1972 (bverwge 41, 227) müsse die insoweit zu berücksichtigende bebauung gerade keine organische siedlungsstruktur aufweisen oder einem bestimmten ordnungsbild entsprechen. die nähere umgebung reiche dabei soweit, wie sich die ausführung des geplanten vorhabens auswirken können und die umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen charakter des baugrundstücks präge oder doch beeinflusse, wobei für die bewertung die örtlichen, optisch wahrnehmbaren gegebenheiten maßgeblich seien. danach seien vorliegend die objekte 000, 000 und 000, aber auch 000 und 000 zu berücksichtigen. dementsprechend habe die beklagte in einem anderweitigen baugenehmigungsverfahren, das unmittelbare nachbargrundstück c. weg 000 auch wie selbstverständlich dem innenbereich nach § 34 baugb zugeordnet. selbst wenn man dies, wie die beklagte nunmehr erkennen lasse, lediglich auf den bereich bis zu dem letzten baukörper in form des gemauerten toilettenhauses begrenze, ergebe sich eine jetzt schon optisch deutlich wahrnehmbare verschiebung der wohnbebauung in den rückwärtigen grundstücksbereichen zum waldrand. auch wenn man die objekte 000 und 000 außer betracht lasse, ergebe sich auch hinsichtlich der objekte 000-000 kein einheitliches, mehr oder minder straßenseitiges erscheinungsbild, sondern ein sehr deutlicher bogen mit den am stärksten in den rückwärtigen bereich ragenden enden sowohl im norden als auch im süden. die zuordnung des vorhabenstandorts zum bebauungszusammenhang decke sich im übrigen auch damit, dass die festgesetzte verbandsgrünfläche erst jenseits beginne. 6äußerst vorsorglich sei ausführen, dass das vorhaben aber auch bei einer beurteilung nach § 35 baugb zulässig wäre. angesichts der obigen ausführungen fehle es an einer wesensfremden nutzung der betreffenden flächen, sodass das vorhaben die natürliche eigenart der landschaft nicht berühre, zumal der xxxx den vorhabenstandort ausdrücklich als wohnbaufläche darstelle. auch sei die entstehung einer splittersiedlung nicht zu befürchten, da das siedlungsbild bereits durch über die gesamte grundstückstiefe vorhandene haupt- und nebenanlagen geprägt sei. es handele sich allenfalls um zulässige streubebauung, nicht aber um eine splittersiedlung. selbst wenn eine splittersiedlung vorläge, sei diese jedoch bereits verfestigt, sodass das vorhaben entsprechend der entscheidung des bundesverwaltungsgerichts vom 10. november 2010 (iv b 45.10) nicht mehr zu einer solchen verfestigung beitrage und daher auch nicht unzulässig sei. 7das gericht hat im rahmen eines ortstermins am 4. märz 2022 durch inaugenscheinnahme der örtlichkeit beweis erhoben. zum ergebnis der beweisaufnahme wird auf das protokoll des ortstermins verwiesen. 8im ortstermin hat der kläger seine bauvoranfrage dahingehend konkretisiert, dass sie sich auf die gesamte planungsrechtliche zulässigkeit des vorhabens bezieht. 9dementsprechend beantragt er nach präzisierung im ortstermin, 10die beklagte unter aufhebung ihres bescheides vom 31. märz 2021 zu verpflichten, ihm entsprechend seinem antrag vom 5./8. februar 2021 einen bauplanungsrechtlichen bauvorbescheid zur errichtung eines eingeschossigen wohngebäudes auf dem grundstück c. weg 000 in n. an der s. (gemarkung t. , flur 00, flurstück 000) zu erteilen. 11die beklagte beantragt schriftsätzlich, 12die klage abzuweisen. 13sie führt ergänzend aus: die hinteren grundstücksbereiche ab hausnummer 000 in südlicher richtung vermittelten auch deshalb keinen bebauungszusammenhang, weil auf ihnen keine hauptnutzungen vorhanden seien, die den eindruck der zusammengehörigkeit und geschlossenheit vermitteln könnten. dort befänden sich keine relevanten zum dauernden aufenthalt von menschen bestimmten anlagen, sondern lediglich wohnakzessorische nebenanlagen. jenseits der vorhandenen straßenrandbebauung fehle es daher an einer organischen siedlungsstruktur. dass es mit den bebauten grundstücken am c. weg 000 und 000 hinsichtlich der dort vorhandenen bautiefen eine andere bebauungsstruktur gebe, vermittle für das vorhabengrundstück keinen bebauungszusammenhang. da es insoweit auf grundstücks- und parzellengrenzen nicht ankomme, sei ein bebautes grundstück auch nicht regelmäßig in seiner vollen ausdehnung dem bebauungszusammenhang zuzurechnen. schließlich seien für dessen bestimmung auch die darstellungen eines flächennutzungsplanes nicht maßgeblich. der kläger verkenne bei seiner gegenteiligen argumentation, dass es keine schematische grenzziehung zwischen innen- und außenbereich gebe, der außenbereich vielmehr grundsätzlich und so auch hier unmittelbar an der hinteren hauskante des bestehenden gebäudes auf dem vorhabengrundstück beginne. eine allgemein zu ziehende linie des bebauungszusammenhangs anhand des am weitesten in den außenbereich ragenden gebäudes, wie sie offenbar dem kläger mit seinem hinweis auf die bebauung am c. weg 000, 000, 000 oder auch 000 vorschwebe, verbiete sich daher. zu dem vom kläger angeführten anderweitigen baugenehmigungsverfahren sei darauf hinzuweisen, dass der entscheidung über den dortigen bauantrag vorbehalten sei, wie weit auf dem nachbargrundstück der innenbereich zu ziehen sei. das im außenbereich nicht privilegierte sonstige vorhaben beeinträchtige öffentliche belange, jedenfalls im sinne des § 35 abs. 3 s. 1 nr. 7 baugb. auch durch die ausuferung eines im zusammenhang bebauten ortsteils könne eine städtebaulich unerwünschte zersiedlung des außenbereichs eintreten und eine splittersiedlung entstehen. da die zulassung des vorhabens eine weitere ausdehnung des westlichen ortsrands in den bislang von bebauung freigehaltenen außenbereich zur folge hätte, sei eine solche weitere zersiedlung auch konkret zu befürchten, zumal sich in der unmittelbaren nachbarschaft des vorhabengrundstücks mehrere, in vergleichbarer weise zur bebauung geeignete grundstücke befänden, für die das vorhaben vorbildwirkung entfalten würde. 14im ortstermin haben die beteiligten übereinstimmend für den fall einer fortsetzung des verfahrens auf die durchführung einer mündlichen verhandlung verzichtet. 15wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird ergänzend auf den inhalt der gerichtsakte und des verwaltungsvorgangs der beklagten bezug genommen. 16
17mit dem im ortstermin übereinstimmend erklärten einverständnis der beteiligten kann das gericht gemäß § 101 abs. 2 der verwaltungsgerichtsordnung (vwgo) ohne mündliche verhandlung entscheiden. 18die zulässige klage ist unbegründet. 19die gegenüber dem kläger mit bescheid der beklagten vom 31. märz 2021 erfolgte versagung der erteilung eines positiven bauvorbescheides zur planungsrechtlichen zulässigkeit der errichtung eines eingeschossigen wohngebäudes auf dem grundstück c. weg 000 in n. an der s. (gemarkung t. , flur 00, flurstück 000) ist rechtmäßig und verletzt den kläger nicht in seinen rechten (§ 113 abs. 5 s. 1 vwgo). denn der kläger hat keinen anspruch auf die erteilung eines entsprechenden positiven bauvorbescheides. 20nach § 77 abs. 1 s. 1 und s. 4 i.v.m. § 74 abs. 1 der bauordnung für das land nordrhein-westfalen (bauo nrw 2018) ist vor einreichung des bauantrags auf antrag der bauherrin oder des bauherrn zu einzelnen fragen des bauvorhabens ein vorbescheid zu erteilen, wenn dem vorhaben im umfang der bauvoranfrage keine öffentlich-rechtlichen vorschriften entgegenstehen. diese voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. denn das vorhaben ist bauplanungsrechtlich unzulässig. 21das vorhaben soll im außenbereich errichtet werden (1.) und ist dort nach § 35 baugb nicht zulässig (2.) 221. der vorhabenstandort, der nicht vom geltungsbereich eines bebauungsplanes erfasst wird, liegt auch nicht innerhalb eines im zusammenhang bebauten ortsteils im sinne des § 34 abs. 1 baugb. er nimmt nicht an dem bebauungszusammenhang teil, der sich an der nordwestlichen seite des c. wegs erstreckt. 23auf die vom kläger in seinen stellungnahmen behandelten fragen, wie weit bei anwendung des § 34 abs. 1 baugb der bereich der näheren umgebung zu ziehen ist und ob sich das vorhaben (insbesondere nach der überbaubaren grundstücksfläche) in deren eigenart einfügt, kommt es daher gar nicht an. diese fragen spielen für die abgrenzung des innenbereichs im sinne des § 34 baugb vom außenbereich im sinne des § 35 baugb keine rolle. 24ein bebauungszusammenhang reicht soweit, wie die aufeinanderfolgende bebauung trotz etwa vorhandener baulücken nach der verkehrsauffassung den eindruck der geschlossenheit und zusammengehörigkeit vermittelt: 25vgl. bverwg, urteil vom 30. juni 2015 – 4 c 5.14 –, juris, rn. 11 ff. m.w.n. 26hierüber ist allerdings nicht nach geographisch-mathematischen maßstäben, sondern aufgrund einer umfassenden wertung und bewertung des im einzelfall gegebenen konkreten sachverhalts zu entscheiden. grundlage und ausgangspunkt einer solchen wertenden und bewertenden beurteilung sind jedoch die tatsächlichen örtlichen gegebenheiten, also insbesondere die vorhandenen baulichen anlagen, sowie außerdem auch andere topographische verhältnisse. in aller regel endet ein bebauungszusammenhang am letzten baukörper. 27vgl. bverwg, urteil vom 12. dezember 1990 – 4 c 40.87 –, juris, rn. 22 sowie beschlüsse vom 8. oktober 2015 – 4 b 28.15 –, juris, rn. 6, vom 2. märz 2000 – 4 b 15.00 –, juris, rn. 4 und vom 10. märz 1994 – 4 b 50.94 –, juris, rn. 3 28dementsprechend kommt es für die bestimmung der grenzen des bebauungszusammenhangs auf die (lediglich formalen) grundstücksgrenzen nicht an, sodass die auf einem grundstück vorhandene bebauung typischerweise nicht das gesamte grundstück in den zusammenhang hineinzieht. 29vgl. bverwg, urteile vom 14. januar 1993 – 4 c 33.90 –, juris, rn. 10, vom 3. märz 1972 – iv c 4.69 –, juris, rn. 17 und vom 6. november 1968 – iv c 47.68 –, juris, rn. 19. 30von diesen grundsätzen ausgehend endet der an der nordwestlichen seite des c. wegs bestehende bebauungszusammenhang auf dem vorhabengrundstück an der nordwestlichen außenwand des vorhandenen bestandsgebäudes als dem letzten baukörper auf diesem grundstück, so dass sich der erst weiter westlich gelegene vorhabenstandort außerhalb des bebauungszusammenhangs befindet. 31dass der bebauungszusammenhang in diesem bereich – wie der kläger darlegt – hinsichtlich der bebauungstiefe kein einheitliches erscheinungsbild aufweist, sondern einen bogen mit den am stärksten in den rückwärtigen bereich ragenden enden im norden und süden bildet, ist im vorliegenden zusammenhang unbeachtlich. denn entsprechend dem oben beschriebenen ansatz ist die grenzlinie zwischen innen- und außenbereich bei einer unregelmäßigen bebauung des ortsrandes nicht in dem sinne künstlich zu begradigen, dass sie entlang der am weitesten in den außenbereich hineinragenden gebäude verläuft. vielmehr ist die grenzlinie grundsätzlich entlang jeder einzelnen bebauung zu ziehen und kann dabei durchaus auch vor- und zurückspringen. 32vgl. bverwg, beschluss vom 4. juli 1990 – 4 b 103.90 –, juris, rn. 2 und urteil vom 6. dezember 1967 – iv c 94.66 –, juris, rn. 26; dürr, in: brügelmann, baugb – kommentar, stand: januar 2022, § 34, rn. 28; spieß, in: jäde/dirnberger, baugb / baunvo – kommentar, 9. aufl., § 34, rn. 18. 33auch der einwand des klägers, dass der bebauungszusammenhang auch zurück gelegene grundstücksbereiche erfasse, wenn sie den weiter vorne errichteten gebäuden zugeordnet und von nebenanlagen geprägt seien, greift nicht durch. die damit angesprochene figur einer nach den umständen des einzelfalls in den bebauungszusammenhang einzubeziehenden fläche mit bebauungs- bzw. wohnakzessorischer nutzung in form von nebenanlagen wie gartenhäusern, hühnerställen, schuppen, spiel- oder sportanlagen, aber auch in form von freiflächen wie etwa einem garten, einem hof, einem stell- oder lagerplatz, 34vgl. bverwg, urteile vom 12. november 2014 – 9 c 7.13 –, juris, rn. 25 und vom 17. juni 1993 - 4 c 17.91 –, juris, rn. 12; ovg nrw, beschlüsse vom 25. februar 2014 – 2 a 1295/13 –, juris, rn. 18 und vom 13. juni 2013 – 7 a 2150/12 –, juris, rn. 5; bayerischer vgh, beschluss vom 27. januar 2010 – 9 zb 08.37 –, juris, rn. 3 f.; hamburgisches ovg, urteil vom 25. februar 2015 – 2 bf 213/11 –, juris, rn. 55; sächsisches ovg, urteil vom 6. juni 2018 – 5 a 532/17 –, juris, rn. 29; ovg saarland, urteile vom 27. januar 1982 – 2 r 22/81 –, brs 39 nr. 60, s. 127 (129) und vom 2. oktober 1981 – 2 z 2/80 –, brs 38 nr. 73, s. 163 (164 f.); ovg schleswig-holstein, urteil vom 23. november 1994 – 1 l 110/93 –, juris, rn. 14; söfker, in: ernst/zinkahn/bielenberg, baugb-kommentar, 143. el august 2021, § 34 rn. 25; dürr, in: brügelmann, baugb – kommentar, stand: januar 2022, § 34, rn. 27 und 29, 35begegnet bereits als solches nicht unbeachtlichen bedenken. denn damit hätte es der bauherr gegebenenfalls in der hand, durch die errichtung entsprechender nebenanlagen oder die anlage von der bebauung zugeordneter freiflächen aus außenbereichsflächen immer wieder zusätzliche innenbereichsflächen zu schaffen, was zu einer weitgehenden besiedlung des außenbereichs führen könnte. 36vgl. bayerischer vgh, urteil vom 13. dezember 2018 – 2 b 18.1797 –, juris, rn. 26, entsprechend eingrenzend aber auch schon beschluss vom 27. januar 2010 – 9 zb 08.37 –, juris, rn. 4; johlen, in: berliner kommentar zum baugb, 3. aufl., § 34, rn. 6. 37jedenfalls aber können ausgehend vom grundlegenden erfordernis des eindrucks der zusammengehörigkeit und geschlossenheit einem wohnhaus allenfalls solche anlagen und flächen als akzessorisch zugerechnet werden, die ihm optisch ohne weiteres erkennbar als nebenanlage oder außenwohnbereich zugeordnet sind und in einem angemessenen verhältnis zur hauptanlage stehen. 38vgl. bverwg, urteil vom 17. juni 1993 - 4 c 17.91 –, juris, rn. 12; bayerischer vgh, beschluss vom 27. januar 2010 – 9 zb 08.37 –, juris, rn. 3 f. 39dieser bereich erstreckt sich auf einen verhältnismäßig schmalen streifen (nah) „hinter“ dem hauptgebäude, soweit dieser durch die vorhandenen baulichkeiten geprägt und „bauakzessorisch“ in form einer nebenanlage, als hausgarten oder dem wohnen zugeordneter erholungsbereich genutzt wird. 40vgl. ovg schleswig-holstein, beschluss vom 26. september 2012 – 1 la 42/12 –, juris, rn. 11. 41nicht als akzessorisch erfasst werden danach jedoch solche flächen, die einer selbständigen baulichen nutzung zugeführt werden können. 42vgl. ovg nrw, beschluss vom 11. juni 2004 – 7 a 1475/04 –, juris, rn. 10. 43für die abgrenzung gilt ein restriktiver, den außenbereich möglichst schonender maßstab. 44vgl. ovg schleswig-holstein, beschluss vom 26. september 2012 – 1 la 42/12 –, juris, rn. 11; zu alledem auch: weiß-ludwig, abgrenzung innen- und außenbereich – „ein – nicht nur – bauplanungsrechtlicher dauerbrenner“, nordör 2018, 1 (5 f.). 45hiervon ausgehend liegt der vorhabenstandort nach dem eindruck im ortstermin nicht auf einer solchen bebauungsakzessorischen fläche. auf dem vorhabengrundstück verfügt das bestandsgebäude als letzter baukörper vielmehr unmittelbar hinter seiner westlichen und südlichen außenwand bereits über einen außenwohnbereich, der nach westen hin durch bäume abgegrenzt ist. der vorhabenstandort selbst beginnt dagegen erst mehr als 16m westlich des eigentlichen bestandsgebäudes, stellt sich daher nicht mehr als hausnah dar, sondern liegt in einem größeren grundstücksbereich, bei dem es sich um eine zum anschließenden wald ansteigende rasenfläche handelt, die dem bestandsgebäude nicht mehr als außenwohnbereich zugeordnet werden kann, 46vgl. zu entsprechend unbebauten garten- bzw. freiflächen in ortsrandlage: ovg nrw, urteil vom 8. oktober 2018 – 10 a 1803/16 –, juris, rn, 31 ff.; bayerischer vgh, urteil vom 13. dezember 2018 – 2 b 18.1797 –, juris, rn. 26 und beschluss vom 19. dezember 2017 – 1 zb 16.1301 –, juris, rn. 6; söfker, in: ernst/zinkahn/bielenberg, baugb-kommentar, 143. el august 2021, § 34 rn. 25, 47sondern einer selbständigen baulichen nutzung zugeführt werden könnte und vom kläger auch soll. seine bloße eingrenzung durch eine mauer nach norden und einen zaun nach süden führt allein nicht zu der erforderlichen zuordnung zum vorhandenen wohnhaus. 48selbst wenn man aber eine solche akzessorietät auch für den vorhabenstandort noch annehmen würde, ließe sich damit die planungsrechtliche zulässigkeit einer dortigen wohnbebauung nicht rechtfertigen. denn in einem allein aufgrund dieser akzessorietät in den innenbereich einbezogenen hinteren grundstücksteil kann ausgehend von sinn und zweck dieser einbeziehung zur vermeidung einer planungsrechtlichen unzulässigkeit der dortigen „nebenanlage“ auch nur ein vorhaben verwirklicht werden, dass der speziellen funktion dieses bereichs als ergänzung der nutzung des hauptgebäudes entspricht und nicht – wie das vorhaben – selbst eine hauptnutzung darstellt. 49vgl. dürr, in: brügelmann, baugb – kommentar, stand: januar 2022, § 34, rn. 29; so im ergebnis auch: ovg saarland, urteil vom 2. oktober 1981 – 2 z 2/80 –, brs 38 nr. 73, s. 163 (165); ovg mecklenburg-vorpommern, urteil vom 5. juli 2001 – 3 l 197/00 –, juris. 50dass das bestandsgebäude im zuge der durchführung des vorhabens abgerissen werden soll, steht dieser einschätzung nicht entgegen. denn dies würde nichts daran ändern, dass auf einem vormals (allenfalls) akzessorisch genutzten bereich erstmals eine hauptnutzung verwirklicht, die bodenrechtliche struktur des vorhabengrundstücks damit verändert und seine hauptnutzung (jedenfalls) in richtung des außenbereichs verschoben würde. 51auch im übrigen ergibt sich aus den tatsächlichen örtlichen verhältnissen am vorhabengrundstück, insbesondere dem verlauf des waldrandes, keine verlagerung der grenze des innenbereichs zum außenbereich nach westen. 52allerdings können es örtliche besonderheiten wie etwa geländehindernisse, erhebungen oder einschnitte (dämme, böschungen, flüsse und dergleichen) rechtfertigen, dem bebauungszusammenhang noch ein oder mehrere unbebaute grundstücke bis zu einer sich aus der örtlichen situation ergebenden natürlichen grenze zuzuordnen. 53vgl. bverwg, urteil vom 12. dezember 1990 – 4 c 40.87 –, juris, rn. 22 sowie beschlüsse vom 2. märz 2000 – 4 b 15.00 –, juris, rn. 4, vom 10. märz 1994 – 4 b 50.94 –, juris, rn. 3 und vom 27. mai 1988 – 4 b 71.88 –, juris, rn. 5. 54wesentliche gesichtspunkte sind dabei insbesondere höhe und ausdehnung des geländehindernisses, der erhebung oder des einschnitts, inwieweit solche örtlichen besonderheiten optisch markant bzw. prägend in erscheinung treten und wie sich der geländeverlauf im übrigen darstellt. 55vgl. bverwg, beschluss vom 8. oktober 2015 – 4 b 28.15 –, juris, rn. 7; ovg nrw, urteil vom 24. juli 2000 – 10 a 5693/98 –, juris, rn. 51 und beschluss vom 16. juni 2016 – 2 a 1795/15 –, juris, rn. 17; bayerischer vgh, beschluss vom 19. februar 2015 – 1 zb 14.2696 –, juris, rn. 3. 56dementsprechend kann auch ein waldrand als markante grenze zu einem größeren forstwirtschaftlich nutzbaren bereich als natürliche grenze zwischen innen- und außenbereich anzusehen sein. dies muss aber nicht immer oder auch nur regelmäßig so sein. maßgeblich sind vielmehr auch insofern die konkreten verhältnisse des einzelfalls. 57vgl. bverwg, urteil vom 3. märz 1972 – iv c 4.69 –, juris, rn. 18 und beschluss vom 8. oktober 2015 – 4 b 28.15 –, juris, rn. 7. 58nach dem ergebnis des ortstermins stellt sich der beginn des waldes westlich des c. wegs jedoch optisch nicht als eine solche natürliche zäsur dar. er tritt als solches nicht markant etwa in form einer durchgehenden grenzlinie in erscheinung. vielmehr ragt der baumbestand auf dem vorhabengrundstück wie auch auf den nachbargrundstücken immer wieder in unregelmäßigen abständen und unterschiedlicher tiefe in die rückwärtigen grundstücksbereiche hinein. 59schließlich geht auch der hinweis des klägers, dass die festgesetzte verbandsgrünfläche erst westlich des vorhabenstandortes beginne, im vorliegenden zusammenhang fehl. ebenso wenig von bedeutung ist, dass der vorhabenstandort im rfnp noch als wohnbaufläche dargestellt ist. denn bei der bestimmung der weite des bebauungszusammenhangs sind nur äußerlich erkennbare umstände, d.h. mit dem auge wahrnehmbare gegebenheiten der vorhandenen bebauung und der übrigen geländeverhältnisse zu berücksichtigen. maßgeblich hierfür ist, dass es bei der grenzziehung zwischen innen- und außenbereich darum geht, inwieweit ein grundstück zur bebauung ansteht und sich aus dem tatsächlich vorhandenen ein hinreichend verlässlicher maßstab für die zulassung weiterer bebauung nach art und maß der baulichen nutzung, der bauweise und der überbaubaren grundstücksfläche gewinnen lässt. die (be-)wertende betrachtung der konkreten tatsächlichen verhältnisse kann sich angesichts dieser vom gesetzgeber vorgegebenen kriterien nur nach optisch wahrnehmbaren merkmalen richten. 60vgl. bverwg, urteil vom 12. dezember 1990 – 4 c 40.87 –, juris, rn. 24 und beschluss vom 8. oktober 2015 – 4 b 28.15 –, juris, rn. 5. 61angesichts dessen ist für die abgrenzung zwischen innen- und außenbereich die art der darstellung des vorhabenstandorts in einem flächennutzungs- oder landschaftsplan schlichtweg unbeachtlich. 62vgl. bverwg, beschlüsse vom 8. november 1999 – 4 b 85.99 –, juris, rn. 4, vom 20. august 1998 – 4 b 79.98 –, juris, rn. 6 und vom 15. juli 1994 – 4 b 109.94 – juris, rn. 6; söfker, in: ernst/zinkahn/bielenberg, baugb-kommentar, 143. el august 2021, § 34 rn. 25; dürr, in: brügelmann, baugb – kommentar, stand: januar 2022, § 34, rn. 25. 63johlen, in: berliner kommentar zum baugb, 3. aufl., § 34, rn. 10. 64nichts anderes gilt für den verlauf der festsetzung einer verbandsgrünfläche. 652. liegt der vorhabenstandort somit im außenbereich, ist das dort nicht nach § 35 abs. 1 baugb privilegierte wohnbauvorhaben nach § 35 abs. 2 und 3 baugb planungsrechtlich unzulässig. denn es beeinträchtigt öffentliche belange. 66zwar widerspricht es nicht im sinne des § 35 abs. 3 s. 1 nr. 1 baugb den darstellungen des flächennutzungsplanes, da dieser auch den vorhabenstandort noch als wohnbaufläche darstellt. 67das vorhaben lässt jedoch die entstehung, alternativ die erweiterung einer splittersiedlung befürchten, die in § 35 abs. 3 s. 1 nr. 7 baugb als typischer fall einer siedlungsstrukturell unerwünschten baulichen außenbereichsnutzung genannt ist, die nach dem willen des gesetzgebers allgemein verhindert werden soll. unerwünscht ist eine splittersiedlung, wenn mit ihr ein vorgang der zersiedlung eingeleitet oder gar schon vollzogen wird. als grund für eine missbilligung kommt unter anderem in betracht, dass das vorhaben eine weitreichende oder doch nicht genau übersehbare vorbildwirkung besitzt und daher seine unabweisbare konsequenz sein könnte, dass in nicht verlässlich eingrenzbarer weise noch weitere bauten hinzutreten werden. hierfür reicht es aus, dass bei einer zulassung des vorhabens weitere ähnliche vorhaben nicht verhindert werden könnten und der außenbereich durch solche vorhaben zersiedelt werden würde, die dort nach der gesetzgeberischen wertung gerade nicht errichtet werden sollen. 68vgl. bverwg, beschluss vom 24. juni 2004 – 4 b 23.04 –, juris, rn. 8; ovg nrw, urteil vom 25. februar 2019 – 10 a 21/17 –, juris, rn. 59. 69die entstehung einer splittersiedlung kann gerade auch durch die ausuferung eines im zusammenhang bebauten ortsteils anzunehmen sein, da auch durch einen solchen vorgang eine städtebaulich unerwünschte zersiedlung des außenbereichs eintreten kann. 70vgl. bverwg, urteile vom 13. februar 1976 – iv c 72.74 –, juris, rn. 21 und vom 25. januar 1985 – 4 c 29.81 –, juris, rn. 11 sowie beschluss vom 11. oktober 1999 – 4 b 77.99 –, juris, rn. 6; ovg nrw, urteil vom 25. februar 2019 – 10 a 21/17 –, juris, rn. 61 und beschluss vom 7. märz 2006 – 10 a 1654/05 –, juris, rn. 12. 71die zulassung des vorhabens hätte eine ausdehnung des südwestlichen randes des ortsteils t. in den bislang von bebauung freigehaltenen außenbereich zur folge. dies genügt nach vorstehendem grundsätzlich bereits, um das vorhaben als siedlungsstrukturell unerwünscht zu qualifizieren. 72vgl. ovg nrw, urteil vom 25. februar 2019 – 10 a 21/17 –, juris, rn. 61. 73es ist darüber hinaus aber auch konkret geeignet, eine nachfolgebebauung nach sich zu ziehen. denn mit der zulassung des vorhabens würden jedenfalls versagungsgründe für vergleichbare bauvorhaben auf den südlich angrenzenden grundstücken am c. weg 000-000, aber auch auf dem nördlichen nachbargrundstück am c. weg 000 deutlich abgeschwächt. 74dass – wie der kläger anführt – eine verfestigung einer splittersiedlung nicht zu befürchten ist, wenn eine solche unerwünschte verfestigte siedlung bereits vorhanden ist, das hinzutreten einer weiteren baulichen anlage aber zu einer solchen verfestigung nichts mehr beitragen kann, 75vgl. bverwg, beschluss vom 10. november 2010 – 4 b 45.10 –, juris, rn. 4, 76steht dem schon deshalb nicht entgegen, weil die durchführung des vorhabens nicht zu einer solchen verfestigung, sondern der entstehung bzw. räumlichen erweiterung einer splittersiedlung führen würde. denn mit dem vorhaben würde nicht ein bisher schon von einer splittersiedlung in anspruch genommener räumlicher bereich aufgefüllt und damit dessen verfestigung vorangetrieben, 77vgl. zur gesetzlichen begrifflichkeit insoweit: bverwg, urteil vom 3. juni 1977 – 4 c 29.75 -, juris, rn. 25, 78sondern eine neue splittersiedlung in form einer ausdehnung der bebauten ortslage in den außenbereich geschaffen. allenfalls könnte man stattdessen noch von einer räumlichen erweiterung einer splittersiedlung ausgehen, nämlich sofern man in den gebäuden am c. weg 000 und 000 bereits eine solche ausdehnung sehen sollte. jedenfalls befinden sich auf den hieran südlich anschließenden, oben in den blick genommenen grundstücken c. weg 000-000 keine baulichen anlagen, die bereits eine splittersiedlung begründen. der begriff der splittersiedlung ist zwar nicht auf wohnhäuser beschränkt, sondern erfasst grundsätzlich auch andere bauten, die mit dem aufenthalt von menschen verbunden sind, etwa auch garagen. 79vgl. bverwg, urteile vom 12. märz 1998 – 4 c 10.97 –, juris, rn. 21 und vom 9. juni 1976 – iv c 42.74 –, juris, rn. 15. 80erforderlich ist aber jedenfalls eine ansammlung bzw. anhäufung zum – wenn auch eventuell nur gelegentlichen – aufenthalt von menschen geeigneter und bestimmter baulicher anlagen. 81vgl. bverwg, urteil vom 19. april 2012 – 4 c 10.11 –, juris, rn. 19 und beschluss vom 17. märz 2015 – 4 b 45.14 –, juris, rn. 6; ovg nrw, beschluss vom 7. dezember 2021 – 10 a 1584/21 –, juris, rn. 10. 82in der tiefe des vorhabenstandorts finden sich in dem genannten bereich jedoch bisher keine baulichen anlagen, die bereits die annahme einer solchen ansammlung bzw. anhäufung rechtfertigen könnten. auch nach darstellung des klägers sind insoweit bisher lediglich auf den grundstücken c. weg 000, 000a und 000 sowie dem unmittelbar daran südlich angrenzenden flurstück 000 bauliche anlagen in form von drei gartenhäusern, einem swimmingpool und einer doppelgarage vorhanden. diese anlagen fallen angesichts der größe des fraglichen rückwärtigen bereichs von etwa 40 m tiefe (hinter den terrassen bis hin zum beginn des waldes) und gut 150 m breite, d.h. etwa 6000 m2 kaum ins gewicht. 83selbst wenn es sich aber insoweit bereits um eine splittersiedlung handeln würde, wäre sie jedenfalls aufgrund der überwiegend noch vorhandenen rückwärtigen freiflächen ohne weiteres einer weiteren verfestigung zugänglich. 84die kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 abs. 1 vwgo. 85die entscheidung zur vorläufigen vollstreckbarkeit folgt aus § 167 abs. 1 und 2 vwgo in verbindung mit den §§ 708 nr. 11, 709 s. 2, 711 der zivilprozessordnung. 86rechtsmittelbelehrung: 87gegen dieses urteil kann innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) schriftlich die zulassung der berufung beantragt werden. der antrag muss das angefochtene urteil bezeichnen. 88auf die ab dem 1. januar 2022 unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 89innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils sind die gründe darzulegen, aus denen die berufung zuzulassen ist. 90die berufung ist nur zuzulassen, 911. wenn ernstliche zweifel an der richtigkeit des urteils bestehen, 922. wenn die rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche schwierigkeiten aufweist, 933. wenn die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat, 944. wenn das urteil von einer entscheidung des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen, des bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen senats der obersten gerichtshöfe des bundes oder des bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser abweichung beruht oder 955. wenn ein der beurteilung des berufungsgerichts unterliegender verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die entscheidung beruhen kann. 96die begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem antrag vorgelegt worden ist, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen (aegidiikirchplatz 5, 48143 münster oder postfach 6309, 48033 münster) schriftlich einzureichen. 97über den antrag entscheidet das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen. 98im berufungs- und berufungszulassungsverfahren müssen sich die beteiligten durch prozessbevollmächtigte vertreten lassen. dies gilt auch für prozesshandlungen, durch die das verfahren eingeleitet wird. die beteiligten können sich durch einen rechtsanwalt oder einen rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten hochschule eines mitgliedstaates der europäischen union, eines anderen vertragsstaates des abkommens über den europäischen wirtschaftsraum oder der schweiz, der die befähigung zum richteramt besitzt, als bevollmächtigten vertreten lassen. auf die zusätzlichen vertretungsmöglichkeiten für behörden und juristische personen des öffentlichen rechts einschließlich der von ihnen zur erfüllung ihrer öffentlichen aufgaben gebildeten zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 abs. 4 satz 4 vwgo und § 5 nr. 6 des einführungsgesetzes zum rechtsdienstleistungsgesetz – rdgeg –). darüber hinaus sind die in § 67 abs. 2 satz 2 nr. 3 bis 7 vwgo bezeichneten personen und organisationen unter den dort genannten voraussetzungen als bevollmächtigte zugelassen. 99die antragsschrift und die zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst zweifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. 100beschluss: 101der streitwert wird auf 15.000,00 euro festgesetzt. 102gründe: 103die festsetzung des streitwertes ist nach § 52 abs. 1 des gerichtskostengesetzes erfolgt und orientiert sich an den ziffern 1.) a) und 5.) des streitwertkatalogs der bausenate des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen vom 22. januar 2019 (baur 2019, 610). 104rechtsmittelbelehrung: 105gegen den streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur niederschrift des urkundsbeamten der geschäftsstelle bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) beschwerde eingelegt werden, über die das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen in münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der zivilprozessordnung gilt entsprechend. 106auf die ab dem 1. januar 2022 unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 107die beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs monaten eingelegt wird, nachdem die entscheidung in der hauptsache rechtskraft erlangt oder das verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der streitwert später als einen monat vor ablauf dieser frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines monats nach zustellung oder formloser mitteilung des festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 108die beschwerde ist nicht gegeben, wenn der wert des beschwerdegegenstandes 200,-- euro nicht übersteigt. 109die beschwerdeschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. 110war der beschwerdeführer ohne sein verschulden verhindert, die frist einzuhalten, ist ihm auf antrag von dem gericht, das über die beschwerde zu entscheiden hat, wiedereinsetzung in den vorigen stand zu gewähren, wenn er die beschwerde binnen zwei wochen nach der beseitigung des hindernisses einlegt und die tatsachen, welche die wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. nach ablauf eines jahres, von dem ende der versäumten frist angerechnet, kann die wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
345,056
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26 K 8037/18
2022-04-29T00:00:00
Urteil
Tenor Das beklagte Land wird unter Aufhebung des Bescheides des M. für C. und W. Nordrhein-Westfalen vom 12. Oktober 2017 und des Widerspruchbescheides vom 6. September 2018 verurteilt, der Klägerin rückwirkend für die Zeiten vom 1. Juli 2016 bis zum 28. August 2018, vom 1. Februar 2019 bis zum 28. April 2019, vom 28. August 2019 bis zum 31. Januar 2020 sowie vom 1. August 2021 bis zum 31. Januar 2022 Besoldung in Höhe der Differenz zwischen der vollen Fachleiterzulage gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 LBesG NRW i.V.m. Anlage 15 LBesG NRW (in der jeweils geltenden Fassung) und der der Klägerin jeweils in gekürzter Höhe ausgezahlten Fachleiterzulage nachzuzahlen. Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Berufung wird zugelassen. 1Tatbestand: 2Die Klägerin begehrt für Zeiten ab dem 1. Juli 2016, in denen sie sich in Teilzeitbeschäftigung befand, die Gewährung der sog. Fachleiterzulage gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 des Besoldungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (LBesG NRW) in voller Höhe. 3Die am 00.00.1974 geborene Klägerin steht als verbeamtete Lehrerin im Dienst des beklagten Landes und hat seit Mai 2010 ein Statusamt der Besoldungsgruppe A 13 inne. In der Zeit ab dem 1. Juli 2016 war sie zunächst an der Realschule B. der G. – Schule der Sekundarstufe I – in H. tätig, bevor sie mit Wirkung vom 29. April 2019 an die Gesamtschule Y. -T. , Gesamtschule des Zweckverbandes Y. -T. – Sekundarstufen I und II – in Y. versetzt wurde. Seit dem 13. August 2009 ist die Klägerin zudem als Fachleiterin am Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung in L. tätig, wofür sie seither eine Fachleiterzulage erhält. 4Der Arbeitsumfang der Klägerin seit dem 1. Juli 2016 stellt sich wie folgt dar: 561. Juli 2016 – 23. August 2016: 16,00/28,00 Wochenstunden 724. August 2016 – 31. Januar 2018: 20,00/28,00 Wochenstunden 81. Februar 2018 – 28. August 2018: 22,00/28,00 Wochenstunden 929. August 2018 – 31. Januar 2019: 28,00/28,00 Wochenstunden 101. Februar 2019 – 28. April 2019: 26,00/28,00 Wochenstunden 1129. April 2019 – 27. August 2019: 25,50/25,50 Wochenstunden 1228. August 2019 – 31. Januar 2020: 23,50/25,50 Wochenstunden 131. Februar 2020 – 31. Juli 2021: 25,50/25,50 Wochenstunden 141. August 2021 – 31. Januar 2022: 22,00/25,50 Wochenstunden 15Seit 1. Februar 2022: 25,50/25,50 Wochenstunden 16Dabei entfielen – nach von der Beklagtenseite nicht bestrittenen Angaben der Klägerin –auf ihre Tätigkeit als Fachleiterin stets mehr als ein Viertel der bei Vollzeitbeschäftigung vorgesehenen Pflichtstundenanzahl von 28 bzw. 25,5 Wochenstunden. Bezogen auf ihren jeweiligen (Teilzeit-)Arbeitsumfang betrug der zeitliche Umfang ihrer Inanspruchnahme als Fachleiterin durchgehend mindestens 60 Prozent ihrer Arbeitsstunden; seit dem 1. Februar 2018 ist die Klägerin ausschließlich als Fachleiterin tätig. 17Mit E-Mail vom 7. Juni 2016 bat die Klägerin um Prüfung der Höhe der ihr aufgrund der Teilzeitbeschäftigung lediglich anteilig gewährten Fachleiterzulage und brachte vor, dass ihr die Zulage in voller Höhe zustehe. Das Landesamt für C. und W. Nordrhein-Westfalen (M1. NRW) reagierte auf diese Anfrage mit Schreiben vom 8. Juni 2016. Es teilte mit, dass gem. § 6 Abs. 1 des Übergeleiteten Besoldungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (ÜBesG NRW) die Dienstbezüge im gleichen Verhältnis wie die Arbeitszeit gekürzt würden; zu den Dienstbezügen zähle auch die Fachleiterzulage, die mithin entsprechend der derzeitigen Teilzeitbeschäftigung einer Kürzung unterliege. 18Mit Schreiben vom 20. August 2017 beantragte die Klägerin (erneut) die Gewährung der ungekürzten Fachleiterzulage trotz ihrer Teilzeittätigkeit, und zwar rückwirkend seit Inkrafttreten des § 55 LBesG NRW. Diese Regelung sehe vor, dass die Zulage in voller Höhe gewährt werde, wenn die Inanspruchnahme als Fachleiter mehr als ein Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit betrage, was bei ihr zutreffe. Das M1. NRW lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 12. Oktober 2017 ab. Die Klägerin erhalte zwar die Stellenzulage für Lehrkräfte gem. § 55 LBesG NRW in voller Höhe; gem. § 8 LBesG NRW werde die Besoldung bei Teilzeitbeschäftigung aber im gleichen Verhältnis wie die Arbeitszeit gekürzt, was unter Berücksichtigung des § 1 LBesG NRW auch für die Fachleiterzulage gelte. 19Daraufhin legte die Klägerin mit Schreiben vom 24. November 2017 Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie mit Schreiben vom 31. Januar 2018 weiter vor, dass nach der eindeutigen gesetzlichen Wertung des § 55 Abs. 1 Nr. 1 LBesG NRW die Höhe der Zulage vom Umfang der Inanspruchnahme der Lehrkraft als Fachleiter abhänge, wobei sich die Inanspruchnahme nach der für die Fachleitertätigkeit gewährten Pflichtstundenermäßigung bestimme. Dieses Verständnis ergebe sich auch aus der Wertung des § 8 Abs. 2 LBesG NRW. Mit Widerspruchsbescheid vom 6. September 2018 wies das M1. NRW den Widerspruch unter Wiederholung und Vertiefung seiner Begründung in den vorangegangenen Schreiben zurück. 20Am 4. Oktober 2018 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie ergänzend zu ihrem Vorbringen im Verwaltungsverfahren im Wesentlichen vor: Ihr sei trotz Teilzeitbeschäftigung die volle Fachleiterzulage zu gewähren, da auf ihre Tätigkeit als Fachleiterin unstreitig mehr als ein Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Lehrers entfielen. Bei der Fachleiterzulage handele es sich um eine solche, deren Voraussetzung die tatsächliche Verwendung in dem zulagenfähigen Bereich oder die Ausübung der zulagenfähigen Tätigkeit sei, sodass die Zulage entsprechend dem Umfang der tatsächlich geleisteten Fachleitertätigkeit zu gewähren sei. Ohne Erhalt einer ungekürzten Fachleiterzulage sei sie als teilzeitbeschäftige Lehrerin gegenüber vollzeitbeschäftigten Lehrern, die als Fachleiter an einem Seminar bzw. Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung tätig seien, schlechter gestellt. Sie erbringe schließlich in vollem Umfang die dienstliche Leistung, die bei einem Vollzeitbeschäftigten eine volle Zulagengewährung auslöse. Mit Blick auf Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 handele es sich bei der hier gegenständlichen Kürzung der Fachleiterzulage um eine europarechtswidrige Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten. 21Ursprünglich hat die Klägerin den Antrag angekündigt, 22das beklagte Land unter Aufhebung der Verfügung des M1. NRW vom 12. Oktober 2017 in Gestalt des Widerspruchbescheides des M1. NRW vom 6. September 2018 zu verpflichten, ihr rückwirkend die volle Fachleiterzulage gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 LBesG NRW zu gewähren. 23Nach gerichtlichem Hinweis vom 29. Januar 2021 hat die Klägerin ihren Klageantrag entsprechend der gerichtlichen Anregung konkretisiert. 24Sie beantragt nunmehr schriftsätzlich – sinngemäß –, 25das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides des M1. NRW vom 12. Oktober 2017 und des Widerspruchbescheides des M1. NRW vom 6. September 2018 zu verurteilen, ihr rückwirkend für Zeiten ab dem 1. Juli 2016, in denen sie sich in Teilzeitbeschäftigung befand, Besoldung in Höhe der Differenz zwischen der Fachleiterzulage, wie sie sich rechnerisch aus der Anwendung des § 55 Abs. 1 LBesG NRW ohne zusätzliche Anwendung der Kürzungsregelung des § 8 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 LBesG NRW ergibt, und der ihr tatsächlich ausgezahlten Fachleiterzulage nachzuzahlen. 26Das beklagte Land beantragt, 27die Klage abzuweisen. 28Es nimmt auf die Begründung des Widerspruchbescheides Bezug. 29Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 8. Februar 2021 und 26. Februar 2021 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. 30Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Besoldungsakte des M1. NRW sowie der beigezogenen Personalakte der Klägerin verwiesen. 31Entscheidungsgründe: 32Die Kammer entscheidet gemäß § 101 Abs. 2 VwGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung. 33Die zulässige Klage ist begründet. 34Der Bescheid vom 12. Oktober 2017 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 6. September 2018 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat auch für die Zeiten ab dem 1. Juli 2016, in denen sie sich in Teilzeitbeschäftigung befand, einen Anspruch auf Zahlung der Fachleiterzulage gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 LBesG NRW in voller Höhe. 35Nach dem zum 1. Juli 2016 in Kraft getretenen § 55 Abs. 1 Nr. 1 LBesG NRW erhalten Lehrerinnen und Lehrer in der Laufbahngruppe 2 mit dem ersten Einstiegsamt einschließlich Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen mit der Befähigung zu einem schulform- oder schulstufenbezogenen Lehramt, die neben der Unterrichtstätigkeit im Schuldienst Aufgaben als Fachleiterin oder Fachleiter an Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung wahrnehmen, eine Stellenzulage (Satz 1). Studienrätinnen und Studienräte sowie Oberstudienrätinnen und Oberstudienräte erhalten bei entsprechender Verwendung ebenfalls diese Stellenzulage unter der weiteren Voraussetzung, dass sie als Fachleiterinnen und Fachleiter allgemein auf Stellen der Besoldungsgruppe A 15 geführt werden (Satz 2). Beträgt die Inanspruchnahme als Fachleiterin oder Fachleiter mehr als ein Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit, wird die Zulage in voller Höhe gewährt, ansonsten in Höhe von zwei Dritteln (Satz 3). Die Inanspruchnahme bemisst sich nach der Pflichtstundenermäßigung (Satz 4). Die Gewährung der Stellenzulage wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Einsatz als Fachleiterin oder Fachleiter aus zwingenden organisatorischen Gründen eine Unterrichtstätigkeit im Schuldienst nicht oder nur in geringem Umfang zulässt (Satz 5). 36Die Klägerin hat als Lehrerin in der Laufbahngruppe 2 mit dem ersten Einstiegsamt in dem streitgegenständlichen Zeitraum stets (auch) Aufgaben als Fachleiterin am Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung in L. wahrgenommen. Dass sie teilweise ausschließlich als Fachleiterin tätig war, ohne zudem einer Unterrichtstätigkeit im Schuldienst nachzugehen, steht dem Anspruch auf die Fachleiterzulage gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Satz 5 LBesG NRW ausdrücklich nicht im Wege. 37Die Klägerin hat aber nicht nur – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – einen Anspruch auf diese Stellenzulage dem Grunde nach, sondern ihr steht auch für die Zeiten in Teilzeitbeschäftigung die Zulage in voller Höhe zu. 38Dies ergibt sich aus § 55 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 LBesG NRW, wonach die Zulage in voller Höhe gewährt wird, wenn die Inanspruchnahme als Fachleiter mehr als ein Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit beträgt. Wie sich aus §§ 60 Abs. 1, 63 Abs. 1 des Gesetzes über die Beamtinnen und Beamten des Landes Nordrhein-Westfalen (LBG NRW) ergibt, ist unter der „regelmäßigen Arbeitszeit“ die volle Arbeitszeit ohne Berücksichtigung einer Teilzeitbeschäftigung zu verstehen. Die Klägerin war bemessen nach der jeweiligen Pflichtstundenermäßigung (vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 LBesG NRW) während ihrer Zeit an der Realschule stets im Umfang von mehr als einem Viertel der für die Vollzeitbeschäftigung vorgegebenen Pflichtstundenanzahl von 28 Wochenstunden (vgl. § 93 Abs. 2 des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen – SchulG NRW – i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Verordnung zur Ausführung des § 93 Abs. 2 SchulG NRW – VO zu § 93 Abs. 2 SchulG NRW –) und während ihrer Zeit an der Gesamtschule stets mit mehr als einem Viertel der bei Vollzeitbeschäftigung vorgesehenen 25,5 Wochenstunden (vgl. § 93 Abs. 2 SchulG NRW i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 der VO zu § 93 Abs. 2 SchulG NRW) als Fachleiterin tätig. 39Entgegen der Auffassung des beklagten Landes folgt eine Kürzung der Fachleiterzulage auch nicht aus § 8 Abs. 1 Satz 1 LBesG NRW. Nach dieser Vorschrift wird bei Teilzeitbeschäftigung die Besoldung im gleichen Verhältnis wie die Arbeitszeit gekürzt, soweit nichts anderes bestimmt ist. 40Zwar entfaltet § 8 Abs. 1 Satz 1 LBesG NRW auch für Zulagen grundsätzlich Geltung, da diese mit Ausnahme der Leistungsprämien gem. § 1 Abs. 4 Nr. 4 LBesG NRW Besoldungsbestandteile sind. Auf § 55 Abs. 1 Nr. 1 LBesG NRW ist die Kürzungsregelung des § 8 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 LBesG NRW allerdings nicht anzuwenden, da durch § 55 Abs. 1 Nr. 1 LBesG NRW „etwas anderes bestimmt ist“. 41Für dieses Verständnis des Verhältnisses von § 55 Abs. 1 Nr. 1 LBesG NRW und § 8 Abs. 1 Satz 1 LBesG NRW zueinander streitet schon der Wortlaut des § 55 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 LBesG NRW. So enthält diese Vorschrift mit der Bezugnahme auf die „regelmäßige Arbeitszeit“, also die Arbeitszeit bei Vollzeitbeschäftigung, explizit einen eigenen Anknüpfungspunkt für die Frage, ob die Fachleiterzulage in voller oder gekürzter Höhe zu gewähren ist. Zugleich weicht dieser Anknüpfungspunkt von dem der an die Teilzeitbeschäftigung anknüpfenden Besoldungskürzung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 LBesG NRW ab. 42Darüber hinaus entspricht es dem Sinn und Zweck des § 55 Abs. 1 Nr. 1 LBesG NRW, die Höhe der Fachleiterzulage nicht davon abhängig zu machen, ob der Betroffene in Vollzeit oder in Teilzeit beschäftigt ist. Mit der Fachleiterzulage soll nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers spezifisch die Fachleitertätigkeit als solche honoriert werden. Der Arbeitsumfang eines Lehrers als Fachleiter an einem Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung steht aber in keinem Zusammenhang mit dem Umstand einer Teil- oder Vollzeitbeschäftigung, was auch der Fall der Klägerin, die ihrer Fachleitertätigkeit in den streitgegenständlichen Zeiten der Teilzeitbeschäftigung mit einem auch im Vergleich zur regelmäßigen Arbeitszeit einer Vollzeitbeschäftigung sehr hohen Stundenumfang nachging, zeigt. Bei Anwendung des § 8 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 LBesG NRW würde jedoch beispielsweise ein sich mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit in Teilzeitbeschäftigung befindlicher Lehrer, der im exakt gleichen zeitlichen Umfang wie ein vollzeitbeschäftigter Lehrer als Fachleiter an einem Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung tätig ist, anders als letzterer und trotz insoweit gleichen Arbeitsumfangs nur die Hälfte der Fachleiterzulage erhalten. Um – wie von der Klägerin zurecht angemerkt – derartige unbegründete Benachteiligungen von teilzeitbeschäftigten Lehrern zu vermeiden, hat der Gesetzgeber mithin bewusst eine Abhängigkeit der Höhe der Zulage (allein) von dem relativen Maß der Inanspruchnahme als Fachleiter im Verhältnis zur regelmäßigen Arbeitszeit und nicht (auch) von dem Ausübungsumfang der Gesamttätigkeit (Lehrertätigkeit einschließlich Fachleitertätigkeit) vorgesehen. 43Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO, § 709 Sätze 1, 2 der Zivilprozessordnung (ZPO). 44Die Berufung ist nach §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, da die vorliegend entscheidungserhebliche Frage nach dem Verhältnis von § 55 Abs. 1 Nr. 1 LBesG NRW und § 8 Abs. 1 Satz 1 LBesG NRW zueinander über den Einzelfall hinausreichende, allgemeine Bedeutung hat und noch nicht obergerichtlich oder höchstrichterlich geklärt ist. 45Rechtsmittelbelehrung: 46Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich Berufung eingelegt werden. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen. 47Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 48Die Berufung ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich einzureichen. 49Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). 50Im Berufungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen. 51Die Berufungsschrift und die Berufungsbegründungsschrift sollen möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. 52Beschluss: 53Der Streitwert wird auf die Wertstufe bis 1.500,00 Euro festgesetzt. 54Gründe: 55Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG erfolgt. Dabei hat das Gericht für jeden Zeitraum ab dem 1. Juli 2016, in dem sich die Klägerin in Teilzeitbeschäftigung befand, die Differenz zwischen der Fachleiterzulage in voller Höhe, wie sie sich aus Anlage 15 des LBesG NRW in der jeweils geltenden Fassung ergibt, und der der Klägerin ausgezahlten, auf den jeweiligen Teilzeitbeschäftigungsanteil gekürzten Fachleiterzulage angesetzt und diese Beträge anschließend addiert. 56Rechtsmittelbelehrung: 57Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. 58Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 59Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 60Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt. 61Die Beschwerdeschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. 62War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
das beklagte land wird unter aufhebung des bescheides des m. für c. und w. nordrhein-westfalen vom 12. oktober 2017 und des widerspruchbescheides vom 6. september 2018 verurteilt, der klägerin rückwirkend für die zeiten vom 1. juli 2016 bis zum 28. august 2018, vom 1. februar 2019 bis zum 28. april 2019, vom 28. august 2019 bis zum 31. januar 2020 sowie vom 1. august 2021 bis zum 31. januar 2022 besoldung in höhe der differenz zwischen der vollen fachleiterzulage gem. § 55 abs. 1 nr. 1 lbesg nrw i.v.m. anlage 15 lbesg nrw (in der jeweils geltenden fassung) und der der klägerin jeweils in gekürzter höhe ausgezahlten fachleiterzulage nachzuzahlen. das beklagte land trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist gegen sicherheitsleistung in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages vorläufig vollstreckbar. die berufung wird zugelassen. 1
2die klägerin begehrt für zeiten ab dem 1. juli 2016, in denen sie sich in teilzeitbeschäftigung befand, die gewährung der sog. fachleiterzulage gem. § 55 abs. 1 nr. 1 des besoldungsgesetzes für das land nordrhein-westfalen (lbesg nrw) in voller höhe. 3die am 00.00.1974 geborene klägerin steht als verbeamtete lehrerin im dienst des beklagten landes und hat seit mai 2010 ein statusamt der besoldungsgruppe a 13 inne. in der zeit ab dem 1. juli 2016 war sie zunächst an der realschule b. der g. – schule der sekundarstufe i – in h. tätig, bevor sie mit wirkung vom 29. april 2019 an die gesamtschule y. -t. , gesamtschule des zweckverbandes y. -t. – sekundarstufen i und ii – in y. versetzt wurde. seit dem 13. august 2009 ist die klägerin zudem als fachleiterin am zentrum für schulpraktische lehrerausbildung in l. tätig, wofür sie seither eine fachleiterzulage erhält. 4der arbeitsumfang der klägerin seit dem 1. juli 2016 stellt sich wie folgt dar: 561. juli 2016 – 23. august 2016: 16,00/28,00 wochenstunden 724. august 2016 – 31. januar 2018: 20,00/28,00 wochenstunden 81. februar 2018 – 28. august 2018: 22,00/28,00 wochenstunden 929. august 2018 – 31. januar 2019: 28,00/28,00 wochenstunden 101. februar 2019 – 28. april 2019: 26,00/28,00 wochenstunden 1129. april 2019 – 27. august 2019: 25,50/25,50 wochenstunden 1228. august 2019 – 31. januar 2020: 23,50/25,50 wochenstunden 131. februar 2020 – 31. juli 2021: 25,50/25,50 wochenstunden 141. august 2021 – 31. januar 2022: 22,00/25,50 wochenstunden 15seit 1. februar 2022: 25,50/25,50 wochenstunden 16dabei entfielen – nach von der beklagtenseite nicht bestrittenen angaben der klägerin –auf ihre tätigkeit als fachleiterin stets mehr als ein viertel der bei vollzeitbeschäftigung vorgesehenen pflichtstundenanzahl von 28 bzw. 25,5 wochenstunden. bezogen auf ihren jeweiligen (teilzeit-)arbeitsumfang betrug der zeitliche umfang ihrer inanspruchnahme als fachleiterin durchgehend mindestens 60 prozent ihrer arbeitsstunden; seit dem 1. februar 2018 ist die klägerin ausschließlich als fachleiterin tätig. 17mit e-mail vom 7. juni 2016 bat die klägerin um prüfung der höhe der ihr aufgrund der teilzeitbeschäftigung lediglich anteilig gewährten fachleiterzulage und brachte vor, dass ihr die zulage in voller höhe zustehe. das landesamt für c. und w. nordrhein-westfalen (m1. nrw) reagierte auf diese anfrage mit schreiben vom 8. juni 2016. es teilte mit, dass gem. § 6 abs. 1 des übergeleiteten besoldungsgesetzes für das land nordrhein-westfalen (übesg nrw) die dienstbezüge im gleichen verhältnis wie die arbeitszeit gekürzt würden; zu den dienstbezügen zähle auch die fachleiterzulage, die mithin entsprechend der derzeitigen teilzeitbeschäftigung einer kürzung unterliege. 18mit schreiben vom 20. august 2017 beantragte die klägerin (erneut) die gewährung der ungekürzten fachleiterzulage trotz ihrer teilzeittätigkeit, und zwar rückwirkend seit inkrafttreten des § 55 lbesg nrw. diese regelung sehe vor, dass die zulage in voller höhe gewährt werde, wenn die inanspruchnahme als fachleiter mehr als ein viertel der regelmäßigen arbeitszeit betrage, was bei ihr zutreffe. das m1. nrw lehnte diesen antrag mit bescheid vom 12. oktober 2017 ab. die klägerin erhalte zwar die stellenzulage für lehrkräfte gem. § 55 lbesg nrw in voller höhe; gem. § 8 lbesg nrw werde die besoldung bei teilzeitbeschäftigung aber im gleichen verhältnis wie die arbeitszeit gekürzt, was unter berücksichtigung des § 1 lbesg nrw auch für die fachleiterzulage gelte. 19daraufhin legte die klägerin mit schreiben vom 24. november 2017 widerspruch ein. zur begründung trug sie mit schreiben vom 31. januar 2018 weiter vor, dass nach der eindeutigen gesetzlichen wertung des § 55 abs. 1 nr. 1 lbesg nrw die höhe der zulage vom umfang der inanspruchnahme der lehrkraft als fachleiter abhänge, wobei sich die inanspruchnahme nach der für die fachleitertätigkeit gewährten pflichtstundenermäßigung bestimme. dieses verständnis ergebe sich auch aus der wertung des § 8 abs. 2 lbesg nrw. mit widerspruchsbescheid vom 6. september 2018 wies das m1. nrw den widerspruch unter wiederholung und vertiefung seiner begründung in den vorangegangenen schreiben zurück. 20am 4. oktober 2018 hat die klägerin klage erhoben. zur begründung trägt sie ergänzend zu ihrem vorbringen im verwaltungsverfahren im wesentlichen vor: ihr sei trotz teilzeitbeschäftigung die volle fachleiterzulage zu gewähren, da auf ihre tätigkeit als fachleiterin unstreitig mehr als ein viertel der regelmäßigen arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten lehrers entfielen. bei der fachleiterzulage handele es sich um eine solche, deren voraussetzung die tatsächliche verwendung in dem zulagenfähigen bereich oder die ausübung der zulagenfähigen tätigkeit sei, sodass die zulage entsprechend dem umfang der tatsächlich geleisteten fachleitertätigkeit zu gewähren sei. ohne erhalt einer ungekürzten fachleiterzulage sei sie als teilzeitbeschäftige lehrerin gegenüber vollzeitbeschäftigten lehrern, die als fachleiter an einem seminar bzw. zentrum für schulpraktische lehrerausbildung tätig seien, schlechter gestellt. sie erbringe schließlich in vollem umfang die dienstliche leistung, die bei einem vollzeitbeschäftigten eine volle zulagengewährung auslöse. mit blick auf art. 4 abs. 1 der richtlinie 2006/54/eg des europäischen parlaments und des rates vom 5. juli 2006 handele es sich bei der hier gegenständlichen kürzung der fachleiterzulage um eine europarechtswidrige diskriminierung von teilzeitbeschäftigten. 21ursprünglich hat die klägerin den antrag angekündigt, 22das beklagte land unter aufhebung der verfügung des m1. nrw vom 12. oktober 2017 in gestalt des widerspruchbescheides des m1. nrw vom 6. september 2018 zu verpflichten, ihr rückwirkend die volle fachleiterzulage gem. § 55 abs. 1 nr. 1 lbesg nrw zu gewähren. 23nach gerichtlichem hinweis vom 29. januar 2021 hat die klägerin ihren klageantrag entsprechend der gerichtlichen anregung konkretisiert. 24sie beantragt nunmehr schriftsätzlich – sinngemäß –, 25das beklagte land unter aufhebung des bescheides des m1. nrw vom 12. oktober 2017 und des widerspruchbescheides des m1. nrw vom 6. september 2018 zu verurteilen, ihr rückwirkend für zeiten ab dem 1. juli 2016, in denen sie sich in teilzeitbeschäftigung befand, besoldung in höhe der differenz zwischen der fachleiterzulage, wie sie sich rechnerisch aus der anwendung des § 55 abs. 1 lbesg nrw ohne zusätzliche anwendung der kürzungsregelung des § 8 abs. 1 satz 1 halbsatz 1 lbesg nrw ergibt, und der ihr tatsächlich ausgezahlten fachleiterzulage nachzuzahlen. 26das beklagte land beantragt, 27die klage abzuweisen. 28es nimmt auf die begründung des widerspruchbescheides bezug. 29die beteiligten haben sich mit schriftsätzen vom 8. februar 2021 und 26. februar 2021 mit einer entscheidung ohne mündliche verhandlung einverstanden erklärt. 30wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakte, der beigezogenen besoldungsakte des m1. nrw sowie der beigezogenen personalakte der klägerin verwiesen. 31
32die kammer entscheidet gemäß § 101 abs. 2 vwgo mit einverständnis der beteiligten ohne mündliche verhandlung. 33die zulässige klage ist begründet. 34der bescheid vom 12. oktober 2017 in gestalt des widerspruchbescheides vom 6. september 2018 ist rechtswidrig und verletzt die klägerin in ihren rechten. die klägerin hat auch für die zeiten ab dem 1. juli 2016, in denen sie sich in teilzeitbeschäftigung befand, einen anspruch auf zahlung der fachleiterzulage gem. § 55 abs. 1 nr. 1 lbesg nrw in voller höhe. 35nach dem zum 1. juli 2016 in kraft getretenen § 55 abs. 1 nr. 1 lbesg nrw erhalten lehrerinnen und lehrer in der laufbahngruppe 2 mit dem ersten einstiegsamt einschließlich sonderpädagoginnen und sonderpädagogen mit der befähigung zu einem schulform- oder schulstufenbezogenen lehramt, die neben der unterrichtstätigkeit im schuldienst aufgaben als fachleiterin oder fachleiter an zentren für schulpraktische lehrerausbildung wahrnehmen, eine stellenzulage (satz 1). studienrätinnen und studienräte sowie oberstudienrätinnen und oberstudienräte erhalten bei entsprechender verwendung ebenfalls diese stellenzulage unter der weiteren voraussetzung, dass sie als fachleiterinnen und fachleiter allgemein auf stellen der besoldungsgruppe a 15 geführt werden (satz 2). beträgt die inanspruchnahme als fachleiterin oder fachleiter mehr als ein viertel der regelmäßigen arbeitszeit, wird die zulage in voller höhe gewährt, ansonsten in höhe von zwei dritteln (satz 3). die inanspruchnahme bemisst sich nach der pflichtstundenermäßigung (satz 4). die gewährung der stellenzulage wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der einsatz als fachleiterin oder fachleiter aus zwingenden organisatorischen gründen eine unterrichtstätigkeit im schuldienst nicht oder nur in geringem umfang zulässt (satz 5). 36die klägerin hat als lehrerin in der laufbahngruppe 2 mit dem ersten einstiegsamt in dem streitgegenständlichen zeitraum stets (auch) aufgaben als fachleiterin am zentrum für schulpraktische lehrerausbildung in l. wahrgenommen. dass sie teilweise ausschließlich als fachleiterin tätig war, ohne zudem einer unterrichtstätigkeit im schuldienst nachzugehen, steht dem anspruch auf die fachleiterzulage gem. § 55 abs. 1 nr. 1 satz 5 lbesg nrw ausdrücklich nicht im wege. 37die klägerin hat aber nicht nur – was zwischen den beteiligten unstreitig ist – einen anspruch auf diese stellenzulage dem grunde nach, sondern ihr steht auch für die zeiten in teilzeitbeschäftigung die zulage in voller höhe zu. 38dies ergibt sich aus § 55 abs. 1 nr. 1 satz 3 lbesg nrw, wonach die zulage in voller höhe gewährt wird, wenn die inanspruchnahme als fachleiter mehr als ein viertel der regelmäßigen arbeitszeit beträgt. wie sich aus §§ 60 abs. 1, 63 abs. 1 des gesetzes über die beamtinnen und beamten des landes nordrhein-westfalen (lbg nrw) ergibt, ist unter der „regelmäßigen arbeitszeit“ die volle arbeitszeit ohne berücksichtigung einer teilzeitbeschäftigung zu verstehen. die klägerin war bemessen nach der jeweiligen pflichtstundenermäßigung (vgl. § 55 abs. 1 nr. 1 satz 4 lbesg nrw) während ihrer zeit an der realschule stets im umfang von mehr als einem viertel der für die vollzeitbeschäftigung vorgegebenen pflichtstundenanzahl von 28 wochenstunden (vgl. § 93 abs. 2 des schulgesetzes für das land nordrhein-westfalen – schulg nrw – i.v.m. § 2 abs. 1 satz 1 nr. 3 der verordnung zur ausführung des § 93 abs. 2 schulg nrw – vo zu § 93 abs. 2 schulg nrw –) und während ihrer zeit an der gesamtschule stets mit mehr als einem viertel der bei vollzeitbeschäftigung vorgesehenen 25,5 wochenstunden (vgl. § 93 abs. 2 schulg nrw i.v.m. § 2 abs. 1 satz 1 nr. 6 der vo zu § 93 abs. 2 schulg nrw) als fachleiterin tätig. 39entgegen der auffassung des beklagten landes folgt eine kürzung der fachleiterzulage auch nicht aus § 8 abs. 1 satz 1 lbesg nrw. nach dieser vorschrift wird bei teilzeitbeschäftigung die besoldung im gleichen verhältnis wie die arbeitszeit gekürzt, soweit nichts anderes bestimmt ist. 40zwar entfaltet § 8 abs. 1 satz 1 lbesg nrw auch für zulagen grundsätzlich geltung, da diese mit ausnahme der leistungsprämien gem. § 1 abs. 4 nr. 4 lbesg nrw besoldungsbestandteile sind. auf § 55 abs. 1 nr. 1 lbesg nrw ist die kürzungsregelung des § 8 abs. 1 satz 1 halbsatz 1 lbesg nrw allerdings nicht anzuwenden, da durch § 55 abs. 1 nr. 1 lbesg nrw „etwas anderes bestimmt ist“. 41für dieses verständnis des verhältnisses von § 55 abs. 1 nr. 1 lbesg nrw und § 8 abs. 1 satz 1 lbesg nrw zueinander streitet schon der wortlaut des § 55 abs. 1 nr. 1 satz 3 lbesg nrw. so enthält diese vorschrift mit der bezugnahme auf die „regelmäßige arbeitszeit“, also die arbeitszeit bei vollzeitbeschäftigung, explizit einen eigenen anknüpfungspunkt für die frage, ob die fachleiterzulage in voller oder gekürzter höhe zu gewähren ist. zugleich weicht dieser anknüpfungspunkt von dem der an die teilzeitbeschäftigung anknüpfenden besoldungskürzung nach § 8 abs. 1 satz 1 halbsatz 1 lbesg nrw ab. 42darüber hinaus entspricht es dem sinn und zweck des § 55 abs. 1 nr. 1 lbesg nrw, die höhe der fachleiterzulage nicht davon abhängig zu machen, ob der betroffene in vollzeit oder in teilzeit beschäftigt ist. mit der fachleiterzulage soll nach dem erkennbaren willen des gesetzgebers spezifisch die fachleitertätigkeit als solche honoriert werden. der arbeitsumfang eines lehrers als fachleiter an einem zentrum für schulpraktische lehrerausbildung steht aber in keinem zusammenhang mit dem umstand einer teil- oder vollzeitbeschäftigung, was auch der fall der klägerin, die ihrer fachleitertätigkeit in den streitgegenständlichen zeiten der teilzeitbeschäftigung mit einem auch im vergleich zur regelmäßigen arbeitszeit einer vollzeitbeschäftigung sehr hohen stundenumfang nachging, zeigt. bei anwendung des § 8 abs. 1 satz 1 halbsatz 1 lbesg nrw würde jedoch beispielsweise ein sich mit der hälfte der regelmäßigen arbeitszeit in teilzeitbeschäftigung befindlicher lehrer, der im exakt gleichen zeitlichen umfang wie ein vollzeitbeschäftigter lehrer als fachleiter an einem zentrum für schulpraktische lehrerausbildung tätig ist, anders als letzterer und trotz insoweit gleichen arbeitsumfangs nur die hälfte der fachleiterzulage erhalten. um – wie von der klägerin zurecht angemerkt – derartige unbegründete benachteiligungen von teilzeitbeschäftigten lehrern zu vermeiden, hat der gesetzgeber mithin bewusst eine abhängigkeit der höhe der zulage (allein) von dem relativen maß der inanspruchnahme als fachleiter im verhältnis zur regelmäßigen arbeitszeit und nicht (auch) von dem ausübungsumfang der gesamttätigkeit (lehrertätigkeit einschließlich fachleitertätigkeit) vorgesehen. 43die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 1 vwgo. die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit beruht auf § 167 abs. 1 vwgo, § 709 sätze 1, 2 der zivilprozessordnung (zpo). 44die berufung ist nach §§ 124a abs. 1 satz 1, 124 abs. 2 nr. 3 vwgo zuzulassen. die rechtssache hat grundsätzliche bedeutung, da die vorliegend entscheidungserhebliche frage nach dem verhältnis von § 55 abs. 1 nr. 1 lbesg nrw und § 8 abs. 1 satz 1 lbesg nrw zueinander über den einzelfall hinausreichende, allgemeine bedeutung hat und noch nicht obergerichtlich oder höchstrichterlich geklärt ist. 45rechtsmittelbelehrung: 46gegen dieses urteil kann innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) schriftlich berufung eingelegt werden. die berufung muss das angefochtene urteil bezeichnen. 47auf die ab dem 1. januar 2022 unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 48die berufung ist innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils zu begründen. die begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der einlegung der berufung erfolgt, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen (aegidiikirchplatz 5, 48143 münster oder postfach 6309, 48033 münster) schriftlich einzureichen. 49die begründungsfrist kann auf einen vor ihrem ablauf gestellten antrag von dem vorsitzenden des senats verlängert werden. die begründung muss einen bestimmten antrag enthalten sowie die im einzelnen anzuführenden gründe der anfechtung (berufungsgründe). 50im berufungsverfahren müssen sich die beteiligten durch prozessbevollmächtigte vertreten lassen. dies gilt auch für prozesshandlungen, durch die das verfahren eingeleitet wird. die beteiligten können sich durch einen rechtsanwalt oder einen rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten hochschule eines mitgliedstaates der europäischen union, eines anderen vertragsstaates des abkommens über den europäischen wirtschaftsraum oder der schweiz, der die befähigung zum richteramt besitzt, als bevollmächtigten vertreten lassen. auf die zusätzlichen vertretungsmöglichkeiten für behörden und juristische personen des öffentlichen rechts einschließlich der von ihnen zur erfüllung ihrer öffentlichen aufgaben gebildeten zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 abs. 4 satz 4 vwgo und § 5 nr. 6 des einführungsgesetzes zum rechtsdienstleistungsgesetz – rdgeg –). darüber hinaus sind die in § 67 abs. 2 satz 2 nr. 3 bis 7 vwgo bezeichneten personen und organisationen unter den dort genannten voraussetzungen als bevollmächtigte zugelassen. 51die berufungsschrift und die berufungsbegründungsschrift sollen möglichst zweifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. 52beschluss: 53der streitwert wird auf die wertstufe bis 1.500,00 euro festgesetzt. 54gründe: 55die festsetzung des streitwertes ist nach § 52 abs. 3 satz 1 gkg erfolgt. dabei hat das gericht für jeden zeitraum ab dem 1. juli 2016, in dem sich die klägerin in teilzeitbeschäftigung befand, die differenz zwischen der fachleiterzulage in voller höhe, wie sie sich aus anlage 15 des lbesg nrw in der jeweils geltenden fassung ergibt, und der der klägerin ausgezahlten, auf den jeweiligen teilzeitbeschäftigungsanteil gekürzten fachleiterzulage angesetzt und diese beträge anschließend addiert. 56rechtsmittelbelehrung: 57gegen den streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur niederschrift des urkundsbeamten der geschäftsstelle bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) beschwerde eingelegt werden, über die das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen in münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der zivilprozessordnung gilt entsprechend. 58auf die ab dem 1. januar 2022 unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 59die beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs monaten eingelegt wird, nachdem die entscheidung in der hauptsache rechtskraft erlangt oder das verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der streitwert später als einen monat vor ablauf dieser frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines monats nach zustellung oder formloser mitteilung des festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 60die beschwerde ist nicht gegeben, wenn der wert des beschwerdegegenstandes 200,-- euro nicht übersteigt. 61die beschwerdeschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. 62war der beschwerdeführer ohne sein verschulden verhindert, die frist einzuhalten, ist ihm auf antrag von dem gericht, das über die beschwerde zu entscheiden hat, wiedereinsetzung in den vorigen stand zu gewähren, wenn er die beschwerde binnen zwei wochen nach der beseitigung des hindernisses einlegt und die tatsachen, welche die wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. nach ablauf eines jahres, von dem ende der versäumten frist angerechnet, kann die wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
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2 O 254/21
2022-04-27T00:00:00
Anerkenntnisurteil
Tenor Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.717,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von Basiszinssatz zuzüglich 3 Prozentpunkten hierauf seit dem 1. Juli 2021 zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. 1Tatbestand: 2Die Klägerin macht Zahlungsansprüche im Zusammenhang mit der von ihr getätigten Geldanlage „V A B Festzins #“ geltend. 3Bei dieser Anlageform gewährten Anleger der Beklagten ein nachrangiges, aufgezinstes und ungesichertes Nachrangdarlehen. Die Beklagte investierte die eingenommenen Beträge in Form von Nachrangdarlehen in Projektgesellschaften, welche energieeffiziente Immobilien in Deutschland planen, entwickeln und vermarkten sollten. 4Die Klägerin erhielt auf ihre Anfrage einen Verkaufsprospekt, der u.a. einen „Nachrangdarlehensvertrag“ enthielt (zum Vertrag siehe Anlage K2, Bl. 13 d.A.) sowie ein Zeichnungsscheinformular „für das Nachrangdarlehensangebot“ (Anlage K1, Bl. 12 d.A.). Sie füllte die freien Felder des Zeichnungsscheines aus, unterzeichnete es unter dem 19.02.2018 und sandte es an die Beklagte zurück. Ob die Klägerin weitere Unterlagen erhalten hatte, ist streitig. 5Die Beklagte übersandte der Klägerin mit Schreiben vom 20.02.2018 die Annahmeerklärung zum Darlehensvertrag (Anlage K3, Bl. 17 d.A.). 6In dem Nachrangdarlehensvertrag ist unter § 4 ausgeführt, dass der Darlehensbetrag bis zum 30.06.2020 mit 4,00 % p.a. und für die Zeit von 01.7.2020 bis zum 30.06.2021 mit 4,25 % p.a. verzinst werde und eine Thesaurierung der aufgelaufenen Zinsen erfolge. Bei einer Verzögerung der Tilgung wegen der Nachrangigkeit ist eine Zinshöhe von 3,0 % p.a. über dem Basiszinssatz ab dem 30.06.2021 vorgesehen. In § 5 und § 6 ist geregelt, dass die Tilgung vorbehaltlich einer Kündigung zum 30.06.2021 erfolgt und dieses Datum die Laufzeit des Darlehens darstellt. 7§ 9 mit der Überschrift „Nachrangigkeit“ sieht folgendes vor: 8(1) Ist das Nachrangdarlehen auf dem Sonderkonto der Emittentin eingegangen, ist die Geltendmachung des Anspruchs auf Rückzahlung der überlassenen Gelder (Tilgung) sowie auf Zahlung der versprochenen Zinsen solange und soweit ausgeschlossen, wie deren Rückzahlung einen Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Emittentin herbeiführen würde (sog. vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre). Im Falle der Insolvenz oder der Liquidation der Emittentin darf die Rückzahlung der überlassenen Gelder (Tilgung) sowie die Zahlung der versprochenen Zinsen erst nach Befriedigung sämtlicher anderer Gläubiger der Emittentin erfolgen. Die Forderungen der Anleger treten also hinter alle in § 39 Abs. 1 Nr. 1–5 InsO (Insolvenzordnung) genannten Forderungen zurück. 9(2) Die Zinsen und die Tilgung des Nachrangdarlehens dürfen daher nur aus Jahresüberschüssen, Liquidationsüberschüssen und sonstigem freien Vermögen des Nachrangdarlehensnehmers geleistet werden, soweit diese Beträge nicht zur Erhaltung des satzungsmäßigen Eigenkapitals der Emittentin erforderlich sind. 10(3) Die Nachrangigkeit gemäß § 9 Abs. 1 schließt die Aufrechnung sowohl mit Forderungen des Nachrangdarlehensnehmers gegen Forderungen des Anlegers als auch mit Forderungen des Anlegers gegen Forderungen des Nachrangdarlehensnehmers aus. 11(4) Zahlt der Nachrangdarlehensnehmer entgegen den Regelungen in § 9 dennoch Zinsen aus oder tilgt er Darlehen, obwohl er dazu nach den Regelungen dieses § 9 nicht berechtigt ist, so hat der Anleger die auf diese Weise erlangten Geldbeträge auf Anforderung an den Nachrangdarlehensnehmer zurückzugeben. 12(5) Sämtliche nachrangige Nachrangdarlehen aus diesem Nachrangdarlehensangebot sind im Verhältnis untereinander gleichrangig. 13(6) Im Insolvenzverfahren darf der Anleger seine nachrangigen Forderungen nur entsprechend der vereinbarten Rangstelle anmelden und Befriedigung erst verlangen, wenn die Forderungen aller vorrangigen Gläubiger vollständig beglichen sind.“ 14Die Klägerin zahlte am 23.02.2018 absprachegemäß 5.000,00 EUR an die Beklagte. In der Folgezeit erhielt sie jeweils Nachrichten über gewährte Zinsen, die thesauriert worden waren. 15Die Klägerin zeichnete eine weitere sog. „V-Anlage“. Bezüglich dieser, hier nicht streitgegenständlichen Anlage V C Festzins ##, wurde die Klägerin mit Schreiben vom April 2021 von der Anlagegesellschaft informiert, dass die Rückzahlung der Anlage aufgrund der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu qualifizierten Nachrangklauseln akut ausfallgefährdet sein könnte. Sie bot der Klägerin einen Teilverzicht an (Anlage K8, Bl. 22 d.A.), auf den diese nicht einging. 16Die Klägerin erhielt zum 30.06.2021 von der Beklagten keine Zahlung auf die streitgegenständliche Anlage. Ihr Anlagebetrag belief sich unter Berücksichtigung der thesaurierten Zinsen auf die Klageforderung in Höhe von 5.717,40 EUR. 17Mit Schreiben vom 02.07.2021 teilte die Beklagte mit, derzeit zu Zins- und Rückzahlungen nicht in der Lage zu sein. Mit Schreiben vom 06.07.2021 forderte die Klägerin die Beklagte – vergeblich - unter Fristsetzung zur Rückzahlung des Darlehensbetrages nebst Zinsen auf. 18Die Parteien streiten darüber, ob sich die Beklagte gegenüber der Klägerin auf die Regelung in § 9 des Nachrangdarlehensvertrages berufen darf und falls ja, ob deren Voraussetzungen vorliegen. 19Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte sei zur Rückzahlung verpflichtet, da eine wirksame qualifizierte Nachrangabrede nicht vorliege. Die Anforderungen des Bundesgerichtshofes (BGH, Urteil vom 01.10.2019, VI ZR 156/18) seien nicht erfüllt. Die Bezeichnung der Anlage als „…Festzins“ sei unrichtig bzw. irreführend. 20Die Klägerin beantragt, 21die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.717,40 EUR nebst Verzugszinsen in Höhe von Basiszinssatz + 3 Prozentpunkten hieraus seit dem 1. Juli 2021 zu zahlen. 22Die Beklagte beantragt, 23die Klage abzuweisen. 24Sie meint, die Rückzahlung sei aufgrund des wirksam vereinbarten qualifizierten Nachranges in § 9 des Nachrangdarlehensvertrages und der darin enthaltenen vorinsolvenzrechtlichen Durchsetzungssperre aktuell ausgeschlossen. Hierzu behauptet sie, derzeit und auch in der Vergangenheit finanziell nicht zu einer solchen Rückzahlung in der Lage (gewesen) zu sein. Freies Vermögen sei insoweit nicht vorhanden. Die begehrte Rückzahlung, die wegen der in § 9 Abs. 5 des Nachrangdarlehensvertrages geregelten Gleichbehandlung der nachrangigen Gläubiger an sämtliche Anleger hätte erfolgen müssen, könne nicht geleistet werden, ohne dass hierdurch die Erfüllung vorrangiger Verbindlichkeiten vereitelt würde. Sie behauptet weiter, die Klägerin habe vor Zeichnung der Anlage nicht nur den Verkaufsprospekt, sondern auch das Vermögensinformationsblatt über die streitgegenständliche Anlage erhalten und unterzeichnet. Das gesamte Paket sei am 19.01.2018 durch die V GmbH als selbstständige Anlagevermittlerin an die Klägerin versandt worden, was die Klägerin mit Nichtwissen bestreitet. Der Klägerin sei daher bei Vertragsschluss bewusst gewesen, dass ihre Forderung gegen sie qualifiziert nachrangig ausgestaltet sei. Insbesondere sei auf das Liquiditätsrisiko und die Möglichkeit eines Totalverlustes hingewiesen worden. 25Soweit die Klägerin das Konzept der Anlage angreift, verweist die Beklagte auf die erfolgte Genehmigung ihres Verkaufsprospektes durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). 26Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 09.03.2022 (Bl. 310 f. d.A.). verwiesen. 27Entscheidungsgründe: 28Die Klage ist begründet. 291. Die Klägerin hat gemäß § 488 Abs. 1 S. 2 BGB einen fälligen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte in Höhe von rechnerisch unstreitigen 5.717,40 EUR. 30Der Anspruch gegen die Beklagte ist fällig und durchsetzbar. 31Die Laufzeit des Nachrangdarlehensvertrages endete gemäß § 5 vorbehaltlich einer zuvor – hier nicht erfolgten - Kündigung zum 30.06.2021. 32Die Beklagte kann dem Rückzahlungsanspruch der Klägerin nicht die Regelung in § 9 des Nachrangdarlehensvertrages entgegen halten, denn sie ist unwirksam. 33§ 9 stellt eine allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 BGB dar. Die Beklagte hatte die Bestimmungen des Nachrangdarlehensvertrages für eine Vielzahl von Anlegern formuliert und sie zum Inhalt ihres Vermögensanlageangebotes gemacht. Die Klägerin zeichnete die Anlage wie angeboten. 34Als allgemeine Geschäftsbedingung unterliegt die Formulierung in § 9 der Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB. 35Die in § 9 Abs. 1 vorgesehene sog. vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre schränkt den nach § 488 Abs. 1 S. BGB vorgesehenen Rückzahlungsanspruch eines Darlehensgebers ein. Damit entzieht sich die Regelung der Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 3 S. 1 BGB, denn es steht Parteien im Rahmen der Vertragsfreiheit zu, die Leistungen frei zu bestimmen, wie z.B. hier, die Hauptleistungspflicht bereits für die Zeit vor einer Insolvenz einzuschränken (vgl. BGH, Urteil vom 06.12.2018, IX ZR 143/17; Teilurteil vom 12.12.2019, IX ZR 77/19). 36Jedoch muss auch die Beschreibung einer Hauptleistungspflicht klar und verständlich sein, anderenfalls sie eine unangemessene Benachteiligung darstellen kann, § 307 Abs. 3 S. 2 i.V.m. Abs. 1 S. 2 BGB. 37Die von der Beklagten gestellte Formulierung in § 9 Abs. 1 des Nachrangdarlehensvertrages 38„Ist das Nachrangdarlehen auf dem Sonderkonto der Emittentin eingegangen, ist die Geltendmachung des Anspruchs auf Rückzahlung der überlassenen Gelder (Tilgung) sowie auf Zahlung der versprochenen Zinsen solange und soweit ausgeschlossen, wie deren Rückzahlung einen Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Emittentin herbeiführen würde (sog. vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre)“ 39genügt nicht dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, die Regelung benachteiligt die Klägerin in unangemessener Weise. 40Der 9. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat in den beiden vorgenannten Entscheidungen ausgeführt, dass eine in allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene qualifizierte Nachrangvereinbarung gegenüber Verbrauchern nur hinreichend transparent ist, wenn aus ihr die Rangtriefe, die vorinstanzliche Durchsetzungssperre, deren Dauer und Erstreckung auf Zinsen klar und unmissverständlich hervorgehen. Eine vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre muss hiernach erläutern, ab wann die Ansprüche nicht mehr durchsetzbar sind (vgl. auch OLG Köln, Beschluss vom 07.08.2020, 13 U 174/19). 41Diesen Anforderungen wird § 9 Abs. 1 nicht gerecht, denn es wird nicht erläutert, wann ein Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens besteht. Zur Transparenz hätte gehört, dass die Gründe klar beschrieben werden (vgl. BGH, Urteil vom 06.12.2018, IX ZR 143/17, Rn. 36 ff.). Denn der juristisch nicht vorgebildete durchschnittliche Verbraucher kennt nicht die Gründe, unter welchen ein Insolvenzverfahren beantragt werden kann. 42Es kommt hinzu, dass die Formulierung „solange und soweit ausgeschlossen, wie deren Rückzahlung einen Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Emittentin herbeiführen würde“ nicht darüber informierte, dass die Beklagte berechtigt sein sollte, ohne Offenlegung der Vermögenslage eine Rückzahlung zu verweigern. 43Der Klägerin war, wie sie anlässlich der Anhörung betont hat, bewusst, dass sie im Falle der Insolvenz Zahlungen erst erwarten könnte, wenn alle Gläubiger zuvor befriedigt waren. Dieses Risiko nahm die Klägerin in Kauf. Was sie aber nicht wusste und insoweit klärten die Vertragsunterlagen sie auch nicht auf, dass die Beklagte berechtigt sein sollte, ohne jeglichen Nachweis eine Insolvenzgefährdung zu behaupten. 44Die Klägerin traf zum 30.06.2021 auf folgende Situation: 45Die Beklagte hatte sich ihr gegenüber verpflichtet, die von den Nachrangdarlehensgebern eingenommenen Gelder in Immobilienprojekte zu investieren. Die Klägerin ging davon aus, dass ihr Anlagebetrag angesichts des bereits im Jahre 2018 bestehenden und seither sich weiter aufbauenden Immobilienbooms nicht gefährdet sei. Die Mitteilungen der Beklagten über die Thesaurierung erlangter Zinsen bestärkten sie darin. 46Weshalb die Vermögensanlage der Beklagten im Juni 2021 so prekär gewesen sein soll, dass eine Zahlung nicht ohne Gefährdung der Beklagten erfolgen konnte, wurde ihr nicht erläutert. Gleiches gilt für den jetzigen Zeitpunkt. 47Im Falle eines Insolvenzantrages würde ein Gutachten zur wirtschaftlichen Situation der Anlagegesellschaft eingeholt. Die Klägerin könnte sich hierdurch informieren, wie es wirtschaftlich um die Gesellschaft bestellt ist. 48Die ihr von der Beklagte gestellte Regelung in § 9 erlaubt es, der Klägerin auf bloßen Zuruf die Zahlung zu verweigern, ohne dass sich die Beklagte durch Vorlage von Unterlagen erklären muss. 49Hierdurch ist die Klägerin einem unternehmerischen Risiko ausgesetzt worden, welches höher liegt als das eines Gesellschafters und von dem sie auch als Nachrangdarlehensgeberin nicht ausgehen musste (vgl. zu diesem Aspekt BGH, Urteil vom 01.10.2019, VI ZR 156/18). 502. Die Beklagte schuldet der Klägerin gemäß § 4 Abs. 4 des Nachrangdarlehensvertrages ab dem 01.07.2021 Zinsen in Höhe von 3,0 % über dem Basiszinssatz, hier sind ersichtlich 3 Prozentpunkte über diesem gemeint, weil ansonsten die Parteien keine Verzinsung vereinbart hätten. Zum Anlagezeitpunkt galt bereits ein Negativzinssatz. 513. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO. 52Streitwert: 5.717,40 EUR 53
die beklagte wird verurteilt, an die klägerin 5.717,40 eur nebst zinsen in höhe von basiszinssatz zuzüglich 3 prozentpunkten hierauf seit dem 1. juli 2021 zu zahlen. die kosten des rechtsstreits trägt die beklagte. das urteil ist gegen sicherheitsleistung in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages vorläufig vollstreckbar. 1
2die klägerin macht zahlungsansprüche im zusammenhang mit der von ihr getätigten geldanlage „v a b festzins #“ geltend. 3bei dieser anlageform gewährten anleger der beklagten ein nachrangiges, aufgezinstes und ungesichertes nachrangdarlehen. die beklagte investierte die eingenommenen beträge in form von nachrangdarlehen in projektgesellschaften, welche energieeffiziente immobilien in deutschland planen, entwickeln und vermarkten sollten. 4die klägerin erhielt auf ihre anfrage einen verkaufsprospekt, der u.a. einen „nachrangdarlehensvertrag“ enthielt (zum vertrag siehe anlage k2, bl. 13 d.a.) sowie ein zeichnungsscheinformular „für das nachrangdarlehensangebot“ (anlage k1, bl. 12 d.a.). sie füllte die freien felder des zeichnungsscheines aus, unterzeichnete es unter dem 19.02.2018 und sandte es an die beklagte zurück. ob die klägerin weitere unterlagen erhalten hatte, ist streitig. 5die beklagte übersandte der klägerin mit schreiben vom 20.02.2018 die annahmeerklärung zum darlehensvertrag (anlage k3, bl. 17 d.a.). 6in dem nachrangdarlehensvertrag ist unter § 4 ausgeführt, dass der darlehensbetrag bis zum 30.06.2020 mit 4,00 % p.a. und für die zeit von 01.7.2020 bis zum 30.06.2021 mit 4,25 % p.a. verzinst werde und eine thesaurierung der aufgelaufenen zinsen erfolge. bei einer verzögerung der tilgung wegen der nachrangigkeit ist eine zinshöhe von 3,0 % p.a. über dem basiszinssatz ab dem 30.06.2021 vorgesehen. in § 5 und § 6 ist geregelt, dass die tilgung vorbehaltlich einer kündigung zum 30.06.2021 erfolgt und dieses datum die laufzeit des darlehens darstellt. 7§ 9 mit der überschrift „nachrangigkeit“ sieht folgendes vor: 8(1) ist das nachrangdarlehen auf dem sonderkonto der emittentin eingegangen, ist die geltendmachung des anspruchs auf rückzahlung der überlassenen gelder (tilgung) sowie auf zahlung der versprochenen zinsen solange und soweit ausgeschlossen, wie deren rückzahlung einen grund für die eröffnung des insolvenzverfahrens über das vermögen der emittentin herbeiführen würde (sog. vorinsolvenzliche durchsetzungssperre). im falle der insolvenz oder der liquidation der emittentin darf die rückzahlung der überlassenen gelder (tilgung) sowie die zahlung der versprochenen zinsen erst nach befriedigung sämtlicher anderer gläubiger der emittentin erfolgen. die forderungen der anleger treten also hinter alle in § 39 abs. 1 nr. 1–5 inso (insolvenzordnung) genannten forderungen zurück. 9(2) die zinsen und die tilgung des nachrangdarlehens dürfen daher nur aus jahresüberschüssen, liquidationsüberschüssen und sonstigem freien vermögen des nachrangdarlehensnehmers geleistet werden, soweit diese beträge nicht zur erhaltung des satzungsmäßigen eigenkapitals der emittentin erforderlich sind. 10(3) die nachrangigkeit gemäß § 9 abs. 1 schließt die aufrechnung sowohl mit forderungen des nachrangdarlehensnehmers gegen forderungen des anlegers als auch mit forderungen des anlegers gegen forderungen des nachrangdarlehensnehmers aus. 11(4) zahlt der nachrangdarlehensnehmer entgegen den regelungen in § 9 dennoch zinsen aus oder tilgt er darlehen, obwohl er dazu nach den regelungen dieses § 9 nicht berechtigt ist, so hat der anleger die auf diese weise erlangten geldbeträge auf anforderung an den nachrangdarlehensnehmer zurückzugeben. 12(5) sämtliche nachrangige nachrangdarlehen aus diesem nachrangdarlehensangebot sind im verhältnis untereinander gleichrangig. 13(6) im insolvenzverfahren darf der anleger seine nachrangigen forderungen nur entsprechend der vereinbarten rangstelle anmelden und befriedigung erst verlangen, wenn die forderungen aller vorrangigen gläubiger vollständig beglichen sind.“ 14die klägerin zahlte am 23.02.2018 absprachegemäß 5.000,00 eur an die beklagte. in der folgezeit erhielt sie jeweils nachrichten über gewährte zinsen, die thesauriert worden waren. 15die klägerin zeichnete eine weitere sog. „v-anlage“. bezüglich dieser, hier nicht streitgegenständlichen anlage v c festzins ##, wurde die klägerin mit schreiben vom april 2021 von der anlagegesellschaft informiert, dass die rückzahlung der anlage aufgrund der neueren rechtsprechung des bundesgerichtshofes zu qualifizierten nachrangklauseln akut ausfallgefährdet sein könnte. sie bot der klägerin einen teilverzicht an (anlage k8, bl. 22 d.a.), auf den diese nicht einging. 16die klägerin erhielt zum 30.06.2021 von der beklagten keine zahlung auf die streitgegenständliche anlage. ihr anlagebetrag belief sich unter berücksichtigung der thesaurierten zinsen auf die klageforderung in höhe von 5.717,40 eur. 17mit schreiben vom 02.07.2021 teilte die beklagte mit, derzeit zu zins- und rückzahlungen nicht in der lage zu sein. mit schreiben vom 06.07.2021 forderte die klägerin die beklagte – vergeblich - unter fristsetzung zur rückzahlung des darlehensbetrages nebst zinsen auf. 18die parteien streiten darüber, ob sich die beklagte gegenüber der klägerin auf die regelung in § 9 des nachrangdarlehensvertrages berufen darf und falls ja, ob deren voraussetzungen vorliegen. 19die klägerin ist der ansicht, die beklagte sei zur rückzahlung verpflichtet, da eine wirksame qualifizierte nachrangabrede nicht vorliege. die anforderungen des bundesgerichtshofes (bgh, urteil vom 01.10.2019, vi zr 156/18) seien nicht erfüllt. die bezeichnung der anlage als „…festzins“ sei unrichtig bzw. irreführend. 20die klägerin beantragt, 21die beklagte zu verurteilen, an sie 5.717,40 eur nebst verzugszinsen in höhe von basiszinssatz + 3 prozentpunkten hieraus seit dem 1. juli 2021 zu zahlen. 22die beklagte beantragt, 23die klage abzuweisen. 24sie meint, die rückzahlung sei aufgrund des wirksam vereinbarten qualifizierten nachranges in § 9 des nachrangdarlehensvertrages und der darin enthaltenen vorinsolvenzrechtlichen durchsetzungssperre aktuell ausgeschlossen. hierzu behauptet sie, derzeit und auch in der vergangenheit finanziell nicht zu einer solchen rückzahlung in der lage (gewesen) zu sein. freies vermögen sei insoweit nicht vorhanden. die begehrte rückzahlung, die wegen der in § 9 abs. 5 des nachrangdarlehensvertrages geregelten gleichbehandlung der nachrangigen gläubiger an sämtliche anleger hätte erfolgen müssen, könne nicht geleistet werden, ohne dass hierdurch die erfüllung vorrangiger verbindlichkeiten vereitelt würde. sie behauptet weiter, die klägerin habe vor zeichnung der anlage nicht nur den verkaufsprospekt, sondern auch das vermögensinformationsblatt über die streitgegenständliche anlage erhalten und unterzeichnet. das gesamte paket sei am 19.01.2018 durch die v gmbh als selbstständige anlagevermittlerin an die klägerin versandt worden, was die klägerin mit nichtwissen bestreitet. der klägerin sei daher bei vertragsschluss bewusst gewesen, dass ihre forderung gegen sie qualifiziert nachrangig ausgestaltet sei. insbesondere sei auf das liquiditätsrisiko und die möglichkeit eines totalverlustes hingewiesen worden. 25soweit die klägerin das konzept der anlage angreift, verweist die beklagte auf die erfolgte genehmigung ihres verkaufsprospektes durch die bundesanstalt für finanzdienstleistungsaufsicht (bafin). 26wegen der einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf die gewechselten schriftsätze nebst anlagen sowie das sitzungsprotokoll vom 09.03.2022 (bl. 310 f. d.a.). verwiesen. 27
28die klage ist begründet. 291. die klägerin hat gemäß § 488 abs. 1 s. 2 bgb einen fälligen zahlungsanspruch gegen die beklagte in höhe von rechnerisch unstreitigen 5.717,40 eur. 30der anspruch gegen die beklagte ist fällig und durchsetzbar. 31die laufzeit des nachrangdarlehensvertrages endete gemäß § 5 vorbehaltlich einer zuvor – hier nicht erfolgten - kündigung zum 30.06.2021. 32die beklagte kann dem rückzahlungsanspruch der klägerin nicht die regelung in § 9 des nachrangdarlehensvertrages entgegen halten, denn sie ist unwirksam. 33§ 9 stellt eine allgemeine geschäftsbedingung im sinne des § 305 bgb dar. die beklagte hatte die bestimmungen des nachrangdarlehensvertrages für eine vielzahl von anlegern formuliert und sie zum inhalt ihres vermögensanlageangebotes gemacht. die klägerin zeichnete die anlage wie angeboten. 34als allgemeine geschäftsbedingung unterliegt die formulierung in § 9 der inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. bgb. 35die in § 9 abs. 1 vorgesehene sog. vorinsolvenzliche durchsetzungssperre schränkt den nach § 488 abs. 1 s. bgb vorgesehenen rückzahlungsanspruch eines darlehensgebers ein. damit entzieht sich die regelung der inhaltskontrolle gemäß § 307 abs. 3 s. 1 bgb, denn es steht parteien im rahmen der vertragsfreiheit zu, die leistungen frei zu bestimmen, wie z.b. hier, die hauptleistungspflicht bereits für die zeit vor einer insolvenz einzuschränken (vgl. bgh, urteil vom 06.12.2018, ix zr 143/17; teilurteil vom 12.12.2019, ix zr 77/19). 36jedoch muss auch die beschreibung einer hauptleistungspflicht klar und verständlich sein, anderenfalls sie eine unangemessene benachteiligung darstellen kann, § 307 abs. 3 s. 2 i.v.m. abs. 1 s. 2 bgb. 37die von der beklagten gestellte formulierung in § 9 abs. 1 des nachrangdarlehensvertrages 38„ist das nachrangdarlehen auf dem sonderkonto der emittentin eingegangen, ist die geltendmachung des anspruchs auf rückzahlung der überlassenen gelder (tilgung) sowie auf zahlung der versprochenen zinsen solange und soweit ausgeschlossen, wie deren rückzahlung einen grund für die eröffnung des insolvenzverfahrens über das vermögen der emittentin herbeiführen würde (sog. vorinsolvenzliche durchsetzungssperre)“ 39genügt nicht dem transparenzgebot des § 307 abs. 1 s. 2 bgb, die regelung benachteiligt die klägerin in unangemessener weise. 40der 9. zivilsenat des bundesgerichtshofes hat in den beiden vorgenannten entscheidungen ausgeführt, dass eine in allgemeinen geschäftsbedingungen enthaltene qualifizierte nachrangvereinbarung gegenüber verbrauchern nur hinreichend transparent ist, wenn aus ihr die rangtriefe, die vorinstanzliche durchsetzungssperre, deren dauer und erstreckung auf zinsen klar und unmissverständlich hervorgehen. eine vorinsolvenzliche durchsetzungssperre muss hiernach erläutern, ab wann die ansprüche nicht mehr durchsetzbar sind (vgl. auch olg köln, beschluss vom 07.08.2020, 13 u 174/19). 41diesen anforderungen wird § 9 abs. 1 nicht gerecht, denn es wird nicht erläutert, wann ein grund für die eröffnung eines insolvenzverfahrens besteht. zur transparenz hätte gehört, dass die gründe klar beschrieben werden (vgl. bgh, urteil vom 06.12.2018, ix zr 143/17, rn. 36 ff.). denn der juristisch nicht vorgebildete durchschnittliche verbraucher kennt nicht die gründe, unter welchen ein insolvenzverfahren beantragt werden kann. 42es kommt hinzu, dass die formulierung „solange und soweit ausgeschlossen, wie deren rückzahlung einen grund für die eröffnung des insolvenzverfahrens über das vermögen der emittentin herbeiführen würde“ nicht darüber informierte, dass die beklagte berechtigt sein sollte, ohne offenlegung der vermögenslage eine rückzahlung zu verweigern. 43der klägerin war, wie sie anlässlich der anhörung betont hat, bewusst, dass sie im falle der insolvenz zahlungen erst erwarten könnte, wenn alle gläubiger zuvor befriedigt waren. dieses risiko nahm die klägerin in kauf. was sie aber nicht wusste und insoweit klärten die vertragsunterlagen sie auch nicht auf, dass die beklagte berechtigt sein sollte, ohne jeglichen nachweis eine insolvenzgefährdung zu behaupten. 44die klägerin traf zum 30.06.2021 auf folgende situation: 45die beklagte hatte sich ihr gegenüber verpflichtet, die von den nachrangdarlehensgebern eingenommenen gelder in immobilienprojekte zu investieren. die klägerin ging davon aus, dass ihr anlagebetrag angesichts des bereits im jahre 2018 bestehenden und seither sich weiter aufbauenden immobilienbooms nicht gefährdet sei. die mitteilungen der beklagten über die thesaurierung erlangter zinsen bestärkten sie darin. 46weshalb die vermögensanlage der beklagten im juni 2021 so prekär gewesen sein soll, dass eine zahlung nicht ohne gefährdung der beklagten erfolgen konnte, wurde ihr nicht erläutert. gleiches gilt für den jetzigen zeitpunkt. 47im falle eines insolvenzantrages würde ein gutachten zur wirtschaftlichen situation der anlagegesellschaft eingeholt. die klägerin könnte sich hierdurch informieren, wie es wirtschaftlich um die gesellschaft bestellt ist. 48die ihr von der beklagte gestellte regelung in § 9 erlaubt es, der klägerin auf bloßen zuruf die zahlung zu verweigern, ohne dass sich die beklagte durch vorlage von unterlagen erklären muss. 49hierdurch ist die klägerin einem unternehmerischen risiko ausgesetzt worden, welches höher liegt als das eines gesellschafters und von dem sie auch als nachrangdarlehensgeberin nicht ausgehen musste (vgl. zu diesem aspekt bgh, urteil vom 01.10.2019, vi zr 156/18). 502. die beklagte schuldet der klägerin gemäß § 4 abs. 4 des nachrangdarlehensvertrages ab dem 01.07.2021 zinsen in höhe von 3,0 % über dem basiszinssatz, hier sind ersichtlich 3 prozentpunkte über diesem gemeint, weil ansonsten die parteien keine verzinsung vereinbart hätten. zum anlagezeitpunkt galt bereits ein negativzinssatz. 513. die prozessualen nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 zpo. 52streitwert: 5.717,40 eur 53
345,066
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29 K 8384/21.A
2022-04-27T00:00:00
Urteil
Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieser Entscheidung vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet. 1Tatbestand: 2Der nach seinen Angaben am 00. O. 1998 in Afghanistan geborene Kläger stellte am 28. September 2021 einen Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt). 3In diesem Zusammenhang gab er an, sich zunächst zwei Monate in Frankreich aufgehalten zu haben und sodann drei Jahre in Schweden verbracht zu haben. Er leide unter Nierensteinen. Es sei ihm gesagt worden, dass er jeden Moment eine Dialyse brauche. Seine Nieren produzierten Steine und es sei notwendig, jährlich operiert zu werden. Sein derzeitiger Gesundheitszustand sei sehr schlecht. Sein Bruder wohne in der Bundesrepublik Deutschland und er, der Kläger, brauche wegen seiner Gesundheitsprobleme Hilfe. 4Im Rahmen seiner Anhörung am 19. Oktober 2021 gab der Kläger im Wesentlichen an, dass sich sein Bruder am Bodensee aufhalte und er wegen seiner Erkrankung dessen Unterstützung benötige. Sein Bruder wiederum sei emotional auf ihn, den Kläger, angewiesen. Er habe Afghanistan vor etwa anderthalb Monaten verlassen. In die Bundesrepublik Deutschland sei er am 21. September 2021 oder am 22. September 2021 eingereist. Zuvor sei er in Italien und Frankreich gewesen. Er habe bereits im Jahr 2014 in Schweden, im Jahr 2019 in Italien und im Jahr 2021 erneut in Schweden Asyl beantragt. In Frankreich seien ihm im Jahr 2018 Fingerabdrücke abgenommen worden. 5Eine vom Bundesamt eingeholte Eurodac-Anfrage vom 19. Oktober 2021 ergab insgesamt sechs Treffer. Unter anderem wurden dem Kläger am 12. Februar 2019 in Italien Fingerabdrücke abgenommen. 6Bei einer weiteren Anhörung vor dem Bundesamt am 26. Oktober 2021 teilte der Kläger mit, sich von 2014 bis 2017 in Schweden aufgehalten zu haben. Von 2017 bis 2018 sei er in der Bundesrepublik Deutschland gewesen. 2018 sei er nach Frankreich gereist, wo er zwei Monate geblieben sei. Dann sei er wieder nach Schweden gegangen. Danach habe er sich in Italien aufgehalten, wo er fünf Monate geblieben sei. Von dort aus sei er wieder nach Schweden gegangen. Von 2019 bis August 2021 sei er in Schweden gewesen. Er habe in Schweden einen Aufenthalt bekommen wollen, was jedoch abgelehnt worden sei. Deswegen sei er nach Italien gegangen. Schweden habe ihn nach Italien abgeschoben. Er sei zuletzt von Italien aus kommend in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Zuvor habe ihn Schweden nach Italien abgeschoben. In Italien habe er meistens draußen auf der Straße gelebt. Er habe Sachen, die er besessen habe, verkauft, sodass ihm Geld zur Verfügung gestanden habe. In Schweden sei er angehört worden, in Italien und Frankreich habe man ihm Fingerabdrücke abgenommen. In Schweden habe er eine Abschiebung nach Afghanistan angedroht bekommen. In Frankreich und Italien habe er eine Absage wegen Dublin bekommen. Nach Schweden oder Frankreich wolle er gerne zurückkehren. Etwas anderes gelte für Italien. Dort bekomme man keine Unterstützung und man habe keine Möglichkeit, dort zu leben. Er sei krank und müsse in einem Krankenhaus aufgenommen werden. Italien böte diese Möglichkeit nicht. Die Ärzte hätten gesagt, dass er Dialyse bekommen solle. In Italien habe er beantragt, in einem Camp zu leben. Er habe gefragt, ob er Leistungen bekommen könne. Das sei alles abgelehnt worden. Niemand bekomme in Italien Geld. Zum ersten Mal habe er in der Bundesrepublik Deutschland davon gehört, dass man Sozialleistungen bekomme. Er habe sich in Italien auch an Hilfsorganisationen gewandt. Diese hätten sich um Hilfe gekümmert. Die Stadt habe aber nicht mitgemacht und abgelehnt. Die Hilfsorganisation habe ihm auch mit den Ärzten und den Medikamenten in Italien geholfen. Er leide seit dem Jahr 2013 unter Nierensteinen. Er sei sechsmal operiert worden, zweimal davon in N. . In Schweden seien vier kleine Operationen, Notoperationen, vorgenommen worden. Er nehme verschreibungspflichtige Schmerzmittel, die er in Schweden bekommen habe. Zu seiner Erkrankung legte er ein Schreiben eines schwedischen Facharztes aus der urologischen Abteilung des Universitätskrankenhauses T. vom 14. Juni 2021 vor, wonach der Kläger seit mehreren Jahren Probleme mit Nierensteinen habe. Wenn er nicht behandelt werde, werde dies irgendwann zu schwerem Nierenversagen führen. Er bräuchte dann mehrmals pro Woche eine Dialyse. Eine mögliche Behandlung bestehe aus mehreren Operationen, um die Nierensteine zu entfernen. 7Im Hinblick auf den Eurodac-Treffer und unter Berufung auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), richtete das Bundesamt mit Schreiben vom 26. Oktober 2021 ein Wiederaufnahmegesuch an Schweden, das dort ausweislich einer automatisch generierten E-Mail am selben Tag einging. 8Mit Schreiben vom 28. Oktober 2021 lehnten die schwedischen Behörden die Übernahme des Klägers ab. Sein Asylantrag sei in Schweden rechtskräftig in allen Instanzen abgelehnt worden. Am 25. August 2021 habe der Kläger Schweden in Einklang mit der gerichtlichen Entscheidung verlassen. Die zuständigen Kollegen der schwedischen Behörden hätten am Flugsteig gewartet, bis sie gesehen hätten, wie das Flugzeug gestartet sei. 9Im weiteren Verlauf des Verwaltungsverfahrens reichte der Kläger einen von einem Assistenzarzt, einem Oberarzt und einem Chefarzt, allesamt tätig bei der Kliniken N1. I. GmbH in N. , unterzeichneten Arztbrief vom 19. Februar 2018 ein, wonach er sich vom 19. Februar 2018 bis zum 21. Februar 2018 in stationärer Behandlung befunden habe. Als Diagnosen führt dieses Schreiben auf „Harnleitersteine beidseits, mutiple Nierenbeckenkelchsteine beidseits, Harnwegsinfekt, Z.n. mehrfacher PCNL, Depression“. In einem weiteren von einer Assistenzärztin desselben Krankenhauses unterzeichneten Arztbrief vom 1. März 2018 wird bei dem Kläger diagnostiziert: „Nephrolithiasis beidseits, Z.n. Doppel-J-Sondenanlage beidseits 20.02.2018 bei Ureterolithiasis beidseits, Z.n. mehrfacher PCNL, Depression“. In einem mit „Reiseunfähigkeitsbescheinigung“ überschriebenen Dokument vom 3. Mai 2018 bestätigt ein Facharzt für Allgemeinmedizin, dass der Kläger unter einem chronischen Harnsteinleiden leide. Aufgrund der erhöhten Infektionsgefahr und rezidivierender Schmerzen werde der Patient zur Zeit für nicht reisefähig gehalten. In einem endgültigen Entlassungsbrief vom 9. März 2018 halten ein Assistenzarzt, ein Oberarzt und ein Chefarzt des vorbezeichneten Krankenhauses für den Kläger folgende Diagnosen fest: „Therapierefraktäre Harnwegsinfektion, Z.n. Doppel-J-Sondenanlage beidseits 20.02.2018 bei Ureterolithiasis beidseits, Z.n. ESWL rechts am 01.03.2018, Z.n. mehfacher PCNL, Depression“. Der Kläger habe sich vom 8. März 2018 bis zum 11. März 2018 in stationärer Behandlung befunden. Ein von anderen Ärzten unterschriebener vorläufiger Entlassungsbrief vom selben Tag führt beim Kläger folgende Diagnosen auf: „Akute therapierefrakturäre Harnwegsinfektion, Z.n. Doppel-J-Sondenanlage beidseits 20.02.2018 bei Ureterolithiasis beidseits, Z.n. ESWL rechts am 01.03.2018, Z.n. mehfacher PCNL, Depression“. 10Auf ein am 2. November 2021 an Italien gerichtetes Wiederaufnahmeersuchen reagierten die italienischen Behörden mit Schreiben vom 15. November 2021, wonach sie die Übernahme des Klägers gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin III-VO akzeptierten. 11Mit Bescheid vom 19. November 2021 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab (Ziffer 1.), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorlägen (Ziffer 2.) und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an (Ziffer 3.). Zudem wurde ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 4.). Zur Begründung führte das Bundesamt aus, der Asylantrag des Klägers sei gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 des Asylgesetzes (AsylG) unzulässig, da Italien aufgrund des dort gestellten Asylantrags nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin III-VO für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig sei. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG lägen nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Italien führten insbesondere nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung von Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) oder Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GR-Charta) drohe. 12Der Kläger hat gegen den ihm am 7. Dezember 2021 zugestellten Bescheid am 10. Dezember 2021 Klage erhoben. Zur Begründung seiner Klage macht er im Wesentlichen geltend, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in Italien systemische Schwachstellen aufwiesen. Für den Fall seiner Rücküberstellung nach Italien drohe ihm die ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung. Mit Schriftsatz vom 15. Februar 2022 hat er einen von Ärzten der Klinik für Urologie des Krankenhauses Kliniken N1. I. unterschriebenen „Entlassungsbrief“ vorgelegt, wonach er vom 25. November 2021 bis zum 27. November 2021 in stationärer Behandlung gewesen sei. Diagnostiziert werden dort „Nierenbeckenausgussteine beidseits, Harnwegsinfektion, Z. n. Doppel-J-Sondenanlage beidseits 02/2018 bei Ureterolithiasis beidseits, Z.n. ESWL rechts am 03/2018, Z.n. mehrfacher PCNL, Depression“. In einer „ärztlichen Bescheinigung“ vom 14. Februar 2022 kommt ein Facharzt für Allgemeinmedizin aufgrund der Diagnose „Nierensteinkolik beidseits, Sonographie Adbodmen“ zu dem Ergebnis, dass „aus ärztlicher Sicht eine sofortige Aufnahme in stationäre Behandlung zwingend indiziert“ sei. 13Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß, 14den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 19. November 2021 aufzuheben, 15hilfsweise, 16die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheids vom 19. November 2021 zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Italiens bestehen. 17Die Beklagte beantragt schriftsätzlich, 18die Klage abzuweisen. 19Zur Begründung bezieht sie sich auf die angefochtene Entscheidung. 20Auf den gleichzeitig gestellten Eilantrag hin hat das Gericht mit Beschluss vom 18. Januar 2022 die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet (29 L 2652/21.A). Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, dass es nach summarischer Prüfung nicht endgültig beurteilen könne, ob die Zuständigkeit Italiens für die Prüfung des Asylantrags des Antragstellers nach Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 und UAbs. 3 Dublin III-VO auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen sei, da sich im Eilverfahren nicht abschließend klären lasse, ob der Antragsteller in seiner Person die Voraussetzungen für den Entzug des Unterkunftsanspruchs nach Art. 23 der Gesetzesverordnung („decreto legislativo“) Nr. 142/2015 vom 18. August 2015 (Gesetzesverordnung Nr. 142/2015) erfüllt, weil er bereits Zugang zum italienischen Aufnahmesystem hatte und diesen durch seine Ausreise nach Deutschland aufgegeben hat. 21Mit Schriftsatz vom 7. März 2022 hat der Kläger mitgeteilt, dass ihm in Italien keine Unterkunft zugewiesen worden sei. Die Regierung von Italien habe ihm grundsätzlich nicht geholfen. Er habe zu keinem Zeitpunkt in einer behördlichen Unterkunft gelebt. Die Regierung sei mehrmals gebeten worden, ihm eine Unterkunft zuzuweisen. Dies sei jedoch nicht erfolgt. 22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Bundesamts Bezug genommen. 23Entscheidungsgründe: 24Der Einzelrichter ist für die Entscheidung zuständig, nachdem die Kammer ihm den Rechtsstreit mit Beschluss vom 24. Februar 2022 zur Entscheidung übertragen hat (§ 76 Abs. 1 AsylG). 25Das Gericht entscheidet gemäß § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung, da sich die Beteiligten – der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 22. März 2022 und die Beklagte mit Schriftsatz vom 12. April 2022 – mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt haben. 26Das Gericht legt den Klageantrag des Klägers gemäß § 88 VwGO dahingehend aus, dass er mit dem Hauptantrag die Aufhebung des Bescheids des Bundesamts begehrt und hilfsweise die Verpflichtung der Beklagten, das Bestehen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Italiens festzustellen. Dies ergibt sich aus der zur Auslegung des Klageantrags heranzuziehenden Klagebegründung und entspricht damit dem in der Klageschrift insgesamt zum Ausdruck kommenden Klagebegehren, wonach die Beklagte „zumindest unter teilweiser Aufhebung ihres Bescheids verpflichtet werden [soll] festzustellen, dass in der Person des Klägers Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und/oder Abs. 7 Satz 1 des AufenthG hinsichtlich Italiens vorliegen.“ 27Die so verstandene Klage hat weder mit ihrem Hauptantrag noch mit ihrem Hilfsantrag Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet. 28Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft, soweit sie sich gegen die Unzulässigkeitsentscheidung (Ziffer 1.) und die Abschiebungsanordnung (Ziffer 3.) richtet. 29Vgl. im Einzelnen BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2015 – 1 C 32.14 –, juris, Rn. 13 ff.; OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –, juris, Rn. 28 ff.; OVG NRW, Urteil vom 16. September 2015 – 13 A 800/15.A –, juris, Rn. 22 ff. 30Die isolierte Aufhebung dieser Regelungen führt zur weiteren Prüfung des Asylantrags des Klägers durch die Beklagte und damit zu dem erstrebten Rechtsschutzziel. Denn mit der Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids wird das Verwaltungsverfahren in den Verfahrensstand zurückversetzt, in dem es vor Erlass der streitgegenständlichen Regelungen war. Das Bundesamt ist im Falle einer Aufhebung des Bescheids gemäß §§ 24, 31 AsylG gesetzlich verpflichtet, das Asylverfahren weiterzuführen. 31Dagegen ist die Feststellung, dass keine Abschiebungsverbote vorliegen, in der Hauptsache (hilfsweise) durch eine Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage, § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO, zur verwaltungsgerichtlichen Prüfung zu stellen. Denn insoweit hat sich das Bundesamt nach § 31 Abs. 3 AsylG sachlich mit dem Schutzbegehren befasst. 32Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2016 – 1 C 4/16 –, Rn. 16, juris. 33Die Klage ist aber unbegründet. In dem für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) ist die Ablehnung des Asylantrags des Klägers als unzulässig in Ziffer 1. des streitgegenständlichen Bescheids rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Auch die weiteren angegriffenen Ziffern des Bescheidtenors sind rechtlich nicht zu beanstanden. Im Einzelnen: 34Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers zu Recht auf der Grundlage von § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG als unzulässig abgelehnt. Nach dieser Vorschrift ist ein Asylantrag unzulässig, wenn nach der Dublin III-VO ein anderer Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. 35Die Zuständigkeit richtet sich vorliegend nach den Regelungen über das Wiederaufnahmeverfahren gemäß Art. 23 ff. Dublin III-VO. Im Wiederaufnahmeverfahren ist der zuständige Staat – anders als im Aufnahmeverfahren – nicht nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO zu bestimmen, sondern es ist ausreichend, dass der betreffende andere Mitgliedstaat den Erfordernissen nach Art. 20 Abs. 5 oder Art. 18 Abs. 1 Buchst. b bis d Dublin III-VO genügt. 36Vgl. EuGH, Urteil vom 2. April 2019 – C-582/17 und C-583/17 –, juris, Rn. 58 ff. 37Art. 18 Abs. 1 Buchst. b bis d Dublin III-VO findet Anwendung, wenn in dem Mitgliedstaat, in dem zuvor ein Antrag gestellt wurde, das Verfahren zur Bestimmung des für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaats bereits in einer die Zuständigkeit dieses Staats begründenden Weise abgeschlossen ist, jedoch unabhängig davon, ob dieser Staat mit der Prüfung des Antrags nach der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Verfahrensrichtlinie) bereits begonnen hat. 38Vgl. EuGH, Urteil vom 2. April 2019 – C-582/17 und C-583/17 –, juris, Rn. 51 bis 53. 39Da in einem solchen Fall die Zuständigkeit für die Prüfung des Antrags bereits feststeht, erübrigt sich eine erneute Anwendung der Regeln über das Verfahren zur Bestimmung dieser Zuständigkeit, darunter in erster Linie der in Kapitel III der Dublin III-VO niedergelegten Kriterien. 40Vgl. EuGH, Urteil vom 2. April 2019 – C-582/17 und C-583/17 –, juris, Rn. 67. 41Hiernach ist vorliegend Italien gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin III-VO für das Asylverfahren des Klägers zuständig. Nach dieser Norm ist der zuständige Mitgliedstaat verpflichtet, einen Kläger, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 Dublin III-VO wieder aufzunehmen. 42Aus dem Vorbringen des Klägers sowie aus dem Eurodac-Treffer folgt, dass die Voraussetzungen des Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin III-VO vorliegen. Der Kläger selbst hat angegeben, in Italien gewesen zu sein und dort seine Fingerabdrücke abgegeben zu haben. Dies steht im Einklang mit dem vorliegenden Eurodac-Treffer. Dementsprechend haben die italienischen Behörden mit Schreiben vom 15. November 2021 der Überstellung des Klägers nach Italien gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin III-VO zugestimmt und damit ihre Zuständigkeit gemäß Art. 25 Abs. 1 Dublin III-VO anerkannt. 43Ein Zuständigkeitsübergang gemäß Art. 23 Abs. 3 Dublin III-VO, wonach derjenige Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags zuständig ist, in dem der neue Antrag gestellt wurde, wenn das Wiederaufnahmegesuch nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Eurodac-Treffermeldung erfolgt ist, scheidet aus, weil zwischen der Treffermeldung am 19. Oktober 2021 und dem Wiederaufnahmegesuch am 2. November 2021, das bei den italienischen Behörden ausweislich einer automatisch generierten E-Mail noch am selben Tag eingegangen ist, nur etwa zwei Wochen lagen. 44Ebenso wenig kommt ein Übergang der Zuständigkeit auf die Beklagten gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO wegen Ablaufs der sechsmonatigen Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO in Betracht. Die Annahme des Wiederaufnahmegesuchs durch Italien mit Schreiben vom 15. November 2021 liegt weniger als sechs Monate zurück und die Überstellungsfrist wurde durch den fristgerecht gestellten Eilantrag und dem stattgebenden Eilbeschluss unterbrochen. 45Vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 26. Mai 2016 – 1 C 15.15 –, juris, Rn. 11; BVerwG, Beschluss vom 22. August 2016 – 1 B 95.16 u.a. –, juris, Rn. 8. 46Die Beklagte ist auch nicht nach Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO gehindert, den Kläger nach Italien zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gäbe, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylantragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufwiesen, die für den Kläger eine ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK mit sich brächte. Die Voraussetzungen, unter denen dies nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofes, 47EuGH, Urteil vom 19. März 2019 – C-163/17 –, juris, Rn. 87; EuGH, Urteil und vom 21. Dezember 2011 – C-411/10, –, juris, Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, S. 413, 48der Fall wäre, liegen nicht vor. 49Zwar bezieht sich Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-Verordnung nur auf die Situation, in der sich die tatsächliche Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta aus systemischen Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Personen, die internationalen Schutz beantragen, in dem Mitgliedstaat ergibt, der nach dieser Verordnung als für die Prüfung des Antrags zuständig bestimmt ist. Aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sowie aus dem allgemeinen und absoluten Charakter des Verbots in Art. 4 GR-Charta geht jedoch hervor, dass die Überstellung eines Antragstellers in diesen Mitgliedstaat in all jenen Situationen ausgeschlossen ist, in denen ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme vorliegen, dass der Antragsteller bei seiner Überstellung oder infolge seiner Überstellung eine solche Gefahr laufen wird. 50Vgl. EuGH, Urteil vom 19. März 2019 – C-163/17 –, juris, Rn. 87. 51Dabei ist für die Anwendung von Art. 4 GR-Charta gleichgültig, ob es zum Zeitpunkt der Überstellung, während des Asylverfahrens oder nach dessen Abschluss, das heißt im Falle der Gewährung internationalen Schutzes, dazu kommt, dass die betreffende Person aufgrund ihrer Überstellung an den zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Dublin III-VO einem ernsthaften Risiko ausgesetzt wäre, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erfahren. 52Vgl. EuGH, Urteil vom 19. März 2019 – C-163/17 –, juris, Rn. 88, 76. 53Insoweit ist das mit einem Rechtsbehelf gegen eine Überstellungsentscheidung befasste Gericht in dem Fall, dass es über Angaben verfügt, die die betreffende Person zum Nachweis des Vorliegens eines solchen Risikos vorgelegt hat, verpflichtet, auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben und im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandard der Grundrechte zu würdigen, ob entweder systemische oder allgemeine oder aber bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen vorliegen. 54Vgl. EuGH, Urteil vom 19. März 2019 – C-163/17 –, juris, Rn. 90 unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 5. April 2016 – C-404/15 und C-659/15 PPU –, juris, Rn. 89. 55Schwachstellen fallen nur dann unter Art. 4 GR-Charta, der Art. 3 EMRK entspricht und nach Art. 52 Abs. 3 GR-Charta die gleiche Bedeutung und Tragweite hat, wie sie ihm in der EMRK verliehen wird, wenn sie eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen, die von sämtlichen Umständen des Falles abhängt. 56Vgl. EGMR, 21. Januar 2011 – Nr. 30696/09 –, juris, Rn. 253 f. 57Denn im Kontext des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems und insbesondere der Dublin III-VO, die auf dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens beruht und durch eine Rationalisierung der Anträge auf internationalen Schutz deren Bearbeitung im Interesse sowohl der Antragsteller als auch der teilnehmenden Staaten beschleunigen soll, gilt die Vermutung, dass die Behandlung dieser Antragsteller in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der GR-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht. 58Vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 und C-493/10 –, juris, Rn. 78 bis 80. 59Diese besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit wäre erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre. Diese Schwelle ist daher selbst in durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen nicht erreicht, sofern sie nicht mit extremer materieller Not verbunden sind, aufgrund deren sich diese Person in einer solch schwerwiegenden Lage befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann. 60Vgl. EuGH, Urteil vom 19. März 2019 – C-163/17 –, juris, Rn. 89 ff.; unter Bezugnahme auf EGMR, 21. Januar 2011 – Nr. 30696/09 –, juris, Rn. 252 bis 263. 61Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe droht dem Kläger in Italien keine gegen Art. 4 GR-Charta oder Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung. Zwar darf ein aus Italien nach Deutschland eingereister Asylsuchender nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) nicht nach Italien rücküberstellt werden, wenn er dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit keinen Zugang zu einer Aufnahmeeinrichtung und einer damit verbundenen Versorgung hat. 62OVG NRW, Urteil vom 20. Juli 2021 – 11 A 1689/20. A –, juris, Rn. 41 ff. 63Ob diese Rechtsprechung, die sich im Hinblick auf ihre tatsächlichen Feststellungen zu den Zuständen in Italien einer immer lauter werdenden Kritik ausgesetzt sieht, 64vgl. nur VGH Bayern, Beschluss vom 24. Februar 2022 – M 19 S 22.50042 –, juris, S. 14 des Beschlussumdrucks; OVG Saarland, Urteil vom 15. Februar 2022 – 2 A 46/21 –, juris, Rn. 26; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 19. Januar 2022 – 4 LB 68/17 –, juris, S. 11 f. des Urteilsumdrucks; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. November 2021 – A 4 S 2850/21 –, juris, Rn. 9; VG Gießen, Beschluss vom 15. März 2022 – 3 L 91/22.GI.A –, juris, S. 5 ff. des Beschlussumdrucks; VG Regensburg, Urteil vom 3. März 2022 – RN 8 K 17.52250 –, juris, S. 5 des Beschlussumdrucks; VG Kassel, Beschluss vom 22. Februar 2022 - 7 L 243/22.KS.A –, juris, S. 5 ff. des Beschlussumdrucks; VG Bremen, Beschluss vom 13. Januar 2022 – 6 V 829/21 –, juris, S. 14 des Beschlussumdrucks; VG Cottbus, Urteil vom 4. November 2021 – 5 K 1633/16.A –, juris, Rn. 43; VG Berlin, Urteil vom 16. August 2021 – 31 K 575.17 A –, juris, Rn. 26 ff., 65vor dem Hintergrund, dass das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen das vorzitierte Urteil des OVG NRW – wenn auch nur aus Rechtsgründen – zwar zurückgewiesen, gleichwohl aber festgestellt hat, dass Asylsuchende auch auf Schlafplätze in Unterkünften von Kirchen, Nichtregierungsorganisationen, Privatpersonen oder sogar in einer staatlich geduldeten „informellen Siedlung“ verwiesen werden können, 66BVerwG, Beschluss vom 17. Januar 2022 – 1 B 66/21 –, juris, Rn. 20; a. A. OVG NRW, Urteil vom 20. Juli 2021 – 11 A 1689/20. A –, juris, Rn. 107, 67und zudem seine ständige Rechtsprechung betont hat, wonach es einem Asylsuchenden auch zuzumuten ist, eine Arbeit, die „im Bereich der sogenannten Schatten- oder Nischenwirtschaft angesiedelt“ ist, aufzunehmen, 68BVerwG, Beschluss vom 17. Januar 2022 – 1 B 66/21 –, juris, Rn. 29; BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 2006 – 1 B 100.05 –, juris, Rn. 11; BVerwG, Beschluss vom 9. Januar 1998 – 9 B 1130.97 –, juris, Rn. 5; a. A. OVG NRW, Urteil vom 20. Juli 2021 – 11 A 1689/20.A –, juris, Rn. 137, 69überhaupt noch Bestand haben kann, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden. Denn selbst bei Anwendung der strengen Anforderungen, die das OVG NRW in seiner Rechtsprechung zu Personen, die im Wege der Dublin III-VO nach Italien zurückgeführt werden sollen, aufgestellt hat, ist im konkreten Fall des Klägers nicht davon auszugehen, dass er bei einer Abschiebung nach Italien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit unabhängig von seinem Willen und seinen persönlichen Entscheidungen in eine Situation extremer materieller Not geraten wird und seine elementarsten Bedürfnisse („Bett, Brot, Seife“) für einen längeren Zeitraum nicht wird befriedigen können. 70Zunächst ist davon auszugehen, dass der Kläger bei seiner unmittelbaren Rückkehr nach Italien die notwendige Unterstützung erfährt. Insoweit folgt aus der Rechtsprechung des OVG NRW, dass im Falle einer auf dem Luftweg erfolgenden Rücküberstellung auf der Grundlage der Dublin III-VO der Umfang der Unterstützungsleistungen davon abhängt, ob Italien dem Wiederaufnahmegesuch der Bundesrepublik Deutschland zugestimmt hat oder nicht. 71OVG NRW, Urteil vom 20. Juli 2021 – 11 A 1689/20.A –, juris, Rn. 41 f. 72In Fällen, in denen Italien ausdrücklich seine Zuständigkeit unter der Dublin III-VO anerkannt hat, wird der günstigste Flughafen für Dublin-Rückkehrende angegeben, damit diese die zuständige Questura erreichen können. So verhält es sich vorliegend. 73Die italienischen Behörden haben dem Wiederaufnahmegesuch zugestimmt und bereits mitgeteilt, dass der Kläger am Flughafen G. in S. zu überstellen sei. An diesem Flughafen überreicht die Grenzpolizei, die selbst keine Asylanträge entgegennehmen darf, den überstellten Asylsuchenden einen Brief („verbale di invito“), in dem die zuständige Questura angegeben ist, bei der sich die Person innerhalb einer bestimmten Frist von in der Regel drei Tagen melden muss. 74OVG NRW, Urteil vom 20. Juli 2021 – 11 A 1689/20.A –, juris, Rn. 43 ff. 75Am Flughafen G. in S. existiert eine Nichtregierungsorganisation, die Asylsuchende informiert und unterstützt. Zwar bietet sie keine rechtliche Unterstützung an, vorgesehen ist aber die Essensverteilung und Ausgabe von Zugfahrten bis zur Questura, die für das Asylgesuch und die Unterbringung der Person zuständig ist. Außerdem bietet diese Nichtregierungsorganisation eine Schlafmöglichkeit für die überstellten Personen für die ersten Nächte. 76OVG NRW, Urteil vom 20. Juli 2021 – 11 A 1689/20.A –, juris, Rn. 47 ff. 77Ausgehend hiervon ist sichergestellt, dass der Kläger im Falle seiner Rücküberstellung nach Italien die nach der Rechtsprechung des OVG NRW erforderliche Behandlung erfahren wird. Er käme am Flughafen in G. S. an. Denn Italien hat auf das Wiederaufnahmegesuch des Bundesamts reagiert und den Kläger diesem Flughafen zugeordnet. Von der Grenzpolizei erhielte er die „verbale di invito“, in der die für ihn zuständige Questura angegeben sein wird, zu der er sich dann innerhalb einer bestimmten Frist zu begeben haben wird. Über eine Nichtregierungsorganisation wird er mit Essen, einer Schlafgelegenheit und einem Zugticket versorgt werden, um die für ihn zuständige Questura aufzusuchen. Dass es dem Kläger nicht gelingen könnte, am Flughafen G. in S. die entsprechende Nichtregierungsorganisation aufzusuchen, steht nicht zu erwarten. Bei dem Kläger handelt es sich um einen mündigen, jungen Mann, der es bereits geschafft hat, von Afghanistan mit dem Pkw nach Pakistan und in die Türkei zu reisen und von dort mit einem Schiff nach Italien zu kommen. Darüber hinaus hält er sich bereits seit dem Jahr 2014 in Europa auf, wobei er selbstständig Länder wie Italien, Frankreich, Schweden oder die Bundesrepublik Deutschland aufgesucht hat, er mithin mit den hiesigen Gepflogenheiten bestens vertraut ist. Vor diesem Hintergrund hält es das Gericht für unwahrscheinlich, wenn nicht gar ausgeschlossen, dass es dem Kläger „mit Blick auf bestehende Zweifel an der tatsächlichen Präsenz und Sichtbarkeit der […] [Nichtregierungsorganisation]“, 78OVG NRW, Urteil vom 20. Juli 2021 – 11 A 1689/20.A –, juris, Rn. 47 ff. 79nicht gelingen sollte, am Flughafen G. in S. den entsprechenden Schalter eigenständig aufzusuchen, zumal der Kläger als Dublin-Rückkehrer nach der Rechtsprechung des OVG NRW ohnedies von der italienischen Grenzpolizei in Empfang genommen werden wird, die ihm bei der Suche nach der entsprechenden Nichtregierungsorganisation behilflich sein wird. 80Es besteht im Weiteren nicht die ernsthafte Gefahr, dass der Kläger keinen Zugang zu einer menschenwürdigen Unterkunft erhalten würde. Nach der Rechtsprechung des OVG NRW können Asylsuchende, die nach Italien zurücküberstellt werden, in Erstaufnahmeeinrichtungen (CAS = centri di accoglienza straordinaria, im Folgenden: CAS-Zentren) untergebracht werden. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes („legge“) Nr. 173/2020 vom 18. Dezember 2020, das das Gesetzesdekret („decreto legge“) Nr. 113/2018 vom 4. Oktober 2018 modifiziert und bestätigt hat (Gesetz Nr. 173/2020), können Asylsuchende im Rahmen der zur Verfügung stehende Plätze sogar in das (Zweit-) Aufnahmesystem (SAI = Sistema di accoglienza e di integrazione; im Folgenden SAI-System, vormals SIPROIMI = „Sistema di protezione per titolari di protezione internazionale e per i minori stranieri non accompagnati“) aufgenommen werden, in das zuvor nur anerkannte Schutzberechtigte Zugang erhielten. 81OVG NRW, Urteil vom 20. Juli 2021 – 11 A 1689/20.A –, juris, Rn. 54 f. 82Anhaltspunkte dafür, dass das den Dublin-Rückkehrern zur Verfügung stehende Unterbringungssystem in Italien insgesamt an seine Kapazitätsgrenzen gestoßen wäre, sind nicht ersichtlich. 83Vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, Aktuelle Entwicklungen, Stand 10. Juni 2021, S. 10; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, Stand 1. Januar 2020, S. 37 ff.; Asylum Information Database (AIDA), Country Report: Italy, 2020 Update, S. 114 ff.; so auch VG Bremen, Beschluss vom 13. Januar 2022 – 6 V 828/21 –, juris, S. 10 des Beschlussumdrucks. 84Italien hat flexibel auf steigende und in den letzten Jahren sinkende Zahlen an Ankünften von Asylbewerbern reagiert. 85Vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Situation des Aufnahmesystems seit der Reform des Salvini-Dekrets, 15. Juli 2021, S. 5; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, Stand 1. Januar 2020, S. 24. 86Aus diesem Grund steht auch nicht zu erwarten, dass der Kläger in der Zeitspanne zwischen der Registrierung seines Asylgesuchs (fotosegnalamento) und seiner formellen Vorsprache (verbalizzazione) in eine Obdachlosigkeit geraten könnte, zumal die Nichtregierungsorganisation am Flughafen G. in S. für Personen, die vor ihrer Abreise aus Italien – wie der Kläger – kein Asylgesuch gestellt hatten und deshalb die Questura in S. für die Bearbeitung des Antrags zuständig ist, unmittelbar die Präfektur kontaktiert, um einen Platz in einem Aufnahmezentrum in S. zu finden. 87Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, Stand 1. Januar 2020, S. 34; vgl. zur Überbrückungszeit zwischen fotosegnalamento und verbalizzazione auch VG Bremen, Beschluss vom 13. Januar 2022 – 6 V 828/21 –, juris, S. 11 ff. des Beschlussumdrucks. 88Auch wenn die Qualität der Unterbringungsbedingungen zwischen den einzelnen Unterkünften variiert, 89AIDA, Country Report: Italy, 2020 Update, S. 120 ff., 90gibt es keine gewichtigen Gründe dafür, dass die elementarsten Bedürfnisse des Klägers nach „Bett, Brot und Seife" in den Aufnahmeeinrichtungen nicht erfüllt werden. 91VG Bremen, Beschluss vom 13. Januar 2022 – 6 V 828/21 –, juris, S. 10 des Beschlussumdrucks. 92Zudem haben Dublin-Rückkehrer Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem, insbesondere ist eine kostenfreie Notversorgung gewährleistet. 93AIDA, Country Report: Italy, 2020 Update, S. 127 f.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, Stand 1. Januar 2020, S. 77. 94Eine Aufnahme der Dublin-Rückkehrer in den CAS-Zentren oder (im Rahmen der zur Verfügung stehenden Plätze) in Einrichtungen des SAI-Systems ist nach der Rechtsprechung des OVG NRW jedoch nur möglich, solange sie im Asylverfahren sind und ihnen noch ein Recht auf Unterbringung zusteht bzw. ihnen dies nicht entzogen worden ist. 95OVG NRW, Urteil vom 20. Juli 2021 – 11 A 1689/20. A –, juris, Rn. 58 f. 96Hinsichtlich des Verlusts des Rechts auf Zugang zu diesen Einrichtungen ist durch das Gesetz Nr. 173/2020 keine Änderung eingetreten. Die Gesetzesverordnung Nr. 142/2015 regelt in Art. 23 Nr. 1 Gesetzesverordnung Nr. 142/2015 für Erstaufnahmeeinrichtungen CARA (= centri di accoglienza per richiedenti asilo) und die CAS-Zentren, dass der Präfekt die Aberkennung von Betreuungsmaßnahmen mit einer begründeten Verfügung unter anderem dann anordnen kann, wenn die Gesuchstellerin oder der Gesuchsteller im zugeteilten Empfangszentrum nicht erscheint oder es ohne vorherige begründete Mitteilung an die Präfektur, dem Territorialbüro der zuständigen Verwaltung, verlässt (Art. 23 Nr. 1 a Gesetzesverordnung Nr. 142/2015) oder wenn die Gesuchstellerin oder der Gesuchsteller nicht zur Anhörung vor dem zuständigen Organ zur Prüfung des Asylgesuchs erscheint, obwohl sie oder er darüber informiert worden ist (Art. 23 Nr. 1 b Gesetzesverordnung Nr. 142/2015). Die Aufnahmeeinrichtungen sind verpflichtet, die Präfektur umgehend zu informieren, falls sich die oder der Asylsuchende nicht in der zugewiesenen Unterkunft meldet oder unentschuldigt oder unberechtigt abwesend ist. Die Regelungen über den Verlust des Rechts auf Unterbringung berücksichtigen nicht, dass die oder der Asylsuchende im Fall eines solchen Entzugs dem Risiko der Verarmung ausgesetzt sein kann. Der Präfekt muss allerdings bei der Entscheidung über den Entzug nach Art. 23 Nr. 2 Gesetzesverordnung Nr. 142/2015 besondere Umstände einer Vulnerabilität der oder des Asylsuchenden berücksichtigen. 97OVG NRW, Urteil vom 20. Juli 2021 – 11 A 1689/20. A –, juris, Rn. 62 ff. 98Nach diesen Maßstäben ist weder davon auszugehen, dass dem Kläger ein Recht auf Unterbringung nicht zustünde noch ist ersichtlich, dass ihm dies entzogen worden wäre – im Gegenteil: Hat das Gericht noch in seinem Eilbeschluss vom 18. Januar 2022 eine offene Folgenabwägung vorgenommen, weil unklar war, ob der Kläger bereits Zugang zum italienischen Aufnahmesystem gehabt hatte und diesen durch seine Ausreise nach Deutschland aufgegeben hat, ob er also in seiner Person die Voraussetzungen für den Entzug des Unterkunftsanspruchs nach Art. 23 Gesetzesverordnung Nr. 142/2015 erfüllt, hat er sich nach Abschluss des Eilverfahrens eindeutig dahingehend eingelassen, dass ihm in Italien zu keinem Zeitpunkt eine Unterkunft zugewiesen worden ist. Aus diesem Grunde habe er eine Unterkunft auch nicht ohne Rücksprache mit der Präfektur verlassen können. Der Kläger kann nach alledem sein Recht auf Unterbringung in Italien nicht verloren haben. Dies zugrundgelegt, kann der Kläger in Italien beanspruchen, in ein CAS- oder SAI-Zentrum aufgenommen zu werden, wo für seine elementaren Lebensbedürfnisse gesorgt ist. 99Für den Fall der Zuerkennung internationalen Schutzes droht dem Kläger ebenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 4 GR-Charta und Art. 3 EMRK. Zwar hat das OVG NRW für anerkannt Schutzberechtigte, die nach Italien zurückgeführt werden, angenommen, dass sie bei einer Rückkehr nach Italien nicht in der Lage sein werden, sich aus eigenen durch Erwerbstätigkeit zu erzielenden Mitteln mit den für ein Überleben notwendigen Gütern zu versorgen. 100OVG NRW, Urteil vom 20. Juli 2021 – 11 A 1674/20.A –, juris, Rn. 102 ff. 101Indes hätte der Kläger, der das Asylverfahren in Italien erst noch zu durchlaufen hat und der während der Dauer des Asylverfahrens mit staatlicher Unterstützung rechnen kann, im Fall einer anschließenden Anerkennung als Schutzberechtigter eine gänzlich andere Ausgangsposition als nach Italien rückkehrende anerkannte Schutzberechtigte. Letztere mögen jedenfalls dann, wenn sie – wie vom OVG NRW für den dortigen Kläger zugrunde gelegt – ihrerseits keinen Zugang mehr zu einer Aufnahmeeinrichtung und einer damit verbundenen Versorgung haben, unter Umständen darauf angewiesen sein, schon sehr zeitnah nach ihrer Rückkehr durch eigene Erwerbstätigkeit Mittel zu erzielen, mit denen sie eine Unterkunft finanzieren und sich mit den für ein Überleben notwendigen (sonstigen) Gütern versorgen zu können. Demgegenüber verbleibt Personen in der Lage des Klägers sehr viel mehr Zeit, vor Ort die italienische Sprache zu erlernen, sich mit den Gepflogenheiten der italienischen Gesellschaft und dem italienischen Arbeitsmarkt vertraut zu machen, sich eine Beschäftigung zu suchen, 102vgl. zum Arbeitsmarktzugang für Asylsuchende in Italien AIDA, Country Report: Italy, 2020 Update, S. 125 f., 184; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformation der Staatendokumentation, Italien, 11. November 2020, S. 15; VG Berlin, Urteil vom 16. August 2021 – 31 K 575.17 A –, juris, Rn. 30; VG Bremen, Beschluss vom 13. Januar 2022 – 6 V 829/21 –, juris, S. 13 ff. des Beschlussumdrucks, 103und – gegebenenfalls im Anschluss an ihre Anerkennung – von etwaig vorhandenen Angeboten zur Arbeits- und sonstigen Integration zu profitieren. 104Vgl. dazu zum Beispiel AIDA, Country Report: Italy, 2020 Update, S. 14; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformation der Staatendokumentation, Italien, 11. November 2020, S. 182; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, Stand 1. Januar 2020, S. 54; VG Berlin, Urteil vom 16. August 2021 – 31 K 575.17 A –, juris, Rn. 30; VG Bremen, Beschluss vom 13. Januar 2022 – 6 V 829/21 –, juris, S. 13 ff. des Beschlussumdrucks. 105Die Klage hat auch mit ihrem Hilfsantrag keinen Erfolg. Die Entscheidung in Ziffer 2. des Bescheids, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf Italien nicht vorliegen, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. 106Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG scheidet aus, weil – wie dargelegt – eine hier allein in Betracht kommende Verletzung von Art. 3 EMRK oder Art. 8 EMRK nicht ersichtlich ist. Auf die vorstehenden Ausführungen wird Bezug genommen. 107Ein zielstaatbezogenes Abschiebungsverbot folgt auch nicht aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Hiernach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in Verbindung mit § 60a Abs. 2c Satz 2 und Satz 3 AufenthG muss der Ausländer die Erkrankung durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. 108Vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 – 10 B 13/11, 10 B 13/11, 10 PKH 11/11 –, juris, Rn. 3; BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – 1 C 18/05 –, juris, Rn. 15; BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 2006 – 1 B 118/05 –, juris, Rn. 4. 109Diese Voraussetzungen liegen weder im Hinblick auf die vom Kläger geltend gemachte Nierenerkrankung noch auf die aktuelle Situation im Zusammenhang mit dem Covid-19 auslösenden Virus vor. 110Bezüglich seiner Nierenerkrankung sind die vom Kläger vorgelegten ärztlichen Dokumente aus den Jahren 2017 und 2018 veraltet und damit nicht aussagekräftig. 111Die von einem schwedischen Arzt ausgefüllte Bescheinigung vom 14. Juni 2021 ist zwar jüngeren Datums. Sie erfüllt jedoch ansatzweise nicht die an ein qualifiziertes Attest zu stellenden vorgenannten Anforderungen. Ihr ist schon keine konkrete Diagnose, geschweige denn der lateinische Name der Erkrankung oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 zu entnehmen. Da das Schreiben eine Anamnese nicht enthält, bleibt ebenso unklar, auf welchen tatsächlichen Umständen die fachliche Beurteilung des Arztes erfolgt sein soll. Offen ist auch, welche Methoden der behandelnde Arzt angewandt hat, um zu seinem Ergebnis zu kommen. Die Bescheinigung ist aber auch deswegen unzulänglich, weil sie nicht hinreichend konkret darlegt, welche Folgen sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben. Stattdessen heißt es dort, dass die Erkrankung im unbehandelten Zustand „irgendwann […] zu schwerem Nierenversagen führen“ könne, ohne dass dies näher konkretisiert würde. Der Bescheinigung ist daher gerade nicht zu entnehmen, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer zeitnahen erheblichen Verschlimmerung der Erkrankungen des Klägers im Falle einer Abschiebung nach Italien ausgegangen werden könnte. 112Nichts anderes gilt für den im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens eingereichten „Entlassungsbrief“ vom 25. November 2021. Zwar werden dort konkrete Diagnosen, die Methodik der Diagnostik, die Therapie und das weitere Prozedere aufgeführt, indessen folgt auch aus diesem Attest ansatzweise nicht, dass der Kläger im Falle seiner Rückführung nach Italien zeitnah in eine lebensbedrohliche Verschlechterung seines Gesundheitszustandes geraten könnte. 113Schließlich erfüllt auch die „ärztliche Bescheinigung“ vom 14. November 2022 nicht die an ein qualifiziertes Attest zu stellenden Anforderungen. Es enthält lediglich eine stichwortartige Diagnose, jedoch keinerlei Informationen zu den tatsächlichen Umständen, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist. Die Methode der Tatsachenerhebung ist dort ebenso wenig aufgeführt wie der Schweregrad der Erkrankung und die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben. So bleibt unklar, was der behandelnde Arzt überhaupt damit meint, wenn eine „sofortige Aufnahme in stationäre Behandlung zwingend indiziert“ sei und welche Konsequenzen es hätte, wenn eine solche stationäre Aufnahme nicht erfolgte. Zu einer lebensbedrohlichen Verschlechterung des gesundheitlichen Zustands des Klägers im Falle seiner Rückführung nach Italien verhält sich das Attest überhaupt nicht. 114Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen und selbständig tragend gilt es nicht zuletzt zu bedenken, dass eine bei dem Kläger etwaig erforderliche ärztliche Behandlung auch in Italien durchgeführt werden könnte. Auch wenn es in der Praxis vereinzelt zu Problemen kommt, genießen Asylbewerber in Italien grundsätzlich dieselben Rechte wie italienische Staatsangehörige. 115AIDA, Country Report: Italy, 2020 Update, S. 127 ff. 116Dass dem Kläger in Italien ärztliche Unterstützung zur Verfügung steht, folgt auch aus seiner eigenen Einlassung beim Bundesamt im Rahmen seiner Anhörung am 26. Oktober 2021, wonach ihm Hilfsorganisationen mit den Ärzten und den Medikamenten geholfen hätten. Darüber hinaus haben die italienischen Behörden das Bundesamt bereits in ihrem Antwortschreiben vom 15. November 2021 aufgefordert, mindestens zehn Tage vor der Rückführung des Klägers mitzuteilen, ob dieser unter behandlungsbedürftigen Erkrankungen leidet. Dies belegt, dass die italienischen Behörden nicht nur in der Lage, sondern auch gewillt sind, dem Kläger eine etwaig erforderliche medizinische Behandlung zuteilwerden zu lassen. 117Im Hinblick auf Gesundheitsgefahren, die sich durch die Gefahr einer Ansteckung des Klägers mit dem Covid-19 auslösenden Virus im Falle seiner Überstellung nach Italien oder infolge einer Überlastung des dortigen Gesundheitssystems wegen einer Vielzahl von Covid-19-Erkrankungen ergeben könnten, findet § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG keine direkte Anwendung, da es sich bei der Gefahr einer Erkrankung an Covid-19 um keine ausschließlich dem Kläger individuell drohende konkrete Gesundheitsgefahr handelt, sondern um eine allgemeine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG, der die gesamte Bevölkerung Italiens ausgesetzt ist. Ein Abschiebungsverbot in der Person des Klägers kommt aufgrund der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG daher grundsätzlich nicht in Betracht. 118Der Kläger kann auch nicht in verfassungskonformer analoger Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG Abschiebungsschutz wegen einer extremen Gefahrenlage beanspruchen. Die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG kann nur dann im Wege einer verfassungskonformen Auslegung eingeschränkt werden, wenn für den Schutzsuchenden ansonsten eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht. 119Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 2011 – 10 C 14.10 –, juris, Rn. 20; BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 – 10 C 43.07 –, juris, Rn. 32; OVG NRW, Urteil vom 24. März 2020 – 19 A 4470/19.A –, juris, Rn. 46. 120Eine solche Schutzlücke liegt nur dann vor, wenn der Schutzsuchende bei einer Rückkehr in das Aufnahmeland mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Dafür gibt es vorliegend keine Anhaltspunkte. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger in Italien gleichsam sehenden Auges dem Tod oder schwersten Gesundheitsschäden ausgeliefert wäre. 121So bewegt sich die Inzidenz der Infektionen pro 100.000 Einwohner in Italien mit 710,9 auf einem mit der Bundesrepublik Deutschland vergleichbaren Niveau, wo die Inzidenz 796,4 beträgt. 122Vgl. Weltgesundheitsorganisation, COVID-19 situation in the WHO European Region, Stand 26. April 2022, abrufbar unter https://who.maps.arcgis.com/apps/dashboards/ ead3c6475654481ca51c248d52ab9c61. 123Es fehlt darüber hinaus an Anhaltspunkten dafür, dass der Kläger mit erheblicher Wahrscheinlichkeit in Italien eine seine physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigende Behandlung erwarten würde. Eine erhebliche Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung des Klägers mit diesem Virus im Falle seiner Überstellung nach Italien oder eine Überlastung des dortigen Gesundheitssystems lässt sich nicht feststellen. 124Die Abschiebungsanordnung in Ziffer 3. des angefochtenen Bescheids ist ebenfalls rechtmäßig. Rechtsgrundlage ist § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Das Bundesamt hat nach dieser gesetzlichen Maßgabe neben zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen auch zu prüfen, ob der Abschiebung inlandsbezogene Vollzugshindernisse entgegenstehen. Für eine insoweit eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde verbleibt daneben kein Raum. 125Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 – 2 BvR 1795/14 –, juris, Rn. 9; OVG NRW, Beschluss vom 30. August 2011 – 18 B 1060/11 –, juris, Rn. 4; OVG Niedersachsen, Urteil vom 4. Juli 2012 – 2 LB 163/10 –, juris, Rn. 41; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Februar 2012 – OVG 2 S 6.12 –, juris, Rn. 4 ff.; VGH Bayern, Beschluss vom 12. März 2014 – 10 CE 14.427 –, juris, Rn. 4; OVG Saarland, Beschluss vom 25. April 2014 – 2 B 215/14 –, juris, Rn. 7; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. Mai 2011 – A 11 S 1523/11 –, juris, Rn. 4 ff.; OVG Hamburg, Beschluss vom 3. Dezember 2010 – 4 Bs 223/10 –, juris, Rn. 9 ff.; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 29. November 2004 – 2 M 299/04 –, juris, Rn. 9 ff. 126Dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender, sondern auch bei nachträglich auftretenden Abschiebungshindernissen und Duldungsgründen. 127Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 – 2 BvR 1795/14 –, juris, Rn. 10 mit weiteren Nachweisen. 128Derartige zielstaats- oder inlandsbezogene Abschiebungshindernisse liegen hier jedoch nicht vor. 129Auf den Duldungsgrund des § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG kann sich der Kläger nicht berufen. Hiernach ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist. Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass einer Abschiebung im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 8 EMRK ausnahmsweise das Bestehen einer familiären Lebensgemeinschaft im Sinne einer sog. Beistandsgemeinschaft zwischen Familienmitgliedern entgegensteht, selbst wenn es sich nicht um Familienangehörige im Sinne von Art. 2 Buchst. g Dublin III-VO handelt. 130Vgl. VG Aachen, Urteil vom 3. Februar 2017 – 6 K 2121/14.A –, juris, Rn. 53; VG Aachen, Urteil vom 12. Mai 2016 – 4 K 600/14 –, juris, Rn. 68; VG München, Urteil vom 16. August 2016 – M 2 K 15.50214 –, juris, Rn. 21; VG Düsseldorf, Beschluss vom 8. April 2015 – 13 L 914/15.A –, juris, Rn. 22. 131Dies ist etwa dann der Fall, wenn ein Familienmitglied auf eine auch tatsächlich erbrachte Lebenshilfe des anderen von einigem Gewicht angewiesen ist und sich diese Hilfe in zumutbarer Weise nur in der Bundesrepublik erbringen lässt, namentlich, wenn einem beteiligten Familienmitglied die Ausreise nicht zumutbar ist. Eine Haus- oder Haushaltsgemeinschaft ist dabei nicht unbedingt erforderlich. Gefordert wird, dass eine erforderliche wesentliche Hilfe geleistet wird, ohne dass dabei die Schwelle der spezifischen Pflegebedürftigkeit erreicht sein müsste. Es kommt in diesem Zusammenhang auch nicht darauf an, ob die von einem Familienmitglied tatsächlich erbrachte Lebenshilfe auch von anderen Personen erbracht werden könnte, die nicht Familienangehörige sind. 132Vgl. VG Aachen, Urteil vom 3. Februar 2017 – 6 K 2121/14.A –, juris, Rn. 55; VG München, Urteil vom 16. August 2016 – M 2 K 15.50214 –, juris, Rn. 22. 133Diese Voraussetzungen liegen indessen nicht vor. Eine besondere Beistandsgemeinschaft zwischen dem Kläger und seinem Bruder, die darüber hinaus eine Eintrittspflicht begründen könnte, wurde weder substantiiert dargelegt noch ist eine solche sonst erkennbar. Dies folgt schon daraus, dass der Bruder des Klägers nach dessen eigenen Angaben am Bodensee und damit so weit weg wohnt, dass eine physische Hilfeleistung von vornherein nicht in Betracht kommt. Die räumliche Trennung der Brüder belegt zudem, dass eine Hilfeleistung in der Vergangenheit nicht erforderlich gewesen ist. Warum dies in Zukunft anders sein soll, legt der Kläger ansatzweise nicht dar. Ebenso wenig gibt er an, wobei und in welchem Umfang er auf die Hilfe seines Bruders angewiesen ist. 134Zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse kann der Kläger ebenfalls nicht erfolgreich geltend machen. Auf die vorstehenden Ausführungen zu § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG wird verwiesen. 135Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 2 AufenthG in Ziffer 4. des angefochtenen Bescheids begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Die Befristung auf dreißig Monate ab dem Tag der Abschiebung lässt Ermessensfehler nicht erkennen. Die Beklagte, die das Einreise- und Aufenthaltsverbot grundsätzlich auf bis zu fünf Jahre befristen kann, hat bei seiner Entscheidung insbesondere berücksichtigt, dass sich der ebenfalls volljährige Bruder des Klägers im Bundesgebiet aufhält, zwischen beiden aber kein Abhängigkeitsverhältnis besteht. 136Die klägerseits gestellten Beweisanträge haben sich entweder erledigt oder sie sind abzulehnen. 137Die Anträge auf Beiziehung der beim Bundesamt geführten Verwaltungsakte und des streitgegenständlichen Bescheids haben sich dadurch erledigt, dass das Gericht die angeforderten Unterlagen beigezogen hat. Sofern die vorbezeichneten Anträge darauf abzielen sollten, die Dokumente im Original beizuziehen, sind sie wegen Bedeutungslosigkeit abzulehnen, weil die Vorlage der begehrten Dokumente im Original die getroffene Entscheidung nicht beeinflussen würde. Es liegen auch keine Hinweise darauf vor, dass die beigezogenen Dokumente Fälschungen aufwiesen. 138Bei dem Antrag, das Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen vom 28. Mai 2020, Aktenzeichen: 22 K 6121/19.A beizuziehen, handelt es sich schon nicht um einen Beweisantrag. Ein Beweisantrag ist das an ein Gericht gestellte Verlangen eines Prozessbeteiligten, Beweis über eine den Sachverhalt betreffende Behauptung durch bestimmte, nach prozessualem Recht zulässige Beweismittel zu erheben. Erforderlich sind eine Beweisbehauptung, ein Beweismittel sowie eine Konnexität zwischen Beweistatsache und Beweismittel. Gemessen an diesen Maßstäben fehlt es dem Antrag an der Bestimmtheit der behaupteten Tatsache, weil der Kläger keine konkreten Umstände oder Geschehnisse, zu denen das Beweismittel etwas belegen könnte, angibt, sondern lediglich ein Beweisziel benennt. Aber selbst wenn man von einem ordnungsgemäß gestellten Beweisantrag ausginge, wäre dieser wegen Bedeutungslosigkeit und völliger Ungeeignetheit abzulehnen, weil das begehrte Urteil lediglich Rechtsansichten wiedergibt, nicht aber unumstößliche Tatsachenbehauptungen aufstellt. 139Schließlich ist auch der Antrag auf Vernehmung des Klägers als Partei abzulehnen. Es handelt sich ebenfalls nicht um einen Beweisantrag, weil der Kläger keine konkreten Umstände oder Geschehnisse angibt, die er wahrgenommen haben will, sodass es auch hier an der Bestimmtheit der Tatsachenbehauptung fehlt. Der Beweisantrag ist aber auch deshalb unsubstantiiert, weil der Kläger – wie dargelegt – keine hinreichend qualifizierten Atteste zu seinem gesundheitlichen Zustand vorgelegt hat. Bei hypothetischer Annahme eines ordnungsgemäßen Beweisantrags wäre dieser zudem abzulehnen. Denn die Vernehmung eines Beteiligten nach § 96 VwGO ist auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nur subsidiär zulässig. Die Parteivernehmung dient als letztes Hilfsmittel zur Aufklärung des Sachverhalts, wenn trotz Ausschöpfung aller anderen Beweismittel noch Zweifel bestehen. 140BVerwG, Beschluss vom 5. Juni 2013 – 5 B 11/13 –, juris, Rn. 11. 141Diese Voraussetzungen liegen in Ansehung der Möglichkeit des Klägers, seinen Gesundheitszustand durch andere Beweismittel zu belegen, nicht vor. Insoweit wäre ein Beweisantrag auch wegen Bedeutungslosigkeit abzulehnen, weil sich der gesundheitliche Zustand des Klägers bereits aus den vorgelegten Attesten ergibt. 142Da der Vortrag des Klägers keinerlei Anlass, geschweige denn Anhaltspunkte für eine weitere Sachaufklärung bietet, ist das Gericht bei dieser Sachlage auch nicht gehalten, weitere Ermittlungen zur Aufklärung einzuleiten. 143Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG. 144Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 und Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO). 145Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG). 146Rechtsmittelbelehrung: 147Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung die Zulassung der Berufung beantragt werden. Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster. 148Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn 1491. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder 1502. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 1513. ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt. 152Der Antrag ist schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. 153Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 154In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. 155Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen. 156Die Antragsschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
die klage wird abgewiesen. der kläger trägt die kosten des verfahrens, für das gerichtskosten nicht erhoben werden. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der kläger darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aufgrund dieser entscheidung vollstreckbaren betrags abwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrags leistet. 1
2der nach seinen angaben am 00. o. 1998 in afghanistan geborene kläger stellte am 28. september 2021 einen asylantrag beim bundesamt für migration und flüchtlinge (bundesamt). 3in diesem zusammenhang gab er an, sich zunächst zwei monate in frankreich aufgehalten zu haben und sodann drei jahre in schweden verbracht zu haben. er leide unter nierensteinen. es sei ihm gesagt worden, dass er jeden moment eine dialyse brauche. seine nieren produzierten steine und es sei notwendig, jährlich operiert zu werden. sein derzeitiger gesundheitszustand sei sehr schlecht. sein bruder wohne in der bundesrepublik deutschland und er, der kläger, brauche wegen seiner gesundheitsprobleme hilfe. 4im rahmen seiner anhörung am 19. oktober 2021 gab der kläger im wesentlichen an, dass sich sein bruder am bodensee aufhalte und er wegen seiner erkrankung dessen unterstützung benötige. sein bruder wiederum sei emotional auf ihn, den kläger, angewiesen. er habe afghanistan vor etwa anderthalb monaten verlassen. in die bundesrepublik deutschland sei er am 21. september 2021 oder am 22. september 2021 eingereist. zuvor sei er in italien und frankreich gewesen. er habe bereits im jahr 2014 in schweden, im jahr 2019 in italien und im jahr 2021 erneut in schweden asyl beantragt. in frankreich seien ihm im jahr 2018 fingerabdrücke abgenommen worden. 5eine vom bundesamt eingeholte eurodac-anfrage vom 19. oktober 2021 ergab insgesamt sechs treffer. unter anderem wurden dem kläger am 12. februar 2019 in italien fingerabdrücke abgenommen. 6bei einer weiteren anhörung vor dem bundesamt am 26. oktober 2021 teilte der kläger mit, sich von 2014 bis 2017 in schweden aufgehalten zu haben. von 2017 bis 2018 sei er in der bundesrepublik deutschland gewesen. 2018 sei er nach frankreich gereist, wo er zwei monate geblieben sei. dann sei er wieder nach schweden gegangen. danach habe er sich in italien aufgehalten, wo er fünf monate geblieben sei. von dort aus sei er wieder nach schweden gegangen. von 2019 bis august 2021 sei er in schweden gewesen. er habe in schweden einen aufenthalt bekommen wollen, was jedoch abgelehnt worden sei. deswegen sei er nach italien gegangen. schweden habe ihn nach italien abgeschoben. er sei zuletzt von italien aus kommend in die bundesrepublik deutschland eingereist. zuvor habe ihn schweden nach italien abgeschoben. in italien habe er meistens draußen auf der straße gelebt. er habe sachen, die er besessen habe, verkauft, sodass ihm geld zur verfügung gestanden habe. in schweden sei er angehört worden, in italien und frankreich habe man ihm fingerabdrücke abgenommen. in schweden habe er eine abschiebung nach afghanistan angedroht bekommen. in frankreich und italien habe er eine absage wegen dublin bekommen. nach schweden oder frankreich wolle er gerne zurückkehren. etwas anderes gelte für italien. dort bekomme man keine unterstützung und man habe keine möglichkeit, dort zu leben. er sei krank und müsse in einem krankenhaus aufgenommen werden. italien böte diese möglichkeit nicht. die ärzte hätten gesagt, dass er dialyse bekommen solle. in italien habe er beantragt, in einem camp zu leben. er habe gefragt, ob er leistungen bekommen könne. das sei alles abgelehnt worden. niemand bekomme in italien geld. zum ersten mal habe er in der bundesrepublik deutschland davon gehört, dass man sozialleistungen bekomme. er habe sich in italien auch an hilfsorganisationen gewandt. diese hätten sich um hilfe gekümmert. die stadt habe aber nicht mitgemacht und abgelehnt. die hilfsorganisation habe ihm auch mit den ärzten und den medikamenten in italien geholfen. er leide seit dem jahr 2013 unter nierensteinen. er sei sechsmal operiert worden, zweimal davon in n. . in schweden seien vier kleine operationen, notoperationen, vorgenommen worden. er nehme verschreibungspflichtige schmerzmittel, die er in schweden bekommen habe. zu seiner erkrankung legte er ein schreiben eines schwedischen facharztes aus der urologischen abteilung des universitätskrankenhauses t. vom 14. juni 2021 vor, wonach der kläger seit mehreren jahren probleme mit nierensteinen habe. wenn er nicht behandelt werde, werde dies irgendwann zu schwerem nierenversagen führen. er bräuchte dann mehrmals pro woche eine dialyse. eine mögliche behandlung bestehe aus mehreren operationen, um die nierensteine zu entfernen. 7im hinblick auf den eurodac-treffer und unter berufung auf art. 18 abs. 1 buchst. b der verordnung (eu) nr. 604/2013 des europäischen parlaments und des rates vom 26. juni 2013 zur festlegung der kriterien und verfahren zur bestimmung des mitgliedstaats, der für die prüfung eines von einem drittstaatsangehörigen oder staatenlosen in einem mitgliedstaat gestellten antrags auf internationalen schutz zuständig ist (dublin iii-vo), richtete das bundesamt mit schreiben vom 26. oktober 2021 ein wiederaufnahmegesuch an schweden, das dort ausweislich einer automatisch generierten e-mail am selben tag einging. 8mit schreiben vom 28. oktober 2021 lehnten die schwedischen behörden die übernahme des klägers ab. sein asylantrag sei in schweden rechtskräftig in allen instanzen abgelehnt worden. am 25. august 2021 habe der kläger schweden in einklang mit der gerichtlichen entscheidung verlassen. die zuständigen kollegen der schwedischen behörden hätten am flugsteig gewartet, bis sie gesehen hätten, wie das flugzeug gestartet sei. 9im weiteren verlauf des verwaltungsverfahrens reichte der kläger einen von einem assistenzarzt, einem oberarzt und einem chefarzt, allesamt tätig bei der kliniken n1. i. gmbh in n. , unterzeichneten arztbrief vom 19. februar 2018 ein, wonach er sich vom 19. februar 2018 bis zum 21. februar 2018 in stationärer behandlung befunden habe. als diagnosen führt dieses schreiben auf „harnleitersteine beidseits, mutiple nierenbeckenkelchsteine beidseits, harnwegsinfekt, z.n. mehrfacher pcnl, depression“. in einem weiteren von einer assistenzärztin desselben krankenhauses unterzeichneten arztbrief vom 1. märz 2018 wird bei dem kläger diagnostiziert: „nephrolithiasis beidseits, z.n. doppel-j-sondenanlage beidseits 20.02.2018 bei ureterolithiasis beidseits, z.n. mehrfacher pcnl, depression“. in einem mit „reiseunfähigkeitsbescheinigung“ überschriebenen dokument vom 3. mai 2018 bestätigt ein facharzt für allgemeinmedizin, dass der kläger unter einem chronischen harnsteinleiden leide. aufgrund der erhöhten infektionsgefahr und rezidivierender schmerzen werde der patient zur zeit für nicht reisefähig gehalten. in einem endgültigen entlassungsbrief vom 9. märz 2018 halten ein assistenzarzt, ein oberarzt und ein chefarzt des vorbezeichneten krankenhauses für den kläger folgende diagnosen fest: „therapierefraktäre harnwegsinfektion, z.n. doppel-j-sondenanlage beidseits 20.02.2018 bei ureterolithiasis beidseits, z.n. eswl rechts am 01.03.2018, z.n. mehfacher pcnl, depression“. der kläger habe sich vom 8. märz 2018 bis zum 11. märz 2018 in stationärer behandlung befunden. ein von anderen ärzten unterschriebener vorläufiger entlassungsbrief vom selben tag führt beim kläger folgende diagnosen auf: „akute therapierefrakturäre harnwegsinfektion, z.n. doppel-j-sondenanlage beidseits 20.02.2018 bei ureterolithiasis beidseits, z.n. eswl rechts am 01.03.2018, z.n. mehfacher pcnl, depression“. 10auf ein am 2. november 2021 an italien gerichtetes wiederaufnahmeersuchen reagierten die italienischen behörden mit schreiben vom 15. november 2021, wonach sie die übernahme des klägers gemäß art. 18 abs. 1 buchst. b dublin iii-vo akzeptierten. 11mit bescheid vom 19. november 2021 lehnte das bundesamt den asylantrag des klägers als unzulässig ab (ziffer 1.), stellte fest, dass abschiebungsverbote nach § 60 abs. 5 und abs. 7 satz 1 des aufenthaltsgesetzes (aufenthg) nicht vorlägen (ziffer 2.) und ordnete die abschiebung des klägers nach italien an (ziffer 3.). zudem wurde ein einreise- und aufenthaltsverbot nach § 11 abs. 1 aufenthg angeordnet und auf 30 monate ab dem tag der abschiebung befristet (ziffer 4.). zur begründung führte das bundesamt aus, der asylantrag des klägers sei gemäß § 29 abs. 1 nr. 1 des asylgesetzes (asylg) unzulässig, da italien aufgrund des dort gestellten asylantrags nach art. 18 abs. 1 buchst. b dublin iii-vo für die bearbeitung des asylantrags zuständig sei. abschiebungsverbote nach § 60 abs. 5 oder abs. 7 satz 1 aufenthg lägen nicht vor. die derzeitigen humanitären bedingungen in italien führten insbesondere nicht zu der annahme, dass bei einer abschiebung des klägers eine verletzung von art. 3 der konvention zum schutze der menschenrechte und grundfreiheiten (emrk) oder art. 4 der charta der grundrechte der europäischen union (gr-charta) drohe. 12der kläger hat gegen den ihm am 7. dezember 2021 zugestellten bescheid am 10. dezember 2021 klage erhoben. zur begründung seiner klage macht er im wesentlichen geltend, dass das asylverfahren und die aufnahmebedingungen für antragsteller in italien systemische schwachstellen aufwiesen. für den fall seiner rücküberstellung nach italien drohe ihm die ernsthafte gefahr einer unmenschlichen und erniedrigenden behandlung. mit schriftsatz vom 15. februar 2022 hat er einen von ärzten der klinik für urologie des krankenhauses kliniken n1. i. unterschriebenen „entlassungsbrief“ vorgelegt, wonach er vom 25. november 2021 bis zum 27. november 2021 in stationärer behandlung gewesen sei. diagnostiziert werden dort „nierenbeckenausgussteine beidseits, harnwegsinfektion, z. n. doppel-j-sondenanlage beidseits 02/2018 bei ureterolithiasis beidseits, z.n. eswl rechts am 03/2018, z.n. mehrfacher pcnl, depression“. in einer „ärztlichen bescheinigung“ vom 14. februar 2022 kommt ein facharzt für allgemeinmedizin aufgrund der diagnose „nierensteinkolik beidseits, sonographie adbodmen“ zu dem ergebnis, dass „aus ärztlicher sicht eine sofortige aufnahme in stationäre behandlung zwingend indiziert“ sei. 13der kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß, 14den bescheid des bundesamts für migration und flüchtlinge vom 19. november 2021 aufzuheben, 15hilfsweise, 16die beklagte unter entsprechender aufhebung des bescheids vom 19. november 2021 zu verpflichten, festzustellen, dass abschiebungsverbote nach § 60 abs. 5 oder abs. 7 satz 1 aufenthg hinsichtlich italiens bestehen. 17die beklagte beantragt schriftsätzlich, 18die klage abzuweisen. 19zur begründung bezieht sie sich auf die angefochtene entscheidung. 20auf den gleichzeitig gestellten eilantrag hin hat das gericht mit beschluss vom 18. januar 2022 die aufschiebende wirkung der klage angeordnet (29 l 2652/21.a). zur begründung hat es unter anderem ausgeführt, dass es nach summarischer prüfung nicht endgültig beurteilen könne, ob die zuständigkeit italiens für die prüfung des asylantrags des antragstellers nach art. 3 abs. 2 uabs. 2 und uabs. 3 dublin iii-vo auf die bundesrepublik deutschland übergegangen sei, da sich im eilverfahren nicht abschließend klären lasse, ob der antragsteller in seiner person die voraussetzungen für den entzug des unterkunftsanspruchs nach art. 23 der gesetzesverordnung („decreto legislativo“) nr. 142/2015 vom 18. august 2015 (gesetzesverordnung nr. 142/2015) erfüllt, weil er bereits zugang zum italienischen aufnahmesystem hatte und diesen durch seine ausreise nach deutschland aufgegeben hat. 21mit schriftsatz vom 7. märz 2022 hat der kläger mitgeteilt, dass ihm in italien keine unterkunft zugewiesen worden sei. die regierung von italien habe ihm grundsätzlich nicht geholfen. er habe zu keinem zeitpunkt in einer behördlichen unterkunft gelebt. die regierung sei mehrmals gebeten worden, ihm eine unterkunft zuzuweisen. dies sei jedoch nicht erfolgt. 22wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstands wird ergänzend auf den inhalt der gerichtsakte und des beigezogenen verwaltungsvorgangs des bundesamts bezug genommen. 23
24der einzelrichter ist für die entscheidung zuständig, nachdem die kammer ihm den rechtsstreit mit beschluss vom 24. februar 2022 zur entscheidung übertragen hat (§ 76 abs. 1 asylg). 25das gericht entscheidet gemäß § 101 abs. 2 der verwaltungsgerichtsordnung (vwgo) ohne mündliche verhandlung, da sich die beteiligten – der kläger mit schriftsatz seines prozessbevollmächtigten vom 22. märz 2022 und die beklagte mit schriftsatz vom 12. april 2022 – mit einer entscheidung ohne mündliche verhandlung einverstanden erklärt haben. 26das gericht legt den klageantrag des klägers gemäß § 88 vwgo dahingehend aus, dass er mit dem hauptantrag die aufhebung des bescheids des bundesamts begehrt und hilfsweise die verpflichtung der beklagten, das bestehen von abschiebungsverboten nach § 60 abs. 5 oder abs. 7 satz 1 aufenthg hinsichtlich italiens festzustellen. dies ergibt sich aus der zur auslegung des klageantrags heranzuziehenden klagebegründung und entspricht damit dem in der klageschrift insgesamt zum ausdruck kommenden klagebegehren, wonach die beklagte „zumindest unter teilweiser aufhebung ihres bescheids verpflichtet werden [soll] festzustellen, dass in der person des klägers abschiebungsverbote nach § 60 abs. 5 und/oder abs. 7 satz 1 des aufenthg hinsichtlich italiens vorliegen.“ 27die so verstandene klage hat weder mit ihrem hauptantrag noch mit ihrem hilfsantrag erfolg. sie ist zulässig, aber unbegründet. 28die klage ist als anfechtungsklage gemäß § 42 abs. 1 alt. 1 vwgo statthaft, soweit sie sich gegen die unzulässigkeitsentscheidung (ziffer 1.) und die abschiebungsanordnung (ziffer 3.) richtet. 29vgl. im einzelnen bverwg, urteil vom 27. oktober 2015 – 1 c 32.14 –, juris, rn. 13 ff.; ovg nrw, urteil vom 7. märz 2014 – 1 a 21/12.a –, juris, rn. 28 ff.; ovg nrw, urteil vom 16. september 2015 – 13 a 800/15.a –, juris, rn. 22 ff. 30die isolierte aufhebung dieser regelungen führt zur weiteren prüfung des asylantrags des klägers durch die beklagte und damit zu dem erstrebten rechtsschutzziel. denn mit der aufhebung des streitgegenständlichen bescheids wird das verwaltungsverfahren in den verfahrensstand zurückversetzt, in dem es vor erlass der streitgegenständlichen regelungen war. das bundesamt ist im falle einer aufhebung des bescheids gemäß §§ 24, 31 asylg gesetzlich verpflichtet, das asylverfahren weiterzuführen. 31dagegen ist die feststellung, dass keine abschiebungsverbote vorliegen, in der hauptsache (hilfsweise) durch eine verpflichtungsklage in form der versagungsgegenklage, § 42 abs. 1 alt. 2 vwgo, zur verwaltungsgerichtlichen prüfung zu stellen. denn insoweit hat sich das bundesamt nach § 31 abs. 3 asylg sachlich mit dem schutzbegehren befasst. 32vgl. bverwg, urteil vom 14. dezember 2016 – 1 c 4/16 –, rn. 16, juris. 33die klage ist aber unbegründet. in dem für die rechtliche beurteilung maßgeblichen zeitpunkt der gerichtlichen entscheidung (vgl. § 77 abs. 1 satz 1 asylg) ist die ablehnung des asylantrags des klägers als unzulässig in ziffer 1. des streitgegenständlichen bescheids rechtmäßig und verletzt den kläger nicht in seinen rechten, § 113 abs. 1 satz 1 vwgo. auch die weiteren angegriffenen ziffern des bescheidtenors sind rechtlich nicht zu beanstanden. im einzelnen: 34das bundesamt hat den asylantrag des klägers zu recht auf der grundlage von § 29 abs. 1 nr. 1 buchst. a asylg als unzulässig abgelehnt. nach dieser vorschrift ist ein asylantrag unzulässig, wenn nach der dublin iii-vo ein anderer staat für die durchführung des asylverfahrens zuständig ist. 35die zuständigkeit richtet sich vorliegend nach den regelungen über das wiederaufnahmeverfahren gemäß art. 23 ff. dublin iii-vo. im wiederaufnahmeverfahren ist der zuständige staat – anders als im aufnahmeverfahren – nicht nach den kriterien des kapitels iii der dublin iii-vo zu bestimmen, sondern es ist ausreichend, dass der betreffende andere mitgliedstaat den erfordernissen nach art. 20 abs. 5 oder art. 18 abs. 1 buchst. b bis d dublin iii-vo genügt. 36vgl. eugh, urteil vom 2. april 2019 – c-582/17 und c-583/17 –, juris, rn. 58 ff. 37art. 18 abs. 1 buchst. b bis d dublin iii-vo findet anwendung, wenn in dem mitgliedstaat, in dem zuvor ein antrag gestellt wurde, das verfahren zur bestimmung des für die prüfung des antrags auf internationalen schutz zuständigen mitgliedstaats bereits in einer die zuständigkeit dieses staats begründenden weise abgeschlossen ist, jedoch unabhängig davon, ob dieser staat mit der prüfung des antrags nach der richtlinie 2013/32/eu des europäischen parlaments und des rates vom 26. juni 2013 zu gemeinsamen verfahren für die zuerkennung und aberkennung des internationalen schutzes (verfahrensrichtlinie) bereits begonnen hat. 38vgl. eugh, urteil vom 2. april 2019 – c-582/17 und c-583/17 –, juris, rn. 51 bis 53. 39da in einem solchen fall die zuständigkeit für die prüfung des antrags bereits feststeht, erübrigt sich eine erneute anwendung der regeln über das verfahren zur bestimmung dieser zuständigkeit, darunter in erster linie der in kapitel iii der dublin iii-vo niedergelegten kriterien. 40vgl. eugh, urteil vom 2. april 2019 – c-582/17 und c-583/17 –, juris, rn. 67. 41hiernach ist vorliegend italien gemäß art. 18 abs. 1 buchst. b dublin iii-vo für das asylverfahren des klägers zuständig. nach dieser norm ist der zuständige mitgliedstaat verpflichtet, einen kläger, der während der prüfung seines antrags in einem anderen mitgliedstaat einen antrag gestellt hat oder der sich im hoheitsgebiet eines anderen mitgliedstaats ohne aufenthaltstitel aufhält, nach maßgabe der artikel 23, 24, 25 und 29 dublin iii-vo wieder aufzunehmen. 42aus dem vorbringen des klägers sowie aus dem eurodac-treffer folgt, dass die voraussetzungen des art. 18 abs. 1 buchst. b dublin iii-vo vorliegen. der kläger selbst hat angegeben, in italien gewesen zu sein und dort seine fingerabdrücke abgegeben zu haben. dies steht im einklang mit dem vorliegenden eurodac-treffer. dementsprechend haben die italienischen behörden mit schreiben vom 15. november 2021 der überstellung des klägers nach italien gemäß art. 18 abs. 1 buchst. b dublin iii-vo zugestimmt und damit ihre zuständigkeit gemäß art. 25 abs. 1 dublin iii-vo anerkannt. 43ein zuständigkeitsübergang gemäß art. 23 abs. 3 dublin iii-vo, wonach derjenige mitgliedstaat für die prüfung des antrags zuständig ist, in dem der neue antrag gestellt wurde, wenn das wiederaufnahmegesuch nicht innerhalb von zwei monaten nach der eurodac-treffermeldung erfolgt ist, scheidet aus, weil zwischen der treffermeldung am 19. oktober 2021 und dem wiederaufnahmegesuch am 2. november 2021, das bei den italienischen behörden ausweislich einer automatisch generierten e-mail noch am selben tag eingegangen ist, nur etwa zwei wochen lagen. 44ebenso wenig kommt ein übergang der zuständigkeit auf die beklagten gemäß art. 29 abs. 2 dublin iii-vo wegen ablaufs der sechsmonatigen überstellungsfrist des art. 29 abs. 1 dublin iii-vo in betracht. die annahme des wiederaufnahmegesuchs durch italien mit schreiben vom 15. november 2021 liegt weniger als sechs monate zurück und die überstellungsfrist wurde durch den fristgerecht gestellten eilantrag und dem stattgebenden eilbeschluss unterbrochen. 45vgl. hierzu: bverwg, urteil vom 26. mai 2016 – 1 c 15.15 –, juris, rn. 11; bverwg, beschluss vom 22. august 2016 – 1 b 95.16 u.a. –, juris, rn. 8. 46die beklagte ist auch nicht nach art. 3 abs. 2 uabs. 2 dublin iii-vo gehindert, den kläger nach italien zu überstellen, weil es wesentliche gründe für die annahme gäbe, dass das asylverfahren und die aufnahmebedingungen für asylantragsteller in diesem mitgliedstaat systemische schwachstellen aufwiesen, die für den kläger eine ernsthafte gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden behandlung im sinne des art. 4 gr-charta bzw. art. 3 emrk mit sich brächte. die voraussetzungen, unter denen dies nach der rechtsprechung des europäischen gerichtshofs für menschenrechte und des europäischen gerichtshofes, 47eugh, urteil vom 19. märz 2019 – c-163/17 –, juris, rn. 87; eugh, urteil und vom 21. dezember 2011 – c-411/10, –, juris, rn. 83 ff., 99; egmr, urteil vom 21. januar 2011 – 30696/09 –, nvwz 2011, s. 413, 48der fall wäre, liegen nicht vor. 49zwar bezieht sich art. 3 abs. 2 uabs. 2 dublin iii-verordnung nur auf die situation, in der sich die tatsächliche gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden behandlung im sinne von art. 4 gr-charta aus systemischen schwachstellen des asylverfahrens und der aufnahmebedingungen für personen, die internationalen schutz beantragen, in dem mitgliedstaat ergibt, der nach dieser verordnung als für die prüfung des antrags zuständig bestimmt ist. aus der rechtsprechung des europäischen gerichtshofs sowie aus dem allgemeinen und absoluten charakter des verbots in art. 4 gr-charta geht jedoch hervor, dass die überstellung eines antragstellers in diesen mitgliedstaat in all jenen situationen ausgeschlossen ist, in denen ernsthafte und durch tatsachen bestätigte gründe für die annahme vorliegen, dass der antragsteller bei seiner überstellung oder infolge seiner überstellung eine solche gefahr laufen wird. 50vgl. eugh, urteil vom 19. märz 2019 – c-163/17 –, juris, rn. 87. 51dabei ist für die anwendung von art. 4 gr-charta gleichgültig, ob es zum zeitpunkt der überstellung, während des asylverfahrens oder nach dessen abschluss, das heißt im falle der gewährung internationalen schutzes, dazu kommt, dass die betreffende person aufgrund ihrer überstellung an den zuständigen mitgliedstaat im sinne der dublin iii-vo einem ernsthaften risiko ausgesetzt wäre, eine unmenschliche oder erniedrigende behandlung zu erfahren. 52vgl. eugh, urteil vom 19. märz 2019 – c-163/17 –, juris, rn. 88, 76. 53insoweit ist das mit einem rechtsbehelf gegen eine überstellungsentscheidung befasste gericht in dem fall, dass es über angaben verfügt, die die betreffende person zum nachweis des vorliegens eines solchen risikos vorgelegt hat, verpflichtet, auf der grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter angaben und im hinblick auf den durch das unionsrecht gewährleisteten schutzstandard der grundrechte zu würdigen, ob entweder systemische oder allgemeine oder aber bestimmte personengruppen betreffende schwachstellen vorliegen. 54vgl. eugh, urteil vom 19. märz 2019 – c-163/17 –, juris, rn. 90 unter bezugnahme auf eugh, urteil vom 5. april 2016 – c-404/15 und c-659/15 ppu –, juris, rn. 89. 55schwachstellen fallen nur dann unter art. 4 gr-charta, der art. 3 emrk entspricht und nach art. 52 abs. 3 gr-charta die gleiche bedeutung und tragweite hat, wie sie ihm in der emrk verliehen wird, wenn sie eine besonders hohe schwelle der erheblichkeit erreichen, die von sämtlichen umständen des falles abhängt. 56vgl. egmr, 21. januar 2011 – nr. 30696/09 –, juris, rn. 253 f. 57denn im kontext des gemeinsamen europäischen asylsystems und insbesondere der dublin iii-vo, die auf dem grundsatz des gegenseitigen vertrauens beruht und durch eine rationalisierung der anträge auf internationalen schutz deren bearbeitung im interesse sowohl der antragsteller als auch der teilnehmenden staaten beschleunigen soll, gilt die vermutung, dass die behandlung dieser antragsteller in jedem einzelnen mitgliedstaat in einklang mit den erfordernissen der gr-charta, der genfer flüchtlingskonvention und der emrk steht. 58vgl. eugh, urteil vom 21. dezember 2011 – c-411/10 und c-493/10 –, juris, rn. 78 bis 80. 59diese besonders hohe schwelle der erheblichkeit wäre erreicht, wenn die gleichgültigkeit der behörden eines mitgliedstaats zur folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher unterstützung abhängige person sich unabhängig von ihrem willen und ihren persönlichen entscheidungen in einer situation extremer materieller not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen zustand der verelendung versetzte, der mit der menschenwürde unvereinbar wäre. diese schwelle ist daher selbst in durch große armut oder eine starke verschlechterung der lebensverhältnisse der betreffenden person gekennzeichneten situationen nicht erreicht, sofern sie nicht mit extremer materieller not verbunden sind, aufgrund deren sich diese person in einer solch schwerwiegenden lage befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden behandlung gleichgestellt werden kann. 60vgl. eugh, urteil vom 19. märz 2019 – c-163/17 –, juris, rn. 89 ff.; unter bezugnahme auf egmr, 21. januar 2011 – nr. 30696/09 –, juris, rn. 252 bis 263. 61bei zugrundelegung dieser maßstäbe droht dem kläger in italien keine gegen art. 4 gr-charta oder art. 3 emrk verstoßende behandlung. zwar darf ein aus italien nach deutschland eingereister asylsuchender nach der rechtsprechung des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen (ovg nrw) nicht nach italien rücküberstellt werden, wenn er dort mit beachtlicher wahrscheinlichkeit keinen zugang zu einer aufnahmeeinrichtung und einer damit verbundenen versorgung hat. 62ovg nrw, urteil vom 20. juli 2021 – 11 a 1689/20. a –, juris, rn. 41 ff. 63ob diese rechtsprechung, die sich im hinblick auf ihre tatsächlichen feststellungen zu den zuständen in italien einer immer lauter werdenden kritik ausgesetzt sieht, 64vgl. nur vgh bayern, beschluss vom 24. februar 2022 – m 19 s 22.50042 –, juris, s. 14 des beschlussumdrucks; ovg saarland, urteil vom 15. februar 2022 – 2 a 46/21 –, juris, rn. 26; ovg mecklenburg-vorpommern, urteil vom 19. januar 2022 – 4 lb 68/17 –, juris, s. 11 f. des urteilsumdrucks; vgh baden-württemberg, beschluss vom 8. november 2021 – a 4 s 2850/21 –, juris, rn. 9; vg gießen, beschluss vom 15. märz 2022 – 3 l 91/22.gi.a –, juris, s. 5 ff. des beschlussumdrucks; vg regensburg, urteil vom 3. märz 2022 – rn 8 k 17.52250 –, juris, s. 5 des beschlussumdrucks; vg kassel, beschluss vom 22. februar 2022 - 7 l 243/22.ks.a –, juris, s. 5 ff. des beschlussumdrucks; vg bremen, beschluss vom 13. januar 2022 – 6 v 829/21 –, juris, s. 14 des beschlussumdrucks; vg cottbus, urteil vom 4. november 2021 – 5 k 1633/16.a –, juris, rn. 43; vg berlin, urteil vom 16. august 2021 – 31 k 575.17 a –, juris, rn. 26 ff., 65vor dem hintergrund, dass das bundesverwaltungsgericht die beschwerde gegen das vorzitierte urteil des ovg nrw – wenn auch nur aus rechtsgründen – zwar zurückgewiesen, gleichwohl aber festgestellt hat, dass asylsuchende auch auf schlafplätze in unterkünften von kirchen, nichtregierungsorganisationen, privatpersonen oder sogar in einer staatlich geduldeten „informellen siedlung“ verwiesen werden können, 66bverwg, beschluss vom 17. januar 2022 – 1 b 66/21 –, juris, rn. 20; a. a. ovg nrw, urteil vom 20. juli 2021 – 11 a 1689/20. a –, juris, rn. 107, 67und zudem seine ständige rechtsprechung betont hat, wonach es einem asylsuchenden auch zuzumuten ist, eine arbeit, die „im bereich der sogenannten schatten- oder nischenwirtschaft angesiedelt“ ist, aufzunehmen, 68bverwg, beschluss vom 17. januar 2022 – 1 b 66/21 –, juris, rn. 29; bverwg, beschluss vom 17. mai 2006 – 1 b 100.05 –, juris, rn. 11; bverwg, beschluss vom 9. januar 1998 – 9 b 1130.97 –, juris, rn. 5; a. a. ovg nrw, urteil vom 20. juli 2021 – 11 a 1689/20.a –, juris, rn. 137, 69überhaupt noch bestand haben kann, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden. denn selbst bei anwendung der strengen anforderungen, die das ovg nrw in seiner rechtsprechung zu personen, die im wege der dublin iii-vo nach italien zurückgeführt werden sollen, aufgestellt hat, ist im konkreten fall des klägers nicht davon auszugehen, dass er bei einer abschiebung nach italien mit beachtlicher wahrscheinlichkeit unabhängig von seinem willen und seinen persönlichen entscheidungen in eine situation extremer materieller not geraten wird und seine elementarsten bedürfnisse („bett, brot, seife“) für einen längeren zeitraum nicht wird befriedigen können. 70zunächst ist davon auszugehen, dass der kläger bei seiner unmittelbaren rückkehr nach italien die notwendige unterstützung erfährt. insoweit folgt aus der rechtsprechung des ovg nrw, dass im falle einer auf dem luftweg erfolgenden rücküberstellung auf der grundlage der dublin iii-vo der umfang der unterstützungsleistungen davon abhängt, ob italien dem wiederaufnahmegesuch der bundesrepublik deutschland zugestimmt hat oder nicht. 71ovg nrw, urteil vom 20. juli 2021 – 11 a 1689/20.a –, juris, rn. 41 f. 72in fällen, in denen italien ausdrücklich seine zuständigkeit unter der dublin iii-vo anerkannt hat, wird der günstigste flughafen für dublin-rückkehrende angegeben, damit diese die zuständige questura erreichen können. so verhält es sich vorliegend. 73die italienischen behörden haben dem wiederaufnahmegesuch zugestimmt und bereits mitgeteilt, dass der kläger am flughafen g. in s. zu überstellen sei. an diesem flughafen überreicht die grenzpolizei, die selbst keine asylanträge entgegennehmen darf, den überstellten asylsuchenden einen brief („verbale di invito“), in dem die zuständige questura angegeben ist, bei der sich die person innerhalb einer bestimmten frist von in der regel drei tagen melden muss. 74ovg nrw, urteil vom 20. juli 2021 – 11 a 1689/20.a –, juris, rn. 43 ff. 75am flughafen g. in s. existiert eine nichtregierungsorganisation, die asylsuchende informiert und unterstützt. zwar bietet sie keine rechtliche unterstützung an, vorgesehen ist aber die essensverteilung und ausgabe von zugfahrten bis zur questura, die für das asylgesuch und die unterbringung der person zuständig ist. außerdem bietet diese nichtregierungsorganisation eine schlafmöglichkeit für die überstellten personen für die ersten nächte. 76ovg nrw, urteil vom 20. juli 2021 – 11 a 1689/20.a –, juris, rn. 47 ff. 77ausgehend hiervon ist sichergestellt, dass der kläger im falle seiner rücküberstellung nach italien die nach der rechtsprechung des ovg nrw erforderliche behandlung erfahren wird. er käme am flughafen in g. s. an. denn italien hat auf das wiederaufnahmegesuch des bundesamts reagiert und den kläger diesem flughafen zugeordnet. von der grenzpolizei erhielte er die „verbale di invito“, in der die für ihn zuständige questura angegeben sein wird, zu der er sich dann innerhalb einer bestimmten frist zu begeben haben wird. über eine nichtregierungsorganisation wird er mit essen, einer schlafgelegenheit und einem zugticket versorgt werden, um die für ihn zuständige questura aufzusuchen. dass es dem kläger nicht gelingen könnte, am flughafen g. in s. die entsprechende nichtregierungsorganisation aufzusuchen, steht nicht zu erwarten. bei dem kläger handelt es sich um einen mündigen, jungen mann, der es bereits geschafft hat, von afghanistan mit dem pkw nach pakistan und in die türkei zu reisen und von dort mit einem schiff nach italien zu kommen. darüber hinaus hält er sich bereits seit dem jahr 2014 in europa auf, wobei er selbstständig länder wie italien, frankreich, schweden oder die bundesrepublik deutschland aufgesucht hat, er mithin mit den hiesigen gepflogenheiten bestens vertraut ist. vor diesem hintergrund hält es das gericht für unwahrscheinlich, wenn nicht gar ausgeschlossen, dass es dem kläger „mit blick auf bestehende zweifel an der tatsächlichen präsenz und sichtbarkeit der […] [nichtregierungsorganisation]“, 78ovg nrw, urteil vom 20. juli 2021 – 11 a 1689/20.a –, juris, rn. 47 ff. 79nicht gelingen sollte, am flughafen g. in s. den entsprechenden schalter eigenständig aufzusuchen, zumal der kläger als dublin-rückkehrer nach der rechtsprechung des ovg nrw ohnedies von der italienischen grenzpolizei in empfang genommen werden wird, die ihm bei der suche nach der entsprechenden nichtregierungsorganisation behilflich sein wird. 80es besteht im weiteren nicht die ernsthafte gefahr, dass der kläger keinen zugang zu einer menschenwürdigen unterkunft erhalten würde. nach der rechtsprechung des ovg nrw können asylsuchende, die nach italien zurücküberstellt werden, in erstaufnahmeeinrichtungen (cas = centri di accoglienza straordinaria, im folgenden: cas-zentren) untergebracht werden. seit dem inkrafttreten des gesetzes („legge“) nr. 173/2020 vom 18. dezember 2020, das das gesetzesdekret („decreto legge“) nr. 113/2018 vom 4. oktober 2018 modifiziert und bestätigt hat (gesetz nr. 173/2020), können asylsuchende im rahmen der zur verfügung stehende plätze sogar in das (zweit-) aufnahmesystem (sai = sistema di accoglienza e di integrazione; im folgenden sai-system, vormals siproimi = „sistema di protezione per titolari di protezione internazionale e per i minori stranieri non accompagnati“) aufgenommen werden, in das zuvor nur anerkannte schutzberechtigte zugang erhielten. 81ovg nrw, urteil vom 20. juli 2021 – 11 a 1689/20.a –, juris, rn. 54 f. 82anhaltspunkte dafür, dass das den dublin-rückkehrern zur verfügung stehende unterbringungssystem in italien insgesamt an seine kapazitätsgrenzen gestoßen wäre, sind nicht ersichtlich. 83vgl. schweizerische flüchtlingshilfe, aufnahmebedingungen in italien, aktuelle entwicklungen, stand 10. juni 2021, s. 10; schweizerische flüchtlingshilfe, aufnahmebedingungen in italien, stand 1. januar 2020, s. 37 ff.; asylum information database (aida), country report: italy, 2020 update, s. 114 ff.; so auch vg bremen, beschluss vom 13. januar 2022 – 6 v 828/21 –, juris, s. 10 des beschlussumdrucks. 84italien hat flexibel auf steigende und in den letzten jahren sinkende zahlen an ankünften von asylbewerbern reagiert. 85vgl. bundesamt für migration und flüchtlinge, situation des aufnahmesystems seit der reform des salvini-dekrets, 15. juli 2021, s. 5; schweizerische flüchtlingshilfe, aufnahmebedingungen in italien, stand 1. januar 2020, s. 24. 86aus diesem grund steht auch nicht zu erwarten, dass der kläger in der zeitspanne zwischen der registrierung seines asylgesuchs (fotosegnalamento) und seiner formellen vorsprache (verbalizzazione) in eine obdachlosigkeit geraten könnte, zumal die nichtregierungsorganisation am flughafen g. in s. für personen, die vor ihrer abreise aus italien – wie der kläger – kein asylgesuch gestellt hatten und deshalb die questura in s. für die bearbeitung des antrags zuständig ist, unmittelbar die präfektur kontaktiert, um einen platz in einem aufnahmezentrum in s. zu finden. 87schweizerische flüchtlingshilfe, aufnahmebedingungen in italien, stand 1. januar 2020, s. 34; vgl. zur überbrückungszeit zwischen fotosegnalamento und verbalizzazione auch vg bremen, beschluss vom 13. januar 2022 – 6 v 828/21 –, juris, s. 11 ff. des beschlussumdrucks. 88auch wenn die qualität der unterbringungsbedingungen zwischen den einzelnen unterkünften variiert, 89aida, country report: italy, 2020 update, s. 120 ff., 90gibt es keine gewichtigen gründe dafür, dass die elementarsten bedürfnisse des klägers nach „bett, brot und seife" in den aufnahmeeinrichtungen nicht erfüllt werden. 91vg bremen, beschluss vom 13. januar 2022 – 6 v 828/21 –, juris, s. 10 des beschlussumdrucks. 92zudem haben dublin-rückkehrer zugang zum staatlichen gesundheitssystem, insbesondere ist eine kostenfreie notversorgung gewährleistet. 93aida, country report: italy, 2020 update, s. 127 f.; schweizerische flüchtlingshilfe, aufnahmebedingungen in italien, stand 1. januar 2020, s. 77. 94eine aufnahme der dublin-rückkehrer in den cas-zentren oder (im rahmen der zur verfügung stehenden plätze) in einrichtungen des sai-systems ist nach der rechtsprechung des ovg nrw jedoch nur möglich, solange sie im asylverfahren sind und ihnen noch ein recht auf unterbringung zusteht bzw. ihnen dies nicht entzogen worden ist. 95ovg nrw, urteil vom 20. juli 2021 – 11 a 1689/20. a –, juris, rn. 58 f. 96hinsichtlich des verlusts des rechts auf zugang zu diesen einrichtungen ist durch das gesetz nr. 173/2020 keine änderung eingetreten. die gesetzesverordnung nr. 142/2015 regelt in art. 23 nr. 1 gesetzesverordnung nr. 142/2015 für erstaufnahmeeinrichtungen cara (= centri di accoglienza per richiedenti asilo) und die cas-zentren, dass der präfekt die aberkennung von betreuungsmaßnahmen mit einer begründeten verfügung unter anderem dann anordnen kann, wenn die gesuchstellerin oder der gesuchsteller im zugeteilten empfangszentrum nicht erscheint oder es ohne vorherige begründete mitteilung an die präfektur, dem territorialbüro der zuständigen verwaltung, verlässt (art. 23 nr. 1 a gesetzesverordnung nr. 142/2015) oder wenn die gesuchstellerin oder der gesuchsteller nicht zur anhörung vor dem zuständigen organ zur prüfung des asylgesuchs erscheint, obwohl sie oder er darüber informiert worden ist (art. 23 nr. 1 b gesetzesverordnung nr. 142/2015). die aufnahmeeinrichtungen sind verpflichtet, die präfektur umgehend zu informieren, falls sich die oder der asylsuchende nicht in der zugewiesenen unterkunft meldet oder unentschuldigt oder unberechtigt abwesend ist. die regelungen über den verlust des rechts auf unterbringung berücksichtigen nicht, dass die oder der asylsuchende im fall eines solchen entzugs dem risiko der verarmung ausgesetzt sein kann. der präfekt muss allerdings bei der entscheidung über den entzug nach art. 23 nr. 2 gesetzesverordnung nr. 142/2015 besondere umstände einer vulnerabilität der oder des asylsuchenden berücksichtigen. 97ovg nrw, urteil vom 20. juli 2021 – 11 a 1689/20. a –, juris, rn. 62 ff. 98nach diesen maßstäben ist weder davon auszugehen, dass dem kläger ein recht auf unterbringung nicht zustünde noch ist ersichtlich, dass ihm dies entzogen worden wäre – im gegenteil: hat das gericht noch in seinem eilbeschluss vom 18. januar 2022 eine offene folgenabwägung vorgenommen, weil unklar war, ob der kläger bereits zugang zum italienischen aufnahmesystem gehabt hatte und diesen durch seine ausreise nach deutschland aufgegeben hat, ob er also in seiner person die voraussetzungen für den entzug des unterkunftsanspruchs nach art. 23 gesetzesverordnung nr. 142/2015 erfüllt, hat er sich nach abschluss des eilverfahrens eindeutig dahingehend eingelassen, dass ihm in italien zu keinem zeitpunkt eine unterkunft zugewiesen worden ist. aus diesem grunde habe er eine unterkunft auch nicht ohne rücksprache mit der präfektur verlassen können. der kläger kann nach alledem sein recht auf unterbringung in italien nicht verloren haben. dies zugrundgelegt, kann der kläger in italien beanspruchen, in ein cas- oder sai-zentrum aufgenommen zu werden, wo für seine elementaren lebensbedürfnisse gesorgt ist. 99für den fall der zuerkennung internationalen schutzes droht dem kläger ebenfalls nicht mit beachtlicher wahrscheinlichkeit eine verletzung seiner rechte aus art. 4 gr-charta und art. 3 emrk. zwar hat das ovg nrw für anerkannt schutzberechtigte, die nach italien zurückgeführt werden, angenommen, dass sie bei einer rückkehr nach italien nicht in der lage sein werden, sich aus eigenen durch erwerbstätigkeit zu erzielenden mitteln mit den für ein überleben notwendigen gütern zu versorgen. 100ovg nrw, urteil vom 20. juli 2021 – 11 a 1674/20.a –, juris, rn. 102 ff. 101indes hätte der kläger, der das asylverfahren in italien erst noch zu durchlaufen hat und der während der dauer des asylverfahrens mit staatlicher unterstützung rechnen kann, im fall einer anschließenden anerkennung als schutzberechtigter eine gänzlich andere ausgangsposition als nach italien rückkehrende anerkannte schutzberechtigte. letztere mögen jedenfalls dann, wenn sie – wie vom ovg nrw für den dortigen kläger zugrunde gelegt – ihrerseits keinen zugang mehr zu einer aufnahmeeinrichtung und einer damit verbundenen versorgung haben, unter umständen darauf angewiesen sein, schon sehr zeitnah nach ihrer rückkehr durch eigene erwerbstätigkeit mittel zu erzielen, mit denen sie eine unterkunft finanzieren und sich mit den für ein überleben notwendigen (sonstigen) gütern versorgen zu können. demgegenüber verbleibt personen in der lage des klägers sehr viel mehr zeit, vor ort die italienische sprache zu erlernen, sich mit den gepflogenheiten der italienischen gesellschaft und dem italienischen arbeitsmarkt vertraut zu machen, sich eine beschäftigung zu suchen, 102vgl. zum arbeitsmarktzugang für asylsuchende in italien aida, country report: italy, 2020 update, s. 125 f., 184; bundesamt für fremdenwesen und asyl, länderinformation der staatendokumentation, italien, 11. november 2020, s. 15; vg berlin, urteil vom 16. august 2021 – 31 k 575.17 a –, juris, rn. 30; vg bremen, beschluss vom 13. januar 2022 – 6 v 829/21 –, juris, s. 13 ff. des beschlussumdrucks, 103und – gegebenenfalls im anschluss an ihre anerkennung – von etwaig vorhandenen angeboten zur arbeits- und sonstigen integration zu profitieren. 104vgl. dazu zum beispiel aida, country report: italy, 2020 update, s. 14; bundesamt für fremdenwesen und asyl, länderinformation der staatendokumentation, italien, 11. november 2020, s. 182; schweizerische flüchtlingshilfe, aufnahmebedingungen in italien, stand 1. januar 2020, s. 54; vg berlin, urteil vom 16. august 2021 – 31 k 575.17 a –, juris, rn. 30; vg bremen, beschluss vom 13. januar 2022 – 6 v 829/21 –, juris, s. 13 ff. des beschlussumdrucks. 105die klage hat auch mit ihrem hilfsantrag keinen erfolg. die entscheidung in ziffer 2. des bescheids, dass abschiebungsverbote nach § 60 abs. 5 und abs. 7 satz 1 aufenthg in bezug auf italien nicht vorliegen, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. 106ein zielstaatsbezogenes abschiebungsverbot gemäß § 60 abs. 5 aufenthg scheidet aus, weil – wie dargelegt – eine hier allein in betracht kommende verletzung von art. 3 emrk oder art. 8 emrk nicht ersichtlich ist. auf die vorstehenden ausführungen wird bezug genommen. 107ein zielstaatbezogenes abschiebungsverbot folgt auch nicht aus § 60 abs. 7 satz 1 aufenthg. hiernach soll von der abschiebung eines ausländers in einen anderen staat abgesehen werden, wenn dort für diesen ausländer eine erhebliche konkrete gefahr für leib, leben oder freiheit besteht. eine erhebliche konkrete gefahr aus gesundheitlichen gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden erkrankungen, die sich durch die abschiebung wesentlich verschlechtern würden. gemäß § 60 abs. 7 satz 2 aufenthg in verbindung mit § 60a abs. 2c satz 2 und satz 3 aufenthg muss der ausländer die erkrankung durch eine qualifizierte ärztliche bescheinigung glaubhaft machen. diese ärztliche bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen umstände, auf deren grundlage eine fachliche beurteilung erfolgt ist, die methode der tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische beurteilung des krankheitsbildes (diagnose), den schweregrad der erkrankung, den lateinischen namen oder die klassifizierung der erkrankung nach icd 10 sowie die folgen, die sich nach ärztlicher beurteilung aus der krankheitsbedingten situation voraussichtlich ergeben, enthalten. 108vgl. auch bverwg, beschluss vom 17. august 2011 – 10 b 13/11, 10 b 13/11, 10 pkh 11/11 –, juris, rn. 3; bverwg, urteil vom 17. oktober 2006 – 1 c 18/05 –, juris, rn. 15; bverwg, beschluss vom 24. mai 2006 – 1 b 118/05 –, juris, rn. 4. 109diese voraussetzungen liegen weder im hinblick auf die vom kläger geltend gemachte nierenerkrankung noch auf die aktuelle situation im zusammenhang mit dem covid-19 auslösenden virus vor. 110bezüglich seiner nierenerkrankung sind die vom kläger vorgelegten ärztlichen dokumente aus den jahren 2017 und 2018 veraltet und damit nicht aussagekräftig. 111die von einem schwedischen arzt ausgefüllte bescheinigung vom 14. juni 2021 ist zwar jüngeren datums. sie erfüllt jedoch ansatzweise nicht die an ein qualifiziertes attest zu stellenden vorgenannten anforderungen. ihr ist schon keine konkrete diagnose, geschweige denn der lateinische name der erkrankung oder die klassifizierung der erkrankung nach icd 10 zu entnehmen. da das schreiben eine anamnese nicht enthält, bleibt ebenso unklar, auf welchen tatsächlichen umständen die fachliche beurteilung des arztes erfolgt sein soll. offen ist auch, welche methoden der behandelnde arzt angewandt hat, um zu seinem ergebnis zu kommen. die bescheinigung ist aber auch deswegen unzulänglich, weil sie nicht hinreichend konkret darlegt, welche folgen sich nach ärztlicher beurteilung aus der krankheitsbedingten situation voraussichtlich ergeben. stattdessen heißt es dort, dass die erkrankung im unbehandelten zustand „irgendwann […] zu schwerem nierenversagen führen“ könne, ohne dass dies näher konkretisiert würde. der bescheinigung ist daher gerade nicht zu entnehmen, dass mit hoher wahrscheinlichkeit von einer zeitnahen erheblichen verschlimmerung der erkrankungen des klägers im falle einer abschiebung nach italien ausgegangen werden könnte. 112nichts anderes gilt für den im rahmen des gerichtlichen verfahrens eingereichten „entlassungsbrief“ vom 25. november 2021. zwar werden dort konkrete diagnosen, die methodik der diagnostik, die therapie und das weitere prozedere aufgeführt, indessen folgt auch aus diesem attest ansatzweise nicht, dass der kläger im falle seiner rückführung nach italien zeitnah in eine lebensbedrohliche verschlechterung seines gesundheitszustandes geraten könnte. 113schließlich erfüllt auch die „ärztliche bescheinigung“ vom 14. november 2022 nicht die an ein qualifiziertes attest zu stellenden anforderungen. es enthält lediglich eine stichwortartige diagnose, jedoch keinerlei informationen zu den tatsächlichen umständen, auf deren grundlage eine fachliche beurteilung erfolgt ist. die methode der tatsachenerhebung ist dort ebenso wenig aufgeführt wie der schweregrad der erkrankung und die folgen, die sich nach ärztlicher beurteilung aus der krankheitsbedingten situation voraussichtlich ergeben. so bleibt unklar, was der behandelnde arzt überhaupt damit meint, wenn eine „sofortige aufnahme in stationäre behandlung zwingend indiziert“ sei und welche konsequenzen es hätte, wenn eine solche stationäre aufnahme nicht erfolgte. zu einer lebensbedrohlichen verschlechterung des gesundheitlichen zustands des klägers im falle seiner rückführung nach italien verhält sich das attest überhaupt nicht. 114unabhängig von den vorstehenden ausführungen und selbständig tragend gilt es nicht zuletzt zu bedenken, dass eine bei dem kläger etwaig erforderliche ärztliche behandlung auch in italien durchgeführt werden könnte. auch wenn es in der praxis vereinzelt zu problemen kommt, genießen asylbewerber in italien grundsätzlich dieselben rechte wie italienische staatsangehörige. 115aida, country report: italy, 2020 update, s. 127 ff. 116dass dem kläger in italien ärztliche unterstützung zur verfügung steht, folgt auch aus seiner eigenen einlassung beim bundesamt im rahmen seiner anhörung am 26. oktober 2021, wonach ihm hilfsorganisationen mit den ärzten und den medikamenten geholfen hätten. darüber hinaus haben die italienischen behörden das bundesamt bereits in ihrem antwortschreiben vom 15. november 2021 aufgefordert, mindestens zehn tage vor der rückführung des klägers mitzuteilen, ob dieser unter behandlungsbedürftigen erkrankungen leidet. dies belegt, dass die italienischen behörden nicht nur in der lage, sondern auch gewillt sind, dem kläger eine etwaig erforderliche medizinische behandlung zuteilwerden zu lassen. 117im hinblick auf gesundheitsgefahren, die sich durch die gefahr einer ansteckung des klägers mit dem covid-19 auslösenden virus im falle seiner überstellung nach italien oder infolge einer überlastung des dortigen gesundheitssystems wegen einer vielzahl von covid-19-erkrankungen ergeben könnten, findet § 60 abs. 7 satz 1 aufenthg keine direkte anwendung, da es sich bei der gefahr einer erkrankung an covid-19 um keine ausschließlich dem kläger individuell drohende konkrete gesundheitsgefahr handelt, sondern um eine allgemeine gefahr im sinne des § 60 abs. 7 satz 6 aufenthg, der die gesamte bevölkerung italiens ausgesetzt ist. ein abschiebungsverbot in der person des klägers kommt aufgrund der sperrwirkung des § 60 abs. 7 satz 6 aufenthg daher grundsätzlich nicht in betracht. 118der kläger kann auch nicht in verfassungskonformer analoger anwendung von § 60 abs. 7 satz 1 aufenthg abschiebungsschutz wegen einer extremen gefahrenlage beanspruchen. die sperrwirkung des § 60 abs. 7 satz 6 aufenthg kann nur dann im wege einer verfassungskonformen auslegung eingeschränkt werden, wenn für den schutzsuchenden ansonsten eine verfassungswidrige schutzlücke besteht. 119vgl. bverwg, urteil vom 8. september 2011 – 10 c 14.10 –, juris, rn. 20; bverwg, urteil vom 24. juni 2008 – 10 c 43.07 –, juris, rn. 32; ovg nrw, urteil vom 24. märz 2020 – 19 a 4470/19.a –, juris, rn. 46. 120eine solche schutzlücke liegt nur dann vor, wenn der schutzsuchende bei einer rückkehr in das aufnahmeland mit hoher wahrscheinlichkeit einer extremen gefahrenlage ausgesetzt wäre. dafür gibt es vorliegend keine anhaltspunkte. es ist nicht ersichtlich, dass der kläger in italien gleichsam sehenden auges dem tod oder schwersten gesundheitsschäden ausgeliefert wäre. 121so bewegt sich die inzidenz der infektionen pro 100.000 einwohner in italien mit 710,9 auf einem mit der bundesrepublik deutschland vergleichbaren niveau, wo die inzidenz 796,4 beträgt. 122vgl. weltgesundheitsorganisation, covid-19 situation in the who european region, stand 26. april 2022, abrufbar unter https://who.maps.arcgis.com/apps/dashboards/ ead3c6475654481ca51c248d52ab9c61. 123es fehlt darüber hinaus an anhaltspunkten dafür, dass der kläger mit erheblicher wahrscheinlichkeit in italien eine seine physische oder psychische gesundheit beeinträchtigende behandlung erwarten würde. eine erhebliche wahrscheinlichkeit einer ansteckung des klägers mit diesem virus im falle seiner überstellung nach italien oder eine überlastung des dortigen gesundheitssystems lässt sich nicht feststellen. 124die abschiebungsanordnung in ziffer 3. des angefochtenen bescheids ist ebenfalls rechtmäßig. rechtsgrundlage ist § 34a abs. 1 satz 1 asylg. danach ordnet das bundesamt die abschiebung in einen für die durchführung des asylverfahrens zuständigen staat (§ 29 abs. 1 nr. 1 asylg) an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. das bundesamt hat nach dieser gesetzlichen maßgabe neben zielstaatsbezogenen abschiebungshindernissen auch zu prüfen, ob der abschiebung inlandsbezogene vollzugshindernisse entgegenstehen. für eine insoweit eigene entscheidungskompetenz der ausländerbehörde verbleibt daneben kein raum. 125vgl. bverfg, beschluss vom 17. september 2014 – 2 bvr 1795/14 –, juris, rn. 9; ovg nrw, beschluss vom 30. august 2011 – 18 b 1060/11 –, juris, rn. 4; ovg niedersachsen, urteil vom 4. juli 2012 – 2 lb 163/10 –, juris, rn. 41; ovg berlin-brandenburg, beschluss vom 1. februar 2012 – ovg 2 s 6.12 –, juris, rn. 4 ff.; vgh bayern, beschluss vom 12. märz 2014 – 10 ce 14.427 –, juris, rn. 4; ovg saarland, beschluss vom 25. april 2014 – 2 b 215/14 –, juris, rn. 7; vgh baden-württemberg, beschluss vom 31. mai 2011 – a 11 s 1523/11 –, juris, rn. 4 ff.; ovg hamburg, beschluss vom 3. dezember 2010 – 4 bs 223/10 –, juris, rn. 9 ff.; ovg mecklenburg-vorpommern, beschluss vom 29. november 2004 – 2 m 299/04 –, juris, rn. 9 ff. 126dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei erlass der abschiebungsanordnung vorliegender, sondern auch bei nachträglich auftretenden abschiebungshindernissen und duldungsgründen. 127vgl. bverfg, beschluss vom 17. september 2014 – 2 bvr 1795/14 –, juris, rn. 10 mit weiteren nachweisen. 128derartige zielstaats- oder inlandsbezogene abschiebungshindernisse liegen hier jedoch nicht vor. 129auf den duldungsgrund des § 60 abs. 2 satz 1 aufenthg kann sich der kläger nicht berufen. hiernach ist die abschiebung eines ausländers auszusetzen, solange sie aus tatsächlichen oder rechtlichen gründen unmöglich ist. zwar ist in der rechtsprechung anerkannt, dass einer abschiebung im hinblick auf art. 6 abs. 1 gg in verbindung mit art. 8 emrk ausnahmsweise das bestehen einer familiären lebensgemeinschaft im sinne einer sog. beistandsgemeinschaft zwischen familienmitgliedern entgegensteht, selbst wenn es sich nicht um familienangehörige im sinne von art. 2 buchst. g dublin iii-vo handelt. 130vgl. vg aachen, urteil vom 3. februar 2017 – 6 k 2121/14.a –, juris, rn. 53; vg aachen, urteil vom 12. mai 2016 – 4 k 600/14 –, juris, rn. 68; vg münchen, urteil vom 16. august 2016 – m 2 k 15.50214 –, juris, rn. 21; vg düsseldorf, beschluss vom 8. april 2015 – 13 l 914/15.a –, juris, rn. 22. 131dies ist etwa dann der fall, wenn ein familienmitglied auf eine auch tatsächlich erbrachte lebenshilfe des anderen von einigem gewicht angewiesen ist und sich diese hilfe in zumutbarer weise nur in der bundesrepublik erbringen lässt, namentlich, wenn einem beteiligten familienmitglied die ausreise nicht zumutbar ist. eine haus- oder haushaltsgemeinschaft ist dabei nicht unbedingt erforderlich. gefordert wird, dass eine erforderliche wesentliche hilfe geleistet wird, ohne dass dabei die schwelle der spezifischen pflegebedürftigkeit erreicht sein müsste. es kommt in diesem zusammenhang auch nicht darauf an, ob die von einem familienmitglied tatsächlich erbrachte lebenshilfe auch von anderen personen erbracht werden könnte, die nicht familienangehörige sind. 132vgl. vg aachen, urteil vom 3. februar 2017 – 6 k 2121/14.a –, juris, rn. 55; vg münchen, urteil vom 16. august 2016 – m 2 k 15.50214 –, juris, rn. 22. 133diese voraussetzungen liegen indessen nicht vor. eine besondere beistandsgemeinschaft zwischen dem kläger und seinem bruder, die darüber hinaus eine eintrittspflicht begründen könnte, wurde weder substantiiert dargelegt noch ist eine solche sonst erkennbar. dies folgt schon daraus, dass der bruder des klägers nach dessen eigenen angaben am bodensee und damit so weit weg wohnt, dass eine physische hilfeleistung von vornherein nicht in betracht kommt. die räumliche trennung der brüder belegt zudem, dass eine hilfeleistung in der vergangenheit nicht erforderlich gewesen ist. warum dies in zukunft anders sein soll, legt der kläger ansatzweise nicht dar. ebenso wenig gibt er an, wobei und in welchem umfang er auf die hilfe seines bruders angewiesen ist. 134zielstaatsbezogene abschiebungshindernisse kann der kläger ebenfalls nicht erfolgreich geltend machen. auf die vorstehenden ausführungen zu § 60 abs. 5 und abs. 7 satz 1 aufenthg wird verwiesen. 135die befristung des einreise- und aufenthaltsverbots nach § 11 abs. 2 aufenthg in ziffer 4. des angefochtenen bescheids begegnet ebenfalls keinen rechtlichen bedenken. die befristung auf dreißig monate ab dem tag der abschiebung lässt ermessensfehler nicht erkennen. die beklagte, die das einreise- und aufenthaltsverbot grundsätzlich auf bis zu fünf jahre befristen kann, hat bei seiner entscheidung insbesondere berücksichtigt, dass sich der ebenfalls volljährige bruder des klägers im bundesgebiet aufhält, zwischen beiden aber kein abhängigkeitsverhältnis besteht. 136die klägerseits gestellten beweisanträge haben sich entweder erledigt oder sie sind abzulehnen. 137die anträge auf beiziehung der beim bundesamt geführten verwaltungsakte und des streitgegenständlichen bescheids haben sich dadurch erledigt, dass das gericht die angeforderten unterlagen beigezogen hat. sofern die vorbezeichneten anträge darauf abzielen sollten, die dokumente im original beizuziehen, sind sie wegen bedeutungslosigkeit abzulehnen, weil die vorlage der begehrten dokumente im original die getroffene entscheidung nicht beeinflussen würde. es liegen auch keine hinweise darauf vor, dass die beigezogenen dokumente fälschungen aufwiesen. 138bei dem antrag, das urteil des verwaltungsgerichts aachen vom 28. mai 2020, aktenzeichen: 22 k 6121/19.a beizuziehen, handelt es sich schon nicht um einen beweisantrag. ein beweisantrag ist das an ein gericht gestellte verlangen eines prozessbeteiligten, beweis über eine den sachverhalt betreffende behauptung durch bestimmte, nach prozessualem recht zulässige beweismittel zu erheben. erforderlich sind eine beweisbehauptung, ein beweismittel sowie eine konnexität zwischen beweistatsache und beweismittel. gemessen an diesen maßstäben fehlt es dem antrag an der bestimmtheit der behaupteten tatsache, weil der kläger keine konkreten umstände oder geschehnisse, zu denen das beweismittel etwas belegen könnte, angibt, sondern lediglich ein beweisziel benennt. aber selbst wenn man von einem ordnungsgemäß gestellten beweisantrag ausginge, wäre dieser wegen bedeutungslosigkeit und völliger ungeeignetheit abzulehnen, weil das begehrte urteil lediglich rechtsansichten wiedergibt, nicht aber unumstößliche tatsachenbehauptungen aufstellt. 139schließlich ist auch der antrag auf vernehmung des klägers als partei abzulehnen. es handelt sich ebenfalls nicht um einen beweisantrag, weil der kläger keine konkreten umstände oder geschehnisse angibt, die er wahrgenommen haben will, sodass es auch hier an der bestimmtheit der tatsachenbehauptung fehlt. der beweisantrag ist aber auch deshalb unsubstantiiert, weil der kläger – wie dargelegt – keine hinreichend qualifizierten atteste zu seinem gesundheitlichen zustand vorgelegt hat. bei hypothetischer annahme eines ordnungsgemäßen beweisantrags wäre dieser zudem abzulehnen. denn die vernehmung eines beteiligten nach § 96 vwgo ist auch im verwaltungsgerichtlichen verfahren nur subsidiär zulässig. die parteivernehmung dient als letztes hilfsmittel zur aufklärung des sachverhalts, wenn trotz ausschöpfung aller anderen beweismittel noch zweifel bestehen. 140bverwg, beschluss vom 5. juni 2013 – 5 b 11/13 –, juris, rn. 11. 141diese voraussetzungen liegen in ansehung der möglichkeit des klägers, seinen gesundheitszustand durch andere beweismittel zu belegen, nicht vor. insoweit wäre ein beweisantrag auch wegen bedeutungslosigkeit abzulehnen, weil sich der gesundheitliche zustand des klägers bereits aus den vorgelegten attesten ergibt. 142da der vortrag des klägers keinerlei anlass, geschweige denn anhaltspunkte für eine weitere sachaufklärung bietet, ist das gericht bei dieser sachlage auch nicht gehalten, weitere ermittlungen zur aufklärung einzuleiten. 143die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 1 vwgo, § 83b asylg. 144die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit folgt aus § 167 abs. 2 und abs. 1 satz 1 vwgo in verbindung mit §§ 708 nr. 11, 711, 709 satz 2 der zivilprozessordnung (zpo). 145der gegenstandswert ergibt sich aus § 30 des rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (rvg). 146rechtsmittelbelehrung: 147gegen dieses urteil kann innerhalb eines monats nach zustellung die zulassung der berufung beantragt werden. über den antrag entscheidet das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen in münster. 148die berufung ist nur zuzulassen, wenn 1491. die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat oder 1502. das urteil von einer entscheidung des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen, des bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen senats der obersten gerichtshöfe des bundes oder des bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser abweichung beruht oder 1513. ein in § 138 der verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt. 152der antrag ist schriftlich bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) zu stellen. er muss das angefochtene urteil bezeichnen. 153auf die ab dem 1. januar 2022 unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 154in dem antrag sind die gründe, aus denen die berufung zuzulassen ist, darzulegen. 155im berufungs- und berufungszulassungsverfahren müssen sich die beteiligten durch prozessbevollmächtigte vertreten lassen. dies gilt auch für prozesshandlungen, durch die das verfahren eingeleitet wird. die beteiligten können sich durch einen rechtsanwalt oder einen rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten hochschule eines mitgliedstaates der europäischen union, eines anderen vertragsstaates des abkommens über den europäischen wirtschaftsraum oder der schweiz, der die befähigung zum richteramt besitzt, als bevollmächtigten vertreten lassen. auf die zusätzlichen vertretungsmöglichkeiten für behörden und juristische personen des öffentlichen rechts einschließlich der von ihnen zur erfüllung ihrer öffentlichen aufgaben gebildeten zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 abs. 4 satz 4 vwgo und § 5 nr. 6 des einführungsgesetzes zum rechtsdienstleistungsgesetz – rdgeg –). darüber hinaus sind die in § 67 abs. 2 satz 2 nr. 3 bis 7 vwgo bezeichneten personen und organisationen unter den dort genannten voraussetzungen als bevollmächtigte zugelassen. 156die antragsschrift 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345,065
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1 K 1950/18
2022-04-27T00:00:00
Urteil
Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Schichtzulage im Rahmen des Polizeidienstes. 3Die Klägerin ist Beamtin im Dienst des Beklagten und dort als Kriminalhauptkommissarin beim Polizeipräsidium H. tätig. Vom 1. Oktober 2013 an gehörte sie dem Kommissariat 13 an, seit dem 1. September 2013 verrichtet sie ihren Dienst im Kommissariat 21. 4Aufgrund der Dienstanweisung zur Regelung des Kriminalwachdienstes des Polizeipräsidiums H. vom 29. Juli 2011 ist dort eine Kriminalwache eingerichtet, die dem Kommissariat 22 zugeordnet ist und die Aufgabe hat, außerhalb der allgemeinen Dienstzeit die unaufschiebbar notwendigen Maßnahmen im Rahmen der Aufgaben der Kriminalkommissariate durchzuführen. Nach Ziffer 4.3 und 4.4 der Dienstanweisung wird der Kriminalwachdienst zu Tageszeiten mit besonderer Einsatzdichte mit Beamtinnen und Beamten der übrigen Kriminalkommissariate verstärkt. Hierzu zählen die Frühdienste (7:00 bis 14:00 Uhr) an Wochenenden und Wochenendfeiertagen sowie der sogenannte „Lapperdienst“ (Montags bis Samstags von 16:00 bis 24:00 Uhr). Zur Verstärkung der Kriminalwache können Beamte anderer Kriminalkommissariate auch aus besonderen Anlassen und zu anderen Zeiten herangezogen werden. 5Unter dem 26. Januar 2016 beantragte die Klägerin beim Polizeipräsidium H. die Schichtzulage wegen Schichtdienstes rückwirkend ab dem 1. Oktober 2009. Dem Antrag fügte sie einen Ausdruck ihrer Dienstzeitnachweise vom 1. Oktober 2009 bis zum 31. Dezember 2015 bei und markierte hier die aus ihrer Sicht für die Gewährung der Schichtzulage relevanten getätigten Dienste. 6Mit Bescheid vom 4. Dezember 2017 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, etwaige Ansprüche auf Gewährung der Schichtzulage für die Zeit vom 1. Oktober 2009 und 31. Dezember 2012 seien bereits verjährt. Für den anschließenden Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis zum 31. Dezember 2015 lägen überdies die Voraussetzungen für die Gewährung der Schichtzulage nicht vor. Denn in diesem Zeitraum seien von der Klägerin 77 Dienste außerhalb ihres regulären Tagesdienstes geleistet worden. Davon beträfen aber 57 Dienste bereits deshalb keinen Schichtdienst, weil sie im Rahmen der sogenannten „BAO“-Lage, also anlassbezogenen, kurzfristig und unregelmäßig stattfindenden Einsatzdiensten, geleistet worden seien. Für die übrigen Dienste handele es sich zudem deshalb um keinen Schichtdienst, weil nur fünf außerhalb des Frühdienstes geleistet worden seien und für diese mangels entsprechender Angaben keine Bewertung erfolgen könne, ob es sich um im Schichtdienstplan vorgeplante Schichten bzw. Tätigkeiten im Rahmen der Kriminalwache handele. Selbst wenn man diese fünf Schichten aber als solche vorgeplanten Schichten behandelte, sei ein für den Schichtdienst erforderlicher hinreichender Wechsel der Arbeitszeiten nicht anzunehmen, zumal die für die Gewährung der Schichtzulage erforderlichen Zeitabstände zwischen den Schichten nicht erfüllt seien. Insoweit müssten diese mindestens 80 Stunden Dienst innerhalb von 14 Tagen betragen. 7Mit Schreiben vom 20. Dezember 2017 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid des Beklagten vom 4. Dezember 2017 ein. Zur Begründung führte sie aus, es sei teilweise die falsche Anspruchsgrundlage geprüft worden. Durch Art. 2 der Verordnung zur Änderung von Vorschriften für Dienst zu wechselnden Zeiten vom 20. August 2013 sei die Gewährung einer Schichtzulage neu geregelt worden. Dafür, dass ein Anspruch nur dann bestehe, wenn innerhalb von 14 Kalenderwochen 80 Stunden in einer anderen Schichtart abgeleistet würden, finde sich überdies keine gesetzliche Stütze. 8Mit Widerspruchsbescheid vom 2. März 2018, zugestellt am 7. März 2018, wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die herangezogene Rechtsgrundlage sei zutreffend. Zwar habe der Bundesgesetzgeber die Gewährung einer Schichtzulage neu geregelt, der Landesnormgeber habe aber die bisherigen Regelungen übernommen. Die Anforderungen über die notwendigen Zeitspannen bei zusätzlich geleistetem Dienst ergäben sich aus Ziffer 3.1 des Runderlasses des Finanzministers vom 27. Januar 1977 – B 2126-65-IV A 3. Danach sei für die Gewährung einer Schichtzulage erforderlich, dass der betroffene Beamte mindestens 40 Stunden Nachtdienst leiste, was hier aber nicht der Fall sei. 9Die Klägerin hat am 3. April 2018 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, der vom Beklagten angeführte Erlass sei rechtswidrig, wie die erkennende Kammer bereits mit Urteil vom 13. Februar 2008 (Az. 1 K 67/05) ausgeführt habe. Im Übrigen decke der Kriminalwachdienst die Zeitspanne von 7:00 bis 22:30 Uhr ab, was für die Gewährung der Schichtdienstzulage ausreiche. Dabei komme es auch nicht darauf an, ob und inwieweit sie tatsächlich Dienst auf der Kriminalwache geleistet habe. Entscheidend sei, dass sie theoretisch dazu verpflichtet werden könne. 10Die Klägerin beantragt, 11den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Polizeipräsidiums H. vom 4. Dezember 2017 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 2. März 2018 zu verpflichten, ihr für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis zum 31. Dezember 2015 eine monatliche Schichtzulage in Höhe von 17,90 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu gewähren. 12Der Beklagte beantragt, 13 die Klage abzuweisen. 14Er führt unter Bezugnahme auf sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren weiter aus, dass er trotz der Rechtsprechung der erkennenden Kammer an dem Runderlass des Finanzministeriums festhalte. Unbeschadet dessen bestehe auch deshalb kein Anspruch auf die begehrte Schichtzulage, weil die Klägerin bereits nicht regelmäßig Schichtdienst geleistet habe. Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 18. Februar 2008 - 6 A 4820/05). Das Merkmal der Regelmäßigkeit sei danach erst dann erfüllt, wenn die Abfolge der vom Schichtplan vorgesehenen Wechsel der täglichen Arbeitszeit regelmäßig sei und die Zeitabschnitte, in denen der Betroffene Dienst zu leisten habe, sich in ihrer Länge im Wesentlichen entsprächen. Die Klägerin habe ihren Dienst auf der Stammdienststelle regelmäßig im Tagesdienst (Frühdienst) geleistet. Von den im betroffenen Zeitraum geleisteten 20 Diensten auf der K-Wache handele es sich lediglich bei fünf Diensten um außerhalb des Frühdienstes liegende Dienste, welche daher keinen Wechsel der Arbeitszeit darstellten und keinen regelmäßigen Schichtdienst begründen könnten. Die theoretische Möglichkeit, aufgrund der Dienstanweisung zum Kriminalwachdienst herangezogen zu werden, reiche nicht aus. 15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten ergänzend Bezug genommen. 16Entscheidungsgründe: 17Die Klage hat keinen Erfolg, weil sie nicht begründet ist. 18Die mit Bescheid des Beklagten vom 4. Dezember 2017 sowie Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 2. März 2018 erfolgte Ablehnung der Gewährung der Schichtzulage für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2015 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). 19Denn die Klägerin hat für den genannten Zeitraum keinen Anspruch auf Gewährung einer Schichtzulage. 20Als Anspruchsgrundlage kommt für den Zeitraum bis zum 1. Juni 2013 allein § 20 Abs. 2 Satz 1 lit. c in Verbindung mit § 20 Abs. 4 Satz 1 der Erschwerniszulagenverordnung des Bundes (EZulV), für die Zeit ab dem 1. Juni 2013 hingegen nur § 20 Abs. 2 Satz 1 lit. c in Verbindung mit § 20 Abs. 4 Satz 1 der Erschwerniszulagenverordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (EZulV NRW) in Betracht. Im Zuge der Grundgesetzänderung aus dem Jahre 2006 war die Gesetzgebungskompetenz für die Besoldung von Landesbeamten zwar bereits damals auf die Länder übergegangen. Die bis dahin im Rahmen der Bundesgesetzgebungskompetenz erlassenen Besoldungsregelungen – und damit auch § 20 EZulV – behielten aber gemäß Art. 125a Satz 1 des Grundgesetzes (GG) bis zu einer eigenständigen Regelung des nunmehr zuständigen Landesgesetzgebers ihre Geltung. Das Land Nordrhein-Westfalen hat dabei erst mit Art. 1 Nr. 1 des Dienstrechtsanpassungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. Mai 2013 (GV. NRW. S. 233) zum 1. Juni 2013 eine eigenständige Regelung erlassen und hierbei inhaltlich die Vorschriften der bisherigen Bundesregelung unmittelbar übernommen. Insoweit ergeben sich inhaltlich zwischen der Erschwerniszulagenverordnung des Bundes und der des Landes Nordrhein-Westfalen jedenfalls für den streitgegenständlichen Zeitraum keine Unterschiede, so dass auch keine getrennte Prüfung angezeigt ist. 21Sofern die Klägerin gegen die Anwendung von § 20 EZulV einwendet, die Vorschrift sei im Wege der Verordnung zur Änderung von Vorschriften für Dienst zu wechselnden Zeiten vom 20. August 2013 (BGBl. I S.3286) abgelöst und zum 1. Oktober 2013 in den §§ 17a ff. EZulV neu geregelt worden, dringt sie damit nicht durch. Denn diese Reform erfolgte ausschließlich auf Bundesebene und daher vor dem Hintergrund der Reform der Gesetzgebungskompetenzen nicht für Landesbeamte. Da zum 1. Oktober 2013 nach den vorstehenden Ausführungen auch bereits eine eigenständige Regelung der Gewährung der Schichtzulage für Landesbeamte in Gestalt des § 20 EZulV NRW vorlag, kann die Reform auch nach Art. 125a Satz 1 GG nicht für die Klägerin Wirkung entfalten. 22Die Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage(n) liegen nicht vor. Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 lit. c in Verbindung mit § 20 Abs. 4 Satz 1 EZulV (NRW) erhalten Beamte, wenn sie ständig Schichtdienst zu leisten haben (Dienst nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Zeitabschnitten von längstens einem Monat vorsieht), eine Schichtzulage von 35,79 Euro monatlich, wenn der Schichtdienst innerhalb einer Zeitspanne von mindestens 13 Stunden geleistet wird. Dabei wird die Zulage unter anderem dann halbiert, wenn für denselben Zeitraum – wie hier unstreitig für die Klägerin – ein Anspruch auf eine Stellenzulage nach der Nr. 9 der Vorbemerkungen zu den Bundesbesoldungsordnungen A und B des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) besteht. 23Die Klägerin hat in dem betroffenen Zeitraum nicht ständig Schichtdienst geleistet. 24Im Hinblick auf den von der Klägerin verübten Regeldienst scheitert die Gewährung der Schichtzulage bereits daran, dass es sich nicht um verübten Schichtdienst handelt. Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 EZulV (NRW) wird der Schichtdienst definiert als „Dienst nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Zeitabschnitten von längstens einem Monat vorsieht“. Dies trifft auf den Regeldienst bereits deswegen nicht zu, weil er ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Dienstzeitnachweisen ausschließlich in der Frühschicht, d.h. zwischen 7:00 und 14:00 Uhr, gelegen hat und daher bereits der einem Schichtdienst offenkundig immanente Wechsel der täglichen Arbeitszeit nicht gegeben ist. Soweit in Einzelfällen der Dienstbeginn sowie das Dienstende teilweise von den übrigen Zeiten abweichen, etwa weil die Klägerin ihren Dienst früher oder später begonnen bzw. früher oder später beendet hat, ändert dies daran nichts, weil es sich hier offenkundig allein um Mehrarbeits- bzw. Gleitzeit im Rahmen der flexiblen Arbeitszeit und nicht um einen den Wechsel der Arbeitszeit begründenden Dienst handelt. 25Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Februar 2008 - 6 A 4820/05 -, juris, Rn. 6. 26Auch die von der Klägerin nachgewiesenen, im Rahmen der sogenannten „BAO“-Lage geleisteten Zusatzdienste unterfallen nicht dem Begriff des Schichtdienstes. Sie unterliegen insoweit bereits keinem Schichtplan im Sinne von § 20 Abs. 2 Satz 1 EZulV (NRW). 27Danach handelt es sich bei einem Schichtplan um einen Dienstplan, der den regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit zum Gegenstand hat. Insoweit ist ein Schichtplan in diesem Sinne die an organisatorischen Erfordernissen orientierte, vorausschauend geplante Aufteilung der gesamten zur Erfüllung einer einheitlichen Dienstaufgabe erforderlichen Arbeitszeit in unterschiedliche Zeitabschnitte, die in einer überschaubaren zeitlichen Abfolge wiederkehren. Da Schichtdienst ausweislich des § 20 Abs. 2 Satz 1 EZulV (NRW) nur im Falle eines vom Dienstplan vorgesehenen regelmäßigen Wechsels der Arbeitszeiten vorliegt, muss der Dienstplan – unabhängig der genauen Dimensionen des Begriffes der Regelmäßigkeit – erkennbar langfristig ausgerichtet und insoweit eine Kontinuität aufweisen. 28Vgl. dazu ausführlich OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Dezember 2009 - OVG 4 B 11.08 -, juris, Rn. 24; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28. August 2009 - 10 A 10467/09 -, juris, Rn. 26; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 24. November 2010 - 2 L 115/08 -, juris, Rn. 24. 29Diese Anforderungen werden bei einem Einsatz im Rahmen der so genannten „BAO“-Dienste nicht erfüllt. Unter dem Begriff „BAO“ wird insoweit eine besondere Aufbauorganisation verstanden, die aus besonderen Anlässen, wie etwa Anschläge, Großdemonstrationen, größere Schadensereignisse und Katastrophen eingerichtet werden, um den besonderen Herausforderungen für die öffentliche Sicherheit und Ordnung angemessen zu begegnen. Zwar erfolgt die Dienstverrichtung hier bereits aus organisatorischen Gründen zwingend nach einem besonderen Einsatzplan. Ein solcher Einsatzplan stellt aber keinen Schichtplan im Sinne von § 20 Abs. 2 Satz 1 EZulV (NRW) dar, weil er – unabhängig davon, ob er einen Wechsel der täglichen Arbeitszeiten vorsieht, – jedenfalls nicht das Kriterium der Regelmäßigkeit des Wechsels erfüllt. Denn der Dienst im Rahmen einer „BAO“ wird vielmehr entsprechend seinem Zweck nur vorübergehend, ausnahmsweise und kurzfristig, etwa für die Dauer einer Großdemonstration oder eines risikoträchtigen Fußballspieles, und damit bedarfsorientiert, nicht aber kontinuierlich angesetzt. Eine solche Reaktion auf besondere Einsatznotwendigkeiten ist mit einer Regelmäßigkeit, wie sie einem Schichtplan immanent ist, gerade nicht vereinbar. Das gilt auch dann, wenn der Einsatz immer wieder auf Grundlage entsprechender bedarfsorientierter Einsatzpläne erfolgt, weil jeder Einsatzplan für sich genommen nicht unter den Begriff des Schichtplanes im Sinne von § 20 Abs. 2 Satz 1 EZulV (NRW) fällt. 30Vgl. insbesondere OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 24. November 2010 - 2 L 115/08 -, juris, Rn. 24. 31Entsprechendes gilt auch für den Fall, dass eine einzelne „BAO“ nicht nur für besonders kurze Zeit, wie etwa wenige Stunden oder Tage, sondern auch für einen längeren Zeitraum – etwa zwei oder drei Monate – angesetzt ist. Denn auch hier kann eine für die Regelmäßigkeit erforderliche Kontinuität nicht angenommen werden. Dafür spricht gerade auch der Zweck der Schichtzulage. Denn diese soll die besonderen, bei der Besoldung des jeweiligen Amtes nicht berücksichtigten Erschwernisse ausgleichen, die mit einem permanenten Schichtdienst verbunden sind, insbesondere die von dem Schichtdienstleistenden geforderte ständige Umstellung des Arbeits- und Lebensrhythmus und die damit verbundenen gesundheitlichen und sozialen Auswirkungen auf ihn. 32Vgl. BVerwG, Urteile vom 11. Dezember 1997 - 2 C 36.96 -, juris, Rn. 31, und vom 21. März 1996 - 2 C 24.95 -, juris, Rn. 27; OVG NRW, Beschluss vom 18. Februar 2008 - 6 A 4820/05 -, juris, Rn. 7. 33Betrifft die „BAO“ hingegen nur einen überschaubaren und eindeutig abgrenzbaren zeitlichen Rahmen, kann insoweit gerade nicht von Erschwernissen eines permanenten Schichtdienstes gesprochen werden. Entsprechende (Mehr-)Belastungen sind insoweit dem Polizeidienst immanent und werden bei der Bemessung der Besoldung berücksichtigt. Etwas Anderes mag möglicherweise dann gelten, wenn die „BAO“ auf einen (sehr) langen oder einen unbestimmten Zeitraum angelegt ist und damit nicht mehr als reiner Bedarfsdienst anzusehen ist, dessen mit ihm verbundene Erschwernisse folglich auch nicht mehr als durch die allgemeine Besoldungsbemessung abgegolten gelten können. 34Vgl. VG Magdeburg, Urteil vom 30. Mai 2017 - 8 A 217/16 -, juris, Rn. 15. 35Ein solcher Fall liegt aber jedenfalls in der Person der Klägerin nicht vor. Zwar hat sie zeitweise – etwa zwischen dem 1. und 30. September 2014 oder dem 1. Dezember und 19. Dezember 2014 – ausnahmslos ihren Dienst im Rahmen einer „BAO“-Lage versehen. Dass es sich hier um eine einzige, d.h. aus demselben Anlass ein- und daher auf unbestimmte bzw. lange Zeit ausgerichtete, „BAO“ gehandelt hat, ist nicht nur nicht ersichtlich, sondern wurde auch von beiden Beteiligten in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend verneint. 36Aber selbst wenn der den jeweiligen „BAO“-Lagen zugrunde liegende Dienstplan als Schichtplan anerkannt würde und damit sämtliche im Rahmen einer „BAO“-Lage sowie die übrigen außerhalb des Regeldienstes verrichteten Dienste der Klägerin berücksichtigt würden, rechtfertigen diese nicht die Gewährung einer Schichtzulage. 37Denn bei Letzteren ist bereits der Grund der Dienstverrichtung in den von der Klägerin vorgelegten Dienstzeitnachweisen nicht erkennbar, was eine entsprechende Beurteilung unmöglich macht. Aber selbst wenn man unterstellt, dass diese Dienste – wie die Klägerin auch vorträgt – im Rahmen des Kriminalwachdienstes erfolgt sind, liegen die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 EZulV (NRW) nicht vor. 38Zwar mag jedenfalls der Dienst auf der Kriminalwache grundsätzlich in Schichten und insoweit auf Grundlage eines allgemeinen Schichtplanes gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 EZulV (NRW) organisiert sein, weil die Dienstanweisung zur Regelung des Kriminalwachdienstes des Polizeipräsidiums H. vom 29. Juli 2011 auch einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit vorsieht. Denn die betroffenen Kommissare werden auf Basis dieser Dienstanweisung an Wochentagen zusätzlich zum regulären Frühdienst im Rahmen des Spätdienstes (14:00 bis 22:30 Uhr) und des Nachtdienstes (22:00 bis 7:00 Uhr) eingesetzt, an Wochenenden und Wochenendfeiertagen im Rahmen des Frühdienstes (7:00 bis 14:00 Uhr), des Spätdienstes (13:30 bis 22:30 Uhr) und des Nachtdienstes (22:00 bis 7:00 Uhr) sowie an den Tagen von Montags bis Samstags im Rahmen des sogenannten „Lapperdienstes“ (16:00 bis 24:00 Uhr). 39Unabhängig davon scheitert der Anspruch auf Gewährung einer Schichtzulage aber daran, dass die Klägerin tatsächlich keinen Schichtdienst geleistet hat. Das Vorliegen eines Schichtplanes alleine genügt insoweit nicht. Vielmehr muss nach § 20 Abs. 2 Satz 1 EZulV (NRW) der die Schichtzulage begehrende Beamte auf Grund dieses Schichtplanes auch tatsächlich ständig Schichtdienst geleistet haben. 40Soweit – wie auch die Klägerin vorträgt – das Verwaltungsgericht Arnsberg, 41Urteil vom 7. März 2007 - 2 K 956/05 -, juris, Rn. 43 ff., 42wohl die Auffassung vertritt, für den Anspruch auf Schichtzulage sei zunächst nicht maßgeblich, wie der in Rede stehende Dienst tatsächlich verrichtet wird, sondern wie er nach den einschlägigen dienst- bzw. arbeitszeitrechtlichen Regelungen zu verrichten ist, vermag das erkennende Gericht dem nicht zu folgen. Unabhängig davon, was die Einschränkung „zunächst“ bedeutet – insoweit könnte man die Entscheidung auch dahingehend verstehen, dass – wie hier – nur auf der ersten Ebene geprüft werden muss, ob die dienstrechtlichen Regelungen Schichtdienst überhaupt vorsehen, weil andernfalls eine tatsächliche Schichtdiensttätigkeit dann bereits ausgeschlossen ist –, vermag ein alleiniges Abstellen auf die dienstrechtliche Situation dann nicht auszureichen, wenn diese einen Schichtdienst nur theoretisch für den Betroffenen ermöglicht. Vielmehr ist in dem Fall, in dem der Schichtplan eine theoretische Schichtdiensttätigkeit vorsieht, auch zu prüfen, ob realiter ständig Schichtdienst geleistet worden ist. Dafür spricht zunächst der Wortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 1 lit. c EZulV (NRW), wonach entscheidend ist, ob „der Schichtdienst innerhalb einer Zeitspanne von mindestens 13 Stunden geleistet wird“ (Herv. nur hier). Dagegen kann die Klägerin nicht mit Erfolg anführen, der erste Teil des § 20 Abs. 2 Satz 1 EZulV (NRW) spreche hingegen davon, dass Beamte ständig Schichtdienst „zu leisten haben“. Denn damit wird keineswegs allein auf die abstrakte, d.h. möglicherweise bestehende, sondern vielmehr auf die für Beamte bestehende individuelle und konkrete Verpflichtung zum Schichtdienst abgestellt, die wegen der Dienstpflicht auch erfüllt wird. Dafür spricht gerade auch der – bereits dargelegte – Zweck der Erschwerniszulage. Denn ein Ausgleich solcher mit dem ständigen Schichtdienst verbundenen Erschwernisse, die vornehmlich die gesundheitliche sowie soziale Konstitution des betroffenen Beamten berühren, ist offensichtlich überhaupt nur dann angezeigt, wenn es tatsächlich zu den Erschwernissen gekommen ist. Die auf einer Dienstanweisung beruhende abstrakte Möglichkeit, zum Schichtdienst herangezogen zu werden, ist demnach gerade kein Erschwernis, das § 20 EZulV (NRW) auszugleichen versucht. 43Das Erfordernis einer tatsächlichen Ableistung des Schichtdienstes ergibt sich schließlich auch bei systematischer Auslegung der Erschwerniszulagenverordnung NRW. Diese sieht in § 18 EZulV (NRW) vor, dass der Anspruch auf die Zulage entsteht, wenn die zulagenberechtigte Tätigkeit tatsächlich aufgenommen wird. 44Ein daher erforderliches tatsächliches Verrichten von Schichtdiensten ist aber im hier maßgeblichen Zeitraum in der Person der Klägerin nicht anzunehmen, weil es bei ihr tatsächlich nicht zu einem regelmäßigen Wechsel der Arbeitszeiten gekommen ist. Angesichts der in § 20 Abs. 2 Satz 1 EZulV (NRW) angeführten Definition des Schichtdienstes – Dienst nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Zeitabschnitten von längstens einem Monat vorsieht – ist die Regelmäßigkeit des Wechsels der Arbeitszeiten zwangläufig nicht nur für den Schichtplan – bzw. hier der Dienstanweisung zur Regelung des Kriminalwachdienstes des Polizeipräsidiums H. vom 29. Juli 2011, auf deren Grundlage ein genereller Schichtplan erstellt wird –, sondern auch für den tatsächlichen Schichtdienst kennzeichnend. 45Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Februar 2008 - 6 A 4820/05 -, juris, Rn. 7; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Dezember 2009 - OVG 4 B 11.08 -, juris, Rn. 24; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28. August 2009 - 10 A 10467/09 -, juris, Rn. 26; Leihkauff, in: Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: 1. Juli 2013, § 20 EZulV Rn. 6. 46Die insoweit erforderliche Regelmäßigkeit des Wechsels der Arbeitszeiten kann aber hinsichtlich der von der Klägerin außerhalb ihres Regeldienstes sowie innerhalb der „BAO“-Lage verrichteten Mehrarbeit nicht festgestellt werden. 47Dabei kann die Kammer auch offen lassen, ob die durch den Runderlass des Finanzministeriums vom 27. Januar 1977 – B 2126-65-IV A 3 – aufgestellten – für das Gericht ohnehin nicht bindenden – zusätzlichen Voraussetzungen zur Bestimmung der Merkmale „ständig“ und „regelmäßig“ in Ziffer 3.1 des Runderlasses rechtmäßig sind. 48Vgl. insoweit VG Gelsenkirchen , Urteil vom 13. Februar 2008 - 1 K 67/05 -, juris, Rn. 29. 49Denn das Nichtvorliegen der erforderlichen Regelmäßigkeit kann bereits unabhängig hiervon bei entsprechender Auslegung der Anspruchsgrundlage festgestellt werden. 50Im allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet der Begriff „regelmäßig“ einer bestimmten festen Ordnung entsprechend sowie eine Regelung, die besonders durch zeitlich stets gleiche Wiederkehr oder gleichmäßiges Aufeinanderfolgen gekennzeichnet ist. 51vgl. https://www.duden.de/rechtschreibung/regelmaeszig# bedeutungen, zuletzt aufgerufen am 26. April 2022. 52Der Wechsel der Arbeitszeit muss folglich zwar nicht gleichförmig erfolgen, er muss sich aber kontinuierlich und nach erkennbaren Regeln wiederholen. Er darf also weder die Ausnahme darstellen noch sich als ungeregelt, unsystematisch oder willkürlich erweisen. 53Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Dezember 2009 - OVG 4 B 11.08 -, juris, Rn. 24; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28. August 2009 - 10 A 10467/09 -, juris, Rn. 26. 54Darüber hinaus ergibt eine an Sinn und Zweck der Erschwerniszulage orientierte Auslegung des Begriffs „regelmäßig“, dass neben einer geregelten auch eine nicht nur seltene Wiederkehr bzw. ein nicht nur gelegentliches Aufeinanderfolgen des Wechsels der Arbeitszeiten für eine Regelmäßigkeit maßgeblich ist. Denn die Schichtzulage soll – wie bereits erwähnt – die besonderen, bei der Bewertung des Amtes nicht berücksichtigten Erschwernisse ausgleichen, die mit dem permanenten und nicht nur vorübergehenden oder nur gelegentlichen Schichtdienst, d.h. mit der ständigen Umstellung des Arbeits- und Lebensrhythmus und den damit verbundenen gesundheitlichen und sozialen Auswirkungen, verbunden sind. Es bedarf daher für die den Schichtdienst identitätsstiftende Regelmäßigkeit einer bestimmten Häufigkeit des Wechsels der Arbeitszeit. Nur dann sind vom betroffenen Beamten tatsächlich Erschwernisse zu dulden, die über die allgemeine Besoldung nicht abgedeckt sind und daher eine Zulage rechtfertigen. 55Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Februar 2008 - 6 A 4820/05 -, juris, Rn. 7. 56Das Tatbestandsmerkmal der Regelmäßigkeit ist daher nicht schon dann erfüllt, wenn ein Arbeitszeitwechsel als solcher regelmäßig stattfindet. Entscheidend ist vielmehr, dass die Abfolge der vom Schichtplan vorgesehenen und tatsächlich stattgefundenen Wechsel der täglichen Arbeitszeit regelmäßig ist und die Zeitabschnitte, in denen der betroffene Beamte zu unterschiedlichen Arbeitszeiten Dienst leisten muss, sich hinsichtlich ihrer Länge im weitesten entsprechen. Zur Länge dieser Zeitabschnitte unterschiedlicher Arbeitszeit verhält sich § 20 Abs. 2 EZulV (NRW) zwar nur insoweit, als ihr Wechsel nach längstens einem Monat erfolgen muss, doch ergibt sich aus dem Zweck der §§ 1 Satz 1, 20 Abs. 2 EZulV (NRW), dass die Zeitabschnitte längenmäßig nicht derart voneinander abweichen dürfen, dass mit dem Arbeitszeitwechsel bei wertender Betrachtung keine nennenswerten negativen Folgen für den betroffenen Beamten verbunden sind. 57Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Februar 2008 - 6 B 4820/05 -, juris, Rn. 7. 58Die im nachgewiesenen Zeitraum außerhalb der Regeldienstzeit geleisteten Dienste der Klägerin erfüllen diese Voraussetzungen offenkundig nicht. Ausweislich der vorgelegten Zeitnachweise leistete die Klägerin in einem Zeitraum von drei Jahren (1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2015) lediglich 20 Dienste außerhalb ihres Regel- bzw. „BAO“-Dienstes, wobei hiervon nur vier außerhalb der Frühschicht geleistet wurden (12./13. Mai 2013, 8. November 2013, 27. März 2014 und 7. Mai 2014). Hinsichtlich der zahlreichen im Rahmen einer „BAO“-Lage verrichteten Dienste der Klägerin fanden weiter nur 23 Dienste außerhalb der Frühschicht statt (12./13. März 2013, 9. Mai 2013, 17. Juni 2013, 11. August 2013, 9. November 2013, 12./13. November 2013, 11./12. Dezember 2013, 17. Dezember 2013, 2. April 2014, 11. April 2014, 27. April 2014, 10. Mai 2014, 30. Juli 2014, 31. Oktober 2014, 13. Dezember 2014, 16. Dezember 2014, 17. Dezember 2014, 12. Juni 2015, 14. Juli 2015, 27. Juli 2015, 26. August 2015, 17. Oktober 2015 und 9. August 2015). Die übrigen „BAO“-Dienste wurden hingegen – mit dem bereits im Zusammenhang mit dem Regeldienst erwähnten und für die Frage des Schichtdienstes nicht ausschlaggebenden Mehrarbeits- bzw. Gleitzeitmodell – im Frühdienst geleistet. 59Darin kann deshalb kein regelmäßiger Wechsel der Arbeitszeiten erblickt werden, weil sich bezüglich des Wechsels von Früh- auf Spät- bzw. Nachtdienst kein Muster erkennen lässt, das auf einen hinreichend häufigen und gleichlaufenden – regelmäßigen – Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Zeitabschnitten von längstens einem Monat hindeutet. Die Klägerin hat ihren Dienst vielmehr im streitgegenständlichen Zeitraum nur selten außerhalb des Frühdienstes versehen. So leistete sie in den Jahren 2013 zehn, im Jahr 2014 elf und im Jahr 2015 sechs Dienste in einer anderen Schicht als der Frühschicht. Insoweit bedarf es keiner tiefergehenden Erörterung, welcher Grad der Häufigkeit für die Annahme der Regelmäßigkeit erforderlich ist. Denn solche vereinzelten Arbeitswechsel für jeweils einen Tag unterbrechen den regulären Arbeits- und Lebensrhythmus jedenfalls nicht in einer Weise, die negative gesundheitliche oder soziale Auswirkungen für den Kläger bedeuten. 60Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Februar 2008 - 6 A 4820/05 -, juris, Rn. 9. 61Vielmehr sind diese Spät- bzw. Nachtschichten im Hinblick auf den Zeitraum von drei Jahren eher als Ausnahmen zu qualifizieren, die zum Beispiel aufgrund eines erhöhten Arbeitsaufkommens auch in anderen Bereichen vorkommen und für sich allein keiner besonderen Abgeltung bedürfen, sondern bei der Bemessung der Besoldung schon mit berechnet wurden. 62Soweit die Klägerseite in der mündlichen Verhandlung zur Begründung der Regelmäßigkeit auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. März 2019 (6 A 2122/17) verweist, wonach selbst ein vereinzelter Einsatz in der Kriminalwache wegen seiner Regelmäßigkeit einen zusätzlichen Urlaubsanspruch begründe, verhilft dies der vorliegenden Klage nicht zum Erfolg. Denn nicht nur, dass die Prüfung des Anspruchs auf zusätzlichen Erholungsurlaub anderen rechtlichen wie zweckbezogenen Maßstäben unterliegt und deshalb ohnehin nicht auf die Frage der Schichtzulage übertragbar ist, hat das Gericht in besagtem Fall den Anspruch auf zusätzlichen Urlaub auch explizit nicht wegen der Regelmäßigkeit des Einsatzes auf der Kriminalwache bejaht, sondern allein, weil er – was für zusätzlichen Erholungsurlaub im Gegensatz zur Schichtzulage ausreicht – dienstplanmäßig erfolgt ist. 63Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. März 2019 - 6 A 2122/17 -, juris, Rn. 74: „Zudem hatte er (…) - zwar nicht „regelmäßig“, jedoch - „dienstplanmäßig“ an bestimmten Wochenfeiertagen und Wochenendtagen Frühdienst zu leisten“. 64Auch die erkennende Kammer hat in ihrer Entscheidung, die dem genannten obergerichtlichen Urteil vorausging, allein das Merkmal der Dienstplanmäßigkeit bejaht und die Frage der Regelmäßigkeit des Einsatzes offen gelassen. 65Vgl. VG Gelsenkirchen , Urteil vom 19. Juli 2017 - 1 K 2817/16 -, juris, Rn. 40. 66Darüber hinaus leistete die Klägerin ihren außerhalb des Regeldienstes verrichteten Dienst auch nicht ständig. Trotz der semantischen Nähe zur Regelmäßigkeit betrifft der Aspekt des Ständigen im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 EZulV (NRW) im Unterschied zur Regelmäßigkeit nicht die Frage der Häufigkeit und der Struktur des Wechsels der Arbeitszeit, sondern bezieht sich vielmehr auf die Frage der zeitlichen Dauer des – insoweit regelmäßigen – Wechsels der Arbeitszeiten. Mit diesem Tatbestandsmerkmal sollen insoweit die Fälle geregelt werden, in denen zwar Schichtdienst geleistet wird, weil es zu einem regelmäßigen Wechsel der Arbeitszeiten kommt, dies allerdings nur vorübergehend – etwa in einem Vertretungsfall – und mit nur einem solch geringen zeitlichen Umfang zutrifft, dass auch hier die damit verbundenen Erschwernisse noch als durch die allgemeinen Besoldung abgedeckt zu bewerten sind. Ständig bedeutet daher mithin, dass der Schichtdienst „dauernd“ oder „fast ausschließlich“ geleistet werden muss. 67Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 21. Oktober 2005 - 26 K 2278/05 -, juris, Rn. 21; Leihkauff, in: Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: 1. Juli 2013, § 20 EZulV Rn. 5. 68Dies trifft hier angesichts der nur besonders kurzen Zeitspannen, in denen die Klägerin außerhalb des Regeldienstes herangezogen wurde und es hierbei zu einem Wechsel der Arbeitszeiten kam, offensichtlich nicht zu. Denn in Anbetracht auch der dargelegten seltenen Dienste außerhalb der Frühschicht kam es für die Klägerin teilweise monatelang nicht zu einem Wechsel der Arbeitszeiten. Die Zeitspanne des Wechsels der Arbeitszeiten ist mithin äußerst gering und damit vernachlässigbar. Angesichts dieser Klarheit bedarf es auch hier nicht weiterer Erörterung, ab wann ein Schichtdienst die erforderliche Grenze der Dauerhaftigkeit erreicht und inwieweit die Vorgaben des Erlasses vom 27. Januar 1977 eine rechtmäßige Maßstabsbildung begründen. 69Mangels Anspruch aus § 20 Abs. 2 Satz 1 lit. c in Verbindung mit § 20 Abs. 4 Satz 1 EZulV (NRW) fehlt es auch an den Voraussetzungen des Anspruches auf Prozesszinsen. 70Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2 und 711 der Zivilprozessordnung (ZPO). 71Rechtsmittelbelehrung: 72Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn 731. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 742. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 753. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 764. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 775. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. 78Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, zu beantragen. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich einzureichen. 79Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 80Im Berufungsverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO. 81B e s c h l u s s: 82Der Streitwert wird auf 644,40 Euro festgesetzt. 83G r ü n d e: 84Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Die Anwendung des § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit den Grundsätzen zum Teilstatus (vgl. Ziffer 10.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31. Mai/1. Juni 2012 und am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen) scheidet aus, weil angesichts des hier konkret angegebenen streitgegenständlichen Zeitraumes eine genaue Bezifferung der begehrten Geldleistung möglich ist und daher § 52 Abs. 3 GKG die speziellere und somit vorrangig anzuwendende Vorschrift ist. Nach ihr entspricht der Streitwert bei Klageanträgen, die eine bezifferte Geldleistung betreffen, der Höhe der begehrten Summe, hier also der monatlichen Schichtzulage in Höhe von 17,90 Euro für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis zum 31. Dezember 2015 (36 Monate), mithin 644,40 Euro. 85Rechtsmittelbelehrung: 86Gegen diesen Beschluss findet Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt. 87Die Beschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Über die Beschwerde entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, falls das beschließende Gericht ihr nicht abhilft. 88Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
die klage wird abgewiesen. die klägerin trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. die klägerin kann die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht der beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1
2die beteiligten streiten um die gewährung einer schichtzulage im rahmen des polizeidienstes. 3die klägerin ist beamtin im dienst des beklagten und dort als kriminalhauptkommissarin beim polizeipräsidium h. tätig. vom 1. oktober 2013 an gehörte sie dem kommissariat 13 an, seit dem 1. september 2013 verrichtet sie ihren dienst im kommissariat 21. 4aufgrund der dienstanweisung zur regelung des kriminalwachdienstes des polizeipräsidiums h. vom 29. juli 2011 ist dort eine kriminalwache eingerichtet, die dem kommissariat 22 zugeordnet ist und die aufgabe hat, außerhalb der allgemeinen dienstzeit die unaufschiebbar notwendigen maßnahmen im rahmen der aufgaben der kriminalkommissariate durchzuführen. nach ziffer 4.3 und 4.4 der dienstanweisung wird der kriminalwachdienst zu tageszeiten mit besonderer einsatzdichte mit beamtinnen und beamten der übrigen kriminalkommissariate verstärkt. hierzu zählen die frühdienste (7:00 bis 14:00 uhr) an wochenenden und wochenendfeiertagen sowie der sogenannte „lapperdienst“ (montags bis samstags von 16:00 bis 24:00 uhr). zur verstärkung der kriminalwache können beamte anderer kriminalkommissariate auch aus besonderen anlassen und zu anderen zeiten herangezogen werden. 5unter dem 26. januar 2016 beantragte die klägerin beim polizeipräsidium h. die schichtzulage wegen schichtdienstes rückwirkend ab dem 1. oktober 2009. dem antrag fügte sie einen ausdruck ihrer dienstzeitnachweise vom 1. oktober 2009 bis zum 31. dezember 2015 bei und markierte hier die aus ihrer sicht für die gewährung der schichtzulage relevanten getätigten dienste. 6mit bescheid vom 4. dezember 2017 lehnte der beklagte den antrag der klägerin ab. zur begründung führte er im wesentlichen aus, etwaige ansprüche auf gewährung der schichtzulage für die zeit vom 1. oktober 2009 und 31. dezember 2012 seien bereits verjährt. für den anschließenden zeitraum vom 1. januar 2013 bis zum 31. dezember 2015 lägen überdies die voraussetzungen für die gewährung der schichtzulage nicht vor. denn in diesem zeitraum seien von der klägerin 77 dienste außerhalb ihres regulären tagesdienstes geleistet worden. davon beträfen aber 57 dienste bereits deshalb keinen schichtdienst, weil sie im rahmen der sogenannten „bao“-lage, also anlassbezogenen, kurzfristig und unregelmäßig stattfindenden einsatzdiensten, geleistet worden seien. für die übrigen dienste handele es sich zudem deshalb um keinen schichtdienst, weil nur fünf außerhalb des frühdienstes geleistet worden seien und für diese mangels entsprechender angaben keine bewertung erfolgen könne, ob es sich um im schichtdienstplan vorgeplante schichten bzw. tätigkeiten im rahmen der kriminalwache handele. selbst wenn man diese fünf schichten aber als solche vorgeplanten schichten behandelte, sei ein für den schichtdienst erforderlicher hinreichender wechsel der arbeitszeiten nicht anzunehmen, zumal die für die gewährung der schichtzulage erforderlichen zeitabstände zwischen den schichten nicht erfüllt seien. insoweit müssten diese mindestens 80 stunden dienst innerhalb von 14 tagen betragen. 7mit schreiben vom 20. dezember 2017 legte die klägerin widerspruch gegen den bescheid des beklagten vom 4. dezember 2017 ein. zur begründung führte sie aus, es sei teilweise die falsche anspruchsgrundlage geprüft worden. durch art. 2 der verordnung zur änderung von vorschriften für dienst zu wechselnden zeiten vom 20. august 2013 sei die gewährung einer schichtzulage neu geregelt worden. dafür, dass ein anspruch nur dann bestehe, wenn innerhalb von 14 kalenderwochen 80 stunden in einer anderen schichtart abgeleistet würden, finde sich überdies keine gesetzliche stütze. 8mit widerspruchsbescheid vom 2. märz 2018, zugestellt am 7. märz 2018, wies der beklagte den widerspruch der klägerin zurück. zur begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die herangezogene rechtsgrundlage sei zutreffend. zwar habe der bundesgesetzgeber die gewährung einer schichtzulage neu geregelt, der landesnormgeber habe aber die bisherigen regelungen übernommen. die anforderungen über die notwendigen zeitspannen bei zusätzlich geleistetem dienst ergäben sich aus ziffer 3.1 des runderlasses des finanzministers vom 27. januar 1977 – b 2126-65-iv a 3. danach sei für die gewährung einer schichtzulage erforderlich, dass der betroffene beamte mindestens 40 stunden nachtdienst leiste, was hier aber nicht der fall sei. 9die klägerin hat am 3. april 2018 klage erhoben. zur begründung trägt sie im wesentlichen vor, der vom beklagten angeführte erlass sei rechtswidrig, wie die erkennende kammer bereits mit urteil vom 13. februar 2008 (az. 1 k 67/05) ausgeführt habe. im übrigen decke der kriminalwachdienst die zeitspanne von 7:00 bis 22:30 uhr ab, was für die gewährung der schichtdienstzulage ausreiche. dabei komme es auch nicht darauf an, ob und inwieweit sie tatsächlich dienst auf der kriminalwache geleistet habe. entscheidend sei, dass sie theoretisch dazu verpflichtet werden könne. 10die klägerin beantragt, 11den beklagten unter aufhebung des bescheides des polizeipräsidiums h. vom 4. dezember 2017 in der gestalt des widerspruchbescheides vom 2. märz 2018 zu verpflichten, ihr für den zeitraum vom 1. januar 2013 bis zum 31. dezember 2015 eine monatliche schichtzulage in höhe von 17,90 euro nebst zinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz seit rechtshängigkeit zu gewähren. 12der beklagte beantragt, 13 die klage abzuweisen. 14er führt unter bezugnahme auf sein vorbringen im verwaltungsverfahren weiter aus, dass er trotz der rechtsprechung der erkennenden kammer an dem runderlass des finanzministeriums festhalte. unbeschadet dessen bestehe auch deshalb kein anspruch auf die begehrte schichtzulage, weil die klägerin bereits nicht regelmäßig schichtdienst geleistet habe. dies ergebe sich aus der rechtsprechung des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen (beschluss vom 18. februar 2008 - 6 a 4820/05). das merkmal der regelmäßigkeit sei danach erst dann erfüllt, wenn die abfolge der vom schichtplan vorgesehenen wechsel der täglichen arbeitszeit regelmäßig sei und die zeitabschnitte, in denen der betroffene dienst zu leisten habe, sich in ihrer länge im wesentlichen entsprächen. die klägerin habe ihren dienst auf der stammdienststelle regelmäßig im tagesdienst (frühdienst) geleistet. von den im betroffenen zeitraum geleisteten 20 diensten auf der k-wache handele es sich lediglich bei fünf diensten um außerhalb des frühdienstes liegende dienste, welche daher keinen wechsel der arbeitszeit darstellten und keinen regelmäßigen schichtdienst begründen könnten. die theoretische möglichkeit, aufgrund der dienstanweisung zum kriminalwachdienst herangezogen zu werden, reiche nicht aus. 15wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakte sowie des beigezogenen verwaltungsvorgangs des beklagten ergänzend bezug genommen. 16
17die klage hat keinen erfolg, weil sie nicht begründet ist. 18die mit bescheid des beklagten vom 4. dezember 2017 sowie widerspruchsbescheid des beklagten vom 2. märz 2018 erfolgte ablehnung der gewährung der schichtzulage für den streitgegenständlichen zeitraum vom 1. januar 2013 bis 31. dezember 2015 ist nicht rechtswidrig und verletzt die klägerin nicht in ihren rechten (vgl. § 113 abs. 5 satz 1 der verwaltungsgerichtsordnung – vwgo). 19denn die klägerin hat für den genannten zeitraum keinen anspruch auf gewährung einer schichtzulage. 20als anspruchsgrundlage kommt für den zeitraum bis zum 1. juni 2013 allein § 20 abs. 2 satz 1 lit. c in verbindung mit § 20 abs. 4 satz 1 der erschwerniszulagenverordnung des bundes (ezulv), für die zeit ab dem 1. juni 2013 hingegen nur § 20 abs. 2 satz 1 lit. c in verbindung mit § 20 abs. 4 satz 1 der erschwerniszulagenverordnung für das land nordrhein-westfalen (ezulv nrw) in betracht. im zuge der grundgesetzänderung aus dem jahre 2006 war die gesetzgebungskompetenz für die besoldung von landesbeamten zwar bereits damals auf die länder übergegangen. die bis dahin im rahmen der bundesgesetzgebungskompetenz erlassenen besoldungsregelungen – und damit auch § 20 ezulv – behielten aber gemäß art. 125a satz 1 des grundgesetzes (gg) bis zu einer eigenständigen regelung des nunmehr zuständigen landesgesetzgebers ihre geltung. das land nordrhein-westfalen hat dabei erst mit art. 1 nr. 1 des dienstrechtsanpassungsgesetzes für das land nordrhein-westfalen vom 16. mai 2013 (gv. nrw. s. 233) zum 1. juni 2013 eine eigenständige regelung erlassen und hierbei inhaltlich die vorschriften der bisherigen bundesregelung unmittelbar übernommen. insoweit ergeben sich inhaltlich zwischen der erschwerniszulagenverordnung des bundes und der des landes nordrhein-westfalen jedenfalls für den streitgegenständlichen zeitraum keine unterschiede, so dass auch keine getrennte prüfung angezeigt ist. 21sofern die klägerin gegen die anwendung von § 20 ezulv einwendet, die vorschrift sei im wege der verordnung zur änderung von vorschriften für dienst zu wechselnden zeiten vom 20. august 2013 (bgbl. i s.3286) abgelöst und zum 1. oktober 2013 in den §§ 17a ff. ezulv neu geregelt worden, dringt sie damit nicht durch. denn diese reform erfolgte ausschließlich auf bundesebene und daher vor dem hintergrund der reform der gesetzgebungskompetenzen nicht für landesbeamte. da zum 1. oktober 2013 nach den vorstehenden ausführungen auch bereits eine eigenständige regelung der gewährung der schichtzulage für landesbeamte in gestalt des § 20 ezulv nrw vorlag, kann die reform auch nach art. 125a satz 1 gg nicht für die klägerin wirkung entfalten. 22die voraussetzungen der anspruchsgrundlage(n) liegen nicht vor. nach § 20 abs. 2 satz 1 lit. c in verbindung mit § 20 abs. 4 satz 1 ezulv (nrw) erhalten beamte, wenn sie ständig schichtdienst zu leisten haben (dienst nach einem schichtplan, der einen regelmäßigen wechsel der täglichen arbeitszeit in zeitabschnitten von längstens einem monat vorsieht), eine schichtzulage von 35,79 euro monatlich, wenn der schichtdienst innerhalb einer zeitspanne von mindestens 13 stunden geleistet wird. dabei wird die zulage unter anderem dann halbiert, wenn für denselben zeitraum – wie hier unstreitig für die klägerin – ein anspruch auf eine stellenzulage nach der nr. 9 der vorbemerkungen zu den bundesbesoldungsordnungen a und b des bundesbesoldungsgesetzes (bbesg) besteht. 23die klägerin hat in dem betroffenen zeitraum nicht ständig schichtdienst geleistet. 24im hinblick auf den von der klägerin verübten regeldienst scheitert die gewährung der schichtzulage bereits daran, dass es sich nicht um verübten schichtdienst handelt. nach § 20 abs. 2 satz 1 ezulv (nrw) wird der schichtdienst definiert als „dienst nach einem schichtplan, der einen regelmäßigen wechsel der täglichen arbeitszeit in zeitabschnitten von längstens einem monat vorsieht“. dies trifft auf den regeldienst bereits deswegen nicht zu, weil er ausweislich der von der klägerin vorgelegten dienstzeitnachweisen ausschließlich in der frühschicht, d.h. zwischen 7:00 und 14:00 uhr, gelegen hat und daher bereits der einem schichtdienst offenkundig immanente wechsel der täglichen arbeitszeit nicht gegeben ist. soweit in einzelfällen der dienstbeginn sowie das dienstende teilweise von den übrigen zeiten abweichen, etwa weil die klägerin ihren dienst früher oder später begonnen bzw. früher oder später beendet hat, ändert dies daran nichts, weil es sich hier offenkundig allein um mehrarbeits- bzw. gleitzeit im rahmen der flexiblen arbeitszeit und nicht um einen den wechsel der arbeitszeit begründenden dienst handelt. 25vgl. ovg nrw, beschluss vom 18. februar 2008 - 6 a 4820/05 -, juris, rn. 6. 26auch die von der klägerin nachgewiesenen, im rahmen der sogenannten „bao“-lage geleisteten zusatzdienste unterfallen nicht dem begriff des schichtdienstes. sie unterliegen insoweit bereits keinem schichtplan im sinne von § 20 abs. 2 satz 1 ezulv (nrw). 27danach handelt es sich bei einem schichtplan um einen dienstplan, der den regelmäßigen wechsel der täglichen arbeitszeit zum gegenstand hat. insoweit ist ein schichtplan in diesem sinne die an organisatorischen erfordernissen orientierte, vorausschauend geplante aufteilung der gesamten zur erfüllung einer einheitlichen dienstaufgabe erforderlichen arbeitszeit in unterschiedliche zeitabschnitte, die in einer überschaubaren zeitlichen abfolge wiederkehren. da schichtdienst ausweislich des § 20 abs. 2 satz 1 ezulv (nrw) nur im falle eines vom dienstplan vorgesehenen regelmäßigen wechsels der arbeitszeiten vorliegt, muss der dienstplan – unabhängig der genauen dimensionen des begriffes der regelmäßigkeit – erkennbar langfristig ausgerichtet und insoweit eine kontinuität aufweisen. 28vgl. dazu ausführlich ovg berlin-brandenburg, urteil vom 18. dezember 2009 - ovg 4 b 11.08 -, juris, rn. 24; ovg rheinland-pfalz, urteil vom 28. august 2009 - 10 a 10467/09 -, juris, rn. 26; ovg mecklenburg-vorpommern, urteil vom 24. november 2010 - 2 l 115/08 -, juris, rn. 24. 29diese anforderungen werden bei einem einsatz im rahmen der so genannten „bao“-dienste nicht erfüllt. unter dem begriff „bao“ wird insoweit eine besondere aufbauorganisation verstanden, die aus besonderen anlässen, wie etwa anschläge, großdemonstrationen, größere schadensereignisse und katastrophen eingerichtet werden, um den besonderen herausforderungen für die öffentliche sicherheit und ordnung angemessen zu begegnen. zwar erfolgt die dienstverrichtung hier bereits aus organisatorischen gründen zwingend nach einem besonderen einsatzplan. ein solcher einsatzplan stellt aber keinen schichtplan im sinne von § 20 abs. 2 satz 1 ezulv (nrw) dar, weil er – unabhängig davon, ob er einen wechsel der täglichen arbeitszeiten vorsieht, – jedenfalls nicht das kriterium der regelmäßigkeit des wechsels erfüllt. denn der dienst im rahmen einer „bao“ wird vielmehr entsprechend seinem zweck nur vorübergehend, ausnahmsweise und kurzfristig, etwa für die dauer einer großdemonstration oder eines risikoträchtigen fußballspieles, und damit bedarfsorientiert, nicht aber kontinuierlich angesetzt. eine solche reaktion auf besondere einsatznotwendigkeiten ist mit einer regelmäßigkeit, wie sie einem schichtplan immanent ist, gerade nicht vereinbar. das gilt auch dann, wenn der einsatz immer wieder auf grundlage entsprechender bedarfsorientierter einsatzpläne erfolgt, weil jeder einsatzplan für sich genommen nicht unter den begriff des schichtplanes im sinne von § 20 abs. 2 satz 1 ezulv (nrw) fällt. 30vgl. insbesondere ovg mecklenburg-vorpommern, urteil vom 24. november 2010 - 2 l 115/08 -, juris, rn. 24. 31entsprechendes gilt auch für den fall, dass eine einzelne „bao“ nicht nur für besonders kurze zeit, wie etwa wenige stunden oder tage, sondern auch für einen längeren zeitraum – etwa zwei oder drei monate – angesetzt ist. denn auch hier kann eine für die regelmäßigkeit erforderliche kontinuität nicht angenommen werden. dafür spricht gerade auch der zweck der schichtzulage. denn diese soll die besonderen, bei der besoldung des jeweiligen amtes nicht berücksichtigten erschwernisse ausgleichen, die mit einem permanenten schichtdienst verbunden sind, insbesondere die von dem schichtdienstleistenden geforderte ständige umstellung des arbeits- und lebensrhythmus und die damit verbundenen gesundheitlichen und sozialen auswirkungen auf ihn. 32vgl. bverwg, urteile vom 11. dezember 1997 - 2 c 36.96 -, juris, rn. 31, und vom 21. märz 1996 - 2 c 24.95 -, juris, rn. 27; ovg nrw, beschluss vom 18. februar 2008 - 6 a 4820/05 -, juris, rn. 7. 33betrifft die „bao“ hingegen nur einen überschaubaren und eindeutig abgrenzbaren zeitlichen rahmen, kann insoweit gerade nicht von erschwernissen eines permanenten schichtdienstes gesprochen werden. entsprechende (mehr-)belastungen sind insoweit dem polizeidienst immanent und werden bei der bemessung der besoldung berücksichtigt. etwas anderes mag möglicherweise dann gelten, wenn die „bao“ auf einen (sehr) langen oder einen unbestimmten zeitraum angelegt ist und damit nicht mehr als reiner bedarfsdienst anzusehen ist, dessen mit ihm verbundene erschwernisse folglich auch nicht mehr als durch die allgemeine besoldungsbemessung abgegolten gelten können. 34vgl. vg magdeburg, urteil vom 30. mai 2017 - 8 a 217/16 -, juris, rn. 15. 35ein solcher fall liegt aber jedenfalls in der person der klägerin nicht vor. zwar hat sie zeitweise – etwa zwischen dem 1. und 30. september 2014 oder dem 1. dezember und 19. dezember 2014 – ausnahmslos ihren dienst im rahmen einer „bao“-lage versehen. dass es sich hier um eine einzige, d.h. aus demselben anlass ein- und daher auf unbestimmte bzw. lange zeit ausgerichtete, „bao“ gehandelt hat, ist nicht nur nicht ersichtlich, sondern wurde auch von beiden beteiligten in der mündlichen verhandlung übereinstimmend verneint. 36aber selbst wenn der den jeweiligen „bao“-lagen zugrunde liegende dienstplan als schichtplan anerkannt würde und damit sämtliche im rahmen einer „bao“-lage sowie die übrigen außerhalb des regeldienstes verrichteten dienste der klägerin berücksichtigt würden, rechtfertigen diese nicht die gewährung einer schichtzulage. 37denn bei letzteren ist bereits der grund der dienstverrichtung in den von der klägerin vorgelegten dienstzeitnachweisen nicht erkennbar, was eine entsprechende beurteilung unmöglich macht. aber selbst wenn man unterstellt, dass diese dienste – wie die klägerin auch vorträgt – im rahmen des kriminalwachdienstes erfolgt sind, liegen die voraussetzungen des § 20 abs. 2 satz 1 ezulv (nrw) nicht vor. 38zwar mag jedenfalls der dienst auf der kriminalwache grundsätzlich in schichten und insoweit auf grundlage eines allgemeinen schichtplanes gemäß § 20 abs. 2 satz 1 ezulv (nrw) organisiert sein, weil die dienstanweisung zur regelung des kriminalwachdienstes des polizeipräsidiums h. vom 29. juli 2011 auch einen regelmäßigen wechsel der täglichen arbeitszeit vorsieht. denn die betroffenen kommissare werden auf basis dieser dienstanweisung an wochentagen zusätzlich zum regulären frühdienst im rahmen des spätdienstes (14:00 bis 22:30 uhr) und des nachtdienstes (22:00 bis 7:00 uhr) eingesetzt, an wochenenden und wochenendfeiertagen im rahmen des frühdienstes (7:00 bis 14:00 uhr), des spätdienstes (13:30 bis 22:30 uhr) und des nachtdienstes (22:00 bis 7:00 uhr) sowie an den tagen von montags bis samstags im rahmen des sogenannten „lapperdienstes“ (16:00 bis 24:00 uhr). 39unabhängig davon scheitert der anspruch auf gewährung einer schichtzulage aber daran, dass die klägerin tatsächlich keinen schichtdienst geleistet hat. das vorliegen eines schichtplanes alleine genügt insoweit nicht. vielmehr muss nach § 20 abs. 2 satz 1 ezulv (nrw) der die schichtzulage begehrende beamte auf grund dieses schichtplanes auch tatsächlich ständig schichtdienst geleistet haben. 40soweit – wie auch die klägerin vorträgt – das verwaltungsgericht arnsberg, 41urteil vom 7. märz 2007 - 2 k 956/05 -, juris, rn. 43 ff., 42wohl die auffassung vertritt, für den anspruch auf schichtzulage sei zunächst nicht maßgeblich, wie der in rede stehende dienst tatsächlich verrichtet wird, sondern wie er nach den einschlägigen dienst- bzw. arbeitszeitrechtlichen regelungen zu verrichten ist, vermag das erkennende gericht dem nicht zu folgen. unabhängig davon, was die einschränkung „zunächst“ bedeutet – insoweit könnte man die entscheidung auch dahingehend verstehen, dass – wie hier – nur auf der ersten ebene geprüft werden muss, ob die dienstrechtlichen regelungen schichtdienst überhaupt vorsehen, weil andernfalls eine tatsächliche schichtdiensttätigkeit dann bereits ausgeschlossen ist –, vermag ein alleiniges abstellen auf die dienstrechtliche situation dann nicht auszureichen, wenn diese einen schichtdienst nur theoretisch für den betroffenen ermöglicht. vielmehr ist in dem fall, in dem der schichtplan eine theoretische schichtdiensttätigkeit vorsieht, auch zu prüfen, ob realiter ständig schichtdienst geleistet worden ist. dafür spricht zunächst der wortlaut des § 20 abs. 2 satz 1 lit. c ezulv (nrw), wonach entscheidend ist, ob „der schichtdienst innerhalb einer zeitspanne von mindestens 13 stunden geleistet wird“ (herv. nur hier). dagegen kann die klägerin nicht mit erfolg anführen, der erste teil des § 20 abs. 2 satz 1 ezulv (nrw) spreche hingegen davon, dass beamte ständig schichtdienst „zu leisten haben“. denn damit wird keineswegs allein auf die abstrakte, d.h. möglicherweise bestehende, sondern vielmehr auf die für beamte bestehende individuelle und konkrete verpflichtung zum schichtdienst abgestellt, die wegen der dienstpflicht auch erfüllt wird. dafür spricht gerade auch der – bereits dargelegte – zweck der erschwerniszulage. denn ein ausgleich solcher mit dem ständigen schichtdienst verbundenen erschwernisse, die vornehmlich die gesundheitliche sowie soziale konstitution des betroffenen beamten berühren, ist offensichtlich überhaupt nur dann angezeigt, wenn es tatsächlich zu den erschwernissen gekommen ist. die auf einer dienstanweisung beruhende abstrakte möglichkeit, zum schichtdienst herangezogen zu werden, ist demnach gerade kein erschwernis, das § 20 ezulv (nrw) auszugleichen versucht. 43das erfordernis einer tatsächlichen ableistung des schichtdienstes ergibt sich schließlich auch bei systematischer auslegung der erschwerniszulagenverordnung nrw. diese sieht in § 18 ezulv (nrw) vor, dass der anspruch auf die zulage entsteht, wenn die zulagenberechtigte tätigkeit tatsächlich aufgenommen wird. 44ein daher erforderliches tatsächliches verrichten von schichtdiensten ist aber im hier maßgeblichen zeitraum in der person der klägerin nicht anzunehmen, weil es bei ihr tatsächlich nicht zu einem regelmäßigen wechsel der arbeitszeiten gekommen ist. angesichts der in § 20 abs. 2 satz 1 ezulv (nrw) angeführten definition des schichtdienstes – dienst nach einem schichtplan, der einen regelmäßigen wechsel der täglichen arbeitszeit in zeitabschnitten von längstens einem monat vorsieht – ist die regelmäßigkeit des wechsels der arbeitszeiten zwangläufig nicht nur für den schichtplan – bzw. hier der dienstanweisung zur regelung des kriminalwachdienstes des polizeipräsidiums h. vom 29. juli 2011, auf deren grundlage ein genereller schichtplan erstellt wird –, sondern auch für den tatsächlichen schichtdienst kennzeichnend. 45vgl. ovg nrw, beschluss vom 18. februar 2008 - 6 a 4820/05 -, juris, rn. 7; ovg berlin-brandenburg, urteil vom 18. dezember 2009 - ovg 4 b 11.08 -, juris, rn. 24; ovg rheinland-pfalz, urteil vom 28. august 2009 - 10 a 10467/09 -, juris, rn. 26; leihkauff, in: schwegmann/summer, besoldungsrecht des bundes und der länder, stand: 1. juli 2013, § 20 ezulv rn. 6. 46die insoweit erforderliche regelmäßigkeit des wechsels der arbeitszeiten kann aber hinsichtlich der von der klägerin außerhalb ihres regeldienstes sowie innerhalb der „bao“-lage verrichteten mehrarbeit nicht festgestellt werden. 47dabei kann die kammer auch offen lassen, ob die durch den runderlass des finanzministeriums vom 27. januar 1977 – b 2126-65-iv a 3 – aufgestellten – für das gericht ohnehin nicht bindenden – zusätzlichen voraussetzungen zur bestimmung der merkmale „ständig“ und „regelmäßig“ in ziffer 3.1 des runderlasses rechtmäßig sind. 48vgl. insoweit vg gelsenkirchen , urteil vom 13. februar 2008 - 1 k 67/05 -, juris, rn. 29. 49denn das nichtvorliegen der erforderlichen regelmäßigkeit kann bereits unabhängig hiervon bei entsprechender auslegung der anspruchsgrundlage festgestellt werden. 50im allgemeinen sprachgebrauch bedeutet der begriff „regelmäßig“ einer bestimmten festen ordnung entsprechend sowie eine regelung, die besonders durch zeitlich stets gleiche wiederkehr oder gleichmäßiges aufeinanderfolgen gekennzeichnet ist. 51vgl. https://www.duden.de/rechtschreibung/regelmaeszig# bedeutungen, zuletzt aufgerufen am 26. april 2022. 52der wechsel der arbeitszeit muss folglich zwar nicht gleichförmig erfolgen, er muss sich aber kontinuierlich und nach erkennbaren regeln wiederholen. er darf also weder die ausnahme darstellen noch sich als ungeregelt, unsystematisch oder willkürlich erweisen. 53vgl. ovg berlin-brandenburg, urteil vom 18. dezember 2009 - ovg 4 b 11.08 -, juris, rn. 24; ovg rheinland-pfalz, urteil vom 28. august 2009 - 10 a 10467/09 -, juris, rn. 26. 54darüber hinaus ergibt eine an sinn und zweck der erschwerniszulage orientierte auslegung des begriffs „regelmäßig“, dass neben einer geregelten auch eine nicht nur seltene wiederkehr bzw. ein nicht nur gelegentliches aufeinanderfolgen des wechsels der arbeitszeiten für eine regelmäßigkeit maßgeblich ist. denn die schichtzulage soll – wie bereits erwähnt – die besonderen, bei der bewertung des amtes nicht berücksichtigten erschwernisse ausgleichen, die mit dem permanenten und nicht nur vorübergehenden oder nur gelegentlichen schichtdienst, d.h. mit der ständigen umstellung des arbeits- und lebensrhythmus und den damit verbundenen gesundheitlichen und sozialen auswirkungen, verbunden sind. es bedarf daher für die den schichtdienst identitätsstiftende regelmäßigkeit einer bestimmten häufigkeit des wechsels der arbeitszeit. nur dann sind vom betroffenen beamten tatsächlich erschwernisse zu dulden, die über die allgemeine besoldung nicht abgedeckt sind und daher eine zulage rechtfertigen. 55vgl. ovg nrw, beschluss vom 18. februar 2008 - 6 a 4820/05 -, juris, rn. 7. 56das tatbestandsmerkmal der regelmäßigkeit ist daher nicht schon dann erfüllt, wenn ein arbeitszeitwechsel als solcher regelmäßig stattfindet. entscheidend ist vielmehr, dass die abfolge der vom schichtplan vorgesehenen und tatsächlich stattgefundenen wechsel der täglichen arbeitszeit regelmäßig ist und die zeitabschnitte, in denen der betroffene beamte zu unterschiedlichen arbeitszeiten dienst leisten muss, sich hinsichtlich ihrer länge im weitesten entsprechen. zur länge dieser zeitabschnitte unterschiedlicher arbeitszeit verhält sich § 20 abs. 2 ezulv (nrw) zwar nur insoweit, als ihr wechsel nach längstens einem monat erfolgen muss, doch ergibt sich aus dem zweck der §§ 1 satz 1, 20 abs. 2 ezulv (nrw), dass die zeitabschnitte längenmäßig nicht derart voneinander abweichen dürfen, dass mit dem arbeitszeitwechsel bei wertender betrachtung keine nennenswerten negativen folgen für den betroffenen beamten verbunden sind. 57vgl. ovg nrw, beschluss vom 18. februar 2008 - 6 b 4820/05 -, juris, rn. 7. 58die im nachgewiesenen zeitraum außerhalb der regeldienstzeit geleisteten dienste der klägerin erfüllen diese voraussetzungen offenkundig nicht. ausweislich der vorgelegten zeitnachweise leistete die klägerin in einem zeitraum von drei jahren (1. januar 2013 bis 31. dezember 2015) lediglich 20 dienste außerhalb ihres regel- bzw. „bao“-dienstes, wobei hiervon nur vier außerhalb der frühschicht geleistet wurden (12./13. mai 2013, 8. november 2013, 27. märz 2014 und 7. mai 2014). hinsichtlich der zahlreichen im rahmen einer „bao“-lage verrichteten dienste der klägerin fanden weiter nur 23 dienste außerhalb der frühschicht statt (12./13. märz 2013, 9. mai 2013, 17. juni 2013, 11. august 2013, 9. november 2013, 12./13. november 2013, 11./12. dezember 2013, 17. dezember 2013, 2. april 2014, 11. april 2014, 27. april 2014, 10. mai 2014, 30. juli 2014, 31. oktober 2014, 13. dezember 2014, 16. dezember 2014, 17. dezember 2014, 12. juni 2015, 14. juli 2015, 27. juli 2015, 26. august 2015, 17. oktober 2015 und 9. august 2015). die übrigen „bao“-dienste wurden hingegen – mit dem bereits im zusammenhang mit dem regeldienst erwähnten und für die frage des schichtdienstes nicht ausschlaggebenden mehrarbeits- bzw. gleitzeitmodell – im frühdienst geleistet. 59darin kann deshalb kein regelmäßiger wechsel der arbeitszeiten erblickt werden, weil sich bezüglich des wechsels von früh- auf spät- bzw. nachtdienst kein muster erkennen lässt, das auf einen hinreichend häufigen und gleichlaufenden – regelmäßigen – wechsel der täglichen arbeitszeit in zeitabschnitten von längstens einem monat hindeutet. die klägerin hat ihren dienst vielmehr im streitgegenständlichen zeitraum nur selten außerhalb des frühdienstes versehen. so leistete sie in den jahren 2013 zehn, im jahr 2014 elf und im jahr 2015 sechs dienste in einer anderen schicht als der frühschicht. insoweit bedarf es keiner tiefergehenden erörterung, welcher grad der häufigkeit für die annahme der regelmäßigkeit erforderlich ist. denn solche vereinzelten arbeitswechsel für jeweils einen tag unterbrechen den regulären arbeits- und lebensrhythmus jedenfalls nicht in einer weise, die negative gesundheitliche oder soziale auswirkungen für den kläger bedeuten. 60vgl. ovg nrw, beschluss vom 18. februar 2008 - 6 a 4820/05 -, juris, rn. 9. 61vielmehr sind diese spät- bzw. nachtschichten im hinblick auf den zeitraum von drei jahren eher als ausnahmen zu qualifizieren, die zum beispiel aufgrund eines erhöhten arbeitsaufkommens auch in anderen bereichen vorkommen und für sich allein keiner besonderen abgeltung bedürfen, sondern bei der bemessung der besoldung schon mit berechnet wurden. 62soweit die klägerseite in der mündlichen verhandlung zur begründung der regelmäßigkeit auf das urteil des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen vom 18. märz 2019 (6 a 2122/17) verweist, wonach selbst ein vereinzelter einsatz in der kriminalwache wegen seiner regelmäßigkeit einen zusätzlichen urlaubsanspruch begründe, verhilft dies der vorliegenden klage nicht zum erfolg. denn nicht nur, dass die prüfung des anspruchs auf zusätzlichen erholungsurlaub anderen rechtlichen wie zweckbezogenen maßstäben unterliegt und deshalb ohnehin nicht auf die frage der schichtzulage übertragbar ist, hat das gericht in besagtem fall den anspruch auf zusätzlichen urlaub auch explizit nicht wegen der regelmäßigkeit des einsatzes auf der kriminalwache bejaht, sondern allein, weil er – was für zusätzlichen erholungsurlaub im gegensatz zur schichtzulage ausreicht – dienstplanmäßig erfolgt ist. 63vgl. ovg nrw, urteil vom 18. märz 2019 - 6 a 2122/17 -, juris, rn. 74: „zudem hatte er (…) - zwar nicht „regelmäßig“, jedoch - „dienstplanmäßig“ an bestimmten wochenfeiertagen und wochenendtagen frühdienst zu leisten“. 64auch die erkennende kammer hat in ihrer entscheidung, die dem genannten obergerichtlichen urteil vorausging, allein das merkmal der dienstplanmäßigkeit bejaht und die frage der regelmäßigkeit des einsatzes offen gelassen. 65vgl. vg gelsenkirchen , urteil vom 19. juli 2017 - 1 k 2817/16 -, juris, rn. 40. 66darüber hinaus leistete die klägerin ihren außerhalb des regeldienstes verrichteten dienst auch nicht ständig. trotz der semantischen nähe zur regelmäßigkeit betrifft der aspekt des ständigen im sinne des § 20 abs. 2 satz 1 ezulv (nrw) im unterschied zur regelmäßigkeit nicht die frage der häufigkeit und der struktur des wechsels der arbeitszeit, sondern bezieht sich vielmehr auf die frage der zeitlichen dauer des – insoweit regelmäßigen – wechsels der arbeitszeiten. mit diesem tatbestandsmerkmal sollen insoweit die fälle geregelt werden, in denen zwar schichtdienst geleistet wird, weil es zu einem regelmäßigen wechsel der arbeitszeiten kommt, dies allerdings nur vorübergehend – etwa in einem vertretungsfall – und mit nur einem solch geringen zeitlichen umfang zutrifft, dass auch hier die damit verbundenen erschwernisse noch als durch die allgemeinen besoldung abgedeckt zu bewerten sind. ständig bedeutet daher mithin, dass der schichtdienst „dauernd“ oder „fast ausschließlich“ geleistet werden muss. 67vgl. vg düsseldorf, urteil vom 21. oktober 2005 - 26 k 2278/05 -, juris, rn. 21; leihkauff, in: schwegmann/summer, besoldungsrecht des bundes und der länder, stand: 1. juli 2013, § 20 ezulv rn. 5. 68dies trifft hier angesichts der nur besonders kurzen zeitspannen, in denen die klägerin außerhalb des regeldienstes herangezogen wurde und es hierbei zu einem wechsel der arbeitszeiten kam, offensichtlich nicht zu. denn in anbetracht auch der dargelegten seltenen dienste außerhalb der frühschicht kam es für die klägerin teilweise monatelang nicht zu einem wechsel der arbeitszeiten. die zeitspanne des wechsels der arbeitszeiten ist mithin äußerst gering und damit vernachlässigbar. angesichts dieser klarheit bedarf es auch hier nicht weiterer erörterung, ab wann ein schichtdienst die erforderliche grenze der dauerhaftigkeit erreicht und inwieweit die vorgaben des erlasses vom 27. januar 1977 eine rechtmäßige maßstabsbildung begründen. 69mangels anspruch aus § 20 abs. 2 satz 1 lit. c in verbindung mit § 20 abs. 4 satz 1 ezulv (nrw) fehlt es auch an den voraussetzungen des anspruches auf prozesszinsen. 70die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 1 vwgo, die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit auf § 167 vwgo in verbindung mit §§ 708 nr. 11, 709 satz 2 und 711 der zivilprozessordnung (zpo). 71rechtsmittelbelehrung: 72gegen dieses urteil steht den beteiligten die berufung an das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. die berufung ist nur zuzulassen, wenn 731. ernstliche zweifel an der richtigkeit des urteils bestehen, 742. die rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche schwierigkeiten aufweist, 753. die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat, 764. das urteil von einer entscheidung des oberverwaltungsgerichts, des bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen senats der obersten gerichtshöfe des bundes oder des bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser abweichung beruht oder 775. ein der beurteilung des berufungsgerichts unterliegender verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die entscheidung beruhen kann. 78die zulassung der berufung ist innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils schriftlich bei dem verwaltungsgericht gelsenkirchen, bahnhofsvorplatz 3, 45879 gelsenkirchen, zu beantragen. der antrag muss das angefochtene urteil bezeichnen. innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils sind die gründe darzulegen, aus denen die berufung zuzulassen ist. die begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem antrag vorgelegt worden ist, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen, aegidiikirchplatz 5, 48143 münster, schriftlich einzureichen. 79auf die unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung von schriftstücken als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 80im berufungsverfahren muss sich jeder beteiligte durch einen prozessbevollmächtigten vertreten lassen. dies gilt auch für den antrag auf zulassung der berufung. der kreis der als prozessbevollmächtigte zugelassenen personen und organisationen bestimmt sich nach § 67 abs. 4 vwgo. 81b e s c h l u s s: 82der streitwert wird auf 644,40 euro festgesetzt. 83g r ü n d e: 84die streitwertfestsetzung beruht auf § 52 abs. 3 des gerichtskostengesetzes (gkg). die anwendung des § 52 abs. 1 gkg in verbindung mit den grundsätzen zum teilstatus (vgl. ziffer 10.4 des streitwertkatalogs für die verwaltungsgerichtsbarkeit in der fassung der am 31. mai/1. juni 2012 und am 18. juli 2013 beschlossenen änderungen) scheidet aus, weil angesichts des hier konkret angegebenen streitgegenständlichen zeitraumes eine genaue bezifferung der begehrten geldleistung möglich ist und daher § 52 abs. 3 gkg die speziellere und somit vorrangig anzuwendende vorschrift ist. nach ihr entspricht der streitwert bei klageanträgen, die eine bezifferte geldleistung betreffen, der höhe der begehrten summe, hier also der monatlichen schichtzulage in höhe von 17,90 euro für den zeitraum vom 1. januar 2013 bis zum 31. dezember 2015 (36 monate), mithin 644,40 euro. 85rechtsmittelbelehrung: 86gegen diesen beschluss findet beschwerde statt, wenn der wert des beschwerdegegenstandes 200 euro übersteigt. 87die beschwerde ist bei dem verwaltungsgericht gelsenkirchen, bahnhofsvorplatz 3, 45879 gelsenkirchen, innerhalb von sechs monaten, nachdem die entscheidung in der hauptsache rechtskraft erlangt oder das verfahren sich anderweitig erledigt hat, schriftlich oder zur niederschrift des urkundsbeamten der geschäftsstelle einzulegen. über die beschwerde entscheidet das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen, aegidiikirchplatz 5, 48143 münster, falls das beschließende gericht ihr nicht abhilft. 88auf die unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung von schriftstücken als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen.
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9 K 4001/18
2022-04-26T00:00:00
Urteil
Tenor Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 27. August 2019 verpflichtet, der Klägerin den von ihr beantragten Bauvorbescheid für die Nutzungsänderung von Gewerbeflächen zu einem Wettbüro mit Sitzplätzen zur Annahme von Sportwetten zu erteilen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. 1Tatbestand: 2Die Klägerin begehrt einen bauplanungsrechtlichen Bauvorbescheid für die Umnutzung von zuvor durch einen Optikerbetrieb genutzter Gebäudeflächen in ein Wettbüro auf dem Grundstück H. N. , Flur , Flurstück (postalische Anschrift: N1. -M. -T. in N. ). 3Das Vorhabengrundstück befindet sich an der Kreuzung N1. -M. -T. / C.-------straße im Stadtteil N. -C1. . Es ist mit einem fünfgeschossigen Gebäude bebaut. Im Erdgeschoss liegen die Gewerberäume. In den Obergeschossen befinden sich Wohnnutzungen. 4Östlich des Vorhabengrundstücks befinden sich entlang der N1. -M. -T. (Hausnummern bis ) Wohnnutzungen in Mehrfamilienhäusern sowie mehrere soziale, religiöse bzw. gesundheitliche Einrichtungen (Ev. Kirchengemeinde mit Gemeindezentrum, Kindertagesstätte, Heilpädagogisches Zentrum etc.). Im Westen und im Süden des Vorhabengrundstückes bzw. entlang der C.-------straße finden sich Ein- bzw. Zweifamilienhäuser (C.-------straße Nr. bis ) und mehrgeschossige Mehrfamilienhäuser (C.-------straße Nr. und aufsteigend). In den Gebäuden der C.-------straße vom Kreuzungsbereich mit der I. T. im Süden des Vorhabengrundstücks bis zum Kreuzungsbereich mit der C2. - bzw. T1.-------straße nordwestlich des Vorhabengrundstücks finden sich zudem bei der überwiegenden Anzahl der Grundstücke neben den Wohnnutzungen (in den Obergeschossen) in den Erdgeschossen der Gebäude eine Vielzahl gewerblicher Nutzungen (z.B. diverse Gastronomiebetriebe und kleinflächige Einzelhändler, eine Bankfiliale, Dienstleistungsbetriebe wie Friseure und Kosmetikstudios, ein Bestattungsunternehmen, eine Spielhalle (ca. 155 m² Spielfläche) und Büroflächen (Versicherungsmakler, Steuerberater, Rechtsanwälte etc.)). Vereinzelt (z.B. Hausnummer 000 und 0000) befinden sich diese Nutzungen in Form von Büroflächen auch im ersten Obergeschoss der Gebäude. Entlang der T1.-------straße im Westen des Vorhabengrundstücks bzw. vom Kreuzungsbereich der T1.-------straße mit der C.-------straße bis hin zum Kreuzungsbereich der T. mit der I. T. (T1.-------straße Nr. 000 bis 000) befinden sich in einer großen Anzahl der vorhandenen Gebäude neben den dortigen Wohnnutzungen diverse gewerbliche, kleinflächige Nutzungen (Bio-Supermarkt, Kfz-Ersatzteilehändler, Bäckerei, Rechtsanwaltskanzlei etc.), sowie ein großflächiger Supermarkt mit Getränke-Center (T1.-------straße Nr. 00000). 5Zur Verdeutlichung der Umgebung wird auf den nachfolgenden Kartenausschnitt verwiesen: 6 T1.-------straße C.-------straße Vorhabengrundstück 7 8I. T. N1. -M. -T. T2. T. 9Mit Antrag vom 23. Mai 2019 beantragte die Klägerin die Erteilung eines Bauvorbescheides zur „Nutzungsänderung von Gewerbeflächen zu einem Wettbüro mit Sitzplätzen (Vergnügungsstätte) zur Annahme von Sportwetten“. Als Fragestellung zum Vorbescheid gab sie an: „Ist es planungsrechtlich zulässig die bestehenden Gewerbeflächen (ehemaliger Optikerbetrieb) in ein Wettbüro umzunutzen?“. 10Nach der beigefügten Betriebsbeschreibung bzw. den Bauvorlagen, sollen die ehemaligen Verkaufsflächen des Optikerbetriebes im Erdgeschoss des Gebäudes zur Annahme von Sportwetten mit Sitzplätzen zum Verweilen der Gäste umgestaltet und ein Gäste-WC installiert werden. Dabei sollen für das eigentliche „Wettbüro“ eine Fläche von 96,9 m² mit 11 Sitzgelegenheiten und 2 Flachbildschirmen, sowie weitere Flächen für den Servicebereich (15 m²), einen Abstellraum (30,5 m²) bzw. den Flur- und Toilettenbereich (zusammen 42,4 m²) genutzt werden. 11Mit Schreiben vom 13. Juni 2019 hörte die Beklagte die Klägerin zu ihrer Absicht an, den Antrag abzulehnen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 19. Juni 2019 führte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auf das Anhörungsschreiben der Beklagten u.a. aus: Das Vorhaben befinde sich nicht in einem Wohngebiet, sondern in einem Mischgebiet im Sinne von § 6 BauNVO. Hierfür spreche das Vorhandensein einer Vielzahl von gewerblichen neben Wohnnutzungen. Dieses Nebeneinander sei typisch für ein Mischgebiet. Da es sich bei dem an die N1. -M. -T. angrenzenden Teil der C.-------straße zudem um die Haupteinkaufsstraße des Stadtteils handle, welcher überwiegend gewerblich geprägt sei, müsse das Vorhaben als Vergnügungsstätte gem. § 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO zugelassen werden. 12Am 18. Juli 2019 hörte die Beklagte die Klägerin erneut zu ihrer Absicht an, die Bauvoranfrage abzulehnen, da selbst bei Annahme eines Mischgebiets das Vorhabengrundstück nicht in einem Bereich liege, der überwiegend gewerblich geprägt sei. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin wies mit Schreiben vom 23. Juli 2019 insbesondere darauf hin, dass eine überwiegende, gewerbliche Prägung sich bereits daraus ergebe, dass einerseits alle Erdgeschossnutzungen auf der C.-------straße gewerblich seien, teilweise sogar die Obergeschosse ebenfalls gewerblich genützt würden und andererseits die in den Obergeschossen vorhandenen Wohnnutzungen eher in den Hintergrund rückten. 13Mit Bescheid vom 27. August 2019, der Klägerin am 28. August 2019 zugestellt, lehnte die Beklagte die Bauvoranfrage der Klägerin ab. Zur Begründung führte sie u.a. aus: Das Vorhaben, welches mangels eines Baubauungsplans nach § 34 BauGB zu beurteilen sei, sei bauplanungsrechtlich unzulässig. In Mischgebieten, wie der näheren Umgebung des Vorhabens, seien Vergnügungsstätten, sofern sie ihrem Charakter nach nicht kerngebietstypisch seien, zwar allgemein gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO zulässig, allerdings nur in Teilen des Mischgebiets, die überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt seien. In den übrigen Teilen seien sie gemäß § 6 Abs. 3 BauNVO nur ausnahmsweise zulässig. 14Die nähere Umgebung des Vorhabens bestimme sich durch die beidseitig der C.-------straße bestehende mehrgeschossige, überwiegend geschlossene Bebauung. Diese sei hier durch eine gewerbliche Nutzung im Erdgeschoss und eine überwiegende Wohnnutzung in den Obergeschossen gekennzeichnet. Vereinzelt finde man im Obergeschoss gewerbliche Nutzungen in Form von Räumen für freie Berufe im Sinne des § 13 BauNVO. Auch wenn die gewerblich genutzte Erdgeschosszone entlang der C.-------straße aufgrund der Schaufenster und Werbeanlagen den betroffenen Teil des Mischgebiets optisch dominiere, werde doch der größere Teil der überwiegend vier- bis fünfgeschossigen Gebäude zu Wohnzwecken genutzt. Dies sei sowohl optisch an den deutlich erkennbar zu Wohnzwecken genutzten Obergeschossen ablesbar, vor allem aber sei der überwiegende Teil der Geschossfläche der Wohnnutzung zuzurechnen. 15Das geplante Wettbüro liege demnach nicht in einem Teil des Mischgebiets, welches überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt sei. 16Es könne auch nicht ausnahmsweise zugelassen werden. Bei der ausnahmsweisen Zulässigkeit nach § 6 Abs. 3 BauNVO handele es sich um eine Kann-Regelung. Besondere Aspekte des Vorhabens, die eine Ausnahme rechtfertigen würden, seien nicht erkennbar, zumal im Süden im Bereich N1. -M. -T. ein Wohngebiet angrenze und östlich der C.-------straße gemeinnützige Einrichtungen, wie z. B. ein Kindergarten, also schutzwürdige Nutzungen, bestünden. 17Am 4. September 2019 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus: 18Sie habe einen Anspruch auf Erteilung des beantragten Bauvorbescheides, da dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstünden. Die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens beurteile sich nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 BauNVO. Die Eigenart der näheren Umgebung entspreche einem faktischen Mischgebiet. Geprägt werde das Vorhabengrundstück durch die Bebauung auf beiden Seiten der C.-------straße . Hier befinde sich der Zugang zu dem Geschäftslokal. Die C.-------straße zeichne sich in dem hier maßgebenden Bereich durch eine nahezu durchgehende gewerbliche Nutzung in den Erdgeschosslagen und eine gemischte Gewerbe- bzw. Wohnnutzung in den Obergeschossen aus. 19In Mischgebieten seien nichtkerngebietstypische Vergnügungsstätten – wie das beantragte Wettbüro - nach § 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO in denjenigen Teilen des Mischgebiets, die überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt seien, allgemein zulässig. Das Vorhabengrundstück liege in einem überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägten Teil des Mischgebiets und sei daher nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO allgemein zulässig. Für die Beurteilung der Frage, ob ein Teilbereich des Mischgebiets überwiegend gewerblich geprägt sei, komme es auf eine wertende Gesamtbetrachtung an. Hierfür spiele insbesondere die Nutzung im Erdgeschoss eine wesentliche Rolle, da diese die Eigenart der näheren Umgebung deutlich nachhaltiger präge, als dies bei Nutzung im Obergeschoss der Fall sei. Insbesondere das in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem streitbefangenen Grundstück gelegene Geschäftsgebäude der Volksbank sowie die sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindende Spielhalle hätten gebietsprägenden Charakter und ließen die gewerbliche Nutzung eindeutig in den Vordergrund treten. 20Unabhängig hiervon lägen aber auch die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Zulassung nach § 6 Abs. 3 BauNVO vor. Die Erteilung einer Ausnahme setze nach § 31 Abs. 1 BauGB voraus, dass ein Vorhaben aufnahmefähig sei. Das sei der Fall, wenn der Zulassung keine Gründen im Sinne des § 15 Abs. 1 BauNVO oder von vergleichbarem Gewicht entgegenstünden und der Ausnahmecharakter der Nutzung gewahrt bleibe. 21Städtebauliche Gründe, weshalb die erstmalige Errichtung eines Wettbüros in einem überwiegend durch gewerbliche Nutzung geprägten Bereich nicht ausnahmsweise zulässig sein solle, seien nicht erkennbar. Die maßgebende Umgebungsbebauung werde geprägt durch eine Vielzahl von Geschäftslokalen ganz unterschiedlicher Art. Innerhalb der Bandbreite der vorhandenen Gewerbebetriebe stelle das geplante Wettbüro keinen Fremdkörper dar. Vielmehr gehörten solche Wettbüros zum alltäglichen Erscheinungsbild von Geschäftsstraßen, wie sie die C.-------straße in dem hier maßgebenden Bereich darstelle. 22Die Klägerin beantragt, 23die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 27. August 2019 zu verpflichten, ihr den beantragten Bauvorbescheid für die Nutzungsänderung von Gewerbeflächen zu einem Wettbüro mit Sitzplätzen zur Annahme von Sportwetten zu erteilen. 24Die Beklagte beantragt, 25die Klage abzuweisen. 26Die Beklagte nimmt zur Begründung im Wesentlichen Bezug auf die Begründung ihres Ablehnungsbescheides vom 27. August 2019 und hält an der dortigen bauplanungsrechtlichen Einschätzung der näheren Umgebung als faktisches Mischgebiet ohne überwiegend gewerblich geprägten Charakter fest. 27Der Berichterstatter hat die Örtlichkeit am 24. August 2021 in Augenschein genommen. Bzgl. der Einzelheiten wird auf das Ortsterminprotokoll und die gefertigten Lichtbilder Bezug genommen. 28Entscheidungsgründe: 29Die zulässige Klage ist begründet. 30Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung des begehrten bauplanungsrechtlichen Vorbescheids zur Nutzungsänderung von Gewerbeflächen zu einem Wettbüro mit Sitzplätzen zur Annahme von Sportwetten auf dem Grundstück H. N. , Flur 0000, Flurstück 0000 (postalische Anschrift: N1. -M. -T. 1 in 0000 N. ). 31Maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, 32vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Januar 2009 – 4 C 16.07 –, Rn. 11 juris, OVG NRW, Urteile vom 17. April 2018 – 2 A 911/16 –, Rn. 49 juris und vom 1. Februar 2010 – 7 A 1635/07 –, Rn. 56 juris. 33mithin die Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. Juli 2018 (BauO NRW). 34Nach § 77 Abs. 1 i.V.m. § 74 Abs. 1 BauO NRW ist auf Antrag der Bauherrin oder des Bauherrn zu einzelnen Fragen des Bauvorhabens ein Vorbescheid zu erteilen, wenn dem Vorhaben bezüglich dieser Fragen keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen. 35Vorliegend stehen dem Vorhaben der Klägerin öffentlich-rechtliche Vorschriften des Bauplanungsrechts nicht entgegen. 36Mangels eines Bebauungsplans beurteilt sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des im städtebaulichen Innenbereich gelegenen Vorhabens der Klägerin nach § 34 BauGB. 37Nach § 34 Abs. 1 BauGB ist innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der BauNVO, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach dieser Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre, § 34 Abs. 2 BauGB. 38Bei dem Vorhaben handelt es sich (unstreitig) um eine Vergnügungsstätte in der Form eines Wettbüros. Eine solche ist regelmäßig u. a. dann anzunehmen, wenn sogenannte Live-Wetten angeboten werden. 39Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. April 2018 – 7 A 85/17 –, Rn. 4 f. juris, m. w. N. 40Nach der Betriebsbeschreibung, den Bauvorlagen und den Angaben in der Klageschrift vom 30. August 2019 soll das Publikum die Möglichkeit haben, sich während der Sportveranstaltung in den Räumen des Wettbüros aufzuhalten und die Sportereignisse, auf die gewettet wurden, zu verfolgen und im geselligen Zusammensein ggfs. weitere Wetten abzuschließen. In dem Lageplan sind zu diesem Zweck zwei großflächige Monitore eingezeichnet. Auch sollen Tische und Stühle aufgestellt werden. Das Konzept ist gerade auf Live-Wetten ausgerichtet. Dementsprechend ist auch der Antrag formuliert: Nutzungsänderung von Gewerbeflächen zu einem Wettbüro mit Sitzplätzen (Vergnügungsstätte) zur Annahme von Sportwetten. 41Das Wettbüro als Vergnügungsstätte fügt sich nach der Art der Nutzung in die Eigenart der maßgeblichen näheren Umgebung ein. 42Die für die Beurteilung des Einfügens eines Bauvorhabens maßgebliche „nähere Umgebung“ wird dadurch ermittelt, dass in zwei Richtungen, nämlich in Richtung vom Vorhaben auf die Umgebung und in Richtung von der Umgebung auf das Vorhaben geprüft wird, wie weit die jeweiligen Auswirkungen reichen. Dabei wird die nähere Umgebung hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung in der Regel weiter zu bemessen sein als z.B. bei der überbaubaren Grundstücksfläche oder beim Maß der baulichen Nutzung, weil bei den zuletzt genannten Merkmalen die Prägung in ihrer Reichweite im Allgemeinen hinter den von der Art der baulichen Nutzung ausgehenden Wirkungen zurückbleibt. Entscheidend bleiben in jedem Fall die tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall. 43Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Mai 2014 – 4 B 38.13 –, Rn. 7 juris; OVG NRW, Urteil vom 11. Juli 2017 – 2 A 471/15 –,Rn. 45 f. juris, m.w.N. 44Die Grenzen der näheren Umgebung lassen sich dabei nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der tatsächlichen städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist. Diese kann so beschaffen sein, dass die Grenze zwischen näherer und fernerer Umgebung dort zu ziehen ist, wo zwei jeweils einheitlich geprägte Bebauungskomplexe mit voneinander verschiedenen Bau- und Nutzungsstrukturen aneinanderstoßen. Der Grenzverlauf der näheren Umgebung ist jedoch nicht davon abhängig, dass die unterschiedliche Bebauung durch eine künstliche oder natürliche Trennlinie (Straße, Schienenstrang, Gewässerlauf, Geländekante etc.) entkoppelt ist. Eine solche Linie hat bei einer beidseitig andersartigen Siedlungsstruktur nicht stets eine trennende Funktion. Umgekehrt führt ihr Fehlen nicht dazu, dass benachbarte Bebauungen stets als miteinander verzahnt anzusehen sind und insgesamt die nähere Umgebung ausmachen. 45Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. August 2003 – 4 B 74.03 –, juris. 46Nach den vorstehenden Maßstäben und dem im Ortstermin gewonnenen Eindruck des Berichterstatters, den er der Kammer vermittelt hat, wird die maßgebliche nähere Umgebung im Süden durch die I. T. und im Osten durch die T2. T. begrenzt, so dass sich die nähere Umgebung von dort aus nach Westen und Norden erstreckt. 47Die südlich der I. T. liegende Bebauung ist unberücksichtigt zu lassen, weil dieser T. trennende Wirkung zukommt. Sie ist dort vierspurig ausgebaut. In ihrer Mitte verläuft ein Grünstreifen von ca. 10 m Breite. Auf der südlichen Seite befinden sich zudem ein Theater, ein Finanzamt und ein Krankenhaus und damit von der nördlich der I. T. gelegenen Bebauung, die von Wohn- und Einzelhandelsnutzung geprägt ist, abweichende Nutzungsarten. Nach Osten endet die maßgebliche nähere Umgebung an der T2. T. . Auf Höhe des Vorhabengrundstücks befinden sich östlich der T2. T. Park- bzw. Grünflächen mit einem See und die daran anschließenden, die Umgebung dort prägenden andersartigen baulichen Nutzungen in Form von Verwaltungsgebäuden (Rathaus der Beklagten) und einem Einkaufszentrum („N2. T3. “). Damit weicht auch nach Osten die Nutzungsstruktur wesentlich von den westlich der T2. T. bis zum Vorhabengrundstück befindlichen Wohnnutzungen bzw. sozialen Einrichtungen ab. 48Zu der sich von der T2. T. nach Westen und von der I. T. nach Norden sich erstreckenden Umgebung gehört auch die Bebauung beidseits der in nördlicher Richtung verlaufenden C.-------straße , beginnend an der Einmündung der N1. -M. T. in die C.-------straße , wo auch das Vorhabengrundstück liegt, bis zum Kreuzungsbereich der C.-------straße mit der C2. - bzw. T1.-------straße . Hier findet sich eine nahezu gleichförmige Bebauung mit einem Nebeneinander von Wohn- und Gewerbenutzung. Wann die das Vorhabengrundstück beeinflussende und vom Vorhaben beeinflusste Umgebung nach Westen oder Norden ihren Abschluss findet, kann offen bleiben. Denn in jedem Fall ihrer weiteren Abgrenzung stellt sich der dann zu betrachtende Bereich als eine Gemengelage dar, in welchem das beantragte Wettbüro nach der Art der baulichen Nutzung zulässig ist, weil es in ihm ein Vorbild findet. 49Der Bereich lässt sich nicht im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB einem faktischen Baugebiet nach der BauNVO zuordnen. 50Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB richtet sich die planungsrechtliche Zulässigkeit baulicher Vorhaben im unbeplanten Innenbereich nach dem sich aus der in der näheren Umgebung vorhandenen Bebauung ergebenden Maßstab. Das bedeutet, dass alles an Bebauung in den Blick zu nehmen ist, was in der näheren Umgebung tatsächlich vorhanden ist. Eine Beschränkung auf das, was von der vorhandenen Bebauung städtebaulich wünschenswert oder auch nur vertretbar ist, darf insoweit nicht vorgenommen werden. 51Vgl. BVerwG, Urteile vom 26. Mai 1978 – 4 C 9.77, und vom 15. Februar 1990 – 4 C 23.86 –, beide juris. 52Auch eine vorhandene, aber nicht genehmigte Bebauung bzw. Nutzung ist zu berücksichtigen, sofern sie in einer Weise geduldet wird, die keine Zweifel daran lässt, dass die zuständigen Behörden sich mit ihrem Vorhandensein abgefunden haben. Es ist daher unbeachtlich, ob die vorhandene Bebauung oder die ausgeübte Nutzung materiell illegal ist, solange die zuständigen Behörden den Zustand dulden. Solange dieser Zustand andauert, nimmt die vorhandene Bebauung - mag sie auch illegal sein - an der Qualifizierung der vorhandenen Situation teil. So kann aus einem ehemals materiell rechtswidrigen Zustand letztlich ein nach § 34 BauGB zu beurteilender, nunmehr rechtmäßiger Zustand werden. 53Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 11. Februar 2000 – 4 B 1.00 – und vom 23. November 1998 – 4 B 29.98 –, beide juris. 54Die Betrachtung muss dabei auf das Wesentliche zurückgeführt werden, d.h. es muss alles außer Acht gelassen werden, was die vorhandene Bebauung nicht prägt oder in ihr als Fremdkörper erscheint. Baulichkeiten, die als Fremdkörper erscheinen, sind aber nur dann außer Betracht zu lassen, wenn sie wegen ihrer Andersartigkeit bzw. Einzigartigkeit den Charakter der Umgebung nicht zu beeinflussen vermögen, was dann bei wertender Betrachtung der Gegebenheiten des Einzelfalls zu ermitteln ist. 55Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1990 – 4 C 23.86 –, sowie Beschlüsse vom 19. April 2005 – 4 B 13.05 – und vom 11. Juli 2002 – 4 B 30.02 –, alle juris. 56Unter Anwendung dieser Grundsätze ist in der beschriebenen näheren Umgebung insgesamt ein Überwiegen der Wohnnutzung festzustellen, wobei sich diese sowohl als reine Wohnnutzung der Gebäude (wie z.B. an der N1. -M. T. Hausnummer 000 bis 000), als auch als gemischte Nutzung zusammen mit Gewerbe (z.B. C.-------straße Hausnummer 00 bis 000) findet. Gewerbliche Nutzungen in Form von kleinflächigen Ladenlokalen oder Gastronomie finden sich in diesem Bereich im überwiegenden Teil der Erdgeschosse der C1. -, C2. - und T1.-------straße , wobei in einer Gesamtschau in keinem Teilbereich der näheren Umgebung ein deutliches Überwiegen der gewerblichen Nutzung im Vergleich zur Wohnnutzung festzustellen ist. 57Im Westen findet sich an der T1.-------straße (I1. ) zudem ein großflächiger Supermarkt, welcher sich an die kleinflächigen Gewerbebetriebe der T1.-------straße anschließt und nicht als Fremdkörper in der Umgebung anzusehen ist. Es ist schon wegen der in den Stadtteil C1. integrierten Lage und dem angebotenen Verkaufssortiment des täglichen Bedarfs, welches mit den übrigen Einzelhändlern in diesem Bereich vergleichbar ist, nicht erkennbar, dass er wegen seiner Andersartigkeit bzw. Einzigartigkeit den Charakter der Umgebung nicht zu beeinflussen vermag. 58Die Umgebung prägende Vergnügungsstätten finden sich in dem beschriebenen Bereich in Form der Spielhalle auf dem Grundstück C.-------straße 0000. Diese stellt sich sowohl nach den Eindrücken im Ortstermin, als auch ausweislich der von der Beklagten übersandten Verwaltungsvorgänge zur spielhallenrechtlichen Erlaubnis, als kerngebietstypische Vergnügungsstätte dar, da die dort betriebene Spielfläche von ca. 155 m² den in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung hierfür maßgeblichen Schwellenwert von 100 m², 59vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. Juni 2012 – 2 A 2992/11 –,Rn. 15 juris, m.w.N., 60erheblich überschreitet. Ob die Spielhalle dagegen – was ausweislich der Verwaltungsvorgänge der Beklagten nicht ausgeschlossen werden kann – ggfs. unter Abweichung der ursprünglichen Baugenehmigung bzw. ausschließlich mit einer vorläufigen gewerberechtlichen Genehmigung im vorgefundenen Umfang betrieben wird, kann dahinstehen. Nach den obigen Maßstäben kommt es auf diese Frage nicht an. Die Beklagte hat in der Vergangenheit in keiner Weise zu erkennen gegeben, dass sie sich nicht mit der faktisch vorhandenen Spielhallennutzung auf dem Grundstück abgefunden hat und deren Zustand zumindest duldet. Auch in der mündlichen Verhandlung hat die Terminsvertreterin der Beklagten nicht erklärt, die Beklagte werde nunmehr gegen die durch das vorliegende Verfahren in den Fokus gelangte Spielhalle (bau-)ordnungsrechtlich vorgehen. 61Bei dem damit hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung maßgeblichen Bereich handelt es sich nicht um ein (reines oder allgemeines) faktisches Wohngebiet i.S.d. § 3 bzw. 4 BauNVO, da die erhebliche Anzahl (auch störender) Gewerbebetriebe eine Einordnung der Umgebung als Gebiet, welches hauptsächlich dem Wohnen dient (vgl. § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 BauNVO), ausschließt. 62Entgegen der Ansicht der Beteiligten scheidet die Einstufung als Mischgebiet i. S. d. § 6 BauNVO aus. Dieses ist seiner Zweckbestimmung nach durch die prinzipielle Gleichrangigkeit von Wohnen und das Wohnen nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben gekennzeichnet (vgl. § 6 Abs. 1 BauNVO). Dies ist hier nicht der Fall. Zum einen ist aus den genannten Gründen insgesamt von einem (noch deutlichen) Überwiegen der Wohnnutzung auszugehen. Zum anderen befinden sich in der maßgeblichen Umgebung mit dem großflächigen Einzelhandelsbetrieb am westlichen Rand der maßgeblichen näheren Umgebung und der (kerngebietstypischen) Spielhalle an der C.-------straße gewerbliche Nutzungen, die nicht in ein Mischgebiet gehören bzw. die das Wohnen wesentlich stören. 63Gegen eine Einstufung des Bereichs als faktisches Gewerbegebiet (§ 8 BauNVO) bzw. Kerngebiet (§ 7 BauNVO) spricht das Überwiegen von Wohnnutzung, die in einem Gewerbegebiet weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig ist (vgl. § 8 Abs. 2 und 3 BauNVO) und die im Kerngebiet allein ausnahmsweise zulässig wäre (vgl. § 7 Abs. 3 BauNVO), also – wie hier – gegenüber der kerngebietstypischen Nutzung nicht überwiegen darf. Außerdem fehlt es für die Einordnung dieser Umgebung als Kerngebiet an den dafür typischen, zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur (vgl. § 7 Abs. 1 BauNVO). 64Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB fügt sich ein Vorhaben seiner Art nach in die Eigenart der näheren Umgebung ein, wenn es den aus seiner Umgebung ableitbaren Rahmen einhält, indem es dort ein "Vorbild" oder eine "Entsprechung" findet, es sei denn, das Vorhaben würde es an der gebotenen Rücksichtnahme auf die Umgebungsbebauung fehlen lassen. 65Vgl. OVG NRW, Urteil vom 11. Juli 2017 – 2 A 470/15 –,Rn. 63 juris. 66Dies ist für das streitgegenständliche Wettbüro, das – wie oben dargelegt – bauplanungsrechtlich als Vergnügungsstätte einzuordnen ist, der Fall. 67Bei der danach zu entscheidenden Frage, ob sich ein Vorhaben nach der Art der baulichen Nutzung im Rahmen der Umgebungsbebauung hält, ist auf typisierte Nutzungsarten abzustellen. Grundsätzlich kann an die Typisierung der Nutzungsarten in der BauNVO angeknüpft werden, denn diese stellt – grundsätzlich – eine sachverständige Konkretisierung moderner Planungsgrundsätze dar. Andererseits muss angesichts der Beurteilung, dass vorliegend § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. BauNVO nicht zur Anwendung kommt, für die Frage, ob sich ein Vorhaben nach seiner Nutzungsart in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, allein auf die konkrete, tatsächlich vorhandene Bebauung abgestellt werden, 68vgl. BVerwG, Urteil vom 23. März 1994 – 4 C 18.92 –, juris. 69Dabei ist in der Rechtsprechung des OVG NRW grundsätzlich anerkannt, dass die Vorbildwirkung einer Vergnügungsstätte sich auch auf andere Arten von Vergnügungsstätten erstreckt, 70vgl. OVG NRW, Urteil vom 9. August 2018 – 7 A 2554/16 –, Rn. 52 juris, 71mithin eine in der Umgebung vorhandene (ggfs. kerngebietstypische) Spielhalle regelmäßig Vorbild für eine weitere Vergnügungsstätte auch in Form eines Wettbüros ist, 72vgl. OVG NRW , Urteil vom 17. August 2020 – 2 A 691/17 –, Rn. 112 juris. 73Danach fügt sich das von der Klägerin geplante Wettbüro als Vergnügungsstätte in die nähere Umgebung, in der es bereits eine prägende (kerngebietstypische) Vergnügungsstätte gibt, ein. Dies gilt umso mehr, als sich das geplante Vorhaben (unter 100 m² Wettbürofläche, 2 Flachbildschirme und 11 Sitzgelegenheiten) nach den Kriterien zur Einordnung von kerngebietstypischen Vergnügungsstätten, 74vgl. allgemein OVG Saarland, Beschluss vom 27. November 2019 – 2 A 287/19 –, Rn. 15 juris und OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. Januar 2018 – OVG 2 S 37.17 –, Rn. 12 juris, 75selbst als nichtkerngebietstypische Vergnügungsstätte erweist und daher keine im Vergleich zur bereits vorhandenen kerngebietstypischen Vergnügungsstätte höheren, negativen Auswirkungen auf die Umgebung erwarten lässt. 76Es bleibt dementsprechend auch in Bezug auf das im Anschluss an das Einfügen in den vorhandenen Rahmen zu prüfende Gebot der Rücksichtnahme nicht zu erwarten, dass das Vorhaben zu einer unzumutbaren Zunahme von bauplanungsrechtlich relevanten Spannungen in der näheren Umgebung führen wird. Denn diese ist nicht nur bereits erheblich gewerblich geprägt, sondern wird zugleich durch das jahrzehntelange Bestehen einer kerngebietstypischen Spielhalle mit definiert. Dass das Hinzutreten des Vorhabens mit seinen (noch) geringen Ausmaßen dabei auch in Kombination mit der Spielhalle erheblich zur Verschlechterung der momentan vorhandenen, nachbarliche Situation – insbesondere der vorhandenen Wohnnutzungen – führen würde, ist für die Kammer weder ersichtlich, noch von der Beklagten substantiiert vorgetragen worden. 77Abschließend bestehen keine Zweifel daran, dass sich das Vorhaben, bei welchem es sich um eine Nutzungsänderung bereits vorhandener Gewerberäume und nicht um eine Neuerrichtung handelt, im Übrigen in die durch die Bauvorfrage beschränkten, bauplanungsrechtlichen Kriterien (des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB) einfügt, mithin insgesamt bauplanungsrechtlich zulässig ist. 78Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 und 2 Zivilprozessordnung. 79Rechtsmittelbelehrung: 80Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn 811. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 822. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 833. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 844. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 855. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. 86Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, zu beantragen. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich einzureichen. 87Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 88Im Berufungsverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO.
die beklagte wird unter aufhebung ihres bescheides vom 27. august 2019 verpflichtet, der klägerin den von ihr beantragten bauvorbescheid für die nutzungsänderung von gewerbeflächen zu einem wettbüro mit sitzplätzen zur annahme von sportwetten zu erteilen. die beklagte trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten gegen leistung einer sicherheit in höhe von 110 % des aufgrund des urteils zu vollstreckenden betrages vorläufig vollstreckbar. 1
2die klägerin begehrt einen bauplanungsrechtlichen bauvorbescheid für die umnutzung von zuvor durch einen optikerbetrieb genutzter gebäudeflächen in ein wettbüro auf dem grundstück h. n. , flur , flurstück (postalische anschrift: n1. -m. -t. in n. ). 3das vorhabengrundstück befindet sich an der kreuzung n1. -m. -t. / c.-------straße im stadtteil n. -c1. . es ist mit einem fünfgeschossigen gebäude bebaut. im erdgeschoss liegen die gewerberäume. in den obergeschossen befinden sich wohnnutzungen. 4östlich des vorhabengrundstücks befinden sich entlang der n1. -m. -t. (hausnummern bis ) wohnnutzungen in mehrfamilienhäusern sowie mehrere soziale, religiöse bzw. gesundheitliche einrichtungen (ev. kirchengemeinde mit gemeindezentrum, kindertagesstätte, heilpädagogisches zentrum etc.). im westen und im süden des vorhabengrundstückes bzw. entlang der c.-------straße finden sich ein- bzw. zweifamilienhäuser (c.-------straße nr. bis ) und mehrgeschossige mehrfamilienhäuser (c.-------straße nr. und aufsteigend). in den gebäuden der c.-------straße vom kreuzungsbereich mit der i. t. im süden des vorhabengrundstücks bis zum kreuzungsbereich mit der c2. - bzw. t1.-------straße nordwestlich des vorhabengrundstücks finden sich zudem bei der überwiegenden anzahl der grundstücke neben den wohnnutzungen (in den obergeschossen) in den erdgeschossen der gebäude eine vielzahl gewerblicher nutzungen (z.b. diverse gastronomiebetriebe und kleinflächige einzelhändler, eine bankfiliale, dienstleistungsbetriebe wie friseure und kosmetikstudios, ein bestattungsunternehmen, eine spielhalle (ca. 155 m² spielfläche) und büroflächen (versicherungsmakler, steuerberater, rechtsanwälte etc.)). vereinzelt (z.b. hausnummer 000 und 0000) befinden sich diese nutzungen in form von büroflächen auch im ersten obergeschoss der gebäude. entlang der t1.-------straße im westen des vorhabengrundstücks bzw. vom kreuzungsbereich der t1.-------straße mit der c.-------straße bis hin zum kreuzungsbereich der t. mit der i. t. (t1.-------straße nr. 000 bis 000) befinden sich in einer großen anzahl der vorhandenen gebäude neben den dortigen wohnnutzungen diverse gewerbliche, kleinflächige nutzungen (bio-supermarkt, kfz-ersatzteilehändler, bäckerei, rechtsanwaltskanzlei etc.), sowie ein großflächiger supermarkt mit getränke-center (t1.-------straße nr. 00000). 5zur verdeutlichung der umgebung wird auf den nachfolgenden kartenausschnitt verwiesen: 6 t1.-------straße c.-------straße vorhabengrundstück 7 8i. t. n1. -m. -t. t2. t. 9mit antrag vom 23. mai 2019 beantragte die klägerin die erteilung eines bauvorbescheides zur „nutzungsänderung von gewerbeflächen zu einem wettbüro mit sitzplätzen (vergnügungsstätte) zur annahme von sportwetten“. als fragestellung zum vorbescheid gab sie an: „ist es planungsrechtlich zulässig die bestehenden gewerbeflächen (ehemaliger optikerbetrieb) in ein wettbüro umzunutzen?“. 10nach der beigefügten betriebsbeschreibung bzw. den bauvorlagen, sollen die ehemaligen verkaufsflächen des optikerbetriebes im erdgeschoss des gebäudes zur annahme von sportwetten mit sitzplätzen zum verweilen der gäste umgestaltet und ein gäste-wc installiert werden. dabei sollen für das eigentliche „wettbüro“ eine fläche von 96,9 m² mit 11 sitzgelegenheiten und 2 flachbildschirmen, sowie weitere flächen für den servicebereich (15 m²), einen abstellraum (30,5 m²) bzw. den flur- und toilettenbereich (zusammen 42,4 m²) genutzt werden. 11mit schreiben vom 13. juni 2019 hörte die beklagte die klägerin zu ihrer absicht an, den antrag abzulehnen. mit anwaltlichem schreiben vom 19. juni 2019 führte der prozessbevollmächtigte der klägerin auf das anhörungsschreiben der beklagten u.a. aus: das vorhaben befinde sich nicht in einem wohngebiet, sondern in einem mischgebiet im sinne von § 6 baunvo. hierfür spreche das vorhandensein einer vielzahl von gewerblichen neben wohnnutzungen. dieses nebeneinander sei typisch für ein mischgebiet. da es sich bei dem an die n1. -m. -t. angrenzenden teil der c.-------straße zudem um die haupteinkaufsstraße des stadtteils handle, welcher überwiegend gewerblich geprägt sei, müsse das vorhaben als vergnügungsstätte gem. § 6 abs. 2 nr. 8 baunvo zugelassen werden. 12am 18. juli 2019 hörte die beklagte die klägerin erneut zu ihrer absicht an, die bauvoranfrage abzulehnen, da selbst bei annahme eines mischgebiets das vorhabengrundstück nicht in einem bereich liege, der überwiegend gewerblich geprägt sei. der prozessbevollmächtigte der klägerin wies mit schreiben vom 23. juli 2019 insbesondere darauf hin, dass eine überwiegende, gewerbliche prägung sich bereits daraus ergebe, dass einerseits alle erdgeschossnutzungen auf der c.-------straße gewerblich seien, teilweise sogar die obergeschosse ebenfalls gewerblich genützt würden und andererseits die in den obergeschossen vorhandenen wohnnutzungen eher in den hintergrund rückten. 13mit bescheid vom 27. august 2019, der klägerin am 28. august 2019 zugestellt, lehnte die beklagte die bauvoranfrage der klägerin ab. zur begründung führte sie u.a. aus: das vorhaben, welches mangels eines baubauungsplans nach § 34 baugb zu beurteilen sei, sei bauplanungsrechtlich unzulässig. in mischgebieten, wie der näheren umgebung des vorhabens, seien vergnügungsstätten, sofern sie ihrem charakter nach nicht kerngebietstypisch seien, zwar allgemein gemäß § 6 abs. 2 nr. 8 baunvo zulässig, allerdings nur in teilen des mischgebiets, die überwiegend durch gewerbliche nutzungen geprägt seien. in den übrigen teilen seien sie gemäß § 6 abs. 3 baunvo nur ausnahmsweise zulässig. 14die nähere umgebung des vorhabens bestimme sich durch die beidseitig der c.-------straße bestehende mehrgeschossige, überwiegend geschlossene bebauung. diese sei hier durch eine gewerbliche nutzung im erdgeschoss und eine überwiegende wohnnutzung in den obergeschossen gekennzeichnet. vereinzelt finde man im obergeschoss gewerbliche nutzungen in form von räumen für freie berufe im sinne des § 13 baunvo. auch wenn die gewerblich genutzte erdgeschosszone entlang der c.-------straße aufgrund der schaufenster und werbeanlagen den betroffenen teil des mischgebiets optisch dominiere, werde doch der größere teil der überwiegend vier- bis fünfgeschossigen gebäude zu wohnzwecken genutzt. dies sei sowohl optisch an den deutlich erkennbar zu wohnzwecken genutzten obergeschossen ablesbar, vor allem aber sei der überwiegende teil der geschossfläche der wohnnutzung zuzurechnen. 15das geplante wettbüro liege demnach nicht in einem teil des mischgebiets, welches überwiegend durch gewerbliche nutzungen geprägt sei. 16es könne auch nicht ausnahmsweise zugelassen werden. bei der ausnahmsweisen zulässigkeit nach § 6 abs. 3 baunvo handele es sich um eine kann-regelung. besondere aspekte des vorhabens, die eine ausnahme rechtfertigen würden, seien nicht erkennbar, zumal im süden im bereich n1. -m. -t. ein wohngebiet angrenze und östlich der c.-------straße gemeinnützige einrichtungen, wie z. b. ein kindergarten, also schutzwürdige nutzungen, bestünden. 17am 4. september 2019 hat die klägerin klage erhoben. zur begründung führt sie im wesentlichen aus: 18sie habe einen anspruch auf erteilung des beantragten bauvorbescheides, da dem vorhaben öffentlich-rechtliche vorschriften nicht entgegenstünden. die planungsrechtliche zulässigkeit des vorhabens beurteile sich nach § 34 abs. 2 baugb i.v.m. § 6 baunvo. die eigenart der näheren umgebung entspreche einem faktischen mischgebiet. geprägt werde das vorhabengrundstück durch die bebauung auf beiden seiten der c.-------straße . hier befinde sich der zugang zu dem geschäftslokal. die c.-------straße zeichne sich in dem hier maßgebenden bereich durch eine nahezu durchgehende gewerbliche nutzung in den erdgeschosslagen und eine gemischte gewerbe- bzw. wohnnutzung in den obergeschossen aus. 19in mischgebieten seien nichtkerngebietstypische vergnügungsstätten – wie das beantragte wettbüro - nach § 6 abs. 2 nr. 8 baunvo in denjenigen teilen des mischgebiets, die überwiegend durch gewerbliche nutzungen geprägt seien, allgemein zulässig. das vorhabengrundstück liege in einem überwiegend durch gewerbliche nutzungen geprägten teil des mischgebiets und sei daher nach § 6 abs. 2 nr. 2 baunvo allgemein zulässig. für die beurteilung der frage, ob ein teilbereich des mischgebiets überwiegend gewerblich geprägt sei, komme es auf eine wertende gesamtbetrachtung an. hierfür spiele insbesondere die nutzung im erdgeschoss eine wesentliche rolle, da diese die eigenart der näheren umgebung deutlich nachhaltiger präge, als dies bei nutzung im obergeschoss der fall sei. insbesondere das in unmittelbarer nachbarschaft zu dem streitbefangenen grundstück gelegene geschäftsgebäude der volksbank sowie die sich auf der gegenüberliegenden straßenseite befindende spielhalle hätten gebietsprägenden charakter und ließen die gewerbliche nutzung eindeutig in den vordergrund treten. 20unabhängig hiervon lägen aber auch die voraussetzungen für eine ausnahmsweise zulassung nach § 6 abs. 3 baunvo vor. die erteilung einer ausnahme setze nach § 31 abs. 1 baugb voraus, dass ein vorhaben aufnahmefähig sei. das sei der fall, wenn der zulassung keine gründen im sinne des § 15 abs. 1 baunvo oder von vergleichbarem gewicht entgegenstünden und der ausnahmecharakter der nutzung gewahrt bleibe. 21städtebauliche gründe, weshalb die erstmalige errichtung eines wettbüros in einem überwiegend durch gewerbliche nutzung geprägten bereich nicht ausnahmsweise zulässig sein solle, seien nicht erkennbar. die maßgebende umgebungsbebauung werde geprägt durch eine vielzahl von geschäftslokalen ganz unterschiedlicher art. innerhalb der bandbreite der vorhandenen gewerbebetriebe stelle das geplante wettbüro keinen fremdkörper dar. vielmehr gehörten solche wettbüros zum alltäglichen erscheinungsbild von geschäftsstraßen, wie sie die c.-------straße in dem hier maßgebenden bereich darstelle. 22die klägerin beantragt, 23die beklagte unter aufhebung ihres bescheides vom 27. august 2019 zu verpflichten, ihr den beantragten bauvorbescheid für die nutzungsänderung von gewerbeflächen zu einem wettbüro mit sitzplätzen zur annahme von sportwetten zu erteilen. 24die beklagte beantragt, 25die klage abzuweisen. 26die beklagte nimmt zur begründung im wesentlichen bezug auf die begründung ihres ablehnungsbescheides vom 27. august 2019 und hält an der dortigen bauplanungsrechtlichen einschätzung der näheren umgebung als faktisches mischgebiet ohne überwiegend gewerblich geprägten charakter fest. 27der berichterstatter hat die örtlichkeit am 24. august 2021 in augenschein genommen. bzgl. der einzelheiten wird auf das ortsterminprotokoll und die gefertigten lichtbilder bezug genommen. 28
29die zulässige klage ist begründet. 30die klägerin hat einen anspruch auf erteilung des begehrten bauplanungsrechtlichen vorbescheids zur nutzungsänderung von gewerbeflächen zu einem wettbüro mit sitzplätzen zur annahme von sportwetten auf dem grundstück h. n. , flur 0000, flurstück 0000 (postalische anschrift: n1. -m. -t. 1 in 0000 n. ). 31maßgeblich ist die sach- und rechtslage im zeitpunkt der gerichtlichen entscheidung, 32vgl. bverwg, urteil vom 29. januar 2009 – 4 c 16.07 –, rn. 11 juris, ovg nrw, urteile vom 17. april 2018 – 2 a 911/16 –, rn. 49 juris und vom 1. februar 2010 – 7 a 1635/07 –, rn. 56 juris. 33mithin die bauordnung für das land nordrhein-westfalen vom 21. juli 2018 (bauo nrw). 34nach § 77 abs. 1 i.v.m. § 74 abs. 1 bauo nrw ist auf antrag der bauherrin oder des bauherrn zu einzelnen fragen des bauvorhabens ein vorbescheid zu erteilen, wenn dem vorhaben bezüglich dieser fragen keine öffentlich-rechtlichen vorschriften entgegenstehen. 35vorliegend stehen dem vorhaben der klägerin öffentlich-rechtliche vorschriften des bauplanungsrechts nicht entgegen. 36mangels eines bebauungsplans beurteilt sich die bauplanungsrechtliche zulässigkeit des im städtebaulichen innenbereich gelegenen vorhabens der klägerin nach § 34 baugb. 37nach § 34 abs. 1 baugb ist innerhalb eines im zusammenhang bebauten ortsteils ein vorhaben zulässig, wenn es sich nach art und maß der baulichen nutzung, der bauweise und der grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die eigenart der näheren umgebung einfügt und die erschließung gesichert ist. entspricht die eigenart der näheren umgebung einem der baugebiete der baunvo, beurteilt sich die zulässigkeit des vorhabens nach seiner art allein danach, ob es nach dieser verordnung in dem baugebiet allgemein zulässig wäre, § 34 abs. 2 baugb. 38bei dem vorhaben handelt es sich (unstreitig) um eine vergnügungsstätte in der form eines wettbüros. eine solche ist regelmäßig u. a. dann anzunehmen, wenn sogenannte live-wetten angeboten werden. 39vgl. ovg nrw, beschluss vom 20. april 2018 – 7 a 85/17 –, rn. 4 f. juris, m. w. n. 40nach der betriebsbeschreibung, den bauvorlagen und den angaben in der klageschrift vom 30. august 2019 soll das publikum die möglichkeit haben, sich während der sportveranstaltung in den räumen des wettbüros aufzuhalten und die sportereignisse, auf die gewettet wurden, zu verfolgen und im geselligen zusammensein ggfs. weitere wetten abzuschließen. in dem lageplan sind zu diesem zweck zwei großflächige monitore eingezeichnet. auch sollen tische und stühle aufgestellt werden. das konzept ist gerade auf live-wetten ausgerichtet. dementsprechend ist auch der antrag formuliert: nutzungsänderung von gewerbeflächen zu einem wettbüro mit sitzplätzen (vergnügungsstätte) zur annahme von sportwetten. 41das wettbüro als vergnügungsstätte fügt sich nach der art der nutzung in die eigenart der maßgeblichen näheren umgebung ein. 42die für die beurteilung des einfügens eines bauvorhabens maßgebliche „nähere umgebung“ wird dadurch ermittelt, dass in zwei richtungen, nämlich in richtung vom vorhaben auf die umgebung und in richtung von der umgebung auf das vorhaben geprüft wird, wie weit die jeweiligen auswirkungen reichen. dabei wird die nähere umgebung hinsichtlich der art der baulichen nutzung in der regel weiter zu bemessen sein als z.b. bei der überbaubaren grundstücksfläche oder beim maß der baulichen nutzung, weil bei den zuletzt genannten merkmalen die prägung in ihrer reichweite im allgemeinen hinter den von der art der baulichen nutzung ausgehenden wirkungen zurückbleibt. entscheidend bleiben in jedem fall die tatsächlichen verhältnisse im einzelfall. 43vgl. bverwg, beschluss vom 13. mai 2014 – 4 b 38.13 –, rn. 7 juris; ovg nrw, urteil vom 11. juli 2017 – 2 a 471/15 –,rn. 45 f. juris, m.w.n. 44die grenzen der näheren umgebung lassen sich dabei nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der tatsächlichen städtebaulichen situation zu bestimmen, in die das für die bebauung vorgesehene grundstück eingebettet ist. diese kann so beschaffen sein, dass die grenze zwischen näherer und fernerer umgebung dort zu ziehen ist, wo zwei jeweils einheitlich geprägte bebauungskomplexe mit voneinander verschiedenen bau- und nutzungsstrukturen aneinanderstoßen. der grenzverlauf der näheren umgebung ist jedoch nicht davon abhängig, dass die unterschiedliche bebauung durch eine künstliche oder natürliche trennlinie (straße, schienenstrang, gewässerlauf, geländekante etc.) entkoppelt ist. eine solche linie hat bei einer beidseitig andersartigen siedlungsstruktur nicht stets eine trennende funktion. umgekehrt führt ihr fehlen nicht dazu, dass benachbarte bebauungen stets als miteinander verzahnt anzusehen sind und insgesamt die nähere umgebung ausmachen. 45vgl. bverwg, beschluss vom 28. august 2003 – 4 b 74.03 –, juris. 46nach den vorstehenden maßstäben und dem im ortstermin gewonnenen eindruck des berichterstatters, den er der kammer vermittelt hat, wird die maßgebliche nähere umgebung im süden durch die i. t. und im osten durch die t2. t. begrenzt, so dass sich die nähere umgebung von dort aus nach westen und norden erstreckt. 47die südlich der i. t. liegende bebauung ist unberücksichtigt zu lassen, weil dieser t. trennende wirkung zukommt. sie ist dort vierspurig ausgebaut. in ihrer mitte verläuft ein grünstreifen von ca. 10 m breite. auf der südlichen seite befinden sich zudem ein theater, ein finanzamt und ein krankenhaus und damit von der nördlich der i. t. gelegenen bebauung, die von wohn- und einzelhandelsnutzung geprägt ist, abweichende nutzungsarten. nach osten endet die maßgebliche nähere umgebung an der t2. t. . auf höhe des vorhabengrundstücks befinden sich östlich der t2. t. park- bzw. grünflächen mit einem see und die daran anschließenden, die umgebung dort prägenden andersartigen baulichen nutzungen in form von verwaltungsgebäuden (rathaus der beklagten) und einem einkaufszentrum („n2. t3. “). damit weicht auch nach osten die nutzungsstruktur wesentlich von den westlich der t2. t. bis zum vorhabengrundstück befindlichen wohnnutzungen bzw. sozialen einrichtungen ab. 48zu der sich von der t2. t. nach westen und von der i. t. nach norden sich erstreckenden umgebung gehört auch die bebauung beidseits der in nördlicher richtung verlaufenden c.-------straße , beginnend an der einmündung der n1. -m. t. in die c.-------straße , wo auch das vorhabengrundstück liegt, bis zum kreuzungsbereich der c.-------straße mit der c2. - bzw. t1.-------straße . hier findet sich eine nahezu gleichförmige bebauung mit einem nebeneinander von wohn- und gewerbenutzung. wann die das vorhabengrundstück beeinflussende und vom vorhaben beeinflusste umgebung nach westen oder norden ihren abschluss findet, kann offen bleiben. denn in jedem fall ihrer weiteren abgrenzung stellt sich der dann zu betrachtende bereich als eine gemengelage dar, in welchem das beantragte wettbüro nach der art der baulichen nutzung zulässig ist, weil es in ihm ein vorbild findet. 49der bereich lässt sich nicht im sinne von § 34 abs. 2 baugb einem faktischen baugebiet nach der baunvo zuordnen. 50nach § 34 abs. 1 satz 1 baugb richtet sich die planungsrechtliche zulässigkeit baulicher vorhaben im unbeplanten innenbereich nach dem sich aus der in der näheren umgebung vorhandenen bebauung ergebenden maßstab. das bedeutet, dass alles an bebauung in den blick zu nehmen ist, was in der näheren umgebung tatsächlich vorhanden ist. eine beschränkung auf das, was von der vorhandenen bebauung städtebaulich wünschenswert oder auch nur vertretbar ist, darf insoweit nicht vorgenommen werden. 51vgl. bverwg, urteile vom 26. mai 1978 – 4 c 9.77, und vom 15. februar 1990 – 4 c 23.86 –, beide juris. 52auch eine vorhandene, aber nicht genehmigte bebauung bzw. nutzung ist zu berücksichtigen, sofern sie in einer weise geduldet wird, die keine zweifel daran lässt, dass die zuständigen behörden sich mit ihrem vorhandensein abgefunden haben. es ist daher unbeachtlich, ob die vorhandene bebauung oder die ausgeübte nutzung materiell illegal ist, solange die zuständigen behörden den zustand dulden. solange dieser zustand andauert, nimmt die vorhandene bebauung - mag sie auch illegal sein - an der qualifizierung der vorhandenen situation teil. so kann aus einem ehemals materiell rechtswidrigen zustand letztlich ein nach § 34 baugb zu beurteilender, nunmehr rechtmäßiger zustand werden. 53vgl. bverwg, beschlüsse vom 11. februar 2000 – 4 b 1.00 – und vom 23. november 1998 – 4 b 29.98 –, beide juris. 54die betrachtung muss dabei auf das wesentliche zurückgeführt werden, d.h. es muss alles außer acht gelassen werden, was die vorhandene bebauung nicht prägt oder in ihr als fremdkörper erscheint. baulichkeiten, die als fremdkörper erscheinen, sind aber nur dann außer betracht zu lassen, wenn sie wegen ihrer andersartigkeit bzw. einzigartigkeit den charakter der umgebung nicht zu beeinflussen vermögen, was dann bei wertender betrachtung der gegebenheiten des einzelfalls zu ermitteln ist. 55vgl. bverwg, urteil vom 15. februar 1990 – 4 c 23.86 –, sowie beschlüsse vom 19. april 2005 – 4 b 13.05 – und vom 11. juli 2002 – 4 b 30.02 –, alle juris. 56unter anwendung dieser grundsätze ist in der beschriebenen näheren umgebung insgesamt ein überwiegen der wohnnutzung festzustellen, wobei sich diese sowohl als reine wohnnutzung der gebäude (wie z.b. an der n1. -m. t. hausnummer 000 bis 000), als auch als gemischte nutzung zusammen mit gewerbe (z.b. c.-------straße hausnummer 00 bis 000) findet. gewerbliche nutzungen in form von kleinflächigen ladenlokalen oder gastronomie finden sich in diesem bereich im überwiegenden teil der erdgeschosse der c1. -, c2. - und t1.-------straße , wobei in einer gesamtschau in keinem teilbereich der näheren umgebung ein deutliches überwiegen der gewerblichen nutzung im vergleich zur wohnnutzung festzustellen ist. 57im westen findet sich an der t1.-------straße (i1. ) zudem ein großflächiger supermarkt, welcher sich an die kleinflächigen gewerbebetriebe der t1.-------straße anschließt und nicht als fremdkörper in der umgebung anzusehen ist. es ist schon wegen der in den stadtteil c1. integrierten lage und dem angebotenen verkaufssortiment des täglichen bedarfs, welches mit den übrigen einzelhändlern in diesem bereich vergleichbar ist, nicht erkennbar, dass er wegen seiner andersartigkeit bzw. einzigartigkeit den charakter der umgebung nicht zu beeinflussen vermag. 58die umgebung prägende vergnügungsstätten finden sich in dem beschriebenen bereich in form der spielhalle auf dem grundstück c.-------straße 0000. diese stellt sich sowohl nach den eindrücken im ortstermin, als auch ausweislich der von der beklagten übersandten verwaltungsvorgänge zur spielhallenrechtlichen erlaubnis, als kerngebietstypische vergnügungsstätte dar, da die dort betriebene spielfläche von ca. 155 m² den in der verwaltungsgerichtlichen rechtsprechung hierfür maßgeblichen schwellenwert von 100 m², 59vgl. ovg nrw, beschluss vom 15. juni 2012 – 2 a 2992/11 –,rn. 15 juris, m.w.n., 60erheblich überschreitet. ob die spielhalle dagegen – was ausweislich der verwaltungsvorgänge der beklagten nicht ausgeschlossen werden kann – ggfs. unter abweichung der ursprünglichen baugenehmigung bzw. ausschließlich mit einer vorläufigen gewerberechtlichen genehmigung im vorgefundenen umfang betrieben wird, kann dahinstehen. nach den obigen maßstäben kommt es auf diese frage nicht an. die beklagte hat in der vergangenheit in keiner weise zu erkennen gegeben, dass sie sich nicht mit der faktisch vorhandenen spielhallennutzung auf dem grundstück abgefunden hat und deren zustand zumindest duldet. auch in der mündlichen verhandlung hat die terminsvertreterin der beklagten nicht erklärt, die beklagte werde nunmehr gegen die durch das vorliegende verfahren in den fokus gelangte spielhalle (bau-)ordnungsrechtlich vorgehen. 61bei dem damit hinsichtlich der art der baulichen nutzung maßgeblichen bereich handelt es sich nicht um ein (reines oder allgemeines) faktisches wohngebiet i.s.d. § 3 bzw. 4 baunvo, da die erhebliche anzahl (auch störender) gewerbebetriebe eine einordnung der umgebung als gebiet, welches hauptsächlich dem wohnen dient (vgl. § 3 abs. 1 und § 4 abs. 1 baunvo), ausschließt. 62entgegen der ansicht der beteiligten scheidet die einstufung als mischgebiet i. s. d. § 6 baunvo aus. dieses ist seiner zweckbestimmung nach durch die prinzipielle gleichrangigkeit von wohnen und das wohnen nicht wesentlich störenden gewerbebetrieben gekennzeichnet (vgl. § 6 abs. 1 baunvo). dies ist hier nicht der fall. zum einen ist aus den genannten gründen insgesamt von einem (noch deutlichen) überwiegen der wohnnutzung auszugehen. zum anderen befinden sich in der maßgeblichen umgebung mit dem großflächigen einzelhandelsbetrieb am westlichen rand der maßgeblichen näheren umgebung und der (kerngebietstypischen) spielhalle an der c.-------straße gewerbliche nutzungen, die nicht in ein mischgebiet gehören bzw. die das wohnen wesentlich stören. 63gegen eine einstufung des bereichs als faktisches gewerbegebiet (§ 8 baunvo) bzw. kerngebiet (§ 7 baunvo) spricht das überwiegen von wohnnutzung, die in einem gewerbegebiet weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig ist (vgl. § 8 abs. 2 und 3 baunvo) und die im kerngebiet allein ausnahmsweise zulässig wäre (vgl. § 7 abs. 3 baunvo), also – wie hier – gegenüber der kerngebietstypischen nutzung nicht überwiegen darf. außerdem fehlt es für die einordnung dieser umgebung als kerngebiet an den dafür typischen, zentralen einrichtungen der wirtschaft, der verwaltung und der kultur (vgl. § 7 abs. 1 baunvo). 64nach § 34 abs. 1 satz 1 baugb fügt sich ein vorhaben seiner art nach in die eigenart der näheren umgebung ein, wenn es den aus seiner umgebung ableitbaren rahmen einhält, indem es dort ein "vorbild" oder eine "entsprechung" findet, es sei denn, das vorhaben würde es an der gebotenen rücksichtnahme auf die umgebungsbebauung fehlen lassen. 65vgl. ovg nrw, urteil vom 11. juli 2017 – 2 a 470/15 –,rn. 63 juris. 66dies ist für das streitgegenständliche wettbüro, das – wie oben dargelegt – bauplanungsrechtlich als vergnügungsstätte einzuordnen ist, der fall. 67bei der danach zu entscheidenden frage, ob sich ein vorhaben nach der art der baulichen nutzung im rahmen der umgebungsbebauung hält, ist auf typisierte nutzungsarten abzustellen. grundsätzlich kann an die typisierung der nutzungsarten in der baunvo angeknüpft werden, denn diese stellt – grundsätzlich – eine sachverständige konkretisierung moderner planungsgrundsätze dar. andererseits muss angesichts der beurteilung, dass vorliegend § 34 abs. 2 baugb i.v.m. baunvo nicht zur anwendung kommt, für die frage, ob sich ein vorhaben nach seiner nutzungsart in die eigenart der näheren umgebung einfügt, allein auf die konkrete, tatsächlich vorhandene bebauung abgestellt werden, 68vgl. bverwg, urteil vom 23. märz 1994 – 4 c 18.92 –, juris. 69dabei ist in der rechtsprechung des ovg nrw grundsätzlich anerkannt, dass die vorbildwirkung einer vergnügungsstätte sich auch auf andere arten von vergnügungsstätten erstreckt, 70vgl. ovg nrw, urteil vom 9. august 2018 – 7 a 2554/16 –, rn. 52 juris, 71mithin eine in der umgebung vorhandene (ggfs. kerngebietstypische) spielhalle regelmäßig vorbild für eine weitere vergnügungsstätte auch in form eines wettbüros ist, 72vgl. ovg nrw , urteil vom 17. august 2020 – 2 a 691/17 –, rn. 112 juris. 73danach fügt sich das von der klägerin geplante wettbüro als vergnügungsstätte in die nähere umgebung, in der es bereits eine prägende (kerngebietstypische) vergnügungsstätte gibt, ein. dies gilt umso mehr, als sich das geplante vorhaben (unter 100 m² wettbürofläche, 2 flachbildschirme und 11 sitzgelegenheiten) nach den kriterien zur einordnung von kerngebietstypischen vergnügungsstätten, 74vgl. allgemein ovg saarland, beschluss vom 27. november 2019 – 2 a 287/19 –, rn. 15 juris und ovg berlin-brandenburg, beschluss vom 29. januar 2018 – ovg 2 s 37.17 –, rn. 12 juris, 75selbst als nichtkerngebietstypische vergnügungsstätte erweist und daher keine im vergleich zur bereits vorhandenen kerngebietstypischen vergnügungsstätte höheren, negativen auswirkungen auf die umgebung erwarten lässt. 76es bleibt dementsprechend auch in bezug auf das im anschluss an das einfügen in den vorhandenen rahmen zu prüfende gebot der rücksichtnahme nicht zu erwarten, dass das vorhaben zu einer unzumutbaren zunahme von bauplanungsrechtlich relevanten spannungen in der näheren umgebung führen wird. denn diese ist nicht nur bereits erheblich gewerblich geprägt, sondern wird zugleich durch das jahrzehntelange bestehen einer kerngebietstypischen spielhalle mit definiert. dass das hinzutreten des vorhabens mit seinen (noch) geringen ausmaßen dabei auch in kombination mit der spielhalle erheblich zur verschlechterung der momentan vorhandenen, nachbarliche situation – insbesondere der vorhandenen wohnnutzungen – führen würde, ist für die kammer weder ersichtlich, noch von der beklagten substantiiert vorgetragen worden. 77abschließend bestehen keine zweifel daran, dass sich das vorhaben, bei welchem es sich um eine nutzungsänderung bereits vorhandener gewerberäume und nicht um eine neuerrichtung handelt, im übrigen in die durch die bauvorfrage beschränkten, bauplanungsrechtlichen kriterien (des § 34 abs. 1 satz 1 baugb) einfügt, mithin insgesamt bauplanungsrechtlich zulässig ist. 78die kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 abs. 1 vwgo. die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit folgt aus § 167 vwgo i.v.m. § 709 satz 1 und 2 zivilprozessordnung. 79rechtsmittelbelehrung: 80gegen dieses urteil steht den beteiligten die berufung an das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. die berufung ist nur zuzulassen, wenn 811. ernstliche zweifel an der richtigkeit des urteils bestehen, 822. die rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche schwierigkeiten aufweist, 833. die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat, 844. das urteil von einer entscheidung des oberverwaltungsgerichts, des bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen senats der obersten gerichtshöfe des bundes oder des bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser abweichung beruht oder 855. ein der beurteilung des berufungsgerichts unterliegender verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die entscheidung beruhen kann. 86die zulassung der berufung ist innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils schriftlich bei dem verwaltungsgericht gelsenkirchen, bahnhofsvorplatz 3, 45879 gelsenkirchen, zu beantragen. der antrag muss das angefochtene urteil bezeichnen. innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils sind die gründe darzulegen, aus denen die berufung zuzulassen ist. die begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem antrag vorgelegt worden ist, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen, aegidiikirchplatz 5, 48143 münster, schriftlich einzureichen. 87auf die unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung von schriftstücken als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 88im berufungsverfahren muss sich jeder beteiligte durch einen prozessbevollmächtigten vertreten lassen. dies gilt auch für den antrag auf zulassung der berufung. der kreis der als prozessbevollmächtigte zugelassenen personen und organisationen bestimmt sich nach § 67 abs. 4 vwgo.
345,184
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6 O 320/20
2022-04-26T00:00:00
Urteil
Tenor 1. Es wird festgestellt, dass folgende Erhöhungen des Monatsbeitrags in der zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Kranken-/Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer ########## jeweils bis zum 30.04.2021 nicht wirksam geworden sind und der Kläger nicht zur Tragung des jeweiligen Erhöhungsbetrags verpflichtet war: a) im Tarif KN2 die Erhöhungen zum 01.01.2012 um 72,15 €,zum 01.01.2014 um 39,04 € und zum 01.01.2020 um 62,32 €, b) im Tarif TNC14 die Erhöhung zum 01.01.2012 um 9,11 €, c) im Tarif PVBT120 die Erhöhung zum 01.05.2020 um 14,38 €, d) im Tarif „Pflege“ die Erhöhung zum 01.05.2020 um 2,26 €. 2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.690,88 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.11.2020 zu zahlen. 3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie bis zum 04.11.2020 aus den Prämienanteilen gezogen hat, die der Kläger vom 01.01.2017 bis zum 31.08.2020 auf die unter Ziffer 1. aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlt hat. 4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 5. Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 74 % und die Beklagte zu 26 % zu tragen. 6. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. 1 6 O 320/20 Verkündet am 26.04.2022 , Justizhauptsekretärals Urkundsbeamter der Geschäftsstelle 2Landgericht DuisburgIM NAMEN DES VOLKESUrteil 3In dem Rechtsstreit 4hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Duisburgauf die mündliche Verhandlung vom 15.03.2022durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht E I, den Richter am Landgericht W und die Richterin E E2 5für Recht erkannt: 61. Es wird festgestellt, dass folgende Erhöhungen des Monatsbeitrags in der zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Kranken-/Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer ########## jeweils bis zum 30.04.2021 nicht wirksam geworden sind und der Kläger nicht zur Tragung des jeweiligen Erhöhungsbetrags verpflichtet war: 7a) im Tarif KN2 die Erhöhungen zum 01.01.2012 um 72,15 €,zum 01.01.2014 um 39,04 € und zum 01.01.2020 um 62,32 €, 8b) im Tarif TNC14 die Erhöhung zum 01.01.2012 um 9,11 €, 9c) im Tarif PVBT120 die Erhöhung zum 01.05.2020 um 14,38 €, 10d) im Tarif „Pflege“ die Erhöhung zum 01.05.2020 um 2,26 €. 112. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.690,88 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.11.2020 zu zahlen. 123. Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie bis zum 04.11.2020 aus den Prämienanteilen gezogen hat, die der Kläger vom 01.01.2017 bis zum 31.08.2020 auf die unter Ziffer 1. aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlt hat. 134. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 145. Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 74 % und die Beklagte zu 26 % zu tragen. 156. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. 16Tatbestand: 17Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragsanpassungen in der privaten Krankenversicherung des Klägers. 18Der bei der Beklagten kranken- und pflegeversicherte Kläger unterhält in der Krankheitskostenversicherung unter anderem die Tarife KN2 und TNC14 sowie eine Pflegetagegeldversicherung (Tarif PVTB120). Daneben unterhält er für die mitversicherte Person H unter anderem eine ergänzende Pflegeversicherung zur gesetzlichen Pflegeversicherung (Tarif „Pflege“). Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (RB/KK 2009) nebst Tarifbedingungen (TB/KK 2009), die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Pflegekrankenversicherung (RB/PV 94) nebst Tarifbedingungen (TB/PV) sowie die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die geförderte ergänzende Pflegeversicherung zur gesetzlichen Pflegeversicherung (MB/GEPV 2017) nebst Tarifbedingungen (TB/GEPV 2017) zugrunde, wegen deren Inhalts auf die Anlagenkonvolute BLD 5 und BLD 6 Bezug genommen wird. 19Zum 01.01.2012, 01.01.2014, 01.01.2015, 01.01.2016, 01.01.2020 und 01.05.2020 erhöhte die Beklagte die Monatsbeiträge um die im Klageantrag zu 1. aufgeführten Beträge. Die Beitragserhöhungen kündigte die Beklagte jeweils im Laufe des dem Vormonat der beabsichtigten Beitragsanpassung vorausgehenden Monats mit einem Anschreiben an, dem jeweils ein Nachtrag zum Versicherungsschein und ein Informationsblatt beigefügt waren, wegen deren Inhalts auf das Anlagenkonvolut BLD 7 Bezug genommen wird. In den Tarifen KN2 und PVTB120 gewährte die Beklagte dem Kläger zur Abmilderung der Beitragserhöhungen zeitlich befristete Gutschriften aus den erfolgsabhängigen Rückstellungen für Beitragsrückerstattung (sog. Limitierungsmittel). Seit dem 01.05.2020 zahlte der Kläger einen monatlichen Gesamtbeitrag in Höhe von 740,02 €, wovon 49,91 € auf die Pflegepflichtversicherung (Tarif PVN) entfielen. 20Der Kläger behauptet eine weitere Beitragserhöhung im Tarif KN2 um 12,07 € zum 01.01.2013 und hält sämtliche Beitragserhöhungen mangels ordnungsgemäßer Begründung für formell unwirksam. Die Beitragserhöhungen im Tarif KN2 zum 01.01.2014 und 01.01.2020 sowie im Tarif „Pflege“ zum 01.05.2020 hält er mangels wirksamer Rechtsgrundlage auch materiell für unwirksam. Mit Anwaltsschreiben vom 31.08.2020 ließ er die Beklagte unter Fristsetzung zur Rückzahlung seiner Ansicht nach überzahlter Beträge und der daraus gezogenen Nutzungen auffordern. 21Mit der am 06.10.2020 eingegangenen und am 04.11.2020 zugestellten Klage beantragt der Kläger, nachdem er die ursprünglichen Anträge zu 1. und 2. teilweise zurückgenommen hat, zuletzt, 221. festzustellen, dass folgende Erhöhungen des Monatsbeitrags in der zwischen ihm und der Beklagten bestehenden Kranken-/Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer ########## unwirksam sind: 23a) in den Tarifen für S 24aa) im Tarif KN2 die Erhöhung zum 01.01.2012 in Höhe von 72,15 €, 25bb) im Tarif TNC14 die Erhöhung zum 01.01.2012 in Höhe von 9,11 €, 26cc) im Tarif KN2 die Erhöhung zum 01.01.2013 in Höhe von 12,07 €, 27dd) im Tarif KN2 die Erhöhung zum 01.01.2014 in Höhe von 39,04 €, 28ee) im Tarif KN2 die Erhöhung zum 01.01.2020 in Höhe von 62,32 €, 29ff) im Tarif PVTB120 die Erhöhung zum 01.05.2020 in Höhe von 14,38 €, 30b) in den Tarifen für H 31aa) im Tarif Pflege die Erhöhung zum 01.05.2020 in Höhe von 2,26 €, 32und er nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet ist, 332. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 12.475,99 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen, 343. festzustellen, dass die Beklagte 35a) ihm zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie aus dem Prämienanteil gezogen hat, den er auf die unter 1. aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlt hat, 36b) die nach 3. a) herauszugebenden Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu verzinsen hat, 374. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 1.314,28 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit für die außergerichtliche anwaltliche Rechtsverfolgung zu zahlen. 38Die Beklagte beantragt, 39die Klage abzuweisen. 40Sie verteidigt die Beitragserhöhungen und redet Verjährung ein. 41In der Klageerwiderung vom 19.02.2021, die den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 02.03.2021 zugestellt worden ist, hat die Beklagte unwidersprochen mitgeteilt, dass die streitgegenständlichen Beitragsanpassungen jeweils durch eine Abweichung der erforderlichen von den kalkulierten Versicherungsleistungen und im Tarif „Pflege“ zusätzlich durch eine Abweichung der Sterbewahrscheinlichkeit um die in der Klageerwiderung mitgeteilten Prozentsätze ausgelöst worden seien. 42Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. 43Entscheidungsgründe: 44I. 45Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gemäß § 13 GVG auch für die Ansprüche hinsichtlich der Pflegetageldtarife PVTB120 und „Pflege“ eröffnet. Soweit aus den von der Beklagten vorgelegten Versicherungsbedingungen (Anlagenkonvolute BLD 5 und und BLD 6) ersichtlich ist, stellen der Tarif PVTB120 eine freiwillige Ergänzung zu der daneben bestehenden privaten Pflegepflichtversicherung des Klägers (Tarif PVN) und der Tarif „Pflege“ der mitversicherten H eine freiwillige Ergänzung zu deren gesetzlicher Pflegeversicherung dar. Eine abdrängende Sonderzuweisung gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG besteht insoweit nicht, da solche Pflegezusatzversicherungen weder einem Kontrahierungszwang noch inhaltlichen Vorgaben nach dem SGB XI unterliegen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.09.2021, L 4 P 1402/21 B, juris Rn. 20 f.). 46II. 47Die Klage hat teilweise Erfolg. 481. 49Der Feststellungsantrag zu 1. ist teils unzulässig. Im Übrigen hat er in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. 50a) 51Das Feststellungsbegehren zu 1. a) cc) ist unzulässig. 52Soweit der Kläger die Unwirksamkeit einer vermeintlichen Beitragserhöhung im Tarif KN2 um 12,07 € zum 01.01.2013 festgestellt wissen möchte, fehlt es an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis, da die Beklagte ausweislich der vorgelegten Unterlagen zum 01.01.2013 keine Beitragserhöhung (und entgegen ihrer Darstellung auch keine Neuberechnung der Limitierungsmittel) vorgenommen hat. Vielmehr ergibt sich aus einem Vergleich des Nachtrags zum Versicherungsschein vom November 2011 in Verbindung mit dem gesondertem Anschreiben vom November 2011 (Anlage BLD 7-1) und dem Nachtrag zum Versicherungsschein vom November 2012 (Anlage BLD 7-5), dass sowohl der monatlich zu zahlende Tarifbeitrag (445,57 €) als auch die monatliche Gutschrift aus Limitierungsmitteln (12,07 €) unverändert blieben. 53b) 54Die übrigen Feststellungsbegehren sind zulässig und teilweise begründet. 55aa) 56Ein feststellungsfähiges gegenwärtiges Rechtsverhältnis liegt insoweit vor, da allein mit dem daneben erstrebten Leistungsurteil auf Rückzahlung überzahlter Beiträge nicht rechtskräftig festgestellt wäre, dass der Kläger zukünftig nicht zur Zahlung des sich aus der Beitragsanpassung ergebenden Erhöhungsbetrags verpflichtet ist (vgl. BGH, Urteil vom 19.12.2018, IV ZR 255/17, Rn. 17; Urteil vom 16.12.2020, IV ZR 294/19, Rn. 19 f.). 57bb) 58Die Feststellungsbegehren sind in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, weil sämtliche streitgegenständlichen Beitragsanpassungen erst zum 01.05.2021 wirksam geworden sind und der Kläger bis zu diesem Zeitpunkt nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrags verpflichtet war. 59(1) 60Die materielle Berechtigung der Beitragsanpassungen begegnet keinen Zweifeln. 61(a) 62Gemäß § 203 Abs. 2 S. 1 und S. 4 VVG i. V. m. § 155 Abs. 3 S. 1 und 2 VAG ist der Versicherer bei einer Krankenversicherung, in der das ordentliche Kündigungsrecht des Versicherers gesetzlich oder vertraglich ausgeschlossen ist, berechtigt, die Prämie neu festzusetzen, wenn eine Gegenüberstellung der erforderlichen mit den kalkulierten Versicherungsleistungen für einen Tarif eine nicht nur als vorübergehend anzusehende Abweichung von mehr als 10 %, sofern nicht in den allgemeinen Versicherungsbedingungen ein geringerer Prozentsatz vorgesehen ist, ergibt und ein unabhängiger Treuhänder die technischen Berechnungsgrundlagen überprüft und der Prämienanpassung zugestimmt hat. Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass sie in Bezug auf die streitgegenständlichen Tarife entsprechende Abweichungen festgestellt habe und ein unabhängiger Treuhänder den Beitragsanpassungen zugestimmt habe. 63(b) 64Soweit die Veränderung der Rechnungsgrundlage „Versicherungsleistungen“ in den Tarifen KN2 und „Pflege“ unterhalb des in § 155 Abs. 3 S. 2 VAG vorgesehenen Schwellenwerts von 10 % lag, finden die Beitragsanpassungen ihre Rechtsgrundlage in den Regelungen des § 11 Abs. 1 RB/KK i. V. m. § 10 TB/KK und des § 11 Abs. 1 MB/GEPV 2017, mit denen die Beklagte von der in § 155 Abs. 3 S. 2 VAG vorgesehenen Befugnis Gebrauch gemacht hat, dass in allgemeinen Versicherungsbedingungen ein geringerer Prozentsatz als 10 % vorgesehen werden kann. Die Wirksamkeit dieser Klauseln begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. 65Es kann insoweit dahinstehen, ob § 11 Abs. 2 RB/KK, der eine Beitragsanpassung abweichend von § 203 Abs. 2 VVG und § 12b Abs. 2 S. 2 VAG a. F. bzw. § 155 Abs. 3 S. 2 VAG auch dann zu ermöglichen scheint, wenn die Veränderung der Versicherungsleistungen als nur vorübergehend anzusehen ist, wegen der darin liegenden Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung gemäß § 307 Abs. 1 und 2 BGB unwirksam ist (vgl. zu § 8b MB/KK 2009: Köln, Urteil vom 22.09.2020, 9 U 237/19, juris Rn. 66; Urteil vom 07.09.2021, I-9 U 199/20, juris Rn. 59 f.; OLG Rostock, Urteil vom 08.12.2021, 4 U 90/21, juris Rn. 14; OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 13.12.2021, 16 U 94/21, juris Rn. 21 ff.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.02.2022, 12 U 202/21, juris Rn. 106; OLG Dresden, Urteil vom 22.02.2022, 4 U 1712/21, juris Rn. 44). Denn die Unwirksamkeit dieser Regelung hat entgegen der – auf die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Köln (Urteil vom 22.09.2020, 9 U 237/19, juris Rn. 68; Urteil vom 07.09.2021, I-9 U 199/20, juris Rn. 61 f.; Urteil vom 08.03.2022, 20 U 105/21, juris Rn. 41 ff.; dem folgend OLG Rostock, a. a. O., Rn. 15) gestützten – Auffassung des Klägers nicht die Unwirksamkeit des § 11 Abs. 1 RB/KK zur Folge. 66Gemäß § 306 Abs. 1 BGB bleibt der Vertrag dann, wenn Allgemeine Geschäftsbedingungen teilweise unwirksam sind, im Übrigen rechtsbeständig. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können inhaltlich voneinander trennbare, einzeln aus sich heraus verständliche Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch dann Gegenstand einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung sein, wenn sie in einem äußeren sprachlichen Zusammenhang mit anderen – unwirksamen – Regelungen stehen. Nur wenn der als wirksam anzusehende Teil im Gesamtgefüge des Vertrages nicht mehr sinnvoll, insbesondere der als unwirksam beanstandete Klauselteil von so einschneidender Bedeutung ist, dass von einer gänzlich neuen, von der bisherigen völlig abweichenden Vertragsgestaltung gesprochen werden muss, ergreift die Unwirksamkeit der Teilklausel die Gesamtklausel. Die inhaltliche Trennbarkeit einer Klausel und damit die Möglichkeit ihrer Zerlegung in einen inhaltlich zulässigen und einen inhaltlich unzulässigen Teil ist immer dann gegeben, wenn der unwirksame Teil der Klausel gestrichen werden kann, ohne dass der Sinn des anderen Teils darunter leidet (sog. blue-pencil-test); ob beide Bestimmungen den gleichen Regelungsgegenstand betreffen, ist dabei unerheblich (BGH, Urteil vom 13.02.2020, IX ZR 140/19, Rn. 26 m. w. N.; Urteil vom 31.03.2021, IV ZR 221/19, Rn. 64 m. w. N.). 67Hiervon ausgehend, bliebe auch bei Streichung des § 11 Abs. 2 RB/KK ein selbstständiger Regelungsgehalt des § 11 Abs. 1 RB/KK bestehen. Die Absenkung des Schwellenwerts (Abs. 1) und die Erweiterung des Rechts zur Beitragsanpassung (Abs. 2) bei einer nur vorübergehenden Veränderung der Versicherungsleistungen sind von ihrem Regelungsgehalt her klar voneinander abgrenzbar. § 11 Abs. 1 RB/KK bleibt auch „isoliert“ aus sich heraus verständlich und sinnvoll. Aus dem Umstand, dass das gesetzliche Erfordernis einer nicht nur vorübergehenden Veränderung der Versicherungsleistungen dort nicht ausdrücklich erwähnt wird, kann nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass entgegen der gesetzlichen Regelung eine Beitragsanpassung bereits dann erfolgen können soll, wenn die Veränderung nur vorübergehend ist. Vielmehr liegt eine Regelungslücke vor, die durch die Anwendung zwingenden Gesetzesrechts zu schließen ist, indem der – hier nur unterstellt – unwirksame Teil der Klausel (Abs. 2) durch die gesetzliche Regelung des § 203 Abs. 2 VVG ersetzt wird. Eine Wiederholung sämtlicher gesetzlicher Voraussetzungen für eine Beitragsanpassung innerhalb der vertraglichen Regelung des § 11 RB/KK selbst ist – auch mit Blick auf den durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmer – nicht erforderlich (vgl. zu § 8b MB/KK 2009: OLG Stuttgart, Urteil vom 18.11.2021, 7 U 244/21, juris Rn. 75; OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 13.12.2021, 16 U 94/21, juris Rn. 25; OLG Dresden, Urteil vom 21.12.2021, 6 U 1127/21, juris Rn. 42 unter Bezugnahme auf eine unveröffentlichte Verfügung des OLG Hamburg vom 12.11.2021; Urteil vom 22.02.2022, 4 U 1712/21, juris Rn. 43 ff.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.02.2022, 12 U 202/21, juris Rn. 109 f.). 68Im Tarif „Pflege“ stellt sich die vorstehende Problematik nicht, weil § 11 MB/GEPV eine dem § 11 Abs. 2 RB/KK entsprechende Regelung nicht enthält. 69(c) 70Die Beklagte war auch berechtigt, im Tarif KN2 zum 01.01.2020 eine Beitragserhöhung vorzunehmen, obwohl die Leistungsausgaben gesunken waren. Gemäß § 203 Abs. 2 S. 1 VVG i. V. m. § 155 Abs. 3 S. 1 und 2 VAG wird die Überprüfung der Prämie durch jede nicht nur als vorübergehend anzusehende Abweichung der erforderlichen von den kalkulierten Versicherungsleistungen um mehr als den festgelegten Prozentsatz ausgelöst, unabhängig davon, ob die Veränderung in Gestalt einer Steigerung oder einer Verringerung eingetreten ist (BGH, Urteil vom 20.10.2021, IV ZR 148/20, Rn. 30). Dies hat zur Folge, dass es trotz einer Veränderung des auslösenden Faktors nach unten im Ergebnis zu einer Prämienerhöhung kommen kann, sofern sich die übrigen bei der Neukalkulation zu berücksichtigenden Rechnungsgrundlagen prämienerhöhend verändert haben (vgl. OLG Köln, Urteil vom 17.10.2020, 9 U 74/20, juris Rn. 52; OLG Celle, Urteil vom 13.01.2022, 8 U 134/21, juris Rn. 69; OLG Dresden, Urteil vom 22.02.2022, 4 U 1712/21, juris Rn. 50 ff. unter Bezugnahme auf einen unveröffentlichten Hinweisbeschluss des OLG Nürnberg vom 30.01.2019, 8 U 1482/18; LG Wuppertal, Urteil vom 29.07.2021, 4 O 409/20, juris Rn. 90 f.; Brand, in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2020, § 203 Rn. 32 m. w. N.). 71(2) 72Gemäß § 203 Abs. 5 VVG werden die Neufestsetzung der Prämie und die Änderungen nach § 203 Abs. 2 und 3 VVG zu Beginn des zweiten Monats wirksam, der auf die Mitteilung der Neufestsetzung oder der Änderungen und der hierfür maßgeblichen Gründe an den Versicherungsnehmer folgt. 73Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfordert die Mitteilung der maßgeblichen Gründe nicht mehr und nicht weniger als die – auf die konkret in Rede stehende Prämienanpassung bezogene – Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 S. 1 VVG veranlasst hat. Es müssen nicht alle Gründe der Beitragserhöhung genannt werden, sondern nur die für die Prämienanpassung entscheidenden Umstände. In diesem Sinne entscheidend ist nur, ob eine Veränderung der erforderlichen gegenüber den kalkulierten Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeiten die in § 155 Abs. 3 und 4 VAG oder in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelten Schwellenwerte überschreitet oder nicht (BGH, Urteil vom 16.12.2020, IV ZR 294/19, Rn. 26 ff.). Während die Angabe, dass ein vorab festgelegter Schwellenwert über- oder unterschritten worden ist, zum notwendigen Begründungsumfang gehört (vgl. BGH, Urteil vom 23.06.2020, IV ZR 250/20, Rn. 18; Urteil vom 21.07.2021, IV ZR 191/20, Rn. 26; OLG Celle, Urteil vom 13.01.2022, 8 U 134/21, juris Rn. 122; OLG Dresden, Urteil vom 22.02.2022, 4 U 1711/21, juris Rn. 5), muss der Versicherer weder die Rechtsgrundlage des geltenden Schwellenwerts noch die genaue Höhe der Veränderung der Rechnungsgrundlage mitteilen. Ebenso wenig hat er die Veränderung weiterer Faktoren, welche die Prämienhöhe beeinflusst haben, wie z. B. des Rechnungszinses, anzugeben (BGH, Urteil vom 16.12.2020, IV ZR 294/19, Rn. 26 ff.). Die Mitteilungspflicht erfüllt so den Zweck, dem Versicherungsnehmer zu verdeutlichen, dass weder sein individuelles Verhalten noch eine freie Entscheidung des Versicherers Grund für die Beitragserhöhung war, sondern dass eine bestimmte Veränderung der Umstände dies aufgrund gesetzlicher Regelungen veranlasst hat (BGH, a. a. O., Rn. 35). Da die Überprüfung der Prämie unabhängig von dem Umstand ausgelöst wird, ob die über den Schwellenwert hinausreichende Veränderung in Gestalt einer Steigerung oder einer Verringerung eingetreten ist, und die Mitteilungspflicht nicht den Zweck hat, dem Versicherungsnehmer eine Plausibilitätskontrolle der Prämienanpassung zu ermöglichen (BGH, a. a. O., Rn. 36), ist ein Hinweis des Versicherers darauf, in welche Richtung sich die maßgebliche Rechnungsgrundlage verändert hat, nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 20.10.2021, IV ZR 148/20, Rn. 29 f.). 74Den vorstehenden Anforderungen genügten die dem Kläger mitgeteilten Gründe für die streitgegenständlichen Beitragsanpassungen nicht: 75(a) 76In den dem Kläger im November 2011 übersandten Informationen betreffend die Beitragsanpassung zum 01.12.2012 (Anlage BLD 7-1) wird zu den hierfür maßgeblichen Gründen lediglich ausgeführt, dass die Gründe „vielfältig“ seien und „ein Hauptgrund“ darin liege, dass die Ausgaben für Versicherungsleistungen weiter „stark“ angestiegen seien. Diesen Angaben kann ein Versicherungsnehmer weder klar entnehmen, welche Rechnungsgrundlage die Anpassung ausgelöst hat, noch dass insoweit ein vorab festgelegter Schwellenwert überschritten worden ist. 77(b) 78Entsprechendes gilt für die dem Kläger im November 2013 übersandten Informationen betreffend die Beitragsanpassung zum 01.01.2014 (Anlage BLD 7-2), wo zu den hierfür maßgeblichen Gründen Folgendes ausgeführt wird: „Sie fragen sich sicher warum Ihre Beiträge steigen: Ein Hauptgrund ist: Die Ausgaben für Versicherungsleistungen sind weiter stark angestiegen. […] Der Gesetzgeber schreibt uns vor, dass wir jedes Jahr die tatsächlich entstandenen Ausgaben für unsere Leistungen mit den Ausgaben vergleichen, die in den Beiträgen einkalkuliert sind. Stellen wir dabei in einem Tarif deutliche Abweichungen fest, müssen wir die Beiträge zum Ausgleich anpassen.“ Damit wird zwar das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren rudimentär erläutert; allerdings ist der Hinweis auf „deutliche Abweichungen“ nicht geeignet, dem Versicherungsnehmer zu verdeutlichen, dass ein vorab festgelegter Schwellenwert überschritten worden ist. 79(c) 80In den dem Kläger im November 2019 übersandten Informationen betreffend die Beitragsanpassung zum 01.01.2020 (Anlage BLD 7-3) wird zu den hierfür maßgeblichen Gründen Folgendes ausgeführt: „Wenn in einem Tarif die Ausgaben für Leistungen von den kalkulierten deutlich abweichen und diese Änderung nicht nur vorübergehend ist, müssen wir die Beiträge anpassen. […] In diesem Jahr ist der maßgebliche Grund für die Beitragsanpassung die Abweichung in den Leistungsausgaben.“ Damit wird zwar die maßgebliche Rechnungsgrundlage „Versicherungsleistungen“ hinreichend klar benannt; allerdings fehlt es mit dem Abstellen auf ein „deutliches“ Abweichen erneut an der Angabe, dass ein vorab festgelegter Schwellenwert überschritten worden ist. 81(d) 82In den dem Kläger im März 2020 übersandten Informationen betreffend die Beitragsanpassung zum 01.05.2020 (Anlage BLD 7-4) wird zu den hierfür maßgeblichen Gründen Folgendes ausgeführt: „Wenn in einem Tarif die Ausgaben für Leistungen von den kalkulierten deutlich abweichen und diese Änderung nicht nur vorübergehend ist, müssen wir die Beiträge anpassen. Auch Veränderungen der Lebenserwartungen können zu einer Beitragsänderung führen. […] In fast allen von einer Beitragsanpassung betroffenen Tarifen sind Abweichungen in den Leistungsausgaben der maßgebliche Grund für die Beitragsanpassung. Im Tarif central.pflege machen Abweichungen von der zugrunde liegenden Lebenserwartung eine Anpassung erforderlich.“ Damit werden zwar die maßgeblichen Rechnungsgrundlagen „Versicherungsleistungen“ (gleichbedeutend mit „Leistungsausgaben“) und „Sterbewahrscheinlichkeiten“ (gleichbedeutend mit „Lebenserwartung“) hinreichend klar benannt. Allerdings fehlt mit dem Abstellen auf ein „deutliches“ Abweichen der Leistungsausgaben erneut die Angabe, dass insoweit ein vorab festgelegter Schwellenwert überschritten worden ist, während hinsichtlich der Rechnungsgrundlage „Sterbewahrscheinlichkeiten“ sogar der Eindruck erweckt wird, jegliche Veränderung berechtige zu einer Beitragsanpassung. Überdies wird in Bezug auf den Tarif „Pflege“ der Eindruck erweckt, dass ausschließlich eine Veränderung der Rechnungsgrundlage „Sterbewahrscheinlichkeiten“ die Beitragsanpassung ausgelöst habe, obwohl nach den Angaben in der Klageerwiderung auch die Rechnungsgrundlage „Versicherungsleistungen“ den tariflich festgelegten Schwellenwert überschritten hat. 83(3) 84Die zunächst unzureichenden Begründungen für die vorgenannten Beitragsanpassungen sind jedoch mit Zustellung der Klageerwiderung an die Prozessbevollmächtigten des Klägers am 02.03.2021 geheilt worden. Wenn eine Mitteilung der Prämienanpassung zunächst ohne eine den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügende Begründung erfolgt, diese aber später nachgeholt wird, wird dadurch die für die Wirksamkeit der Neufestsetzung der Prämie angeordnete Frist in Lauf gesetzt (BGH, Urteil vom 19.12.2018, IV ZR 255/17, Rn. 66; Urteil vom 16.12.2020, IV ZR 294/19, Rn. 41 f.). In der Klageerwiderung hat die Beklagte klargestellt, dass die streitgegenständlichen Beitragsanpassungen jeweils durch eine Änderung der Versicherungsleistungen (bzw. im Tarif „Pflege“ auch der Sterbewahrscheinlichkeit) um die in der Klageerwiderung mitgeteilten Prozentsätze ausgelöst worden seien, und damit dem Begründungserfordernis nach § 203 Abs. 5 VVG genügt. Infolgedessen sind die ursprünglich zum 01.01.2012, 01.01.2014, 01.01.2020 und 01.05.2020 vorgesehenen Prämienerhöhungen ab dem zweiten auf die Zustellung der Klageerwiderung folgenden Monat, d. h. ab dem 01.05.2021, wirksam geworden. Auf den Antrag des Klägers waren daher die Unwirksamkeit der genannten Prämienerhöhungen sowie die fehlende Verpflichtung des Klägers zur Tragung des jeweiligen Erhöhungsbetrags (lediglich) bis zu diesem Zeitpunkt festzustellen. 852. 86Der zulässige Leistungsantrag zu 2. ist jedoch nur in Höhe von 5.690,88 € nebst Prozesszinsen begründet. 87a) 88Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung der Erhöhungsbeiträge, die er seit dem 01.01.2017 bis zum 31.08.2020 aufgrund der aus den oben genannten Gründen unwirksamen Beitragsanpassungen rechtsgrundlos geleistet hat. 89aa) 90Soweit die Beklagte dem Kläger zeitlich befristete Gutschriften aus Limitierungsmitteln gewährt hat, errechnet sich der jeweilige Rückzahlungsanspruch nicht – wie die Beklagte offenbar meint – von vornherein aus der Differenz der in den Nachträgen zum Versicherungsschein vor und nach der Beitragsanpassung ausgewiesenen „monatlich zu zahlenden Beiträge“, sondern vielmehr aus der Differenz der „eigentlichen“ Tarifbeiträge, welche sich erst aus der Addition des „monatlich zu zahlenden Beitrags“ und der „monatlichen Gutschrift“ ergeben, auf welche der Kläger sich sodann die Limitierungsgutschriften (lediglich) für die Zeiträume, in denen er sie erhalten hat, anrechnen lassen muss. Hiernach summiert sich die Forderung des Klägers wie folgt: 91Im Tarif KN2 hat der Kläger 44 monatliche Prämienanteile in Höhe von jeweils 72,15 € aufgrund der unwirksamen Beitragserhöhung zum 01.01.2012, weitere 44 monatliche Prämienanteile in Höhe von jeweils 39,04 € aufgrund der unwirksamen Beitragserhöhung zum 01.01.2014 und weitere 8 monatliche Prämienanteile in Höhe von jeweils 62,32 € aufgrund der unwirksamen Beitragserhöhung zum 01.01.2020 rechtsgrundlos geleistet. Nach Abzug der dem Kläger im Jahr 2020 gewährten Limitierungsgutschriften in Höhe von (8 x 17,37 =) 138,96 € verbleibt eine Summe von 5.251,96 €. 92Im Tarif TNC14 hat der Kläger 44 monatliche Prämienanteile in Höhe von jeweils 9,11 € aufgrund der unwirksamen Beitragserhöhung zum 01.01.2012, mithin eine Summe von 400,84 €, rechtsgrundlos geleistet. 93Im Tarif PVTB120 hat der Kläger 4 monatliche Prämienanteile in Höhe von jeweils 14,38 € aufgrund der unwirksamen Beitragserhöhung zum 01.05.2020 abzüglich der insoweit gewährten Limitierungsgutschriften in Höhe von (4 x 7,12 =) 28,48 €, mithin eine Summe von 29,04 €, rechtsgrundlos geleistet. 94Im Tarif „Pflege“ hat der Kläger 4 monatliche Prämienanteile in Höhe von jeweils 2,26 € aufgrund der unwirksamen Beitragserhöhung zum 01.05.2020, mithin eine Summe von 9,04 €, rechtsgrundlos geleistet. 95bb) 96Diesem Anspruch stehen keine bereicherungsrechtliche Einwände entgegen. Eine Anrechnung des genossenen Versicherungsschutzes im Wege der Saldierung kommt nicht in Betracht, weil weiterhin ein wirksamer Versicherungsvertrag bestand, der die Beklagte zur Erbringung von Versicherungsleistungen verpflichtete (BGH, Urteil vom 16.12.2020, IV ZR 294/19, Rn. 46 f.). Durch die Erbringung von Versicherungsleistungen oder die Bildung von Rückstellungen ist auch keine Entreicherung der Beklagten im Sinne von § 818 Abs. 3 BGB eingetreten. Mit der Erbringung der Versicherungsleistungen hat die Beklagte eigene Verbindlichkeiten erfüllt und sich mithin von diesen befreit (BGH, a. a. O., Rn. 49 m. w. N.). 97cc) 98In diesem Umfang ist auch keine Verjährung eingetreten (§ 214 Abs. 1 BGB). 99Die Bereicherungsansprüche unterliegen der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist (§ 195 BGB), welche gemäß § 199 Abs. 1 BGB grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Die Rückzahlungsansprüche entstanden jeweils mit der Zahlung der Erhöhungsbeträge. Die notwendige Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und von der Person des Schuldners hatte der Kläger bereits mit dem Zugang der jeweiligen Änderungsmitteilungen (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2021, IV ZR 113/20, Rn. 40 ff.). 100Entgegen einer teilweise vertretenen Auffassung sind die monatlich gezahlten Erhöhungsbeträge nicht wie Nutzungen eines geschlossenen Stammrechts zu behandeln mit der Folge, dass die sukzessive entstandenen Rückgewähransprüche analog § 217 BGB drei Jahre nach der (unwirksamen) Prämienanpassung verjähren (vgl. LG Essen, Urteil vom 03.04.2019, 18 O 191/18, juris Rn. 58; LG Halle, Urteil vom 16.07.2021, 5 O 442/20, juris Rn. 59; Fuxman/Leygraf, r+s 2021, 61, 63 f.). Zum einen ergeben sich die hier in Rede stehenden Bereicherungsansprüche nicht aus einem „Stammrecht“ des Versicherungsnehmers (allenfalls könnte man umgekehrt von einer „Stammpflicht“ sprechen). Zum anderen ist die für die Anwendung der Stammrechtstheorie in der privaten Unfall- und Berufsunfähigkeitsversicherung maßgebliche Erwägung, dass es den Versicherer unbillig belasten würde, sich Jahre nach einer Leistungsablehnung noch mit einem für abgeschlossen gehaltenen, angesichts des Zeitablaufs typischerweise nur noch unter Schwierigkeiten aufklärbaren Versicherungsfall auseinandersetzen zu müssen (vgl. BGH, Urteil vom 03.04.2019, IV ZR 90/18 Rn. 19 ff. m. w. N.), auf die vorliegende Konstellation nicht übertragbar (OLG Stuttgart, Urteil vom 04.11.2021, 7 U 204/21, Rn. 49; ebenso im Ergebnis LG Hannover, Urteil vom 29.03.2021, 19 O 291/20, juris Rn. 100 f.; Egger, r+s 2021, 430, 433; Schultess, VersR 2021, 1555, 1556 f.). 101Mithin begann die Verjährungsfrist für die ersten hier in Rede stehenden Ansprüche mit dem Schluss des Jahres 2017 und endete am 31.12.2020. Insoweit ist die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB durch die am 04.11.2020 durch Zustellung an die Beklagte erhobene (§ 253 Abs. 1 ZPO) Klage gehemmt worden. 102dd) 103Der Anspruch auf Prozesszinsen folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB. 104b) 105Weitere rechtsgrundlose Zahlungen aufgrund unwirksamer (noch) streitgegenständlicher Beitragserhöhungen hat der Kläger in unverjährter Zeit nicht geleistet. Die klägerseits behauptete Beitragserhöhung im Tarif KN2 zum 01.01.2013 hat – wie unter 1. a) dargestellt – tatsächlich nicht stattgefunden. 106c) 107Etwaigen Ansprüchen gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB auf Rückzahlung der Erhöhungsbeträge, die der Kläger bis zum 31.12.2016 auf die streitgegenständlichen Beitragsanpassungen geleistet hat, steht jedenfalls die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen (§ 214 Abs. 1 BGB). 108aa) 109Da bereits der Zugang der jeweiligen Änderungsmitteilungen dem Kläger die notwendige Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und von der Person des Schuldners vermittelte (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2021, IV ZR 113/20, Rn. 40 ff.), begann die Verjährungsfrist für die letzten hier in Rede stehenden Zahlungen mit dem Schluss des Jahres 2016 und endete am 31.12.2019, so dass die am 06.10.2020 eingegangene Klage insoweit keine Hemmung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB mehr bewirken konnte. 110bb) 111Entgegen der Ansicht des Klägers fehlte es bis dahin nicht an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn. 112In eng begrenzten, besonders begründeten Ausnahmefällen (BGH, Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20, Rn. 10) kann die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn hinausschieben, wenn der Durchsetzung des Anspruchs eine gegenteilige höchstrichterliche Rechtsprechung entgegensteht (BGH, Urteil vom 28.10.2014, XI ZR 348/13, Rn. 35) oder eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag (BGH, Urteil vom 21.02.2018, IV ZR 304/16, Rn. 15 m. w. N.). Eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage liegt nicht schon dann vor, wenn eine Rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich entschieden ist, sondern setzt zumindest voraus, dass im Zeitpunkt der Anspruchsentstehung ein ernsthafter Meinungsstreit in Literatur und Rechtsprechung bestand (vgl. BGH, Urteil vom 28.10.2014, XI ZR 348/13, Rn. 45; Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20, Rn. 13). Wird die Rechtslage erst unsicher, nachdem die Verjährungsfrist zu laufen begonnen hat, schiebt dies den Beginn der einmal in Lauf gesetzten Frist nicht nachträglich hinaus (vgl. BGH, Urteil vom 28.10.2014, XI ZR 348/13, Rn. 45; Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20, Rn. 15). Auch mit Blick auf rechtliche Unsicherheiten ist eine Klageerhebung dann zumutbar, wenn die Klage bei verständiger Würdigung hinreichende Erfolgsaussichten hat; es ist nicht erforderlich, dass die Rechtsverfolgung risikolos möglich ist (BGH, Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20, Rn. 11 m. w. N.). 113Nach diesen Maßstäben war die Erhebung einer Klage, mit der die formelle Unwirksamkeit von Beitragserhöhungen aufgrund einer unzureichenden Begründung geltend gemacht wird, jedenfalls bis zum 31.12.2016 zumutbar und der Verjährungsbeginn nicht bis zu der durch die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 16.12.2020 (IV ZR 294/19 und IV ZR 314/19) herbeigeführten höchstrichterlichen Klärung hinausgeschoben. Denn es gab weder eine entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung noch – jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt – einen ernsthaften Meinungsstreit. Der Umstand, dass die Frage, welche Anforderungen an eine Mitteilung gemäß § 203 Abs. 5 VVG zu stellen sind, in der Literatur zunächst nur vereinzelt aufgegriffen wurde (vgl. Klimke, VersR 2016, 22 ff.) und erste gerichtliche Entscheidungen hierzu erst im Jahr 2018 veröffentlicht wurden (vgl. LG Neuruppin, Urteil vom 25.08.2017, 1 O 338/16, VersR 2018, 469; LG Potsdam, Urteil vom 27.09.2017, 6 S 80/16, VersR 2018, 471), mag die rechtliche Einordnung und die rechtliche Beratung nicht erleichtert haben, ließ eine Klageerhebung indes unzumutbar erscheinen. Vielmehr musste eine rechtliche Würdigung gerade ergeben, dass die Erfolgschancen eines Rückzahlungsanspruchs als offen einzuschätzen waren (OLG Stuttgart, Urteil vom 04.11.2021, 7 U 204/21, juris Rn. 38; vgl. OLG Dresden, Urteil vom 12.10.2021, 6 U 751/21, juris Rn. 81 f.; Urteil vom 14.12.2021, 4 U 1693/21, juris Rn. 38; OLG Saarbrücken, Urteil vom 01.12.2021, 5 U 93/20, juris Rn. 35; OLG Hamm, Urteil vom 30.06.2021, 20 U 152/20, juris Rn. 79). 114Hinzu kommt, dass bereits seit dem Jahr 2018, insbesondere aber im Laufe des Jahres 2020 bei zahlreichen Landgerichten – darunter auch dem hiesigen – eine Vielzahl entsprechender Klagen eingegangen sind, mit denen die jeweiligen – im Jahr 2020 zumeist von den Prozessbevollmächtigten des Klägers vertretenen – Versicherungsnehmer zu erkennen gegeben haben, dass sie ungeachtet des zu dieser Zeit ungeklärten Meinungsstreits von der Unwirksamkeit der Prämienerhöhungen ausgingen. Auch der Kläger hat bereits vor Veröffentlichung der Urteile des Bundesgerichtshofs vom 16.12.2020 seine Ansprüche gegen die Beklagte geltend gemacht und Klage eingereicht. Umstrittener als in den Jahren 2018 bis 2020 war der Inhalt des § 203 Abs. 5 VVG jedoch in den Jahren bis einschließlich 2016 nicht, so dass dem Kläger die Klageerhebung auch damals nicht unzumutbar war (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2021, IV ZR 113/20, Rn. 45). 115cc) 116Ebenso wenig ist es für die Feststellung der Verjährung entscheidungserheblich, ob der Kläger mit Zugang der Änderungsmitteilungen auch Kenntnis von den Tatsachen hatte, aus denen die von ihm ebenfalls geltend gemachte materielle Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen folgen könnte. Denn der Gläubiger eines Bereicherungsanspruchs aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB hat Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen, wenn er von der Leistung und den Tatsachen weiß, aus denen sich das Fehlen des Rechtsgrundes ergibt, das dem Kläger jedenfalls aufgrund der seiner Auffassung nach bestehenden formalen Mängel der Änderungsmitteilungen bereits mit deren Erhalt bekannt war. Eine erneute Kenntnisnahme vom Fehlen desselben Rechtsgrundes aus weiteren Gründen setzt keine neue Verjährungsfrist in Gang (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2021, IV ZR 113/20, Rn. 47; OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.10.2021, 13 U 37/21, VersR 2021, 1553, 1554). 1173. 118Der auf die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Herausgabe von Nutzungen gerichtete Feststellungsantrag zu 3. ist insgesamt zulässig, aber nur im tenorierten Umfang begründet. 119Seine Zulässigkeit scheitert nicht am Vorrang der Leistungsklage, weil die von der Beklagten gezogenen Nutzungen aus den nach Ansicht des Klägers rechtsgrundlos gezahlten Prämienanteilen für ihn im Zeitpunkt der Klageerhebung nur teilweise bezifferbar waren (BGH, Urteil vom 19.12.2018, IV ZR 255/17, Rn. 18 ff. m. w. N.). 120Der Anspruch auf Herausgabe der rechtsgrundlos gezahlten Erhöhungsbeträge erstreckt sich gemäß § 818 Abs. 1 BGB auf die Nutzungen, welche die Beklagte aus diesen Prämienanteilen gezogen hat, ist insoweit allerdings auf die Zeit vor Eintritt der Verzinsungspflicht für die Hauptforderung beschränkt (BGH, Urteil vom 16.12.2020, IV ZR 294/19, Rn. 58). Etwaige Ansprüche auf Herausgabe von Nutzungen, welche die Beklagte aus den bis zum 31.12.2016 gezahlten Prämienanteilen gezogen hat, wären mit dem jeweiligen Hauptanspruch verjährt (§ 217 BGB). Daher war die Feststellung der Pflicht zur Herausgabe gezogener Nutzungen auf den Zeitraum zu beschränken, in dem der Kläger in unverjährter Zeit nicht zur Tragung des jeweiligen Erhöhungsbetrags verpflichtet war und nach seinem Vortrag Zahlungen auf die unwirksamen Beitragserhöhungen geleistet hat. 121Der auf die Feststellung einer Verzinsungspflicht für die Nutzungen gerichtete Antrag zu 3. b) ist unbegründet. § 291 BGB als Anspruchsgrundlage für Prozesszinsen greift bei einer Klage, die auf die Feststellung einer Verbindlichkeit gerichtet ist, nicht ein. Auch ein Verzugszinsanspruch kommt nicht in Betracht, weil weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass das Anwaltsschreiben vom 31.08.2020 eine Bezifferung der geforderten Nutzungen enthielt, und somit die für eine Mahnung erforderliche Bestimmtheit nicht festgestellt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2021, IV ZR 109/20, Rn. 43). 1224. 123Der auf den Ersatz von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten gerichtete Antrag zu 4. ist unbegründet. Die insoweit geltend gemachten Kosten wären allenfalls unter dem Gesichtspunkt des Verzugs ersatzfähig (§§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB), der zum Zeitpunkt der einzigen vorgetragenen außergerichtlichen Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten des Klägers, nämlich der Erstellung des Mahnschreibens vom 31.08.2020, nicht vorlag, sondern erst mit Ablauf der darin gesetzten Zahlungsfrist begründet wurde. Eine diesem Schreiben vorausgehende Mahnung durch den Kläger ist ebenso wenig vorgetragen wie eine weitere außergerichtliche Rechtsanwaltstätigkeit. 124III. 125Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1, § 269 Abs. 3 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO. 126IV. 127Der Streitwert für die Gerichtsgebühren wird auf 21.660,63 € festgesetzt (§ 63 Abs. 1 GKG). 128Rechtsbehelfsbelehrung: 129Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Landgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Duisburg, König-Heinrich-Platz 1, 47051 Duisburg, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 130Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr: 131Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Auf die Pflicht zur elektronischen Einreichung durch professionelle Einreicher/innen ab dem 01.01.2022 durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013, das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5. Juli 2017 und das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 05.10.2021 wird hingewiesen. 132Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de. 133E I W E E2
1. es wird festgestellt, dass folgende erhöhungen des monatsbeitrags in der zwischen dem kläger und der beklagten bestehenden kranken-/pflegeversicherung mit der versicherungsnummer ########## jeweils bis zum 30.04.2021 nicht wirksam geworden sind und der kläger nicht zur tragung des jeweiligen erhöhungsbetrags verpflichtet war: a) im tarif kn2 die erhöhungen zum 01.01.2012 um 72,15 €,zum 01.01.2014 um 39,04 € und zum 01.01.2020 um 62,32 €, b) im tarif tnc14 die erhöhung zum 01.01.2012 um 9,11 €, c) im tarif pvbt120 die erhöhung zum 01.05.2020 um 14,38 €, d) im tarif „pflege“ die erhöhung zum 01.05.2020 um 2,26 €. 2. die beklagte wird verurteilt, an den kläger 5.690,88 € nebst zinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem basiszinssatz seit dem 05.11.2020 zu zahlen. 3. es wird festgestellt, dass die beklagte dem kläger zur herausgabe der nutzungen verpflichtet ist, die sie bis zum 04.11.2020 aus den prämienanteilen gezogen hat, die der kläger vom 01.01.2017 bis zum 31.08.2020 auf die unter ziffer 1. aufgeführten beitragserhöhungen gezahlt hat. 4. im übrigen wird die klage abgewiesen. 5. die kosten des rechtsstreits haben der kläger zu 74 % und die beklagte zu 26 % zu tragen. 6. das urteil ist gegen sicherheitsleistung in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages vorläufig vollstreckbar. 1 6 o 320/20 verkündet am 26.04.2022 , justizhauptsekretärals urkundsbeamter der geschäftsstelle 2landgericht duisburgim namen des volkesurteil 3in dem rechtsstreit 4hat die 6. zivilkammer des landgerichts duisburgauf die mündliche verhandlung vom 15.03.2022durch den vorsitzenden richter am landgericht e i, den richter am landgericht w und die richterin e e2 5für recht erkannt: 61. es wird festgestellt, dass folgende erhöhungen des monatsbeitrags in der zwischen dem kläger und der beklagten bestehenden kranken-/pflegeversicherung mit der versicherungsnummer ########## jeweils bis zum 30.04.2021 nicht wirksam geworden sind und der kläger nicht zur tragung des jeweiligen erhöhungsbetrags verpflichtet war: 7a) im tarif kn2 die erhöhungen zum 01.01.2012 um 72,15 €,zum 01.01.2014 um 39,04 € und zum 01.01.2020 um 62,32 €, 8b) im tarif tnc14 die erhöhung zum 01.01.2012 um 9,11 €, 9c) im tarif pvbt120 die erhöhung zum 01.05.2020 um 14,38 €, 10d) im tarif „pflege“ die erhöhung zum 01.05.2020 um 2,26 €. 112. die beklagte wird verurteilt, an den kläger 5.690,88 € nebst zinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem basiszinssatz seit dem 05.11.2020 zu zahlen. 123. es wird festgestellt, dass die beklagte dem kläger zur herausgabe der nutzungen verpflichtet ist, die sie bis zum 04.11.2020 aus den prämienanteilen gezogen hat, die der kläger vom 01.01.2017 bis zum 31.08.2020 auf die unter ziffer 1. aufgeführten beitragserhöhungen gezahlt hat. 134. im übrigen wird die klage abgewiesen. 145. die kosten des rechtsstreits haben der kläger zu 74 % und die beklagte zu 26 % zu tragen. 156. das urteil ist gegen sicherheitsleistung in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages vorläufig vollstreckbar. 16
17die parteien streiten über die wirksamkeit von beitragsanpassungen in der privaten krankenversicherung des klägers. 18der bei der beklagten kranken- und pflegeversicherte kläger unterhält in der krankheitskostenversicherung unter anderem die tarife kn2 und tnc14 sowie eine pflegetagegeldversicherung (tarif pvtb120). daneben unterhält er für die mitversicherte person h unter anderem eine ergänzende pflegeversicherung zur gesetzlichen pflegeversicherung (tarif „pflege“). dem vertrag liegen die allgemeinen versicherungsbedingungen für die krankheitskosten- und krankenhaustagegeldversicherung (rb/kk 2009) nebst tarifbedingungen (tb/kk 2009), die allgemeinen versicherungsbedingungen für die pflegekrankenversicherung (rb/pv 94) nebst tarifbedingungen (tb/pv) sowie die allgemeinen versicherungsbedingungen für die geförderte ergänzende pflegeversicherung zur gesetzlichen pflegeversicherung (mb/gepv 2017) nebst tarifbedingungen (tb/gepv 2017) zugrunde, wegen deren inhalts auf die anlagenkonvolute bld 5 und bld 6 bezug genommen wird. 19zum 01.01.2012, 01.01.2014, 01.01.2015, 01.01.2016, 01.01.2020 und 01.05.2020 erhöhte die beklagte die monatsbeiträge um die im klageantrag zu 1. aufgeführten beträge. die beitragserhöhungen kündigte die beklagte jeweils im laufe des dem vormonat der beabsichtigten beitragsanpassung vorausgehenden monats mit einem anschreiben an, dem jeweils ein nachtrag zum versicherungsschein und ein informationsblatt beigefügt waren, wegen deren inhalts auf das anlagenkonvolut bld 7 bezug genommen wird. in den tarifen kn2 und pvtb120 gewährte die beklagte dem kläger zur abmilderung der beitragserhöhungen zeitlich befristete gutschriften aus den erfolgsabhängigen rückstellungen für beitragsrückerstattung (sog. limitierungsmittel). seit dem 01.05.2020 zahlte der kläger einen monatlichen gesamtbeitrag in höhe von 740,02 €, wovon 49,91 € auf die pflegepflichtversicherung (tarif pvn) entfielen. 20der kläger behauptet eine weitere beitragserhöhung im tarif kn2 um 12,07 € zum 01.01.2013 und hält sämtliche beitragserhöhungen mangels ordnungsgemäßer begründung für formell unwirksam. die beitragserhöhungen im tarif kn2 zum 01.01.2014 und 01.01.2020 sowie im tarif „pflege“ zum 01.05.2020 hält er mangels wirksamer rechtsgrundlage auch materiell für unwirksam. mit anwaltsschreiben vom 31.08.2020 ließ er die beklagte unter fristsetzung zur rückzahlung seiner ansicht nach überzahlter beträge und der daraus gezogenen nutzungen auffordern. 21mit der am 06.10.2020 eingegangenen und am 04.11.2020 zugestellten klage beantragt der kläger, nachdem er die ursprünglichen anträge zu 1. und 2. teilweise zurückgenommen hat, zuletzt, 221. festzustellen, dass folgende erhöhungen des monatsbeitrags in der zwischen ihm und der beklagten bestehenden kranken-/pflegeversicherung mit der versicherungsnummer ########## unwirksam sind: 23a) in den tarifen für s 24aa) im tarif kn2 die erhöhung zum 01.01.2012 in höhe von 72,15 €, 25bb) im tarif tnc14 die erhöhung zum 01.01.2012 in höhe von 9,11 €, 26cc) im tarif kn2 die erhöhung zum 01.01.2013 in höhe von 12,07 €, 27dd) im tarif kn2 die erhöhung zum 01.01.2014 in höhe von 39,04 €, 28ee) im tarif kn2 die erhöhung zum 01.01.2020 in höhe von 62,32 €, 29ff) im tarif pvtb120 die erhöhung zum 01.05.2020 in höhe von 14,38 €, 30b) in den tarifen für h 31aa) im tarif pflege die erhöhung zum 01.05.2020 in höhe von 2,26 €, 32und er nicht zur zahlung des jeweiligen erhöhungsbetrages verpflichtet ist, 332. die beklagte zu verurteilen, an ihn 12.475,99 € nebst zinsen hieraus in höhe von fünf prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz ab rechtshängigkeit zu zahlen, 343. festzustellen, dass die beklagte 35a) ihm zur herausgabe der nutzungen verpflichtet ist, die sie aus dem prämienanteil gezogen hat, den er auf die unter 1. aufgeführten beitragserhöhungen gezahlt hat, 36b) die nach 3. a) herauszugebenden nutzungen in höhe von fünf prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz ab rechtshängigkeit zu verzinsen hat, 374. die beklagte zu verurteilen, an ihn einen betrag in höhe von 1.314,28 € nebst zinsen in höhe von fünf prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz der ezb seit rechtshängigkeit für die außergerichtliche anwaltliche rechtsverfolgung zu zahlen. 38die beklagte beantragt, 39die klage abzuweisen. 40sie verteidigt die beitragserhöhungen und redet verjährung ein. 41in der klageerwiderung vom 19.02.2021, die den prozessbevollmächtigten des klägers am 02.03.2021 zugestellt worden ist, hat die beklagte unwidersprochen mitgeteilt, dass die streitgegenständlichen beitragsanpassungen jeweils durch eine abweichung der erforderlichen von den kalkulierten versicherungsleistungen und im tarif „pflege“ zusätzlich durch eine abweichung der sterbewahrscheinlichkeit um die in der klageerwiderung mitgeteilten prozentsätze ausgelöst worden seien. 42wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf die von den parteien gewechselten schriftsätze nebst anlagen bezug genommen. 43
44i. 45entgegen der ansicht der beklagten ist der rechtsweg zu den ordentlichen gerichten gemäß § 13 gvg auch für die ansprüche hinsichtlich der pflegetageldtarife pvtb120 und „pflege“ eröffnet. soweit aus den von der beklagten vorgelegten versicherungsbedingungen (anlagenkonvolute bld 5 und und bld 6) ersichtlich ist, stellen der tarif pvtb120 eine freiwillige ergänzung zu der daneben bestehenden privaten pflegepflichtversicherung des klägers (tarif pvn) und der tarif „pflege“ der mitversicherten h eine freiwillige ergänzung zu deren gesetzlicher pflegeversicherung dar. eine abdrängende sonderzuweisung gemäß § 51 abs. 1 nr. 2 sgg besteht insoweit nicht, da solche pflegezusatzversicherungen weder einem kontrahierungszwang noch inhaltlichen vorgaben nach dem sgb xi unterliegen (vgl. lsg baden-württemberg, beschluss vom 22.09.2021, l 4 p 1402/21 b, juris rn. 20 f.). 46ii. 47die klage hat teilweise erfolg. 481. 49der feststellungsantrag zu 1. ist teils unzulässig. im übrigen hat er in dem aus dem tenor ersichtlichen umfang erfolg. 50a) 51das feststellungsbegehren zu 1. a) cc) ist unzulässig. 52soweit der kläger die unwirksamkeit einer vermeintlichen beitragserhöhung im tarif kn2 um 12,07 € zum 01.01.2013 festgestellt wissen möchte, fehlt es an einem feststellungsfähigen rechtsverhältnis, da die beklagte ausweislich der vorgelegten unterlagen zum 01.01.2013 keine beitragserhöhung (und entgegen ihrer darstellung auch keine neuberechnung der limitierungsmittel) vorgenommen hat. vielmehr ergibt sich aus einem vergleich des nachtrags zum versicherungsschein vom november 2011 in verbindung mit dem gesondertem anschreiben vom november 2011 (anlage bld 7-1) und dem nachtrag zum versicherungsschein vom november 2012 (anlage bld 7-5), dass sowohl der monatlich zu zahlende tarifbeitrag (445,57 €) als auch die monatliche gutschrift aus limitierungsmitteln (12,07 €) unverändert blieben. 53b) 54die übrigen feststellungsbegehren sind zulässig und teilweise begründet. 55aa) 56ein feststellungsfähiges gegenwärtiges rechtsverhältnis liegt insoweit vor, da allein mit dem daneben erstrebten leistungsurteil auf rückzahlung überzahlter beiträge nicht rechtskräftig festgestellt wäre, dass der kläger zukünftig nicht zur zahlung des sich aus der beitragsanpassung ergebenden erhöhungsbetrags verpflichtet ist (vgl. bgh, urteil vom 19.12.2018, iv zr 255/17, rn. 17; urteil vom 16.12.2020, iv zr 294/19, rn. 19 f.). 57bb) 58die feststellungsbegehren sind in dem aus dem tenor ersichtlichen umfang begründet, weil sämtliche streitgegenständlichen beitragsanpassungen erst zum 01.05.2021 wirksam geworden sind und der kläger bis zu diesem zeitpunkt nicht zur zahlung des jeweiligen erhöhungsbetrags verpflichtet war. 59(1) 60die materielle berechtigung der beitragsanpassungen begegnet keinen zweifeln. 61(a) 62gemäß § 203 abs. 2 s. 1 und s. 4 vvg i. v. m. § 155 abs. 3 s. 1 und 2 vag ist der versicherer bei einer krankenversicherung, in der das ordentliche kündigungsrecht des versicherers gesetzlich oder vertraglich ausgeschlossen ist, berechtigt, die prämie neu festzusetzen, wenn eine gegenüberstellung der erforderlichen mit den kalkulierten versicherungsleistungen für einen tarif eine nicht nur als vorübergehend anzusehende abweichung von mehr als 10 %, sofern nicht in den allgemeinen versicherungsbedingungen ein geringerer prozentsatz vorgesehen ist, ergibt und ein unabhängiger treuhänder die technischen berechnungsgrundlagen überprüft und der prämienanpassung zugestimmt hat. die beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass sie in bezug auf die streitgegenständlichen tarife entsprechende abweichungen festgestellt habe und ein unabhängiger treuhänder den beitragsanpassungen zugestimmt habe. 63(b) 64soweit die veränderung der rechnungsgrundlage „versicherungsleistungen“ in den tarifen kn2 und „pflege“ unterhalb des in § 155 abs. 3 s. 2 vag vorgesehenen schwellenwerts von 10 % lag, finden die beitragsanpassungen ihre rechtsgrundlage in den regelungen des § 11 abs. 1 rb/kk i. v. m. § 10 tb/kk und des § 11 abs. 1 mb/gepv 2017, mit denen die beklagte von der in § 155 abs. 3 s. 2 vag vorgesehenen befugnis gebrauch gemacht hat, dass in allgemeinen versicherungsbedingungen ein geringerer prozentsatz als 10 % vorgesehen werden kann. die wirksamkeit dieser klauseln begegnet keinen durchgreifenden bedenken. 65es kann insoweit dahinstehen, ob § 11 abs. 2 rb/kk, der eine beitragsanpassung abweichend von § 203 abs. 2 vvg und § 12b abs. 2 s. 2 vag a. f. bzw. § 155 abs. 3 s. 2 vag auch dann zu ermöglichen scheint, wenn die veränderung der versicherungsleistungen als nur vorübergehend anzusehen ist, wegen der darin liegenden abweichung von wesentlichen grundgedanken der gesetzlichen regelung gemäß § 307 abs. 1 und 2 bgb unwirksam ist (vgl. zu § 8b mb/kk 2009: köln, urteil vom 22.09.2020, 9 u 237/19, juris rn. 66; urteil vom 07.09.2021, i-9 u 199/20, juris rn. 59 f.; olg rostock, urteil vom 08.12.2021, 4 u 90/21, juris rn. 14; olg schleswig-holstein, urteil vom 13.12.2021, 16 u 94/21, juris rn. 21 ff.; olg karlsruhe, urteil vom 17.02.2022, 12 u 202/21, juris rn. 106; olg dresden, urteil vom 22.02.2022, 4 u 1712/21, juris rn. 44). denn die unwirksamkeit dieser regelung hat entgegen der – auf die rechtsprechung des oberlandesgerichts köln (urteil vom 22.09.2020, 9 u 237/19, juris rn. 68; urteil vom 07.09.2021, i-9 u 199/20, juris rn. 61 f.; urteil vom 08.03.2022, 20 u 105/21, juris rn. 41 ff.; dem folgend olg rostock, a. a. o., rn. 15) gestützten – auffassung des klägers nicht die unwirksamkeit des § 11 abs. 1 rb/kk zur folge. 66gemäß § 306 abs. 1 bgb bleibt der vertrag dann, wenn allgemeine geschäftsbedingungen teilweise unwirksam sind, im übrigen rechtsbeständig. nach gefestigter rechtsprechung des bundesgerichtshofs können inhaltlich voneinander trennbare, einzeln aus sich heraus verständliche regelungen in allgemeinen geschäftsbedingungen auch dann gegenstand einer gesonderten wirksamkeitsprüfung sein, wenn sie in einem äußeren sprachlichen zusammenhang mit anderen – unwirksamen – regelungen stehen. nur wenn der als wirksam anzusehende teil im gesamtgefüge des vertrages nicht mehr sinnvoll, insbesondere der als unwirksam beanstandete klauselteil von so einschneidender bedeutung ist, dass von einer gänzlich neuen, von der bisherigen völlig abweichenden vertragsgestaltung gesprochen werden muss, ergreift die unwirksamkeit der teilklausel die gesamtklausel. die inhaltliche trennbarkeit einer klausel und damit die möglichkeit ihrer zerlegung in einen inhaltlich zulässigen und einen inhaltlich unzulässigen teil ist immer dann gegeben, wenn der unwirksame teil der klausel gestrichen werden kann, ohne dass der sinn des anderen teils darunter leidet (sog. blue-pencil-test); ob beide bestimmungen den gleichen regelungsgegenstand betreffen, ist dabei unerheblich (bgh, urteil vom 13.02.2020, ix zr 140/19, rn. 26 m. w. n.; urteil vom 31.03.2021, iv zr 221/19, rn. 64 m. w. n.). 67hiervon ausgehend, bliebe auch bei streichung des § 11 abs. 2 rb/kk ein selbstständiger regelungsgehalt des § 11 abs. 1 rb/kk bestehen. die absenkung des schwellenwerts (abs. 1) und die erweiterung des rechts zur beitragsanpassung (abs. 2) bei einer nur vorübergehenden veränderung der versicherungsleistungen sind von ihrem regelungsgehalt her klar voneinander abgrenzbar. § 11 abs. 1 rb/kk bleibt auch „isoliert“ aus sich heraus verständlich und sinnvoll. aus dem umstand, dass das gesetzliche erfordernis einer nicht nur vorübergehenden veränderung der versicherungsleistungen dort nicht ausdrücklich erwähnt wird, kann nicht der umkehrschluss gezogen werden, dass entgegen der gesetzlichen regelung eine beitragsanpassung bereits dann erfolgen können soll, wenn die veränderung nur vorübergehend ist. vielmehr liegt eine regelungslücke vor, die durch die anwendung zwingenden gesetzesrechts zu schließen ist, indem der – hier nur unterstellt – unwirksame teil der klausel (abs. 2) durch die gesetzliche regelung des § 203 abs. 2 vvg ersetzt wird. eine wiederholung sämtlicher gesetzlicher voraussetzungen für eine beitragsanpassung innerhalb der vertraglichen regelung des § 11 rb/kk selbst ist – auch mit blick auf den durchschnittlichen, um verständnis bemühten versicherungsnehmer – nicht erforderlich (vgl. zu § 8b mb/kk 2009: olg stuttgart, urteil vom 18.11.2021, 7 u 244/21, juris rn. 75; olg schleswig-holstein, urteil vom 13.12.2021, 16 u 94/21, juris rn. 25; olg dresden, urteil vom 21.12.2021, 6 u 1127/21, juris rn. 42 unter bezugnahme auf eine unveröffentlichte verfügung des olg hamburg vom 12.11.2021; urteil vom 22.02.2022, 4 u 1712/21, juris rn. 43 ff.; olg karlsruhe, urteil vom 17.02.2022, 12 u 202/21, juris rn. 109 f.). 68im tarif „pflege“ stellt sich die vorstehende problematik nicht, weil § 11 mb/gepv eine dem § 11 abs. 2 rb/kk entsprechende regelung nicht enthält. 69(c) 70die beklagte war auch berechtigt, im tarif kn2 zum 01.01.2020 eine beitragserhöhung vorzunehmen, obwohl die leistungsausgaben gesunken waren. gemäß § 203 abs. 2 s. 1 vvg i. v. m. § 155 abs. 3 s. 1 und 2 vag wird die überprüfung der prämie durch jede nicht nur als vorübergehend anzusehende abweichung der erforderlichen von den kalkulierten versicherungsleistungen um mehr als den festgelegten prozentsatz ausgelöst, unabhängig davon, ob die veränderung in gestalt einer steigerung oder einer verringerung eingetreten ist (bgh, urteil vom 20.10.2021, iv zr 148/20, rn. 30). dies hat zur folge, dass es trotz einer veränderung des auslösenden faktors nach unten im ergebnis zu einer prämienerhöhung kommen kann, sofern sich die übrigen bei der neukalkulation zu berücksichtigenden rechnungsgrundlagen prämienerhöhend verändert haben (vgl. olg köln, urteil vom 17.10.2020, 9 u 74/20, juris rn. 52; olg celle, urteil vom 13.01.2022, 8 u 134/21, juris rn. 69; olg dresden, urteil vom 22.02.2022, 4 u 1712/21, juris rn. 50 ff. unter bezugnahme auf einen unveröffentlichten hinweisbeschluss des olg nürnberg vom 30.01.2019, 8 u 1482/18; lg wuppertal, urteil vom 29.07.2021, 4 o 409/20, juris rn. 90 f.; brand, in: bruck/möller, vvg, 9. aufl. 2020, § 203 rn. 32 m. w. n.). 71(2) 72gemäß § 203 abs. 5 vvg werden die neufestsetzung der prämie und die änderungen nach § 203 abs. 2 und 3 vvg zu beginn des zweiten monats wirksam, der auf die mitteilung der neufestsetzung oder der änderungen und der hierfür maßgeblichen gründe an den versicherungsnehmer folgt. 73nach mittlerweile gefestigter rechtsprechung des bundesgerichtshofs erfordert die mitteilung der maßgeblichen gründe nicht mehr und nicht weniger als die – auf die konkret in rede stehende prämienanpassung bezogene – angabe der rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende veränderung die neufestsetzung nach § 203 abs. 2 s. 1 vvg veranlasst hat. es müssen nicht alle gründe der beitragserhöhung genannt werden, sondern nur die für die prämienanpassung entscheidenden umstände. in diesem sinne entscheidend ist nur, ob eine veränderung der erforderlichen gegenüber den kalkulierten versicherungsleistungen oder sterbewahrscheinlichkeiten die in § 155 abs. 3 und 4 vag oder in den allgemeinen versicherungsbedingungen geregelten schwellenwerte überschreitet oder nicht (bgh, urteil vom 16.12.2020, iv zr 294/19, rn. 26 ff.). während die angabe, dass ein vorab festgelegter schwellenwert über- oder unterschritten worden ist, zum notwendigen begründungsumfang gehört (vgl. bgh, urteil vom 23.06.2020, iv zr 250/20, rn. 18; urteil vom 21.07.2021, iv zr 191/20, rn. 26; olg celle, urteil vom 13.01.2022, 8 u 134/21, juris rn. 122; olg dresden, urteil vom 22.02.2022, 4 u 1711/21, juris rn. 5), muss der versicherer weder die rechtsgrundlage des geltenden schwellenwerts noch die genaue höhe der veränderung der rechnungsgrundlage mitteilen. ebenso wenig hat er die veränderung weiterer faktoren, welche die prämienhöhe beeinflusst haben, wie z. b. des rechnungszinses, anzugeben (bgh, urteil vom 16.12.2020, iv zr 294/19, rn. 26 ff.). die mitteilungspflicht erfüllt so den zweck, dem versicherungsnehmer zu verdeutlichen, dass weder sein individuelles verhalten noch eine freie entscheidung des versicherers grund für die beitragserhöhung war, sondern dass eine bestimmte veränderung der umstände dies aufgrund gesetzlicher regelungen veranlasst hat (bgh, a. a. o., rn. 35). da die überprüfung der prämie unabhängig von dem umstand ausgelöst wird, ob die über den schwellenwert hinausreichende veränderung in gestalt einer steigerung oder einer verringerung eingetreten ist, und die mitteilungspflicht nicht den zweck hat, dem versicherungsnehmer eine plausibilitätskontrolle der prämienanpassung zu ermöglichen (bgh, a. a. o., rn. 36), ist ein hinweis des versicherers darauf, in welche richtung sich die maßgebliche rechnungsgrundlage verändert hat, nicht erforderlich (bgh, urteil vom 20.10.2021, iv zr 148/20, rn. 29 f.). 74den vorstehenden anforderungen genügten die dem kläger mitgeteilten gründe für die streitgegenständlichen beitragsanpassungen nicht: 75(a) 76in den dem kläger im november 2011 übersandten informationen betreffend die beitragsanpassung zum 01.12.2012 (anlage bld 7-1) wird zu den hierfür maßgeblichen gründen lediglich ausgeführt, dass die gründe „vielfältig“ seien und „ein hauptgrund“ darin liege, dass die ausgaben für versicherungsleistungen weiter „stark“ angestiegen seien. diesen angaben kann ein versicherungsnehmer weder klar entnehmen, welche rechnungsgrundlage die anpassung ausgelöst hat, noch dass insoweit ein vorab festgelegter schwellenwert überschritten worden ist. 77(b) 78entsprechendes gilt für die dem kläger im november 2013 übersandten informationen betreffend die beitragsanpassung zum 01.01.2014 (anlage bld 7-2), wo zu den hierfür maßgeblichen gründen folgendes ausgeführt wird: „sie fragen sich sicher warum ihre beiträge steigen: ein hauptgrund ist: die ausgaben für versicherungsleistungen sind weiter stark angestiegen. […] der gesetzgeber schreibt uns vor, dass wir jedes jahr die tatsächlich entstandenen ausgaben für unsere leistungen mit den ausgaben vergleichen, die in den beiträgen einkalkuliert sind. stellen wir dabei in einem tarif deutliche abweichungen fest, müssen wir die beiträge zum ausgleich anpassen.“ damit wird zwar das gesetzlich vorgeschriebene verfahren rudimentär erläutert; allerdings ist der hinweis auf „deutliche abweichungen“ nicht geeignet, dem versicherungsnehmer zu verdeutlichen, dass ein vorab festgelegter schwellenwert überschritten worden ist. 79(c) 80in den dem kläger im november 2019 übersandten informationen betreffend die beitragsanpassung zum 01.01.2020 (anlage bld 7-3) wird zu den hierfür maßgeblichen gründen folgendes ausgeführt: „wenn in einem tarif die ausgaben für leistungen von den kalkulierten deutlich abweichen und diese änderung nicht nur vorübergehend ist, müssen wir die beiträge anpassen. […] in diesem jahr ist der maßgebliche grund für die beitragsanpassung die abweichung in den leistungsausgaben.“ damit wird zwar die maßgebliche rechnungsgrundlage „versicherungsleistungen“ hinreichend klar benannt; allerdings fehlt es mit dem abstellen auf ein „deutliches“ abweichen erneut an der angabe, dass ein vorab festgelegter schwellenwert überschritten worden ist. 81(d) 82in den dem kläger im märz 2020 übersandten informationen betreffend die beitragsanpassung zum 01.05.2020 (anlage bld 7-4) wird zu den hierfür maßgeblichen gründen folgendes ausgeführt: „wenn in einem tarif die ausgaben für leistungen von den kalkulierten deutlich abweichen und diese änderung nicht nur vorübergehend ist, müssen wir die beiträge anpassen. auch veränderungen der lebenserwartungen können zu einer beitragsänderung führen. […] in fast allen von einer beitragsanpassung betroffenen tarifen sind abweichungen in den leistungsausgaben der maßgebliche grund für die beitragsanpassung. im tarif central.pflege machen abweichungen von der zugrunde liegenden lebenserwartung eine anpassung erforderlich.“ damit werden zwar die maßgeblichen rechnungsgrundlagen „versicherungsleistungen“ (gleichbedeutend mit „leistungsausgaben“) und „sterbewahrscheinlichkeiten“ (gleichbedeutend mit „lebenserwartung“) hinreichend klar benannt. allerdings fehlt mit dem abstellen auf ein „deutliches“ abweichen der leistungsausgaben erneut die angabe, dass insoweit ein vorab festgelegter schwellenwert überschritten worden ist, während hinsichtlich der rechnungsgrundlage „sterbewahrscheinlichkeiten“ sogar der eindruck erweckt wird, jegliche veränderung berechtige zu einer beitragsanpassung. überdies wird in bezug auf den tarif „pflege“ der eindruck erweckt, dass ausschließlich eine veränderung der rechnungsgrundlage „sterbewahrscheinlichkeiten“ die beitragsanpassung ausgelöst habe, obwohl nach den angaben in der klageerwiderung auch die rechnungsgrundlage „versicherungsleistungen“ den tariflich festgelegten schwellenwert überschritten hat. 83(3) 84die zunächst unzureichenden begründungen für die vorgenannten beitragsanpassungen sind jedoch mit zustellung der klageerwiderung an die prozessbevollmächtigten des klägers am 02.03.2021 geheilt worden. wenn eine mitteilung der prämienanpassung zunächst ohne eine den anforderungen des § 203 abs. 5 vvg genügende begründung erfolgt, diese aber später nachgeholt wird, wird dadurch die für die wirksamkeit der neufestsetzung der prämie angeordnete frist in lauf gesetzt (bgh, urteil vom 19.12.2018, iv zr 255/17, rn. 66; urteil vom 16.12.2020, iv zr 294/19, rn. 41 f.). in der klageerwiderung hat die beklagte klargestellt, dass die streitgegenständlichen beitragsanpassungen jeweils durch eine änderung der versicherungsleistungen (bzw. im tarif „pflege“ auch der sterbewahrscheinlichkeit) um die in der klageerwiderung mitgeteilten prozentsätze ausgelöst worden seien, und damit dem begründungserfordernis nach § 203 abs. 5 vvg genügt. infolgedessen sind die ursprünglich zum 01.01.2012, 01.01.2014, 01.01.2020 und 01.05.2020 vorgesehenen prämienerhöhungen ab dem zweiten auf die zustellung der klageerwiderung folgenden monat, d. h. ab dem 01.05.2021, wirksam geworden. auf den antrag des klägers waren daher die unwirksamkeit der genannten prämienerhöhungen sowie die fehlende verpflichtung des klägers zur tragung des jeweiligen erhöhungsbetrags (lediglich) bis zu diesem zeitpunkt festzustellen. 852. 86der zulässige leistungsantrag zu 2. ist jedoch nur in höhe von 5.690,88 € nebst prozesszinsen begründet. 87a) 88der kläger hat gegen die beklagte gemäß § 812 abs. 1 s. 1 alt. 1 bgb einen anspruch auf rückzahlung der erhöhungsbeiträge, die er seit dem 01.01.2017 bis zum 31.08.2020 aufgrund der aus den oben genannten gründen unwirksamen beitragsanpassungen rechtsgrundlos geleistet hat. 89aa) 90soweit die beklagte dem kläger zeitlich befristete gutschriften aus limitierungsmitteln gewährt hat, errechnet sich der jeweilige rückzahlungsanspruch nicht – wie die beklagte offenbar meint – von vornherein aus der differenz der in den nachträgen zum versicherungsschein vor und nach der beitragsanpassung ausgewiesenen „monatlich zu zahlenden beiträge“, sondern vielmehr aus der differenz der „eigentlichen“ tarifbeiträge, welche sich erst aus der addition des „monatlich zu zahlenden beitrags“ und der „monatlichen gutschrift“ ergeben, auf welche der kläger sich sodann die limitierungsgutschriften (lediglich) für die zeiträume, in denen er sie erhalten hat, anrechnen lassen muss. hiernach summiert sich die forderung des klägers wie folgt: 91im tarif kn2 hat der kläger 44 monatliche prämienanteile in höhe von jeweils 72,15 € aufgrund der unwirksamen beitragserhöhung zum 01.01.2012, weitere 44 monatliche prämienanteile in höhe von jeweils 39,04 € aufgrund der unwirksamen beitragserhöhung zum 01.01.2014 und weitere 8 monatliche prämienanteile in höhe von jeweils 62,32 € aufgrund der unwirksamen beitragserhöhung zum 01.01.2020 rechtsgrundlos geleistet. nach abzug der dem kläger im jahr 2020 gewährten limitierungsgutschriften in höhe von (8 x 17,37 =) 138,96 € verbleibt eine summe von 5.251,96 €. 92im tarif tnc14 hat der kläger 44 monatliche prämienanteile in höhe von jeweils 9,11 € aufgrund der unwirksamen beitragserhöhung zum 01.01.2012, mithin eine summe von 400,84 €, rechtsgrundlos geleistet. 93im tarif pvtb120 hat der kläger 4 monatliche prämienanteile in höhe von jeweils 14,38 € aufgrund der unwirksamen beitragserhöhung zum 01.05.2020 abzüglich der insoweit gewährten limitierungsgutschriften in höhe von (4 x 7,12 =) 28,48 €, mithin eine summe von 29,04 €, rechtsgrundlos geleistet. 94im tarif „pflege“ hat der kläger 4 monatliche prämienanteile in höhe von jeweils 2,26 € aufgrund der unwirksamen beitragserhöhung zum 01.05.2020, mithin eine summe von 9,04 €, rechtsgrundlos geleistet. 95bb) 96diesem anspruch stehen keine bereicherungsrechtliche einwände entgegen. eine anrechnung des genossenen versicherungsschutzes im wege der saldierung kommt nicht in betracht, weil weiterhin ein wirksamer versicherungsvertrag bestand, der die beklagte zur erbringung von versicherungsleistungen verpflichtete (bgh, urteil vom 16.12.2020, iv zr 294/19, rn. 46 f.). durch die erbringung von versicherungsleistungen oder die bildung von rückstellungen ist auch keine entreicherung der beklagten im sinne von § 818 abs. 3 bgb eingetreten. mit der erbringung der versicherungsleistungen hat die beklagte eigene verbindlichkeiten erfüllt und sich mithin von diesen befreit (bgh, a. a. o., rn. 49 m. w. n.). 97cc) 98in diesem umfang ist auch keine verjährung eingetreten (§ 214 abs. 1 bgb). 99die bereicherungsansprüche unterliegen der regelmäßigen dreijährigen verjährungsfrist (§ 195 bgb), welche gemäß § 199 abs. 1 bgb grundsätzlich mit dem schluss des jahres beginnt, in dem der anspruch entstanden ist und der gläubiger von den den anspruch begründenden umständen und der person des schuldners kenntnis erlangt oder ohne grobe fahrlässigkeit erlangen müsste. die rückzahlungsansprüche entstanden jeweils mit der zahlung der erhöhungsbeträge. die notwendige kenntnis von den anspruchsbegründenden umständen und von der person des schuldners hatte der kläger bereits mit dem zugang der jeweiligen änderungsmitteilungen (vgl. bgh, urteil vom 17.11.2021, iv zr 113/20, rn. 40 ff.). 100entgegen einer teilweise vertretenen auffassung sind die monatlich gezahlten erhöhungsbeträge nicht wie nutzungen eines geschlossenen stammrechts zu behandeln mit der folge, dass die sukzessive entstandenen rückgewähransprüche analog § 217 bgb drei jahre nach der (unwirksamen) prämienanpassung verjähren (vgl. lg essen, urteil vom 03.04.2019, 18 o 191/18, juris rn. 58; lg halle, urteil vom 16.07.2021, 5 o 442/20, juris rn. 59; fuxman/leygraf, r+s 2021, 61, 63 f.). zum einen ergeben sich die hier in rede stehenden bereicherungsansprüche nicht aus einem „stammrecht“ des versicherungsnehmers (allenfalls könnte man umgekehrt von einer „stammpflicht“ sprechen). zum anderen ist die für die anwendung der stammrechtstheorie in der privaten unfall- und berufsunfähigkeitsversicherung maßgebliche erwägung, dass es den versicherer unbillig belasten würde, sich jahre nach einer leistungsablehnung noch mit einem für abgeschlossen gehaltenen, angesichts des zeitablaufs typischerweise nur noch unter schwierigkeiten aufklärbaren versicherungsfall auseinandersetzen zu müssen (vgl. bgh, urteil vom 03.04.2019, iv zr 90/18 rn. 19 ff. m. w. n.), auf die vorliegende konstellation nicht übertragbar (olg stuttgart, urteil vom 04.11.2021, 7 u 204/21, rn. 49; ebenso im ergebnis lg hannover, urteil vom 29.03.2021, 19 o 291/20, juris rn. 100 f.; egger, r+s 2021, 430, 433; schultess, versr 2021, 1555, 1556 f.). 101mithin begann die verjährungsfrist für die ersten hier in rede stehenden ansprüche mit dem schluss des jahres 2017 und endete am 31.12.2020. insoweit ist die verjährung gemäß § 204 abs. 1 nr. 1 bgb durch die am 04.11.2020 durch zustellung an die beklagte erhobene (§ 253 abs. 1 zpo) klage gehemmt worden. 102dd) 103der anspruch auf prozesszinsen folgt aus §§ 291, 288 abs. 1 s. 2 bgb. 104b) 105weitere rechtsgrundlose zahlungen aufgrund unwirksamer (noch) streitgegenständlicher beitragserhöhungen hat der kläger in unverjährter zeit nicht geleistet. die klägerseits behauptete beitragserhöhung im tarif kn2 zum 01.01.2013 hat – wie unter 1. a) dargestellt – tatsächlich nicht stattgefunden. 106c) 107etwaigen ansprüchen gemäß § 812 abs. 1 s. 1 alt. 1 bgb auf rückzahlung der erhöhungsbeträge, die der kläger bis zum 31.12.2016 auf die streitgegenständlichen beitragsanpassungen geleistet hat, steht jedenfalls die von der beklagten erhobene einrede der verjährung entgegen (§ 214 abs. 1 bgb). 108aa) 109da bereits der zugang der jeweiligen änderungsmitteilungen dem kläger die notwendige kenntnis von den anspruchsbegründenden umständen und von der person des schuldners vermittelte (vgl. bgh, urteil vom 17.11.2021, iv zr 113/20, rn. 40 ff.), begann die verjährungsfrist für die letzten hier in rede stehenden zahlungen mit dem schluss des jahres 2016 und endete am 31.12.2019, so dass die am 06.10.2020 eingegangene klage insoweit keine hemmung gemäß § 204 abs. 1 nr. 1 bgb mehr bewirken konnte. 110bb) 111entgegen der ansicht des klägers fehlte es bis dahin nicht an der zumutbarkeit der klageerhebung als übergreifender voraussetzung für den verjährungsbeginn. 112in eng begrenzten, besonders begründeten ausnahmefällen (bgh, urteil vom 17.12.2020, vi zr 739/20, rn. 10) kann die rechtsunkenntnis des gläubigers den verjährungsbeginn hinausschieben, wenn der durchsetzung des anspruchs eine gegenteilige höchstrichterliche rechtsprechung entgegensteht (bgh, urteil vom 28.10.2014, xi zr 348/13, rn. 35) oder eine unsichere und zweifelhafte rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag (bgh, urteil vom 21.02.2018, iv zr 304/16, rn. 15 m. w. n.). eine unsichere und zweifelhafte rechtslage liegt nicht schon dann vor, wenn eine rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich entschieden ist, sondern setzt zumindest voraus, dass im zeitpunkt der anspruchsentstehung ein ernsthafter meinungsstreit in literatur und rechtsprechung bestand (vgl. bgh, urteil vom 28.10.2014, xi zr 348/13, rn. 45; urteil vom 17.12.2020, vi zr 739/20, rn. 13). wird die rechtslage erst unsicher, nachdem die verjährungsfrist zu laufen begonnen hat, schiebt dies den beginn der einmal in lauf gesetzten frist nicht nachträglich hinaus (vgl. bgh, urteil vom 28.10.2014, xi zr 348/13, rn. 45; urteil vom 17.12.2020, vi zr 739/20, rn. 15). auch mit blick auf rechtliche unsicherheiten ist eine klageerhebung dann zumutbar, wenn die klage bei verständiger würdigung hinreichende erfolgsaussichten hat; es ist nicht erforderlich, dass die rechtsverfolgung risikolos möglich ist (bgh, urteil vom 17.12.2020, vi zr 739/20, rn. 11 m. w. n.). 113nach diesen maßstäben war die erhebung einer klage, mit der die formelle unwirksamkeit von beitragserhöhungen aufgrund einer unzureichenden begründung geltend gemacht wird, jedenfalls bis zum 31.12.2016 zumutbar und der verjährungsbeginn nicht bis zu der durch die urteile des bundesgerichtshofs vom 16.12.2020 (iv zr 294/19 und iv zr 314/19) herbeigeführten höchstrichterlichen klärung hinausgeschoben. denn es gab weder eine entgegenstehende höchstrichterliche rechtsprechung noch – jedenfalls bis zu diesem zeitpunkt – einen ernsthaften meinungsstreit. der umstand, dass die frage, welche anforderungen an eine mitteilung gemäß § 203 abs. 5 vvg zu stellen sind, in der literatur zunächst nur vereinzelt aufgegriffen wurde (vgl. klimke, versr 2016, 22 ff.) und erste gerichtliche entscheidungen hierzu erst im jahr 2018 veröffentlicht wurden (vgl. lg neuruppin, urteil vom 25.08.2017, 1 o 338/16, versr 2018, 469; lg potsdam, urteil vom 27.09.2017, 6 s 80/16, versr 2018, 471), mag die rechtliche einordnung und die rechtliche beratung nicht erleichtert haben, ließ eine klageerhebung indes unzumutbar erscheinen. vielmehr musste eine rechtliche würdigung gerade ergeben, dass die erfolgschancen eines rückzahlungsanspruchs als offen einzuschätzen waren (olg stuttgart, urteil vom 04.11.2021, 7 u 204/21, juris rn. 38; vgl. olg dresden, urteil vom 12.10.2021, 6 u 751/21, juris rn. 81 f.; urteil vom 14.12.2021, 4 u 1693/21, juris rn. 38; olg saarbrücken, urteil vom 01.12.2021, 5 u 93/20, juris rn. 35; olg hamm, urteil vom 30.06.2021, 20 u 152/20, juris rn. 79). 114hinzu kommt, dass bereits seit dem jahr 2018, insbesondere aber im laufe des jahres 2020 bei zahlreichen landgerichten – darunter auch dem hiesigen – eine vielzahl entsprechender klagen eingegangen sind, mit denen die jeweiligen – im jahr 2020 zumeist von den prozessbevollmächtigten des klägers vertretenen – versicherungsnehmer zu erkennen gegeben haben, dass sie ungeachtet des zu dieser zeit ungeklärten meinungsstreits von der unwirksamkeit der prämienerhöhungen ausgingen. auch der kläger hat bereits vor veröffentlichung der urteile des bundesgerichtshofs vom 16.12.2020 seine ansprüche gegen die beklagte geltend gemacht und klage eingereicht. umstrittener als in den jahren 2018 bis 2020 war der inhalt des § 203 abs. 5 vvg jedoch in den jahren bis einschließlich 2016 nicht, so dass dem kläger die klageerhebung auch damals nicht unzumutbar war (vgl. bgh, urteil vom 17.11.2021, iv zr 113/20, rn. 45). 115cc) 116ebenso wenig ist es für die feststellung der verjährung entscheidungserheblich, ob der kläger mit zugang der änderungsmitteilungen auch kenntnis von den tatsachen hatte, aus denen die von ihm ebenfalls geltend gemachte materielle unwirksamkeit der beitragserhöhungen folgen könnte. denn der gläubiger eines bereicherungsanspruchs aus § 812 abs. 1 s. 1 alt. 1 bgb hat kenntnis von den anspruchsbegründenden umständen, wenn er von der leistung und den tatsachen weiß, aus denen sich das fehlen des rechtsgrundes ergibt, das dem kläger jedenfalls aufgrund der seiner auffassung nach bestehenden formalen mängel der änderungsmitteilungen bereits mit deren erhalt bekannt war. eine erneute kenntnisnahme vom fehlen desselben rechtsgrundes aus weiteren gründen setzt keine neue verjährungsfrist in gang (vgl. bgh, urteil vom 17.11.2021, iv zr 113/20, rn. 47; olg düsseldorf, urteil vom 14.10.2021, 13 u 37/21, versr 2021, 1553, 1554). 1173. 118der auf die feststellung der verpflichtung der beklagten zur herausgabe von nutzungen gerichtete feststellungsantrag zu 3. ist insgesamt zulässig, aber nur im tenorierten umfang begründet. 119seine zulässigkeit scheitert nicht am vorrang der leistungsklage, weil die von der beklagten gezogenen nutzungen aus den nach ansicht des klägers rechtsgrundlos gezahlten prämienanteilen für ihn im zeitpunkt der klageerhebung nur teilweise bezifferbar waren (bgh, urteil vom 19.12.2018, iv zr 255/17, rn. 18 ff. m. w. n.). 120der anspruch auf herausgabe der rechtsgrundlos gezahlten erhöhungsbeträge erstreckt sich gemäß § 818 abs. 1 bgb auf die nutzungen, welche die beklagte aus diesen prämienanteilen gezogen hat, ist insoweit allerdings auf die zeit vor eintritt der verzinsungspflicht für die hauptforderung beschränkt (bgh, urteil vom 16.12.2020, iv zr 294/19, rn. 58). etwaige ansprüche auf herausgabe von nutzungen, welche die beklagte aus den bis zum 31.12.2016 gezahlten prämienanteilen gezogen hat, wären mit dem jeweiligen hauptanspruch verjährt (§ 217 bgb). daher war die feststellung der pflicht zur herausgabe gezogener nutzungen auf den zeitraum zu beschränken, in dem der kläger in unverjährter zeit nicht zur tragung des jeweiligen erhöhungsbetrags verpflichtet war und nach seinem vortrag zahlungen auf die unwirksamen beitragserhöhungen geleistet hat. 121der auf die feststellung einer verzinsungspflicht für die nutzungen gerichtete antrag zu 3. b) ist unbegründet. § 291 bgb als anspruchsgrundlage für prozesszinsen greift bei einer klage, die auf die feststellung einer verbindlichkeit gerichtet ist, nicht ein. auch ein verzugszinsanspruch kommt nicht in betracht, weil weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass das anwaltsschreiben vom 31.08.2020 eine bezifferung der geforderten nutzungen enthielt, und somit die für eine mahnung erforderliche bestimmtheit nicht festgestellt werden kann (vgl. bgh, urteil vom 17.11.2021, iv zr 109/20, rn. 43). 1224. 123der auf den ersatz von außergerichtlichen rechtsanwaltskosten gerichtete antrag zu 4. ist unbegründet. die insoweit geltend gemachten kosten wären allenfalls unter dem gesichtspunkt des verzugs ersatzfähig (§§ 280 abs. 1 und 2, 286 bgb), der zum zeitpunkt der einzigen vorgetragenen außergerichtlichen tätigkeit der prozessbevollmächtigten des klägers, nämlich der erstellung des mahnschreibens vom 31.08.2020, nicht vorlag, sondern erst mit ablauf der darin gesetzten zahlungsfrist begründet wurde. eine diesem schreiben vorausgehende mahnung durch den kläger ist ebenso wenig vorgetragen wie eine weitere außergerichtliche rechtsanwaltstätigkeit. 124iii. 125die kostenentscheidung beruht auf § 92 abs. 1 s. 1, § 269 abs. 3 s. 1 zpo. die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit folgt aus § 709 s. 1 und 2 zpo. 126iv. 127der streitwert für die gerichtsgebühren wird auf 21.660,63 € festgesetzt (§ 63 abs. 1 gkg). 128rechtsbehelfsbelehrung: 129gegen die streitwertfestsetzung ist die beschwerde statthaft, wenn der wert des beschwerdegegenstandes 200,00 eur übersteigt oder das landgericht die beschwerde zugelassen hat. die beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs monaten, nachdem die entscheidung in der hauptsache rechtskraft erlangt oder das verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem landgericht duisburg, könig-heinrich-platz 1, 47051 duisburg, schriftlich in deutscher sprache oder zur niederschrift des urkundsbeamten der geschäftsstelle einzulegen. die beschwerde kann auch zur niederschrift der geschäftsstelle eines jeden amtsgerichtes abgegeben werden. ist der streitwert später als einen monat vor ablauf dieser frist festgesetzt worden, so kann die beschwerde noch innerhalb eines monats nach zustellung oder formloser mitteilung des festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 130hinweis zum elektronischen rechtsverkehr: 131die einlegung ist auch durch übertragung eines elektronischen dokuments an die elektronische poststelle des gerichts möglich. das elektronische dokument muss für die bearbeitung durch das gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen signatur der verantwortenden person versehen sein oder von der verantwortenden person signiert und auf einem sicheren übermittlungsweg gemäß § 130a zpo nach näherer maßgabe der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (bgbl. 2017 i, s. 3803) eingereicht werden. auf die pflicht zur elektronischen einreichung durch professionelle einreicher/innen ab dem 01.01.2022 durch das gesetz zum ausbau des elektronischen rechtsverkehrs mit den gerichten vom 10. oktober 2013, das gesetz zur einführung der elektronischen akte in der justiz und zur weiteren förderung des elektronischen rechtsverkehrs vom 5. juli 2017 und das gesetz zum ausbau des elektronischen rechtsverkehrs mit den gerichten und zur änderung weiterer vorschriften vom 05.10.2021 wird hingewiesen. 132weitere informationen erhalten sie auf der internetseite www.justiz.de. 133e i w e e2
345,444
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8 A 1575/19
2022-04-20T00:00:00
Urteil
Tenor Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die nicht erstattungsfähig sind. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Revision wird nicht zugelassen. 1Tatbestand: 2Die Beteiligten streiten um die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigung für die Erhöhung der zur Nachtzeit zugelassenen Betriebsleistung von zwei Windenergieanlagen. 3Die Klägerin betreibt nördlich von E. -O. den „Windpark O. “. Dieser besteht aus insgesamt vier Windenergieanlagen des Typs Enercon E‑70 E4 mit jeweils 98,2 m Nabenhöhe, 71 m Rotordurchmesser und 2.000 kW Nennleistung auf den Grundstücken Gemarkung O. , Flur 2, Flurstücke 81 (WEA 1), 79 (WEA 2), 83 (WEA 3) und 85 (WEA 4). 4Südlich des Windparks O. in einem Abstand ab ca. 790 m zu der nächstgelegenen Anlage WEA 4 befindet sich ein Wohngebiet, das der Durchführungsplan Nr. 22-01 „T. “ aus dem Jahr 1958 der damals selbstständigen Gemeinde O. als „Reines Wohngebiet“ festsetzt. Das reine Wohngebiet grenzt nördlich an die L.----straße D 17 („P. “) und erstreckt sich etwa 250 m weit in südliche Richtung entlang des nach Westen bogenförmig verlaufenden Straßenzuges „T1. “ bis einschließlich der (heutigen) Flurstücke 316 (T1. 25) und 105 (T1. 20). Außerhalb des Plangebiets setzt sich eine Wohnbebauung entlang des übrigen Teilstücks des T1. , der in die westlich gelegene Straße „T2.------weg “ mündet, sowie entlang des in Nord-Süd-Richtung verlaufenden T3.------wegs samt dessen Ausläufern fort. Nordwestlich des Plangebiets liegt an die L.----straße P1. angrenzend ein Friedhof (Flurstück 27) mit Kapelle (Flurstück 192), südlich hieran schließt sich zwischen dem Plangebiet und der entlang der Ostseite des T3.------wegs vorhandenen Wohnbebauung eine ca. 5.000 m² große Freifläche (Flurstücke 203, 246 und 279) an. Das festgesetzte reine Wohngebiet wie auch die westlich hiervon außerhalb des Plangebietes entstandene Bebauung sind von landwirtschaftlich genutzten Freiflächen mit zwei nordwestlich und nordöstlich an der L.----straße P1. gelegenen Hofstellen umgeben. 5Ausgehend von der im Flächennutzungsplan der Beigeladenen in der Fassung der 140. Änderung aus dem Jahr 2000 dargestellten Vorrangfläche für Windkraft - Teilfläche 1 „Nördlich von O. “ - setzt der am 10. November 2005 im Amtsblatt des Kreises M. (Seite 768) öffentlich bekanntgemachte Bebauungsplan Nr. 22‑07 „Windkraftanlagen O. “ der Beigeladenen ein „Sonstiges Sondergebiet für Windenergieanlagen und Flächen für die Landwirtschaft“ fest. Der räumliche Geltungsbereich entspricht im Wesentlichen der im Flächennutzungsplan ausgewiesenen Vorrangfläche 1 „Nördlich von O. “. Laut der Planzeichnung legt der Bebauungsplan für die vier konkret ausgewiesenen Anlagenstandorte maximale Schallleistungspegel von 103 dB(A) tags und 99 dB(A) nachts fest. Nach der Planzeichenerklärung kommt ein Schallleistungspegel von 99 dB(A) nachts je Anlage nur bei Realisierung von vier Windenergieanlagen zum Tragen, bei der Realisierung von weniger als vier Windenergieanlagen sind je nach Anlagentyp und Anlagenzahl höhere Werte, maximal aber 103 dB(A) möglich. In den textlichen Festsetzungen heißt es unter „I. Planungsrechtliche Festsetzungen gem. § 9 Abs. 1 BauGB“ in Ziffer 11: 6„Bei Realisierung von 4 Windenergieanlagen ist ein nächtlicher Schallleistungspegel von max. 99.0 dB(A) einzuhalten.“ 7Dieser Festsetzung liegt als Anlage zur Begründung des Bebauungsplans die „Schallvorprognose für die Errichtung von Windenergieanagen am Standort E. -O. “ des Ingenieurbüros für Energietechnik und Lärmschutz N. vom 22. März 2004 zu Grunde. Hiernach sei bei gleichzeitigem Betrieb von vier Anlagen an den ausgewiesenen Standorten und mit einem Schallleistungspegel jeweils von LwA = 103 dB(A) eine Belastung in Höhe von 37,7 dB(A) für den untersuchten Immissionsaufpunkt IP 1 („WR, B‑Plan 22‑01“; wohl auf dem Grundstück T1. 1) und von 38,9 dB(A) für den untersuchten Immissionsaufpunkt IP 2 („WA, T2.------weg “; wohl auf dem Grundstück P1. 58) zu erwarten. Bei schallreduziertem Betrieb mit LwA = 99 dB(A) betrage die Belastung 33,7 dB(A) am IP 1 und 34,9 dB(A) am IP 2. 8Für die Errichtung und den Betrieb der Windenergieanlagen WEA 1 und WEA 2 mit dem Anlagentyp Enercon E‑66/18.70 erteilte die Beigeladene der X. GmbH jeweils am 17. August 2004 Baugenehmigungen. Hinsichtlich der Anlagen WEA 3 und WEA 4 desselben Typs erteilte das ehemalige Staatliche Amt für Umwelt und Arbeitsschutz P2. -M. der G. & C. GbR am 15. Oktober 2004 eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Der Anlagentyp E-66/18.70 wurde anschließend nie errichtet. 9Durch Bescheide jeweils vom 2. April 2007 erteilte die Bezirksregierung E. der X. GmbH und der G1. & C. GbR zwei immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigungen, wonach anstelle des Anlagentyps Enercon E‑66/18.70 der Anlagentyp Enercon E‑70 E4 errichtet und betrieben werden darf. Der Änderungsbescheid betreffend die Anlagen WEA 1 und WEA 2 (im Bescheid bezeichnet als WKA 1 und 2) erlaubt für diese ganzjährig (0.00 bis 24.00 Uhr) einen uneingeschränkten Betrieb mit der vollen Nennleistung von 2.000 kW. Der Änderungsbescheid für die Anlagen WEA 3 und WEA 4 (im Bescheid bezeichnet als WKA 3 und 5) erlaubt den Betrieb mit einer Leistung von 2.000 kW ganzjährig von 6.00 bis 22.00 Uhr und lässt während der Nachtzeit (22.00 bis 6.00 Uhr) nur eine schallreduzierte Betriebsweise mit einer Leistung von bis zu 1.000 kW zu. Für die Anlagen WEA 1 und WEA 2 wurden außerdem Befreiungen hinsichtlich des bauplanungsrechtlich festgesetzten nächtlichen Schallleistungspegels erteilt. 10Die Klägerin erwarb diese vier Anlagen von der X. GmbH sowie der G1. & C. GbR. Den „Bauherrenwechsel“ zeigten diese beiden Gesellschaften dem Beklagten jeweils mit Schreiben vom 1. Februar 2008 an. 11Mit Formularantrag vom 30. Januar 2014 beantragte der Geschäftsführer der E1. Windverwaltung GmbH - Komplementärgesellschafterin der Klägerin - beim Beklagten im Namen der Klägerin, die WEA 3 und WEA 4 (bezeichnet als WKA 3 und 5) auch zur Nachtzeit mit der vollen Nennleistung von 2.000 kW betreiben zu dürfen. Dem Genehmigungsantrag beigefügt war die „Schalltechnische Stellungnahme für den Windpark O. , Kreis M. , NRW“ der Ingenieure GmbH vom 8. April 2013. Danach seien bei einem Betrieb sämtlicher vier Windenergieanlagen unter Volllast an den untersuchten Immissionsorten IO 01 (T1. 1) und IO 02 (T1. 7) der infolge einer bestehenden Gemengelage zum Außenbereich maßgebliche Zwischenwert von 40 dB(A) nachts (höchster ermittelter Wert: 38 dB(A) an IO 01) eingehalten. Im Formularantrag wurde zur Bearbeitung von Rückfragen auf die E1. Windpark Planung GmbH - die frühere Klägerin - verwiesen. In dem unter dem Briefkopf der E1. Windpark Planung GmbH verfassten Begleitschreiben vom 30. Januar 2014 hieß es ebenfalls, dass der Antrag im Namen der Windpark O. GmbH & Co. KG, der jetzigen Klägerin, gestellt werde. 12Nachdem die Beigeladene die Erteilung ihres gemeindlichen Einvernehmens verweigert hatte, lehnte der Beklagte den Antrag mit an die frühere Klägerin, die E1. Windpark Planung GmbH, adressierten Bescheiden jeweils vom 23. Oktober 2014 ab. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, ein Volllastbetrieb der Anlagen WEA 3 und WEA 4 verstoße wegen der damit einhergehenden höheren Lärmbelastung gegen die textliche Festsetzung I. 11 des Bebauungsplans Nr. 22‑07. 13Diese Ablehnungsbescheide waren Gegenstand der Klage der früheren Klägerin in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Minden 11 K 2807/14. Der Rechtsstreit wurde, nachdem das Verwaltungsgericht mit Hinweisverfügung vom 28. Januar 2016 Bedenken gegen die Wirksamkeit des Bebauungsplans Nr. 22‑07 geäußert hatte, durch gerichtlichen Vergleich vom 13. Mai 2016 einvernehmlich beendet. Nach den Ziffern 1 und 3 dieses Vergleichs verpflichtete sich der Beklagte, seine Ablehnungsbescheide vom 23. Oktober 2014 aufzuheben und über den Änderungsantrag auf der Grundlage weiterer, gemäß Ziffer 2 noch von der früheren Klägerin vorzulegender schalltechnischer Gutachten sowie unter Beachtung der in der Hinweisverfügung dargelegten Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. 14Am 24. Juni 2016 hob der Beklagte seine Ablehnungsbescheide vom 23. Oktober 2014 auf. Unter dem 6. Juli 2016 legte die frühere Klägerin dem Beklagten ein „Schalltechnisches Gutachten für den Betrieb des Windparks O. im Bundesland Nordrhein-Westfalen (4 x Enercon E‑70 E4 mit 2.000 kW Nennleistung)“ der Ingenieure GmbH vom 24. Juni 2016 vor. Die nach dem alternativen Verfahren gemäß DIN ISO 9613‑2 durchgeführte Prognoseberechnung gelangte zu dem Ergebnis, dass an den Immissionsorten IO 1 (T1. 1) und IO 2 (T1. 3) nachts ein Beurteilungspegel in Höhe von 38 dB(A) sowie an den übrigen, weiter südlich entlang des T1. gelegenen Immissionsorten IO 3 bis IO 15 solche in Höhe von jeweils 37 dB(A) nachts zu erwarten seien. 15Mit wiederum an die frühere Klägerin adressiertem Bescheid vom 17. November 2017 lehnte der Beklagte - nach abermaliger Verweigerung des Einvernehmens durch die Beigeladene - den Änderungsantrag erneut mit der Begründung ab, das Vorhaben sei bauplanungsrechtlich unzulässig, weil es der textlichen Festsetzung I. 11 des Bebauungsplans Nr. 22‑07 widerspreche und auch eine Befreiung hiervon nicht erteilt werden könne. Die nächtlichen Immissionsrichtwerte für das reine Wohngebiet in O. in Höhe von 35 dB (A) würden bei einem uneingeschränkten Volllastbetrieb aller vier Anlagen ausweislich des schalltechnischen Gutachtens der T & H Ingenieure GmbH vom 24. Juni 2016 jedenfalls an den Immissionsorten IO 6 (T1. 9a) und IO 13 (T1. 21) überschritten. Für diese Grundstücke, die im inneren Bereich des Plangebietes gelegen seien, sei allenfalls ein Immissionsrichtwert von 36 dB(A) zulässig (S. 8 des Bescheides). Sollte der Bebauungsplan Nr. 22‑07 unwirksam sein, wäre das Vorhaben gleichwohl unzulässig, weil es schädliche Umwelteinwirkungen in Gestalt von Lärm hervorriefe. 16Am 23. November 2017 hat die frühere Klägerin (unter der Bezeichnung E1. X1. Planung GmbH; die korrekte Schreibweise wäre laut Handelsregister: E2. X1. Planung GmbH) hiergegen Klage erhoben. Sie hat zur Begründung ihrer Klage im Wesentlichen vorgetragen: Der begehrten Änderung stünden keine öffentlich-rechtlichen Belange entgegen. Der Bebauungsplan Nr. 22‑07 sei abwägungsfehlerhaft; dies könne noch gerügt werden. Auch drohten durch eine Erhöhung der Betriebsleistung keine schädlichen Umwelteinwirkungen. Der Immissionsrichtwert sei auch für die Wohnhäuser T1. 9a und 21 (Immissionsorte IO 6 und IO 13) zu erhöhen. Diese Grundstücke seien noch dem Einfluss des Außenbereichs ausgesetzt, worauf es bei einer Gemengelage für die Zwischenwertbildung nach Maßgabe der TA Lärm entscheidend ankomme. Eine Erhöhung der Lärmrichtwerte sei dementsprechend auch dann geboten, wenn das betreffende Wohngebäude nicht am unmittelbaren Rand zum Außenbereich, sondern durch Bebauung abgeschirmt weiter zurückgesetzt liege. Die Grundstücke T1. 9a und 21 seien nur wenige Hundert Meter vom Außenbereich entfernt; überdies weise die durch freistehende Häuser gekennzeichnete Wohnbebauung eine aufgelockerte Bauweise auf, so dass der Übergang zum Außenbereich nur unwesentlich versperrt werde. Das planerisch festgesetzte reine Wohngebiet sei zudem verhältnismäßig klein. Es stelle eine „Außenbereichsinsel“ dar, so dass sämtliche in der Schallimmissionsprognose vom 24. Juni 2016 untersuchten Immissionsorte durch den umliegenden Außenbereich geprägt seien. Die inmitten des Plangebiets gelegenen Grünflächen stellten einen die Immissionsorte IO 6 und IO 13 unmittelbar prägenden Außenbereich im Innenbereich dar. Schließlich nähmen die ermittelten Beurteilungspegel beginnend an der Außenbereichsgrenze in südliche Richtung nicht mehr wesentlich ab mit der Folge, dass die nach Maßgabe der TA Lärm vorgegebene Bildung von Zwischenwerten bei einer hier vorliegenden Gemengelage faktisch leerliefe, wollte man für die Immissionsorte IO 6 und IO 13 keine Erhöhung des Richtwerts bejahen. 17Die frühere Klägerin hat beantragt, 18den Beklagten unter Aufhebung seines Ablehnungsbescheides vom 17. November 2017 zu verpflichten, die beantragte Änderungsgenehmigung zu erteilen. 19Der Beklagte hat beantragt, 20die Klage abzuweisen. 21Er hat seinen angegriffenen Ablehnungsbescheid verteidigt. 22Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und im Wesentlichen angeführt: Die beantragte Änderung sei bauplanungsrechtlich unzulässig. Die Zulassung eines Schallleistungspegels von mehr als 99 dB(A) verstoße gegen die textliche Festsetzung I. 11 des Bebauungsplans Nr. 22-07. Eine Befreiung könne hiervon nicht erteilt werden, denn eine Überschreitung zulässiger Lärmimmissionen in der Nachbarschaft sei nicht ausgeschlossen. Im Falle der Unwirksamkeit des Bebauungsplans drohten durch das Vorhaben jedenfalls schädliche Umwelteinwirkungen nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB. Für die Immissionsorte IO 6 und IO 13 sei kein Zwischenwert zu bilden; die betreffenden Grundstücke seien im inneren Bereich des reinen Wohngebietes gelegen und einem Einfluss des Außenbereichs entzogen. 23Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 13. März 2019 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die beantragte Änderung der Betriebsweise der Anlagen WEA 3 und WEA 4 riefe schädliche Umwelteinwirkungen in Form von Lärm für die Nachbarschaft hervor. Für die Immissionsorte IO 6 und IO 13 (T1. 9a und T1. 21) sei der für ein reines Wohngebiet nach der TA Lärm geltende Richtwert von 35 dB (A) nachts zu Grunde zu legen, der aber ausweislich der vorliegenden Schallimmissionsprognose vom 24. Juni 2016 nicht eingehalten werde. Dieser Richtwert sei für die Immissionsorte IO 6 und IO 13 nicht aufgrund einer Gemengelage zu erhöhen. Die Grundstücke T1. 9a und T1. 21 seien nicht unmittelbar an der Straße T1. und damit in erster oder zweiter Reihe zum Außenbereich gelegen, sondern stellten gleichsam eine „Hinterlandbebauung“ im rückwärtigen Bereich der Straße T1. dar. Sie seien auch in westliche Richtung von Wohnbebauung und nicht durch Außenbereichsflächen geprägt. 24Durch Beschluss vom 29. April 2021 hat der Senat die Berufung der früheren Klägerin zugelassen. Auf Anregung des Senats und mit Zustimmung der früheren Klägerin, des Beklagten und der Beigeladenen ist die aus dem Rubrum ersichtlich jetzige Klägerin bezüglich des Verpflichtungsbegehrens während des Berufungsverfahrens an die Stelle der früheren Klägerin getreten und führt das Verfahren insoweit fort. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat den Ablehnungsbescheid vom 17. November 2017 aufgehoben. Das nur das Anfechtungsbegehren betreffende Verfahren der früheren Klägerin hat der Senat durch Beschluss vom 20. April 2022 abgetrennt und unter dem neuen Aktenzeichen 8 A 818/22 fortgeführt. 25Zur Begründung der Berufung trägt die Klägerin ergänzend zum erstinstanzlichen Vorbringen im Wesentlichen vor: Die für eine Zwischenwertbildung nach Maßgabe der TA Lärm vorhandene Gemengelage für die Grundstücke der Immissionsorte IO 6 und IO 13 (T1. 9a und 21) werde hier nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass sich diese Grundstücke nicht am Rande des Außenbereichs, sondern weiter zurückgesetzt befänden. Entscheidend sei vielmehr, dass sie noch dem Einfluss des Außenbereichs ausgesetzt seien. In nördliche und südliche Richtung grenzten beide Grundstücke an außerhalb des Plangebietes liegende Grünflächen an, die keiner Wohnbebauung zugeführt werden könnten und als Außenbereich zu qualifizieren seien. Zumindest aber vermittelten diese Grünflächen einschließlich des Friedhofs einen untrennbaren Zusammenhang zu dem nördlich jenseits der L.----straße P1. gelegenen Außenbereich. Die Begrenzungsmauer des Friedhofs unterbreche den Bebauungszusammenhang optisch. Für eine Außenbereichsprägung sei nicht maßgeblich, aus welcher Himmelsrichtung der entsprechende Einfluss herrühre. Wäre für die Immissionsorte IO 6 und IO 13 ein Immissionsrichtwert von nur 35 dB(A) nachts maßgeblich, käme zugleich eine gebotene Zwischenwertbildung für die in erster und zweiter Reihe an den Außenbereich grenzenden Wohngrundstücke nicht mehr zum Zuge. Auf diese Weise würden die unmittelbar an den Außenbereich angrenzenden Grundstücke in ungerechtfertigter Weise profitieren. Bei der Bestimmung des Zwischenwerts sei auch zu berücksichtigen, dass das sog. Interimsverfahren für Schallimmissionsprognosen bei Antragstellung im Jahre 2014 noch nicht entwickelt gewesen sei. 26Die Klägerin legt mehrere Schalltechnische Stellungnahmen der Ingenieure GmbH vor, die auf dem Interimsverfahren basieren und von einem Volllastbetrieb aller vier Windenergieanlagen ausgehen. Nach den Stellungnahmen vom 1. März 2022 und vom 14. März 2022 betragen die Beurteilungspegel zur Nachtzeit für den Immissionsort IO 6 (T1. 9a) 39,6 dB(A) und für IO 13 (T1. 21) 39,5 dB(A). 27Die Klägerin beantragt, 28unter entsprechender Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Minden vom 13. März 2019 den Beklagten gemäß den Anträgen der Klägerin vom 30. Januar 2014 zu verpflichten, die beantragte Änderungsgenehmigung betreffend die Erhöhung der ursprünglich genehmigten Schallleistung für die Windenergieanlagen 3 und 4 (= WKA 3 und WKA 5 der Genehmigung vom 2. April 2007) zu erteilen. 29Der Beklagte beantragt, 30die Berufung zurückzuweisen. 31Er verteidigt im Wesentlichen das angefochtene Urteil. Ergänzend weist er darauf hin, dass sich nach den Prognosen auf der Grundlage des Interimsverfahrens sogar um 2 dB erhöhte Beurteilungspegel im Vergleich zu den vorausgegangenen Berechnungen ergäben. Für die Immissionsorte IO 6 und IO 13 sei eine Zwischenwertbildung unzulässig, da sich die zugehörigen Grundstücke im rückwärtigen Bereich des T1. und nicht am Rande der bebauten Ortslage befänden. Eine Prägung durch den Außenbereich liege nicht vor. Westlich dieser Grundstücke seien entlang der Ostseite des T3.------wegs mit Ausnahme des Flurstücks 203 durchgehend Wohngebäude vorhanden. Die bisher unbebauten Grundstücke (Flurstücke 203, 246 und 279) stellten einer Bebauung zugängliche Baulücken dar. Auch schon aufgrund ihrer geringen Größe seien diese nicht als Außenbereich im Innenbereich zu qualifizieren. 32Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Sie führt ergänzend zu ihrem erstinstanzlichen Vorbringen aus, die Grundstücke der Immissionsorte IO 6 und IO 13 seien nicht in relevanter Weise durch den Außenbereich geprägt. Die sich in westliche Richtung an das Plangebiet anschließende Bebauung bilde einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil. Weder der nordwestlich des Plangebietes gelegene Friedhof noch die Freiflächen im rückwärtigen Bereich der Wohnbebauung unterbrächen den Bebauungszusammenhang. Bei der unbebauten Fläche handele es sich um gärtnerisch genutzte Flächen zu der vorhandenen Wohnbebauung und lediglich eine Grünfläche. Das derzeit unbebaute Flurstück 203 stelle eine Baulücke dar, die ohne Weiteres noch durch eine Wohnbebauung geschlossen werden könne. Die rückwärtig der Wohnhäuser T1. 7 bis 13 befindlichen Flächen seien gärtnerisch genutzt und befänden sich noch innerhalb der planerisch festgesetzten überbaubaren Flächen. Die Wohnhäuser T1. 9a, 21 und P1. 48 prägten bereits die zweite Baureihe hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksflächen. Bei Schließung aller vorhandenen Baulücken bliebe keine nennenswerte Freifläche mehr übrig, die sich als Außenbereich im Innenbereich qualifizieren ließe. 33Der Berichterstatter und die Vorsitzende haben die Örtlichkeit in Augenschein genommen. Auf das Terminsprotokoll und die gefertigten Lichtbilder wird Bezug genommen. 34Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Beigeladenen Bezug genommen. 35Entscheidungsgründe: 36Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nach der Abtrennung des Anfechtungsbegehrens der früheren Klägerin nur noch das Verpflichtungsbegehren der jetzigen Klägerin auf Erteilung der beantragten Änderungsgenehmigung. Der mit Zustimmung der anderen Verfahrensbeteiligten erfolgte Parteiwechsel ist als subjektive Klageänderung nach den §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 91 Abs. 1 VwGO zulässig. 37Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Die Klage auf Erteilung der begehrten Änderungsgenehmigung ist zulässig (dazu A.), aber unbegründet (dazu B.). 38A. Die Verpflichtungsklage der Klägerin nach § 42 Abs. 1 Var. 2 VwGO ist zulässig. 39I. Die Klägerin ist klagebefugt gemäß § 42 Abs. 2 VwGO. Sie macht einen eigenen Anspruch aus § 16 Abs. 1 BImSchG gegen den Beklagten auf Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigung geltend, der nicht offensichtlich nach jedweder Betrachtungsweise ausgeschlossen ist. Durch den Erwerb und den Betrieb des Windparks O. ist sie Betreiberin der Windenergieanlagen und Inhaberin der bislang für deren Errichtung und Betrieb erteilten (anlagenbezogenen) Genehmigungen geworden. 40Wie sich mittelbar aus § 52b Abs. 1 Satz 1 BImSchG ergibt, kann auch eine Personengesellschaft - wie hier die Klägerin als Kommanditgesellschaft - Anlagenbetreiberin sein. 41Vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 25. April 1989 - 8 TH 4748/99 -, juris (Leitsatz) = GmbHR 1990, 85; Jarass, BImSchG, 13. Auflage 2020, § 3 Rn. 91, m. w. N.; Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: September 2021, § 5 BImSchG Rn. 30. 42II. Für die Klägerin besteht ein Rechtsschutzbedürfnis an der vorliegenden Verpflichtungsklage. Sie hat wirksam bei dem Beklagten die Erteilung der Änderungsgenehmigung beantragt. 43Der Genehmigungsantrag vom 30. Januar 2014 wurde, was sich bereits unzweifelhaft aus dem verwendeten Formularblatt ergibt, im Namen der ausdrücklich als Antragstellerin bezeichneten Klägerin gestellt. In dem zugehörigen Anschreiben vom gleichen Tag heißt es u. a.: „…im Namen der X1. O. GmbH & Co. KG beantragen wir hiermit die Änderung der Genehmigung…“. 44Das steht in Einklang mit § 2 Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV. Hiernach ist die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen (Änderungs‑)Genehmigung stets von dem Träger des Vorhabens, regelmäßig also - wie vorliegend - dem Anlagenbetreiber zu beantragen. 45Vgl. Jarass, BImSchG, 13. Auflage 2020, § 10 Rn. 20, § 16 Rn. 45. 46Auch bestehen gegen eine ordnungsgemäße Vertretung der Klägerin keine Bedenken. Das bei dem Beklagten eingereichte Antragsformular vom 30. Januar 2014 ist von dem vertretungsberechtigten Geschäftsführer der Komplementärin der Klägerin, der E1. Windverwaltung GmbH, Herrn B. D. G2. Q. , eigenhändig unterschrieben und dabei mit dem Firmenstempel der Klägerin versehen. 47III. Das Erfordernis zur Einhaltung der Klagefrist nach § 74 VwGO, das durch die Vorschriften über die Klageänderung (§ 91 VwGO) nicht verdrängt wird, 48vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 1997 - 3 C 35.96 -, juris Rn. 35 ff.; Peters/Kujath, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 91 Rn. 59, 49steht der Zulässigkeit der Klage der Klägerin ebenfalls nicht entgegen. Vorliegend setzte der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 17. November 2017 gegenüber der Klägerin keine Klagefrist in Lauf, weil er ihr gegenüber nicht bekanntgegeben worden ist. 50Die für Anfechtungsklagen geltende Fristbestimmung des § 74 Abs. 1 VwGO ist gemäß § 74 Abs. 2 VwGO für Verpflichtungsklagen entsprechend anwendbar, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt wurde. Ist - wie hier nach § 68 Abs. 2, Abs. 1 Satz 2 VwGO i. V. m. § 110 Abs. 1 Sätze 1 und 2 JustG NRW - kein Widerspruchsverfahren durchzuführen, setzt der Fristbeginn bei einer Verpflichtungsklage gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO die Bekanntgabe des ablehnenden Verwaltungsaktes voraus. 51Ein Verwaltungsakt ist gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW demjenigen Beteiligten bekanntzugeben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Beteiligter in diesem Sinne ist der Antragsteller (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG NRW) oder der Verfahrensbeteiligte, an den die Behörde ihre Entscheidung richten will (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG NRW) und den sie aus Gründen der hinreichenden Bestimmtheit (vgl. § 37 Abs. 1 VwVfG NRW) auch als Adressat der getroffenen Regelung bezeichnen muss. Ist ein Adressat in dem Bescheid nicht aufgeführt, ist dieser nicht an die betreffende Person bekannt gegeben worden. 52Vgl. Ruffert, in: Knack/Henneke, VwVfG, 11. Auflage 2020, § 41 Rn. 12; Stuhlfauth, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, 4. Auflage 2014, § 41 Rn. 16 f., m. w. N. 53Für eine wirksame Bekanntgabe genügt nicht bereits die zufällige Kenntnisnahme des Bescheides oder der Umstand, dass der nicht adressierte Betroffene aus einem formell an eine andere Person gerichteten Verwaltungsakt erkennen kann, dass dieser in seinen Rechten betroffen wird. 54Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. November 2014 - 2 B 1111/14 -, juris Rn. 9; Tiedemann, in: BeckOK, VwVfG, Stand: 1. Januar 2022, § 41 Rn. 4. 55Ausgehend hiervon wurde der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 17. November 2017 der Klägerin nicht bekanntgegeben. Der Bescheid war (irrtümlich) an die E1. X1. Planung GmbH (korrekte Schreibweise laut Handelsregister: E2. X1. Planung GmbH) adressiert; aus diesem Grund hat der Beklagte ihn mittlerweile aufgehoben. Die Klägerin war in diesem Bescheid nicht - auch nicht im Wege der Auslegung - als Adressatin benannt. Die E2. X1. Planung GmbH ist gesellschaftsrechtlich von der Klägerin getrennt. Der Bescheid ist der Klägerin auch nicht deswegen bekanntgegeben worden, weil davon auszugehen sein dürfte, dass der Geschäftsführer der E2. X1. Planung GmbH, der zugleich Geschäftsführer der E1. Windverwaltung GmbH - der Komplementärgesellschafterin der Klägerin - ist, von dem Bescheidinhalt Kenntnis erlangt hat. 56Auch wollte der Beklagte seinen Ablehnungsbescheid nicht an die E2. X1. Planung GmbH als Bevollmächtigte der Klägerin im Sinne des § 41 Abs. 1 Satz 2 VwVfG NRW bekannt geben. Der Bescheid weist allein die E2. X1. Planung GmbH als Inhaltsadressatin aus, während als empfangsberechtigter Bekanntgabeadressat ausschließlich deren Prozessbevollmächtigte aufgeführt sind. Weder aus dem Adressatenfeld noch dem sonstigen Inhalt des Bescheides lässt sich folgern, dass der Bescheid in Wahrheit an die Klägerin gerichtet gewesen sein sollte. Dies kann auch nicht schon aus dem Umstand abgeleitet werden, dass in der Sache das von der Klägerin zur Genehmigung gestellte Änderungsvorhaben beschieden wurde. Denn den hierauf gerichteten Genehmigungsantrag hat der Beklagte in seiner Begründung ausdrücklich als solchen der Bescheidadressatin - der E2. X1. Planung GmbH - bezeichnet. Dementsprechend ist der Fehler auch in den gerichtlichen Verfahren bislang unbemerkt geblieben. 57IV. Der Zulässigkeit der Verpflichtungsklage steht ferner nicht § 75 Satz 2 VwGO entgegen. Der Genehmigungsantrag wurde im Namen der Klägerin bereits im Jahr 2014 gestellt und seitdem ihr gegenüber noch nicht beschieden. 58V. Schließlich ist nichts für eine Verwirkung des Klagerechts ersichtlich. Ein schutzwürdiges Vertrauen des Beklagten darauf, dass eine auf die Erteilung der Änderungsgenehmigung gerichtete Klage der Klägerin insoweit nicht mehr erhoben würde, besteht schon wegen der diesbezüglich anhängig gemachten Gerichtsverfahren nicht. 59B. Die Klage ist allerdings nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch aus § 16 Abs. 1 i. V. m. § 6 Abs. 1 BImSchG gegen den Beklagten auf Erteilung der beantragten Änderungsgenehmigung für das Vorhaben mit dem Ziel, neben den Anlagen WEA 1 und 2 nunmehr ebenfalls die Anlagen WEA 3 und 4 mit der vollen Nennleistung von 2.000 kW zur Nachtzeit betreiben zu dürfen. Die Änderung ist genehmigungsbedürftig (dazu I.). Der Erteilung der Genehmigung stehen zwar nicht die Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 22-07 der Beigeladenen entgegen (dazu II.). Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Änderungsgenehmigung liegen aber deshalb nicht vor, weil der nächtliche Volllastbetrieb aller vier Anlagen zu unzumutbaren Lärmeinwirkungen jedenfalls auf den Grundstücken T1. 9a und 21 in O. führen würde (dazu III.). 60I. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BImSchG ist eine Genehmigung erforderlich für die Änderung (u. a.) des Betriebs einer genehmigungsbedürftigen Anlage, wenn durch die Änderung nachteilige Auswirkungen hervorgerufen werden können und diese für die Prüfung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG erheblich sein können (wesentliche Änderung). 61Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Mit einer Gesamthöhe von jeweils mehr als 50 m sind die Anlagen WEA 3 und 4 nach § 4 Abs. 1 BImSchG i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 und Nr. 1.6 des Anhangs 1 der 4. BImSchV immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig. Durch die Leistungssteigerung während des Nachtbetriebs der Anlagen WEA 3 und 4 können ausweislich der vorgelegten Schallimmissionsprognosen schädliche und damit nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG erhebliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, nämlich erhöhte Lärmbelastungen für die umliegende Wohnnutzung, hervorgerufen werden. Dafür, dass ein leistungsoptimierter Nachtbetrieb der Anlagen WEA 3 und 4 lediglich solche nachteilige Auswirkungen verursachen könnte, die offensichtlich so gering wären, dass eine Änderungsgenehmigung entbehrlich wäre (vgl. § 16 Abs. 1 Satz 2 BImSchG), bestehen schon nach der zu dem Änderungsantrag eingereichten schalltechnischen Stellungnahme vom 8. April 2013 keine Anhaltspunkte. 62II. Dem zur Genehmigung gestellten Änderungsvorhaben der Klägerin stehen nicht schon andere öffentlich-rechtliche Vorschriften (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG) über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nach § 30 Abs. 1 BauGB entgegen. Der leistungsoptimierte Nachtbetrieb der Anlagen WEA 3 und 4 ist nicht wegen der diesem widersprechenden Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 22-07 der Beigeladenen über das nächtliche Emissionsverhalten unzulässig. Die textliche Festsetzung I. 11 sowie die erläuternde Planzeichenerklärung des Bebauungsplans Nr. 22‑07, die bei - hier vorliegender - „Realisierung“, d. h. spätestens ab Errichtung und Inbetriebnahme von vier Windenergieanlagen die Einhaltung eines Schallleistungspegels von max. 99 dB(A) nachts vorgeben, sind unwirksam. Der Bebauungsplan leidet insoweit an einem verfahrensrechtlichen Fehler im Abwägungsvorgang i. S. v. § 233 Abs. 2 Satz 3 BauGB i. V. m. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des Baugesetzbuchs vom 23. September 2004 (BGBl. I S. 2414; im Folgenden: BauGB a. F.) (dazu 1.). Dieser Fehler ist grundsätzlich beachtlich (dazu 2.) und nicht gemäß § 215 Abs. 1 Nr. 1 BauGB a. F. durch rügelosen Fristablauf unbeachtlich geworden (dazu 3.). 631. Gemäß § 233 Abs. 2 Satz 3 BauGB sind abweichend von § 233 Abs. 2 Satz 1 BauGB für vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung in Kraft getretene Flächennutzungspläne und - wie hier nach § 10 Abs. 1 BauGB - Satzungen die vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung geltenden Vorschriften über die Geltendmachung der Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften, von Mängeln der Abwägung und von sonstigen Vorschriften einschließlich ihrer Fristen weiterhin anzuwenden. Für den Bebauungsplan Nr. 22‑07 gelten demnach die §§ 214 ff. des Baugesetzbuches in der bis zum 31. Dezember 2006 gültigen Fassung vom 23. September 2004. Denn in Kraft getreten ist diese Satzung gemäß § 10 Abs. 3 Satz 4 BauGB unveränderter Fassung mit ihrer Bekanntmachung, für die der Erscheinungstag des Publikationsorgans maßgeblich ist, in dem die Tatsache des Beschlusses veröffentlicht wird. 64Vgl. Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Auflage 2022, § 10 Rn. 48. 65Dies ist hier der 10. November 2005 als derjenige Tag, an dem der Beschluss im Amtsblatt des Kreises M. veröffentlicht wurde. 66Nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB a. F. ist eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften dieses Gesetzbuchs für die Rechtswirksamkeit des Flächennutzungsplans und der Satzungen nach diesem Gesetzbuch nur beachtlich, wenn entgegen § 2 Abs. 3 BauGB (a. F.) die von der Planung berührten Belange, die der Gemeinde bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, in wesentlichen Punkten nicht zutreffend ermittelt oder bewertet worden sind und wenn der Mangel offensichtlich und auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluss gewesen ist. 67Ein solcher Verfahrensfehler im Abwägungsvorgang liegt hier vor. Bei der textlichen Festsetzung I. 11 sowie der erläuternden Planzeichenerklärung des Bebauungsplans Nr. 22‑07, die bei „Realisierung“ von vier Windenergieanlagen die Einhaltung eines Schallleistungspegels von max. 99 dB(A) nachts vorgeben, hat die Beigeladene die Belange gesunder Wohnverhältnisse im reinen Wohngebiet am T1. in O. nicht zutreffend bewertet. Sie hat nicht hinreichend berücksichtigt, dass der für ein reines Wohngebiet grundsätzlich geltende, der TA Lärm entnommene Immissionsrichtwert von 35 dB(A) nachts nach den Vorgaben der TA Lärm in dem hier vorliegenden Fall, dass ein reines Wohngebiet unmittelbar an den Außenbereich angrenzt, für einzelfallbezogen näher zu bestimmende Bereiche des Wohngebiets hätte erhöht werden müssen. 68Die bauleitplanerische Bestimmung eines Lärmemissionsgrenzwerts für die innerhalb des Sondergebiets ausgewiesenen vier Windenergieanlagenstandorte ist grundsätzlich eine gesetzlich zulässige Festsetzung. Zwar findet diese ihre rechtliche Grundlage nicht in § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB. Denn Emissions- oder Immissionswerte sind keine besondere Anlagen oder Vorkehrungen im Sinne dieser Bestimmung, sondern stellen lediglich eine - nach § 9 Abs. 1 BauGB nicht festsetzbare - Zielvorstellung zum Zwecke des Immissionsschutzes dar. 69Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. April 1989 - 4 C 52.87 -, juris Rn. 16, und Beschluss vom 18. Dezember 1990 - 4 N 6.88 -, juris Rn. 15, m. w. N.; Nds. OVG, Urteil vom 25. September 2003 - 1 LC 276/02 -, juris Rn. 51. 70Emissionsgrenzwerte für ein Sondergebiet können dem Grunde nach aber auf § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB i. V. m § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO gestützt werden. In einem auf der Grundlage des § 11 BauNVO festgesetzten Sondergebiet kann die Gemeinde über die Möglichkeiten hinaus, die § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO für die in den §§ 4 bis 9 BauNVO geregelten Gebietstypen mit Blick auf die Art der Betriebe und Anlagen sowie deren besondere Bedürfnisse und Eigenschaften eröffnet, die Art der zulässigen Nutzung konkretisieren und hierzu die Merkmale festlegen, deren Einhaltung ihr zur Erreichung eines festgelegten Planziels am besten geeignet erscheint. Dazu zählen insbesondere auch Festsetzungen über das Emissionsverhalten zugelassener Vorhaben, um auf diese Weise eine gebietsadäquate Nutzung unter angemessener Rücksichtnahme auf anderweitige schutzbedürftige Nutzungen vorsorglich zu steuern. 71Vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Februar 2002 - 4 CN 5.01 -, juris Rn. 21, m. w. N., und vom 14. April 1989 - 4 C 52.87 -, juris Rn. 16, sowie Beschluss vom 2. Oktober 2013 - 4 BN 10.13 -, juris Rn. 7; OVG NRW, Urteile vom 30. Januar 2018 - 2 D 102/14.NE -, juris Rn. 156, und vom 15. Oktober 1992 - 7a D 80/91.NE -, juris Rn. 23; Nds. OVG, Urteil vom 29. Januar 2004 - 1 KN 321/02 -, juris Rn. 66. 72Vorliegend beruht die Festsetzung des Emissionsgrenzwerts jedoch auf einer fehlerhaften Ermittlung des Abwägungsmaterials (dazu a). Dieser Fehler betrifft einen wesentlichen Punkt (dazu b). 73a) Gemäß § 1 Abs. 7 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Dazu sind auf verfahrensrechtlicher Ebene die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial), zu ermitteln und zu bewerten, § 2 Abs. 3 BauGB. 74Das Abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet, oder in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, ferner, wenn die Bedeutung der betroffenen privaten Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. 75Vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1969 - 4 C 105.66 -, juris Rn. 29. 76Der bauplanerisch festgelegte Grenzwert von 99 dB(A) nachts stellt sich gemessen hieran als abwägungsfehlerhaft dar, weil seine Bestimmung auf eine unzutreffende, den Belangen gesunder Wohnverhältnisse zu starkes Gewicht beimessende Bewertung durch die Beigeladene zurückgeht. 77Den tragenden Beweggrund für diese Festsetzung bildet nach der vorangestellten Aufzählung sämtlicher berücksichtigter Belange auf S. 4 der Planbegründung ersichtlich die Zielsetzung, die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse zu wahren. Diesem nach § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB städtebaulich relevanten Belang maß die Beigeladene, wie sich den Ausführungen auf S. 12 f. der Planbegründung entnehmen lässt, besondere Bedeutung im Hinblick auf das Plangebiet südlich der Windvorrangzone entlang des Straßenzuges T1. zu. Die Festsetzung dieses Bereichs als „Reines Wohngebiet“ erfolgte in dem Durchführungsplan Nr. 22‑01 der damals selbstständigen Gemeinde O. aus dem Jahr 1958, der nach den Überleitungsvorschriften in § 233 Abs. 3 BauGB und § 173 Abs. 3 BBauG als Bebauungsplan fortgilt. In Anbetracht dieser bauplanerisch entwickelten Wohnbebauung erkannte die Beigeladene den in Nr. 6.1 Buchstabe e TA Lärm 1998 (jetzt: Nr. 6.1 Buchstabe f TA Lärm 2017) für reine Wohngebiete vorgegebenen Immissionsrichtwert von 35 dB(A) nachts als „den begrenzenden Faktor“ für die Wahrung immissionsschutzrechtlicher Anforderungen bei der Ausnutzung des geplanten Sondergebiets, so dass entweder nur weniger als vier Anlagen innerhalb der flächennutzungsplanerisch ausgewiesenen Windvorrangzone zu realisieren seien oder aber bei vier zeitgleich betriebenen Anlagen ein schallreduzierter Betrieb zur Nachtzeit eingehalten werden müsse. 78Zweifel an der wirksamen Einordnung des Plangebiets als reines Wohngebiet im Sinne des nach heutiger Rechtslage maßgeblichen Begriffsverständnisses haben die Beteiligten nicht geltend gemacht. Auch von Amts wegen drängen sich insoweit keine durchgreifenden Bedenken auf. Der auf der Grundlage der §§ 5 Abs. 2, 10 und 11 des nordrhein-westfälischen Gesetzes über Maßnahmen zum Aufbau in den Gemeinden (Aufbaugesetz) vom 29. April 1950 (GV. NW S. 78) in der Fassung des Gesetzes vom 29. April 1952 (GV. NW S. 75) erlassene Durchführungsplan ist nach Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes im Jahr 1960 nach Maßgabe von § 173 Abs. 3 Satz 1 BBauG als qualifizierter Bebauungsplan übergeleitet worden. Er enthält verbindliche Regelungen der in § 9 BBauG bezeichneten Art, die nach geltendem Recht Inhalt eines Bebauungsplans sein können. 79Zu den Voraussetzungen der Überleitung vgl. OVG NRW, Urteil vom 26. Juni 2003 - 10 A 372/00 - , juris Rn. 33 ff. mit Nachw. zur Rspr. des BVerwG. 80Auch wenn die Baunutzungsverordnung oder eine gleichlautende Regelung bei Erlass des Durchführungsplans Nr. 22-01 im Jahr 1958 noch nicht in Kraft war, ergibt sich aus der Erläuterung des Plans vom 11. April 1958, die sich ausschließlich zu der Errichtung von Wohnhäusern verhält, dass das Plangebiet der Sache nach auch nach heutigem Verständnis einem reinen Wohngebiet entspricht. 81Die hiernach von der Beigeladenen ihrer Bauleitplanung zu Grunde gelegte Maßgabe, es müsse ein Immissionsrichtwert von höchstens 35 dB(A) nachts mit Blick auf das (gesamte) reine Wohngebiet sichergestellt werden, ist allerdings schon im Ansatz rechtlich unzutreffend. Sie lässt außer Betracht, dass - wie unten noch näher ausgeführt wird - in entsprechender Anwendung von Nr. 6.7 TA Lärm 1998/2017 zumindest für nicht unerhebliche Teile des festgesetzten reinen Wohngebiets eine Gemengelage zu dem das Plangebiet weiträumig umgebenden Außenbereich gegeben ist, die es rechtfertigt und gebietet, die für ein reines Wohngebiet geltenden Immissionsrichtwerte auf einen geeigneten Zwischenwert zu erhöhen. 82Nach Nr. 6.7 TA Lärm 1998/2017 ist für die Wohngrundstücke, die südlich der Windenergieanlagen unmittelbar am Rande des Außenbereichs gelegen sind, ein Zwischenwert zu bilden, welcher der Eigenart des an die Wohnbebauung angrenzenden Außenbereichs und der dort vorgesehenen privilegierten Zulässigkeit von Windkraftanlagen Rechnung trägt. Dabei können nach der Rechtsprechung einem im reinen Wohngebiet unmittelbar am Rande des Außenbereichs gelegenen Wohnhaus - in Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls - bis zu 5 dB(A) höhere Lärmimmissionen zugemutet werden. 83Vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 -, juris Rn. 55, und vom 19. Januar 1989 - 7 C 77.87 -, juris Rn. 28; zu entsprechenden Entscheidungen von Obergerichten siehe unten. 84Weitergehend kann sogar für Wohngrundstücke, die nicht unmittelbar am Rande des Außenbereichs, sondern - abgeschirmt durch Bebauung - weiter zurückgesetzt liegen, noch eine Erhöhung der für Wohngebiete maßgeblichen Richtwerte um (jedenfalls) 3 dB(A) angemessen sein, sofern Grundstücke gleichsam „in zweiter Reihe“ noch dem prägenden Einfluss des Außenbereich ausgesetzt sind. 85Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 15. März 2018 - 8 B 736/17 -, juris Rn. 69 ff., vom 29. Juni 2017 - 8 B 187/17 -, juris Rn. 25, und vom 29. Januar 2013 - 8 A 2016/11 -, juris Rn. 16; Nds. OVG, Urteil vom 12. Mai 2015 - 1 KN 238/13 -, juris Rn. 41. 86Dementsprechend hätte die Beigeladene im Rahmen ihrer Bauleitplanung zwingend in den Blick nehmen müssen, dass für eine nicht unerhebliche Zahl von Wohngrundstücken, die sich am nördlichen Rand des reinen Wohngebiets (T1. 1) sowie an der Ost- und Südseite des T1. in unmittelbarer Randlage zum Außenbereich befinden, ein (deutlich) erhöhter Immissionsrichtwert von bis zu 40 dB(A) gelten kann. Des Weiteren wäre auch in Erwägung zu ziehen gewesen, inwiefern die übrige an der West- und Nordseite entlang des T1. vorhandene Wohnbebauung, wenn auch abgeschirmt durch die „erste Reihe“, gleichwohl noch einem prägenden Einfluss des Außenbereichs ausgesetzt sind und auch insoweit ein der Privilegierung von Windenergieanlagen im Außenbereich angemessen Rechnung tragender Zwischenwert geboten ist. Dass die Beigeladene stattdessen jedoch einen Richtwert von nur 35 dB(A) nachts für das gesamte Plangebiet als rechtlich verbindliche Leitlinie für das Ziel des Immissionsschutzes erachtet hat, führt dazu, dass der insoweit in die Abwägung eingestellte städtebauliche Belang gesunder Wohnverhältnisse in Ermangelung einer auf die konkreten örtlichen Verhältnisse abstellenden Ermittlung des jeweiligen Schutzbedürfnisses (zu den Anforderungen vgl. nachfolgend unter III.) fehlerhaft ermittelt und entgegen seiner objektiven Gewichtung fehlerhaft (über)bewertet wurde. 87Dabei konnte das Vorliegen einer Gemengelage nicht, wie sich aus den Ausführungen auf S. 11 des Abwägungsvorschlags zur Offenlage ergibt, allein mit dem Hinweis darauf verneint werden, dass das planerische reine Wohngebiet am T1. deutlich vor Ausweisung der Vorrangfläche für die Windenergienutzung existierte. Die zeitliche Priorität unverträglicher Nutzungen kann nach Nr. 6.7 Abs. 2 Satz 2 TA Lärm 1998/2017 wesentliches Kriterium für die Höhe des zu bildenden Zwischenwerts nach der konkreten Schutzwürdigkeit des betroffenen Gebiets sein. Das Bestehen einer Gemengelage an sich, die hier mit Blick auf den an das Plangebiet angrenzenden Außenbereich und dort nach § 35 BauGB privilegiert zulässige emissionsträchtige Vorhaben (einschließlich solcher zur Nutzung der Windenergie) besteht, wird hingegen durch das Vorhandensein von Wohnnutzung nicht ausgeschlossen, sondern begründet. Insoweit ist auch nicht maßgeblich, dass die Wohnnutzung südlich des Windparks O. „nicht unmittelbar an die Vorrangfläche grenzt“. Entscheidend ist vielmehr, dass die Wohnnutzung zumindest teilweise unmittelbar an den Außenbereich grenzt, in dem - mit oder ohne Vorrangflächen - lärmintensive Vorhaben privilegiert zulässig sein können. Dabei wären Windenergieanlagen wegen ihrer Größe und ihres Emissionsverhaltens ohnehin nicht in direkter Nachbarschaft zu einer Wohnbebauung genehmigungsfähig, so dass auch die entsprechende Ausweisung einer Vorrangzone keinen Bestand haben könnte. Im Übrigen verhalten sich diese Erwägungen der Beigeladenen widersprüchlich zu dem Abwägungsvorschlag zur frühzeitigen Beteiligung (Stand: März 2004). Denn hier führt die Beigeladene (wiederholt und zutreffend) aus, dass auf eine „Unveränderbarkeit“ des Außenbereichs kein Anspruch zu Gunsten der hieran grenzenden Wohnnutzung bestehe (vgl. dort beispielhaft Seiten 14, 15, 19, 23 und 25); gerade diese Lage einer Wohnbebauung und der hierdurch hervorgerufene Nutzungskonflikt mit dem Außenbereich als solchem ist ausschlaggebend für das Vorliegen einer Gemengelage. 88Fehlerhaft ist die Festsetzung des nächtlichen Pegels von 99 dB(A) auch deshalb, weil sie über das selbst gesetzte Planziel hinausgeht. Das der Festsetzung zugrunde gelegte Abwägungsmaterial trägt diese nicht. Denn der Grenzwert von 99 dB(A) bei vier Anlagen führt nach der Prognose als Anlage zum Bebauungsplan Nr. 22‑07 zu einer (deutlichen) Unterschreitung des angestrebten Richtwerts von 35 dB(A), nämlich zu (nur) 33,7 dB(A). Bei welchem Schallleistungspegel der angestrebte Immissionsrichtwert (noch) eingehalten würde, hat die Beigeladene nicht ermittelt. 89b) Die von der Beigeladenen bei ihrer Abwägung berücksichtigten Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse betreffen Belange, die in wesentlichen Punkten i. S. v. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB a. F. unvollständig ermittelt und nicht zutreffend bewertet worden sind. 90Von der Planung berührte, durch die Gemeinde nicht zutreffend ermittelte oder bewertete Belange betreffen bereits dann „wesentliche Punkte“, wenn diese Punkte in der konkreten Planungssituation abwägungsbeachtlich waren. 91Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. April 2008 - 4 CN 1.07 -, juris Rn. 19. 92Dies ist hier der Fall. Die Einhaltung der nächtlichen Lärmrichtwerte mit Blick auf die einem reinen Wohngebiet zugeordnete Wohnnutzung am Rande zum Außenbereich war bei der Aufstellung eines Bebauungsplans für ein Vorranggebiet zur Windenergienutzung abwägungsbeachtlich. 93Die auf der Grundlage des prognostizierten Immissionswertes von 33,7 dB(A) überschießende Umsetzung geht zu Lasten des durch die Darstellung einer Vorrangfläche im Flächennutzungsplan grundsätzlich privilegierten Interesses an der Windenergienutzung, das ebenfalls als abwägungserheblicher Belang zu berücksichtigen gewesen wäre. 942. Diese unter Verstoß gegen § 2 Abs. 3 BauGB erfolgte unzutreffende Bewertung ist eine gemäß § 233 Abs. 2 Satz 3 BauGB i. V. m. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB a. F. für die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans beachtliche Verletzung einer Verfahrensvorschrift. Der Mangel ist offensichtlich (dazu a) und auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluss gewesen (dazu b). 95a) Der Mangel ist im Sinne des § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB a. F. offensichtlich. Beachtlich ist danach alles das, was zur „äußeren“ Seite des Abwägungsvorgangs derart gehört, dass es auf objektiv erfassbaren Sachumständen beruht. Fehler und Irrtümer, die z. B. die Zusammenstellung und Aufbereitung des Abwägungsmaterials, die Erkenntnis und Einstellung aller wesentlichen Belange in die Abwägung oder die Gewichtung der Belange betreffen und die sich etwa aus Akten, Protokollen, aus der Entwurfs- oder Planbegründung oder aus sonstigen Unterlagen ergeben, sind danach „offensichtlich“. 96Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. August 1981 - 4 C 57.80 -, juris Rn. 24 (zu § 155b Abs. 2 Satz 2 BBauG); Uechtritz, in: Spannowsky/Uechtritz, BeckOK BauGB, Stand: 1. Januar 2022, § 214 Rn. 27. 97So liegt der Fall hier. Die unvollständige Ermittlung und unzutreffende Bewertung der immissionsschutzrechtlichen Schutzbedürftigkeit der Wohnbebauung, wie sie vorstehend dargelegt ist, ergibt sich - wie oben ebenfalls dargelegt - offenkundig aus der Planbegründung. Ebenso lässt sich dieser Verfahrensfehler aus der als Anlage zur Begründung des Bebauungsplans vorliegenden Schallvorprognose vom 22. März 2004 entnehmen, in der ebenfalls für das reine Wohngebiet (nur) ein einheitlicher nächtlicher Immissionsrichtwert von 35 dB(A) in Ansatz gebracht ist. 98b) Auch ist die unzutreffende Ermittlung und Bewertung auf das Ergebnis des Abwägungsvorgangs von Einfluss gewesen i. S. v. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB a. F. Das Tatbestandsmerkmal „von Einfluss gewesen ist“ liegt dann vor, wenn nach den Umständen des jeweiligen Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Mangel im Vorgang die Planung anders ausgefallen wäre. Eine solche konkrete Möglichkeit besteht immer dann, wenn sich anhand der Planunterlagen oder sonst erkennbarer oder naheliegender Umstände die Möglichkeit abzeichnet, dass der Mangel im Abwägungsvorgang von Einfluss auf das Abwägungsergebnis gewesen sein kann. Hat sich der Planungsträger von einem unzutreffend angenommenen Belang leiten lassen und sind andere Belange, die das Abwägungsergebnis rechtfertigen könnten, weder im Bauleitplanverfahren angesprochen noch sonst ersichtlich, so ist die unzutreffende Erwägung auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen. 99Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. August 1981 - 4 C 57.80 -, juris Rn. 27 (zu § 155b Abs. 2 Satz 2 BBauG); Uechtritz, in: Spannowsky/Uechtritz, BeckOK BauGB, Stand: 1. Januar 2022, § 214 Rn. 31. 100Demnach ist hier von einem beachtlichen Verfahrensfehler auszugehen. Da die Beigeladene die nächtlichen Lärmrichtwerte für das reine Wohngebiet wahren wollte, ist davon auszugehen, dass sie unter Beachtung der hier rechtlich gebotenen Bildung von Zwischenwerten für eine Gemengelage der Wohnnutzung zum Außenbereich ihrer Planung höhere Immissionsrechtwerte zur Nachtzeit zu Grunde gelegt und dementsprechend (zumindest) einen höheren - oder auf bestimmte Standorte begrenzten - Schallleistungspegel festgesetzt hätte. Darauf, ob die Zubilligung eines über die Vorgaben der TA Lärm hinaus gehenden Schutzes vor Lärmeinwirkungen mit entsprechender Begründung abwägungsfehlerfrei möglich gewesen wäre, kommt es hier nicht an. 1013. Ferner ist der Abwägungsfehler nicht gemäß § 215 Abs. 1 Nr. 1 BauGB a. F. unbeachtlich geworden. 102Nach dieser Vorschrift wird eine nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 beachtliche Verletzung der dort bezeichneten Verfahrens- und Formvorschriften unbeachtlich, wenn sie nicht innerhalb von zwei Jahren seit Bekanntmachung des Flächennutzungsplans oder der Satzung schriftlich gegenüber der Gemeinde unter Darlegung des die Verletzung begründenden Sachverhalts geltend gemacht worden ist. 103Dabei genügt es, dass nur irgendjemand ordnungsgemäß und fristgerecht - und daher nicht notwendigerweise die Klägerin - den in Rede stehenden Fehler geltend gemacht hat. Denn von einer solchermaßen erfolgten Rüge geht eine absolute Wirkung aus. 104Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1982 - 4 N 6.79 -, juris Rn. 6, und Beschluss vom 2. Januar 2001 - 4 BN 13.00 -, juris Rn. 5; Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Auflage 2019, § 215 Rn. 7. 105Ausgehend vom Vorstehenden ist der Fehler nicht unbeachtlich geworden. Mit Schreiben vom 12. November 2007 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Namen der damaligen Betreiberinnen, der X. GmbH und der G1. & C. GbR, den festgesetzten Schallleistungspegel von max. 99 dB(A) nachts als fehlerhaft gerügt, da für das reine Wohngebiet in Angrenzung zum Außenbereich ein Richtwert von 40 dB(A) maßgeblich sei. Dieses Schreiben wahrt mit Eingang bei der Beigeladenen noch am gleichen Tag, den sie - wie sich aus den Aufstellungsvorgängen zum Bebauungsplan ergibt - durch ein entsprechendes Telefax gegenüber den Prozessbevollmächtigten der Klägerin bestätigt hat, die Zweijahresfrist. Diese endete nach den §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, 193 BGB, die nach § 31 Abs. 1 VwVfG NRW entsprechend anwendbar sind, erst mit Ablauf des 12. November 2007, einem Montag, nachdem der Bebauungsplan Nr. 22‑07 - wie oben bereits ausgeführt - am 10. November 2005 in Kraft getreten war. 1064. Erweist sich nach alledem die Festsetzung eines Schallleistungspegels von max. 99 dB(A) nachts als in beachtlicher Weise verfahrensfehlerhaft und folglich unwirksam, mag dahinstehen, ob diese Festsetzung - oder womöglich sogar der Bebauungsplan Nr. 22‑07 insgesamt - an weiteren zur Unwirksamkeit führenden Mängeln leidet. 107III. Die Voraussetzungen für die Erteilung der beantragten Änderungsgenehmigung liegen nicht vor, weil der nächtliche Volllastbetrieb aller vier Windenergieanlagen schädliche Umwelteinwirkungen in Gestalt unzumutbarer Lärmbeeinträchtigungen jedenfalls auf den Grundstücken T1. 9a und 21 in O. hervorrufen würde (vgl. §§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG). 108Für die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ist gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG u. a. sicherzustellen, dass die sich aus § 5 BImSchG ergebenden Pflichten erfüllt werden. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. 109Unter welchen Voraussetzungen Geräuschimmissionen von Windenergieanlagen schädlich im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind, bestimmt sich anhand der TA Lärm. Dieser kommt, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt (vgl. § 48 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 3 BImSchG). 110Vgl. BVerwG, Urteile vom 12. November 2020 - 4 A 13.18 -, juris Rn. 46, vom 29. November 2012 - 4 C 8.11 - juris Rn. 18, und vom 29. August 2007 - 4 C 2.07 -, juris Rn. 12 (jeweils zur TA Lärm vom 26. August 1998). 111Nach Nr. 3.2.1 Abs. 1 TA Lärm ist der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche vorbehaltlich der Regelungen in den Absätzen 2 bis 5 sichergestellt, wenn die Gesamtbelastung am maßgeblichen Immissionsort die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 nicht überschreitet. Dies ist im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, der für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage in Bezug auf die vorliegende Verpflichtungsklage grundsätzlich maßgeblich ist, nicht der Fall. 112Die Bindungswirkung der TA Lärm ist hinsichtlich des Berechnungsverfahrens für Schallimmissionsprognosen betreffend Lärm durch Windenergieanlagen teilweise entfallen; das Berechnungsverfahren, auf das die TA Lärm für die prognostizierte Gesamtbelastung durch Windenergieanlagen an einzelnen Immissionsorten verweist, ist durch das Interimsverfahren zu modifizieren (dazu 1.). Die sich auf der Grundlage einer solchen Schallimmissionsprognose für die Wohngrundstücke T1. 9a und 21 ergebenden Werte von 39,6 dB(A) und 39,5 dB(A) nachts überschreiten die dort maßgeblichen nächtlichen Lärmrichtwerte auch dann, wenn man wegen der Gemengelage zwischen planerisch ausgewiesenem reinem Wohngebiet und Außenbereich geeignete Zwischenwerte bildet (dazu 2.). 1131. Die Bindungswirkung der TA Lärm ist durch gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse teilweise überholt, soweit es um das Prognoseverfahren zur Ermittlung der Belastung durch Lärm von Windenergieanlagen an einzelnen Immissionsorten geht. Die Prognoseberechnung auf der Grundlage des alternativen Verfahrens der DIN ISO 9613‑2, auf das die TA Lärm Bezug nimmt, ist durch das Interimsverfahren zu modifizieren. Dies beruht auf folgenden Erwägungen: 114Um den nach § 5 Abs. 1 BImSchG i. V. m. der TA Lärm gebotenen Lärmschutz beim Betrieb einer Anlage sicherzustellen, ist eine realistische (Lärm‑)Prognose anzustellen. An diese prognostische Einschätzung zur Einhaltung der Immissionsrichtwerte sind insoweit hohe Anforderungen zu stellen, als sie in jedem Fall „auf der sicheren Seite“ liegen muss. 115Vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 22. November 2021 - 8 A 973/15 -, juris Rn. 122; Nds. OVG, Beschluss vom 24. September 2021 - 12 ME 45/21 -, juris Rn. 86. 116Entsprechende Anforderungen bestehen für das einer solchen Prognose zugrunde liegende Berechnungsverfahren der DIN ISO 9613‑2, auf das Nr. A.2.2 und A.2.3.4 des Anhangs zur TA Lärm verweisen. 117Da der TA Lärm eine normkonkretisierende Funktion zukommt, die auf dem in ihr zum Ausdruck kommenden wissenschaftlich-technischen Sachverstand beruht und zugleich der auf der Grundlage der Anhörung von Vertretern der Wissenschaft, der Betroffenen, der beteiligten Wirtschaft und der für den Immissionsschutz zuständigen obersten Landesbehörden (vgl. § 51 BImSchG) vorgenommenen Einschätzung des Vorschriftengebers Rechnung trägt, stellt das Abrücken von den in ihr niedergelegten Standards hohe Anforderungen an die dafür erforderliche Tatsachengrundlage. Die Bindungswirkung der TA Lärm entfällt - vorbehaltlich einer im vorliegenden Zusammenhang bislang nicht vorgenommenen Änderung der Verwaltungsvorschrift - nur dann, wenn die in der TA Lärm enthaltenen Aussagen durch neue, gesicherte Erkenntnisfortschritte in Wissenschaft und Technik überholt sind, die den ihnen zu Grunde liegenden Einschätzungen, Bewertungen und Prognosen den Boden entziehen, und sie deshalb den gesetzlichen Anforderungen nicht mehr gerecht werden. Das heißt, der Erkenntnisstand bei Erlass der TA Lärm und dessen seinerzeitige technische Umsetzung müssen mit dem jetzigen Stand der Technik verglichen werden, um beurteilen zu können, ob sich in diesem Sinne wesentliche Änderungen ergeben haben. 118Zu diesem Maßstab vgl. BVerwG, Urteile vom 10. Juli 2021 - 7 A 11.11 -, juris Rn. 27 (zur AVV Baulärm), vom 21. Juni 2001 - 7 C 21.00 -, juris Rn. 14 (zur TA Luft), und Beschluss vom 31. März 1996 - 7 B 164.95 - juris Rn. 19 (zur TA Luft); OVG NRW, Beschluss vom 17. Juni 2016 - 8 B 1018/15 -, juris Rn. 23; Nds. OVG, Beschluss vom 16. November 2016 - 12 ME 132/16 -, juris Rn. 59; Bay. VGH, Beschluss vom 7. Mai 2018 - 22 ZB 17.2088 u. a. -, juris Rn. 38, m. w. N. (jeweils zur TA Lärm). 119Dabei kommt es nicht darauf an, inwieweit neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu brauchbaren Alternativen für eine Normanwendung oder gar Normkonkretisierung geführt haben. 120Vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. März 1996 - 7 B 164.95 - juris Rn. 19; enger: Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: September 2021, Vorb. zur TA Lärm Rn. 6 a. E. 121Für einen im vorstehend dargelegten Sinne „gesicherten“ Erkenntnisfortschritt genügt es mithin, dass die in der TA Lärm enthaltenen Aussagen und die ihnen zu Grunde liegenden Einschätzungen, Bewertungen und Prognosen durch bessere - und insoweit gefestigte - Einsichten durchgreifend in Zweifel gezogen sind, ohne dass an ihre Stelle bereits ein neuer, für sich genommen schon als abschließend zu bewertender Erkenntnisstand in Wissenschaft und Technik getreten sein muss. 122Ausgehend davon ist für die Prognose des Lärms von Windenergieanlagen das Berechnungsverfahren der DIN ISO 9613‑2, auf das Nr. A.2.2 und A.2.3.4 des Anhangs zur TA Lärm verweisen, im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats, der für die hier vorliegende Verpflichtungsklage maßgeblich ist, als durch neue, gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse teilweise überholt anzusehen und durch das Interimsverfahren zu modifizieren. 123Ebenso VGH Bad.-Württ., Urteil vom 4. Februar 2021 - 5 S 305/19 -, juris Rn. 46 f. (für den Zeitpunkt Juli 2018), und Beschluss vom 19. Juni 2018 - 10 S 186/18 -, juris Rn. 11 (für den Zeitpunkt Juli 2017); VG Düsseldorf, Urteil vom 1. März 2018 - 28 K 5087/17 -, juris Rn. 39 ff., 61 (für den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des VG); a. A., allerdings für zurückliegende Zeitpunkte, Nds. OVG, Beschluss vom 11. März 2019 - 12 ME 105/18 -, juris Rn. 65 f. (für Dez. 2016); OVG Rh.‑Pf., Urteil vom 20. September 2018 - 8 A 11958/17 -, juris Rn. 129 (für Mai 2016); Bay. VGH, Beschluss vom 7. Mai 2018 - 22 ZB 17.2088 u. a. -, juris Rn. 39 (für Nov. 2014); OVG M.‑V., Urteil vom 10. April 2018 - 3 LB 133/08 -, juris Rn. 99 (für Juni 2003); OVG Saarl., Beschluss vom 3. November 2017 - 2 B 584/17 -, juris Rn. 20 (für Dez. 2016); für ein Fortbestehen der Bindungswirkung der TA Lärm OLG Schleswig, Urteil vom 10. November 2021 - 9 U 15/20 -, juris Rn. 57. 124Die Regelungen der DIN ISO 9613‑2, die nach ihrem Abschnitt 1 „Anwendungsbereich“ für bodennahe Schallquellen anwendbar ist, legt ein Verfahren zur Berechnung der Dämpfung des Schalls bei der Ausbreitung im Freien fest, mit dem die Pegel von Geräuschimmissionen in einem Abstand von verschiedenen Schallquellen vorausberechnet werden können. Nach diesem Verfahren wird der äquivalente A-bewertete Dauerschalldruckpegel von Schallquellen mit bekannter Geräuschemission unter schallausbreitungsgünstigen Witterungsbedingungen vorausberechnet, wobei geometrische Ausbreitung, Luftabsorption, Bodeneffekt, Reflexion an Flächen sowie ggf. Abschirmung durch Hindernisse berücksichtigt werden. Die DIN ISO 9613‑2 kennt eine frequenzabhängige Berechnungsmethode und ein alternatives Verfahren mittels A-bewerteter Einzahlkenngröße. 125Vgl. Agatz, Windenergie-Handbuch, 18. Ausgabe, Dez. 2021, S. 108. 126Messungen in Forschungsprojekten mit Fernfeldmessungen (etwa „Schalltechnischer Bericht der erweiterten Hauptuntersuchung zur messtechnischen Entwicklung der Ausbreitungsbedingungen für die Geräusche von hohen Windenergieanlagen zur Nachtzeit und Vergleich der Messergebnisse mit Ausbreitungsrechnungen nach DIN ISO 9613‑2“ des Büros V. und Partner von November 2014; V. -Studie, initiiert durch das Landesamt für Umwelt, Natur und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen) haben Differenzen zwischen Ausbreitungsberechnungen und Immissionswerten ab einer Entfernung von etwa 500 m zwischen Windenergieanlage und Immissionsort ergeben, wobei die Differenzen ab einer Entfernung von etwa 750 m - wie sie hier für die Anlagen WEA 3 und 4 zur Wohnbebauung am T1. vorliegt - zunahmen. Zwei weitere in Folge der Diskussion über eine Modifizierung des Ausbreitungsmodells durchgeführte Messkampagnen haben die Ergebnisse der V. -Studie bestätigt (Dritter Zwischenbericht zu Schalluntersuchungen an Windenergieanlagen in Schleswig-Holstein vom 3. März 2017; Schmitter: Vergleich verschiedener Prognosemodelle mit realen Immissionsmessungen - Tagungsband zum 9. Rheiner Windenergieforum am 22./23. März 2017). 127Vgl. Agatz, Windenergie-Handbuch, 18. Ausgabe, Dez. 2021, S. 109. 128Diese Forschungsergebnisse lagen bei Erlass der TA Lärm am 28. August 1998, die in ihrem seitdem unveränderten Anhang erstmals die Prognose zur Ermittlung der Geräuschimmissionen behandelt, 129vgl. Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: September 2021, Vorb. zur TA Lärm Rn. 21, 130nicht vor. Diese Forschungsergebnisse stellen wesentliche neue, gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisfortschritte dar, die den der TA Lärm zu Grunde liegenden Einschätzungen, Bewertungen und Prognosen hinsichtlich der Schallausbreitungsrechnungen für Windenergieanlagen teilweise den Boden entziehen, zumal Windenergieanlagen seit 1998 deutlich größer geworden sind und sich damit immer weiter von bodennahen Schallquellen i. S. d. DIN ISO 9613‑2 abheben. Schallausbreitungsberechnungen allein auf der Grundlage der DIN ISO 9613‑2 werden daher den gesetzlichen Anforderungen, den Schutz vor schädlichen Geräuscheinwirkungen mit dem erforderlichen Grad an Sicherheit zu gewährleisten, nicht mehr in jeder Hinsicht gerecht. Diese Einschätzung wird der Sache nach von Fachwissenschaftlern und Behörden gleichermaßen geteilt, die empfehlen, die DIN ISO 9613‑2 für Schallimmissionsprognosen zu modifizieren: 131Um die erkannten Defizite bei Schallausbreitungsberechnungen für Windenergieanlagen zu beheben, hat der Unterausschuss „Schallausbreitung im Freien“ des DIN/VDI-Normausschusses „Akustik, Lärmminderung und Schwingungstechnik“ (NALS) ausgehend von den genannten Forschungsergebnissen in Ergänzung zur DIN ISO 9613‑2 und zur DIN EN 61400‑11 die „Dokumentation zur Schallausbreitung - Interimsverfahren zur Prognose der Geräuschimmissionen von Windkraftanlagen, Fassung 2015-05.1“ veröffentlicht. In der Einleitung dieser Dokumentation heißt es u. a., für die Prognose von Immissionspegeln von Windkraftanlagen gebe es kein nationales Regelwerk, das ohne Einschränkungen, Modifizierungen oder Sonderregelungen auf die Schallausbreitung dieser hochliegenden Quellen anwendbar sei. Nach Nr. 3.5 dieser Dokumentation begrenzt die DIN ISO 9613‑2 die Quellhöhe auf kleiner 30 m. Das Interimsverfahren ist nach Nr. 4.1 als Übergangslösung konzipiert, bis ein Verfahren zur Schallausbreitungsrechnung entwickelt ist, das den Anwendungsbereich der DIN ISO 9613‑2 auf Windkraftanlagen als hochliegende Quellen erweitert. 132Der Unterschied zu dem bisher angewendeten Beurteilungsverfahren besteht einerseits im Wegfall der Bodendämpfung und der meteorologischen Korrektur, andererseits in der Umstellung des Berechnungsverfahrens auf eine frequenzabhängige Berechnung. 133Vgl. Agatz, Windenergie-Handbuch, 18. Ausgabe, Dez. 2021, S. 112. 134Die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) hat in ihrer 134. Sitzung am 5. und 6. September 2017 den Ländern erstmals empfohlen, die Hinweise zum Schallimmissionsschutz bei Windkraftanlagen mit Stand 30. Juni 2016 anzuwenden, die auf dem Interimsverfahren beruhen. Diese LAI-Hinweise (S. 2 f.) konkretisieren die Anforderungen der TA Lärm an die Durchführung von Immissionsprognosen im Rahmen der Errichtung und des Betriebs von Windkraftanlagen über 30 m Höhe als hochliegende Schallquellen durch eine vorläufige Anpassung des Prognosemodells der DIN ISO 9613-2 auf Basis neuerer Erkenntnisse. Die Umweltministerkonferenz hat diese LAI-Hinweise im November 2017 zur Kenntnis genommen. 135Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (MULNV NRW) hat mit Erlass vom 29. November 2017 - 8851.1.6.4 - die genannten LAI-Hinweise in die Verwaltungspraxis eingeführt und die nachgeordneten Behörden gebeten, diese Hinweise zukünftig bei der Genehmigung und Überwachung von Windenergieanlagen als Erkenntnisquelle anzuwenden. Auch der Windenergie-Erlass vom 8. Mai 2018 (MBl. NRW. S. 258 ff.) führt unter Nr. 5.2.1.1 (S. 273) aus, dass mit Erlass vom 29. November 2017 in Nordrhein-Westfalen die neuen von der LAI überarbeiteten „Hinweise zum Schallimmissionsschutz bei Windkraftanlagen“ eingeführt worden seien. Das u. a. dort verankerte Prognosemodell auf Basis des Interimsverfahrens des NALS (Fassung 2015-05.1) gebe den aktuellen Erkenntnisstand wieder. 136Vgl. zu dieser Entwicklung OVG NRW, Beschluss vom 17. Dezember 2020 - 8 E 862/20 -, juris Rn. 12 ff.; Agatz, Windenergie-Handbuch, 18. Ausgabe, Dez. 2021, S. 110 f. 137Da es nach der oben genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für den Entfall der Bindungswirkung einer normkonkretisierenden Verwaltungsvorschrift nicht darauf ankommt, inwieweit neue wissenschaftliche Erkenntnisse bereits zu brauchbaren Alternativen für eine Normanwendung oder gar Normkonkretisierung geführt haben, steht der hier vertretenen Bewertung nicht entgegen, dass das Interimsverfahren auch nach der Einschätzung seiner Urheber nur ein vorläufiges, die DIN ISO 9613-2 ergänzendes Modell für eine Übergangsphase und kein abschließend überarbeitetes neues Prognosemodell darstellt. Ohnedies bietet aber das Interimsverfahren, wie der Senat schon entschieden hat, 138vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. Oktober 2020 - 8 A 894/17 -, juris Rn. 200 ff., 139einen brauchbaren Ansatz für eine auf der sicheren Seite liegende Schallausbreitungsrechnung, zumal die DIN ISO 9613-2 auch nicht in Gänze ersetzt, sondern nur in Teilen angepasst wird. 140Aus denselben Gründen ist es rechtlich auch nicht relevant, dass das Interimsverfahren nur als einfacher Beschluss eines Unterausschusses des NALS veröffentlicht ist und ohne das noch ausstehende Erarbeitungs-, Prüf- und Einwendungsverfahren nicht den Status einer DIN- oder VDI-Norm genießt. 141Vgl. dazu Agatz, Windenergie-Handbuch, 18. Ausgabe Dez. 2021, S. 110 f.; Bundesverband WindEnergie, LAI-Hinweise (Interimsverfahren) Schallimmissionsschutz bei Windkraftanlagen, März 2019. 142Ein Verfahren zur Erweiterung des Anwendungsbereichs der DIN ISO 9613-2 auf Windenergieanlagen als hochliegende Quellen soll erst das im Veröffentlichungszeitpunkt noch in Bearbeitung befindliche VDI 4101 Blatt 2 (Schallausbreitung im Freien unter Berücksichtigung meteorologischer und topographischer Bedingungen – Blatt 2: Windkraftanlagen) eines Unterausschusses zur Verfügung stellen, das seit April 2020 aber - soweit ersichtlich - nur im Entwurf vorliegt. 143Vgl. Dokumentation zur Schallausbreitung – Interimsverfahren für Windkraftanlagen, Fassung 2015-05.1, S. 4 f.; Agatz, Windenergie-Handbuch, 18. Ausgabe, Dez. 2021, S. 111. 144Aus den oben genannten Gründen bleibt die Bindungswirkung der TA Lärm auch nicht deswegen bestehen, weil der wissenschaftliche Diskurs um eine geeignete Ausbreitungsberechnung mit der Veröffentlichung und Empfehlung des Interimsverfahrens noch nicht abgeschlossen ist. Dies wird etwa daran deutlich, dass das MULNV NRW im Frühjahr 2018 einen Fragen-Antwort-Katalog veröffentlicht hat, der zum Teil abweichende Regelungen zu den LAI-Hinweisen (2016) und dem Interimsverfahren enthält. 145Vgl. MULNV NRW, Dienstbesprechung am 2. Februar 2018, Einführung der neuen LAI-Hinweise zum Schallimmissionsschutz bei Windkraftanlagen - Beantwortung von Zweifelsfragen. 146Entsprechendes gilt für das Auslegungsdokument zu den LAI-Hinweisen, das der Ausschuss „Physikalische Einwirkungen“ der LAI im Frühjahr 2018 verfasst hat und das ergänzende sowie abweichende Regelungen zum Hinweispapier enthält. 147Vgl. Auslegung der LAI-Hinweise zum Schallimmissionsschutz bei Windkraftanlagen, Stand: 27. März 2018 - behandelt auf der 26. Sitzung des Ausschusses Physikalische Einwirkungen, zitiert nach Agatz, Windenergie-Handbuch, 18. Ausgabe Dez. 2021, S. 111. 1482. Die Lärmwerte, die sich aus der auf dem Interimsverfahren beruhenden Schallimmissionsprognose für die Wohngrundstücke T1. 9a und 21 ergeben (dazu a), überschreiten die dort maßgeblichen nächtlichen Lärmrichtwerte auch dann, wenn man für diese Grundstücke wegen der Gemengelage zum Außenbereich geeignete Zwischenwerte bildet; auf die Zumutbarkeit der für die anderen im reinen Wohngebiet T. , aber näher an der Grenze zum Außenbereich gelegenen Wohnhäuser kommt es daher hier nicht an (dazu b). 149a) Die von der Beigeladenen vorgelegte „Schalltechnische Stellungnahme für den X1. O. , Kreis M. , NRW“ der Ingenieure GmbH vom 14. März 2022, die auf dem Interimsverfahren beruht, weist für die Immissionsorte IO 6 (T1. 9a) und IO 13 (T1. 21) bei dem beantragten leistungsoptimierten Betrieb aller vier Windenergieanlagen Werte von 39,6 dB(A) und 39,5 dB(A) nachts aus. 150Einwände gegen die Richtigkeit dieser Prognoseberechnung sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der Berechnung zu Grunde gelegt ist jeweils ein nach Dreifachvermessung des Anlagentyps gemittelter Schallleistungspegel von 101,9 dB(A) zuzüglich eines Zuschlags für den oberen Vertrauensbereich von 1,5 dB(A), insgesamt also 103,4 dB(A). 151b) Diese nächtlichen Beurteilungspegel von 39,6 dB(A) und 39,5 dB(A) an den Wohngrundstücken T1. 9a und T1. 21 können der dortigen Wohnbebauung nicht zugemutet werden. Zwar sind diese Grundstücke Teil eines planerisch ausgewiesenen reinen Wohngebietes, das unmittelbar an den Außenbereich angrenzt, so dass nach Nr. 6.7 TA Lärm ein Zwischenwert zu bilden ist. Der zu ermittelnde Zwischenwert liegt aber jedenfalls deutlich unter diesen zu erwartenden Immissionswerten. 152In einem reinen Wohngebiet, wie es hier durch den Durchführungsplan Nr. 22‑01 der ehemals selbstständigen Gemeinde O. südlich des Windparks O. auch für die Wohngrundstücke T1. 9a und 21 - wie oben ausgeführt: wirksam - festgesetzt ist (vgl. Nr. 6.6 Satz 1 TA Lärm), dürfen genehmigungsbedürftige Anlagen - oder deren wesentliche Änderung - nach Nr. 6.1 Buchstabe f TA Lärm im Grundsatz nicht dazu beitragen, dass 50 dB(A) tags und 35 dB(A) nachts überschreitende Lärmimmissionen entstehen. Diese Immissionsrichtwerte können jedoch nach Maßgabe von Nr. 6.7 TA Lärm auf einen geeigneten, d. h. einen nach dem Gebot zur gegenseitigen Rücksichtnahme angemessenes Schutzniveau sicherstellenden Zwischenwert erhöht werden. 153Nach Nr. 6.7 Abs. 1 Satz 1 TA Lärm können, wenn gewerblich, industriell oder hinsichtlich ihrer Geräuschauswirkungen vergleichbar genutzte Gebiete und zum Wohnen dienende Gebiete aneinandergrenzen (Gemengelage), die für die zum Wohnen dienenden Gebiete geltenden Immissionsrichtwerte auf einen geeigneten Zwischenwert der für die aneinandergrenzenden Gebietskategorien geltenden Werte erhöht werden, soweit dies nach der gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme erforderlich ist. Dabei sollen die Immissionsrichtwerte für Kern-, Dorf- und Mischgebiete, also 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts, nicht überschritten werden (Satz 2). Nach Nr. 6.7 Abs. 2 TA Lärm ist für die Höhe des Zwischenwertes die konkrete Schutzwürdigkeit des betroffenen Gebietes maßgeblich. 154Diese erstmals in die TA Lärm vom 26. August 1998 (GMBl 1998, 503) aufgenommene Regelung schreibt die Grundätze fest, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aus dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme abgeleitet hat. 155Vgl. hierzu: BVerwG, Beschlüsse vom 7. Juni 2019 - 8 B 36.18 -, juris Rn. 5, und vom 12. September 2007 - 7 B 24.07 -, juris Rn. 5, m. w. N.; OVG NRW, Urteil vom 20. Dezember 2018 - 8 A 2971/17 -, juris Rn. 158; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: September 2021, Nr. 6.7 TA Lärm Rn. 25. 156In den Bereichen, in denen Gebiete von unterschiedlicher Qualität und unterschiedlicher Schutzwürdigkeit zusammentreffen, ist die Grundstücksnutzung mit einer spezifischen gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet. Das führt nicht nur zur Pflichtigkeit dessen, der Belästigungen verbreitet, sondern auch zu einer die Tatsachen respektierenden Duldungspflicht derer, die sich in der Nähe von - als solche legalen - Belästigungsquellen ansiedeln. 157Grundlegend BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1975 - IV C 71.73 -, juris Rn. 23. 158Bei der Bildung eines Zwischenwerts zwischen Gebieten unterschiedlicher Nutzung und damit unterschiedlicher Schutzwürdigkeit ist methodisch so vorzugehen, dass die Immissionsrichtwerte zu ermitteln sind, die für die benachbarten Gebiete bei jeweils isolierter Betrachtung maßgeblich sind, und daraus unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls ein Mittelwert zu bilden ist. Dieser Ausgangspunkt darf nicht dahingehend missverstanden werden, dass der Mittelwert der Sache nach das arithmetische Mittel zweier Richtwerte ist. Hiergegen steht bereits, dass die Lärmberechnung nicht auf arithmetischen, sondern auf logarithmischen Vorgaben beruht. Bei einem solchermaßen zu gewinnenden Mittelwert müssen zur Bestimmung der Zumutbarkeit zudem die Ortsüblichkeit und die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden, wobei insbesondere auch die Priorität der in Konflikt tretenden Nutzungen von Bedeutung sein kann. 159Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 7. Juni 2019 - 8 B 36.18 -, juris Rn. 5 f., und vom 12. September 2007 - 7 B 24.07 -, juris Rn. 4, jeweils m. w. N.; OVG NRW, Urteile vom 24. August 2016 - 11 D 2/14.AK -, juris Rn. 134, und vom 16. Dezember 2014 - 7 A 2623/13 -, juris Rn. 58; Beschlüsse vom 15. März 2018 - 8 B 736/17 -, juris Rn. 67, vom 6. Mai 2016 - 8 B 866/15 -, juris Rn. 9 ff. m. w. N., und vom 17. Januar 2012 - 8 A 1710/10 -, juris Rn. 5 ff. 160Seinem Wortlaut nach regelt Nr. 6.7 TA Lärm nicht die Fälle, in denen Wohngrundstücke an den - keine (eigene) Gebietskategorie bildenden - Außenbereich nach § 35 BauGB angrenzen. Soweit in einer solchen Situation aber gleichfalls Grundstücksnutzungen mit unterschiedlicher Schutzbedürftigkeit aufeinander treten, findet hierauf Nr. 6.7 TA Lärm, mit der allgemeingültige, aus dem Gebot der Rücksichtnahme entwickelte Rechtsprechungsgrundsätze zur Bewältigung lärmbedingter Konflikte in Gemengelagen normkonkretisierend übernommen worden sind, entsprechende Anwendung. 161Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 1982 - 4 C 28.81 -, juris Rn. 17, und Beschluss vom 7. Juni 2019 - 8 B 36.18 -, juris Rn. 5; OVG NRW, Urteil vom 20. Dezember 2018 - 8 A 2971/17 -, juris Rn. 158, und Beschluss vom 6. Mai 2016 - 8 B 866/15 -, juris Rn. 9, m. w. N.; Bay. VGH, Beschluss vom 25. Oktober 2010 - 2 CS 10.2344 -, juris Rn. 21; Hess. VGH, Urteil vom 30. Oktober 2009 - 6 B 2668/09 -, juris Rn. 12. 162Das „Aneinandergrenzen“ im Sinne von Nr. 6.7 Abs. 1 Satz 1 TA Lärm wird durch den räumlichen Umfang des Rücksichtnahmegebots geprägt. Es wird nicht schematisch räumlich im Sinne von Mindestabständen von der Immissionsquelle bestimmt, sondern nach der jeweiligen Schallausbreitung und der damit einhergehenden Betroffenheit von Grundstücken mit höheren Schutzansprüchen. Die Reichweite des Gebots der Rücksichtnahme bestimmt sich danach, in welchem Umfang die Nutzung des einen Gebiets noch prägend auf das andere Gebiet - und nicht auf einzelne Grundstücke - einwirkt. 163Vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. September 2007 - 7 B 24.07 - juris Rn. 8; OVG NRW, Beschluss vom 15. März 2018 - 8 B 736/17 -, juris Rn. 65. 164Dabei kann der Eigentümer eines Grundstücks in Randlage eines Wohngebiets nicht damit rechnen, dass in seiner Nachbarschaft keine emittierende Nutzung oder allenfalls eine reine Wohnnutzung entsteht. Er darf grundsätzlich nur darauf vertrauen, dass im angrenzenden Bereich keine Nutzung entstehen wird, die mit der Wohnnutzung nicht mehr verträglich ist. Dies wäre jedoch nur anzunehmen, wenn sie über das Maß hinausgeht, das in einem ebenso dem Wohnen dienenden Misch- und Dorfgebiet zulässig ist. 165Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 1990 - 4 N 6.88 -, juris Rn. 29; OVG NRW, Beschluss vom 15. März 2018 - 8 B 736/17 -, juris Rn. 67. 166Eine wesentliche Rolle für die konkrete Schutzwürdigkeit spielen neben der Lage betroffener Wohngrundstücke zum Außenbereich auch Charakter, Art und Ausmaß der Wohnnutzung. 167Vgl. Feldhaus/Tegeder, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Stand: Dezember 2021, 6. BImSchVwV (TA Lärm) Nr. 6 Rn. 70a. 168Da die Nutzung von Windenergie als Ausdruck ihrer besonderen Standortgebundenheit von Gesetzes wegen im Außenbereich privilegiert ist (vgl. § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB), relativiert sich bei der Bildung eines Zwischenwertes nach Nr. 6.7 TA Lärm die Bedeutung der zeitlichen Priorität von außenbereichsgeprägter Wohnnutzung gegenüber Windenergieanlagen. 169Vgl. OVG Bremen, Urteil vom 13. Dezember 2001 - 1 D 299/01 -, juris Rn. 71 (zu einem Containerterminal eines Hafens); Feldhaus/Tegeder, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Stand: Dezember 2021, 6. BImSchVwV (TA Lärm) Nr. 6 Rn. 69. 170Dem steht hier nicht § 2 Abs. 1 BauGB-AG NRW entgegen, der durch Art. 1 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Baugesetzbuches in Nordrhein-Westfalen vom 8. Juli 2021 (GV. NRW. S. 891) auf der Grundlage von § 249 Abs. 3 BauGB neu eingeführt wurde und am 15. Juli 2021 in Kraft getreten ist. Zwar findet nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB-AG NRW § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB (u. a.) auf Vorhaben zur Nutzung der Windenergie nur (noch) Anwendung, wenn diese Vorhaben einen Mindestabstand von 1.000 m zu allgemein zulässigen Wohngebäuden in Gebieten mit Bebauungsplänen (§ 30 BauGB) und innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile (§ 34 BauGB) einhalten. Diese Bestimmung über eine (Teil‑)Entprivilegierung der Windenergie im Außenbereich ist aber vorliegend nicht anwendbar. Dabei mag auf sich beruhen, ob der X1. O. im Geltungsbereich einer in dem Flächennutzungsplan der Beigeladenen für die Zwecke des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB wirksam ausgewiesenen Vorrangzone liegt (vgl. § 2 Abs. 2 BauGB-AG NRW). Denn jedenfalls sind die in Rede stehenden Anlagen seit langem an ihrem Standort genehmigt; zudem hat die Klägerin den Antrag auf Genehmigung der wesentlichen Änderung vom 30. Januar 2014, so denn auch (wesentliche) Änderungen der Betriebsweise von bereits vor dem 15. Juli 2021 errichteten Windenergieanlagen § 2 Abs. 1 BauGB-AG NRW unterfallen, vor Ablauf des 23. Dezember 2020 gestellt und spätestens mit Vorlage der Schallimmissionsprognose vom 24. Juni 2016 vervollständigt; schon deshalb kommt hier ein Ausschluss der Außenbereichsprivilegierung gemäß der Übergangsvorschrift in § 2 Abs. 3 Satz 1 BauGB-AG NRW nicht in Betracht. 171Ein die Interessen des Vorhabenträgers absolut in den Vordergrund rückender Sonderstatus kommt Windenergieanlagen im Anwendungsbereich der TA Lärm jedoch nicht zu. 172Vgl. auch Feldhaus/Tegeder, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Stand: Dezember 2021, 6. BImSchVwV (TA Lärm) Nr. 6 Rn. 70d, m. w. N. 173Bei der Bildung eines Zwischenwertes werden nach der Rechtsprechung einem Wohnhaus, das in einem reinen Wohngebiet unmittelbar am Rande des Außenbereichs gelegen ist, häufig - in Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls - bis zu 5 dB(A) höhere Lärmimmissionen zugemutet. 174Vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Dezember 2013 ‑ 4 A 1.13 -, juris Rn. 55, und vom 19. Januar 1989 - 7 C 77.87 -, juris Rn. 28; OVG Saarl., Beschluss vom 3. November 2017 - 2 B 573/17 -, juris Rn. 15; OVG NRW, Beschlüsse vom 20. Juli 2017 - 8 B 140/17 -, juris Rn. 18, vom 6. Mai 2016 - 8 B 866/15 -, juris Rn. 13, vom 29. Januar 2013 - 8 A 2016/11 -, juris Rn. 14, vom 4. November 1999 - 7 B 1339/99 -, juris Rn. 23, vom 3. September 1999 - 10 B 1283/99 -, juris Rn. 20, und vom 6. November 1989 - 7 B 2966/87 -, BauR 1990, 67 (69); Hess. VGH, Urteil vom 30. Oktober 2009 - 6 B 2668/09 -, juris Rn. 12; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 23. April 2002 - 10 S 1502/01 -, juris Rn. 29. 175Da sich das Vorliegen einer Gemengelage nach Nr. 6.7 Abs. 1 Satz 1 TA Lärm anhand des Merkmals „Aneinandergrenzen“ maßgeblich danach bestimmt, wie weit nach der jeweiligen Schallausbreitung die damit einhergehende Betroffenheit von Grundstücken mit höheren Schutzansprüchen reicht, ist die Einwirkung des Außenbereichs auf das gesamte betroffene Plangebiet in den Blick zu nehmen. Daher kann auch für solche Wohngrundstücke, deren Grundstücksgrenze nicht unmittelbar an den Außenbereich angrenzt, sondern die sich weiter zurückgesetzt im Inneren eines Wohngebiets hinter den Grundstücken mit einer solchen Randlage befinden, die Bildung eines geeigneten Zwischenwerts dem Grunde nach in Betracht zu ziehen sein. 176Hiervon zu unterscheiden ist die nach der räumlichen Reichweite des Rücksichtnahmegebots zu beurteilende Frage, inwieweit für einzelne Grundstücke innerhalb der gebietsmäßig betroffenen Gemengelage noch eine Zwischenwertbildung nach Maßgabe der gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme erforderlich ist. Danach muss ein Zwischenwert, auch was seine Höhe anbelangt, die Reichweite der gegebenen Außenbereichsprägung der Wohnbebauung ebenso berücksichtigen wie die gesteigerte Schutzwürdigkeit aufgrund einer weiter entfernten Lage zum Außenbereich. 177Dementsprechend hat der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung weiter anerkannt, dass einer - abgeschirmt durch Bebauung - weiter zurückgesetzt liegenden Wohnbebauung „der zweiten Reihe“ die Erhöhung der für ein reines Wohngebiet maßgeblichen Richtwerte um 3 dB(A) zugemutet werden kann, sofern die betroffenen Grundstücke noch dem prägenden Einfluss des Außenbereichs ausgesetzt sind. 178Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 15. März 2018 - 8 B 736/17 -, juris Rn. 69 ff., vom 29. Juni 2017 - 8 B 187/17 -, juris Rn. 25, und vom 29. Januar 2013 - 8 A 2016/11 -, juris Rn. 16; ebenso Nds. OVG, Urteil vom 12. Mai 2015 - 1 KN 238/13 -, juris Rn. 41. 179Unter Berücksichtigung der vorgenannten Maßstäbe und gemessen an der räumlichen Reichweite des Rücksichtnahmegebots ist für die Wohnbebauung an der Straße T1. der einzuhaltende Nachtrichtwert von 35 dB(A) für reine Wohngebiete auf einen Zwischenwert zu erhöhen (dazu aa). Ein angemessener Zwischenwert liegt jedoch jedenfalls in Bezug auf die Immissionsorte T1. 9a (Flurstück 332) und T1. 21 (Flurstück 234) unter den durch das Änderungsvorhaben verursachten 39,5 dB(A) (dazu bb). 180aa) Tragend für die Bildung eines Zwischenwertes auch an den Grundstücken T1. 9a und 21 sind nach der Auswertung der Planunterlagen sowie den vor Ort gewonnenen Eindrücken folgende Erwägungen: Auch diese Grundstücke sind noch einem so prägenden Einfluss des Außenbereichs ausgesetzt, dass ihnen nicht der ungeminderte Schutzanspruch für ein reines Wohngebiet gegenüber der nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB privilegierten Windenergienutzung zu Gute kommt. Das im Durchführungsplan Nr. 22-01 festgesetzte reine Wohngebiet prägt das Einwirkungsgebiet nur begrenzt. So fällt bereits die räumliche Ausdehnung des reinen Wohngebiets sehr gering aus. Dessen Ausweisung umfasst lediglich die beiderseits des T1. gelegenen Grundstücke, und dies auch nicht auf voller Länge dieses Straßenzuges, sondern nur bis einschließlich der südwestlich gelegenen Flurstücke 316 und 105. Dabei nimmt die Fläche des reinen Wohngebiets nicht wesentlich mehr Raum ein als die nordöstlich benachbarte Hofstelle, was den Eindruck einer weitreichenden Außenbereichsprägung mit einer Vorbelastungssituation zusätzlich vermittelt. Hinzu kommt, dass sich das reine Wohngebiet auch nicht durch eine hohe Nutzungsintensität auszeichnet. Die vorhandene Wohnnutzung ist sowohl gemessen an der Zahl bestehender Gebäude als auch angesichts deren räumlicher Anordnung nicht verdichtet. Derzeit existiert innerhalb des Plangebiets entlang des T1. - mit Ausnahme der rückwärtig gelegenen Flurstücke 332 und 234 (T1. 9a und 21) - eine auf zwei Reihen begrenzte Bebauung, die nahezu ausschließlich aus freistehenden Einfamilienhäusern besteht. Die Grundstücke sind überdies sehr großzügig geschnitten, so dass die vorhandene Bebauung weiträumige Abstände wahrt und eine offene Bauweise absolut vorherrscht. In Anbetracht dieser Umstände wirkt der Außenbereich, der sich nördlich, östlich und südlich des Plangebiets um ein Vielfaches ausdehnt, auf das gesamte reine Wohngebiet prägend ein. Demnach sind hier nicht allein die Wohnhäuser in unmittelbarer Randlage und direkt dahinter befindlicher „zweiter Reihe“ noch dem Einfluss des Außenbereichs ausgesetzt, sondern gleichfalls die weiter zurückliegende Wohnbebauung. 181Für das Wohnhaus T1. 21 ist dabei zusätzlich zu berücksichtigen, dass dieses sich nach dem Eindruck im Ortstermin gerade nicht als eine gänzlich durch die zweite Reihe an der Nordseite des T1. abgeschirmte „Hinterlandbebauung“ darstellt, sondern vielmehr die zwischen der benachbarten Wohnbebauung vorhandene Lücke - lediglich nach weiter hinten versetzt - ausfüllt. Auch schon aus diesem Grunde kann hier von einer das Gebot zur Rücksichtnahme in Gänze ausschließenden Unterbrechung der Außenbereichsprägung keine Rede sein. 182bb) Der Zwischenwert an den Wohngrundstücken T1. 9a und T1. 21 liegt unter Würdigung der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls deutlich unter 39,5 dB(A), jedenfalls unter 38 dB(A), so dass die durch das Änderungsvorhaben verursachten nächtlichen Lärmwerte von 39,6 dB(A) und 39,5 dB(A) dort unzumutbar sind. Diese Einschätzung beruht darauf, dass diese Grundstücke im Inneren und gewissermaßen in „dritter Reihe“ eines reinen Wohngebietes liegen. Wegen der dadurch geringeren Prägung durch den Außenbereich muss der Zwischenwert für die Grundstücke T1. 9a und 21 geringer ausfallen als - abgestufte - Zwischenwerte für die beiden ersten Reihen des reinen Wohngebietes (dazu aaa). Dieses grenzt in drei Richtungen (Norden, Osten und Süden) an den Außenbereich. Es bildet mit der weiter westlich vorhandenen Bebauung einen nicht durch die dazwischen liegenden Grünflächen und/oder den Friedhof unterbrochenen Bebauungszusammenhang mit der Folge, dass die Grundstücke T1. 9a und 21 nicht selbst an den Außenbereich grenzen (dazu bbb). 183aaa) Vorliegend ist es angemessen, für das bauplanerisch ausgewiesene reine Wohngebiet die Schutzbedürftigkeit des an der nördlichen Grenze gelegenen Wohnhauses T1. 1 sowie derjenigen Wohnhäuser, die sich in südliche Richtung entlang der Ost- und sodann Südseite des Straßenzuges T1. anschließen (erste Reihe), mit 40 dB(A) nachts zu bemessen. Die beschriebene Wohnbebauung wird wegen ihrer Randlage in besonderem Maße durch den Außenbereich geprägt, was einen generell verminderten Schutzanspruch der Wohnnutzung zur Folge hat. Sie bildet in östliche und südliche Richtung die letzte Baureihe des Plangebiets vor dem Außenbereich, wobei schon jeweils hinter den Grundstücksgrenzen unmittelbar der Außenbereich mit einer nordöstlich nahe gelegenen Hofstelle beginnt. Besondere Gründe, die hier für eine erhöhte Schutzbedürftigkeit der in Randlage befindlichen Wohnbebauung streiten könnten, bestehen nicht. Wegen der mit der Standortgebundenheit verbundenen Privilegierung von Windenergieanlagen im Außenbereich gebietet insbesondere nicht der Umstand einen geringeren Aufschlag als 5 dB(A), dass die Wohnnutzung zeitlich früher, nämlich sogar bereits deutlich vor Errichtung und Inbetriebnahme der emittierenden Windenergieanlagen vorhanden war. 184Weiter ist hier der nächtliche Immissionsrichtwert für die Wohngrundstücke südlich des Wohnhauses T1. 1 (Flurstück 136), die unmittelbar zunächst an die westliche und im weiteren Verlauf nördliche Seite des T1. angrenzen (zweite Reihe), also ausgenommen die Wohnbebauung T1. 9a und 21, um (jedenfalls) 3 dB(A) auf sodann 38 dB(A) zu erhöhen. Dieser Richtwert trägt dem Umstand angemessen Rechnung, dass sich die beschriebenen Wohnnutzungen zwar einerseits nicht in unmittelbarer Randlage zum Außenbereich befinden, anderseits aber immer noch eindeutig dessen prägendem Einfluss unterworfen sind. So weisen die betreffenden Grundstücke bereits räumlich eine nicht unerhebliche Nähe zum Außenbereich auf; der Abstand der Grundstücksgrenzen zu der Grenze des Plangebiets fällt mit teils deutlich unter 40 m an der West- und etwa 50 m an der Nordseite des T1. relativ gering aus. Zudem geht von der lediglich in einer Reihe verwirklichten Wohnbebauung entlang der Ostseite des T1. , die eine deutlich aufgelockerte Bauweise mit großzügig bemessenen Abständen der Wohnhäuser zueinander aufweist, nur eine geringe abschirmende Wirkung zum Außenbereich aus. 185Der Wohnbebauung T1. 13a (Flurstück 243) und 15 (Flurstück 244) ist darüber hinausgehend ein Aufschlag in Höhe von 4 dB(A), mithin ein nächtlicher Immissionsrichtwert von 39 dB(A) nach dem Gebot zu gegenseitiger Rücksichtnahme zumutbar. Die Schutzbedürftigkeit dieser Grundstücke ist dadurch gemindert, dass auf ihrer Höhe in östliche Richtung keine abschirmende Bebauung zum Außenbereich mehr existiert. Das im südwestlichen Bereich des Plangebiets befindliche Flurstück 143 wird im Durchführungsplan Nr. 22‑01 als öffentliche Grünfläche ausgewiesen. Auf ihr ist nach den Feststelllungen im Ortstermin ein Spielplatz errichtet. Die Fläche ist nicht zum Zwecke der Wohnnutzung oder mit sonstigen relevanten Gebäuden im Sinne des § 34 BauGB bebaubar, zudem misst Nr. 6.1 TA Lärm einer Grünfläche keine immissionsschutzrechtlich relevante Schutzwürdigkeit bei. Daher besteht in diesem Bereich, obgleich die Flurstücke 243 und 244 keine unmittelbare Randlage aufweisen, ein gleichsam fließender Übergang zum Außenbereich, so dass sie entsprechend einem stärker ausgeprägten Einfluss ausgesetzt sind. Der verglichen zu den Wohngrundstücken in unmittelbarer Randlage weiter entfernten Lage zum Außenbereich trägt ein um 1 dB(A) geringerer Zuschlag angemessen Rechnung. 186Die dargestellte geminderte Schutzwürdigkeit der Wohnbebauung im reinen Wohngebiet führt mit Blick auf die unterschiedlich starke Prägung durch den Außenbereich und die damit verbundene Abstufung der Zwischenwerte zu einem Zwischenwert für die Grundstücke T1. 9a und 21, der die Zwischenwerte für die Grundstücke in erster und zweiter Reihe unterschreitet und damit jedenfalls unter 38 dB(A) nachts liegt. Der Senat lässt ausdrücklich offen, in welchem Umfang der Zwischenwert für die Grundstücke T1. 9a und 21 unter 38 dB(A) liegen muss. Da im vorliegenden Verfahren nur über den gestellten Antrag zu entscheiden ist, besteht im Übrigen für das Gericht auch kein Anlass zu ermitteln, mit welchen jeweiligen Schallleistungspegeln die vier Anlagen des Windparks gegebenenfalls nachts in immissionsschutzrechtlich zulässiger Weise, aber gleichwohl mit höherem Ertrag betrieben werden könnten. 187Auch wenn man die Zwischenwerte für die Grundstücke in zweiter Reihe hier nicht bei 38 dB(A), sondern höher ansetzte, hält der Senat den für eine Zulässigkeit des Änderungsvorhabens erforderlichen Wert von mindestens 39,5 dB(A) auf den weiter zurückliegenden Grundstücken T1. 9a und 21 aus den oben genannten Gründen für jedenfalls zu hoch. Damit würde im Hinblick auf Lärmbeeinträchtigungen praktisch das gesamte reine Wohngebiet zu einem allgemeinen Wohngebiet gewandelt und der Einfluss des Außenbereichs auf das Gebiet zu hoch bewertet. 188Auch allein mit Blick auf das hier im Verhältnis zum Außenbereich geringe prägende Gewicht des reinen Wohngebiets ist nicht ein einheitlich noch weiter erhöhter Zwischenwert für die gesamte Wohnbebauung angezeigt. 189Vgl. dies nach dem Wortlaut von Nr. 6.7 TA Lärm ausdrücklich für möglich erachtend: VG Gießen, Beschluss vom 25. März 2011 - 8 L 50/11.GI -, juris Rn. 65. 190Denn dies ließe außer Betracht, dass hier für die zurückliegenden Wohngrundstücke ohne Randlage mit zunehmender Entfernung zum Außenbereich eine geringere Prägung und spiegelbildlich eine höhere Schutzwürdigkeit einhergeht. 191Aus dem Erfordernis einer Einzelfallprüfung folgt, dass sich die Zwischenwerte für Wohngrundstücke mit größerer Entfernung zum Außenbereich - anders als die Klägerin wohl meint - nicht ausgehend von dem an der unmittelbaren Grenze zum Außenbereich gebildeten Zwischenwert (hier: 40 dB(A)) nach der physikalisch vorgegebenen Lärmausbreitung bei Windenergieanlagen rechnerisch ermitteln lassen. 192Die Systematik der Gemengelage nach Nr. 6.7 TA Lärm dient nicht dazu, emissionsträchtigen Anlagen ohne einzelfallbezogene Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit hiermit in Konflikt stehender Wohnnutzung zur Genehmigungsfähigkeit zu verhelfen. Vielmehr besteht ihr Sinn und Zweck darin, gebietsbedingte Nutzungskonflikte auf der Grundlage des Gebots zu gegenseitiger Rücksichtnahme zu lösen, wobei in einer Zwischenwertbildung im Sinne der Nr. 6.7 Abs. 1 Satz 1 TA Lärm bereits das ausgleichende Prinzip eines gegenseitigen Nachgebens seinen unmittelbaren Ausdruck findet. Soweit die Klägerin daher vorbringt, die Zwischenwerte seien hier über die Randlage zum Außenbereich hinaus schon deshalb auf das Innere des Wohngebiets zu erstrecken, weil die zu erwartenden Lärmimmissionen auf kurze Distanz nur geringfügig abnehmen, trifft dies zwar in tatsächlicher Hinsicht zu. Denn die von Windenergieanlagen ausgehenden Schallimmissionen verringern sich der Höhe nach erst mit merklich zunehmender Entfernung zum Immissionsort, so dass von der Randlage aus abgestufte Zwischenwerte in der Tat häufig nicht ausreichend sein werden, um mit Blick auf strenger einzuhaltende Richtwerte im Inneren eines (reinen) Wohngebiets schädliche Umwelteinwirkungen auszuschließen. 193Vgl. hierzu Agatz, Windenergie-Handbuch, 18. Ausgabe, Dez. 2021, S. 157. 194Auf diese Weise können die Grundstücke, die unmittelbar an den Außenbereich grenzen, der Sache nach von den Lärmrichtwerten profitieren, die im weiter innen liegenden Bereich einzuhalten sind. Dies ist Folge der gebietsbezogenen Betrachtung anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls und wohl auch der besonderen Lärmausbreitungsbedingungen von Windenergieanlagen als hohen Quellen. Das allein führt aber nicht dazu, dass innerhalb einer Gemengelage einzuhaltende Lärmrichtwerte einseitig zu Lasten der Wohnnutzung verschoben, also ohne hinreichende Berücksichtigung der anhand der konkreten Einzelfallumstände zu bemessenden Schutzwürdigkeit erhöht werden dürfen. Mit der hier vertretenen Bewertung läuft die Rechtsprechung zur Gemengelage nicht ins Leere, sondern wird auf den konkreten Einzelfall angewandt, allerdings nicht mit dem von der Klägerin gewünschten Ergebnis. 195Für die Bildung des Zwischenwertes kommt es entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht darauf an, dass das Interimsverfahren im Zeitpunkt der Antragstellung im Jahre 2014 noch nicht entwickelt war und die prognostizierten Lärmwerte nach dem damals angewandten alternativen Verfahren am T1. 9a und 21 etwa 2 dB(A) niedriger lagen. Die Höhe des Immissionsrichtwerts hängt nicht von der Immissionsprognose ab, die dessen Einhaltung vor Erteilung der Genehmigung einer lärmemittierenden Anlage sichern soll. 196bbb) Der Zwischenwert ist für die Grundstücke T1. 9a (Flurstück 332) und T1. 21 (Flurstück 234) nicht deswegen weiter zu erhöhen, weil die Grundstücke aus westlicher oder nördlicher Richtung unmittelbar durch den Außenbereich geprägt wären. Eine solche Prägung vermitteln nicht die (derzeit) unbebauten Flächen westlich des Plangebiets als sog. Außenbereichsinsel (dazu (1)). Der nördlich zwischen Bebauungsplangebiet und westlicher Wohnbebauung gelegene Friedhof unterbricht den Bebauungszusammenhang ebenfalls nicht; der nördlich der L.----straße beginnende Außenbereich setzt sich somit nicht gleichsam als sog. Außenbereichszunge in die rückwärtige Bebauung fort (dazu (2)). 197(1) Von den - ohne Einbeziehung der nördlichen Friedhofsfläche betrachteten - Freiflächen, die westlich des Bebauungsplangebiets Nr. 22-01 sowie östlich der in der Begründung zum Bebauungsplan Nr. 22-07 als faktisches allgemeines Wohngebiet eingeordneten Wohnbebauung entlang des T3.------wegs gelegen sind (Flurstücke 203, 246 und 279) geht auf die hintere Wohnbebauung keine ein erhöhtes Maß an Rücksichtnahme fordernde Prägung aus. 198Die nicht überplanten und bisher unbebauten Flächen sind nicht als Außenbereich im Sinne des § 35 BauGB zu qualifizieren. Sie gehören vielmehr zum Innenbereich nach § 34 BauGB, da sie den entlang der Straßenzüge T2.------weg und T1. nach insoweit übereinstimmender Einschätzung der Beteiligten und des Senats vorhandenen Bebauungszusammenhang des Ortsteils nicht unterbrechen. 199Das Baugesetzbuch unterscheidet im Hinblick auf die nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegenden Bereiche nur zwischen den im Zusammenhang bebauten Ortsteilen (§ 34 BauGB) und dem Außenbereich (§ 35 BauGB). Ausschlaggebend für das Bestehen eines Bebauungszusammenhangs im Sinne des § 34 BauGB in Abgrenzung zum Außenbereich ist, inwieweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und eine - ggf. zur Bebauung vorgesehene - Fläche (noch) diesem Zusammenhang angehört. Hierüber ist nicht nach geographisch-mathematischen Maßstäben, sondern aufgrund einer umfassenden Bewertung des im Einzelfall vorliegenden konkreten Sachverhalts zu entscheiden. Grundlage und Ausgangspunkt dieser bewertenden Beurteilung sind die tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten, also insbesondere die vorhandenen baulichen Anlagen, sowie darüber hinaus auch andere topographische Verhältnisse wie z. B. Geländehindernisse, Erhebungen oder Einschnitte (Dämme, Böschungen, Gräben, Flüsse und dergleichen) und Straßen. Zu berücksichtigen sind nur äußerlich erkennbare Umstände, d. h. mit dem Auge wahrnehmbare Gegebenheiten der vorhandenen Bebauung und der übrigen Geländeverhältnisse. Bei der Grenzziehung zwischen Innen- und Außenbereich geht es darum, inwieweit ein Grundstück zur Bebauung ansteht und sich aus dem tatsächlich Vorhandenen ein hinreichend verlässlicher Maßstab für die Zulassung weiterer Bebauung nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche gewinnen lässt. Die bewertende Betrachtung der konkreten tatsächlichen Verhältnisse kann sich angesichts dieser vom Gesetzgeber vorgegebenen Kriterien nur nach optisch wahrnehmbaren Merkmalen richten. 200Vgl. zusammenfassend: BVerwG, Beschlüsse vom 8. Oktober 2015 - 4 B 28.15 -, juris Rn. 5 f., und vom 18. Juni 1997 - 4 B 238.96 -, juris Rn. 4, jeweils m. w. N. aus der Rspr. 201Da es für die bauplanungsrechtliche Zuordnung allein auf optisch wahrnehmbaren Merkmale ankommt, ist für die Unterscheidung zwischen einer Innen- oder Außenbereichszugehörigkeit von Grundstücken nicht von Bedeutung, ob sich - wie hier - in der Nichteinbeziehung einer Fläche in den Geltungsbereich eines Bebauungsplans der Wille der Gemeinde dokumentiert hat, die Zuordnung zum Außenbereich festzuschreiben. 202Vgl. BVerwG Urteil vom 28. Oktober 1993 - 4 C 5.93 -, juris Rn. 14. 203Mögliche Bestandteile eines Bebauungszusammenhanges nach § 34 BauGB sind erstens bebaute Grundstücke, zweitens unbebaute, aber bebauungsfähige Grundstücke (Baulücken im engeren Sinne) sowie drittens freie Flächen, die etwa wegen ihrer natürlichen Beschaffenheit (z. B. stehendes oder fließendes Gewässer) oder wegen ihrer besonderen Zweckbestimmung (z. B. Sportplätze, Erholungsflächen) einer Bebauung entzogen sind. 204Vgl. BVerwG, Urteile vom 30. Juni 2015 - 4 C 5.14 -, juris Rn. 13, und vom 1. Dezember 1972 - IV C 6.71 -, juris Rn. 20, jeweils m. w. N. 205Solche freien Flächen können an einem Bebauungszusammenhang teilnehmen, wenn sie den optischen Eindruck der Geschlossenheit nicht unterbrechen, etwa weil sie als Bestandteile einer aufgelockerten Bebauung in Erscheinung treten. Das ist in Abhängigkeit von ihrer Größe sowie unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen örtlichen Verhältnisse zu bewerten. 206Vgl. BVerwG, Urteile vom 14. November 1991 - 4 C 1.91 -, juris Rn. 21 f., und vom 14. April 1967 - IV C 134.65 -, BRS 18 Nr. 23, sowie Beschluss vom 13. September 2012 - 4 C 4.12 -, juris Rn. 6; Rieger, in: Schrödter, BauGB, 9. Auflage 2019, § 34 Rn. 16. 207Ob eine von Bebauung umgebene Freifläche den Bebauungszusammenhang über eine bestimmte Distanz aufrechtzuerhalten vermag, hängt auch von dem Charakter der Umgebungsbebauung ab. 208Vgl. BVerwG, Urteile vom 14. November 1991 - 4 C 1.91 -, juris, Rn. 27; OVG NRW, Urteil vom 29. Oktober 2018 - 10 A 1403/16 -, juris Rn. 105; Bracher, in: Bracher/Reidt/Schiller, Bauplanungsrecht, 8. Auflage 2014, Rn. 2154; Mitschang/Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Auflage 2022, § 34 Rn. 9; Rieger, in: Schrödter, BauGB, 9. Auflage 2019, § 34 Rn. 16. 209Ausgehend hiervon bilden die genannten Freiflächen im rückwärtigen Bereich der vorhandenen Bebauung keinen Außenbereich. Bei dieser Bewertung stützt sich der Senat maßgeblich auf die im Ortstermin gewonnenen Eindrücke der Vorsitzenden und des Berichterstatters, die diese den übrigen Richtern des Senats in der Beratung insbesondere anhand zahlreicher Lichtbilder vermittelt haben. Für die Einschätzung des Senats ist zunächst zu berücksichtigen, dass das an der Ostseite des T3.------wegs gelegene Flurstück 203 - nach übereinstimmender Einschätzung der Beteiligten im Ortstermin - teilweise bebaubar ist, da sich ein Wohnhaus bis zu der durch die nördliche und südliche Bebauung vorgegebenen Tiefe ohne Weiteres einfügen würde. Ebenfalls eine Baulücke (im engeren Sinne) stellt das nördlich des T1. in „dritter Reihe“ befindliche Flurstück 279 dar; dieses Grundstück wird durch die westlich, südlich und östlich benachbarte Wohnbebauung so geprägt, dass ein hinreichend verlässlicher Maßstab für eine fortgesetzte Bebauung existiert. 210Vgl. zu diesem Maßstab: BVerwG, Urteile vom 14. September 1992 - 4 C 15.90 -, juris Rn. 12, und vom 29. Mai 1981 - 4 C 34.78 -, juris Rn. 15 ff. (zu einer lockeren Bebauung mit einzelnen Häusern auf großen Grundstücken). 211Relevante nicht bebaubare Flächen, die einen Außenbereich darstellen könnten, bestehen danach - zusammengenommen - nur noch aus Teilen der Flurstücke 246 und 203 beginnend mit dem jeweiligen Ende des letzten (zulässigen) Baukörpers bis hin zur westlichen Grenze des reinen Wohngebiets. Wie sich jedoch sowohl anhand der Auswertung von Kartenmaterial als auch als Ergebnis der Inaugenscheinnahme der Örtlichkeit ergibt, verfügen diese Flächen nicht über ein hinreichendes Gewicht, um den Bebauungszusammenhang zu unterbrechen. Die hier in Rede stehenden nicht bebaubaren Flächen sind nicht von solcher Größe und Ausdehnung, dass sie nicht mehr durch die umliegende Bebauung geprägt wären, sondern erscheinen noch als Bestandteil des sich in westliche Richtung an das reine Wohngebiet anschließenden Innenbereichs. Die rückwärtigen Freiflächen liegen innerhalb eines Siedlungsbereichs, der strukturell durch sehr großzügig geschnittene und mit freistehenden Wohnhäusern bebaute Grundstücke bestimmt wird. Die Wohnbebauung ist vor allem in westlicher Richtung sehr aufgelockert und wird ganz überwiegend durch eine weiträumige Gartennutzung geprägt. Trotz einer gewissen Ausdehnung begründen die rückwärtigen Freiflächen, die nach dem Ergebnis der Ortsbesichtigung aus einer weitgehend einheitlichen, zum T2.------weg hin nicht abgezäunten Rasen‑/Wiesenfläche mit einzelnen Bäumen und (Zier‑)Sträuchern bestehen, in Anbetracht dieser besonderen Gegebenheiten keine so wesentliche Lücke, dass der Bebauungszusammenhang bis hin zur westlichen Grenze des Durchführungsplans Nr. 22-01 unterbrochen wäre. 212(2) Eine unmittelbare Außenbereichsprägung der Wohngrundstücke T1. 9a und 21 bewirkt ferner nicht die nördlich zwischen Innenbereich und Bebauungsplangebiet gelegene Friedhofsfläche (Flurstück 27). Auch im Zusammenhang mit den südlich angrenzenden Freiflächen der Flurstücke 203, 246 und 279 unterbricht der Friedhof den vorhandenen Bebauungszusammenhang nicht, 213vgl. zur Einbeziehung auch umliegender Grundstücke: OVG Berlin, Beschluss vom 20. August 1993 - 2 B 7.91 -, juris Rn. 7 f., 214so dass er als Teil des Innenbereichs keine Fortsetzung des Außenbereichs bewirkt. 215Ein Friedhof hat zwar grundsätzlich selbst keine prägende Wirkung im Hinblick auf einen Bebauungszusammenhang und kann daher für sich genommen in der Regel auch keinen solchen vermitteln. 216„Bebauung“ im Sinne des § 34 BauGB, wonach ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil soweit reicht, wie die aufeinanderfolgende Bebauung trotz vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit vermittelt, ist nicht jede noch so unbedeutende bauliche Anlage. Innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils richtet sich die Zulässigkeit eines Bauvorhabens, soweit keine Planung besteht, gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB danach, ob es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Der innere Grund für die nach diesen Maßstäben sich ergebende Zulässigkeit der Bebauung innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile liegt darin, dass nur eine nach der Siedlungsstruktur angemessene Fortentwicklung der Bebauung zugelassen werden soll. Dies setzt eine Bebauung voraus, die maßstabbildend ist. Unter den Begriff der „Bebauung“ im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB fallen deshalb nur bauliche Anlagen, die optisch wahrnehmbar sind und ein gewisses Gewicht haben, so dass sie geeignet sind, ein Gebiet als einen Ortsteil mit einem bestimmten Charakter zu prägen. 217Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. September 1992 - 4 C 15.90 -, juris Rn. 12; OVG NRW, Urteil vom 7. November 1996 - 7 A 962/95 -, juris Rn. 35. 218Eine solche Fähigkeit, prägende Wirkung in Bezug auf das Vorliegen eines Bebauungszusammenhanges zu entfalten, kommt dem vorliegenden Friedhof nicht zu. Er weist keine im oben dargestellten Sinne maßstabbildende Bebauung auf. Die auf ihm errichteten Grabsteine sind, mögen sie auch gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW dem landesrechtlichen Begriff der baulichen Anlagen unterfallen, schon deswegen nach allgemeinem Verständnis keine im hier maßgebenden planungsrechtlichen Sinne zu verstehende Bebauung und sind so gesehen auch kein Element eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils, weil sie nicht dem ständigen Aufenthalt von (lebenden) Menschen dienen. 219Vgl. OVG NRW, Urteile vom 28. Februar 2002 - 3 A 3629/98 -, juris Rn. 34, und vom 7. November 1996 - 7 A 962/95 -, juris Rn. 38; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 9. Dezember 2004 - 1 A 11591/04 -, juris Rn. 17; OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 27. März 2014 - OVG 10 S 5.13 -, juris Rn. 8. 220Ein relevanter Bebauungszusammenhang wird auch nicht durch die an der Westgrenze des Plangebiets vorhandene Kapelle vermittelt. Diese mag zwar eine maßstabbildende Bebauung darstellen können. Jedoch ist sie isoliert am Rande des Friedhofsgeländes zur Grenze des reinen Wohngebiets hin errichtet und bildet daher lediglich einen Bestandteil des Bebauungszusammenhangs zwischen der angrenzenden Bebauung innerhalb des Plangebiets sowie dem nördlich gelegenen Wohnhaus (Flurstück 28). 221Gleichwohl ist die Friedhofsfläche samt der sich daran südlich anschließenden Freiflächen noch dem westlich des Bebauungsplangebiets gelegenen Bebauungszusammenhang und damit dem Innenbereich zuzurechnen. 222Denn nach den vorstehend aufgezeigten Maßstäben können selbst im Sinne von § 29 Abs. 1 BauGB unbebaute Freiflächen größerer Ausdehnung wie Sportplätze, Schwimmbäder, Erholungsflächen, Friedhöfe oder Stadtparks einem Bebauungszusammenhang zuzurechnen sein, wenn sie den optischen Eindruck der Geschlossenheit nicht unterbrechen. 223Vgl. BVerwG, Urteile vom 9. November 2005 - 4 B 67.05 -, juris Rn. 3 (zu einer Splitterbebauung im Außenbereich), vom 14. September 1992 - 4 C 15.90 -, juris Rn. 13 (zu einer Schotterfläche) m. w. N., und vom 12. Juli 1967 - IV C 135/65 -, BRS 28 Nr. 23; OVG NRW, Urteil vom 7. November 1996 - 7 A 962/95 -, juris Rn. 39 (zu einem Friedhof), m. w. N.; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 9. Dezember 2004 - 1 A 11591/04 -, juris Rn. 17 (zu einem Friedhof); Bracher/Reidt/Schiller, Bauplanungsrecht, 8. Auflage 2014, Rn. 2154 f. 224Dies zu Grunde gelegt, ist die Friedhofsfläche samt der sich daran südlich anschließenden Freiflächen noch dem westlich des Bebauungsplangebiets gelegenen unbeplanten Innenbereich zuzurechnen. Die vom Senat durchgeführte Ortsbesichtigung hat die schon aufgrund von Lageplänen und Luftbildern sich ergebende Annahme bestätigt, dass diese Flächen am Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit der Bebauung teilnehmen. Eine unterbrechende Wirkung besteht nach den sich äußerlich darbietenden Gegebenheiten nicht. Der Friedhof wie auch die dahinter befindlichen Wiesenflächen liegen innerhalb einer ländlich geprägten Siedlungsstruktur, die - vor allem entlang des T3.------wegs - durch eine stark aufgelockerte Bauweise und großzügig geschnittene Grundstücke bestimmt ist. In den so vorgegebenen Rahmen reiht sich die Friedhofsfläche ein, ohne dass hierdurch der Eindruck einer räumlichen Trennung zwischen dem reinen Wohngebiet und der entlang des T3.------wegs vorhandenen Bebauung entsteht. Dies gilt auch mit Blick auf die den Friedhof umgebende Hecke nach Süden und Westen (nicht: Mauer), die hinsichtlich Art und Größe anderen Hecken im Gebiet ähnelt. 225Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, weil sie keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). 226Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 Sätze 1 und 2, 709 Satz 2 ZPO. 227Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
die berufung wird zurückgewiesen. die klägerin trägt die kosten des berufungsverfahrens mit ausnahme der außergerichtlichen kosten der beigeladenen, die nicht erstattungsfähig sind. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. die klägerin darf die vollstreckung gegen sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht der beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. die revision wird nicht zugelassen. 1
2die beteiligten streiten um die erteilung einer immissionsschutzrechtlichen änderungsgenehmigung für die erhöhung der zur nachtzeit zugelassenen betriebsleistung von zwei windenergieanlagen. 3die klägerin betreibt nördlich von e. -o. den „windpark o. “. dieser besteht aus insgesamt vier windenergieanlagen des typs enercon e‑70 e4 mit jeweils 98,2 m nabenhöhe, 71 m rotordurchmesser und 2.000 kw nennleistung auf den grundstücken gemarkung o. , flur 2, flurstücke 81 (wea 1), 79 (wea 2), 83 (wea 3) und 85 (wea 4). 4südlich des windparks o. in einem abstand ab ca. 790 m zu der nächstgelegenen anlage wea 4 befindet sich ein wohngebiet, das der durchführungsplan nr. 22-01 „t. “ aus dem jahr 1958 der damals selbstständigen gemeinde o. als „reines wohngebiet“ festsetzt. das reine wohngebiet grenzt nördlich an die l.----straße d 17 („p. “) und erstreckt sich etwa 250 m weit in südliche richtung entlang des nach westen bogenförmig verlaufenden straßenzuges „t1. “ bis einschließlich der (heutigen) flurstücke 316 (t1. 25) und 105 (t1. 20). außerhalb des plangebiets setzt sich eine wohnbebauung entlang des übrigen teilstücks des t1. , der in die westlich gelegene straße „t2.------weg “ mündet, sowie entlang des in nord-süd-richtung verlaufenden t3.------wegs samt dessen ausläufern fort. nordwestlich des plangebiets liegt an die l.----straße p1. angrenzend ein friedhof (flurstück 27) mit kapelle (flurstück 192), südlich hieran schließt sich zwischen dem plangebiet und der entlang der ostseite des t3.------wegs vorhandenen wohnbebauung eine ca. 5.000 m² große freifläche (flurstücke 203, 246 und 279) an. das festgesetzte reine wohngebiet wie auch die westlich hiervon außerhalb des plangebietes entstandene bebauung sind von landwirtschaftlich genutzten freiflächen mit zwei nordwestlich und nordöstlich an der l.----straße p1. gelegenen hofstellen umgeben. 5ausgehend von der im flächennutzungsplan der beigeladenen in der fassung der 140. änderung aus dem jahr 2000 dargestellten vorrangfläche für windkraft - teilfläche 1 „nördlich von o. “ - setzt der am 10. november 2005 im amtsblatt des kreises m. (seite 768) öffentlich bekanntgemachte bebauungsplan nr. 22‑07 „windkraftanlagen o. “ der beigeladenen ein „sonstiges sondergebiet für windenergieanlagen und flächen für die landwirtschaft“ fest. der räumliche geltungsbereich entspricht im wesentlichen der im flächennutzungsplan ausgewiesenen vorrangfläche 1 „nördlich von o. “. laut der planzeichnung legt der bebauungsplan für die vier konkret ausgewiesenen anlagenstandorte maximale schallleistungspegel von 103 db(a) tags und 99 db(a) nachts fest. nach der planzeichenerklärung kommt ein schallleistungspegel von 99 db(a) nachts je anlage nur bei realisierung von vier windenergieanlagen zum tragen, bei der realisierung von weniger als vier windenergieanlagen sind je nach anlagentyp und anlagenzahl höhere werte, maximal aber 103 db(a) möglich. in den textlichen festsetzungen heißt es unter „i. planungsrechtliche festsetzungen gem. § 9 abs. 1 baugb“ in ziffer 11: 6„bei realisierung von 4 windenergieanlagen ist ein nächtlicher schallleistungspegel von max. 99.0 db(a) einzuhalten.“ 7dieser festsetzung liegt als anlage zur begründung des bebauungsplans die „schallvorprognose für die errichtung von windenergieanagen am standort e. -o. “ des ingenieurbüros für energietechnik und lärmschutz n. vom 22. märz 2004 zu grunde. hiernach sei bei gleichzeitigem betrieb von vier anlagen an den ausgewiesenen standorten und mit einem schallleistungspegel jeweils von lwa = 103 db(a) eine belastung in höhe von 37,7 db(a) für den untersuchten immissionsaufpunkt ip 1 („wr, b‑plan 22‑01“; wohl auf dem grundstück t1. 1) und von 38,9 db(a) für den untersuchten immissionsaufpunkt ip 2 („wa, t2.------weg “; wohl auf dem grundstück p1. 58) zu erwarten. bei schallreduziertem betrieb mit lwa = 99 db(a) betrage die belastung 33,7 db(a) am ip 1 und 34,9 db(a) am ip 2. 8für die errichtung und den betrieb der windenergieanlagen wea 1 und wea 2 mit dem anlagentyp enercon e‑66/18.70 erteilte die beigeladene der x. gmbh jeweils am 17. august 2004 baugenehmigungen. hinsichtlich der anlagen wea 3 und wea 4 desselben typs erteilte das ehemalige staatliche amt für umwelt und arbeitsschutz p2. -m. der g. & c. gbr am 15. oktober 2004 eine immissionsschutzrechtliche genehmigung. der anlagentyp e-66/18.70 wurde anschließend nie errichtet. 9durch bescheide jeweils vom 2. april 2007 erteilte die bezirksregierung e. der x. gmbh und der g1. & c. gbr zwei immissionsschutzrechtliche änderungsgenehmigungen, wonach anstelle des anlagentyps enercon e‑66/18.70 der anlagentyp enercon e‑70 e4 errichtet und betrieben werden darf. der änderungsbescheid betreffend die anlagen wea 1 und wea 2 (im bescheid bezeichnet als wka 1 und 2) erlaubt für diese ganzjährig (0.00 bis 24.00 uhr) einen uneingeschränkten betrieb mit der vollen nennleistung von 2.000 kw. der änderungsbescheid für die anlagen wea 3 und wea 4 (im bescheid bezeichnet als wka 3 und 5) erlaubt den betrieb mit einer leistung von 2.000 kw ganzjährig von 6.00 bis 22.00 uhr und lässt während der nachtzeit (22.00 bis 6.00 uhr) nur eine schallreduzierte betriebsweise mit einer leistung von bis zu 1.000 kw zu. für die anlagen wea 1 und wea 2 wurden außerdem befreiungen hinsichtlich des bauplanungsrechtlich festgesetzten nächtlichen schallleistungspegels erteilt. 10die klägerin erwarb diese vier anlagen von der x. gmbh sowie der g1. & c. gbr. den „bauherrenwechsel“ zeigten diese beiden gesellschaften dem beklagten jeweils mit schreiben vom 1. februar 2008 an. 11mit formularantrag vom 30. januar 2014 beantragte der geschäftsführer der e1. windverwaltung gmbh - komplementärgesellschafterin der klägerin - beim beklagten im namen der klägerin, die wea 3 und wea 4 (bezeichnet als wka 3 und 5) auch zur nachtzeit mit der vollen nennleistung von 2.000 kw betreiben zu dürfen. dem genehmigungsantrag beigefügt war die „schalltechnische stellungnahme für den windpark o. , kreis m. , nrw“ der ingenieure gmbh vom 8. april 2013. danach seien bei einem betrieb sämtlicher vier windenergieanlagen unter volllast an den untersuchten immissionsorten io 01 (t1. 1) und io 02 (t1. 7) der infolge einer bestehenden gemengelage zum außenbereich maßgebliche zwischenwert von 40 db(a) nachts (höchster ermittelter wert: 38 db(a) an io 01) eingehalten. im formularantrag wurde zur bearbeitung von rückfragen auf die e1. windpark planung gmbh - die frühere klägerin - verwiesen. in dem unter dem briefkopf der e1. windpark planung gmbh verfassten begleitschreiben vom 30. januar 2014 hieß es ebenfalls, dass der antrag im namen der windpark o. gmbh & co. kg, der jetzigen klägerin, gestellt werde. 12nachdem die beigeladene die erteilung ihres gemeindlichen einvernehmens verweigert hatte, lehnte der beklagte den antrag mit an die frühere klägerin, die e1. windpark planung gmbh, adressierten bescheiden jeweils vom 23. oktober 2014 ab. zur begründung führte er im wesentlichen aus, ein volllastbetrieb der anlagen wea 3 und wea 4 verstoße wegen der damit einhergehenden höheren lärmbelastung gegen die textliche festsetzung i. 11 des bebauungsplans nr. 22‑07. 13diese ablehnungsbescheide waren gegenstand der klage der früheren klägerin in dem verfahren vor dem verwaltungsgericht minden 11 k 2807/14. der rechtsstreit wurde, nachdem das verwaltungsgericht mit hinweisverfügung vom 28. januar 2016 bedenken gegen die wirksamkeit des bebauungsplans nr. 22‑07 geäußert hatte, durch gerichtlichen vergleich vom 13. mai 2016 einvernehmlich beendet. nach den ziffern 1 und 3 dieses vergleichs verpflichtete sich der beklagte, seine ablehnungsbescheide vom 23. oktober 2014 aufzuheben und über den änderungsantrag auf der grundlage weiterer, gemäß ziffer 2 noch von der früheren klägerin vorzulegender schalltechnischer gutachten sowie unter beachtung der in der hinweisverfügung dargelegten rechtsauffassung des gerichts neu zu entscheiden. 14am 24. juni 2016 hob der beklagte seine ablehnungsbescheide vom 23. oktober 2014 auf. unter dem 6. juli 2016 legte die frühere klägerin dem beklagten ein „schalltechnisches gutachten für den betrieb des windparks o. im bundesland nordrhein-westfalen (4 x enercon e‑70 e4 mit 2.000 kw nennleistung)“ der ingenieure gmbh vom 24. juni 2016 vor. die nach dem alternativen verfahren gemäß din iso 9613‑2 durchgeführte prognoseberechnung gelangte zu dem ergebnis, dass an den immissionsorten io 1 (t1. 1) und io 2 (t1. 3) nachts ein beurteilungspegel in höhe von 38 db(a) sowie an den übrigen, weiter südlich entlang des t1. gelegenen immissionsorten io 3 bis io 15 solche in höhe von jeweils 37 db(a) nachts zu erwarten seien. 15mit wiederum an die frühere klägerin adressiertem bescheid vom 17. november 2017 lehnte der beklagte - nach abermaliger verweigerung des einvernehmens durch die beigeladene - den änderungsantrag erneut mit der begründung ab, das vorhaben sei bauplanungsrechtlich unzulässig, weil es der textlichen festsetzung i. 11 des bebauungsplans nr. 22‑07 widerspreche und auch eine befreiung hiervon nicht erteilt werden könne. die nächtlichen immissionsrichtwerte für das reine wohngebiet in o. in höhe von 35 db (a) würden bei einem uneingeschränkten volllastbetrieb aller vier anlagen ausweislich des schalltechnischen gutachtens der t & h ingenieure gmbh vom 24. juni 2016 jedenfalls an den immissionsorten io 6 (t1. 9a) und io 13 (t1. 21) überschritten. für diese grundstücke, die im inneren bereich des plangebietes gelegen seien, sei allenfalls ein immissionsrichtwert von 36 db(a) zulässig (s. 8 des bescheides). sollte der bebauungsplan nr. 22‑07 unwirksam sein, wäre das vorhaben gleichwohl unzulässig, weil es schädliche umwelteinwirkungen in gestalt von lärm hervorriefe. 16am 23. november 2017 hat die frühere klägerin (unter der bezeichnung e1. x1. planung gmbh; die korrekte schreibweise wäre laut handelsregister: e2. x1. planung gmbh) hiergegen klage erhoben. sie hat zur begründung ihrer klage im wesentlichen vorgetragen: der begehrten änderung stünden keine öffentlich-rechtlichen belange entgegen. der bebauungsplan nr. 22‑07 sei abwägungsfehlerhaft; dies könne noch gerügt werden. auch drohten durch eine erhöhung der betriebsleistung keine schädlichen umwelteinwirkungen. der immissionsrichtwert sei auch für die wohnhäuser t1. 9a und 21 (immissionsorte io 6 und io 13) zu erhöhen. diese grundstücke seien noch dem einfluss des außenbereichs ausgesetzt, worauf es bei einer gemengelage für die zwischenwertbildung nach maßgabe der ta lärm entscheidend ankomme. eine erhöhung der lärmrichtwerte sei dementsprechend auch dann geboten, wenn das betreffende wohngebäude nicht am unmittelbaren rand zum außenbereich, sondern durch bebauung abgeschirmt weiter zurückgesetzt liege. die grundstücke t1. 9a und 21 seien nur wenige hundert meter vom außenbereich entfernt; überdies weise die durch freistehende häuser gekennzeichnete wohnbebauung eine aufgelockerte bauweise auf, so dass der übergang zum außenbereich nur unwesentlich versperrt werde. das planerisch festgesetzte reine wohngebiet sei zudem verhältnismäßig klein. es stelle eine „außenbereichsinsel“ dar, so dass sämtliche in der schallimmissionsprognose vom 24. juni 2016 untersuchten immissionsorte durch den umliegenden außenbereich geprägt seien. die inmitten des plangebiets gelegenen grünflächen stellten einen die immissionsorte io 6 und io 13 unmittelbar prägenden außenbereich im innenbereich dar. schließlich nähmen die ermittelten beurteilungspegel beginnend an der außenbereichsgrenze in südliche richtung nicht mehr wesentlich ab mit der folge, dass die nach maßgabe der ta lärm vorgegebene bildung von zwischenwerten bei einer hier vorliegenden gemengelage faktisch leerliefe, wollte man für die immissionsorte io 6 und io 13 keine erhöhung des richtwerts bejahen. 17die frühere klägerin hat beantragt, 18den beklagten unter aufhebung seines ablehnungsbescheides vom 17. november 2017 zu verpflichten, die beantragte änderungsgenehmigung zu erteilen. 19der beklagte hat beantragt, 20die klage abzuweisen. 21er hat seinen angegriffenen ablehnungsbescheid verteidigt. 22die beigeladene hat keinen antrag gestellt und im wesentlichen angeführt: die beantragte änderung sei bauplanungsrechtlich unzulässig. die zulassung eines schallleistungspegels von mehr als 99 db(a) verstoße gegen die textliche festsetzung i. 11 des bebauungsplans nr. 22-07. eine befreiung könne hiervon nicht erteilt werden, denn eine überschreitung zulässiger lärmimmissionen in der nachbarschaft sei nicht ausgeschlossen. im falle der unwirksamkeit des bebauungsplans drohten durch das vorhaben jedenfalls schädliche umwelteinwirkungen nach § 35 abs. 3 satz 1 nr. 3 baugb. für die immissionsorte io 6 und io 13 sei kein zwischenwert zu bilden; die betreffenden grundstücke seien im inneren bereich des reinen wohngebietes gelegen und einem einfluss des außenbereichs entzogen. 23das verwaltungsgericht hat die klage durch urteil vom 13. märz 2019 abgewiesen. zur begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: die beantragte änderung der betriebsweise der anlagen wea 3 und wea 4 riefe schädliche umwelteinwirkungen in form von lärm für die nachbarschaft hervor. für die immissionsorte io 6 und io 13 (t1. 9a und t1. 21) sei der für ein reines wohngebiet nach der ta lärm geltende richtwert von 35 db (a) nachts zu grunde zu legen, der aber ausweislich der vorliegenden schallimmissionsprognose vom 24. juni 2016 nicht eingehalten werde. dieser richtwert sei für die immissionsorte io 6 und io 13 nicht aufgrund einer gemengelage zu erhöhen. die grundstücke t1. 9a und t1. 21 seien nicht unmittelbar an der straße t1. und damit in erster oder zweiter reihe zum außenbereich gelegen, sondern stellten gleichsam eine „hinterlandbebauung“ im rückwärtigen bereich der straße t1. dar. sie seien auch in westliche richtung von wohnbebauung und nicht durch außenbereichsflächen geprägt. 24durch beschluss vom 29. april 2021 hat der senat die berufung der früheren klägerin zugelassen. auf anregung des senats und mit zustimmung der früheren klägerin, des beklagten und der beigeladenen ist die aus dem rubrum ersichtlich jetzige klägerin bezüglich des verpflichtungsbegehrens während des berufungsverfahrens an die stelle der früheren klägerin getreten und führt das verfahren insoweit fort. der beklagte hat in der mündlichen verhandlung vor dem senat den ablehnungsbescheid vom 17. november 2017 aufgehoben. das nur das anfechtungsbegehren betreffende verfahren der früheren klägerin hat der senat durch beschluss vom 20. april 2022 abgetrennt und unter dem neuen aktenzeichen 8 a 818/22 fortgeführt. 25zur begründung der berufung trägt die klägerin ergänzend zum erstinstanzlichen vorbringen im wesentlichen vor: die für eine zwischenwertbildung nach maßgabe der ta lärm vorhandene gemengelage für die grundstücke der immissionsorte io 6 und io 13 (t1. 9a und 21) werde hier nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass sich diese grundstücke nicht am rande des außenbereichs, sondern weiter zurückgesetzt befänden. entscheidend sei vielmehr, dass sie noch dem einfluss des außenbereichs ausgesetzt seien. in nördliche und südliche richtung grenzten beide grundstücke an außerhalb des plangebietes liegende grünflächen an, die keiner wohnbebauung zugeführt werden könnten und als außenbereich zu qualifizieren seien. zumindest aber vermittelten diese grünflächen einschließlich des friedhofs einen untrennbaren zusammenhang zu dem nördlich jenseits der l.----straße p1. gelegenen außenbereich. die begrenzungsmauer des friedhofs unterbreche den bebauungszusammenhang optisch. für eine außenbereichsprägung sei nicht maßgeblich, aus welcher himmelsrichtung der entsprechende einfluss herrühre. wäre für die immissionsorte io 6 und io 13 ein immissionsrichtwert von nur 35 db(a) nachts maßgeblich, käme zugleich eine gebotene zwischenwertbildung für die in erster und zweiter reihe an den außenbereich grenzenden wohngrundstücke nicht mehr zum zuge. auf diese weise würden die unmittelbar an den außenbereich angrenzenden grundstücke in ungerechtfertigter weise profitieren. bei der bestimmung des zwischenwerts sei auch zu berücksichtigen, dass das sog. interimsverfahren für schallimmissionsprognosen bei antragstellung im jahre 2014 noch nicht entwickelt gewesen sei. 26die klägerin legt mehrere schalltechnische stellungnahmen der ingenieure gmbh vor, die auf dem interimsverfahren basieren und von einem volllastbetrieb aller vier windenergieanlagen ausgehen. nach den stellungnahmen vom 1. märz 2022 und vom 14. märz 2022 betragen die beurteilungspegel zur nachtzeit für den immissionsort io 6 (t1. 9a) 39,6 db(a) und für io 13 (t1. 21) 39,5 db(a). 27die klägerin beantragt, 28unter entsprechender änderung des urteils des verwaltungsgerichts minden vom 13. märz 2019 den beklagten gemäß den anträgen der klägerin vom 30. januar 2014 zu verpflichten, die beantragte änderungsgenehmigung betreffend die erhöhung der ursprünglich genehmigten schallleistung für die windenergieanlagen 3 und 4 (= wka 3 und wka 5 der genehmigung vom 2. april 2007) zu erteilen. 29der beklagte beantragt, 30die berufung zurückzuweisen. 31er verteidigt im wesentlichen das angefochtene urteil. ergänzend weist er darauf hin, dass sich nach den prognosen auf der grundlage des interimsverfahrens sogar um 2 db erhöhte beurteilungspegel im vergleich zu den vorausgegangenen berechnungen ergäben. für die immissionsorte io 6 und io 13 sei eine zwischenwertbildung unzulässig, da sich die zugehörigen grundstücke im rückwärtigen bereich des t1. und nicht am rande der bebauten ortslage befänden. eine prägung durch den außenbereich liege nicht vor. westlich dieser grundstücke seien entlang der ostseite des t3.------wegs mit ausnahme des flurstücks 203 durchgehend wohngebäude vorhanden. die bisher unbebauten grundstücke (flurstücke 203, 246 und 279) stellten einer bebauung zugängliche baulücken dar. auch schon aufgrund ihrer geringen größe seien diese nicht als außenbereich im innenbereich zu qualifizieren. 32die beigeladene stellt keinen antrag. sie führt ergänzend zu ihrem erstinstanzlichen vorbringen aus, die grundstücke der immissionsorte io 6 und io 13 seien nicht in relevanter weise durch den außenbereich geprägt. die sich in westliche richtung an das plangebiet anschließende bebauung bilde einen im zusammenhang bebauten ortsteil. weder der nordwestlich des plangebietes gelegene friedhof noch die freiflächen im rückwärtigen bereich der wohnbebauung unterbrächen den bebauungszusammenhang. bei der unbebauten fläche handele es sich um gärtnerisch genutzte flächen zu der vorhandenen wohnbebauung und lediglich eine grünfläche. das derzeit unbebaute flurstück 203 stelle eine baulücke dar, die ohne weiteres noch durch eine wohnbebauung geschlossen werden könne. die rückwärtig der wohnhäuser t1. 7 bis 13 befindlichen flächen seien gärtnerisch genutzt und befänden sich noch innerhalb der planerisch festgesetzten überbaubaren flächen. die wohnhäuser t1. 9a, 21 und p1. 48 prägten bereits die zweite baureihe hinsichtlich der überbaubaren grundstücksflächen. bei schließung aller vorhandenen baulücken bliebe keine nennenswerte freifläche mehr übrig, die sich als außenbereich im innenbereich qualifizieren ließe. 33der berichterstatter und die vorsitzende haben die örtlichkeit in augenschein genommen. auf das terminsprotokoll und die gefertigten lichtbilder wird bezug genommen. 34wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstands wird auf die gerichtsakte dieses verfahrens sowie die beigezogenen verwaltungsvorgänge des beklagten und der beigeladenen bezug genommen. 35
36gegenstand des berufungsverfahrens ist nach der abtrennung des anfechtungsbegehrens der früheren klägerin nur noch das verpflichtungsbegehren der jetzigen klägerin auf erteilung der beantragten änderungsgenehmigung. der mit zustimmung der anderen verfahrensbeteiligten erfolgte parteiwechsel ist als subjektive klageänderung nach den §§ 125 abs. 1 satz 1, 91 abs. 1 vwgo zulässig. 37die berufung der klägerin hat keinen erfolg. die klage auf erteilung der begehrten änderungsgenehmigung ist zulässig (dazu a.), aber unbegründet (dazu b.). 38a. die verpflichtungsklage der klägerin nach § 42 abs. 1 var. 2 vwgo ist zulässig. 39i. die klägerin ist klagebefugt gemäß § 42 abs. 2 vwgo. sie macht einen eigenen anspruch aus § 16 abs. 1 bimschg gegen den beklagten auf erteilung der immissionsschutzrechtlichen änderungsgenehmigung geltend, der nicht offensichtlich nach jedweder betrachtungsweise ausgeschlossen ist. durch den erwerb und den betrieb des windparks o. ist sie betreiberin der windenergieanlagen und inhaberin der bislang für deren errichtung und betrieb erteilten (anlagenbezogenen) genehmigungen geworden. 40wie sich mittelbar aus § 52b abs. 1 satz 1 bimschg ergibt, kann auch eine personengesellschaft - wie hier die klägerin als kommanditgesellschaft - anlagenbetreiberin sein. 41vgl. hess. vgh, beschluss vom 25. april 1989 - 8 th 4748/99 -, juris (leitsatz) = gmbhr 1990, 85; jarass, bimschg, 13. auflage 2020, § 3 rn. 91, m. w. n.; dietlein, in: landmann/rohmer, umweltrecht, stand: september 2021, § 5 bimschg rn. 30. 42ii. für die klägerin besteht ein rechtsschutzbedürfnis an der vorliegenden verpflichtungsklage. sie hat wirksam bei dem beklagten die erteilung der änderungsgenehmigung beantragt. 43der genehmigungsantrag vom 30. januar 2014 wurde, was sich bereits unzweifelhaft aus dem verwendeten formularblatt ergibt, im namen der ausdrücklich als antragstellerin bezeichneten klägerin gestellt. in dem zugehörigen anschreiben vom gleichen tag heißt es u. a.: „…im namen der x1. o. gmbh & co. kg beantragen wir hiermit die änderung der genehmigung…“. 44das steht in einklang mit § 2 abs. 1 satz 1 der 9. bimschv. hiernach ist die erteilung einer immissionsschutzrechtlichen (änderungs‑)genehmigung stets von dem träger des vorhabens, regelmäßig also - wie vorliegend - dem anlagenbetreiber zu beantragen. 45vgl. jarass, bimschg, 13. auflage 2020, § 10 rn. 20, § 16 rn. 45. 46auch bestehen gegen eine ordnungsgemäße vertretung der klägerin keine bedenken. das bei dem beklagten eingereichte antragsformular vom 30. januar 2014 ist von dem vertretungsberechtigten geschäftsführer der komplementärin der klägerin, der e1. windverwaltung gmbh, herrn b. d. g2. q. , eigenhändig unterschrieben und dabei mit dem firmenstempel der klägerin versehen. 47iii. das erfordernis zur einhaltung der klagefrist nach § 74 vwgo, das durch die vorschriften über die klageänderung (§ 91 vwgo) nicht verdrängt wird, 48vgl. bverwg, urteil vom 30. oktober 1997 - 3 c 35.96 -, juris rn. 35 ff.; peters/kujath, in: sodan/ziekow, vwgo, 5. auflage 2018, § 91 rn. 59, 49steht der zulässigkeit der klage der klägerin ebenfalls nicht entgegen. vorliegend setzte der ablehnungsbescheid des beklagten vom 17. november 2017 gegenüber der klägerin keine klagefrist in lauf, weil er ihr gegenüber nicht bekanntgegeben worden ist. 50die für anfechtungsklagen geltende fristbestimmung des § 74 abs. 1 vwgo ist gemäß § 74 abs. 2 vwgo für verpflichtungsklagen entsprechend anwendbar, wenn der antrag auf vornahme des verwaltungsakts abgelehnt wurde. ist - wie hier nach § 68 abs. 2, abs. 1 satz 2 vwgo i. v. m. § 110 abs. 1 sätze 1 und 2 justg nrw - kein widerspruchsverfahren durchzuführen, setzt der fristbeginn bei einer verpflichtungsklage gemäß § 74 abs. 1 satz 2 vwgo die bekanntgabe des ablehnenden verwaltungsaktes voraus. 51ein verwaltungsakt ist gemäß § 41 abs. 1 satz 1 vwvfg nrw demjenigen beteiligten bekanntzugeben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. beteiligter in diesem sinne ist der antragsteller (§ 13 abs. 1 nr. 1 vwvfg nrw) oder der verfahrensbeteiligte, an den die behörde ihre entscheidung richten will (§ 13 abs. 1 nr. 2 vwvfg nrw) und den sie aus gründen der hinreichenden bestimmtheit (vgl. § 37 abs. 1 vwvfg nrw) auch als adressat der getroffenen regelung bezeichnen muss. ist ein adressat in dem bescheid nicht aufgeführt, ist dieser nicht an die betreffende person bekannt gegeben worden. 52vgl. ruffert, in: knack/henneke, vwvfg, 11. auflage 2020, § 41 rn. 12; stuhlfauth, in: obermayer/funke-kaiser, vwvfg, 4. auflage 2014, § 41 rn. 16 f., m. w. n. 53für eine wirksame bekanntgabe genügt nicht bereits die zufällige kenntnisnahme des bescheides oder der umstand, dass der nicht adressierte betroffene aus einem formell an eine andere person gerichteten verwaltungsakt erkennen kann, dass dieser in seinen rechten betroffen wird. 54vgl. ovg nrw, beschluss vom 13. november 2014 - 2 b 1111/14 -, juris rn. 9; tiedemann, in: beckok, vwvfg, stand: 1. januar 2022, § 41 rn. 4. 55ausgehend hiervon wurde der ablehnungsbescheid des beklagten vom 17. november 2017 der klägerin nicht bekanntgegeben. der bescheid war (irrtümlich) an die e1. x1. planung gmbh (korrekte schreibweise laut handelsregister: e2. x1. planung gmbh) adressiert; aus diesem grund hat der beklagte ihn mittlerweile aufgehoben. die klägerin war in diesem bescheid nicht - auch nicht im wege der auslegung - als adressatin benannt. die e2. x1. planung gmbh ist gesellschaftsrechtlich von der klägerin getrennt. der bescheid ist der klägerin auch nicht deswegen bekanntgegeben worden, weil davon auszugehen sein dürfte, dass der geschäftsführer der e2. x1. planung gmbh, der zugleich geschäftsführer der e1. windverwaltung gmbh - der komplementärgesellschafterin der klägerin - ist, von dem bescheidinhalt kenntnis erlangt hat. 56auch wollte der beklagte seinen ablehnungsbescheid nicht an die e2. x1. planung gmbh als bevollmächtigte der klägerin im sinne des § 41 abs. 1 satz 2 vwvfg nrw bekannt geben. der bescheid weist allein die e2. x1. planung gmbh als inhaltsadressatin aus, während als empfangsberechtigter bekanntgabeadressat ausschließlich deren prozessbevollmächtigte aufgeführt sind. weder aus dem adressatenfeld noch dem sonstigen inhalt des bescheides lässt sich folgern, dass der bescheid in wahrheit an die klägerin gerichtet gewesen sein sollte. dies kann auch nicht schon aus dem umstand abgeleitet werden, dass in der sache das von der klägerin zur genehmigung gestellte änderungsvorhaben beschieden wurde. denn den hierauf gerichteten genehmigungsantrag hat der beklagte in seiner begründung ausdrücklich als solchen der bescheidadressatin - der e2. x1. planung gmbh - bezeichnet. dementsprechend ist der fehler auch in den gerichtlichen verfahren bislang unbemerkt geblieben. 57iv. der zulässigkeit der verpflichtungsklage steht ferner nicht § 75 satz 2 vwgo entgegen. der genehmigungsantrag wurde im namen der klägerin bereits im jahr 2014 gestellt und seitdem ihr gegenüber noch nicht beschieden. 58v. schließlich ist nichts für eine verwirkung des klagerechts ersichtlich. ein schutzwürdiges vertrauen des beklagten darauf, dass eine auf die erteilung der änderungsgenehmigung gerichtete klage der klägerin insoweit nicht mehr erhoben würde, besteht schon wegen der diesbezüglich anhängig gemachten gerichtsverfahren nicht. 59b. die klage ist allerdings nicht begründet. die klägerin hat keinen anspruch aus § 16 abs. 1 i. v. m. § 6 abs. 1 bimschg gegen den beklagten auf erteilung der beantragten änderungsgenehmigung für das vorhaben mit dem ziel, neben den anlagen wea 1 und 2 nunmehr ebenfalls die anlagen wea 3 und 4 mit der vollen nennleistung von 2.000 kw zur nachtzeit betreiben zu dürfen. die änderung ist genehmigungsbedürftig (dazu i.). der erteilung der genehmigung stehen zwar nicht die festsetzungen des bebauungsplans nr. 22-07 der beigeladenen entgegen (dazu ii.). die voraussetzungen für die erteilung einer änderungsgenehmigung liegen aber deshalb nicht vor, weil der nächtliche volllastbetrieb aller vier anlagen zu unzumutbaren lärmeinwirkungen jedenfalls auf den grundstücken t1. 9a und 21 in o. führen würde (dazu iii.). 60i. nach § 16 abs. 1 satz 1 halbsatz 1 bimschg ist eine genehmigung erforderlich für die änderung (u. a.) des betriebs einer genehmigungsbedürftigen anlage, wenn durch die änderung nachteilige auswirkungen hervorgerufen werden können und diese für die prüfung nach § 6 abs. 1 nr. 1 bimschg erheblich sein können (wesentliche änderung). 61diese voraussetzungen sind hier erfüllt. mit einer gesamthöhe von jeweils mehr als 50 m sind die anlagen wea 3 und 4 nach § 4 abs. 1 bimschg i. v. m. § 1 abs. 1 satz 1 und nr. 1.6 des anhangs 1 der 4. bimschv immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig. durch die leistungssteigerung während des nachtbetriebs der anlagen wea 3 und 4 können ausweislich der vorgelegten schallimmissionsprognosen schädliche und damit nach § 6 abs. 1 nr. 1 bimschg erhebliche umwelteinwirkungen im sinne des § 5 abs. 1 nr. 1 bimschg, nämlich erhöhte lärmbelastungen für die umliegende wohnnutzung, hervorgerufen werden. dafür, dass ein leistungsoptimierter nachtbetrieb der anlagen wea 3 und 4 lediglich solche nachteilige auswirkungen verursachen könnte, die offensichtlich so gering wären, dass eine änderungsgenehmigung entbehrlich wäre (vgl. § 16 abs. 1 satz 2 bimschg), bestehen schon nach der zu dem änderungsantrag eingereichten schalltechnischen stellungnahme vom 8. april 2013 keine anhaltspunkte. 62ii. dem zur genehmigung gestellten änderungsvorhaben der klägerin stehen nicht schon andere öffentlich-rechtliche vorschriften (vgl. § 6 abs. 1 nr. 2 bimschg) über die bauplanungsrechtliche zulässigkeit nach § 30 abs. 1 baugb entgegen. der leistungsoptimierte nachtbetrieb der anlagen wea 3 und 4 ist nicht wegen der diesem widersprechenden festsetzungen des bebauungsplans nr. 22-07 der beigeladenen über das nächtliche emissionsverhalten unzulässig. die textliche festsetzung i. 11 sowie die erläuternde planzeichenerklärung des bebauungsplans nr. 22‑07, die bei - hier vorliegender - „realisierung“, d. h. spätestens ab errichtung und inbetriebnahme von vier windenergieanlagen die einhaltung eines schallleistungspegels von max. 99 db(a) nachts vorgeben, sind unwirksam. der bebauungsplan leidet insoweit an einem verfahrensrechtlichen fehler im abwägungsvorgang i. s. v. § 233 abs. 2 satz 3 baugb i. v. m. § 214 abs. 1 satz 1 nr. 1 baugb in der hier maßgeblichen fassung der bekanntmachung der neufassung des baugesetzbuchs vom 23. september 2004 (bgbl. i s. 2414; im folgenden: baugb a. f.) (dazu 1.). dieser fehler ist grundsätzlich beachtlich (dazu 2.) und nicht gemäß § 215 abs. 1 nr. 1 baugb a. f. durch rügelosen fristablauf unbeachtlich geworden (dazu 3.). 631. gemäß § 233 abs. 2 satz 3 baugb sind abweichend von § 233 abs. 2 satz 1 baugb für vor dem inkrafttreten einer gesetzesänderung in kraft getretene flächennutzungspläne und - wie hier nach § 10 abs. 1 baugb - satzungen die vor dem inkrafttreten der gesetzesänderung geltenden vorschriften über die geltendmachung der verletzung von verfahrens- und formvorschriften, von mängeln der abwägung und von sonstigen vorschriften einschließlich ihrer fristen weiterhin anzuwenden. für den bebauungsplan nr. 22‑07 gelten demnach die §§ 214 ff. des baugesetzbuches in der bis zum 31. dezember 2006 gültigen fassung vom 23. september 2004. denn in kraft getreten ist diese satzung gemäß § 10 abs. 3 satz 4 baugb unveränderter fassung mit ihrer bekanntmachung, für die der erscheinungstag des publikationsorgans maßgeblich ist, in dem die tatsache des beschlusses veröffentlicht wird. 64vgl. reidt, in: battis/krautzberger/löhr, baugb, 15. auflage 2022, § 10 rn. 48. 65dies ist hier der 10. november 2005 als derjenige tag, an dem der beschluss im amtsblatt des kreises m. veröffentlicht wurde. 66nach § 214 abs. 1 satz 1 nr. 1 baugb a. f. ist eine verletzung von verfahrens- und formvorschriften dieses gesetzbuchs für die rechtswirksamkeit des flächennutzungsplans und der satzungen nach diesem gesetzbuch nur beachtlich, wenn entgegen § 2 abs. 3 baugb (a. f.) die von der planung berührten belange, die der gemeinde bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, in wesentlichen punkten nicht zutreffend ermittelt oder bewertet worden sind und wenn der mangel offensichtlich und auf das ergebnis des verfahrens von einfluss gewesen ist. 67ein solcher verfahrensfehler im abwägungsvorgang liegt hier vor. bei der textlichen festsetzung i. 11 sowie der erläuternden planzeichenerklärung des bebauungsplans nr. 22‑07, die bei „realisierung“ von vier windenergieanlagen die einhaltung eines schallleistungspegels von max. 99 db(a) nachts vorgeben, hat die beigeladene die belange gesunder wohnverhältnisse im reinen wohngebiet am t1. in o. nicht zutreffend bewertet. sie hat nicht hinreichend berücksichtigt, dass der für ein reines wohngebiet grundsätzlich geltende, der ta lärm entnommene immissionsrichtwert von 35 db(a) nachts nach den vorgaben der ta lärm in dem hier vorliegenden fall, dass ein reines wohngebiet unmittelbar an den außenbereich angrenzt, für einzelfallbezogen näher zu bestimmende bereiche des wohngebiets hätte erhöht werden müssen. 68die bauleitplanerische bestimmung eines lärmemissionsgrenzwerts für die innerhalb des sondergebiets ausgewiesenen vier windenergieanlagenstandorte ist grundsätzlich eine gesetzlich zulässige festsetzung. zwar findet diese ihre rechtliche grundlage nicht in § 9 abs. 1 nr. 24 baugb. denn emissions- oder immissionswerte sind keine besondere anlagen oder vorkehrungen im sinne dieser bestimmung, sondern stellen lediglich eine - nach § 9 abs. 1 baugb nicht festsetzbare - zielvorstellung zum zwecke des immissionsschutzes dar. 69vgl. bverwg, urteil vom 14. april 1989 - 4 c 52.87 -, juris rn. 16, und beschluss vom 18. dezember 1990 - 4 n 6.88 -, juris rn. 15, m. w. n.; nds. ovg, urteil vom 25. september 2003 - 1 lc 276/02 -, juris rn. 51. 70emissionsgrenzwerte für ein sondergebiet können dem grunde nach aber auf § 9 abs. 1 nr. 1 baugb i. v. m § 11 abs. 2 satz 1 baunvo gestützt werden. in einem auf der grundlage des § 11 baunvo festgesetzten sondergebiet kann die gemeinde über die möglichkeiten hinaus, die § 1 abs. 4 satz 1 nr. 2 baunvo für die in den §§ 4 bis 9 baunvo geregelten gebietstypen mit blick auf die art der betriebe und anlagen sowie deren besondere bedürfnisse und eigenschaften eröffnet, die art der zulässigen nutzung konkretisieren und hierzu die merkmale festlegen, deren einhaltung ihr zur erreichung eines festgelegten planziels am besten geeignet erscheint. dazu zählen insbesondere auch festsetzungen über das emissionsverhalten zugelassener vorhaben, um auf diese weise eine gebietsadäquate nutzung unter angemessener rücksichtnahme auf anderweitige schutzbedürftige nutzungen vorsorglich zu steuern. 71vgl. bverwg, urteile vom 28. februar 2002 - 4 cn 5.01 -, juris rn. 21, m. w. n., und vom 14. april 1989 - 4 c 52.87 -, juris rn. 16, sowie beschluss vom 2. oktober 2013 - 4 bn 10.13 -, juris rn. 7; ovg nrw, urteile vom 30. januar 2018 - 2 d 102/14.ne -, juris rn. 156, und vom 15. oktober 1992 - 7a d 80/91.ne -, juris rn. 23; nds. ovg, urteil vom 29. januar 2004 - 1 kn 321/02 -, juris rn. 66. 72vorliegend beruht die festsetzung des emissionsgrenzwerts jedoch auf einer fehlerhaften ermittlung des abwägungsmaterials (dazu a). dieser fehler betrifft einen wesentlichen punkt (dazu b). 73a) gemäß § 1 abs. 7 baugb sind bei der aufstellung der bauleitpläne die öffentlichen und privaten belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. dazu sind auf verfahrensrechtlicher ebene die belange, die für die abwägung von bedeutung sind (abwägungsmaterial), zu ermitteln und zu bewerten, § 2 abs. 3 baugb. 74das abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine abwägung überhaupt nicht stattfindet, oder in die abwägung an belangen nicht eingestellt wird, was nach lage der dinge in sie eingestellt werden muss, ferner, wenn die bedeutung der betroffenen privaten belange verkannt oder wenn der ausgleich zwischen den von der planung berührten belangen in einer weise vorgenommen wird, der zur objektiven gewichtigkeit einzelner belange außer verhältnis steht. 75vgl. grundlegend bverwg, urteil vom 12. dezember 1969 - 4 c 105.66 -, juris rn. 29. 76der bauplanerisch festgelegte grenzwert von 99 db(a) nachts stellt sich gemessen hieran als abwägungsfehlerhaft dar, weil seine bestimmung auf eine unzutreffende, den belangen gesunder wohnverhältnisse zu starkes gewicht beimessende bewertung durch die beigeladene zurückgeht. 77den tragenden beweggrund für diese festsetzung bildet nach der vorangestellten aufzählung sämtlicher berücksichtigter belange auf s. 4 der planbegründung ersichtlich die zielsetzung, die allgemeinen anforderungen an gesunde wohn- und arbeitsverhältnisse zu wahren. diesem nach § 1 abs. 6 nr. 1 baugb städtebaulich relevanten belang maß die beigeladene, wie sich den ausführungen auf s. 12 f. der planbegründung entnehmen lässt, besondere bedeutung im hinblick auf das plangebiet südlich der windvorrangzone entlang des straßenzuges t1. zu. die festsetzung dieses bereichs als „reines wohngebiet“ erfolgte in dem durchführungsplan nr. 22‑01 der damals selbstständigen gemeinde o. aus dem jahr 1958, der nach den überleitungsvorschriften in § 233 abs. 3 baugb und § 173 abs. 3 bbaug als bebauungsplan fortgilt. in anbetracht dieser bauplanerisch entwickelten wohnbebauung erkannte die beigeladene den in nr. 6.1 buchstabe e ta lärm 1998 (jetzt: nr. 6.1 buchstabe f ta lärm 2017) für reine wohngebiete vorgegebenen immissionsrichtwert von 35 db(a) nachts als „den begrenzenden faktor“ für die wahrung immissionsschutzrechtlicher anforderungen bei der ausnutzung des geplanten sondergebiets, so dass entweder nur weniger als vier anlagen innerhalb der flächennutzungsplanerisch ausgewiesenen windvorrangzone zu realisieren seien oder aber bei vier zeitgleich betriebenen anlagen ein schallreduzierter betrieb zur nachtzeit eingehalten werden müsse. 78zweifel an der wirksamen einordnung des plangebiets als reines wohngebiet im sinne des nach heutiger rechtslage maßgeblichen begriffsverständnisses haben die beteiligten nicht geltend gemacht. auch von amts wegen drängen sich insoweit keine durchgreifenden bedenken auf. der auf der grundlage der §§ 5 abs. 2, 10 und 11 des nordrhein-westfälischen gesetzes über maßnahmen zum aufbau in den gemeinden (aufbaugesetz) vom 29. april 1950 (gv. nw s. 78) in der fassung des gesetzes vom 29. april 1952 (gv. nw s. 75) erlassene durchführungsplan ist nach inkrafttreten des bundesbaugesetzes im jahr 1960 nach maßgabe von § 173 abs. 3 satz 1 bbaug als qualifizierter bebauungsplan übergeleitet worden. er enthält verbindliche regelungen der in § 9 bbaug bezeichneten art, die nach geltendem recht inhalt eines bebauungsplans sein können. 79zu den voraussetzungen der überleitung vgl. ovg nrw, urteil vom 26. juni 2003 - 10 a 372/00 - , juris rn. 33 ff. mit nachw. zur rspr. des bverwg. 80auch wenn die baunutzungsverordnung oder eine gleichlautende regelung bei erlass des durchführungsplans nr. 22-01 im jahr 1958 noch nicht in kraft war, ergibt sich aus der erläuterung des plans vom 11. april 1958, die sich ausschließlich zu der errichtung von wohnhäusern verhält, dass das plangebiet der sache nach auch nach heutigem verständnis einem reinen wohngebiet entspricht. 81die hiernach von der beigeladenen ihrer bauleitplanung zu grunde gelegte maßgabe, es müsse ein immissionsrichtwert von höchstens 35 db(a) nachts mit blick auf das (gesamte) reine wohngebiet sichergestellt werden, ist allerdings schon im ansatz rechtlich unzutreffend. sie lässt außer betracht, dass - wie unten noch näher ausgeführt wird - in entsprechender anwendung von nr. 6.7 ta lärm 1998/2017 zumindest für nicht unerhebliche teile des festgesetzten reinen wohngebiets eine gemengelage zu dem das plangebiet weiträumig umgebenden außenbereich gegeben ist, die es rechtfertigt und gebietet, die für ein reines wohngebiet geltenden immissionsrichtwerte auf einen geeigneten zwischenwert zu erhöhen. 82nach nr. 6.7 ta lärm 1998/2017 ist für die wohngrundstücke, die südlich der windenergieanlagen unmittelbar am rande des außenbereichs gelegen sind, ein zwischenwert zu bilden, welcher der eigenart des an die wohnbebauung angrenzenden außenbereichs und der dort vorgesehenen privilegierten zulässigkeit von windkraftanlagen rechnung trägt. dabei können nach der rechtsprechung einem im reinen wohngebiet unmittelbar am rande des außenbereichs gelegenen wohnhaus - in abhängigkeit von den umständen des einzelfalls - bis zu 5 db(a) höhere lärmimmissionen zugemutet werden. 83vgl. etwa bverwg, urteile vom 17. dezember 2013 - 4 a 1.13 -, juris rn. 55, und vom 19. januar 1989 - 7 c 77.87 -, juris rn. 28; zu entsprechenden entscheidungen von obergerichten siehe unten. 84weitergehend kann sogar für wohngrundstücke, die nicht unmittelbar am rande des außenbereichs, sondern - abgeschirmt durch bebauung - weiter zurückgesetzt liegen, noch eine erhöhung der für wohngebiete maßgeblichen richtwerte um (jedenfalls) 3 db(a) angemessen sein, sofern grundstücke gleichsam „in zweiter reihe“ noch dem prägenden einfluss des außenbereich ausgesetzt sind. 85vgl. ovg nrw, beschlüsse vom 15. märz 2018 - 8 b 736/17 -, juris rn. 69 ff., vom 29. juni 2017 - 8 b 187/17 -, juris rn. 25, und vom 29. januar 2013 - 8 a 2016/11 -, juris rn. 16; nds. ovg, urteil vom 12. mai 2015 - 1 kn 238/13 -, juris rn. 41. 86dementsprechend hätte die beigeladene im rahmen ihrer bauleitplanung zwingend in den blick nehmen müssen, dass für eine nicht unerhebliche zahl von wohngrundstücken, die sich am nördlichen rand des reinen wohngebiets (t1. 1) sowie an der ost- und südseite des t1. in unmittelbarer randlage zum außenbereich befinden, ein (deutlich) erhöhter immissionsrichtwert von bis zu 40 db(a) gelten kann. des weiteren wäre auch in erwägung zu ziehen gewesen, inwiefern die übrige an der west- und nordseite entlang des t1. vorhandene wohnbebauung, wenn auch abgeschirmt durch die „erste reihe“, gleichwohl noch einem prägenden einfluss des außenbereichs ausgesetzt sind und auch insoweit ein der privilegierung von windenergieanlagen im außenbereich angemessen rechnung tragender zwischenwert geboten ist. dass die beigeladene stattdessen jedoch einen richtwert von nur 35 db(a) nachts für das gesamte plangebiet als rechtlich verbindliche leitlinie für das ziel des immissionsschutzes erachtet hat, führt dazu, dass der insoweit in die abwägung eingestellte städtebauliche belang gesunder wohnverhältnisse in ermangelung einer auf die konkreten örtlichen verhältnisse abstellenden ermittlung des jeweiligen schutzbedürfnisses (zu den anforderungen vgl. nachfolgend unter iii.) fehlerhaft ermittelt und entgegen seiner objektiven gewichtung fehlerhaft (über)bewertet wurde. 87dabei konnte das vorliegen einer gemengelage nicht, wie sich aus den ausführungen auf s. 11 des abwägungsvorschlags zur offenlage ergibt, allein mit dem hinweis darauf verneint werden, dass das planerische reine wohngebiet am t1. deutlich vor ausweisung der vorrangfläche für die windenergienutzung existierte. die zeitliche priorität unverträglicher nutzungen kann nach nr. 6.7 abs. 2 satz 2 ta lärm 1998/2017 wesentliches kriterium für die höhe des zu bildenden zwischenwerts nach der konkreten schutzwürdigkeit des betroffenen gebiets sein. das bestehen einer gemengelage an sich, die hier mit blick auf den an das plangebiet angrenzenden außenbereich und dort nach § 35 baugb privilegiert zulässige emissionsträchtige vorhaben (einschließlich solcher zur nutzung der windenergie) besteht, wird hingegen durch das vorhandensein von wohnnutzung nicht ausgeschlossen, sondern begründet. insoweit ist auch nicht maßgeblich, dass die wohnnutzung südlich des windparks o. „nicht unmittelbar an die vorrangfläche grenzt“. entscheidend ist vielmehr, dass die wohnnutzung zumindest teilweise unmittelbar an den außenbereich grenzt, in dem - mit oder ohne vorrangflächen - lärmintensive vorhaben privilegiert zulässig sein können. dabei wären windenergieanlagen wegen ihrer größe und ihres emissionsverhaltens ohnehin nicht in direkter nachbarschaft zu einer wohnbebauung genehmigungsfähig, so dass auch die entsprechende ausweisung einer vorrangzone keinen bestand haben könnte. im übrigen verhalten sich diese erwägungen der beigeladenen widersprüchlich zu dem abwägungsvorschlag zur frühzeitigen beteiligung (stand: märz 2004). denn hier führt die beigeladene (wiederholt und zutreffend) aus, dass auf eine „unveränderbarkeit“ des außenbereichs kein anspruch zu gunsten der hieran grenzenden wohnnutzung bestehe (vgl. dort beispielhaft seiten 14, 15, 19, 23 und 25); gerade diese lage einer wohnbebauung und der hierdurch hervorgerufene nutzungskonflikt mit dem außenbereich als solchem ist ausschlaggebend für das vorliegen einer gemengelage. 88fehlerhaft ist die festsetzung des nächtlichen pegels von 99 db(a) auch deshalb, weil sie über das selbst gesetzte planziel hinausgeht. das der festsetzung zugrunde gelegte abwägungsmaterial trägt diese nicht. denn der grenzwert von 99 db(a) bei vier anlagen führt nach der prognose als anlage zum bebauungsplan nr. 22‑07 zu einer (deutlichen) unterschreitung des angestrebten richtwerts von 35 db(a), nämlich zu (nur) 33,7 db(a). bei welchem schallleistungspegel der angestrebte immissionsrichtwert (noch) eingehalten würde, hat die beigeladene nicht ermittelt. 89b) die von der beigeladenen bei ihrer abwägung berücksichtigten anforderungen an gesunde wohnverhältnisse betreffen belange, die in wesentlichen punkten i. s. v. § 214 abs. 1 satz 1 nr. 1 baugb a. f. unvollständig ermittelt und nicht zutreffend bewertet worden sind. 90von der planung berührte, durch die gemeinde nicht zutreffend ermittelte oder bewertete belange betreffen bereits dann „wesentliche punkte“, wenn diese punkte in der konkreten planungssituation abwägungsbeachtlich waren. 91vgl. bverwg, urteil vom 9. april 2008 - 4 cn 1.07 -, juris rn. 19. 92dies ist hier der fall. die einhaltung der nächtlichen lärmrichtwerte mit blick auf die einem reinen wohngebiet zugeordnete wohnnutzung am rande zum außenbereich war bei der aufstellung eines bebauungsplans für ein vorranggebiet zur windenergienutzung abwägungsbeachtlich. 93die auf der grundlage des prognostizierten immissionswertes von 33,7 db(a) überschießende umsetzung geht zu lasten des durch die darstellung einer vorrangfläche im flächennutzungsplan grundsätzlich privilegierten interesses an der windenergienutzung, das ebenfalls als abwägungserheblicher belang zu berücksichtigen gewesen wäre. 942. diese unter verstoß gegen § 2 abs. 3 baugb erfolgte unzutreffende bewertung ist eine gemäß § 233 abs. 2 satz 3 baugb i. v. m. § 214 abs. 1 satz 1 nr. 1 baugb a. f. für die rechtswirksamkeit des bebauungsplans beachtliche verletzung einer verfahrensvorschrift. der mangel ist offensichtlich (dazu a) und auf das ergebnis des verfahrens von einfluss gewesen (dazu b). 95a) der mangel ist im sinne des § 214 abs. 1 satz 1 nr. 1 baugb a. f. offensichtlich. beachtlich ist danach alles das, was zur „äußeren“ seite des abwägungsvorgangs derart gehört, dass es auf objektiv erfassbaren sachumständen beruht. fehler und irrtümer, die z. b. die zusammenstellung und aufbereitung des abwägungsmaterials, die erkenntnis und einstellung aller wesentlichen belange in die abwägung oder die gewichtung der belange betreffen und die sich etwa aus akten, protokollen, aus der entwurfs- oder planbegründung oder aus sonstigen unterlagen ergeben, sind danach „offensichtlich“. 96vgl. bverwg, urteil vom 21. august 1981 - 4 c 57.80 -, juris rn. 24 (zu § 155b abs. 2 satz 2 bbaug); uechtritz, in: spannowsky/uechtritz, beckok baugb, stand: 1. januar 2022, § 214 rn. 27. 97so liegt der fall hier. die unvollständige ermittlung und unzutreffende bewertung der immissionsschutzrechtlichen schutzbedürftigkeit der wohnbebauung, wie sie vorstehend dargelegt ist, ergibt sich - wie oben ebenfalls dargelegt - offenkundig aus der planbegründung. ebenso lässt sich dieser verfahrensfehler aus der als anlage zur begründung des bebauungsplans vorliegenden schallvorprognose vom 22. märz 2004 entnehmen, in der ebenfalls für das reine wohngebiet (nur) ein einheitlicher nächtlicher immissionsrichtwert von 35 db(a) in ansatz gebracht ist. 98b) auch ist die unzutreffende ermittlung und bewertung auf das ergebnis des abwägungsvorgangs von einfluss gewesen i. s. v. § 214 abs. 1 satz 1 nr. 1 baugb a. f. das tatbestandsmerkmal „von einfluss gewesen ist“ liegt dann vor, wenn nach den umständen des jeweiligen falles die konkrete möglichkeit besteht, dass ohne den mangel im vorgang die planung anders ausgefallen wäre. eine solche konkrete möglichkeit besteht immer dann, wenn sich anhand der planunterlagen oder sonst erkennbarer oder naheliegender umstände die möglichkeit abzeichnet, dass der mangel im abwägungsvorgang von einfluss auf das abwägungsergebnis gewesen sein kann. hat sich der planungsträger von einem unzutreffend angenommenen belang leiten lassen und sind andere belange, die das abwägungsergebnis rechtfertigen könnten, weder im bauleitplanverfahren angesprochen noch sonst ersichtlich, so ist die unzutreffende erwägung auf das abwägungsergebnis von einfluss gewesen. 99vgl. bverwg, urteil vom 21. august 1981 - 4 c 57.80 -, juris rn. 27 (zu § 155b abs. 2 satz 2 bbaug); uechtritz, in: spannowsky/uechtritz, beckok baugb, stand: 1. januar 2022, § 214 rn. 31. 100demnach ist hier von einem beachtlichen verfahrensfehler auszugehen. da die beigeladene die nächtlichen lärmrichtwerte für das reine wohngebiet wahren wollte, ist davon auszugehen, dass sie unter beachtung der hier rechtlich gebotenen bildung von zwischenwerten für eine gemengelage der wohnnutzung zum außenbereich ihrer planung höhere immissionsrechtwerte zur nachtzeit zu grunde gelegt und dementsprechend (zumindest) einen höheren - oder auf bestimmte standorte begrenzten - schallleistungspegel festgesetzt hätte. darauf, ob die zubilligung eines über die vorgaben der ta lärm hinaus gehenden schutzes vor lärmeinwirkungen mit entsprechender begründung abwägungsfehlerfrei möglich gewesen wäre, kommt es hier nicht an. 1013. ferner ist der abwägungsfehler nicht gemäß § 215 abs. 1 nr. 1 baugb a. f. unbeachtlich geworden. 102nach dieser vorschrift wird eine nach § 214 abs. 1 satz 1 nrn. 1 bis 3 beachtliche verletzung der dort bezeichneten verfahrens- und formvorschriften unbeachtlich, wenn sie nicht innerhalb von zwei jahren seit bekanntmachung des flächennutzungsplans oder der satzung schriftlich gegenüber der gemeinde unter darlegung des die verletzung begründenden sachverhalts geltend gemacht worden ist. 103dabei genügt es, dass nur irgendjemand ordnungsgemäß und fristgerecht - und daher nicht notwendigerweise die klägerin - den in rede stehenden fehler geltend gemacht hat. denn von einer solchermaßen erfolgten rüge geht eine absolute wirkung aus. 104vgl. bverwg, urteil vom 18. juni 1982 - 4 n 6.79 -, juris rn. 6, und beschluss vom 2. januar 2001 - 4 bn 13.00 -, juris rn. 5; battis, in: battis/krautzberger/löhr, baugb, 14. auflage 2019, § 215 rn. 7. 105ausgehend vom vorstehenden ist der fehler nicht unbeachtlich geworden. mit schreiben vom 12. november 2007 hat der prozessbevollmächtigte der klägerin im namen der damaligen betreiberinnen, der x. gmbh und der g1. & c. gbr, den festgesetzten schallleistungspegel von max. 99 db(a) nachts als fehlerhaft gerügt, da für das reine wohngebiet in angrenzung zum außenbereich ein richtwert von 40 db(a) maßgeblich sei. dieses schreiben wahrt mit eingang bei der beigeladenen noch am gleichen tag, den sie - wie sich aus den aufstellungsvorgängen zum bebauungsplan ergibt - durch ein entsprechendes telefax gegenüber den prozessbevollmächtigten der klägerin bestätigt hat, die zweijahresfrist. diese endete nach den §§ 187 abs. 1, 188 abs. 2, 193 bgb, die nach § 31 abs. 1 vwvfg nrw entsprechend anwendbar sind, erst mit ablauf des 12. november 2007, einem montag, nachdem der bebauungsplan nr. 22‑07 - wie oben bereits ausgeführt - am 10. november 2005 in kraft getreten war. 1064. erweist sich nach alledem die festsetzung eines schallleistungspegels von max. 99 db(a) nachts als in beachtlicher weise verfahrensfehlerhaft und folglich unwirksam, mag dahinstehen, ob diese festsetzung - oder womöglich sogar der bebauungsplan nr. 22‑07 insgesamt - an weiteren zur unwirksamkeit führenden mängeln leidet. 107iii. die voraussetzungen für die erteilung der beantragten änderungsgenehmigung liegen nicht vor, weil der nächtliche volllastbetrieb aller vier windenergieanlagen schädliche umwelteinwirkungen in gestalt unzumutbarer lärmbeeinträchtigungen jedenfalls auf den grundstücken t1. 9a und 21 in o. hervorrufen würde (vgl. §§ 6 abs. 1 nr. 1, 5 abs. 1 nr. 1 bimschg). 108für die erteilung einer immissionsschutzrechtlichen genehmigung ist gemäß § 6 abs. 1 nr. 1 bimschg u. a. sicherzustellen, dass die sich aus § 5 bimschg ergebenden pflichten erfüllt werden. nach § 5 abs. 1 nr. 1 bimschg sind genehmigungsbedürftige anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass zur gewährleistung eines hohen schutzniveaus für die umwelt insgesamt schädliche umwelteinwirkungen und sonstige gefahren, erhebliche nachteile und erhebliche belästigungen für die allgemeinheit und die nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. 109unter welchen voraussetzungen geräuschimmissionen von windenergieanlagen schädlich im sinne des § 5 abs. 1 nr. 1 bimschg sind, bestimmt sich anhand der ta lärm. dieser kommt, soweit sie für geräusche den unbestimmten rechtsbegriff der schädlichen umwelteinwirkungen konkretisiert, eine im gerichtlichen verfahren zu beachtende bindungswirkung zu. die normative konkretisierung des gesetzlichen maßstabs für die schädlichkeit von geräuschen ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte gebietsarten und tageszeiten entsprechend ihrer schutzbedürftigkeit bestimmten immissionsrichtwerten zuordnet und das verfahren der ermittlung und beurteilung der geräuschimmissionen vorschreibt (vgl. § 48 abs. 1 satz 1 nrn. 1 und 3 bimschg). 110vgl. bverwg, urteile vom 12. november 2020 - 4 a 13.18 -, juris rn. 46, vom 29. november 2012 - 4 c 8.11 - juris rn. 18, und vom 29. august 2007 - 4 c 2.07 -, juris rn. 12 (jeweils zur ta lärm vom 26. august 1998). 111nach nr. 3.2.1 abs. 1 ta lärm ist der schutz vor schädlichen umwelteinwirkungen durch geräusche vorbehaltlich der regelungen in den absätzen 2 bis 5 sichergestellt, wenn die gesamtbelastung am maßgeblichen immissionsort die immissionsrichtwerte nach nr. 6 nicht überschreitet. dies ist im zeitpunkt der gerichtlichen entscheidung, der für die beurteilung der sach- und rechtslage in bezug auf die vorliegende verpflichtungsklage grundsätzlich maßgeblich ist, nicht der fall. 112die bindungswirkung der ta lärm ist hinsichtlich des berechnungsverfahrens für schallimmissionsprognosen betreffend lärm durch windenergieanlagen teilweise entfallen; das berechnungsverfahren, auf das die ta lärm für die prognostizierte gesamtbelastung durch windenergieanlagen an einzelnen immissionsorten verweist, ist durch das interimsverfahren zu modifizieren (dazu 1.). die sich auf der grundlage einer solchen schallimmissionsprognose für die wohngrundstücke t1. 9a und 21 ergebenden werte von 39,6 db(a) und 39,5 db(a) nachts überschreiten die dort maßgeblichen nächtlichen lärmrichtwerte auch dann, wenn man wegen der gemengelage zwischen planerisch ausgewiesenem reinem wohngebiet und außenbereich geeignete zwischenwerte bildet (dazu 2.). 1131. die bindungswirkung der ta lärm ist durch gesicherte wissenschaftliche erkenntnisse teilweise überholt, soweit es um das prognoseverfahren zur ermittlung der belastung durch lärm von windenergieanlagen an einzelnen immissionsorten geht. die prognoseberechnung auf der grundlage des alternativen verfahrens der din iso 9613‑2, auf das die ta lärm bezug nimmt, ist durch das interimsverfahren zu modifizieren. dies beruht auf folgenden erwägungen: 114um den nach § 5 abs. 1 bimschg i. v. m. der ta lärm gebotenen lärmschutz beim betrieb einer anlage sicherzustellen, ist eine realistische (lärm‑)prognose anzustellen. an diese prognostische einschätzung zur einhaltung der immissionsrichtwerte sind insoweit hohe anforderungen zu stellen, als sie in jedem fall „auf der sicheren seite“ liegen muss. 115vgl. etwa ovg nrw, urteil vom 22. november 2021 - 8 a 973/15 -, juris rn. 122; nds. ovg, beschluss vom 24. september 2021 - 12 me 45/21 -, juris rn. 86. 116entsprechende anforderungen bestehen für das einer solchen prognose zugrunde liegende berechnungsverfahren der din iso 9613‑2, auf das nr. a.2.2 und a.2.3.4 des anhangs zur ta lärm verweisen. 117da der ta lärm eine normkonkretisierende funktion zukommt, die auf dem in ihr zum ausdruck kommenden wissenschaftlich-technischen sachverstand beruht und zugleich der auf der grundlage der anhörung von vertretern der wissenschaft, der betroffenen, der beteiligten wirtschaft und der für den immissionsschutz zuständigen obersten landesbehörden (vgl. § 51 bimschg) vorgenommenen einschätzung des vorschriftengebers rechnung trägt, stellt das abrücken von den in ihr niedergelegten standards hohe anforderungen an die dafür erforderliche tatsachengrundlage. die bindungswirkung der ta lärm entfällt - vorbehaltlich einer im vorliegenden zusammenhang bislang nicht vorgenommenen änderung der verwaltungsvorschrift - nur dann, wenn die in der ta lärm enthaltenen aussagen durch neue, gesicherte erkenntnisfortschritte in wissenschaft und technik überholt sind, die den ihnen zu grunde liegenden einschätzungen, bewertungen und prognosen den boden entziehen, und sie deshalb den gesetzlichen anforderungen nicht mehr gerecht werden. das heißt, der erkenntnisstand bei erlass der ta lärm und dessen seinerzeitige technische umsetzung müssen mit dem jetzigen stand der technik verglichen werden, um beurteilen zu können, ob sich in diesem sinne wesentliche änderungen ergeben haben. 118zu diesem maßstab vgl. bverwg, urteile vom 10. juli 2021 - 7 a 11.11 -, juris rn. 27 (zur avv baulärm), vom 21. juni 2001 - 7 c 21.00 -, juris rn. 14 (zur ta luft), und beschluss vom 31. märz 1996 - 7 b 164.95 - juris rn. 19 (zur ta luft); ovg nrw, beschluss vom 17. juni 2016 - 8 b 1018/15 -, juris rn. 23; nds. ovg, beschluss vom 16. november 2016 - 12 me 132/16 -, juris rn. 59; bay. vgh, beschluss vom 7. mai 2018 - 22 zb 17.2088 u. a. -, juris rn. 38, m. w. n. (jeweils zur ta lärm). 119dabei kommt es nicht darauf an, inwieweit neue wissenschaftliche erkenntnisse zu brauchbaren alternativen für eine normanwendung oder gar normkonkretisierung geführt haben. 120vgl. bverwg, beschluss vom 31. märz 1996 - 7 b 164.95 - juris rn. 19; enger: hansmann, in: landmann/rohmer, umweltrecht, stand: september 2021, vorb. zur ta lärm rn. 6 a. e. 121für einen im vorstehend dargelegten sinne „gesicherten“ erkenntnisfortschritt genügt es mithin, dass die in der ta lärm enthaltenen aussagen und die ihnen zu grunde liegenden einschätzungen, bewertungen und prognosen durch bessere - und insoweit gefestigte - einsichten durchgreifend in zweifel gezogen sind, ohne dass an ihre stelle bereits ein neuer, für sich genommen schon als abschließend zu bewertender erkenntnisstand in wissenschaft und technik getreten sein muss. 122ausgehend davon ist für die prognose des lärms von windenergieanlagen das berechnungsverfahren der din iso 9613‑2, auf das nr. a.2.2 und a.2.3.4 des anhangs zur ta lärm verweisen, im zeitpunkt der entscheidung des senats, der für die hier vorliegende verpflichtungsklage maßgeblich ist, als durch neue, gesicherte wissenschaftliche erkenntnisse teilweise überholt anzusehen und durch das interimsverfahren zu modifizieren. 123ebenso vgh bad.-württ., urteil vom 4. februar 2021 - 5 s 305/19 -, juris rn. 46 f. (für den zeitpunkt juli 2018), und beschluss vom 19. juni 2018 - 10 s 186/18 -, juris rn. 11 (für den zeitpunkt juli 2017); vg düsseldorf, urteil vom 1. märz 2018 - 28 k 5087/17 -, juris rn. 39 ff., 61 (für den zeitpunkt der mündlichen verhandlung des vg); a. a., allerdings für zurückliegende zeitpunkte, nds. ovg, beschluss vom 11. märz 2019 - 12 me 105/18 -, juris rn. 65 f. (für dez. 2016); ovg rh.‑pf., urteil vom 20. september 2018 - 8 a 11958/17 -, juris rn. 129 (für mai 2016); bay. vgh, beschluss vom 7. mai 2018 - 22 zb 17.2088 u. a. -, juris rn. 39 (für nov. 2014); ovg m.‑v., urteil vom 10. april 2018 - 3 lb 133/08 -, juris rn. 99 (für juni 2003); ovg saarl., beschluss vom 3. november 2017 - 2 b 584/17 -, juris rn. 20 (für dez. 2016); für ein fortbestehen der bindungswirkung der ta lärm olg schleswig, urteil vom 10. november 2021 - 9 u 15/20 -, juris rn. 57. 124die regelungen der din iso 9613‑2, die nach ihrem abschnitt 1 „anwendungsbereich“ für bodennahe schallquellen anwendbar ist, legt ein verfahren zur berechnung der dämpfung des schalls bei der ausbreitung im freien fest, mit dem die pegel von geräuschimmissionen in einem abstand von verschiedenen schallquellen vorausberechnet werden können. nach diesem verfahren wird der äquivalente a-bewertete dauerschalldruckpegel von schallquellen mit bekannter geräuschemission unter schallausbreitungsgünstigen witterungsbedingungen vorausberechnet, wobei geometrische ausbreitung, luftabsorption, bodeneffekt, reflexion an flächen sowie ggf. abschirmung durch hindernisse berücksichtigt werden. die din iso 9613‑2 kennt eine frequenzabhängige berechnungsmethode und ein alternatives verfahren mittels a-bewerteter einzahlkenngröße. 125vgl. agatz, windenergie-handbuch, 18. ausgabe, dez. 2021, s. 108. 126messungen in forschungsprojekten mit fernfeldmessungen (etwa „schalltechnischer bericht der erweiterten hauptuntersuchung zur messtechnischen entwicklung der ausbreitungsbedingungen für die geräusche von hohen windenergieanlagen zur nachtzeit und vergleich der messergebnisse mit ausbreitungsrechnungen nach din iso 9613‑2“ des büros v. und partner von november 2014; v. -studie, initiiert durch das landesamt für umwelt, natur und verbraucherschutz des landes nordrhein-westfalen) haben differenzen zwischen ausbreitungsberechnungen und immissionswerten ab einer entfernung von etwa 500 m zwischen windenergieanlage und immissionsort ergeben, wobei die differenzen ab einer entfernung von etwa 750 m - wie sie hier für die anlagen wea 3 und 4 zur wohnbebauung am t1. vorliegt - zunahmen. zwei weitere in folge der diskussion über eine modifizierung des ausbreitungsmodells durchgeführte messkampagnen haben die ergebnisse der v. -studie bestätigt (dritter zwischenbericht zu schalluntersuchungen an windenergieanlagen in schleswig-holstein vom 3. märz 2017; schmitter: vergleich verschiedener prognosemodelle mit realen immissionsmessungen - tagungsband zum 9. rheiner windenergieforum am 22./23. märz 2017). 127vgl. agatz, windenergie-handbuch, 18. ausgabe, dez. 2021, s. 109. 128diese forschungsergebnisse lagen bei erlass der ta lärm am 28. august 1998, die in ihrem seitdem unveränderten anhang erstmals die prognose zur ermittlung der geräuschimmissionen behandelt, 129vgl. hansmann, in: landmann/rohmer, umweltrecht, stand: september 2021, vorb. zur ta lärm rn. 21, 130nicht vor. diese forschungsergebnisse stellen wesentliche neue, gesicherte wissenschaftliche erkenntnisfortschritte dar, die den der ta lärm zu grunde liegenden einschätzungen, bewertungen und prognosen hinsichtlich der schallausbreitungsrechnungen für windenergieanlagen teilweise den boden entziehen, zumal windenergieanlagen seit 1998 deutlich größer geworden sind und sich damit immer weiter von bodennahen schallquellen i. s. d. din iso 9613‑2 abheben. schallausbreitungsberechnungen allein auf der grundlage der din iso 9613‑2 werden daher den gesetzlichen anforderungen, den schutz vor schädlichen geräuscheinwirkungen mit dem erforderlichen grad an sicherheit zu gewährleisten, nicht mehr in jeder hinsicht gerecht. diese einschätzung wird der sache nach von fachwissenschaftlern und behörden gleichermaßen geteilt, die empfehlen, die din iso 9613‑2 für schallimmissionsprognosen zu modifizieren: 131um die erkannten defizite bei schallausbreitungsberechnungen für windenergieanlagen zu beheben, hat der unterausschuss „schallausbreitung im freien“ des din/vdi-normausschusses „akustik, lärmminderung und schwingungstechnik“ (nals) ausgehend von den genannten forschungsergebnissen in ergänzung zur din iso 9613‑2 und zur din en 61400‑11 die „dokumentation zur schallausbreitung - interimsverfahren zur prognose der geräuschimmissionen von windkraftanlagen, fassung 2015-05.1“ veröffentlicht. in der einleitung dieser dokumentation heißt es u. a., für die prognose von immissionspegeln von windkraftanlagen gebe es kein nationales regelwerk, das ohne einschränkungen, modifizierungen oder sonderregelungen auf die schallausbreitung dieser hochliegenden quellen anwendbar sei. nach nr. 3.5 dieser dokumentation begrenzt die din iso 9613‑2 die quellhöhe auf kleiner 30 m. das interimsverfahren ist nach nr. 4.1 als übergangslösung konzipiert, bis ein verfahren zur schallausbreitungsrechnung entwickelt ist, das den anwendungsbereich der din iso 9613‑2 auf windkraftanlagen als hochliegende quellen erweitert. 132der unterschied zu dem bisher angewendeten beurteilungsverfahren besteht einerseits im wegfall der bodendämpfung und der meteorologischen korrektur, andererseits in der umstellung des berechnungsverfahrens auf eine frequenzabhängige berechnung. 133vgl. agatz, windenergie-handbuch, 18. ausgabe, dez. 2021, s. 112. 134die bund/länder-arbeitsgemeinschaft für immissionsschutz (lai) hat in ihrer 134. sitzung am 5. und 6. september 2017 den ländern erstmals empfohlen, die hinweise zum schallimmissionsschutz bei windkraftanlagen mit stand 30. juni 2016 anzuwenden, die auf dem interimsverfahren beruhen. diese lai-hinweise (s. 2 f.) konkretisieren die anforderungen der ta lärm an die durchführung von immissionsprognosen im rahmen der errichtung und des betriebs von windkraftanlagen über 30 m höhe als hochliegende schallquellen durch eine vorläufige anpassung des prognosemodells der din iso 9613-2 auf basis neuerer erkenntnisse. die umweltministerkonferenz hat diese lai-hinweise im november 2017 zur kenntnis genommen. 135das ministerium für umwelt, landwirtschaft, natur- und verbraucherschutz des landes nordrhein-westfalen (mulnv nrw) hat mit erlass vom 29. november 2017 - 8851.1.6.4 - die genannten lai-hinweise in die verwaltungspraxis eingeführt und die nachgeordneten behörden gebeten, diese hinweise zukünftig bei der genehmigung und überwachung von windenergieanlagen als erkenntnisquelle anzuwenden. auch der windenergie-erlass vom 8. mai 2018 (mbl. nrw. s. 258 ff.) führt unter nr. 5.2.1.1 (s. 273) aus, dass mit erlass vom 29. november 2017 in nordrhein-westfalen die neuen von der lai überarbeiteten „hinweise zum schallimmissionsschutz bei windkraftanlagen“ eingeführt worden seien. das u. a. dort verankerte prognosemodell auf basis des interimsverfahrens des nals (fassung 2015-05.1) gebe den aktuellen erkenntnisstand wieder. 136vgl. zu dieser entwicklung ovg nrw, beschluss vom 17. dezember 2020 - 8 e 862/20 -, juris rn. 12 ff.; agatz, windenergie-handbuch, 18. ausgabe, dez. 2021, s. 110 f. 137da es nach der oben genannten rechtsprechung des bundesverwaltungsgerichts für den entfall der bindungswirkung einer normkonkretisierenden verwaltungsvorschrift nicht darauf ankommt, inwieweit neue wissenschaftliche erkenntnisse bereits zu brauchbaren alternativen für eine normanwendung oder gar normkonkretisierung geführt haben, steht der hier vertretenen bewertung nicht entgegen, dass das interimsverfahren auch nach der einschätzung seiner urheber nur ein vorläufiges, die din iso 9613-2 ergänzendes modell für eine übergangsphase und kein abschließend überarbeitetes neues prognosemodell darstellt. ohnedies bietet aber das interimsverfahren, wie der senat schon entschieden hat, 138vgl. ovg nrw, urteil vom 5. oktober 2020 - 8 a 894/17 -, juris rn. 200 ff., 139einen brauchbaren ansatz für eine auf der sicheren seite liegende schallausbreitungsrechnung, zumal die din iso 9613-2 auch nicht in gänze ersetzt, sondern nur in teilen angepasst wird. 140aus denselben gründen ist es rechtlich auch nicht relevant, dass das interimsverfahren nur als einfacher beschluss eines unterausschusses des nals veröffentlicht ist und ohne das noch ausstehende erarbeitungs-, prüf- und einwendungsverfahren nicht den status einer din- oder vdi-norm genießt. 141vgl. dazu agatz, windenergie-handbuch, 18. ausgabe dez. 2021, s. 110 f.; bundesverband windenergie, lai-hinweise (interimsverfahren) schallimmissionsschutz bei windkraftanlagen, märz 2019. 142ein verfahren zur erweiterung des anwendungsbereichs der din iso 9613-2 auf windenergieanlagen als hochliegende quellen soll erst das im veröffentlichungszeitpunkt noch in bearbeitung befindliche vdi 4101 blatt 2 (schallausbreitung im freien unter berücksichtigung meteorologischer und topographischer bedingungen – blatt 2: windkraftanlagen) eines unterausschusses zur verfügung stellen, das seit april 2020 aber - soweit ersichtlich - nur im entwurf vorliegt. 143vgl. dokumentation zur schallausbreitung – interimsverfahren für windkraftanlagen, fassung 2015-05.1, s. 4 f.; agatz, windenergie-handbuch, 18. ausgabe, dez. 2021, s. 111. 144aus den oben genannten gründen bleibt die bindungswirkung der ta lärm auch nicht deswegen bestehen, weil der wissenschaftliche diskurs um eine geeignete ausbreitungsberechnung mit der veröffentlichung und empfehlung des interimsverfahrens noch nicht abgeschlossen ist. dies wird etwa daran deutlich, dass das mulnv nrw im frühjahr 2018 einen fragen-antwort-katalog veröffentlicht hat, der zum teil abweichende regelungen zu den lai-hinweisen (2016) und dem interimsverfahren enthält. 145vgl. mulnv nrw, dienstbesprechung am 2. februar 2018, einführung der neuen lai-hinweise zum schallimmissionsschutz bei windkraftanlagen - beantwortung von zweifelsfragen. 146entsprechendes gilt für das auslegungsdokument zu den lai-hinweisen, das der ausschuss „physikalische einwirkungen“ der lai im frühjahr 2018 verfasst hat und das ergänzende sowie abweichende regelungen zum hinweispapier enthält. 147vgl. auslegung der lai-hinweise zum schallimmissionsschutz bei windkraftanlagen, stand: 27. märz 2018 - behandelt auf der 26. sitzung des ausschusses physikalische einwirkungen, zitiert nach agatz, windenergie-handbuch, 18. ausgabe dez. 2021, s. 111. 1482. die lärmwerte, die sich aus der auf dem interimsverfahren beruhenden schallimmissionsprognose für die wohngrundstücke t1. 9a und 21 ergeben (dazu a), überschreiten die dort maßgeblichen nächtlichen lärmrichtwerte auch dann, wenn man für diese grundstücke wegen der gemengelage zum außenbereich geeignete zwischenwerte bildet; auf die zumutbarkeit der für die anderen im reinen wohngebiet t. , aber näher an der grenze zum außenbereich gelegenen wohnhäuser kommt es daher hier nicht an (dazu b). 149a) die von der beigeladenen vorgelegte „schalltechnische stellungnahme für den x1. o. , kreis m. , nrw“ der ingenieure gmbh vom 14. märz 2022, die auf dem interimsverfahren beruht, weist für die immissionsorte io 6 (t1. 9a) und io 13 (t1. 21) bei dem beantragten leistungsoptimierten betrieb aller vier windenergieanlagen werte von 39,6 db(a) und 39,5 db(a) nachts aus. 150einwände gegen die richtigkeit dieser prognoseberechnung sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. der berechnung zu grunde gelegt ist jeweils ein nach dreifachvermessung des anlagentyps gemittelter schallleistungspegel von 101,9 db(a) zuzüglich eines zuschlags für den oberen vertrauensbereich von 1,5 db(a), insgesamt also 103,4 db(a). 151b) diese nächtlichen beurteilungspegel von 39,6 db(a) und 39,5 db(a) an den wohngrundstücken t1. 9a und t1. 21 können der dortigen wohnbebauung nicht zugemutet werden. zwar sind diese grundstücke teil eines planerisch ausgewiesenen reinen wohngebietes, das unmittelbar an den außenbereich angrenzt, so dass nach nr. 6.7 ta lärm ein zwischenwert zu bilden ist. der zu ermittelnde zwischenwert liegt aber jedenfalls deutlich unter diesen zu erwartenden immissionswerten. 152in einem reinen wohngebiet, wie es hier durch den durchführungsplan nr. 22‑01 der ehemals selbstständigen gemeinde o. südlich des windparks o. auch für die wohngrundstücke t1. 9a und 21 - wie oben ausgeführt: wirksam - festgesetzt ist (vgl. nr. 6.6 satz 1 ta lärm), dürfen genehmigungsbedürftige anlagen - oder deren wesentliche änderung - nach nr. 6.1 buchstabe f ta lärm im grundsatz nicht dazu beitragen, dass 50 db(a) tags und 35 db(a) nachts überschreitende lärmimmissionen entstehen. diese immissionsrichtwerte können jedoch nach maßgabe von nr. 6.7 ta lärm auf einen geeigneten, d. h. einen nach dem gebot zur gegenseitigen rücksichtnahme angemessenes schutzniveau sicherstellenden zwischenwert erhöht werden. 153nach nr. 6.7 abs. 1 satz 1 ta lärm können, wenn gewerblich, industriell oder hinsichtlich ihrer geräuschauswirkungen vergleichbar genutzte gebiete und zum wohnen dienende gebiete aneinandergrenzen (gemengelage), die für die zum wohnen dienenden gebiete geltenden immissionsrichtwerte auf einen geeigneten zwischenwert der für die aneinandergrenzenden gebietskategorien geltenden werte erhöht werden, soweit dies nach der gegenseitigen pflicht zur rücksichtnahme erforderlich ist. dabei sollen die immissionsrichtwerte für kern-, dorf- und mischgebiete, also 60 db(a) tags und 45 db(a) nachts, nicht überschritten werden (satz 2). nach nr. 6.7 abs. 2 ta lärm ist für die höhe des zwischenwertes die konkrete schutzwürdigkeit des betroffenen gebietes maßgeblich. 154diese erstmals in die ta lärm vom 26. august 1998 (gmbl 1998, 503) aufgenommene regelung schreibt die grundätze fest, die das bundesverwaltungsgericht in seiner rechtsprechung aus dem gebot der gegenseitigen rücksichtnahme abgeleitet hat. 155vgl. hierzu: bverwg, beschlüsse vom 7. juni 2019 - 8 b 36.18 -, juris rn. 5, und vom 12. september 2007 - 7 b 24.07 -, juris rn. 5, m. w. n.; ovg nrw, urteil vom 20. dezember 2018 - 8 a 2971/17 -, juris rn. 158; hansmann, in: landmann/rohmer, umweltrecht, stand: september 2021, nr. 6.7 ta lärm rn. 25. 156in den bereichen, in denen gebiete von unterschiedlicher qualität und unterschiedlicher schutzwürdigkeit zusammentreffen, ist die grundstücksnutzung mit einer spezifischen gegenseitigen pflicht zur rücksichtnahme belastet. das führt nicht nur zur pflichtigkeit dessen, der belästigungen verbreitet, sondern auch zu einer die tatsachen respektierenden duldungspflicht derer, die sich in der nähe von - als solche legalen - belästigungsquellen ansiedeln. 157grundlegend bverwg, urteil vom 12. dezember 1975 - iv c 71.73 -, juris rn. 23. 158bei der bildung eines zwischenwerts zwischen gebieten unterschiedlicher nutzung und damit unterschiedlicher schutzwürdigkeit ist methodisch so vorzugehen, dass die immissionsrichtwerte zu ermitteln sind, die für die benachbarten gebiete bei jeweils isolierter betrachtung maßgeblich sind, und daraus unter berücksichtigung der umstände des einzelfalls ein mittelwert zu bilden ist. dieser ausgangspunkt darf nicht dahingehend missverstanden werden, dass der mittelwert der sache nach das arithmetische mittel zweier richtwerte ist. hiergegen steht bereits, dass die lärmberechnung nicht auf arithmetischen, sondern auf logarithmischen vorgaben beruht. bei einem solchermaßen zu gewinnenden mittelwert müssen zur bestimmung der zumutbarkeit zudem die ortsüblichkeit und die umstände des einzelfalls berücksichtigt werden, wobei insbesondere auch die priorität der in konflikt tretenden nutzungen von bedeutung sein kann. 159vgl. bverwg, beschlüsse vom 7. juni 2019 - 8 b 36.18 -, juris rn. 5 f., und vom 12. september 2007 - 7 b 24.07 -, juris rn. 4, jeweils m. w. n.; ovg nrw, urteile vom 24. august 2016 - 11 d 2/14.ak -, juris rn. 134, und vom 16. dezember 2014 - 7 a 2623/13 -, juris rn. 58; beschlüsse vom 15. märz 2018 - 8 b 736/17 -, juris rn. 67, vom 6. mai 2016 - 8 b 866/15 -, juris rn. 9 ff. m. w. n., und vom 17. januar 2012 - 8 a 1710/10 -, juris rn. 5 ff. 160seinem wortlaut nach regelt nr. 6.7 ta lärm nicht die fälle, in denen wohngrundstücke an den - keine (eigene) gebietskategorie bildenden - außenbereich nach § 35 baugb angrenzen. soweit in einer solchen situation aber gleichfalls grundstücksnutzungen mit unterschiedlicher schutzbedürftigkeit aufeinander treten, findet hierauf nr. 6.7 ta lärm, mit der allgemeingültige, aus dem gebot der rücksichtnahme entwickelte rechtsprechungsgrundsätze zur bewältigung lärmbedingter konflikte in gemengelagen normkonkretisierend übernommen worden sind, entsprechende anwendung. 161vgl. bverwg, urteil vom 10. dezember 1982 - 4 c 28.81 -, juris rn. 17, und beschluss vom 7. juni 2019 - 8 b 36.18 -, juris rn. 5; ovg nrw, urteil vom 20. dezember 2018 - 8 a 2971/17 -, juris rn. 158, und beschluss vom 6. mai 2016 - 8 b 866/15 -, juris rn. 9, m. w. n.; bay. vgh, beschluss vom 25. oktober 2010 - 2 cs 10.2344 -, juris rn. 21; hess. vgh, urteil vom 30. oktober 2009 - 6 b 2668/09 -, juris rn. 12. 162das „aneinandergrenzen“ im sinne von nr. 6.7 abs. 1 satz 1 ta lärm wird durch den räumlichen umfang des rücksichtnahmegebots geprägt. es wird nicht schematisch räumlich im sinne von mindestabständen von der immissionsquelle bestimmt, sondern nach der jeweiligen schallausbreitung und der damit einhergehenden betroffenheit von grundstücken mit höheren schutzansprüchen. die reichweite des gebots der rücksichtnahme bestimmt sich danach, in welchem umfang die nutzung des einen gebiets noch prägend auf das andere gebiet - und nicht auf einzelne grundstücke - einwirkt. 163vgl. bverwg, beschluss vom 12. september 2007 - 7 b 24.07 - juris rn. 8; ovg nrw, beschluss vom 15. märz 2018 - 8 b 736/17 -, juris rn. 65. 164dabei kann der eigentümer eines grundstücks in randlage eines wohngebiets nicht damit rechnen, dass in seiner nachbarschaft keine emittierende nutzung oder allenfalls eine reine wohnnutzung entsteht. er darf grundsätzlich nur darauf vertrauen, dass im angrenzenden bereich keine nutzung entstehen wird, die mit der wohnnutzung nicht mehr verträglich ist. dies wäre jedoch nur anzunehmen, wenn sie über das maß hinausgeht, das in einem ebenso dem wohnen dienenden misch- und dorfgebiet zulässig ist. 165vgl. bverwg, beschluss vom 18. dezember 1990 - 4 n 6.88 -, juris rn. 29; ovg nrw, beschluss vom 15. märz 2018 - 8 b 736/17 -, juris rn. 67. 166eine wesentliche rolle für die konkrete schutzwürdigkeit spielen neben der lage betroffener wohngrundstücke zum außenbereich auch charakter, art und ausmaß der wohnnutzung. 167vgl. feldhaus/tegeder, in: feldhaus, bundesimmissionsschutzrecht, stand: dezember 2021, 6. bimschvwv (ta lärm) nr. 6 rn. 70a. 168da die nutzung von windenergie als ausdruck ihrer besonderen standortgebundenheit von gesetzes wegen im außenbereich privilegiert ist (vgl. § 35 abs. 1 nr. 5 baugb), relativiert sich bei der bildung eines zwischenwertes nach nr. 6.7 ta lärm die bedeutung der zeitlichen priorität von außenbereichsgeprägter wohnnutzung gegenüber windenergieanlagen. 169vgl. ovg bremen, urteil vom 13. dezember 2001 - 1 d 299/01 -, juris rn. 71 (zu einem containerterminal eines hafens); feldhaus/tegeder, in: feldhaus, bundesimmissionsschutzrecht, stand: dezember 2021, 6. bimschvwv (ta lärm) nr. 6 rn. 69. 170dem steht hier nicht § 2 abs. 1 baugb-ag nrw entgegen, der durch art. 1 des zweiten gesetzes zur änderung des gesetzes zur ausführung des baugesetzbuches in nordrhein-westfalen vom 8. juli 2021 (gv. nrw. s. 891) auf der grundlage von § 249 abs. 3 baugb neu eingeführt wurde und am 15. juli 2021 in kraft getreten ist. zwar findet nach § 2 abs. 1 satz 1 nr. 1 baugb-ag nrw § 35 abs. 1 nr. 5 baugb (u. a.) auf vorhaben zur nutzung der windenergie nur (noch) anwendung, wenn diese vorhaben einen mindestabstand von 1.000 m zu allgemein zulässigen wohngebäuden in gebieten mit bebauungsplänen (§ 30 baugb) und innerhalb der im zusammenhang bebauten ortsteile (§ 34 baugb) einhalten. diese bestimmung über eine (teil‑)entprivilegierung der windenergie im außenbereich ist aber vorliegend nicht anwendbar. dabei mag auf sich beruhen, ob der x1. o. im geltungsbereich einer in dem flächennutzungsplan der beigeladenen für die zwecke des § 35 abs. 3 satz 3 baugb wirksam ausgewiesenen vorrangzone liegt (vgl. § 2 abs. 2 baugb-ag nrw). denn jedenfalls sind die in rede stehenden anlagen seit langem an ihrem standort genehmigt; zudem hat die klägerin den antrag auf genehmigung der wesentlichen änderung vom 30. januar 2014, so denn auch (wesentliche) änderungen der betriebsweise von bereits vor dem 15. juli 2021 errichteten windenergieanlagen § 2 abs. 1 baugb-ag nrw unterfallen, vor ablauf des 23. dezember 2020 gestellt und spätestens mit vorlage der schallimmissionsprognose vom 24. juni 2016 vervollständigt; schon deshalb kommt hier ein ausschluss der außenbereichsprivilegierung gemäß der übergangsvorschrift in § 2 abs. 3 satz 1 baugb-ag nrw nicht in betracht. 171ein die interessen des vorhabenträgers absolut in den vordergrund rückender sonderstatus kommt windenergieanlagen im anwendungsbereich der ta lärm jedoch nicht zu. 172vgl. auch feldhaus/tegeder, in: feldhaus, bundesimmissionsschutzrecht, stand: dezember 2021, 6. bimschvwv (ta lärm) nr. 6 rn. 70d, m. w. n. 173bei der bildung eines zwischenwertes werden nach der rechtsprechung einem wohnhaus, das in einem reinen wohngebiet unmittelbar am rande des außenbereichs gelegen ist, häufig - in abhängigkeit von den umständen des einzelfalls - bis zu 5 db(a) höhere lärmimmissionen zugemutet. 174vgl. bverwg, urteile vom 17. dezember 2013 ‑ 4 a 1.13 -, juris rn. 55, und vom 19. januar 1989 - 7 c 77.87 -, juris rn. 28; ovg saarl., beschluss vom 3. november 2017 - 2 b 573/17 -, juris rn. 15; ovg nrw, beschlüsse vom 20. juli 2017 - 8 b 140/17 -, juris rn. 18, vom 6. mai 2016 - 8 b 866/15 -, juris rn. 13, vom 29. januar 2013 - 8 a 2016/11 -, juris rn. 14, vom 4. november 1999 - 7 b 1339/99 -, juris rn. 23, vom 3. september 1999 - 10 b 1283/99 -, juris rn. 20, und vom 6. november 1989 - 7 b 2966/87 -, baur 1990, 67 (69); hess. vgh, urteil vom 30. oktober 2009 - 6 b 2668/09 -, juris rn. 12; vgh bad.-württ., urteil vom 23. april 2002 - 10 s 1502/01 -, juris rn. 29. 175da sich das vorliegen einer gemengelage nach nr. 6.7 abs. 1 satz 1 ta lärm anhand des merkmals „aneinandergrenzen“ maßgeblich danach bestimmt, wie weit nach der jeweiligen schallausbreitung die damit einhergehende betroffenheit von grundstücken mit höheren schutzansprüchen reicht, ist die einwirkung des außenbereichs auf das gesamte betroffene plangebiet in den blick zu nehmen. daher kann auch für solche wohngrundstücke, deren grundstücksgrenze nicht unmittelbar an den außenbereich angrenzt, sondern die sich weiter zurückgesetzt im inneren eines wohngebiets hinter den grundstücken mit einer solchen randlage befinden, die bildung eines geeigneten zwischenwerts dem grunde nach in betracht zu ziehen sein. 176hiervon zu unterscheiden ist die nach der räumlichen reichweite des rücksichtnahmegebots zu beurteilende frage, inwieweit für einzelne grundstücke innerhalb der gebietsmäßig betroffenen gemengelage noch eine zwischenwertbildung nach maßgabe der gegenseitigen pflicht zur rücksichtnahme erforderlich ist. danach muss ein zwischenwert, auch was seine höhe anbelangt, die reichweite der gegebenen außenbereichsprägung der wohnbebauung ebenso berücksichtigen wie die gesteigerte schutzwürdigkeit aufgrund einer weiter entfernten lage zum außenbereich. 177dementsprechend hat der senat in seiner bisherigen rechtsprechung weiter anerkannt, dass einer - abgeschirmt durch bebauung - weiter zurückgesetzt liegenden wohnbebauung „der zweiten reihe“ die erhöhung der für ein reines wohngebiet maßgeblichen richtwerte um 3 db(a) zugemutet werden kann, sofern die betroffenen grundstücke noch dem prägenden einfluss des außenbereichs ausgesetzt sind. 178vgl. ovg nrw, beschlüsse vom 15. märz 2018 - 8 b 736/17 -, juris rn. 69 ff., vom 29. juni 2017 - 8 b 187/17 -, juris rn. 25, und vom 29. januar 2013 - 8 a 2016/11 -, juris rn. 16; ebenso nds. ovg, urteil vom 12. mai 2015 - 1 kn 238/13 -, juris rn. 41. 179unter berücksichtigung der vorgenannten maßstäbe und gemessen an der räumlichen reichweite des rücksichtnahmegebots ist für die wohnbebauung an der straße t1. der einzuhaltende nachtrichtwert von 35 db(a) für reine wohngebiete auf einen zwischenwert zu erhöhen (dazu aa). ein angemessener zwischenwert liegt jedoch jedenfalls in bezug auf die immissionsorte t1. 9a (flurstück 332) und t1. 21 (flurstück 234) unter den durch das änderungsvorhaben verursachten 39,5 db(a) (dazu bb). 180aa) tragend für die bildung eines zwischenwertes auch an den grundstücken t1. 9a und 21 sind nach der auswertung der planunterlagen sowie den vor ort gewonnenen eindrücken folgende erwägungen: auch diese grundstücke sind noch einem so prägenden einfluss des außenbereichs ausgesetzt, dass ihnen nicht der ungeminderte schutzanspruch für ein reines wohngebiet gegenüber der nach § 35 abs. 1 nr. 5 baugb privilegierten windenergienutzung zu gute kommt. das im durchführungsplan nr. 22-01 festgesetzte reine wohngebiet prägt das einwirkungsgebiet nur begrenzt. so fällt bereits die räumliche ausdehnung des reinen wohngebiets sehr gering aus. dessen ausweisung umfasst lediglich die beiderseits des t1. gelegenen grundstücke, und dies auch nicht auf voller länge dieses straßenzuges, sondern nur bis einschließlich der südwestlich gelegenen flurstücke 316 und 105. dabei nimmt die fläche des reinen wohngebiets nicht wesentlich mehr raum ein als die nordöstlich benachbarte hofstelle, was den eindruck einer weitreichenden außenbereichsprägung mit einer vorbelastungssituation zusätzlich vermittelt. hinzu kommt, dass sich das reine wohngebiet auch nicht durch eine hohe nutzungsintensität auszeichnet. die vorhandene wohnnutzung ist sowohl gemessen an der zahl bestehender gebäude als auch angesichts deren räumlicher anordnung nicht verdichtet. derzeit existiert innerhalb des plangebiets entlang des t1. - mit ausnahme der rückwärtig gelegenen flurstücke 332 und 234 (t1. 9a und 21) - eine auf zwei reihen begrenzte bebauung, die nahezu ausschließlich aus freistehenden einfamilienhäusern besteht. die grundstücke sind überdies sehr großzügig geschnitten, so dass die vorhandene bebauung weiträumige abstände wahrt und eine offene bauweise absolut vorherrscht. in anbetracht dieser umstände wirkt der außenbereich, der sich nördlich, östlich und südlich des plangebiets um ein vielfaches ausdehnt, auf das gesamte reine wohngebiet prägend ein. demnach sind hier nicht allein die wohnhäuser in unmittelbarer randlage und direkt dahinter befindlicher „zweiter reihe“ noch dem einfluss des außenbereichs ausgesetzt, sondern gleichfalls die weiter zurückliegende wohnbebauung. 181für das wohnhaus t1. 21 ist dabei zusätzlich zu berücksichtigen, dass dieses sich nach dem eindruck im ortstermin gerade nicht als eine gänzlich durch die zweite reihe an der nordseite des t1. abgeschirmte „hinterlandbebauung“ darstellt, sondern vielmehr die zwischen der benachbarten wohnbebauung vorhandene lücke - lediglich nach weiter hinten versetzt - ausfüllt. auch schon aus diesem grunde kann hier von einer das gebot zur rücksichtnahme in gänze ausschließenden unterbrechung der außenbereichsprägung keine rede sein. 182bb) der zwischenwert an den wohngrundstücken t1. 9a und t1. 21 liegt unter würdigung der besonderen umstände des vorliegenden einzelfalls deutlich unter 39,5 db(a), jedenfalls unter 38 db(a), so dass die durch das änderungsvorhaben verursachten nächtlichen lärmwerte von 39,6 db(a) und 39,5 db(a) dort unzumutbar sind. diese einschätzung beruht darauf, dass diese grundstücke im inneren und gewissermaßen in „dritter reihe“ eines reinen wohngebietes liegen. wegen der dadurch geringeren prägung durch den außenbereich muss der zwischenwert für die grundstücke t1. 9a und 21 geringer ausfallen als - abgestufte - zwischenwerte für die beiden ersten reihen des reinen wohngebietes (dazu aaa). dieses grenzt in drei richtungen (norden, osten und süden) an den außenbereich. es bildet mit der weiter westlich vorhandenen bebauung einen nicht durch die dazwischen liegenden grünflächen und/oder den friedhof unterbrochenen bebauungszusammenhang mit der folge, dass die grundstücke t1. 9a und 21 nicht selbst an den außenbereich grenzen (dazu bbb). 183aaa) vorliegend ist es angemessen, für das bauplanerisch ausgewiesene reine wohngebiet die schutzbedürftigkeit des an der nördlichen grenze gelegenen wohnhauses t1. 1 sowie derjenigen wohnhäuser, die sich in südliche richtung entlang der ost- und sodann südseite des straßenzuges t1. anschließen (erste reihe), mit 40 db(a) nachts zu bemessen. die beschriebene wohnbebauung wird wegen ihrer randlage in besonderem maße durch den außenbereich geprägt, was einen generell verminderten schutzanspruch der wohnnutzung zur folge hat. sie bildet in östliche und südliche richtung die letzte baureihe des plangebiets vor dem außenbereich, wobei schon jeweils hinter den grundstücksgrenzen unmittelbar der außenbereich mit einer nordöstlich nahe gelegenen hofstelle beginnt. besondere gründe, die hier für eine erhöhte schutzbedürftigkeit der in randlage befindlichen wohnbebauung streiten könnten, bestehen nicht. wegen der mit der standortgebundenheit verbundenen privilegierung von windenergieanlagen im außenbereich gebietet insbesondere nicht der umstand einen geringeren aufschlag als 5 db(a), dass die wohnnutzung zeitlich früher, nämlich sogar bereits deutlich vor errichtung und inbetriebnahme der emittierenden windenergieanlagen vorhanden war. 184weiter ist hier der nächtliche immissionsrichtwert für die wohngrundstücke südlich des wohnhauses t1. 1 (flurstück 136), die unmittelbar zunächst an die westliche und im weiteren verlauf nördliche seite des t1. angrenzen (zweite reihe), also ausgenommen die wohnbebauung t1. 9a und 21, um (jedenfalls) 3 db(a) auf sodann 38 db(a) zu erhöhen. dieser richtwert trägt dem umstand angemessen rechnung, dass sich die beschriebenen wohnnutzungen zwar einerseits nicht in unmittelbarer randlage zum außenbereich befinden, anderseits aber immer noch eindeutig dessen prägendem einfluss unterworfen sind. so weisen die betreffenden grundstücke bereits räumlich eine nicht unerhebliche nähe zum außenbereich auf; der abstand der grundstücksgrenzen zu der grenze des plangebiets fällt mit teils deutlich unter 40 m an der west- und etwa 50 m an der nordseite des t1. relativ gering aus. zudem geht von der lediglich in einer reihe verwirklichten wohnbebauung entlang der ostseite des t1. , die eine deutlich aufgelockerte bauweise mit großzügig bemessenen abständen der wohnhäuser zueinander aufweist, nur eine geringe abschirmende wirkung zum außenbereich aus. 185der wohnbebauung t1. 13a (flurstück 243) und 15 (flurstück 244) ist darüber hinausgehend ein aufschlag in höhe von 4 db(a), mithin ein nächtlicher immissionsrichtwert von 39 db(a) nach dem gebot zu gegenseitiger rücksichtnahme zumutbar. die schutzbedürftigkeit dieser grundstücke ist dadurch gemindert, dass auf ihrer höhe in östliche richtung keine abschirmende bebauung zum außenbereich mehr existiert. das im südwestlichen bereich des plangebiets befindliche flurstück 143 wird im durchführungsplan nr. 22‑01 als öffentliche grünfläche ausgewiesen. auf ihr ist nach den feststelllungen im ortstermin ein spielplatz errichtet. die fläche ist nicht zum zwecke der wohnnutzung oder mit sonstigen relevanten gebäuden im sinne des § 34 baugb bebaubar, zudem misst nr. 6.1 ta lärm einer grünfläche keine immissionsschutzrechtlich relevante schutzwürdigkeit bei. daher besteht in diesem bereich, obgleich die flurstücke 243 und 244 keine unmittelbare randlage aufweisen, ein gleichsam fließender übergang zum außenbereich, so dass sie entsprechend einem stärker ausgeprägten einfluss ausgesetzt sind. der verglichen zu den wohngrundstücken in unmittelbarer randlage weiter entfernten lage zum außenbereich trägt ein um 1 db(a) geringerer zuschlag angemessen rechnung. 186die dargestellte geminderte schutzwürdigkeit der wohnbebauung im reinen wohngebiet führt mit blick auf die unterschiedlich starke prägung durch den außenbereich und die damit verbundene abstufung der zwischenwerte zu einem zwischenwert für die grundstücke t1. 9a und 21, der die zwischenwerte für die grundstücke in erster und zweiter reihe unterschreitet und damit jedenfalls unter 38 db(a) nachts liegt. der senat lässt ausdrücklich offen, in welchem umfang der zwischenwert für die grundstücke t1. 9a und 21 unter 38 db(a) liegen muss. da im vorliegenden verfahren nur über den gestellten antrag zu entscheiden ist, besteht im übrigen für das gericht auch kein anlass zu ermitteln, mit welchen jeweiligen schallleistungspegeln die vier anlagen des windparks gegebenenfalls nachts in immissionsschutzrechtlich zulässiger weise, aber gleichwohl mit höherem ertrag betrieben werden könnten. 187auch wenn man die zwischenwerte für die grundstücke in zweiter reihe hier nicht bei 38 db(a), sondern höher ansetzte, hält der senat den für eine zulässigkeit des änderungsvorhabens erforderlichen wert von mindestens 39,5 db(a) auf den weiter zurückliegenden grundstücken t1. 9a und 21 aus den oben genannten gründen für jedenfalls zu hoch. damit würde im hinblick auf lärmbeeinträchtigungen praktisch das gesamte reine wohngebiet zu einem allgemeinen wohngebiet gewandelt und der einfluss des außenbereichs auf das gebiet zu hoch bewertet. 188auch allein mit blick auf das hier im verhältnis zum außenbereich geringe prägende gewicht des reinen wohngebiets ist nicht ein einheitlich noch weiter erhöhter zwischenwert für die gesamte wohnbebauung angezeigt. 189vgl. dies nach dem wortlaut von nr. 6.7 ta lärm ausdrücklich für möglich erachtend: vg gießen, beschluss vom 25. märz 2011 - 8 l 50/11.gi -, juris rn. 65. 190denn dies ließe außer betracht, dass hier für die zurückliegenden wohngrundstücke ohne randlage mit zunehmender entfernung zum außenbereich eine geringere prägung und spiegelbildlich eine höhere schutzwürdigkeit einhergeht. 191aus dem erfordernis einer einzelfallprüfung folgt, dass sich die zwischenwerte für wohngrundstücke mit größerer entfernung zum außenbereich - anders als die klägerin wohl meint - nicht ausgehend von dem an der unmittelbaren grenze zum außenbereich gebildeten zwischenwert (hier: 40 db(a)) nach der physikalisch vorgegebenen lärmausbreitung bei windenergieanlagen rechnerisch ermitteln lassen. 192die systematik der gemengelage nach nr. 6.7 ta lärm dient nicht dazu, emissionsträchtigen anlagen ohne einzelfallbezogene berücksichtigung der schutzwürdigkeit hiermit in konflikt stehender wohnnutzung zur genehmigungsfähigkeit zu verhelfen. vielmehr besteht ihr sinn und zweck darin, gebietsbedingte nutzungskonflikte auf der grundlage des gebots zu gegenseitiger rücksichtnahme zu lösen, wobei in einer zwischenwertbildung im sinne der nr. 6.7 abs. 1 satz 1 ta lärm bereits das ausgleichende prinzip eines gegenseitigen nachgebens seinen unmittelbaren ausdruck findet. soweit die klägerin daher vorbringt, die zwischenwerte seien hier über die randlage zum außenbereich hinaus schon deshalb auf das innere des wohngebiets zu erstrecken, weil die zu erwartenden lärmimmissionen auf kurze distanz nur geringfügig abnehmen, trifft dies zwar in tatsächlicher hinsicht zu. denn die von windenergieanlagen ausgehenden schallimmissionen verringern sich der höhe nach erst mit merklich zunehmender entfernung zum immissionsort, so dass von der randlage aus abgestufte zwischenwerte in der tat häufig nicht ausreichend sein werden, um mit blick auf strenger einzuhaltende richtwerte im inneren eines (reinen) wohngebiets schädliche umwelteinwirkungen auszuschließen. 193vgl. hierzu agatz, windenergie-handbuch, 18. ausgabe, dez. 2021, s. 157. 194auf diese weise können die grundstücke, die unmittelbar an den außenbereich grenzen, der sache nach von den lärmrichtwerten profitieren, die im weiter innen liegenden bereich einzuhalten sind. dies ist folge der gebietsbezogenen betrachtung anhand der jeweiligen umstände des einzelfalls und wohl auch der besonderen lärmausbreitungsbedingungen von windenergieanlagen als hohen quellen. das allein führt aber nicht dazu, dass innerhalb einer gemengelage einzuhaltende lärmrichtwerte einseitig zu lasten der wohnnutzung verschoben, also ohne hinreichende berücksichtigung der anhand der konkreten einzelfallumstände zu bemessenden schutzwürdigkeit erhöht werden dürfen. mit der hier vertretenen bewertung läuft die rechtsprechung zur gemengelage nicht ins leere, sondern wird auf den konkreten einzelfall angewandt, allerdings nicht mit dem von der klägerin gewünschten ergebnis. 195für die bildung des zwischenwertes kommt es entgegen der ansicht der klägerin auch nicht darauf an, dass das interimsverfahren im zeitpunkt der antragstellung im jahre 2014 noch nicht entwickelt war und die prognostizierten lärmwerte nach dem damals angewandten alternativen verfahren am t1. 9a und 21 etwa 2 db(a) niedriger lagen. die höhe des immissionsrichtwerts hängt nicht von der immissionsprognose ab, die dessen einhaltung vor erteilung der genehmigung einer lärmemittierenden anlage sichern soll. 196bbb) der zwischenwert ist für die grundstücke t1. 9a (flurstück 332) und t1. 21 (flurstück 234) nicht deswegen weiter zu erhöhen, weil die grundstücke aus westlicher oder nördlicher richtung unmittelbar durch den außenbereich geprägt wären. eine solche prägung vermitteln nicht die (derzeit) unbebauten flächen westlich des plangebiets als sog. außenbereichsinsel (dazu (1)). der nördlich zwischen bebauungsplangebiet und westlicher wohnbebauung gelegene friedhof unterbricht den bebauungszusammenhang ebenfalls nicht; der nördlich der l.----straße beginnende außenbereich setzt sich somit nicht gleichsam als sog. außenbereichszunge in die rückwärtige bebauung fort (dazu (2)). 197(1) von den - ohne einbeziehung der nördlichen friedhofsfläche betrachteten - freiflächen, die westlich des bebauungsplangebiets nr. 22-01 sowie östlich der in der begründung zum bebauungsplan nr. 22-07 als faktisches allgemeines wohngebiet eingeordneten wohnbebauung entlang des t3.------wegs gelegen sind (flurstücke 203, 246 und 279) geht auf die hintere wohnbebauung keine ein erhöhtes maß an rücksichtnahme fordernde prägung aus. 198die nicht überplanten und bisher unbebauten flächen sind nicht als außenbereich im sinne des § 35 baugb zu qualifizieren. sie gehören vielmehr zum innenbereich nach § 34 baugb, da sie den entlang der straßenzüge t2.------weg und t1. nach insoweit übereinstimmender einschätzung der beteiligten und des senats vorhandenen bebauungszusammenhang des ortsteils nicht unterbrechen. 199das baugesetzbuch unterscheidet im hinblick auf die nicht im geltungsbereich eines bebauungsplans liegenden bereiche nur zwischen den im zusammenhang bebauten ortsteilen (§ 34 baugb) und dem außenbereich (§ 35 baugb). ausschlaggebend für das bestehen eines bebauungszusammenhangs im sinne des § 34 baugb in abgrenzung zum außenbereich ist, inwieweit die aufeinanderfolgende bebauung trotz etwa vorhandener baulücken nach der verkehrsauffassung den eindruck der geschlossenheit und zusammengehörigkeit vermittelt und eine - ggf. zur bebauung vorgesehene - fläche (noch) diesem zusammenhang angehört. hierüber ist nicht nach geographisch-mathematischen maßstäben, sondern aufgrund einer umfassenden bewertung des im einzelfall vorliegenden konkreten sachverhalts zu entscheiden. grundlage und ausgangspunkt dieser bewertenden beurteilung sind die tatsächlichen örtlichen gegebenheiten, also insbesondere die vorhandenen baulichen anlagen, sowie darüber hinaus auch andere topographische verhältnisse wie z. b. geländehindernisse, erhebungen oder einschnitte (dämme, böschungen, gräben, flüsse und dergleichen) und straßen. zu berücksichtigen sind nur äußerlich erkennbare umstände, d. h. mit dem auge wahrnehmbare gegebenheiten der vorhandenen bebauung und der übrigen geländeverhältnisse. bei der grenzziehung zwischen innen- und außenbereich geht es darum, inwieweit ein grundstück zur bebauung ansteht und sich aus dem tatsächlich vorhandenen ein hinreichend verlässlicher maßstab für die zulassung weiterer bebauung nach art und maß der baulichen nutzung, der bauweise und der überbaubaren grundstücksfläche gewinnen lässt. die bewertende betrachtung der konkreten tatsächlichen verhältnisse kann sich angesichts dieser vom gesetzgeber vorgegebenen kriterien nur nach optisch wahrnehmbaren merkmalen richten. 200vgl. zusammenfassend: bverwg, beschlüsse vom 8. oktober 2015 - 4 b 28.15 -, juris rn. 5 f., und vom 18. juni 1997 - 4 b 238.96 -, juris rn. 4, jeweils m. w. n. aus der rspr. 201da es für die bauplanungsrechtliche zuordnung allein auf optisch wahrnehmbaren merkmale ankommt, ist für die unterscheidung zwischen einer innen- oder außenbereichszugehörigkeit von grundstücken nicht von bedeutung, ob sich - wie hier - in der nichteinbeziehung einer fläche in den geltungsbereich eines bebauungsplans der wille der gemeinde dokumentiert hat, die zuordnung zum außenbereich festzuschreiben. 202vgl. bverwg urteil vom 28. oktober 1993 - 4 c 5.93 -, juris rn. 14. 203mögliche bestandteile eines bebauungszusammenhanges nach § 34 baugb sind erstens bebaute grundstücke, zweitens unbebaute, aber bebauungsfähige grundstücke (baulücken im engeren sinne) sowie drittens freie flächen, die etwa wegen ihrer natürlichen beschaffenheit (z. b. stehendes oder fließendes gewässer) oder wegen ihrer besonderen zweckbestimmung (z. b. sportplätze, erholungsflächen) einer bebauung entzogen sind. 204vgl. bverwg, urteile vom 30. juni 2015 - 4 c 5.14 -, juris rn. 13, und vom 1. dezember 1972 - iv c 6.71 -, juris rn. 20, jeweils m. w. n. 205solche freien flächen können an einem bebauungszusammenhang teilnehmen, wenn sie den optischen eindruck der geschlossenheit nicht unterbrechen, etwa weil sie als bestandteile einer aufgelockerten bebauung in erscheinung treten. das ist in abhängigkeit von ihrer größe sowie unter besonderer berücksichtigung der jeweiligen örtlichen verhältnisse zu bewerten. 206vgl. bverwg, urteile vom 14. november 1991 - 4 c 1.91 -, juris rn. 21 f., und vom 14. april 1967 - iv c 134.65 -, brs 18 nr. 23, sowie beschluss vom 13. september 2012 - 4 c 4.12 -, juris rn. 6; rieger, in: schrödter, baugb, 9. auflage 2019, § 34 rn. 16. 207ob eine von bebauung umgebene freifläche den bebauungszusammenhang über eine bestimmte distanz aufrechtzuerhalten vermag, hängt auch von dem charakter der umgebungsbebauung ab. 208vgl. bverwg, urteile vom 14. november 1991 - 4 c 1.91 -, juris, rn. 27; ovg nrw, urteil vom 29. oktober 2018 - 10 a 1403/16 -, juris rn. 105; bracher, in: bracher/reidt/schiller, bauplanungsrecht, 8. auflage 2014, rn. 2154; mitschang/reidt, in: battis/krautzberger/löhr, baugb, 15. auflage 2022, § 34 rn. 9; rieger, in: schrödter, baugb, 9. auflage 2019, § 34 rn. 16. 209ausgehend hiervon bilden die genannten freiflächen im rückwärtigen bereich der vorhandenen bebauung keinen außenbereich. bei dieser bewertung stützt sich der senat maßgeblich auf die im ortstermin gewonnenen eindrücke der vorsitzenden und des berichterstatters, die diese den übrigen richtern des senats in der beratung insbesondere anhand zahlreicher lichtbilder vermittelt haben. für die einschätzung des senats ist zunächst zu berücksichtigen, dass das an der ostseite des t3.------wegs gelegene flurstück 203 - nach übereinstimmender einschätzung der beteiligten im ortstermin - teilweise bebaubar ist, da sich ein wohnhaus bis zu der durch die nördliche und südliche bebauung vorgegebenen tiefe ohne weiteres einfügen würde. ebenfalls eine baulücke (im engeren sinne) stellt das nördlich des t1. in „dritter reihe“ befindliche flurstück 279 dar; dieses grundstück wird durch die westlich, südlich und östlich benachbarte wohnbebauung so geprägt, dass ein hinreichend verlässlicher maßstab für eine fortgesetzte bebauung existiert. 210vgl. zu diesem maßstab: bverwg, urteile vom 14. september 1992 - 4 c 15.90 -, juris rn. 12, und vom 29. mai 1981 - 4 c 34.78 -, juris rn. 15 ff. (zu einer lockeren bebauung mit einzelnen häusern auf großen grundstücken). 211relevante nicht bebaubare flächen, die einen außenbereich darstellen könnten, bestehen danach - zusammengenommen - nur noch aus teilen der flurstücke 246 und 203 beginnend mit dem jeweiligen ende des letzten (zulässigen) baukörpers bis hin zur westlichen grenze des reinen wohngebiets. wie sich jedoch sowohl anhand der auswertung von kartenmaterial als auch als ergebnis der inaugenscheinnahme der örtlichkeit ergibt, verfügen diese flächen nicht über ein hinreichendes gewicht, um den bebauungszusammenhang zu unterbrechen. die hier in rede stehenden nicht bebaubaren flächen sind nicht von solcher größe und ausdehnung, dass sie nicht mehr durch die umliegende bebauung geprägt wären, sondern erscheinen noch als bestandteil des sich in westliche richtung an das reine wohngebiet anschließenden innenbereichs. die rückwärtigen freiflächen liegen innerhalb eines siedlungsbereichs, der strukturell durch sehr großzügig geschnittene und mit freistehenden wohnhäusern bebaute grundstücke bestimmt wird. die wohnbebauung ist vor allem in westlicher richtung sehr aufgelockert und wird ganz überwiegend durch eine weiträumige gartennutzung geprägt. trotz einer gewissen ausdehnung begründen die rückwärtigen freiflächen, die nach dem ergebnis der ortsbesichtigung aus einer weitgehend einheitlichen, zum t2.------weg hin nicht abgezäunten rasen‑/wiesenfläche mit einzelnen bäumen und (zier‑)sträuchern bestehen, in anbetracht dieser besonderen gegebenheiten keine so wesentliche lücke, dass der bebauungszusammenhang bis hin zur westlichen grenze des durchführungsplans nr. 22-01 unterbrochen wäre. 212(2) eine unmittelbare außenbereichsprägung der wohngrundstücke t1. 9a und 21 bewirkt ferner nicht die nördlich zwischen innenbereich und bebauungsplangebiet gelegene friedhofsfläche (flurstück 27). auch im zusammenhang mit den südlich angrenzenden freiflächen der flurstücke 203, 246 und 279 unterbricht der friedhof den vorhandenen bebauungszusammenhang nicht, 213vgl. zur einbeziehung auch umliegender grundstücke: ovg berlin, beschluss vom 20. august 1993 - 2 b 7.91 -, juris rn. 7 f., 214so dass er als teil des innenbereichs keine fortsetzung des außenbereichs bewirkt. 215ein friedhof hat zwar grundsätzlich selbst keine prägende wirkung im hinblick auf einen bebauungszusammenhang und kann daher für sich genommen in der regel auch keinen solchen vermitteln. 216„bebauung“ im sinne des § 34 baugb, wonach ein im zusammenhang bebauter ortsteil soweit reicht, wie die aufeinanderfolgende bebauung trotz vorhandener baulücken den eindruck der geschlossenheit vermittelt, ist nicht jede noch so unbedeutende bauliche anlage. innerhalb eines im zusammenhang bebauten ortsteils richtet sich die zulässigkeit eines bauvorhabens, soweit keine planung besteht, gemäß § 34 abs. 1 satz 1 baugb danach, ob es sich nach art und maß der baulichen nutzung, der bauweise und der grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die eigenart der näheren umgebung einfügt. der innere grund für die nach diesen maßstäben sich ergebende zulässigkeit der bebauung innerhalb der im zusammenhang bebauten ortsteile liegt darin, dass nur eine nach der siedlungsstruktur angemessene fortentwicklung der bebauung zugelassen werden soll. dies setzt eine bebauung voraus, die maßstabbildend ist. unter den begriff der „bebauung“ im sinne von § 34 abs. 1 baugb fallen deshalb nur bauliche anlagen, die optisch wahrnehmbar sind und ein gewisses gewicht haben, so dass sie geeignet sind, ein gebiet als einen ortsteil mit einem bestimmten charakter zu prägen. 217vgl. bverwg, urteil vom 14. september 1992 - 4 c 15.90 -, juris rn. 12; ovg nrw, urteil vom 7. november 1996 - 7 a 962/95 -, juris rn. 35. 218eine solche fähigkeit, prägende wirkung in bezug auf das vorliegen eines bebauungszusammenhanges zu entfalten, kommt dem vorliegenden friedhof nicht zu. er weist keine im oben dargestellten sinne maßstabbildende bebauung auf. die auf ihm errichteten grabsteine sind, mögen sie auch gemäß § 2 abs. 1 satz 1 bauo nrw dem landesrechtlichen begriff der baulichen anlagen unterfallen, schon deswegen nach allgemeinem verständnis keine im hier maßgebenden planungsrechtlichen sinne zu verstehende bebauung und sind so gesehen auch kein element eines im zusammenhang bebauten ortsteils, weil sie nicht dem ständigen aufenthalt von (lebenden) menschen dienen. 219vgl. ovg nrw, urteile vom 28. februar 2002 - 3 a 3629/98 -, juris rn. 34, und vom 7. november 1996 - 7 a 962/95 -, juris rn. 38; ovg rh.-pf., urteil vom 9. dezember 2004 - 1 a 11591/04 -, juris rn. 17; ovg berlin-bbg., beschluss vom 27. märz 2014 - ovg 10 s 5.13 -, juris rn. 8. 220ein relevanter bebauungszusammenhang wird auch nicht durch die an der westgrenze des plangebiets vorhandene kapelle vermittelt. diese mag zwar eine maßstabbildende bebauung darstellen können. jedoch ist sie isoliert am rande des friedhofsgeländes zur grenze des reinen wohngebiets hin errichtet und bildet daher lediglich einen bestandteil des bebauungszusammenhangs zwischen der angrenzenden bebauung innerhalb des plangebiets sowie dem nördlich gelegenen wohnhaus (flurstück 28). 221gleichwohl ist die friedhofsfläche samt der sich daran südlich anschließenden freiflächen noch dem westlich des bebauungsplangebiets gelegenen bebauungszusammenhang und damit dem innenbereich zuzurechnen. 222denn nach den vorstehend aufgezeigten maßstäben können selbst im sinne von § 29 abs. 1 baugb unbebaute freiflächen größerer ausdehnung wie sportplätze, schwimmbäder, erholungsflächen, friedhöfe oder stadtparks einem bebauungszusammenhang zuzurechnen sein, wenn sie den optischen eindruck der geschlossenheit nicht unterbrechen. 223vgl. bverwg, urteile vom 9. november 2005 - 4 b 67.05 -, juris rn. 3 (zu einer splitterbebauung im außenbereich), vom 14. september 1992 - 4 c 15.90 -, juris rn. 13 (zu einer schotterfläche) m. w. n., und vom 12. juli 1967 - iv c 135/65 -, brs 28 nr. 23; ovg nrw, urteil vom 7. november 1996 - 7 a 962/95 -, juris rn. 39 (zu einem friedhof), m. w. n.; ovg rh.-pf., urteil vom 9. dezember 2004 - 1 a 11591/04 -, juris rn. 17 (zu einem friedhof); bracher/reidt/schiller, bauplanungsrecht, 8. auflage 2014, rn. 2154 f. 224dies zu grunde gelegt, ist die friedhofsfläche samt der sich daran südlich anschließenden freiflächen noch dem westlich des bebauungsplangebiets gelegenen unbeplanten innenbereich zuzurechnen. die vom senat durchgeführte ortsbesichtigung hat die schon aufgrund von lageplänen und luftbildern sich ergebende annahme bestätigt, dass diese flächen am eindruck der geschlossenheit und zusammengehörigkeit der bebauung teilnehmen. eine unterbrechende wirkung besteht nach den sich äußerlich darbietenden gegebenheiten nicht. der friedhof wie auch die dahinter befindlichen wiesenflächen liegen innerhalb einer ländlich geprägten siedlungsstruktur, die - vor allem entlang des t3.------wegs - durch eine stark aufgelockerte bauweise und großzügig geschnittene grundstücke bestimmt ist. in den so vorgegebenen rahmen reiht sich die friedhofsfläche ein, ohne dass hierdurch der eindruck einer räumlichen trennung zwischen dem reinen wohngebiet und der entlang des t3.------wegs vorhandenen bebauung entsteht. dies gilt auch mit blick auf die den friedhof umgebende hecke nach süden und westen (nicht: mauer), die hinsichtlich art und größe anderen hecken im gebiet ähnelt. 225die kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 abs. 2, 162 abs. 3 vwgo. es entspricht nicht der billigkeit, die außergerichtlichen kosten der beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, weil sie keinen antrag gestellt und sich damit keinem kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 abs. 3 vwgo). 226die entscheidung zur vorläufigen vollstreckbarkeit beruht auf § 167 vwgo i. v. m. den §§ 708 nr. 10, 711 sätze 1 und 2, 709 satz 2 zpo. 227die voraussetzungen für die zulassung der revision nach § 132 abs. 2 vwgo liegen nicht vor.
345,067
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10 D 17/20.NE
2022-04-14T00:00:00
Urteil
Tenor Der Bebauungsplan Nr. Teil 7 Abschnitt 1 Bahnhof B. der Stadt B. ist unwirksam. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 von Hundert des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Antragstellerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 von Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Revision wird nicht zugelassen. 1Tatbestand: 2Die Antragstellerin wendet sich gegen den Bebauungsplan Nr. Teil 7 Abschnitt 1 Bahnhof B. der Antragsgegnerin (im Folgenden: Bebauungsplan). Sie ist Eigentümerin des im nördlichen Teil des Plangebiets liegenden Grundstücks Gemarkung B., Flur 17, Flurstück 641. Der Geschäftsführer der Antragstellerin, Herr C. T., ist Inhaber des einzelkaufmännischen Unternehmens H. T., das am Standort I. Straße 2 eine immissionsschutzrechtlich genehmigte Anlage zur Behandlung (Verwertung), Lagerung und für den Umschlag von Abfällen betreibt. Das Flurstück 641 hat die Antragstellerin durch notariellen Kaufvertrag vom 23. Dezember 2009 von der O. erworben. 3Das circa 4,8 ha große, über rund 800 m langgestreckte Plangebiet mit einer maximalen Breite von etwa 80 m umfasst die in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Gleisanlagen der Deutschen Bahn im Bereich des Bahnhofs B. und die jeweils westlich und östlich daran angrenzenden Flächen. Seine nördliche Grenze liegt etwas nördlich des Bahnhofsgebäudes, seine südliche Grenze an der T1. Straße. Die unmittelbar östlich des Plangebiets anschließenden Flächen sind überwiegend gewerblich genutzt und als Gewerbe- oder Industriegebiet, im Süden als Mischgebiet festgesetzt. Westlich des Plangebiets liegt zwischen den Straßen I1. im Norden und der E.-Straße im Süden der „Wohn- und Dienstleistungsstandort K.“. In dem zugehörigen Bebauungsplan sind die für eine Bebauung vorgesehenen Flächen entlang der Straßen I1. und Q.-straße als Sondergebiet mit der Zweckbestimmung Dienstleistungsgebiet, das der Unterbringung von öffentlichen und privaten Dienstleistungsbetrieben dienen soll, und im Übrigen als allgemeines Wohngebiet festgesetzt. Die für die Bebauung vorgesehenen Flächen westlich der Q.-straße sind zwischen der E.-Straße und der I2. in einem weiteren Bebauungsplan als allgemeines Wohngebiet festgesetzt. 4Der Regionalplan Münsterland stellt das Plangebiet als Personenverkehrsstrecke vorwiegend für den regionalen Verkehr und die östlich angrenzenden Flächen als Bereich für gewerbliche und industrielle Nutzungen (GIB) dar. 5Im Flächennutzungsplan ist das Plangebiet als Fläche für Betriebsanlagen der Eisenbahn und als gewerbliche Baufläche dargestellt. 6Der Rat beschloss in seiner Sitzung am 27. Januar 2010 die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. Teil 7 – Bahnhof B. –. Der Aufstellungsbeschluss wurde im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 20. September 2018 und im Amtsblatt vom 8. November 2018 ein weiteres Mal bekannt gemacht. Der Rat billigte am 12. Dezember 2018 den Entwurf des Bebauungsplans mit der Begründung. Der Entwurf des Bebauungsplans mit der Begründung lag nach der Bekanntmachung im Amtsblatt vom 19. Dezember 2018 in der Zeit vom 27. Dezember 2018 bis zum 1. Februar 2019 öffentlich aus. Parallel dazu fand die Beteiligung der Behörden und der sonstigen Träger öffentlicher Belange statt. Der nach der ersten öffentlichen Auslegung geänderte Entwurf des Bebauungsplans mit der Begründung wurde aufgrund der Bekanntmachung im Amtsblatt vom 20. März 2019 in der Zeit vom 28. März 2019 bis zum 29. April 2019 erneut öffentlich ausgelegt. Parallel dazu fand eine erneute Beteiligung der Behörden und der sonstigen Träger öffentlicher Belange statt. Eine weitere öffentliche Auslegung des wiederum geänderten Planentwurfs mit Begründung erfolgte nach der Bekanntmachung im Amtsblatt in der Zeit vom 26. Juni 2019 bis zum 12. Juli 2019. Der Rat beschloss den Bebauungsplan in seiner Sitzung am 10. September 2019 als Satzung. Der Satzungsbeschluss wurde im Amtsblatt vom 18. September 2019 bekannt gemacht. 7Die Planurkunde zeigt zwei Darstellungen des Plangebiets. Die linke Darstellung enthält Festsetzungen und Kennzeichnungen für die im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses gegenwärtige Situation, in der der überwiegende Teil des Plangebiets der Eisenbahnfachplanung unterfällt. Die rechte Darstellung, als Beiblatt 1 bezeichnet, enthält Festsetzungen und Kennzeichnungen für den Fall, dass Teile der in der linken Darstellung als Bahnanlagen gekennzeichnete Flächen aus dem Regime der Fachplanung entlassen werden. 8In der linken Darstellung sind die der Eisenbahnfachplanung unterfallenden Flächen im Westen des Plangebiets farblich als Flächen für Bahnanlagen gekennzeichnet, wobei der östliche Teil dieser Kennzeichnung schraffiert ist. Die Schraffur bedeutet nach der Legende der Planurkunde, dass es sich um Flächen handelt, auf denen Nutzungen, Betriebe und Anlagen ohne Bahnbetriebsbezogenheit, soweit sie der in Beiblatt 1 dargestellten Folgenutzung widersprechen, nicht zulässig sind. Der östliche Teil des Plangebiets ist im äußersten Süden als Mischgebiet und im Übrigen als Gewerbegebiet festgesetzt, das in die Teilgebiete GE1, GE2 und GE3 unterteilt ist. Im GE1 sind ausschließlich Lagerplätze zulässig (textliche Festsetzung 01). Die Höhe baulicher Anlagen ist im GE1 auf 2,50 m, im GE2 auf 7,60 m und im GE3 auf 10,20 m beschränkt (textliche Festsetzung 03 (1) bis (3)). Die überbaubaren Grundstücksflächen sind in allen festgesetzten Baugebieten durch Baugrenzen bestimmt. Auf gesondert abgegrenzten Teilflächen des Gewerbegebiets sind Betriebe und Anlagen bestimmter Abstandsklassen nach der Abstandsliste zum Abstandserlass NRW nicht zulässig. Die für das Mischgebiet festgesetzte überbaubare Grundstücksfläche ist nur wenige Quadratmeter groß. Sie ist identisch mit dem Umriss einer Ecke des ganz überwiegend außerhalb des Plangebiets stehenden Hauses T2.-straße 1a, die in das Plangebiet hineinragt. 9In der rechten Darstellung des Plangebiets sind die Flächen, die in der linken Darstellung schraffiert sind, nicht als Flächen für Bahnanlagen gekennzeichnet, sondern – von Westen nach Osten – als „Öffentliche Grünfläche – Sichtschutzanlage“, als „Zaunanlage“ und als Gewerbegebiet (GE1) festgesetzt. Für die Zaunanlage bestimmt der Bebauungsplan eine Höhe von 2,50 m als Mindestmaß. Sie ist als Stabgitterzaun in den Farben anthrazit oder grün auszuführen (textliche Festsetzung 06) und an ihrer Westseite vollflächig mit standortheimischen, ausdauernden und immergrünen Kletterpflanzen – zum Beispiel Efeu – zu begrünen (textliche Festsetzung 07). Auf der Planurkunde ist eine Systemskizze in Form einer Schnittzeichnung der vorgegebenen Sichtschutzanlage mit Maßangaben aufgedruckt. Danach bildet der Zaun den östlichen Abschluss der 4,0 m breiten öffentlichen Grünfläche. Im Abstand von jeweils 2,0 m zum Zaun beziehungsweise zum westlichen Rand der öffentlichen Grünfläche sollen an festgesetzten Standorten standortheimische Laubbäume (Hochstamm) mit einem vorgegebenen Stammumfang gepflanzt werden (textliche Festsetzung 05). Die westliche Baugrenze im GE1 ist im Abstand von 3,0 m zu der öffentlichen Grünfläche und zu dem sie nach Osten hin abschließenden Zaun festgesetzt. Hinsichtlich der auf 2,50 m begrenzten Höhe baulicher Anlagen im GE1 kann ausnahmsweise eine Abweichung zugelassen werden, soweit die Höhe der Sichtschutzanlage nicht überschritten wird (textliche Festsetzung 03 (4)). Die in der rechten Darstellung des Plangebiets festgesetzte Folgenutzung der Bahnanlagen ist erst nach deren Freistellung von Bahnbetriebszwecken durch Erlass eines Freistellungsbescheids zulässig (textliche Festsetzung 10 (1)). Die Folgenutzung als Gewerbegebiet einschließlich vorbereitender Maßnahmen ist erst zulässig, wenn die Sichtschutzanlage auf der öffentlichen Grünfläche fertiggestellt ist (textliche Festsetzung 10 (2)). Die Abgrenzung von Teilflächen des Gewerbegebiets, in denen Betriebe und Anlagen bestimmter Abstandsklassen nach der Abstandsliste zum Abstandserlass NRW nicht zulässig sind, wird für die östlich der öffentlichen Grünfläche mit der Zaunanlage festgesetzten Gewerbegebietsflächen, die in der linken Darstellung noch zu den schraffierten Flächen gehören, fortgesetzt. Im Übrigen entsprechen die Festsetzungen denen in der linken Darstellung des Plangebiets. 10In der Planbegründung heißt es: Die O. habe Ende 2009 die brachliegenden Bahnflächen östlich der Gleisanlagen ungeachtet ihrer eisenbahnrechtlichen Widmung veräußert. Die neuen Grundstückseigentümer beabsichtigten, die Flächen gewerblich zu nutzen, was die Aufstellung eines Bebauungsplans erforderlich mache. Bereits am 26. Mai 2009 habe der Rat den städtebaulichen Rahmenplan Q.-straße beschlossen, dessen Gegenstand die Entwicklung eines Wohn- und Dienstleistungsstandorts, des K1., sei. Zur Umsetzung des Rahmenplans habe der Rat am 18. November 2010 den Bebauungsplan Nr. Teil 1 – K. – sowie am 22. März 2011 die 2. Änderung des Bebauungsplans Nr. Teil 2 – T3.-T4. – beschlossen. Durch ein Heranrücken der auf den ehemaligen Bahnflächen geplanten gewerblichen Nutzungen an das K. sei das Ziel des Rahmenplans, es zu einem Wohn- und Dienstleistungsstandort zu entwickeln, tendenziell gefährdet. Dabei seien neben den von den gewerblichen Nutzungen möglicherweise ausgehenden Immissionen insbesondere visuelle Beeinträchtigungen der Bewohner und sonstigen Nutzer der Gebäude im künftigen K. von Bedeutung. Es sei beabsichtigt, auch für das weitere Bahnhofsumfeld einen städtebaulichen Rahmenplan aufzustellen, um die mit der Modernisierung des Bahnhofs verbundenen Impulse für die städtebauliche Entwicklung seines Umfeldes nutzbar zu machen. Gewerbliche Nutzungen unmittelbar östlich der Gleisanlagen würden diese gewollte städtebauliche Aufwertung zumindest erschweren. Zur Verwirklichung der beschriebenen Entwicklungsziele sehe der Bebauungsplan die Errichtung einer Sichtschutzanlage unmittelbar östlich der Bahnanlagen vor. Dazu solle ein mindestens 4,0 m breiter bepflanzter Grünstreifen mit einem Zaun angelegt werden. Der Grünstreifen werde als öffentliche Grünfläche, die übrigen Flächen im Plangebiet würden überwiegend als Gewerbegebiet festgesetzt. Um zu verhindern, dass die gewerbliche Bebauung näher an die schutzbedürftigen künftigen Nutzungen westlich der Gleisanlagen heranrücke, sollten die als Gewerbegebiet festgesetzten Flächen weitgehend von Bebauung freigehalten werden. Deshalb werde die dort zulässige Nutzung ihrer Art nach eingeschränkt sowie die Höhe baulicher Anlagen begrenzt. Auf diese Weise solle ein städtebaulich geordneter Übergang zwischen den Wohn- und Dienstleistungsnutzungen im Umfeld des Bahnhofs und dem Gewerbegebiet östlich der Gleisanlagen geschaffen werden. Trotz der Festsetzung der öffentlichen Grünfläche bleibe die private Nutzbarkeit der Flächen im Plangebiet zum größten Teil erhalten. Die Antragsgegnerin trage die Kosten der Sichtschutzanlage. Die Eigentümer der Grundstücke im festgesetzten Gewerbegebiet hätten sich gegenüber der O. ohnehin verpflichtet, diese Grundstücke zu den Gleisanlagen hin einzufrieden. Sie könnten von der Antragsgegnerin die Übernahme der als öffentliche Grünfläche festgesetzten Flächen verlangen. Überdies sei ihnen ein Flächentausch angeboten worden. Um schädliche Umwelteinwirkungen auf schutzbedürftige Nutzungen außerhalb des Plangebiets soweit wie möglich zu vermeiden, sei das Gewerbegebiet auf der Grundlage der Abstandsliste zum Abstandserlass NRW hinsichtlich der Zulässigkeit von Betrieben und Anlagen bestimmter Abstandsklassen gegliedert. Die allgemeine Zweckbestimmung des Gewerbegebiets sei trotz dieser Gliederung gewahrt. 11Die Antragstellerin, die mit Schreiben vom 2. Januar 2019 Einwendungen gegen die Planung erhoben hatte, hat am 2. März 2020 den Normenkontrollantrag gestellt. 12Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: 13Der Bebauungsplan sei nicht erforderlich, soweit er für ihr Flurstück 641 nur Lagerplätze zulasse. Die Festsetzung einer einzigen möglichen gewerblichen Nutzung, die den Grundeigentümer vor die Wahl stelle, sein Grundstück im fremden Interesse auf diese Weise oder gar nicht zu nutzen, stelle keine anzuerkennende Form städtebaulicher Ordnung oder Entwicklung dar. Selbst wenn das Grundstück tatsächlich der Festsetzung entsprechend genutzt werden sollte, änderte sich daran nichts, denn die Festsetzung solle die Nutzung auf unabsehbare Zeit auch für den Fall festschreiben, dass das private Interesse an einer Nutzung als Lagerplatz wegfalle. Zur Gewährleistung einer städtebaulichen Ordnung habe der Gesetzgeber einen Katalog von Baugebietstypen und zur weiteren notwendigen Differenzierung das Instrumentarium des § 1 Abs. 5 bis 9 BauNVO zur Verfügung gestellt. Durch die Reduzierung auf nur eine Nutzungsart könne der Plangeber, worauf die Bauleitplanung grundsätzlich nicht angelegt sei, im Wege der Angebotsplanung eine bestimmte Nutzung von Grundstücken quasi erzwingen, was der Baunutzungsverordnung und den Baugebietsfestsetzungen fremd sei. 14Die Gliederung des Gewerbegebiets nach der Abstandsliste zum Abstandserlass NRW sei unwirksam. 15Nichts anderes gelte für die Festsetzung des Mischgebiets im Süden des Plangebiets. Auch unter Berücksichtigung der östlich angrenzenden Bebauung außerhalb des Plangebiets werde sich dort die notwendige Durchmischung von Wohnen und Gewerbe nicht einstellen. Die erforderlichen Festsetzungen zur Zahl der zulässigen Vollgeschosse oder zur Höhe baulicher Anlagen treffe der Bebauungsplan für das Mischgebiet nicht. 16Der Bebauungsplan beruhe auf einer fehlerhaften Abwägung. 17Soweit er für Grundstücke im GE1 nur eine Nutzung als Lagerplatz zulasse, sei diese dauerhafte Einschränkung durch das Ziel, einen städtebaulich geordneten Übergang zu den Wohn- und Dienstleistungsnutzungen westlich der Gleisanlagen in Form eines Ausschlusses störender oder visuell beeinträchtigender Nutzungen zu schaffen, nicht gerechtfertigt. Die Einschränkung stehe außer Verhältnis zu dem Zweck, dessen Verwirklichung sie diene. Die Zulassung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich störten, von eingeschossigen Bürogebäuden, von Stellplätzen oder von ähnlichen Nutzungen wäre möglich, ohne dass das besagte Planungsziel gefährdet wäre. Auch hätte die maximal zulässige Höhe baulicher Anlagen ohne negative Auswirkungen auf das Planungsziel maßvoll auf 2,75 m oder 3,0 m festgesetzt werden können, zumal auf der festgesetzten öffentlichen Grünfläche die Pflanzung von vier bis sechs Meter hohen Bäumen vorgegeben sei. 18Sie beabsichtige, auf dem Flurstück 641 einen Lagerplatz zu errichten, der in einem betrieblichen Zusammenhang mit der nördlich gelegenen Anlage des Unternehmens H. T. stehen solle. Ein Interesse an dem Betrieb eines selbstständigen Lagerplatzes habe sie nicht. Auf der Grundlage des Bebauungsplans könne sie ihre betrieblichen Ziele nicht verwirklichen. Dies habe die Antragsgegnerin verkannt. 19Bei der Festsetzung der überbaren Grundstücksfläche im Mischgebiet sei das Interesse an einer wirtschaftlichen Nutzung der dortigen Grundstücke nicht beachtet worden. Für eine derart rigide Einschränkung der baulichen Nutzung gebe es keine städtebaulichen Gründe. Um eine visuelle Abschirmung könne es ganz im Süden des Plangebiets, fernab vom Umfeld des Bahnhofs, nicht gehen. Der Rat habe folgerichtig darauf verzichtet, die der Abschirmung dienende öffentliche Grünfläche und den Zaun auch im Mischgebiet vorzusehen. 20Die Festsetzung der öffentlichen Grünfläche und des Zauns auf ihrem Flurstück 642 sei ein erheblicher Eingriff in ihr Eigentum, der sich durch den gewollten „Milieuschutz“ zugunsten der künftigen Nutzungen westlich der Gleisanlagen nicht rechtfertigten lasse. Zur Erreichung dieses Planungsziels hätte es andere Lösungen gegeben, die ihr Eigentumsrecht deutlich weniger beeinträchtigt hätten. 21Die textliche Festsetzung 10, wonach die Folgenutzung als Gewerbegebiet erst nach der Fertigstellung der Sichtschutzanlage zulässig sei, berücksichtige nicht, dass die Eigentümer der Grundstücke im Gewerbegebiet keinen Einfluss auf die Fertigstellung der Sichtschutzanlage hätten beziehungsweise es ihnen nicht zugemutet werden könne, eine solche Anlage auf eigene Kosten zu errichten. 22Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich, 23den Bebauungsplan Nr. Teil 7 Abschnitt 1 Bahnhof B. der Antragsgegnerin für unwirksam zu erklären. 24Die Antragsgegnerin beantragt schriftsätzlich, 25den Antrag abzulehnen. 26Von einer Antragserwiderung hat sie abgesehen. 27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Aufstellungsvorgänge (Beiakten Hefte 1 bis 6 zum Parallelverfahren 10 D 16/20.NE) Bezug genommen. 28Entscheidungsgründe: 29Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch die Berichterstatterin. 30Der Antrag hat Erfolg. 31Er ist zulässig. 32Die Antragstellerin ist als Eigentümerin eines im Plangebiet liegenden Grundstücks nach § 47 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. 33Der Antrag ist auch begründet. 34Der Bebauungsplan ist unwirksam. Er hat beachtliche materielle Mängel. 35Allerdings ist er von seiner Grundkonzeption her im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB städtebaulich gerechtfertigt. 36Nach dieser Vorschrift haben die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Welche städtebaulichen Ziele die Gemeinde sich setzt, liegt in ihrem planerischen Ermessen. Die erforderliche Planrechtfertigung ist gegeben, wenn der Bebauungsplan nach seinem Inhalt auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung ausgerichtet und nach der planerischen Konzeption der zur Planung berufenen Gemeinde als Mittel hierfür erforderlich ist. Nicht erforderlich ist ein Bebauungsplan in aller Regel erst, wenn er nicht dem wahren Willen der Gemeinde entspricht, weil zwischen Planungswillen und Planungsinhalt eine Diskrepanz besteht, bei groben und einigermaßen offensichtlichen, von keiner nachvollziehbaren positiven Planungskonzeption getragenen planerischen Missgriffen, oder wenn der Plan auf unabsehbare Zeit vollzugsunfähig ist. 37Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Mai 2015 – 4 CN 4.14 –, juris, Rn. 10. 38Dem Bebauungsplan liegt ausweislich der Planbegründung eine von städtebaulich legitimen Zielen getragene positive Planungskonzeption zugrunde. Der Rat will einen städtebaulich geordneten Übergang zwischen dem neu zu gestaltenden Bahnhofsumfeld einschließlich der Wohn- und Dienstleistungsnutzungen entlang der Q.-straße und den östlich der Gleisanlagen gelegenen gewerblich genutzten Flächen schaffen und damit das Bahnhofsumfeld und den „Wohn- und Dienstleistungsstandort K.“ vor Beeinträchtigungen durch eine gewerbliche Nutzung der Flächen östlich der Gleisanlagen bewahren (§ 1 Abs. 6 Nr. 4 und Nr. 7 Buchstabe c) BauGB). 39Der Bebauungsplan beruht jedoch auf beachtlichen Fehlern bei der nach § 1 Abs. 7 BauGB gebotenen Abwägung. 40Gemäß § 1 Abs. 7 BauGB sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Das Abwägungsgebot umfasst als Verfahrensnorm das Gebot zur Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials (§ 2 Abs. 3 BauGB) und stellt inhaltlich Anforderungen an den Abwägungsvorgang und an das Abwägungsergebnis. Es ist verletzt, wenn eine sachgerechte Abwägung überhaupt nicht stattfindet, wenn in die Abwägung Belange nicht eingestellt werden, die nach Lage der Dinge hätten eingestellt werden müssen, wenn die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens ist dem Abwägungserfordernis genügt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde im Widerstreit verschiedener Belange für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung des anderen Belangs entscheidet. 41Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. September 2015 – 10 D 82/13.NE –, juris, Rn. 30. 42Eine ordnungsgemäße städtebauliche Planung setzt, gerade wenn sie die Belange Privater nicht unerheblich beeinträchtigt, voraus, dass städtebaulich beachtliche Allgemeinbelange von hinreichendem Gewicht für sie sprechen. Das durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Eigentumsrecht gehört in hervorgehobener Weise zu den bei der Bauleitplanung zu berücksichtigenden privaten Belangen. Es schützt nicht nur die Substanz des Eigentums, sondern erfordert auch die Beachtung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des allgemeinen Gleichheitssatzes, wenn die Ausübung des Eigentumsrechts eingeschränkt werden soll. Die Nutzungsmöglichkeiten, die die Eigentümer der im Plangebiet gelegenen Grundstücke bisher hatten, sind, wie auch diejenigen, die ihnen nach der Planung verbleiben sollen, als wichtige private Belange in die Abwägung einzustellen. 43Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Mai 2013 – 4 BN 1.13 –, juris, Rn. 17. 44Soll ein privates Grundstück fremdnützig überplant werden, muss die Gemeinde, will sie eine Verletzung des Eigentumsrechts vermeiden, den geringstmöglichen Eingriff wählen, um dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu genügen. Ein mit der Aufstellung eines Bebauungsplans verbundener hoheitlichen Eingriff in das Eigentumsrecht muss, wenn er verhältnismäßig sein soll, geeignet sein, das Planungsziel zu erreichen, er muss in dem Sinne erforderlich sein, dass er das den Eigentümer am wenigsten belastende Mittel darstellt, und er muss darauf achten, dass Schwere und Nutzen des Eingriffs in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Bei der fremdnützigen Überplanung von Grundstücken muss also stets geprüft werden, ob es ein milderes Mittel gibt, das zur Zweckerreichung annähernd gleich geeignet ist, den Eigentümer aber weniger belastet, und ob es gewichtige öffentliche Belange gibt, hinter denen die Interessen des Eigentümers zurückstehen müssen. 45Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2002 – 1 BvR 1402/01 –, juris, Rn. 17; BVerwG, Urteil vom 6. Juni 2002 – 4 CN 6.01 –, juris, Rn. 10 und 13; OVG NRW, Urteile vom 21. Januar 2021 – 10 D 104/18.NE –, juris, Rn. 78, vom 27. Mai 2013 – 2 D 37/12.NE –, juris, Rn. 168, vom 17. Februar 2012 – 2 D 49/10.NE –, juris, Rn. 125, und vom 16. September 2005 – 7 D 62/04.NE –, juris, Rn. 112 ff. 46Davon ausgehend war die Abwägung im Hinblick auf die Eigentümerinteressen sowohl hinsichtlich der Festsetzung eines Teils des Plangebiets als öffentliche Grünfläche als auch hinsichtlich der Festsetzungen für das GE1, soweit dort nur Lagerplätze zulässig sind und die Höhe baulicher Anlagen auf 2,50 m beschränkt ist, fehlerhaft. Dies gilt auch, soweit in dem Mischgebiet nur eine sehr kleine überbaubare Grundstücksfläche festgesetzt ist. Diese Fehler haben die Unwirksamkeit der jeweiligen Festsetzungen zur Folge. 47Der Rat hat die für und gegen die Festsetzung der besagten öffentlichen Grünfläche mit der Zweckbestimmung „Sichtschutzanlage“ sprechenden Belange nicht hinreichend ermittelt und sie auch nicht ihrem objektiven Gewicht entsprechend in die Abwägung eingestellt. 48Grundsätzlich ist es der Gemeinde unbenommen, die Verwirklichung der städtebaulichen Entwicklung, die ihr für einen bestimmten Teil des Gemeindegebiets konkret vorschwebt, im Wege der Bauleitplanung zu sichern. Dazu kann sie in Bebauungsplänen auch Festsetzungen treffen, die Flächen, deren jeweilige tatsächliche oder geplante Nutzungen nach ihren Vorstellungen städtebaulich nicht miteinander harmonieren oder sich nicht vertragen, voneinander trennen. Eine solche Trennung kann gegebenenfalls auch durch Festsetzungen bewerkstelligt werden, die nach dem Willen der Gemeinde ausschließlich auf eine optische Abschirmung der einen gegenüber der anderen Fläche abzielen. So können unter Umständen geordnete städtebauliche Strukturen geschaffen werden, die die Qualität der jeweils unterschiedlich genutzten Bereiche mit ihren jeweiligen Nutzungen beziehungsweise Nutzungsschwerpunkten stärken. 49Soweit der Rat hier mit der Festsetzung der öffentlichen Grünfläche mit der Zweckbestimmung „Sichtschutzanlage“ gerade auch darauf abzielt, visuelle Beeinträchtigungen „des Wohn- und Dienstleistungsstandorts K.“ zu vermeiden, fehlt es jedoch an einer ausreichenden Ermittlung der insoweit maßgeblichen Umstände, die überdies zu einer Fehlgewichtung des Belangs geführt haben. 50In der Planbegründung heißt es, dass visuellen Beeinträchtigungen nicht nur „auf Erdgeschosshöhe“, sondern auch in den oberen Geschossen der Gebäude im K. begegnet werden solle (Planbegründung Seite 17 unten). Was der Rat unter einer visuellen Beeinträchtigung versteht, ergibt sich aus der Planbegründung nicht. Der von ihm verwendete Begriff der „Sichtschutzanlage“ ist wohl verfehlt, denn hierunter versteht man üblicherweise eine Anlage, die in erster Linie eine Fläche oder ein Objekt und deren Nutzer vor fremden Blicken schützen soll. Hier ist das Gegenteil gewollt. Es sollen die Flächen, die im GE1 liegen, und die mit ihrer zugelassenen gewerblichen Nutzung ermöglichten Aktivitäten so nach außen hin abgeschirmt werden, dass ihr vom Rat pauschal als unschön oder gar hässlich bewerteter Anblick die aktuellen oder künftigen Bewohner und sonstigen Nutzer der auf den Grundstücken westlich der Gleisanlagen vorhandenen oder geplanten Gebäude nicht stören und schlimmstenfalls dazu veranlassen kann, die Nutzung aufzugeben oder gar nicht erst aufzunehmen. Schon die grundlegende Annahme des Rates, dass die optische Wahrnehmung einer jeglichen gewerblichen Nutzung auf den vergleichsweise weit entfernten Flächen im GE1 aus den Fenstern der Gebäude im K. derart störend sei, dass sie die Qualität der Nutzung dieser Gebäude erheblich herabsetze, ist aus verschiedenen Gründen fragwürdig. Der Rat hat es unterlassen, sich ein genaues Bild davon zu machen, welchen Schutz die Nutzungen westlich der Q.-straße – ausgehend von seinen planerischen Zielen – überhaupt benötigen und mit welchen planerischen Mitteln ein solcher Schutzbedarf umgesetzt werden kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es wohl keinen unmittelbaren planungsrechtlichen Ansatz dafür gibt, dass der einzelne Nutzer eines Gebäudes in einem festgesetzten Baugebiet davor geschützt werden muss, beim Blick aus einem Fenster des Gebäudes oder beim Blick von einem Balkon oder von einer Terrasse aus den unschönen oder hässlichen Anblick eines in einiger Entfernung stehenden anderen Gebäudes oder der Nutzung einer Freifläche zu ertragen. Der entsprechende Schutzbedarf einer Bebauung kann sich mithin nur daraus ergeben, dass, würde diese nicht vor dem besagten unschönen oder hässlichen Anblick abgeschirmt, sie sich entgegen der städtebaulichen Vorstellungen der Gemeinde nur schwer oder gar nicht verwirklichen ließe oder – wenn sie bereits vorhanden ist – sie zumindest die ihr zugedachte städtebauliche Funktion einbüßen könnte. Ausweislich der Planbegründung befinden sich in dem Bereich nördlich der Straße I1., der im Flächennutzungsplan als gemischte Baufläche dargestellt ist, Einrichtungen der U. Inwieweit diese Einrichtungen in der Nachbarschaft des K1. dessen Schutzwürdigkeit im Hinblick auf die optischen Einwirkungen gewerblicher Nutzungen herabsetzt, hat der Rat nicht untersucht. Er hat sich auch nicht dazu verhalten, dass der Bebauungsplan Nr. Teil 1 – K. – die Flächen zwischen der Straße I1. und der E.-Straße, die westlich an die Q.-straße angrenzen, als Sondergebiet mit der Zweckbestimmung Dienstleistungsgebiet festsetzt, in dem nach Nr. 2 der dortigen textlichen Festsetzungen Büro- und Verwaltungsgebäude sowie Gebäude für freie Berufe im Sinne des § 13 BauNVO und Wohnungen nur für Aufsichts- und Bereitschaftspersonal sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter zulässig sind. Die dortigen Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung, insbesondere zur zwingend vorgegebenen Anzahl der Vollgeschosse zusammen mit der Gebäudehöhe und der Dachform, bewirken im Falle ihrer Umsetzung, dass die in dem Sondergebiet errichteten Gebäude die künftigen Wohngebäude in den weiter westlich festgesetzten allgemeinen Wohngebieten gegenüber der Q.-straße, den östlich daran angrenzenden Gleisanlagen und den noch weiter östlich gelegenen Flächen und ihren baulichen Nutzungen abschirmen. Darüber hinaus sieht der Bebauungsplan Nr. Teil 1 – K. – Flächen für Anpflanzungen westlich der Q.-straße vor. Im südlichen Teil seines Plangebiets ist in einem Teilbereich westlich der Q.-straße eine öffentliche Grünfläche und im nördlichen Teil – östlich der Q.-straße – eine öffentliche Verkehrsfläche (Parkfläche) festgesetzt, die ausweislich ihrer Bezeichnung als „Grünanlage“ ebenfalls begrünt werden soll und nach den verfügbaren Luftbilder tatsächlich begrünt ist. Im südlichen Teil seines Plangebiets ist östlich der Q.-straße ebenfalls ein Streifen als öffentliche Grünfläche festgesetzt. Der Bebauungsplan Nr. Teil 2 – T5.-T4. – setzt zwischen der E.-Straße und der Straße T4. Flächen für Anpflanzungen fest. Es ist nicht erkennbar, dass der Rat diese planerische und tatsächliche Situation in die Bewertung der Schutzbedürftigkeit des K1. hat einfließen lassen. 51Der Rat hat es zudem versäumt, sich ein ausreichend genaues Bild über die Wirkungen zu verschaffen, die mit der festgesetzten „Sichtschutzanlage“ zugunsten des K1. erreicht werden können. Alternative Standorte für die „Sichtschutzanlage“ hat er nicht genügend auf ihre Eignung untersucht. Ausweislich der Planbegründung hat er zwar erwogen, Abschirmungen entlang der Q.-straße vorzusehen, eine solche Lösung aber verworfen, weil derartige Abschirmungen zum Schutz der oberen Stockwerke der bis zu viergeschossigen Bebauung im K. nicht ausreichten (Seite 17 der Planbegründung). Welche zusätzliche Abschirmung die festgesetzte „Sichtschutzanlage“ gerade für die Bewohner beziehungsweise sonstigen Nutzer der oberen Geschosse der Gebäude westlich der Q.-straße im Vergleich zu einer Abschirmung durch eine vergleichbare Anlage an anderer Stelle bewirken wird, hat der Rat nicht ansatzweise ermittelt. Angesichts der in Rede stehenden Entfernungen der (künftigen) Gebäude im K. sowohl zu den Gleisanlagen als auch zu dem östlich daran angrenzenden Gewerbegebiet und der vergleichsweise geringen Höhe des festgesetzten Zauns, lässt sich das Ausmaß der mit der „Sichtschutzanlage“ gewollten Abschirmung auch unter Berücksichtigung der vorgegebenen lückenhaften Anpflanzungen von Einzelbäumen, die eine Höhe von vier bis sechs Meter erreichen sollen, nicht bloß abschätzen. Hinsichtlich der jenseits der Plangebietsgrenze weiter östlich gelegenen vorhandenen gewerblich genutzten Gebäude hätte die „Sichtschutzanlage“ aller Wahrscheinlichkeit nach keinen wesentlichen abschirmenden Effekt zugunsten der oberen Stockwerke der künftigen Gebäude westlich der Q.-straße. Eine Abschirmung unmittelbar östlich der Q.-straße hätte zudem auch den sicherlich wenig attraktiven Blick auf die östlich anschließenden Gleisanlagen verdeckt beziehungsweise eingeschränkt. 52Hat der Rat sich danach weder eine ausreichend konkrete Vorstellung über die Schutzwürdigkeit der künftigen Nutzungen westlich der Q.-straße bezogen auf die Beeinträchtigung durch den Anblick gewerblich genutzter Flächen östlich der Gleisanlagen gemacht noch insoweit die Vorteile einer abschirmenden Anlage östlich der Gleisanlagen gegenüber einer solchen unmittelbar östlich der Q.-straße genauer ermittelt, konnte er das mit der Festsetzung der öffentlichen Grünfläche zur Errichtung einer „Sichtschutzanlage“ verfolgte Interesse von vornherein nicht fehlerfrei gewichten. Die Abwägung dieses Interesses mit den Interessen der Grundstückeigentümer, von einer fremdnützigen Überplanung ihrer Grundstücke verschont zu bleiben, konnte so nicht fehlerfrei erfolgen. 53Der Rat hat die Interessen der Eigentümer der Grundstücke im GE1, ihre Grundstücke, auf denen nach den Festsetzungen des Bebauungsplans nur Lagerplätze zulässig sind und auf denen die Höhe baulicher Anlagen auf 2,50 m beschränkt ist, baulich auszunutzen, ebenfalls nicht fehlerfrei in die Abwägung eingestellt. Die besagten Festsetzungen sollen ausweislich der Planbegründung, wie die festgesetzte „Sichtschutzanlage“, dem Schutz des K1. vor visuellen Beeinträchtigungen dienen, die der Rat für den Fall des Heranrückens gewerblicher Nutzungen und gewerblicher Bauten mit mehr als 2,50 m Höhe an die westlich der Q.-straße liegenden Bauflächen befürchtet. 54Abgesehen davon, dass die Richtigkeit der Annahme des Rates, der Blick auf gewerblich genutzte Gebäude werde unabhängig von ihrer Höhe, ihrer Ausdehnung und ihrer Gestaltung stets als störend empfunden, zu bezweifeln ist, hat er sich auch insoweit keine ausreichend konkrete Vorstellung über die Schutzwürdigkeit der künftigen Nutzungen westlich der Q.-straße gemacht hat, deren Schutz er mit den angesprochenen Festsetzungen im Auge hatte. Vor diesem Hintergrund ist die Erwägung, eine „Aufweitung des Nutzungsspektrums“ unmittelbar hinter der „Sichtschutzanlage“ lasse visuelle Beeinträchtigungen unter anderem durch bauliche Anlagen erwarten (siehe die Bewertung und Abwägung der Stellungnahmen, Anlage 2 zur Sitzungsvorlage V/2010/0067/3, Seite 10), in dieser Pauschalität nicht tragfähig. Dass der Anblick eines Lagerplatzes über die „Sichtschutzanlage“ hinweg generell weniger unschön oder hässlich sein soll als der Anblick eines an derselben Stelle errichteten anderweitig gewerblich genutzten Gebäudes, dessen maximale Höhe und Ausdehnung durch Festsetzungen im Bebauungsplan hätten beschränkt werden können, ist nicht nachvollziehbar, denn gerade Lagerplätze wirken oftmals unaufgeräumt und die im Freien stattfindenden Lagerarbeiten können auch optisch für Unruhe sorgen. 55Vgl. hierzu Ziegler, in: Brügelmann, Baugesetzbuch, § 8 BauNVO Rn. 25 (Stand der Bearbeitung: Juli 2018). 56Überdies können bei einem plankonformen Betrieb eines Lagerplatzes auch Hebevorrichtungen oder andere Maschinen eingesetzt werden, die gegebenenfalls mehr als 2,50 m hoch sind, die festgesetzte Zaunanlage unter Umständen deutlich überragen und sehr viel stärker den optischen Eindruck gewerblicher Betriebsamkeit erzeugen, als dies eine moderate Bebauung mit gewerblich genutzten Gebäuden könnte. Auch können gegebenenfalls die gelagerten Güter oder Gegenstände auf eine Höhe von mehr als 2,50 m angehäuft oder gestapelt werden, ohne dass die für bauliche Anlagen geltende Höhenbegrenzung für solche Haufen oder Stapel gelten würden. 57Unabhängig davon greift die Annahme des Rates, eine Zulassung anderer Nutzungsarten im GE1 sei nicht zielführend, weil die festgesetzte Beschränkung der maximal zulässigen Höhe baulicher Anlagen auf 2,50 m die Errichtung von Gebäuden mit Aufenthaltsräumen nicht oder nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen erlaube, zu kurz. Die Annahme beruht auf dem Willen, die Höhe der künftigen baulichen Anlagen im GE1 so zu begrenzen, dass sie die „Sichtschutzanlage“ nicht überragen (siehe die Bewertung und Abwägung der Stellungnahmen, Anlage 2 zur Sitzungsvorlage V/2010/0067/3, Seite 12). Die Antragstellerin hat gegen diese Argumentation zutreffend eingewandt, dass im GE1 eine bis zu 2,50 m hohe eingeschossige gewerbliche Bebauung, die das vom Rat verfolgte planerische Ziel nicht beeinträchtigen würde, durchaus möglich sei. Außerdem knüpft die Argumentation des Rates an eine Höhe des Zauns, die nicht als maximale Höhe, sondern als Mindesthöhe festgesetzt ist. Würde der Zaun etwa 3,0 m hoch, könnten im GE1 auch Gebäude in dieser Höhe errichtet werden, ohne dass sie den Zaun überragen würden. Die gegenseitige Abhängigkeit von Art der Nutzung und Abschirmung hat der Rat zwar gesehen, aber nicht offengelegt, weshalb er die Höhe des Zauns in der besagten Form festgesetzt hat. Hinzu kommt, dass er davon ausgegangen ist, dass die westlich des Zauns vorgegebene Bepflanzung einen „Sichtschutz“ über den Zaun hinaus gewährleiste. Vor dem Hintergrund der vorstehend aufgezeigten Unstimmigkeiten ist nicht erkennbar, dass der Rat die Belange, die für und gegen die für das GE1 festgesetzten Nutzungsbeschränkungen sprechen, zutreffend beurteilt haben könnte. 58Demgegenüber stellt sich die Beschränkung der zulässigen Art baulicher Nutzungen auf Lagerplätze bei gleichzeitiger Beschränkung der maximal zulässigen Höhe baulicher Anlagen auf 2,50 m beziehungsweise auf die Höhe des Zauns, zumal unter Ausschluss von solchen Lagerplätzen, die bestimmten Anlagenklassen nach dem Abstandserlass NRW zuzuordnen sind, als erhebliche Einschränkung der baulichen Nutzbarkeit und des wirtschaftlichen Gebrauchs der Grundstücke im GE1 dar. Dies hat der Rat nicht ausreichend gewürdigt. Mit der Festsetzung zur zulässigen Art der baulichen Nutzung hat er im GE1 nur selbstständige Lagerplätze zugelassen, also Lagerplätze, bei denen das Lagern der Hauptbetriebszweck ist. Lagerplätze, die zu einem Gewerbebetrieb mit einem anderem Hauptbetriebszweck gehören, sind nach der Festsetzung unzulässig, da sich die Zulässigkeit solcher unselbstständiger Lagerplätze nach der Zulässigkeit des Gewerbebetriebs richten würde, zu dem sie gehören. 59Vgl. hierzu Ziegler, in: Brügelmann, Baugesetzbuch, § 8 BauNVO Rn. 22 (Stand der Bearbeitung: Juli 2018). 60Die Annahme des Rates, mit der Beschränkung der zulässigen Art der baulichen Nutzung auf Lagerplätze trage er den privaten Interessen der Grundstückseigentümer Rechnung, war von vornherein so nicht tragfähig. Er räumt selbst ein, dass die Antragstellerin ihr im GE1 liegendes Grundstück nach den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht, wie von ihr konkret beabsichtigt, als Lagerplatz für ihren Betrieb nutzen könne, weil einer solchen Nutzung der Ausschluss von Anlagen bestimmter Anlagenklassen nach dem Abstandserlass NRW entgegenstehe (siehe die Bewertung und Abwägung der Stellungnahmen, Anlage 2 zur Sitzungsvorlage V/2010/0067/3, Seite 8). Ebenso räumt er ein, dass ihm die Nutzungsinteressen der Eigentümerin der im südlichen Teil des Plangebiets liegenden Flächen im GE1, der Antragstellerin im Parallelverfahren 10 D 16/20.NE, überhaupt nicht bekannt seien (siehe die Bewertung und Abwägung der Stellungnahmen, Anlage 2 zur Sitzungsvorlage V/2010/0067/3, Seite 13). Nach allem schränken die Festsetzungen zur zulässigen baulichen Nutzung die den Eigentümern der Grundstücke im GE1 verbleibenden Möglichkeiten zum wirtschaftlichen Gebrauch ihrer Grundstücke weitestgehend ein, ohne dass sich aus der Abwägungsentscheidung des Rates ein nachvollziehbares städtebaulich legitimes Interesse von solchem Gewicht ergäbe, das eine derart erhebliche Einschränkung rechtfertigen könnte. 61Das Interesse der Eigentümerin der in dem festgesetzten Mischgebiet liegenden Flurstücke 675 und 676, der Antragstellerin im Parallelverfahren 10 D 16/20.NE, diese baulich nutzen zu können, hat der Rat ebenfalls nicht fehlerfrei gewichtet. Er hat in dem Mischgebiet nur eine kleine überbaubare Grundstücksfläche festgesetzt, die mit dem Umriss der Ecke eines Gebäudes identisch ist, welches ganz überwiegend auf dem östlich an das Plangebiet angrenzenden Grundstück steht und dessen besagte Ecke in das Plangebiet hineinragt. Über diese zugelassene bauliche Nutzung hinaus kommt auf den Flächen im Mischgebiet nur die Errichtung von Nebenanlagen im Sinne des § 14 BauNVO in Betracht (§ 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO), wobei als Hauptanlage nur die außerhalb des Plangebiets zulässigen Nutzungen dienen können, sodass eine sinnvolle Nutzung der Flächen für eigene Zwecke der Antragstellerin praktisch ausscheidet. Eine Begründung für eine solche Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten in dem Mischgebiet ergibt sich nicht aus der Planbegründung oder aus den Abwägungsvorschlägen der Verwaltung, die der Rat zum Inhalt des Satzungsbeschlusses gemacht hat. Sie ist auch nicht ausgehend von den mit dem Bebauungsplan verfolgten städtebaulichen Zielen des Rates sonst erkennbar. Dies genügt den Anforderungen, die an die Abwägung aller abwägungserheblichen Belange zu stellen sind, nicht. 62An der vorstehenden Beurteilung ändert sich nichts dadurch, dass der Rat hier mit den ehemaligen Anlagen der Bahn Flächen überplant hat, die bisher einer besonderen Zweckbestimmung unterlagen. Nach Aufhebung dieser Zweckbestimmung und Überleitung der Flächen in die allgemeine Planungshoheit der Gemeinde wird über deren bauliche oder sonstige Nutzung neu entschieden, wenn die Gemeinde hierfür einen Bebauungsplan aufstellt. Dass in einem solchen Fall für diese Flächen eine möglichst uneingeschränkte privatnützige bauliche Nutzung zugelassen wird, kann deren jeweiliger Eigentümer zwar grundsätzlich nicht verlangen, 63vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 1988 – 4 C 48.86 –, juris, Rn. 45, 64doch entbindet dies den Plangeber nicht von seiner gesetzlichen Verpflichtung, auch die Eigentümerinteressen bei einer Überplanung früherer Bahnflächen in die Abwägung einzustellen. 65Die aufgezeigten Abwägungsfehler sind, auch wenn sie nur den Abwägungsvorgang betreffen sollten, beachtlich. 66Gemäß § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB ist eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften des Baugesetzbuchs für die Rechtswirksamkeit eines Bebauungsplans nur beachtlich, wenn entgegen § 2 Abs. 3 BauGB die von der Planung berührten Belange, die der Gemeinde bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, in wesentlichen Punkten nicht zutreffend ermittelt oder bewertet worden sind und wenn der Mangel offensichtlich und auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluss gewesen ist. § 214 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB sieht vor, dass Fehler im Abwägungsvorgang nur erheblich sind, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Ein Fehler im Abwägungsvorgang ist offensichtlich, wenn er – wie hier – auf objektiv feststellbaren Umständen beruht und ohne Ausforschung der Mitglieder des Rates über deren Planungsvorstellungen für den Rechtsanwender erkennbar ist. Er ist auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen, wenn nach den Umständen des jeweiligen Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Mangel die Planung anders ausgefallen wäre. 67Vgl. zum Beispiel BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 – 4 CN 1.11 –, juris, Rn. 16, m.w.N. 68Dies ist hier der Fall. Es erscheint nicht als ausgeschlossen, dass der Rat in Kenntnis der vorstehend aufgezeigten Ermittlungs- und Bewertungsdefizite anders geplant oder von der Planung insgesamt Abstand genommen hätte. 69Die Antragstellerin hat die Fehler im Abwägungsvorgang innerhalb der Jahresfrist des § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB hinreichend gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemacht. 70Die Unwirksamkeit der Festsetzungen, die auf den Abwägungsfehlern beruhen, führt zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans insgesamt. 71Mängel, die einzelnen Festsetzungen eines Bebauungsplans anhaften, führen dann nicht zu dessen Unwirksamkeit insgesamt, wenn seine übrigen Regelungen für sich betrachtet noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB bewirken können und wenn der Plangeber nach seinem im Planungsverfahren zum Ausdruck gelangten Willen im Zweifel auch eine Satzung dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte. 72Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. April 2013 – 4 BN 22.13 –, juris, Rn. 3, und vom 18. Februar 2009 – 4 B 54.08 –, juris, Rn. 5. 73Jedenfalls Letzteres ist hier zu verneinen. Die Festsetzung eines Teils des Plangebiets als öffentliche Grünfläche und die festgesetzten Nutzungseinschränkungen für das GE1, wonach dort nur Lagerplätze zulässig sind und die Höhe baulicher Anlagen regelmäßig auf 2,50 m beschränkt ist, sind nach den Vorstellungen des Rates wesentlich für die Erreichung der von ihm mit dem Bebauungsplan verfolgten städtebaulichen Ziele. Dass er im Zweifel eine Satzung beschlossen hätte, die bei Wegfall der besagten Nutzungseinschränkungen im GE1 – mit Ausnahme von Anlagen bestimmter Anlagenklassen nach dem Abstandserlass NRW – alle in einem Gewerbegebiet allgemein zulässigen baulichen Nutzungen ermöglichen würde, schließt der Senat aus. Auch darüber hinaus kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Rat eine Satzung mit den übrigen Regelungen beschlossen hätte. 74Ob der Bebauungsplan weitere Fehler hat, die seine Unwirksamkeit insgesamt zur Folge hätten, bedarf nach dem Vorstehenden keiner Entscheidung. 75Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. 76Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. 77Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
der bebauungsplan nr. teil 7 abschnitt 1 bahnhof b. der stadt b. ist unwirksam. die antragsgegnerin trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist hinsichtlich der kosten vorläufig vollstreckbar. die antragsgegnerin darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 von hundert des auf grund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht die antragstellerin vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 von hundert des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. die revision wird nicht zugelassen. 1
2die antragstellerin wendet sich gegen den bebauungsplan nr. teil 7 abschnitt 1 bahnhof b. der antragsgegnerin (im folgenden: bebauungsplan). sie ist eigentümerin des im nördlichen teil des plangebiets liegenden grundstücks gemarkung b., flur 17, flurstück 641. der geschäftsführer der antragstellerin, herr c. t., ist inhaber des einzelkaufmännischen unternehmens h. t., das am standort i. straße 2 eine immissionsschutzrechtlich genehmigte anlage zur behandlung (verwertung), lagerung und für den umschlag von abfällen betreibt. das flurstück 641 hat die antragstellerin durch notariellen kaufvertrag vom 23. dezember 2009 von der o. erworben. 3das circa 4,8 ha große, über rund 800 m langgestreckte plangebiet mit einer maximalen breite von etwa 80 m umfasst die in nord-süd-richtung verlaufenden gleisanlagen der deutschen bahn im bereich des bahnhofs b. und die jeweils westlich und östlich daran angrenzenden flächen. seine nördliche grenze liegt etwas nördlich des bahnhofsgebäudes, seine südliche grenze an der t1. straße. die unmittelbar östlich des plangebiets anschließenden flächen sind überwiegend gewerblich genutzt und als gewerbe- oder industriegebiet, im süden als mischgebiet festgesetzt. westlich des plangebiets liegt zwischen den straßen i1. im norden und der e.-straße im süden der „wohn- und dienstleistungsstandort k.“. in dem zugehörigen bebauungsplan sind die für eine bebauung vorgesehenen flächen entlang der straßen i1. und q.-straße als sondergebiet mit der zweckbestimmung dienstleistungsgebiet, das der unterbringung von öffentlichen und privaten dienstleistungsbetrieben dienen soll, und im übrigen als allgemeines wohngebiet festgesetzt. die für die bebauung vorgesehenen flächen westlich der q.-straße sind zwischen der e.-straße und der i2. in einem weiteren bebauungsplan als allgemeines wohngebiet festgesetzt. 4der regionalplan münsterland stellt das plangebiet als personenverkehrsstrecke vorwiegend für den regionalen verkehr und die östlich angrenzenden flächen als bereich für gewerbliche und industrielle nutzungen (gib) dar. 5im flächennutzungsplan ist das plangebiet als fläche für betriebsanlagen der eisenbahn und als gewerbliche baufläche dargestellt. 6der rat beschloss in seiner sitzung am 27. januar 2010 die aufstellung des bebauungsplans nr. teil 7 – bahnhof b. –. der aufstellungsbeschluss wurde im amtsblatt der antragsgegnerin vom 20. september 2018 und im amtsblatt vom 8. november 2018 ein weiteres mal bekannt gemacht. der rat billigte am 12. dezember 2018 den entwurf des bebauungsplans mit der begründung. der entwurf des bebauungsplans mit der begründung lag nach der bekanntmachung im amtsblatt vom 19. dezember 2018 in der zeit vom 27. dezember 2018 bis zum 1. februar 2019 öffentlich aus. parallel dazu fand die beteiligung der behörden und der sonstigen träger öffentlicher belange statt. der nach der ersten öffentlichen auslegung geänderte entwurf des bebauungsplans mit der begründung wurde aufgrund der bekanntmachung im amtsblatt vom 20. märz 2019 in der zeit vom 28. märz 2019 bis zum 29. april 2019 erneut öffentlich ausgelegt. parallel dazu fand eine erneute beteiligung der behörden und der sonstigen träger öffentlicher belange statt. eine weitere öffentliche auslegung des wiederum geänderten planentwurfs mit begründung erfolgte nach der bekanntmachung im amtsblatt in der zeit vom 26. juni 2019 bis zum 12. juli 2019. der rat beschloss den bebauungsplan in seiner sitzung am 10. september 2019 als satzung. der satzungsbeschluss wurde im amtsblatt vom 18. september 2019 bekannt gemacht. 7die planurkunde zeigt zwei darstellungen des plangebiets. die linke darstellung enthält festsetzungen und kennzeichnungen für die im zeitpunkt des satzungsbeschlusses gegenwärtige situation, in der der überwiegende teil des plangebiets der eisenbahnfachplanung unterfällt. die rechte darstellung, als beiblatt 1 bezeichnet, enthält festsetzungen und kennzeichnungen für den fall, dass teile der in der linken darstellung als bahnanlagen gekennzeichnete flächen aus dem regime der fachplanung entlassen werden. 8in der linken darstellung sind die der eisenbahnfachplanung unterfallenden flächen im westen des plangebiets farblich als flächen für bahnanlagen gekennzeichnet, wobei der östliche teil dieser kennzeichnung schraffiert ist. die schraffur bedeutet nach der legende der planurkunde, dass es sich um flächen handelt, auf denen nutzungen, betriebe und anlagen ohne bahnbetriebsbezogenheit, soweit sie der in beiblatt 1 dargestellten folgenutzung widersprechen, nicht zulässig sind. der östliche teil des plangebiets ist im äußersten süden als mischgebiet und im übrigen als gewerbegebiet festgesetzt, das in die teilgebiete ge1, ge2 und ge3 unterteilt ist. im ge1 sind ausschließlich lagerplätze zulässig (textliche festsetzung 01). die höhe baulicher anlagen ist im ge1 auf 2,50 m, im ge2 auf 7,60 m und im ge3 auf 10,20 m beschränkt (textliche festsetzung 03 (1) bis (3)). die überbaubaren grundstücksflächen sind in allen festgesetzten baugebieten durch baugrenzen bestimmt. auf gesondert abgegrenzten teilflächen des gewerbegebiets sind betriebe und anlagen bestimmter abstandsklassen nach der abstandsliste zum abstandserlass nrw nicht zulässig. die für das mischgebiet festgesetzte überbaubare grundstücksfläche ist nur wenige quadratmeter groß. sie ist identisch mit dem umriss einer ecke des ganz überwiegend außerhalb des plangebiets stehenden hauses t2.-straße 1a, die in das plangebiet hineinragt. 9in der rechten darstellung des plangebiets sind die flächen, die in der linken darstellung schraffiert sind, nicht als flächen für bahnanlagen gekennzeichnet, sondern – von westen nach osten – als „öffentliche grünfläche – sichtschutzanlage“, als „zaunanlage“ und als gewerbegebiet (ge1) festgesetzt. für die zaunanlage bestimmt der bebauungsplan eine höhe von 2,50 m als mindestmaß. sie ist als stabgitterzaun in den farben anthrazit oder grün auszuführen (textliche festsetzung 06) und an ihrer westseite vollflächig mit standortheimischen, ausdauernden und immergrünen kletterpflanzen – zum beispiel efeu – zu begrünen (textliche festsetzung 07). auf der planurkunde ist eine systemskizze in form einer schnittzeichnung der vorgegebenen sichtschutzanlage mit maßangaben aufgedruckt. danach bildet der zaun den östlichen abschluss der 4,0 m breiten öffentlichen grünfläche. im abstand von jeweils 2,0 m zum zaun beziehungsweise zum westlichen rand der öffentlichen grünfläche sollen an festgesetzten standorten standortheimische laubbäume (hochstamm) mit einem vorgegebenen stammumfang gepflanzt werden (textliche festsetzung 05). die westliche baugrenze im ge1 ist im abstand von 3,0 m zu der öffentlichen grünfläche und zu dem sie nach osten hin abschließenden zaun festgesetzt. hinsichtlich der auf 2,50 m begrenzten höhe baulicher anlagen im ge1 kann ausnahmsweise eine abweichung zugelassen werden, soweit die höhe der sichtschutzanlage nicht überschritten wird (textliche festsetzung 03 (4)). die in der rechten darstellung des plangebiets festgesetzte folgenutzung der bahnanlagen ist erst nach deren freistellung von bahnbetriebszwecken durch erlass eines freistellungsbescheids zulässig (textliche festsetzung 10 (1)). die folgenutzung als gewerbegebiet einschließlich vorbereitender maßnahmen ist erst zulässig, wenn die sichtschutzanlage auf der öffentlichen grünfläche fertiggestellt ist (textliche festsetzung 10 (2)). die abgrenzung von teilflächen des gewerbegebiets, in denen betriebe und anlagen bestimmter abstandsklassen nach der abstandsliste zum abstandserlass nrw nicht zulässig sind, wird für die östlich der öffentlichen grünfläche mit der zaunanlage festgesetzten gewerbegebietsflächen, die in der linken darstellung noch zu den schraffierten flächen gehören, fortgesetzt. im übrigen entsprechen die festsetzungen denen in der linken darstellung des plangebiets. 10in der planbegründung heißt es: die o. habe ende 2009 die brachliegenden bahnflächen östlich der gleisanlagen ungeachtet ihrer eisenbahnrechtlichen widmung veräußert. die neuen grundstückseigentümer beabsichtigten, die flächen gewerblich zu nutzen, was die aufstellung eines bebauungsplans erforderlich mache. bereits am 26. mai 2009 habe der rat den städtebaulichen rahmenplan q.-straße beschlossen, dessen gegenstand die entwicklung eines wohn- und dienstleistungsstandorts, des k1., sei. zur umsetzung des rahmenplans habe der rat am 18. november 2010 den bebauungsplan nr. teil 1 – k. – sowie am 22. märz 2011 die 2. änderung des bebauungsplans nr. teil 2 – t3.-t4. – beschlossen. durch ein heranrücken der auf den ehemaligen bahnflächen geplanten gewerblichen nutzungen an das k. sei das ziel des rahmenplans, es zu einem wohn- und dienstleistungsstandort zu entwickeln, tendenziell gefährdet. dabei seien neben den von den gewerblichen nutzungen möglicherweise ausgehenden immissionen insbesondere visuelle beeinträchtigungen der bewohner und sonstigen nutzer der gebäude im künftigen k. von bedeutung. es sei beabsichtigt, auch für das weitere bahnhofsumfeld einen städtebaulichen rahmenplan aufzustellen, um die mit der modernisierung des bahnhofs verbundenen impulse für die städtebauliche entwicklung seines umfeldes nutzbar zu machen. gewerbliche nutzungen unmittelbar östlich der gleisanlagen würden diese gewollte städtebauliche aufwertung zumindest erschweren. zur verwirklichung der beschriebenen entwicklungsziele sehe der bebauungsplan die errichtung einer sichtschutzanlage unmittelbar östlich der bahnanlagen vor. dazu solle ein mindestens 4,0 m breiter bepflanzter grünstreifen mit einem zaun angelegt werden. der grünstreifen werde als öffentliche grünfläche, die übrigen flächen im plangebiet würden überwiegend als gewerbegebiet festgesetzt. um zu verhindern, dass die gewerbliche bebauung näher an die schutzbedürftigen künftigen nutzungen westlich der gleisanlagen heranrücke, sollten die als gewerbegebiet festgesetzten flächen weitgehend von bebauung freigehalten werden. deshalb werde die dort zulässige nutzung ihrer art nach eingeschränkt sowie die höhe baulicher anlagen begrenzt. auf diese weise solle ein städtebaulich geordneter übergang zwischen den wohn- und dienstleistungsnutzungen im umfeld des bahnhofs und dem gewerbegebiet östlich der gleisanlagen geschaffen werden. trotz der festsetzung der öffentlichen grünfläche bleibe die private nutzbarkeit der flächen im plangebiet zum größten teil erhalten. die antragsgegnerin trage die kosten der sichtschutzanlage. die eigentümer der grundstücke im festgesetzten gewerbegebiet hätten sich gegenüber der o. ohnehin verpflichtet, diese grundstücke zu den gleisanlagen hin einzufrieden. sie könnten von der antragsgegnerin die übernahme der als öffentliche grünfläche festgesetzten flächen verlangen. überdies sei ihnen ein flächentausch angeboten worden. um schädliche umwelteinwirkungen auf schutzbedürftige nutzungen außerhalb des plangebiets soweit wie möglich zu vermeiden, sei das gewerbegebiet auf der grundlage der abstandsliste zum abstandserlass nrw hinsichtlich der zulässigkeit von betrieben und anlagen bestimmter abstandsklassen gegliedert. die allgemeine zweckbestimmung des gewerbegebiets sei trotz dieser gliederung gewahrt. 11die antragstellerin, die mit schreiben vom 2. januar 2019 einwendungen gegen die planung erhoben hatte, hat am 2. märz 2020 den normenkontrollantrag gestellt. 12zur begründung trägt sie im wesentlichen vor: 13der bebauungsplan sei nicht erforderlich, soweit er für ihr flurstück 641 nur lagerplätze zulasse. die festsetzung einer einzigen möglichen gewerblichen nutzung, die den grundeigentümer vor die wahl stelle, sein grundstück im fremden interesse auf diese weise oder gar nicht zu nutzen, stelle keine anzuerkennende form städtebaulicher ordnung oder entwicklung dar. selbst wenn das grundstück tatsächlich der festsetzung entsprechend genutzt werden sollte, änderte sich daran nichts, denn die festsetzung solle die nutzung auf unabsehbare zeit auch für den fall festschreiben, dass das private interesse an einer nutzung als lagerplatz wegfalle. zur gewährleistung einer städtebaulichen ordnung habe der gesetzgeber einen katalog von baugebietstypen und zur weiteren notwendigen differenzierung das instrumentarium des § 1 abs. 5 bis 9 baunvo zur verfügung gestellt. durch die reduzierung auf nur eine nutzungsart könne der plangeber, worauf die bauleitplanung grundsätzlich nicht angelegt sei, im wege der angebotsplanung eine bestimmte nutzung von grundstücken quasi erzwingen, was der baunutzungsverordnung und den baugebietsfestsetzungen fremd sei. 14die gliederung des gewerbegebiets nach der abstandsliste zum abstandserlass nrw sei unwirksam. 15nichts anderes gelte für die festsetzung des mischgebiets im süden des plangebiets. auch unter berücksichtigung der östlich angrenzenden bebauung außerhalb des plangebiets werde sich dort die notwendige durchmischung von wohnen und gewerbe nicht einstellen. die erforderlichen festsetzungen zur zahl der zulässigen vollgeschosse oder zur höhe baulicher anlagen treffe der bebauungsplan für das mischgebiet nicht. 16der bebauungsplan beruhe auf einer fehlerhaften abwägung. 17soweit er für grundstücke im ge1 nur eine nutzung als lagerplatz zulasse, sei diese dauerhafte einschränkung durch das ziel, einen städtebaulich geordneten übergang zu den wohn- und dienstleistungsnutzungen westlich der gleisanlagen in form eines ausschlusses störender oder visuell beeinträchtigender nutzungen zu schaffen, nicht gerechtfertigt. die einschränkung stehe außer verhältnis zu dem zweck, dessen verwirklichung sie diene. die zulassung von gewerbebetrieben, die das wohnen nicht wesentlich störten, von eingeschossigen bürogebäuden, von stellplätzen oder von ähnlichen nutzungen wäre möglich, ohne dass das besagte planungsziel gefährdet wäre. auch hätte die maximal zulässige höhe baulicher anlagen ohne negative auswirkungen auf das planungsziel maßvoll auf 2,75 m oder 3,0 m festgesetzt werden können, zumal auf der festgesetzten öffentlichen grünfläche die pflanzung von vier bis sechs meter hohen bäumen vorgegeben sei. 18sie beabsichtige, auf dem flurstück 641 einen lagerplatz zu errichten, der in einem betrieblichen zusammenhang mit der nördlich gelegenen anlage des unternehmens h. t. stehen solle. ein interesse an dem betrieb eines selbstständigen lagerplatzes habe sie nicht. auf der grundlage des bebauungsplans könne sie ihre betrieblichen ziele nicht verwirklichen. dies habe die antragsgegnerin verkannt. 19bei der festsetzung der überbaren grundstücksfläche im mischgebiet sei das interesse an einer wirtschaftlichen nutzung der dortigen grundstücke nicht beachtet worden. für eine derart rigide einschränkung der baulichen nutzung gebe es keine städtebaulichen gründe. um eine visuelle abschirmung könne es ganz im süden des plangebiets, fernab vom umfeld des bahnhofs, nicht gehen. der rat habe folgerichtig darauf verzichtet, die der abschirmung dienende öffentliche grünfläche und den zaun auch im mischgebiet vorzusehen. 20die festsetzung der öffentlichen grünfläche und des zauns auf ihrem flurstück 642 sei ein erheblicher eingriff in ihr eigentum, der sich durch den gewollten „milieuschutz“ zugunsten der künftigen nutzungen westlich der gleisanlagen nicht rechtfertigten lasse. zur erreichung dieses planungsziels hätte es andere lösungen gegeben, die ihr eigentumsrecht deutlich weniger beeinträchtigt hätten. 21die textliche festsetzung 10, wonach die folgenutzung als gewerbegebiet erst nach der fertigstellung der sichtschutzanlage zulässig sei, berücksichtige nicht, dass die eigentümer der grundstücke im gewerbegebiet keinen einfluss auf die fertigstellung der sichtschutzanlage hätten beziehungsweise es ihnen nicht zugemutet werden könne, eine solche anlage auf eigene kosten zu errichten. 22die antragstellerin beantragt schriftsätzlich, 23den bebauungsplan nr. teil 7 abschnitt 1 bahnhof b. der antragsgegnerin für unwirksam zu erklären. 24die antragsgegnerin beantragt schriftsätzlich, 25den antrag abzulehnen. 26von einer antragserwiderung hat sie abgesehen. 27wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstands wird auf den inhalt der gerichtsakte und der beigezogenen aufstellungsvorgänge (beiakten hefte 1 bis 6 zum parallelverfahren 10 d 16/20.ne) bezug genommen. 28
29der senat entscheidet im einverständnis der beteiligten ohne mündliche verhandlung durch die berichterstatterin. 30der antrag hat erfolg. 31er ist zulässig. 32die antragstellerin ist als eigentümerin eines im plangebiet liegenden grundstücks nach § 47 abs. 2 vwgo antragsbefugt. 33der antrag ist auch begründet. 34der bebauungsplan ist unwirksam. er hat beachtliche materielle mängel. 35allerdings ist er von seiner grundkonzeption her im sinne von § 1 abs. 3 satz 1 baugb städtebaulich gerechtfertigt. 36nach dieser vorschrift haben die gemeinden die bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche entwicklung und ordnung erforderlich ist. welche städtebaulichen ziele die gemeinde sich setzt, liegt in ihrem planerischen ermessen. die erforderliche planrechtfertigung ist gegeben, wenn der bebauungsplan nach seinem inhalt auf die städtebauliche entwicklung und ordnung ausgerichtet und nach der planerischen konzeption der zur planung berufenen gemeinde als mittel hierfür erforderlich ist. nicht erforderlich ist ein bebauungsplan in aller regel erst, wenn er nicht dem wahren willen der gemeinde entspricht, weil zwischen planungswillen und planungsinhalt eine diskrepanz besteht, bei groben und einigermaßen offensichtlichen, von keiner nachvollziehbaren positiven planungskonzeption getragenen planerischen missgriffen, oder wenn der plan auf unabsehbare zeit vollzugsunfähig ist. 37vgl. bverwg, urteil vom 5. mai 2015 – 4 cn 4.14 –, juris, rn. 10. 38dem bebauungsplan liegt ausweislich der planbegründung eine von städtebaulich legitimen zielen getragene positive planungskonzeption zugrunde. der rat will einen städtebaulich geordneten übergang zwischen dem neu zu gestaltenden bahnhofsumfeld einschließlich der wohn- und dienstleistungsnutzungen entlang der q.-straße und den östlich der gleisanlagen gelegenen gewerblich genutzten flächen schaffen und damit das bahnhofsumfeld und den „wohn- und dienstleistungsstandort k.“ vor beeinträchtigungen durch eine gewerbliche nutzung der flächen östlich der gleisanlagen bewahren (§ 1 abs. 6 nr. 4 und nr. 7 buchstabe c) baugb). 39der bebauungsplan beruht jedoch auf beachtlichen fehlern bei der nach § 1 abs. 7 baugb gebotenen abwägung. 40gemäß § 1 abs. 7 baugb sind die öffentlichen und privaten belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. das abwägungsgebot umfasst als verfahrensnorm das gebot zur ermittlung und bewertung des abwägungsmaterials (§ 2 abs. 3 baugb) und stellt inhaltlich anforderungen an den abwägungsvorgang und an das abwägungsergebnis. es ist verletzt, wenn eine sachgerechte abwägung überhaupt nicht stattfindet, wenn in die abwägung belange nicht eingestellt werden, die nach lage der dinge hätten eingestellt werden müssen, wenn die bedeutung der betroffenen belange verkannt oder wenn der ausgleich zwischen den von der planung berührten belangen in einer weise vorgenommen wird, die zur objektiven gewichtigkeit einzelner belange außer verhältnis steht. innerhalb des so gezogenen rahmens ist dem abwägungserfordernis genügt, wenn sich die zur planung berufene gemeinde im widerstreit verschiedener belange für die bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die zurückstellung des anderen belangs entscheidet. 41vgl. ovg nrw, urteil vom 22. september 2015 – 10 d 82/13.ne –, juris, rn. 30. 42eine ordnungsgemäße städtebauliche planung setzt, gerade wenn sie die belange privater nicht unerheblich beeinträchtigt, voraus, dass städtebaulich beachtliche allgemeinbelange von hinreichendem gewicht für sie sprechen. das durch art. 14 abs. 1 satz 1 gg gewährleistete eigentumsrecht gehört in hervorgehobener weise zu den bei der bauleitplanung zu berücksichtigenden privaten belangen. es schützt nicht nur die substanz des eigentums, sondern erfordert auch die beachtung des verfassungsrechtlichen grundsatzes der verhältnismäßigkeit und des allgemeinen gleichheitssatzes, wenn die ausübung des eigentumsrechts eingeschränkt werden soll. die nutzungsmöglichkeiten, die die eigentümer der im plangebiet gelegenen grundstücke bisher hatten, sind, wie auch diejenigen, die ihnen nach der planung verbleiben sollen, als wichtige private belange in die abwägung einzustellen. 43vgl. bverwg, beschluss vom 15. mai 2013 – 4 bn 1.13 –, juris, rn. 17. 44soll ein privates grundstück fremdnützig überplant werden, muss die gemeinde, will sie eine verletzung des eigentumsrechts vermeiden, den geringstmöglichen eingriff wählen, um dem grundsatz der verhältnismäßigkeit zu genügen. ein mit der aufstellung eines bebauungsplans verbundener hoheitlichen eingriff in das eigentumsrecht muss, wenn er verhältnismäßig sein soll, geeignet sein, das planungsziel zu erreichen, er muss in dem sinne erforderlich sein, dass er das den eigentümer am wenigsten belastende mittel darstellt, und er muss darauf achten, dass schwere und nutzen des eingriffs in einem ausgewogenen verhältnis stehen. bei der fremdnützigen überplanung von grundstücken muss also stets geprüft werden, ob es ein milderes mittel gibt, das zur zweckerreichung annähernd gleich geeignet ist, den eigentümer aber weniger belastet, und ob es gewichtige öffentliche belange gibt, hinter denen die interessen des eigentümers zurückstehen müssen. 45vgl. bverfg, beschluss vom 19. dezember 2002 – 1 bvr 1402/01 –, juris, rn. 17; bverwg, urteil vom 6. juni 2002 – 4 cn 6.01 –, juris, rn. 10 und 13; ovg nrw, urteile vom 21. januar 2021 – 10 d 104/18.ne –, juris, rn. 78, vom 27. mai 2013 – 2 d 37/12.ne –, juris, rn. 168, vom 17. februar 2012 – 2 d 49/10.ne –, juris, rn. 125, und vom 16. september 2005 – 7 d 62/04.ne –, juris, rn. 112 ff. 46davon ausgehend war die abwägung im hinblick auf die eigentümerinteressen sowohl hinsichtlich der festsetzung eines teils des plangebiets als öffentliche grünfläche als auch hinsichtlich der festsetzungen für das ge1, soweit dort nur lagerplätze zulässig sind und die höhe baulicher anlagen auf 2,50 m beschränkt ist, fehlerhaft. dies gilt auch, soweit in dem mischgebiet nur eine sehr kleine überbaubare grundstücksfläche festgesetzt ist. diese fehler haben die unwirksamkeit der jeweiligen festsetzungen zur folge. 47der rat hat die für und gegen die festsetzung der besagten öffentlichen grünfläche mit der zweckbestimmung „sichtschutzanlage“ sprechenden belange nicht hinreichend ermittelt und sie auch nicht ihrem objektiven gewicht entsprechend in die abwägung eingestellt. 48grundsätzlich ist es der gemeinde unbenommen, die verwirklichung der städtebaulichen entwicklung, die ihr für einen bestimmten teil des gemeindegebiets konkret vorschwebt, im wege der bauleitplanung zu sichern. dazu kann sie in bebauungsplänen auch festsetzungen treffen, die flächen, deren jeweilige tatsächliche oder geplante nutzungen nach ihren vorstellungen städtebaulich nicht miteinander harmonieren oder sich nicht vertragen, voneinander trennen. eine solche trennung kann gegebenenfalls auch durch festsetzungen bewerkstelligt werden, die nach dem willen der gemeinde ausschließlich auf eine optische abschirmung der einen gegenüber der anderen fläche abzielen. so können unter umständen geordnete städtebauliche strukturen geschaffen werden, die die qualität der jeweils unterschiedlich genutzten bereiche mit ihren jeweiligen nutzungen beziehungsweise nutzungsschwerpunkten stärken. 49soweit der rat hier mit der festsetzung der öffentlichen grünfläche mit der zweckbestimmung „sichtschutzanlage“ gerade auch darauf abzielt, visuelle beeinträchtigungen „des wohn- und dienstleistungsstandorts k.“ zu vermeiden, fehlt es jedoch an einer ausreichenden ermittlung der insoweit maßgeblichen umstände, die überdies zu einer fehlgewichtung des belangs geführt haben. 50in der planbegründung heißt es, dass visuellen beeinträchtigungen nicht nur „auf erdgeschosshöhe“, sondern auch in den oberen geschossen der gebäude im k. begegnet werden solle (planbegründung seite 17 unten). was der rat unter einer visuellen beeinträchtigung versteht, ergibt sich aus der planbegründung nicht. der von ihm verwendete begriff der „sichtschutzanlage“ ist wohl verfehlt, denn hierunter versteht man üblicherweise eine anlage, die in erster linie eine fläche oder ein objekt und deren nutzer vor fremden blicken schützen soll. hier ist das gegenteil gewollt. es sollen die flächen, die im ge1 liegen, und die mit ihrer zugelassenen gewerblichen nutzung ermöglichten aktivitäten so nach außen hin abgeschirmt werden, dass ihr vom rat pauschal als unschön oder gar hässlich bewerteter anblick die aktuellen oder künftigen bewohner und sonstigen nutzer der auf den grundstücken westlich der gleisanlagen vorhandenen oder geplanten gebäude nicht stören und schlimmstenfalls dazu veranlassen kann, die nutzung aufzugeben oder gar nicht erst aufzunehmen. schon die grundlegende annahme des rates, dass die optische wahrnehmung einer jeglichen gewerblichen nutzung auf den vergleichsweise weit entfernten flächen im ge1 aus den fenstern der gebäude im k. derart störend sei, dass sie die qualität der nutzung dieser gebäude erheblich herabsetze, ist aus verschiedenen gründen fragwürdig. der rat hat es unterlassen, sich ein genaues bild davon zu machen, welchen schutz die nutzungen westlich der q.-straße – ausgehend von seinen planerischen zielen – überhaupt benötigen und mit welchen planerischen mitteln ein solcher schutzbedarf umgesetzt werden kann. dabei ist zu berücksichtigen, dass es wohl keinen unmittelbaren planungsrechtlichen ansatz dafür gibt, dass der einzelne nutzer eines gebäudes in einem festgesetzten baugebiet davor geschützt werden muss, beim blick aus einem fenster des gebäudes oder beim blick von einem balkon oder von einer terrasse aus den unschönen oder hässlichen anblick eines in einiger entfernung stehenden anderen gebäudes oder der nutzung einer freifläche zu ertragen. der entsprechende schutzbedarf einer bebauung kann sich mithin nur daraus ergeben, dass, würde diese nicht vor dem besagten unschönen oder hässlichen anblick abgeschirmt, sie sich entgegen der städtebaulichen vorstellungen der gemeinde nur schwer oder gar nicht verwirklichen ließe oder – wenn sie bereits vorhanden ist – sie zumindest die ihr zugedachte städtebauliche funktion einbüßen könnte. ausweislich der planbegründung befinden sich in dem bereich nördlich der straße i1., der im flächennutzungsplan als gemischte baufläche dargestellt ist, einrichtungen der u. inwieweit diese einrichtungen in der nachbarschaft des k1. dessen schutzwürdigkeit im hinblick auf die optischen einwirkungen gewerblicher nutzungen herabsetzt, hat der rat nicht untersucht. er hat sich auch nicht dazu verhalten, dass der bebauungsplan nr. teil 1 – k. – die flächen zwischen der straße i1. und der e.-straße, die westlich an die q.-straße angrenzen, als sondergebiet mit der zweckbestimmung dienstleistungsgebiet festsetzt, in dem nach nr. 2 der dortigen textlichen festsetzungen büro- und verwaltungsgebäude sowie gebäude für freie berufe im sinne des § 13 baunvo und wohnungen nur für aufsichts- und bereitschaftspersonal sowie für betriebsinhaber und betriebsleiter zulässig sind. die dortigen festsetzungen zum maß der baulichen nutzung, insbesondere zur zwingend vorgegebenen anzahl der vollgeschosse zusammen mit der gebäudehöhe und der dachform, bewirken im falle ihrer umsetzung, dass die in dem sondergebiet errichteten gebäude die künftigen wohngebäude in den weiter westlich festgesetzten allgemeinen wohngebieten gegenüber der q.-straße, den östlich daran angrenzenden gleisanlagen und den noch weiter östlich gelegenen flächen und ihren baulichen nutzungen abschirmen. darüber hinaus sieht der bebauungsplan nr. teil 1 – k. – flächen für anpflanzungen westlich der q.-straße vor. im südlichen teil seines plangebiets ist in einem teilbereich westlich der q.-straße eine öffentliche grünfläche und im nördlichen teil – östlich der q.-straße – eine öffentliche verkehrsfläche (parkfläche) festgesetzt, die ausweislich ihrer bezeichnung als „grünanlage“ ebenfalls begrünt werden soll und nach den verfügbaren luftbilder tatsächlich begrünt ist. im südlichen teil seines plangebiets ist östlich der q.-straße ebenfalls ein streifen als öffentliche grünfläche festgesetzt. der bebauungsplan nr. teil 2 – t5.-t4. – setzt zwischen der e.-straße und der straße t4. flächen für anpflanzungen fest. es ist nicht erkennbar, dass der rat diese planerische und tatsächliche situation in die bewertung der schutzbedürftigkeit des k1. hat einfließen lassen. 51der rat hat es zudem versäumt, sich ein ausreichend genaues bild über die wirkungen zu verschaffen, die mit der festgesetzten „sichtschutzanlage“ zugunsten des k1. erreicht werden können. alternative standorte für die „sichtschutzanlage“ hat er nicht genügend auf ihre eignung untersucht. ausweislich der planbegründung hat er zwar erwogen, abschirmungen entlang der q.-straße vorzusehen, eine solche lösung aber verworfen, weil derartige abschirmungen zum schutz der oberen stockwerke der bis zu viergeschossigen bebauung im k. nicht ausreichten (seite 17 der planbegründung). welche zusätzliche abschirmung die festgesetzte „sichtschutzanlage“ gerade für die bewohner beziehungsweise sonstigen nutzer der oberen geschosse der gebäude westlich der q.-straße im vergleich zu einer abschirmung durch eine vergleichbare anlage an anderer stelle bewirken wird, hat der rat nicht ansatzweise ermittelt. angesichts der in rede stehenden entfernungen der (künftigen) gebäude im k. sowohl zu den gleisanlagen als auch zu dem östlich daran angrenzenden gewerbegebiet und der vergleichsweise geringen höhe des festgesetzten zauns, lässt sich das ausmaß der mit der „sichtschutzanlage“ gewollten abschirmung auch unter berücksichtigung der vorgegebenen lückenhaften anpflanzungen von einzelbäumen, die eine höhe von vier bis sechs meter erreichen sollen, nicht bloß abschätzen. hinsichtlich der jenseits der plangebietsgrenze weiter östlich gelegenen vorhandenen gewerblich genutzten gebäude hätte die „sichtschutzanlage“ aller wahrscheinlichkeit nach keinen wesentlichen abschirmenden effekt zugunsten der oberen stockwerke der künftigen gebäude westlich der q.-straße. eine abschirmung unmittelbar östlich der q.-straße hätte zudem auch den sicherlich wenig attraktiven blick auf die östlich anschließenden gleisanlagen verdeckt beziehungsweise eingeschränkt. 52hat der rat sich danach weder eine ausreichend konkrete vorstellung über die schutzwürdigkeit der künftigen nutzungen westlich der q.-straße bezogen auf die beeinträchtigung durch den anblick gewerblich genutzter flächen östlich der gleisanlagen gemacht noch insoweit die vorteile einer abschirmenden anlage östlich der gleisanlagen gegenüber einer solchen unmittelbar östlich der q.-straße genauer ermittelt, konnte er das mit der festsetzung der öffentlichen grünfläche zur errichtung einer „sichtschutzanlage“ verfolgte interesse von vornherein nicht fehlerfrei gewichten. die abwägung dieses interesses mit den interessen der grundstückeigentümer, von einer fremdnützigen überplanung ihrer grundstücke verschont zu bleiben, konnte so nicht fehlerfrei erfolgen. 53der rat hat die interessen der eigentümer der grundstücke im ge1, ihre grundstücke, auf denen nach den festsetzungen des bebauungsplans nur lagerplätze zulässig sind und auf denen die höhe baulicher anlagen auf 2,50 m beschränkt ist, baulich auszunutzen, ebenfalls nicht fehlerfrei in die abwägung eingestellt. die besagten festsetzungen sollen ausweislich der planbegründung, wie die festgesetzte „sichtschutzanlage“, dem schutz des k1. vor visuellen beeinträchtigungen dienen, die der rat für den fall des heranrückens gewerblicher nutzungen und gewerblicher bauten mit mehr als 2,50 m höhe an die westlich der q.-straße liegenden bauflächen befürchtet. 54abgesehen davon, dass die richtigkeit der annahme des rates, der blick auf gewerblich genutzte gebäude werde unabhängig von ihrer höhe, ihrer ausdehnung und ihrer gestaltung stets als störend empfunden, zu bezweifeln ist, hat er sich auch insoweit keine ausreichend konkrete vorstellung über die schutzwürdigkeit der künftigen nutzungen westlich der q.-straße gemacht hat, deren schutz er mit den angesprochenen festsetzungen im auge hatte. vor diesem hintergrund ist die erwägung, eine „aufweitung des nutzungsspektrums“ unmittelbar hinter der „sichtschutzanlage“ lasse visuelle beeinträchtigungen unter anderem durch bauliche anlagen erwarten (siehe die bewertung und abwägung der stellungnahmen, anlage 2 zur sitzungsvorlage v/2010/0067/3, seite 10), in dieser pauschalität nicht tragfähig. dass der anblick eines lagerplatzes über die „sichtschutzanlage“ hinweg generell weniger unschön oder hässlich sein soll als der anblick eines an derselben stelle errichteten anderweitig gewerblich genutzten gebäudes, dessen maximale höhe und ausdehnung durch festsetzungen im bebauungsplan hätten beschränkt werden können, ist nicht nachvollziehbar, denn gerade lagerplätze wirken oftmals unaufgeräumt und die im freien stattfindenden lagerarbeiten können auch optisch für unruhe sorgen. 55vgl. hierzu ziegler, in: brügelmann, baugesetzbuch, § 8 baunvo rn. 25 (stand der bearbeitung: juli 2018). 56überdies können bei einem plankonformen betrieb eines lagerplatzes auch hebevorrichtungen oder andere maschinen eingesetzt werden, die gegebenenfalls mehr als 2,50 m hoch sind, die festgesetzte zaunanlage unter umständen deutlich überragen und sehr viel stärker den optischen eindruck gewerblicher betriebsamkeit erzeugen, als dies eine moderate bebauung mit gewerblich genutzten gebäuden könnte. auch können gegebenenfalls die gelagerten güter oder gegenstände auf eine höhe von mehr als 2,50 m angehäuft oder gestapelt werden, ohne dass die für bauliche anlagen geltende höhenbegrenzung für solche haufen oder stapel gelten würden. 57unabhängig davon greift die annahme des rates, eine zulassung anderer nutzungsarten im ge1 sei nicht zielführend, weil die festgesetzte beschränkung der maximal zulässigen höhe baulicher anlagen auf 2,50 m die errichtung von gebäuden mit aufenthaltsräumen nicht oder nur unter sehr eingeschränkten bedingungen erlaube, zu kurz. die annahme beruht auf dem willen, die höhe der künftigen baulichen anlagen im ge1 so zu begrenzen, dass sie die „sichtschutzanlage“ nicht überragen (siehe die bewertung und abwägung der stellungnahmen, anlage 2 zur sitzungsvorlage v/2010/0067/3, seite 12). die antragstellerin hat gegen diese argumentation zutreffend eingewandt, dass im ge1 eine bis zu 2,50 m hohe eingeschossige gewerbliche bebauung, die das vom rat verfolgte planerische ziel nicht beeinträchtigen würde, durchaus möglich sei. außerdem knüpft die argumentation des rates an eine höhe des zauns, die nicht als maximale höhe, sondern als mindesthöhe festgesetzt ist. würde der zaun etwa 3,0 m hoch, könnten im ge1 auch gebäude in dieser höhe errichtet werden, ohne dass sie den zaun überragen würden. die gegenseitige abhängigkeit von art der nutzung und abschirmung hat der rat zwar gesehen, aber nicht offengelegt, weshalb er die höhe des zauns in der besagten form festgesetzt hat. hinzu kommt, dass er davon ausgegangen ist, dass die westlich des zauns vorgegebene bepflanzung einen „sichtschutz“ über den zaun hinaus gewährleiste. vor dem hintergrund der vorstehend aufgezeigten unstimmigkeiten ist nicht erkennbar, dass der rat die belange, die für und gegen die für das ge1 festgesetzten nutzungsbeschränkungen sprechen, zutreffend beurteilt haben könnte. 58demgegenüber stellt sich die beschränkung der zulässigen art baulicher nutzungen auf lagerplätze bei gleichzeitiger beschränkung der maximal zulässigen höhe baulicher anlagen auf 2,50 m beziehungsweise auf die höhe des zauns, zumal unter ausschluss von solchen lagerplätzen, die bestimmten anlagenklassen nach dem abstandserlass nrw zuzuordnen sind, als erhebliche einschränkung der baulichen nutzbarkeit und des wirtschaftlichen gebrauchs der grundstücke im ge1 dar. dies hat der rat nicht ausreichend gewürdigt. mit der festsetzung zur zulässigen art der baulichen nutzung hat er im ge1 nur selbstständige lagerplätze zugelassen, also lagerplätze, bei denen das lagern der hauptbetriebszweck ist. lagerplätze, die zu einem gewerbebetrieb mit einem anderem hauptbetriebszweck gehören, sind nach der festsetzung unzulässig, da sich die zulässigkeit solcher unselbstständiger lagerplätze nach der zulässigkeit des gewerbebetriebs richten würde, zu dem sie gehören. 59vgl. hierzu ziegler, in: brügelmann, baugesetzbuch, § 8 baunvo rn. 22 (stand der bearbeitung: juli 2018). 60die annahme des rates, mit der beschränkung der zulässigen art der baulichen nutzung auf lagerplätze trage er den privaten interessen der grundstückseigentümer rechnung, war von vornherein so nicht tragfähig. er räumt selbst ein, dass die antragstellerin ihr im ge1 liegendes grundstück nach den festsetzungen des bebauungsplans nicht, wie von ihr konkret beabsichtigt, als lagerplatz für ihren betrieb nutzen könne, weil einer solchen nutzung der ausschluss von anlagen bestimmter anlagenklassen nach dem abstandserlass nrw entgegenstehe (siehe die bewertung und abwägung der stellungnahmen, anlage 2 zur sitzungsvorlage v/2010/0067/3, seite 8). ebenso räumt er ein, dass ihm die nutzungsinteressen der eigentümerin der im südlichen teil des plangebiets liegenden flächen im ge1, der antragstellerin im parallelverfahren 10 d 16/20.ne, überhaupt nicht bekannt seien (siehe die bewertung und abwägung der stellungnahmen, anlage 2 zur sitzungsvorlage v/2010/0067/3, seite 13). nach allem schränken die festsetzungen zur zulässigen baulichen nutzung die den eigentümern der grundstücke im ge1 verbleibenden möglichkeiten zum wirtschaftlichen gebrauch ihrer grundstücke weitestgehend ein, ohne dass sich aus der abwägungsentscheidung des rates ein nachvollziehbares städtebaulich legitimes interesse von solchem gewicht ergäbe, das eine derart erhebliche einschränkung rechtfertigen könnte. 61das interesse der eigentümerin der in dem festgesetzten mischgebiet liegenden flurstücke 675 und 676, der antragstellerin im parallelverfahren 10 d 16/20.ne, diese baulich nutzen zu können, hat der rat ebenfalls nicht fehlerfrei gewichtet. er hat in dem mischgebiet nur eine kleine überbaubare grundstücksfläche festgesetzt, die mit dem umriss der ecke eines gebäudes identisch ist, welches ganz überwiegend auf dem östlich an das plangebiet angrenzenden grundstück steht und dessen besagte ecke in das plangebiet hineinragt. über diese zugelassene bauliche nutzung hinaus kommt auf den flächen im mischgebiet nur die errichtung von nebenanlagen im sinne des § 14 baunvo in betracht (§ 23 abs. 5 satz 1 baunvo), wobei als hauptanlage nur die außerhalb des plangebiets zulässigen nutzungen dienen können, sodass eine sinnvolle nutzung der flächen für eigene zwecke der antragstellerin praktisch ausscheidet. eine begründung für eine solche einschränkung der nutzungsmöglichkeiten in dem mischgebiet ergibt sich nicht aus der planbegründung oder aus den abwägungsvorschlägen der verwaltung, die der rat zum inhalt des satzungsbeschlusses gemacht hat. sie ist auch nicht ausgehend von den mit dem bebauungsplan verfolgten städtebaulichen zielen des rates sonst erkennbar. dies genügt den anforderungen, die an die abwägung aller abwägungserheblichen belange zu stellen sind, nicht. 62an der vorstehenden beurteilung ändert sich nichts dadurch, dass der rat hier mit den ehemaligen anlagen der bahn flächen überplant hat, die bisher einer besonderen zweckbestimmung unterlagen. nach aufhebung dieser zweckbestimmung und überleitung der flächen in die allgemeine planungshoheit der gemeinde wird über deren bauliche oder sonstige nutzung neu entschieden, wenn die gemeinde hierfür einen bebauungsplan aufstellt. dass in einem solchen fall für diese flächen eine möglichst uneingeschränkte privatnützige bauliche nutzung zugelassen wird, kann deren jeweiliger eigentümer zwar grundsätzlich nicht verlangen, 63vgl. bverwg, urteil vom 16. dezember 1988 – 4 c 48.86 –, juris, rn. 45, 64doch entbindet dies den plangeber nicht von seiner gesetzlichen verpflichtung, auch die eigentümerinteressen bei einer überplanung früherer bahnflächen in die abwägung einzustellen. 65die aufgezeigten abwägungsfehler sind, auch wenn sie nur den abwägungsvorgang betreffen sollten, beachtlich. 66gemäß § 214 abs. 1 satz 1 nr. 1 baugb ist eine verletzung von verfahrens- und formvorschriften des baugesetzbuchs für die rechtswirksamkeit eines bebauungsplans nur beachtlich, wenn entgegen § 2 abs. 3 baugb die von der planung berührten belange, die der gemeinde bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, in wesentlichen punkten nicht zutreffend ermittelt oder bewertet worden sind und wenn der mangel offensichtlich und auf das ergebnis des verfahrens von einfluss gewesen ist. § 214 abs. 3 satz 2 halbsatz 2 baugb sieht vor, dass fehler im abwägungsvorgang nur erheblich sind, wenn sie offensichtlich und auf das abwägungsergebnis von einfluss gewesen sind. ein fehler im abwägungsvorgang ist offensichtlich, wenn er – wie hier – auf objektiv feststellbaren umständen beruht und ohne ausforschung der mitglieder des rates über deren planungsvorstellungen für den rechtsanwender erkennbar ist. er ist auf das abwägungsergebnis von einfluss gewesen, wenn nach den umständen des jeweiligen falles die konkrete möglichkeit besteht, dass ohne den mangel die planung anders ausgefallen wäre. 67vgl. zum beispiel bverwg, urteil vom 13. dezember 2012 – 4 cn 1.11 –, juris, rn. 16, m.w.n. 68dies ist hier der fall. es erscheint nicht als ausgeschlossen, dass der rat in kenntnis der vorstehend aufgezeigten ermittlungs- und bewertungsdefizite anders geplant oder von der planung insgesamt abstand genommen hätte. 69die antragstellerin hat die fehler im abwägungsvorgang innerhalb der jahresfrist des § 215 abs. 1 satz 1 nr. 3 baugb hinreichend gegenüber der antragsgegnerin geltend gemacht. 70die unwirksamkeit der festsetzungen, die auf den abwägungsfehlern beruhen, führt zur unwirksamkeit des bebauungsplans insgesamt. 71mängel, die einzelnen festsetzungen eines bebauungsplans anhaften, führen dann nicht zu dessen unwirksamkeit insgesamt, wenn seine übrigen regelungen für sich betrachtet noch eine sinnvolle städtebauliche ordnung im sinne des § 1 abs. 3 satz 1 baugb bewirken können und wenn der plangeber nach seinem im planungsverfahren zum ausdruck gelangten willen im zweifel auch eine satzung dieses eingeschränkten inhalts beschlossen hätte. 72vgl. bverwg, beschlüsse vom 24. april 2013 – 4 bn 22.13 –, juris, rn. 3, und vom 18. februar 2009 – 4 b 54.08 –, juris, rn. 5. 73jedenfalls letzteres ist hier zu verneinen. die festsetzung eines teils des plangebiets als öffentliche grünfläche und die festgesetzten nutzungseinschränkungen für das ge1, wonach dort nur lagerplätze zulässig sind und die höhe baulicher anlagen regelmäßig auf 2,50 m beschränkt ist, sind nach den vorstellungen des rates wesentlich für die erreichung der von ihm mit dem bebauungsplan verfolgten städtebaulichen ziele. dass er im zweifel eine satzung beschlossen hätte, die bei wegfall der besagten nutzungseinschränkungen im ge1 – mit ausnahme von anlagen bestimmter anlagenklassen nach dem abstandserlass nrw – alle in einem gewerbegebiet allgemein zulässigen baulichen nutzungen ermöglichen würde, schließt der senat aus. auch darüber hinaus kann nicht davon ausgegangen werden, dass der rat eine satzung mit den übrigen regelungen beschlossen hätte. 74ob der bebauungsplan weitere fehler hat, die seine unwirksamkeit insgesamt zur folge hätten, bedarf nach dem vorstehenden keiner entscheidung. 75die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 1 vwgo. 76die entscheidung zur vorläufigen vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 vwgo in verbindung mit den §§ 708 nr. 10, 711 zpo. 77die revision ist nicht zuzulassen, da die voraussetzungen des § 132 abs. 2 vwgo nicht vorliegen.
345,383
{ "id": 807, "jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit", "level_of_appeal": "Landgericht", "name": "Landgericht Duisburg", "state": 12 }
6 O 458/20
2022-04-12T00:00:00
Urteil
Tenor 1. Es wird festgestellt, das folgende Erhöhungen des Monatsbeitrags in der zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Krankenversicherung mit der Versicherungsnummer ########## jeweils bis zum 28.01.2021 nicht wirksam geworden sind und der Kläger nicht zur Tragung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet war: a) im Tarif B die Erhöhungen zum 01.04.2013 um 45,61 €, zum 01.04.2016 um weitere 73,25 € und zum 01.04.2017 um weitere 17,19 €, b) im Tarif A die Erhöhungen zum 01.04.2014 um 6,99 € und zum 01.04.2017 um weitere 5,04 €, c) im Tarif U die Erhöhungen zum 01.04.2016 um 9,90 € und zum 01.04.2017 um weitere 6,14 €. 2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.876,85 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.03.2021 zu zahlen. 3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie bis zum 05.03.2021 aus den vom Kläger vom 01.01.2017 bis zum 01.07.2019 auf die unter Ziffer 1. aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlten Prämienanteilen gezogen hat. 4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 5. Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 46 % und die Beklagte zu 54 % zu tragen. 6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1 6 O 458/20 2Landgericht DuisburgIM NAMEN DES VOLKESUrteil 3In dem Rechtsstreit 4hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Duisburgauf die mündliche Verhandlung vom 15.02.2022durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht E I, den Richter am Landgericht W und die Richterin E E2 5für Recht erkannt: 61. Es wird festgestellt, das folgende Erhöhungen des Monatsbeitrags in der zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Krankenversicherung mit der Versicherungsnummer ########## jeweils bis zum 28.01.2021 nicht wirksam geworden sind und der Kläger nicht zur Tragung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet war: 7a) im Tarif B die Erhöhungen zum 01.04.2013 um 45,61 €, zum 01.04.2016 um weitere 73,25 € und zum 01.04.2017 um weitere 17,19 €, 8b) im Tarif A die Erhöhungen zum 01.04.2014 um 6,99 € und zum 01.04.2017 um weitere 5,04 €, 9c) im Tarif U die Erhöhungen zum 01.04.2016 um 9,90 € und zum 01.04.2017 um weitere 6,14 €. 102. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.876,85 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.03.2021 zu zahlen. 113. Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie bis zum 05.03.2021 aus den vom Kläger vom 01.01.2017 bis zum 01.07.2019 auf die unter Ziffer 1. aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlten Prämienanteilen gezogen hat. 124. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 135. Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 46 % und die Beklagte zu 54 % zu tragen. 146. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 15Tatbestand: 16Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung des Klägers. 17Der bei der Beklagten krankenversicherte Kläger unterhält in der Krankheitskostenversicherung unter anderem die Tarife T, B, A und U. Die gesetzlichen Zuschläge für Altersrückstellungen nach § 149 VAG wurden seitens der Beklagten mit den Bezeichnungen S und H ausgewiesen. Zum 01.04.2013, 01.04.2014, 01.04.2016 und 01.04.2017 erhöhte die Beklagte die Monatsbeiträge um die im Klageantrag zu 1. aufgeführten Beträge. Zum 01.04.2018 und 01.04.2019 fanden weitere, nicht streitgegenständliche Erhöhungen des Monatsbeitrags im Tarif T statt. Die Beitragserhöhungen kündigte die Beklagte jeweils im Februar des jeweiligen Jahres mit einem Anschreiben an, dem jeweils ein Nachtrag zum Versicherungsschein sowie allgemeine Informationstexte beigefügt waren, wegen deren Inhalts auf das Anlagenkonvolut BLD 5 (Bl. 78 ff. des Anlagenordners Beklagte) Bezug genommen wird. Seit dem 01.01.2020 zahlte der Kläger einen monatlichen Gesamtbeitrag in Höhe von 767,04 €, wovon 56,82 € auf die Pflegepflichtversicherung (Tarif Q) entfielen. 18Mit Schreiben vom 25.01.2021 (Anlage BLD 7, Bl. 123 Anlagenband Beklagte) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die auslösenden Faktoren jeweils geänderte Leistungsausgaben gewesen seien und erläuterte, dass eine Beitragsanpassung nur bei Überschreitung eines Schwellenwerts erfolge. 19Der Kläger hält die Beitragserhöhungen mangels ordnungsgemäßer Begründung für unwirksam. Mit Anwaltsschreiben vom 21.08.2020 ließ er die Beklagte unter Fristsetzung zur Rückzahlung seiner Ansicht nach überzahlter Beträge und der daraus gezogenen Nutzungen auffordern. 20Mit der am 31.12.2020 eingegangenen und am 05.03.2021 zugestellten Klage hat der Kläger zunächst beantragt, 211. festzustellen, dass folgende Erhöhungen des Monatsbeitrags in der zwischen ihm und der Beklagten bestehenden Kranken-/Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer ########## unwirksam sind: 22a) im Tarif T die Erhöhung zum 01.04.2013 in Höhe von 23,39 €, 23b) im Tarif S - gesetzlicher Zuschlag die Erhöhung zum 01.04.2013 in Höhe von 6,90 €, 24c) im Tarif B die Erhöhung zum 01.04.2013 in Höhe von 45,61 €, 25d) im Tarif A die Erhöhung zum 01.04.2014 in Höhe von 6,99 €, 26e) im Tarif S - gesetzlicher Zuschlag die Erhöhung zum 01.04.2014 in Höhe von 0,70 €, 27f) im Tarif B die Erhöhung zum 01.04.2016 in Höhe von 73,25 €, 28g) im Tarif U die Erhöhung zum 01.04.2016 in Höhe von 9,90 €, 29h) im Tarif S - gesetzlicher Zuschlag die Erhöhung zum 01.04.2016 in Höhe von 7,33 €, 30i) im Tarif B die Erhöhung zum 01.04.2017 in Höhe von 17,19 €, 31j) im Tarif U die Erhöhung zum 01.04.2017 in Höhe von 6,14 €, 32k) im Tarif A die Erhöhung zum 01.04.2017 in Höhe von 5,04 €, 33l) im Tarif H - Gesetzlicher Beitragszuschlag die Erhöhung zum 01.04.2017 in Höhe von 2,23 €, 34und er nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet, sowie der Gesamtbeitrag unter Berücksichtigung der erfolgten Absenkungen auf insgesamt 767,04 € zu reduzieren ist, 352. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.360,44 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen, 363. festzustellen, dass die Beklagte 37a) ihm zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie aus dem Prämienanteil gezogen hat, den er auf die unter 1. aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlt hat, 38b) die nach 3. a) herauszugebenden Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu verzinsen hat, 394. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 1.394,32 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der F seit Rechtshängigkeit für die außergerichtliche anwaltliche Rechtsverfolgung zu zahlen. 40Nachdem die Beklagte in der Klageerwiderung vom 15.04.2021, die den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 22.04.2021 zugestellt worden ist, erneut mitgeteilt hat, dass auslösende Faktoren der streitgegenständlichen Beitragserhöhungen jeweils geänderte Leistungsausgaben gewesen seien, hat der Kläger die Klage hinsichtlich des im letzten Halbsatz des Antrags zu 1. enthaltenen Herabsetzungsantrags zurückgenommen. 41Die Beklagte beantragt, 42die Klage abzuweisen. 43Sie verteidigt die Beitragserhöhungen und redet Verjährung ein. 44Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. 45Entscheidungsgründe: 46I. 47Die Klage hat teilweise Erfolg. 481. 49Der Feststellungsantrag zu 1. ist teils unzulässig. Im Übrigen ist er zulässig, aber nur im tenorierten Umfang begründet. 50a) 51Die Feststellungsbegehren zu 1. a), b), e), h) und l) sind unzulässig. 52Soweit der Kläger die Unwirksamkeit der Beitragsanpassungen im Tarif T zum 01.01.2013 festgestellt wissen möchte, fehlt es an einem feststellungsfähigen gegenwärtigen Rechtsverhältnis, weil der Kläger sich nicht zugleich gegen die Wirksamkeit aller nachfolgenden Beitragsanpassungen wendet, namentlich der von der Beklagten mit Schriftsatz vom 15.04.2021 vorgetragenen und unbestritten gebliebenen der Beitragsanpassungen zum 01.04.2018 und 01.04.2019 (vgl. BGH, Urteil vom 19.12.2018, IV ZR 255/17, Rn. 17; Reinhard, VersR 2000, 216, 217 f.). Da § 203 Abs. 2 S. 1 VVG den Versicherer berechtigt, die gesamte Prämie neu festzusetzen, bestand ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch der Beklagten auf Zahlung der Prämie in der durch diese Anpassung festgesetzten neuen Gesamthöhe, so dass es auf die Wirksamkeit früherer Anpassungen nicht mehr ankommt (vgl. BGH, Urteil vom 16.12.2020, IV ZR 294/19, Rn. 55 f.). 53Soweit der Kläger die Unwirksamkeit der Anpassungen der gesetzlichen Zuschläge S zum 01.04.2013, 01.04.2014, 01.04.2016 sowie H zum 01.04.2017 festgestellt wissen möchte, fehlt es an dem gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen rechtlichen Interesse an der eigenständigen Feststellung, da die Höhe des Zuschlags gemäß § 149 S. 1 VAG von Höhe der Prämie abhängt und die Beklagte diese Abhängigkeit nicht in Abrede stellt. 54b) 55Die Feststellungsbegehren zu 1. c), d), f), g), i), j) und k) sind zulässig und teilweise begründet. 56aa) 57Ein feststellungsfähiges gegenwärtiges Rechtsverhältnis liegt vor, soweit der Kläger die Unwirksamkeit der Beitragsanpassungen im Tarif B zum 01.04.2013, 01.04.2016 und 01.04.2017, im Tarif A zum 01.04.2014 und 01.04.2017 sowie im Tarif U zum 01.04.2016 und 01.04.2017 festgestellt wissen möchte, da allein mit dem daneben erstrebten Leistungsurteil auf Rückzahlung überzahlter Beiträge nicht rechtskräftig festgestellt wäre, dass er zukünftig nicht zur Zahlung des sich aus der Beitragsanpassung ergebenden Erhöhungsbetrags verpflichtet ist (vgl. BGH, Urteil vom 19.12.2018, IV ZR 255/17, Rn. 17; Urteil vom 16.12.2020, IV ZR 294/19, Rn. 19 f.). 58bb) 59Die Feststellungsbegehren zu 1. c), d), f), g), i), j) und k) sind in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, weil die Beitragserhöhungen im Tarif B zum 01.04.2013, 01.04.2016 und 01.04.2017, im Tarif A zum 01.04.2014 und 01.04.2017 sowie im Tarif U zum 01.04.2016 und 01.04.2017 erst zum 01.03.2021 wirksam geworden sind und der Kläger bis zu diesem Zeitpunkt nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrags verpflichtet war. 60(1) 61Gemäß § 203 Abs. 5 VVG werden die Neufestsetzung der Prämie und die Änderungen nach § 203 Abs. 2 und 3 VVG zu Beginn des zweiten Monats wirksam, der auf die Mitteilung der Neufestsetzung oder der Änderungen und der hierfür maßgeblichen Gründe an den Versicherungsnehmer folgt. 62Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfordert die Mitteilung der maßgeblichen Gründe nicht mehr und nicht weniger als die – auf die konkret in Rede stehende Prämienanpassung bezogene – Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 S. 1 VVG veranlasst hat. Es müssen nicht alle Gründe der Beitragserhöhung genannt werden, sondern nur die für die Prämienanpassung entscheidenden Umstände. In diesem Sinne entscheidend ist nur, ob eine Veränderung der erforderlichen gegenüber den kalkulierten Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeiten die in § 155 Abs. 3 und 4 VAG oder in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelten Schwellenwerte überschreitet oder nicht. Dagegen muss der Versicherer weder die Rechtsgrundlage des geltenden Schwellenwerts noch die genaue Höhe der Veränderung der Rechnungsgrundlage mitteilen. Ebenso wenig hat er die Veränderung weiterer Faktoren, welche die Prämienhöhe beeinflusst haben, wie z. B. des Rechnungszinses, anzugeben (BGH, Urteil vom 16.12.2020, IV ZR 294/19, Rn. 26 ff.). Die Mitteilungspflicht erfüllt so den Zweck, dem Versicherungsnehmer zu verdeutlichen, dass weder sein individuelles Verhalten noch eine freie Entscheidung des Versicherers Grund für die Beitragserhöhung war, sondern dass eine bestimmte Veränderung der Umstände dies aufgrund gesetzlicher Regelungen veranlasst hat (BGH, a. a. O., Rn. 35). Da die Überprüfung der Prämie unabhängig von dem Umstand ausgelöst wird, ob die über den Schwellenwert hinausreichende Veränderung in Gestalt einer Steigerung oder einer Verringerung eingetreten ist, und die Mitteilungspflicht nicht den Zweck hat, dem Versicherungsnehmer eine Plausibilitätskontrolle der Prämienanpassung zu ermöglichen (BGH, a. a. O., Rn. 36), ist ein Hinweis des Versicherers darauf, in welche Richtung sich die maßgebliche Rechnungsgrundlage verändert hat, nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 20.10.2021, IV ZR 148/20, Rn. 29 f.). 63(2) 64Den vorstehenden Anforderungen genügten die dem Kläger jeweils im vorangegangenen Februar mitgeteilten Gründe für die Beitragsanpassungen zum 01.04.2013, 01.04.2014, 01.04.2016 und 01.04.2017 nicht. Denn ein Versicherungsnehmer konnte den Mitteilungen nicht mit der gebotenen Klarheit entnehmen, dass eine Veränderung der Rechnungsgrundlage „Versicherungsleistungen“ über dem geltenden Schwellenwert die konkreten Beitragserhöhung ausgelöst hat. 65Eine Angabe dazu, welche der beiden Rechnungsgrundlagen sich verändert habe, und den – nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ebenfalls erforderlichen – Hinweis, dass bei der konkreten Prämienerhöhung ein in Gesetz oder Tarifbedingungen festgelegter Schwellenwert über- oder unterschritten worden sei, hat die Kammer hinsichtlich der Beitragsanpassungen in den Tarifen B und A weder in den Mitteilungsschreiben noch in den beigefügten Informationen finden können. Aus der bloßen Erwähnung gestiegener Gesundheitskosten als „wichtigsten Grund“ für die Beitragsänderung in den Mitteilungen zu den Beitragsanpassungen zum 01.04.2014, 01.04.2016 und 01.04.2017 ergibt sich nicht, dass es einen vorab festgelegten Schwellenwert für eine Veränderung der Versicherungsleistungen gibt, dessen Überschreitung die hier in Rede stehende Prämienanpassung ausgelöst hat (vgl. – zu gleichlautenden Mitteilungen der Beklagten – BGH, Urteil vom 23.06.2021, IV ZR 250/20, Rn. 17 f.). Entsprechendes gilt für den in dem Mitteilungsschreiben vom Februar 2013 erfolgten Hinweis auf den medizinischen Fortschritt und die damit verbesserten Behandlungsverfahren. 66Den vorgenannten Anforderungen genügten auch die Begründungen der Beitragsanpassungen im Tarif U zum 01.04.2016 und 01.04.2017 nicht. Diese erwähnen zwar, dass die Ausgaben für Versicherungen, die einen Verdienstausfall abdecken, steigen, nicht jedoch, dass eine Veränderung der erforderlichen gegenüber den kalkulierten Versicherungsleistungen, die den gesetzlich oder in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen festgelegten Schwellenwert überschritten hat, bereits eingetreten ist. 67(3) 68Die zunächst unzureichenden Begründungen für die vorgenannten Beitragserhöhungen sind jedoch mit Zugang des Schreibens der Beklagten vom 25.01.2021 beim Kläger geheilt worden. Wenn eine Mitteilung der Prämienanpassung zunächst ohne eine den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügende Begründung erfolgt, diese aber später nachgeholt wird, wird dadurch die für die Wirksamkeit der Neufestsetzung der Prämie angeordnete Frist in Lauf gesetzt (BGH, Urteil vom 19.12.2018, IV ZR 255/17, Rn. 66; Urteil vom 16.12.2020, IV ZR 294/19, Rn. 41 f.). In dem Schreiben vom 25.01.2021 hat die Beklagte nach vorheriger Erläuterung der Schwellenwerte klargestellt, dass auslösende Faktoren der streitgegenständlichen Beitragserhöhungen jeweils geänderte Leistungsausgaben gewesen seien, und damit dem Begründungserfordernis nach § 203 Abs. 5 VVG genügt. Infolgedessen sind die ursprünglich zum 01.04.2013, 01.04.2014, 01.04.2016 und 01.04.2017 vorgesehenen Prämienerhöhungen ab dem zweiten auf die Übersendung des Schreibens folgenden Monat, d. h. ab dem 01.03.2021, wirksam geworden. Auf den Antrag des Klägers waren daher die Unwirksamkeit der genannten Prämienerhöhungen sowie die fehlende Verpflichtung des Klägers zur Tragung des jeweiligen Erhöhungsbetrags (lediglich) bis zu diesem Zeitpunkt festzustellen. 692. 70Der zulässige Leistungsantrag zu 2. ist nur in Höhe von 5.876,85 € nebst Prozesszinsen begründet. 71a) 72Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung der Erhöhungsbeiträge, die er seit dem 01.01.2017 bis einschließlich Dezember 2020 aufgrund der aus den oben genannten Gründen unwirksamen Beitragsanpassungen im Tarif B zum 01.04.2013, 01.04.2016 und 01.04.2017, im Tarif A zum 01.04.2014 und 01.04.2017 sowie im Tarif U zum 01.04.2016 und 01.04.2017 rechtsgrundlos geleistet hat. 73Hierbei handelt es sich im Tarif B betreffend die Erhöhung zum 01.04.2013 um 31 monatliche Prämienanteile in Höhe von jeweils 45,61 €, mithin eine Summe von 1.413,91 €, betreffend die Erhöhung zum 01.04.2016 um 31 monatliche Prämienanteile in Höhe von jeweils 73,25 €, mithin eine Summe von 2.270,75 €, und betreffend die Erhöhung zum 01.04.2017 um 28 monatliche Prämienanteile in Höhe von jeweils 17,19 €, mithin eine Summe von 481,32 €. Im Tarif A handelt es sich betreffend die Erhöhung zum 01.04.2014 um 31 monatliche Prämienanteile in Höhe von jeweils 6,99 €, mithin eine Summe von 216,69 € und betreffend die Erhöhung zum 01.04.2017 um 28 monatliche Prämienanteile in Höhe von jeweils 5,04 €, mithin eine Summe von 141,12 €. Im Tarif U handelt es sich betreffend die Erhöhung zum 01.04.2016 um 48 monatliche Prämienanteile in Höhe von jeweils 9,90 €, mithin eine Summe von 475,20 €, und betreffend die Erhöhung zum 01.04.2017 um 45 monatliche Prämienanteile in Höhe von jeweils 6,14 €, mithin eine Summe von 276,30 €. 74b) 75Der Kläger hat weiterhin gegen die Beklagte gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung der Erhöhungsbeiträge, die er seit dem 01.01.2017 bis einschließlich März 2018 auf die Beitragsanpassung im Tarif T zum 01.04.2013 gezahlt hat. Diese Beitragsanpassung war gleichlautend mit den vorgenannten Beitragsanpassungen im Jahr 2013 begründet worden und damit ebenfalls unwirksam. Dem Kläger steht insoweit ein Anspruch auf 15 monatliche Prämienanteile in Höhe von jeweils 23,39 €, mithin eine Summe von 350,85 €, zu. 76c) 77Soweit der Kläger einen Anspruch auf Rückzahlung der vorgenannten Erhöhungsbeiträge in den jeweiligen Referenztarifen hat, steht dem Kläger auch ein Rückzahlungsanspruch hinsichtlich der hierauf entfallenden gesetzlichen Zuschläge zu. Somit ergibt sich hinsichtlich des gesetzlichen Zuschlags S betreffend die Erhöhung zum 01.04.2013 ein Anspruch auf 15 monatliche Prämienanteile in Höhe von jeweils 6,90 €, mithin eine Summe von 103,50 €, betreffend die Erhöhung zum 01.04.2014 ein Anspruch auf 15 monatliche Prämienanteile in Höhe von jeweils 0,70 €, mithin eine Summe von 10,50 €, und betreffend die Erhöhung zum 01.04.2016 ein Anspruch auf 15 monatliche Prämienanteile in Höhe von jeweils 7,33 €, mithin eine Summe von 109,95 €. Hinsichtlich der Erhöhung des gesetzlichen Zuschlags H zum 01.04.2017 steht dem Kläger ein Rückzahlungsanspruch auf 12 monatliche Prämienanteile in Höhe von jeweils 2,23 €, mithin eine Summe von 26,76 €, zu. 78d) 79Diesen Ansprüchen stehen weder bereicherungsrechtliche Einwände noch der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. 80Eine Anrechnung des genossenen Versicherungsschutzes im Wege der Saldierung kommt nicht in Betracht, weil weiterhin ein wirksamer Versicherungsvertrag bestand, der die Beklagte zur Erbringung von Versicherungsleistungen verpflichtete (BGH, Urteil vom 16.12.2020, IV ZR 294/19, Rn. 46 f.). Durch die Erbringung von Versicherungsleistungen oder die Bildung von Rückstellungen ist auch keine Entreicherung der Beklagten im Sinne von § 818 Abs. 3 BGB eingetreten. Mit der Erbringung der Versicherungsleistungen hat die Beklagte eigene Verbindlichkeiten erfüllt und sich mithin von diesen befreit (BGH, a. a. O., Rn. 49 m. w. N.). Hinsichtlich etwaiger zur Bildung von Rückstellungen verwendeter Mittel hat die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht dargetan, dass und ggf. warum eine Rückbuchung oder spätere Verrechnung nicht möglich sein sollte (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 50 ff.). 81In der Geltendmachung des bereicherungsrechtlichen Anspruchs liegt auch keine widersprüchliche und damit unzulässige Rechtsausübung. § 242 BGB steht einer Wahrnehmung der Informationsrechte des Versicherungsnehmers und des daraus folgenden Rückzahlungsanspruchs unabhängig davon nicht entgegen, ob er die streitgegenständlichen Prämienanpassungen auch in materieller Hinsicht angreift (BGH, a. a. O., Rn. 44; Urteil vom 14.04.2021, IV ZR 36/20, Rn. 36). 82e) 83Ebenso wenig kann die Beklagte mit Erfolg einwenden, den Bereicherungsanspruch bereits teilweise durch Beitragsrückerstattungen in Höhe von 188,08 € erfüllt zu haben (§ 362 Abs. 1 BGB). Soweit sie vorträgt, in den Jahren 2015 und 2020 Beitragsrückerstattungen geleistet zu haben, wären diese zunächst mit den älteren Forderungen des Klägers aufgrund der in den Jahren ab 2013 gezahlten Erhöhungsbeträge zu verrechnen gewesen (§ 366 Abs. 2 BGB), die bei Klageerhebung verjährt waren (siehe unten) und den Betrag der Beitragsrückerstattungen überstiegen (vgl. BGH, Urteil vom 21.07.2021, IV ZR 191/20, Rn. 33). Aufgrund der insoweit vorzunehmenden Verrechnung greift auch die hilfsweise erklärte Aufrechnung der Beklagten nicht durch. Hinzu kommt, dass eine etwaige Gegenforderung mangels hinreichender Erläuterung der Berechnungsgrundlagen nicht bestimmbar ist, so dass das Bestehen der behaupteten Gegenforderung nicht festgestellt werden kann. 84f) 85In diesem Umfang ist auch keine Verjährung eingetreten (§ 214 Abs. 1 BGB). 86Die Bereicherungsansprüche unterliegen der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist (§ 195 BGB), welche gemäß § 199 Abs. 1 BGB grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Die Rückzahlungsansprüche entstanden jeweils mit der Zahlung der Erhöhungsbeträge. Die notwendige Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und von der Person des Schuldners hatte der Kläger bereits mit dem Zugang der jeweiligen Änderungsmitteilungen (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2021, IV ZR 113/20, Rn. 40 ff.). 87Entgegen einer teilweise vertretenen Auffassung sind die monatlich gezahlten Erhöhungsbeträge nicht wie Nutzungen eines geschlossenen Stammrechts zu behandeln mit der Folge, dass die sukzessive entstandenen Rückgewähransprüche analog § 217 BGB drei Jahre nach der (unwirksamen) Prämienanpassung verjähren (vgl. LG Essen, Urteil vom 03.04.2019, 18 O 191/18, juris Rn. 58; LG Halle, Urteil vom 16.07.2021, 5 O 442/20, juris Rn. 59; Fuxman/Leygraf, r+s 2021, 61, 63 f.). Zum einen ergeben sich die hier in Rede stehenden Bereicherungsansprüche nicht aus einem „Stammrecht“ des Versicherungsnehmers (allenfalls könnte man umgekehrt von einer „Stammpflicht“ sprechen). Zum anderen ist die für die Anwendung der Stammrechtstheorie in der privaten Unfall- und Berufsunfähigkeitsversicherung maßgebliche Erwägung, dass es den Versicherer unbillig belasten würde, sich Jahre nach einer Leistungsablehnung noch mit einem für abgeschlossen gehaltenen, angesichts des Zeitablaufs typischerweise nur noch unter Schwierigkeiten aufklärbaren Versicherungsfall auseinandersetzen zu müssen (vgl. BGH, Urteil vom 03.04.2019, IV ZR 90/18 Rn. 19 ff. m. w. N.), auf die vorliegende Konstellation nicht übertragbar (OLG Stuttgart, Urteil vom 18.11.2021, 7 U 244/21, Rn. 59; ebenso im Ergebnis LG Hannover, Urteil vom 29.03.2021, 19 O 291/20, juris Rn. 100 f.; Egger, r+s 2021, 430, 433; Schultess, VersR 2021, 1555, 1556 f.). 88Mithin begann die Verjährungsfrist für die ersten hier in Rede stehenden Ansprüche mit dem Schluss des Jahres 2017 und endete am 31.12.2020. Insoweit ist die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB i. V. m. § 167 ZPO durch die am 29.12.2020 eingegangene Klage gehemmt worden. Die am 05.03.2021 bewirkte Zustellung ist noch „demnächst“ im Sinne von § 167 ZPO erfolgt, weil die Verzögerung ausschließlich durch den Geschäftsbetrieb des Gerichts verursacht war. 89g) 90Der Anspruch auf Prozesszinsen folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB. 91h) 92Weitere rechtsgrundlose Zahlungen aufgrund unwirksamer (noch) streitgegenständlicher Beitragserhöhungen hat der Kläger in unverjährter Zeit nicht geleistet. 93Etwaigen Ansprüchen gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB auf Rückzahlung der Erhöhungsbeträge, die der Kläger bis zum 31.12.2016 auf die streitgegenständlichen Beitragsanpassungen geleistet hat, steht jedenfalls die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen (§ 214 Abs. 1 BGB). 94aa) 95Da bereits der Zugang der jeweiligen Änderungsmitteilungen dem Kläger die notwendige Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und von der Person des Schuldners vermittelte (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2021, IV ZR 113/20, Rn. 40 ff.), begann die Verjährungsfrist für die letzten hier in Rede stehenden Zahlungen mit dem Schluss des Jahres 2016 begann und endete am 31.12.2019, so dass die am 31.12.2020 eingegangene Klage insoweit keine Hemmung mehr bewirken konnte. 96bb) 97Entgegen der Ansicht des Klägers fehlte es bis dahin nicht an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn. 98In eng begrenzten, besonders begründeten Ausnahmefällen (BGH, Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20, Rn. 10) kann die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn hinausschieben, wenn der Durchsetzung des Anspruchs eine gegenteilige höchstrichterliche Rechtsprechung entgegensteht (BGH, Urteil vom 28.10.2014, XI ZR 348/13, Rn. 35) oder eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag (BGH, Urteil vom 21.02.2018, IV ZR 304/16, Rn. 15 m. w. N.). Eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage liegt nicht schon dann vor, wenn eine Rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich entschieden ist, sondern setzt zumindest voraus, dass im Zeitpunkt der Anspruchsentstehung ein ernsthafter Meinungsstreit in Literatur und Rechtsprechung bestand (vgl. BGH, Urteil vom 28.10.2014, XI ZR 348/13, Rn. 45; Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20, Rn. 13). Wird die Rechtslage erst unsicher, nachdem die Verjährungsfrist zu laufen begonnen hat, schiebt dies den Beginn der einmal in Lauf gesetzten Frist nicht nachträglich hinaus (vgl. BGH, Urteil vom 28.10.2014, XI ZR 348/13, Rn. 45; Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20, Rn. 15). Auch mit Blick auf rechtliche Unsicherheiten ist eine Klageerhebung dann zumutbar, wenn die Klage bei verständiger Würdigung hinreichende Erfolgsaussichten hat; es ist nicht erforderlich, dass die Rechtsverfolgung risikolos möglich ist (BGH, Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20, Rn. 11 m. w. N.). 99Nach diesen Maßstäben war die Erhebung einer Klage, mit der die formelle Unwirksamkeit von Beitragserhöhungen aufgrund einer unzureichenden Begründung geltend gemacht wird, jedenfalls bis zum 31.12.2016 zumutbar und der Verjährungsbeginn nicht bis zu der durch die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 16.12.2020 (IV ZR 294/19 und IV ZR 314/19) herbeigeführten höchstrichterlichen Klärung hinausgeschoben. Denn es gab weder eine entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung noch – jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt – einen ernsthaften Meinungsstreit. Der Umstand, dass die Frage, welche Anforderungen an eine Mitteilung gemäß § 203 Abs. 5 VVG zu stellen sind, in der Literatur zunächst nur vereinzelt aufgegriffen wurde (vgl. Klimke, VersR 2016, 22 ff.) und erste gerichtliche Entscheidungen hierzu erst im Jahr 2018 veröffentlicht wurden (vgl. LG Neuruppin, Urteil vom 25.08.2017, 1 O 338/16, VersR 2018, 469; LG Potsdam, Urteil vom 27.09.2017, 6 S 80/16, VersR 2018, 471), mag die rechtliche Einordnung und die rechtliche Beratung nicht erleichtert haben, ließ eine Klageerhebung indes unzumutbar erscheinen. Vielmehr musste eine rechtliche Würdigung gerade ergeben, dass die Erfolgschancen eines Rückzahlungsanspruchs als offen einzuschätzen waren (OLG Stuttgart, Urteil vom 18.11.2021, 7 U 244/21, juris Rn. 48; vgl. OLG Dresden, Urteil vom 12.10.2021, 6 U 751/21, juris Rn. 81 f.; Urteil vom 14.12.2021, 4 U 1693/21, juris Rn. 38; OLG Saarbrücken, Urteil vom 01.12.2021, 5 U 93/20, juris Rn. 35; OLG Hamm, Urteil vom 30.06.2021, 20 U 152/20, juris Rn. 79). 100Hinzu kommt, dass bereits seit dem Jahr 2018, insbesondere aber im Laufe des Jahres 2020 bei zahlreichen Landgerichten – darunter auch dem hiesigen – eine Vielzahl entsprechender Klagen eingegangen sind, mit denen die jeweiligen – im Jahr 2020 zumeist von den Prozessbevollmächtigten des Klägers vertretenen – Versicherungsnehmer zu erkennen gegeben haben, dass sie ungeachtet des zu dieser Zeit ungeklärten Meinungsstreits von der Unwirksamkeit der Prämienerhöhungen ausgingen. Auch der Kläger hat bereits vor Veröffentlichung der Urteile des Bundesgerichtshofs vom 16.12.2020 seine Ansprüche gegen die Beklagte geltend gemacht. Umstrittener als in den Jahren 2018 bis 2020 war der Inhalt des § 203 Abs. 5 VVG jedoch in den Jahren bis einschließlich 2016 nicht, so dass dem Kläger die Klageerhebung auch damals nicht unzumutbar war (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2021, IV ZR 113/20, Rn. 45). 1013. 102Der auf die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Herausgabe von Nutzungen gerichtete Feststellungsantrag zu 3. ist insgesamt zulässig, aber nur im tenorierten Umfang begründet. 103Seine Zulässigkeit scheitert nicht am Vorrang der Leistungsklage, weil die von der Beklagten gezogenen Nutzungen aus den nach Ansicht des Klägers rechtsgrundlos gezahlten Prämienanteilen für ihn im Zeitpunkt der Klageerhebung nur teilweise bezifferbar waren (BGH, Urteil vom 19.12.2018, IV ZR 255/17, Rn. 18 ff. m. w. N.). 104Der Anspruch auf Herausgabe der rechtsgrundlos gezahlten Erhöhungsbeträge erstreckt sich gemäß § 818 Abs. 1 BGB auf die Nutzungen, welche die Beklagte aus diesen Prämienanteilen gezogen hat, ist insoweit allerdings auf die Zeit vor Eintritt der Verzinsungspflicht für die Hauptforderung beschränkt (BGH, Urteil vom 16.12.2020, IV ZR 294/19, Rn. 58). Etwaige Ansprüche auf Herausgabe von Nutzungen, welche die Beklagte aus den bis zum 31.12.2016 gezahlten Prämienanteilen gezogen hat, wären mit dem jeweiligen Hauptanspruch verjährt (§ 217 BGB). Daher war die Feststellung der Pflicht zur Herausgabe gezogener Nutzungen auf den Zeitraum zu beschränken, in dem der Kläger in unverjährter Zeit nicht zur Tragung des jeweiligen Erhöhungsbetrags verpflichtet war und nach seinem Vorbringen Zahlungen auf die Beitragsanpassungen geleistet hat. 105Der auf die Feststellung einer Verzinsungspflicht für die Nutzungen gerichtete Antrag zu 3. b) ist unbegründet. § 291 BGB als Anspruchsgrundlage für Prozesszinsen greift bei einer Klage, die auf die Feststellung einer Verbindlichkeit gerichtet ist, nicht ein. Auch ein Verzugszinsanspruch kommt nicht in Betracht, weil nicht dargetan ist, dass das Anwaltsschreiben vom 21.08.2020 eine Bezifferung der darin geforderten Nutzungen und somit die erforderliche Bestimmtheit einer Mahnung aufwies (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2021, IV ZR 109/20, Rn. 43). 1064. 107Der auf den Ersatz von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten gerichtete Antrag zu 4. ist unbegründet. Die insoweit geltend gemachten Kosten wären allenfalls unter dem Gesichtspunkt des Verzugs ersatzfähig (§§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB), der zum Zeitpunkt der einzigen vorgetragenen außergerichtlichen Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten des Klägers, nämlich der Erstellung des Mahnschreibens vom 21.08.2020, nicht vorlag, sondern erst mit Ablauf der darin gesetzten Zahlungsfrist begründet wurde. Eine diesem Schreiben vorausgehende Mahnung durch den Kläger ist ebenso wenig vorgetragen wie eine weitere außergerichtliche Rechtsanwaltstätigkeit. 108II. 109Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1, § 269 Abs. 3 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. 110III. 111Der Streitwert für die Gerichtsgebühren wird auf 11.034,12 € festgesetzt (§ 63 Abs. 1 GKG). 112Rechtsbehelfsbelehrung: 113Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Landgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Duisburg, König-Heinrich-Platz 1, 47051 Duisburg, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 114Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr: 115Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Auf die Pflicht zur elektronischen Einreichung durch professionelle Einreicher/innen ab dem 01.01.2022 durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013, das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5. Juli 2017 und das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 05.10.2021 wird hingewiesen. 116Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de. 117E I W E E2
1. es wird festgestellt, das folgende erhöhungen des monatsbeitrags in der zwischen dem kläger und der beklagten bestehenden krankenversicherung mit der versicherungsnummer ########## jeweils bis zum 28.01.2021 nicht wirksam geworden sind und der kläger nicht zur tragung des jeweiligen erhöhungsbetrages verpflichtet war: a) im tarif b die erhöhungen zum 01.04.2013 um 45,61 €, zum 01.04.2016 um weitere 73,25 € und zum 01.04.2017 um weitere 17,19 €, b) im tarif a die erhöhungen zum 01.04.2014 um 6,99 € und zum 01.04.2017 um weitere 5,04 €, c) im tarif u die erhöhungen zum 01.04.2016 um 9,90 € und zum 01.04.2017 um weitere 6,14 €. 2. die beklagte wird verurteilt, an den kläger 5.876,85 € nebst zinsen in höhe von fünf prozentpunkten über dem basiszinssatz seit dem 06.03.2021 zu zahlen. 3. es wird festgestellt, dass die beklagte dem kläger zur herausgabe der nutzungen verpflichtet ist, die sie bis zum 05.03.2021 aus den vom kläger vom 01.01.2017 bis zum 01.07.2019 auf die unter ziffer 1. aufgeführten beitragserhöhungen gezahlten prämienanteilen gezogen hat. 4. im übrigen wird die klage abgewiesen. 5. die kosten des rechtsstreits haben der kläger zu 46 % und die beklagte zu 54 % zu tragen. 6. das urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den kläger jedoch nur gegen sicherheitsleistung in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages. der kläger darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1 6 o 458/20 2landgericht duisburgim namen des volkesurteil 3in dem rechtsstreit 4hat die 6. zivilkammer des landgerichts duisburgauf die mündliche verhandlung vom 15.02.2022durch den vorsitzenden richter am landgericht e i, den richter am landgericht w und die richterin e e2 5für recht erkannt: 61. es wird festgestellt, das folgende erhöhungen des monatsbeitrags in der zwischen dem kläger und der beklagten bestehenden krankenversicherung mit der versicherungsnummer ########## jeweils bis zum 28.01.2021 nicht wirksam geworden sind und der kläger nicht zur tragung des jeweiligen erhöhungsbetrages verpflichtet war: 7a) im tarif b die erhöhungen zum 01.04.2013 um 45,61 €, zum 01.04.2016 um weitere 73,25 € und zum 01.04.2017 um weitere 17,19 €, 8b) im tarif a die erhöhungen zum 01.04.2014 um 6,99 € und zum 01.04.2017 um weitere 5,04 €, 9c) im tarif u die erhöhungen zum 01.04.2016 um 9,90 € und zum 01.04.2017 um weitere 6,14 €. 102. die beklagte wird verurteilt, an den kläger 5.876,85 € nebst zinsen in höhe von fünf prozentpunkten über dem basiszinssatz seit dem 06.03.2021 zu zahlen. 113. es wird festgestellt, dass die beklagte dem kläger zur herausgabe der nutzungen verpflichtet ist, die sie bis zum 05.03.2021 aus den vom kläger vom 01.01.2017 bis zum 01.07.2019 auf die unter ziffer 1. aufgeführten beitragserhöhungen gezahlten prämienanteilen gezogen hat. 124. im übrigen wird die klage abgewiesen. 135. die kosten des rechtsstreits haben der kläger zu 46 % und die beklagte zu 54 % zu tragen. 146. das urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den kläger jedoch nur gegen sicherheitsleistung in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages. der kläger darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 15
16die parteien streiten über die wirksamkeit von beitragserhöhungen in der privaten krankenversicherung des klägers. 17der bei der beklagten krankenversicherte kläger unterhält in der krankheitskostenversicherung unter anderem die tarife t, b, a und u. die gesetzlichen zuschläge für altersrückstellungen nach § 149 vag wurden seitens der beklagten mit den bezeichnungen s und h ausgewiesen. zum 01.04.2013, 01.04.2014, 01.04.2016 und 01.04.2017 erhöhte die beklagte die monatsbeiträge um die im klageantrag zu 1. aufgeführten beträge. zum 01.04.2018 und 01.04.2019 fanden weitere, nicht streitgegenständliche erhöhungen des monatsbeitrags im tarif t statt. die beitragserhöhungen kündigte die beklagte jeweils im februar des jeweiligen jahres mit einem anschreiben an, dem jeweils ein nachtrag zum versicherungsschein sowie allgemeine informationstexte beigefügt waren, wegen deren inhalts auf das anlagenkonvolut bld 5 (bl. 78 ff. des anlagenordners beklagte) bezug genommen wird. seit dem 01.01.2020 zahlte der kläger einen monatlichen gesamtbeitrag in höhe von 767,04 €, wovon 56,82 € auf die pflegepflichtversicherung (tarif q) entfielen. 18mit schreiben vom 25.01.2021 (anlage bld 7, bl. 123 anlagenband beklagte) teilte die beklagte dem kläger mit, dass die auslösenden faktoren jeweils geänderte leistungsausgaben gewesen seien und erläuterte, dass eine beitragsanpassung nur bei überschreitung eines schwellenwerts erfolge. 19der kläger hält die beitragserhöhungen mangels ordnungsgemäßer begründung für unwirksam. mit anwaltsschreiben vom 21.08.2020 ließ er die beklagte unter fristsetzung zur rückzahlung seiner ansicht nach überzahlter beträge und der daraus gezogenen nutzungen auffordern. 20mit der am 31.12.2020 eingegangenen und am 05.03.2021 zugestellten klage hat der kläger zunächst beantragt, 211. festzustellen, dass folgende erhöhungen des monatsbeitrags in der zwischen ihm und der beklagten bestehenden kranken-/pflegeversicherung mit der versicherungsnummer ########## unwirksam sind: 22a) im tarif t die erhöhung zum 01.04.2013 in höhe von 23,39 €, 23b) im tarif s - gesetzlicher zuschlag die erhöhung zum 01.04.2013 in höhe von 6,90 €, 24c) im tarif b die erhöhung zum 01.04.2013 in höhe von 45,61 €, 25d) im tarif a die erhöhung zum 01.04.2014 in höhe von 6,99 €, 26e) im tarif s - gesetzlicher zuschlag die erhöhung zum 01.04.2014 in höhe von 0,70 €, 27f) im tarif b die erhöhung zum 01.04.2016 in höhe von 73,25 €, 28g) im tarif u die erhöhung zum 01.04.2016 in höhe von 9,90 €, 29h) im tarif s - gesetzlicher zuschlag die erhöhung zum 01.04.2016 in höhe von 7,33 €, 30i) im tarif b die erhöhung zum 01.04.2017 in höhe von 17,19 €, 31j) im tarif u die erhöhung zum 01.04.2017 in höhe von 6,14 €, 32k) im tarif a die erhöhung zum 01.04.2017 in höhe von 5,04 €, 33l) im tarif h - gesetzlicher beitragszuschlag die erhöhung zum 01.04.2017 in höhe von 2,23 €, 34und er nicht zur zahlung des jeweiligen erhöhungsbetrages verpflichtet, sowie der gesamtbeitrag unter berücksichtigung der erfolgten absenkungen auf insgesamt 767,04 € zu reduzieren ist, 352. die beklagte zu verurteilen, an ihn 10.360,44 € nebst zinsen hieraus in höhe von fünf prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz ab rechtshängigkeit zu zahlen, 363. festzustellen, dass die beklagte 37a) ihm zur herausgabe der nutzungen verpflichtet ist, die sie aus dem prämienanteil gezogen hat, den er auf die unter 1. aufgeführten beitragserhöhungen gezahlt hat, 38b) die nach 3. a) herauszugebenden nutzungen in höhe von fünf prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz ab rechtshängigkeit zu verzinsen hat, 394. die beklagte zu verurteilen, an ihn einen betrag in höhe von 1.394,32 € nebst zinsen in höhe von fünf prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz der f seit rechtshängigkeit für die außergerichtliche anwaltliche rechtsverfolgung zu zahlen. 40nachdem die beklagte in der klageerwiderung vom 15.04.2021, die den prozessbevollmächtigten des klägers am 22.04.2021 zugestellt worden ist, erneut mitgeteilt hat, dass auslösende faktoren der streitgegenständlichen beitragserhöhungen jeweils geänderte leistungsausgaben gewesen seien, hat der kläger die klage hinsichtlich des im letzten halbsatz des antrags zu 1. enthaltenen herabsetzungsantrags zurückgenommen. 41die beklagte beantragt, 42die klage abzuweisen. 43sie verteidigt die beitragserhöhungen und redet verjährung ein. 44wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf die von den parteien gewechselten schriftsätze nebst anlagen bezug genommen. 45
46i. 47die klage hat teilweise erfolg. 481. 49der feststellungsantrag zu 1. ist teils unzulässig. im übrigen ist er zulässig, aber nur im tenorierten umfang begründet. 50a) 51die feststellungsbegehren zu 1. a), b), e), h) und l) sind unzulässig. 52soweit der kläger die unwirksamkeit der beitragsanpassungen im tarif t zum 01.01.2013 festgestellt wissen möchte, fehlt es an einem feststellungsfähigen gegenwärtigen rechtsverhältnis, weil der kläger sich nicht zugleich gegen die wirksamkeit aller nachfolgenden beitragsanpassungen wendet, namentlich der von der beklagten mit schriftsatz vom 15.04.2021 vorgetragenen und unbestritten gebliebenen der beitragsanpassungen zum 01.04.2018 und 01.04.2019 (vgl. bgh, urteil vom 19.12.2018, iv zr 255/17, rn. 17; reinhard, versr 2000, 216, 217 f.). da § 203 abs. 2 s. 1 vvg den versicherer berechtigt, die gesamte prämie neu festzusetzen, bestand ab diesem zeitpunkt ein anspruch der beklagten auf zahlung der prämie in der durch diese anpassung festgesetzten neuen gesamthöhe, so dass es auf die wirksamkeit früherer anpassungen nicht mehr ankommt (vgl. bgh, urteil vom 16.12.2020, iv zr 294/19, rn. 55 f.). 53soweit der kläger die unwirksamkeit der anpassungen der gesetzlichen zuschläge s zum 01.04.2013, 01.04.2014, 01.04.2016 sowie h zum 01.04.2017 festgestellt wissen möchte, fehlt es an dem gemäß § 256 abs. 1 zpo erforderlichen rechtlichen interesse an der eigenständigen feststellung, da die höhe des zuschlags gemäß § 149 s. 1 vag von höhe der prämie abhängt und die beklagte diese abhängigkeit nicht in abrede stellt. 54b) 55die feststellungsbegehren zu 1. c), d), f), g), i), j) und k) sind zulässig und teilweise begründet. 56aa) 57ein feststellungsfähiges gegenwärtiges rechtsverhältnis liegt vor, soweit der kläger die unwirksamkeit der beitragsanpassungen im tarif b zum 01.04.2013, 01.04.2016 und 01.04.2017, im tarif a zum 01.04.2014 und 01.04.2017 sowie im tarif u zum 01.04.2016 und 01.04.2017 festgestellt wissen möchte, da allein mit dem daneben erstrebten leistungsurteil auf rückzahlung überzahlter beiträge nicht rechtskräftig festgestellt wäre, dass er zukünftig nicht zur zahlung des sich aus der beitragsanpassung ergebenden erhöhungsbetrags verpflichtet ist (vgl. bgh, urteil vom 19.12.2018, iv zr 255/17, rn. 17; urteil vom 16.12.2020, iv zr 294/19, rn. 19 f.). 58bb) 59die feststellungsbegehren zu 1. c), d), f), g), i), j) und k) sind in dem aus dem tenor ersichtlichen umfang begründet, weil die beitragserhöhungen im tarif b zum 01.04.2013, 01.04.2016 und 01.04.2017, im tarif a zum 01.04.2014 und 01.04.2017 sowie im tarif u zum 01.04.2016 und 01.04.2017 erst zum 01.03.2021 wirksam geworden sind und der kläger bis zu diesem zeitpunkt nicht zur zahlung des jeweiligen erhöhungsbetrags verpflichtet war. 60(1) 61gemäß § 203 abs. 5 vvg werden die neufestsetzung der prämie und die änderungen nach § 203 abs. 2 und 3 vvg zu beginn des zweiten monats wirksam, der auf die mitteilung der neufestsetzung oder der änderungen und der hierfür maßgeblichen gründe an den versicherungsnehmer folgt. 62nach mittlerweile gefestigter rechtsprechung des bundesgerichtshofs erfordert die mitteilung der maßgeblichen gründe nicht mehr und nicht weniger als die – auf die konkret in rede stehende prämienanpassung bezogene – angabe der rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende veränderung die neufestsetzung nach § 203 abs. 2 s. 1 vvg veranlasst hat. es müssen nicht alle gründe der beitragserhöhung genannt werden, sondern nur die für die prämienanpassung entscheidenden umstände. in diesem sinne entscheidend ist nur, ob eine veränderung der erforderlichen gegenüber den kalkulierten versicherungsleistungen oder sterbewahrscheinlichkeiten die in § 155 abs. 3 und 4 vag oder in den allgemeinen versicherungsbedingungen geregelten schwellenwerte überschreitet oder nicht. dagegen muss der versicherer weder die rechtsgrundlage des geltenden schwellenwerts noch die genaue höhe der veränderung der rechnungsgrundlage mitteilen. ebenso wenig hat er die veränderung weiterer faktoren, welche die prämienhöhe beeinflusst haben, wie z. b. des rechnungszinses, anzugeben (bgh, urteil vom 16.12.2020, iv zr 294/19, rn. 26 ff.). die mitteilungspflicht erfüllt so den zweck, dem versicherungsnehmer zu verdeutlichen, dass weder sein individuelles verhalten noch eine freie entscheidung des versicherers grund für die beitragserhöhung war, sondern dass eine bestimmte veränderung der umstände dies aufgrund gesetzlicher regelungen veranlasst hat (bgh, a. a. o., rn. 35). da die überprüfung der prämie unabhängig von dem umstand ausgelöst wird, ob die über den schwellenwert hinausreichende veränderung in gestalt einer steigerung oder einer verringerung eingetreten ist, und die mitteilungspflicht nicht den zweck hat, dem versicherungsnehmer eine plausibilitätskontrolle der prämienanpassung zu ermöglichen (bgh, a. a. o., rn. 36), ist ein hinweis des versicherers darauf, in welche richtung sich die maßgebliche rechnungsgrundlage verändert hat, nicht erforderlich (bgh, urteil vom 20.10.2021, iv zr 148/20, rn. 29 f.). 63(2) 64den vorstehenden anforderungen genügten die dem kläger jeweils im vorangegangenen februar mitgeteilten gründe für die beitragsanpassungen zum 01.04.2013, 01.04.2014, 01.04.2016 und 01.04.2017 nicht. denn ein versicherungsnehmer konnte den mitteilungen nicht mit der gebotenen klarheit entnehmen, dass eine veränderung der rechnungsgrundlage „versicherungsleistungen“ über dem geltenden schwellenwert die konkreten beitragserhöhung ausgelöst hat. 65eine angabe dazu, welche der beiden rechnungsgrundlagen sich verändert habe, und den – nach der rechtsprechung des bundesgerichtshofs ebenfalls erforderlichen – hinweis, dass bei der konkreten prämienerhöhung ein in gesetz oder tarifbedingungen festgelegter schwellenwert über- oder unterschritten worden sei, hat die kammer hinsichtlich der beitragsanpassungen in den tarifen b und a weder in den mitteilungsschreiben noch in den beigefügten informationen finden können. aus der bloßen erwähnung gestiegener gesundheitskosten als „wichtigsten grund“ für die beitragsänderung in den mitteilungen zu den beitragsanpassungen zum 01.04.2014, 01.04.2016 und 01.04.2017 ergibt sich nicht, dass es einen vorab festgelegten schwellenwert für eine veränderung der versicherungsleistungen gibt, dessen überschreitung die hier in rede stehende prämienanpassung ausgelöst hat (vgl. – zu gleichlautenden mitteilungen der beklagten – bgh, urteil vom 23.06.2021, iv zr 250/20, rn. 17 f.). entsprechendes gilt für den in dem mitteilungsschreiben vom februar 2013 erfolgten hinweis auf den medizinischen fortschritt und die damit verbesserten behandlungsverfahren. 66den vorgenannten anforderungen genügten auch die begründungen der beitragsanpassungen im tarif u zum 01.04.2016 und 01.04.2017 nicht. diese erwähnen zwar, dass die ausgaben für versicherungen, die einen verdienstausfall abdecken, steigen, nicht jedoch, dass eine veränderung der erforderlichen gegenüber den kalkulierten versicherungsleistungen, die den gesetzlich oder in den allgemeinen versicherungsbedingungen festgelegten schwellenwert überschritten hat, bereits eingetreten ist. 67(3) 68die zunächst unzureichenden begründungen für die vorgenannten beitragserhöhungen sind jedoch mit zugang des schreibens der beklagten vom 25.01.2021 beim kläger geheilt worden. wenn eine mitteilung der prämienanpassung zunächst ohne eine den anforderungen des § 203 abs. 5 vvg genügende begründung erfolgt, diese aber später nachgeholt wird, wird dadurch die für die wirksamkeit der neufestsetzung der prämie angeordnete frist in lauf gesetzt (bgh, urteil vom 19.12.2018, iv zr 255/17, rn. 66; urteil vom 16.12.2020, iv zr 294/19, rn. 41 f.). in dem schreiben vom 25.01.2021 hat die beklagte nach vorheriger erläuterung der schwellenwerte klargestellt, dass auslösende faktoren der streitgegenständlichen beitragserhöhungen jeweils geänderte leistungsausgaben gewesen seien, und damit dem begründungserfordernis nach § 203 abs. 5 vvg genügt. infolgedessen sind die ursprünglich zum 01.04.2013, 01.04.2014, 01.04.2016 und 01.04.2017 vorgesehenen prämienerhöhungen ab dem zweiten auf die übersendung des schreibens folgenden monat, d. h. ab dem 01.03.2021, wirksam geworden. auf den antrag des klägers waren daher die unwirksamkeit der genannten prämienerhöhungen sowie die fehlende verpflichtung des klägers zur tragung des jeweiligen erhöhungsbetrags (lediglich) bis zu diesem zeitpunkt festzustellen. 692. 70der zulässige leistungsantrag zu 2. ist nur in höhe von 5.876,85 € nebst prozesszinsen begründet. 71a) 72der kläger hat gegen die beklagte gemäß § 812 abs. 1 s. 1 alt. 1 bgb einen anspruch auf rückzahlung der erhöhungsbeiträge, die er seit dem 01.01.2017 bis einschließlich dezember 2020 aufgrund der aus den oben genannten gründen unwirksamen beitragsanpassungen im tarif b zum 01.04.2013, 01.04.2016 und 01.04.2017, im tarif a zum 01.04.2014 und 01.04.2017 sowie im tarif u zum 01.04.2016 und 01.04.2017 rechtsgrundlos geleistet hat. 73hierbei handelt es sich im tarif b betreffend die erhöhung zum 01.04.2013 um 31 monatliche prämienanteile in höhe von jeweils 45,61 €, mithin eine summe von 1.413,91 €, betreffend die erhöhung zum 01.04.2016 um 31 monatliche prämienanteile in höhe von jeweils 73,25 €, mithin eine summe von 2.270,75 €, und betreffend die erhöhung zum 01.04.2017 um 28 monatliche prämienanteile in höhe von jeweils 17,19 €, mithin eine summe von 481,32 €. im tarif a handelt es sich betreffend die erhöhung zum 01.04.2014 um 31 monatliche prämienanteile in höhe von jeweils 6,99 €, mithin eine summe von 216,69 € und betreffend die erhöhung zum 01.04.2017 um 28 monatliche prämienanteile in höhe von jeweils 5,04 €, mithin eine summe von 141,12 €. im tarif u handelt es sich betreffend die erhöhung zum 01.04.2016 um 48 monatliche prämienanteile in höhe von jeweils 9,90 €, mithin eine summe von 475,20 €, und betreffend die erhöhung zum 01.04.2017 um 45 monatliche prämienanteile in höhe von jeweils 6,14 €, mithin eine summe von 276,30 €. 74b) 75der kläger hat weiterhin gegen die beklagte gemäß § 812 abs. 1 s. 1 alt. 1 bgb einen anspruch auf rückzahlung der erhöhungsbeiträge, die er seit dem 01.01.2017 bis einschließlich märz 2018 auf die beitragsanpassung im tarif t zum 01.04.2013 gezahlt hat. diese beitragsanpassung war gleichlautend mit den vorgenannten beitragsanpassungen im jahr 2013 begründet worden und damit ebenfalls unwirksam. dem kläger steht insoweit ein anspruch auf 15 monatliche prämienanteile in höhe von jeweils 23,39 €, mithin eine summe von 350,85 €, zu. 76c) 77soweit der kläger einen anspruch auf rückzahlung der vorgenannten erhöhungsbeiträge in den jeweiligen referenztarifen hat, steht dem kläger auch ein rückzahlungsanspruch hinsichtlich der hierauf entfallenden gesetzlichen zuschläge zu. somit ergibt sich hinsichtlich des gesetzlichen zuschlags s betreffend die erhöhung zum 01.04.2013 ein anspruch auf 15 monatliche prämienanteile in höhe von jeweils 6,90 €, mithin eine summe von 103,50 €, betreffend die erhöhung zum 01.04.2014 ein anspruch auf 15 monatliche prämienanteile in höhe von jeweils 0,70 €, mithin eine summe von 10,50 €, und betreffend die erhöhung zum 01.04.2016 ein anspruch auf 15 monatliche prämienanteile in höhe von jeweils 7,33 €, mithin eine summe von 109,95 €. hinsichtlich der erhöhung des gesetzlichen zuschlags h zum 01.04.2017 steht dem kläger ein rückzahlungsanspruch auf 12 monatliche prämienanteile in höhe von jeweils 2,23 €, mithin eine summe von 26,76 €, zu. 78d) 79diesen ansprüchen stehen weder bereicherungsrechtliche einwände noch der einwand der unzulässigen rechtsausübung entgegen. 80eine anrechnung des genossenen versicherungsschutzes im wege der saldierung kommt nicht in betracht, weil weiterhin ein wirksamer versicherungsvertrag bestand, der die beklagte zur erbringung von versicherungsleistungen verpflichtete (bgh, urteil vom 16.12.2020, iv zr 294/19, rn. 46 f.). durch die erbringung von versicherungsleistungen oder die bildung von rückstellungen ist auch keine entreicherung der beklagten im sinne von § 818 abs. 3 bgb eingetreten. mit der erbringung der versicherungsleistungen hat die beklagte eigene verbindlichkeiten erfüllt und sich mithin von diesen befreit (bgh, a. a. o., rn. 49 m. w. n.). hinsichtlich etwaiger zur bildung von rückstellungen verwendeter mittel hat die insoweit darlegungs- und beweisbelastete beklagte nicht dargetan, dass und ggf. warum eine rückbuchung oder spätere verrechnung nicht möglich sein sollte (vgl. bgh, a. a. o., rn. 50 ff.). 81in der geltendmachung des bereicherungsrechtlichen anspruchs liegt auch keine widersprüchliche und damit unzulässige rechtsausübung. § 242 bgb steht einer wahrnehmung der informationsrechte des versicherungsnehmers und des daraus folgenden rückzahlungsanspruchs unabhängig davon nicht entgegen, ob er die streitgegenständlichen prämienanpassungen auch in materieller hinsicht angreift (bgh, a. a. o., rn. 44; urteil vom 14.04.2021, iv zr 36/20, rn. 36). 82e) 83ebenso wenig kann die beklagte mit erfolg einwenden, den bereicherungsanspruch bereits teilweise durch beitragsrückerstattungen in höhe von 188,08 € erfüllt zu haben (§ 362 abs. 1 bgb). soweit sie vorträgt, in den jahren 2015 und 2020 beitragsrückerstattungen geleistet zu haben, wären diese zunächst mit den älteren forderungen des klägers aufgrund der in den jahren ab 2013 gezahlten erhöhungsbeträge zu verrechnen gewesen (§ 366 abs. 2 bgb), die bei klageerhebung verjährt waren (siehe unten) und den betrag der beitragsrückerstattungen überstiegen (vgl. bgh, urteil vom 21.07.2021, iv zr 191/20, rn. 33). aufgrund der insoweit vorzunehmenden verrechnung greift auch die hilfsweise erklärte aufrechnung der beklagten nicht durch. hinzu kommt, dass eine etwaige gegenforderung mangels hinreichender erläuterung der berechnungsgrundlagen nicht bestimmbar ist, so dass das bestehen der behaupteten gegenforderung nicht festgestellt werden kann. 84f) 85in diesem umfang ist auch keine verjährung eingetreten (§ 214 abs. 1 bgb). 86die bereicherungsansprüche unterliegen der regelmäßigen dreijährigen verjährungsfrist (§ 195 bgb), welche gemäß § 199 abs. 1 bgb grundsätzlich mit dem schluss des jahres beginnt, in dem der anspruch entstanden ist und der gläubiger von den den anspruch begründenden umständen und der person des schuldners kenntnis erlangt oder ohne grobe fahrlässigkeit erlangen müsste. die rückzahlungsansprüche entstanden jeweils mit der zahlung der erhöhungsbeträge. die notwendige kenntnis von den anspruchsbegründenden umständen und von der person des schuldners hatte der kläger bereits mit dem zugang der jeweiligen änderungsmitteilungen (vgl. bgh, urteil vom 17.11.2021, iv zr 113/20, rn. 40 ff.). 87entgegen einer teilweise vertretenen auffassung sind die monatlich gezahlten erhöhungsbeträge nicht wie nutzungen eines geschlossenen stammrechts zu behandeln mit der folge, dass die sukzessive entstandenen rückgewähransprüche analog § 217 bgb drei jahre nach der (unwirksamen) prämienanpassung verjähren (vgl. lg essen, urteil vom 03.04.2019, 18 o 191/18, juris rn. 58; lg halle, urteil vom 16.07.2021, 5 o 442/20, juris rn. 59; fuxman/leygraf, r+s 2021, 61, 63 f.). zum einen ergeben sich die hier in rede stehenden bereicherungsansprüche nicht aus einem „stammrecht“ des versicherungsnehmers (allenfalls könnte man umgekehrt von einer „stammpflicht“ sprechen). zum anderen ist die für die anwendung der stammrechtstheorie in der privaten unfall- und berufsunfähigkeitsversicherung maßgebliche erwägung, dass es den versicherer unbillig belasten würde, sich jahre nach einer leistungsablehnung noch mit einem für abgeschlossen gehaltenen, angesichts des zeitablaufs typischerweise nur noch unter schwierigkeiten aufklärbaren versicherungsfall auseinandersetzen zu müssen (vgl. bgh, urteil vom 03.04.2019, iv zr 90/18 rn. 19 ff. m. w. n.), auf die vorliegende konstellation nicht übertragbar (olg stuttgart, urteil vom 18.11.2021, 7 u 244/21, rn. 59; ebenso im ergebnis lg hannover, urteil vom 29.03.2021, 19 o 291/20, juris rn. 100 f.; egger, r+s 2021, 430, 433; schultess, versr 2021, 1555, 1556 f.). 88mithin begann die verjährungsfrist für die ersten hier in rede stehenden ansprüche mit dem schluss des jahres 2017 und endete am 31.12.2020. insoweit ist die verjährung gemäß § 204 abs. 1 nr. 1 bgb i. v. m. § 167 zpo durch die am 29.12.2020 eingegangene klage gehemmt worden. die am 05.03.2021 bewirkte zustellung ist noch „demnächst“ im sinne von § 167 zpo erfolgt, weil die verzögerung ausschließlich durch den geschäftsbetrieb des gerichts verursacht war. 89g) 90der anspruch auf prozesszinsen folgt aus §§ 291, 288 abs. 1 s. 2 bgb. 91h) 92weitere rechtsgrundlose zahlungen aufgrund unwirksamer (noch) streitgegenständlicher beitragserhöhungen hat der kläger in unverjährter zeit nicht geleistet. 93etwaigen ansprüchen gemäß § 812 abs. 1 s. 1 alt. 1 bgb auf rückzahlung der erhöhungsbeträge, die der kläger bis zum 31.12.2016 auf die streitgegenständlichen beitragsanpassungen geleistet hat, steht jedenfalls die von der beklagten erhobene einrede der verjährung entgegen (§ 214 abs. 1 bgb). 94aa) 95da bereits der zugang der jeweiligen änderungsmitteilungen dem kläger die notwendige kenntnis von den anspruchsbegründenden umständen und von der person des schuldners vermittelte (vgl. bgh, urteil vom 17.11.2021, iv zr 113/20, rn. 40 ff.), begann die verjährungsfrist für die letzten hier in rede stehenden zahlungen mit dem schluss des jahres 2016 begann und endete am 31.12.2019, so dass die am 31.12.2020 eingegangene klage insoweit keine hemmung mehr bewirken konnte. 96bb) 97entgegen der ansicht des klägers fehlte es bis dahin nicht an der zumutbarkeit der klageerhebung als übergreifender voraussetzung für den verjährungsbeginn. 98in eng begrenzten, besonders begründeten ausnahmefällen (bgh, urteil vom 17.12.2020, vi zr 739/20, rn. 10) kann die rechtsunkenntnis des gläubigers den verjährungsbeginn hinausschieben, wenn der durchsetzung des anspruchs eine gegenteilige höchstrichterliche rechtsprechung entgegensteht (bgh, urteil vom 28.10.2014, xi zr 348/13, rn. 35) oder eine unsichere und zweifelhafte rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag (bgh, urteil vom 21.02.2018, iv zr 304/16, rn. 15 m. w. n.). eine unsichere und zweifelhafte rechtslage liegt nicht schon dann vor, wenn eine rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich entschieden ist, sondern setzt zumindest voraus, dass im zeitpunkt der anspruchsentstehung ein ernsthafter meinungsstreit in literatur und rechtsprechung bestand (vgl. bgh, urteil vom 28.10.2014, xi zr 348/13, rn. 45; urteil vom 17.12.2020, vi zr 739/20, rn. 13). wird die rechtslage erst unsicher, nachdem die verjährungsfrist zu laufen begonnen hat, schiebt dies den beginn der einmal in lauf gesetzten frist nicht nachträglich hinaus (vgl. bgh, urteil vom 28.10.2014, xi zr 348/13, rn. 45; urteil vom 17.12.2020, vi zr 739/20, rn. 15). auch mit blick auf rechtliche unsicherheiten ist eine klageerhebung dann zumutbar, wenn die klage bei verständiger würdigung hinreichende erfolgsaussichten hat; es ist nicht erforderlich, dass die rechtsverfolgung risikolos möglich ist (bgh, urteil vom 17.12.2020, vi zr 739/20, rn. 11 m. w. n.). 99nach diesen maßstäben war die erhebung einer klage, mit der die formelle unwirksamkeit von beitragserhöhungen aufgrund einer unzureichenden begründung geltend gemacht wird, jedenfalls bis zum 31.12.2016 zumutbar und der verjährungsbeginn nicht bis zu der durch die urteile des bundesgerichtshofs vom 16.12.2020 (iv zr 294/19 und iv zr 314/19) herbeigeführten höchstrichterlichen klärung hinausgeschoben. denn es gab weder eine entgegenstehende höchstrichterliche rechtsprechung noch – jedenfalls bis zu diesem zeitpunkt – einen ernsthaften meinungsstreit. der umstand, dass die frage, welche anforderungen an eine mitteilung gemäß § 203 abs. 5 vvg zu stellen sind, in der literatur zunächst nur vereinzelt aufgegriffen wurde (vgl. klimke, versr 2016, 22 ff.) und erste gerichtliche entscheidungen hierzu erst im jahr 2018 veröffentlicht wurden (vgl. lg neuruppin, urteil vom 25.08.2017, 1 o 338/16, versr 2018, 469; lg potsdam, urteil vom 27.09.2017, 6 s 80/16, versr 2018, 471), mag die rechtliche einordnung und die rechtliche beratung nicht erleichtert haben, ließ eine klageerhebung indes unzumutbar erscheinen. vielmehr musste eine rechtliche würdigung gerade ergeben, dass die erfolgschancen eines rückzahlungsanspruchs als offen einzuschätzen waren (olg stuttgart, urteil vom 18.11.2021, 7 u 244/21, juris rn. 48; vgl. olg dresden, urteil vom 12.10.2021, 6 u 751/21, juris rn. 81 f.; urteil vom 14.12.2021, 4 u 1693/21, juris rn. 38; olg saarbrücken, urteil vom 01.12.2021, 5 u 93/20, juris rn. 35; olg hamm, urteil vom 30.06.2021, 20 u 152/20, juris rn. 79). 100hinzu kommt, dass bereits seit dem jahr 2018, insbesondere aber im laufe des jahres 2020 bei zahlreichen landgerichten – darunter auch dem hiesigen – eine vielzahl entsprechender klagen eingegangen sind, mit denen die jeweiligen – im jahr 2020 zumeist von den prozessbevollmächtigten des klägers vertretenen – versicherungsnehmer zu erkennen gegeben haben, dass sie ungeachtet des zu dieser zeit ungeklärten meinungsstreits von der unwirksamkeit der prämienerhöhungen ausgingen. auch der kläger hat bereits vor veröffentlichung der urteile des bundesgerichtshofs vom 16.12.2020 seine ansprüche gegen die beklagte geltend gemacht. umstrittener als in den jahren 2018 bis 2020 war der inhalt des § 203 abs. 5 vvg jedoch in den jahren bis einschließlich 2016 nicht, so dass dem kläger die klageerhebung auch damals nicht unzumutbar war (vgl. bgh, urteil vom 17.11.2021, iv zr 113/20, rn. 45). 1013. 102der auf die feststellung der verpflichtung der beklagten zur herausgabe von nutzungen gerichtete feststellungsantrag zu 3. ist insgesamt zulässig, aber nur im tenorierten umfang begründet. 103seine zulässigkeit scheitert nicht am vorrang der leistungsklage, weil die von der beklagten gezogenen nutzungen aus den nach ansicht des klägers rechtsgrundlos gezahlten prämienanteilen für ihn im zeitpunkt der klageerhebung nur teilweise bezifferbar waren (bgh, urteil vom 19.12.2018, iv zr 255/17, rn. 18 ff. m. w. n.). 104der anspruch auf herausgabe der rechtsgrundlos gezahlten erhöhungsbeträge erstreckt sich gemäß § 818 abs. 1 bgb auf die nutzungen, welche die beklagte aus diesen prämienanteilen gezogen hat, ist insoweit allerdings auf die zeit vor eintritt der verzinsungspflicht für die hauptforderung beschränkt (bgh, urteil vom 16.12.2020, iv zr 294/19, rn. 58). etwaige ansprüche auf herausgabe von nutzungen, welche die beklagte aus den bis zum 31.12.2016 gezahlten prämienanteilen gezogen hat, wären mit dem jeweiligen hauptanspruch verjährt (§ 217 bgb). daher war die feststellung der pflicht zur herausgabe gezogener nutzungen auf den zeitraum zu beschränken, in dem der kläger in unverjährter zeit nicht zur tragung des jeweiligen erhöhungsbetrags verpflichtet war und nach seinem vorbringen zahlungen auf die beitragsanpassungen geleistet hat. 105der auf die feststellung einer verzinsungspflicht für die nutzungen gerichtete antrag zu 3. b) ist unbegründet. § 291 bgb als anspruchsgrundlage für prozesszinsen greift bei einer klage, die auf die feststellung einer verbindlichkeit gerichtet ist, nicht ein. auch ein verzugszinsanspruch kommt nicht in betracht, weil nicht dargetan ist, dass das anwaltsschreiben vom 21.08.2020 eine bezifferung der darin geforderten nutzungen und somit die erforderliche bestimmtheit einer mahnung aufwies (vgl. bgh, urteil vom 17.11.2021, iv zr 109/20, rn. 43). 1064. 107der auf den ersatz von außergerichtlichen rechtsanwaltskosten gerichtete antrag zu 4. ist unbegründet. die insoweit geltend gemachten kosten wären allenfalls unter dem gesichtspunkt des verzugs ersatzfähig (§§ 280 abs. 1 und 2, 286 bgb), der zum zeitpunkt der einzigen vorgetragenen außergerichtlichen tätigkeit der prozessbevollmächtigten des klägers, nämlich der erstellung des mahnschreibens vom 21.08.2020, nicht vorlag, sondern erst mit ablauf der darin gesetzten zahlungsfrist begründet wurde. eine diesem schreiben vorausgehende mahnung durch den kläger ist ebenso wenig vorgetragen wie eine weitere außergerichtliche rechtsanwaltstätigkeit. 108ii. 109die kostenentscheidung beruht auf § 92 abs. 1 s. 1, § 269 abs. 3 s. 1 zpo. die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit folgt aus § 709 s. 1 und 2 zpo, §§ 708 nr. 11, 711 zpo. 110iii. 111der streitwert für die gerichtsgebühren wird auf 11.034,12 € festgesetzt (§ 63 abs. 1 gkg). 112rechtsbehelfsbelehrung: 113gegen die streitwertfestsetzung ist die beschwerde statthaft, wenn der wert des beschwerdegegenstandes 200,00 eur übersteigt oder das landgericht die beschwerde zugelassen hat. die beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs monaten, nachdem die entscheidung in der hauptsache rechtskraft erlangt oder das verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem landgericht duisburg, könig-heinrich-platz 1, 47051 duisburg, schriftlich in deutscher sprache oder zur niederschrift des urkundsbeamten der geschäftsstelle einzulegen. die beschwerde kann auch zur niederschrift der geschäftsstelle eines jeden amtsgerichtes abgegeben werden. ist der streitwert später als einen monat vor ablauf dieser frist festgesetzt worden, so kann die beschwerde noch innerhalb eines monats nach zustellung oder formloser mitteilung des festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 114hinweis zum elektronischen rechtsverkehr: 115die einlegung ist auch durch übertragung eines elektronischen dokuments an die elektronische poststelle des gerichts möglich. das elektronische dokument muss für die bearbeitung durch das gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen signatur der verantwortenden person versehen sein oder von der verantwortenden person signiert und auf einem sicheren übermittlungsweg gemäß § 130a zpo nach näherer maßgabe der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (bgbl. 2017 i, s. 3803) eingereicht werden. auf die pflicht zur elektronischen einreichung durch professionelle einreicher/innen ab dem 01.01.2022 durch das gesetz zum ausbau des elektronischen rechtsverkehrs mit den gerichten vom 10. oktober 2013, das gesetz zur einführung der elektronischen akte in der justiz und zur weiteren förderung des elektronischen rechtsverkehrs vom 5. juli 2017 und das gesetz zum ausbau des elektronischen rechtsverkehrs mit den gerichten und zur änderung weiterer vorschriften vom 05.10.2021 wird hingewiesen. 116weitere informationen erhalten sie auf der internetseite www.justiz.de. 117e i w e e2
345,337
{ "id": 807, "jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit", "level_of_appeal": "Landgericht", "name": "Landgericht Duisburg", "state": 12 }
6 O 383/20
2022-04-12T00:00:00
Urteil
Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. 1 6 O 383/20 Verkündet am 12.04.2022 , Justizhauptsekretärals Urkundsbeamter der Geschäftsstelle 2Landgericht DuisburgIM NAMEN DES VOLKESUrteil 3In dem Rechtsstreit 4hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Duisburgaufgrund mündlicher Verhandlung vom 15.02.2022durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht E I, den Richter am Landgericht W und die Richterin E E2 5für Recht erkannt: 6Die Klage wird abgewiesen. 7Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 8Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. 9Tatbestand: 10Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragsanpassungen in der privaten Krankenversicherung des Klägers. 11Der bei dem Beklagten krankenversicherte Kläger unterhielt in der Krankheitskostenversicherung zunächst unter anderem die Tarife 103 und 200, welche mit Ablauf des 31.12.2016 beendet und in den Tarif TP8 umgestellt wurden. Dem Vertrag liegen u. a. die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung zugrunde, darunter auch die Musterbedingungen MB/KK 2009, wegen deren Inhalts auf die Anlage B2 Bezug genommen wird. Zum 01.01.2011 und 01.01.2018 erhöhte der Beklagte die Monatsbeiträge um die im Klageantrag zu 1. aufgeführten Beträge. Die Beitragserhöhungen kündigte der Beklagte jeweils im November des Vorjahres mit einem Anschreiben, welches erläuternde Informationen enthielt und dem jeweils ein Nachtrag zum Versicherungsschein beigefügt war, an. Wegen des Inhalts wird auf das Anlagenkonvolut B3 Bezug genommen. Seit dem 01.01.2019 zahlte der Kläger einen monatlichen Gesamtbeitrag in Höhe von 406,87 €, wovon 79,93 € auf die Pflegepflichtversicherung (Tarif PVN) entfielen. 12Der Kläger hält die Beitragserhöhungen mangels ordnungsgemäßer Begründung für unwirksam. Mit Anwaltsschreiben vom 21.09.2020 ließ er den Beklagten unter Fristsetzung zur Rückzahlung seiner Ansicht nach überzahlter Beträge und der daraus gezogenen Nutzungen auffordern. 13Mit der am 18.11.2020 eingegangenen und am 24.12.2020 zugestellten Klage hat der Kläger zunächst beantragt, 141. festzustellen, dass folgende Erhöhungen des Monatsbeitrags in der zwischen ihm und dem Beklagten bestehenden Kranken-/Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer ######## unwirksam sind: 15a) im Tarif 103 die Erhöhung zum 01.01.2011 in Höhe von 48,04 €, 16b) im Tarif 200 die Erhöhung zum 01.01.2011 in Höhe von 41,66 €, 17c) im Tarif TP8 die Erhöhung zum 01.01.2018 in Höhe von 33,95 € 18und er nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet, sowie der Gesamtbeitrag unter Berücksichtigung der erfolgten Absenkungen auf insgesamt 372,92 € zu reduzieren ist, 192. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 7.612,70 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen, 203. festzustellen, dass der Beklagte 21a) ihm zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die er aus dem Prämienanteil gezogen hat, den er auf die unter 1. aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlt hat, 22b) die nach 3. a) herauszugebenden Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu verzinsen hat, 234. den Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 1.074,16 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit für die außergerichtliche anwaltliche Rechtsverfolgung zu zahlen. 24Nachdem der Beklagte in der Klageerwiderung vom 03.03.2021, die den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 26.03.2021 zugestellt worden ist, mitgeteilt hat, dass auslösende Faktoren der streitgegenständlichen Beitragserhöhungen jeweils geänderte Versicherungsleistungen gewesen seien, hat der Kläger den Rechtsstreit im letzten Halbsatz des Antrags zu 1. bezüglich des Herabsetzungsantrags für erledigt erklärt. Der Beklagte hat der Teilerledigungserklärung widersprochen, woraufhin der Kläger die Klage hinsichtlich des hieraus resultierenden Feststellungsbegehrens auf Feststellung der teilweisen Erledigung der Hauptsache zurückgenommen hat. 25Der Beklagte beantragt, 26die Klage abzuweisen. 27Er verteidigt die Beitragserhöhungen und redet Verjährung ein. 28Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. 29Entscheidungsgründe: 30I. 31Die Klage hat keinen Erfolg. 321. 33Der Feststellungsantrag zu 1. ist teils unzulässig. Im Übrigen ist er zulässig, aber unbegründet. 34a) 35Die Feststellungsbegehren zu 1. a) und b) sind unzulässig. 36Soweit der Kläger die Unwirksamkeit der Beitragsanpassungen in den Tarifen 103 und 200 zum 01.01.2011 festgestellt wissen möchte fehlt es an dem gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen rechtlichen Interesse, weil die insoweit geltend gemachten Zahlungsansprüche verjährt sind und die betroffenen Tarife bereits in vorverjährter Zeit beendet wurden (vgl. zu der vergleichbaren Konstellation der Beendigung des Versicherungsvertrags OLG Saarbrücken, Urteil vom 01.12.2021, 5 U 93/20, juris Rn. 39 f.). 37aa) 38Der Kläger hat nach seinem Vorbringen lediglich bis zum Jahr 2016 Beitragszahlungen auf die mit Ablauf des Jahres 2016 beendeten Tarife 103 und 200 geleistet. Etwaigen Ansprüchen gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB auf Rückzahlung der Erhöhungsbeträge, die der Kläger bis zum 31.12.2016 auf die vorgenannten Beitragsanpassungen geleistet hat, steht jedenfalls die von dem Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen (§ 214 Abs. 1 BGB). 39(1) 40Die Bereicherungsansprüche unterliegen der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist (§ 195 BGB), welche gemäß § 199 Abs. 1 BGB grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Die Rückzahlungsansprüche entstanden jeweils mit der Zahlung der Erhöhungsbeträge. Die notwendige Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und von der Person des Schuldners hatte der Kläger bereits mit dem Zugang der jeweiligen Änderungsmitteilungen (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2021, IV ZR 113/20, Rn. 40 ff.). Daher begann die Verjährungsfrist für die letzten hier in Rede stehenden Zahlungen mit dem Schluss des Jahres 2016 und endete am 31.12.2019, so dass die am 18.11.2020 eingegangene Klage insoweit keine Hemmung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB mehr bewirken konnte. 41(2) 42Entgegen der Ansicht des Klägers fehlte es bis dahin nicht an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn. 43In eng begrenzten, besonders begründeten Ausnahmefällen (BGH, Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20, Rn. 10) kann die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn hinausschieben, wenn der Durchsetzung des Anspruchs eine gegenteilige höchstrichterliche Rechtsprechung entgegensteht (BGH, Urteil vom 28.10.2014, XI ZR 348/13, Rn. 35) oder eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag (BGH, Urteil vom 21.02.2018, IV ZR 304/16, Rn. 15 m. w. N.). Eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage liegt nicht schon dann vor, wenn eine Rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich entschieden ist, sondern setzt zumindest voraus, dass im Zeitpunkt der Anspruchsentstehung ein ernsthafter Meinungsstreit in Literatur und Rechtsprechung bestand (vgl. BGH, Urteil vom 28.10.2014, XI ZR 348/13, Rn. 45; Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20, Rn. 13). Wird die Rechtslage erst unsicher, nachdem die Verjährungsfrist zu laufen begonnen hat, schiebt dies den Beginn der einmal in Lauf gesetzten Frist nicht nachträglich hinaus (vgl. BGH, Urteil vom 28.10.2014, XI ZR 348/13, Rn. 45; Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20, Rn. 15). Auch mit Blick auf rechtliche Unsicherheiten ist eine Klageerhebung dann zumutbar, wenn die Klage bei verständiger Würdigung hinreichende Erfolgsaussichten hat; es ist nicht erforderlich, dass die Rechtsverfolgung risikolos möglich ist (BGH, Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20, Rn. 11 m. w. N.). 44Nach diesen Maßstäben war die Erhebung einer Klage, mit der die formelle Unwirksamkeit von Beitragserhöhungen aufgrund einer unzureichenden Begründung geltend gemacht wird, jedenfalls bis zum 31.12.2016 zumutbar und der Verjährungsbeginn nicht bis zu der durch die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 16.12.2020 (IV ZR 294/19 und IV ZR 314/19) herbeigeführten höchstrichterlichen Klärung hinausgeschoben. Denn es gab weder eine entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung noch – jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt – einen ernsthaften Meinungsstreit. Der Umstand, dass die Frage, welche Anforderungen an eine Mitteilung gemäß § 203 Abs. 5 VVG zu stellen sind, in der Literatur zunächst nur vereinzelt aufgegriffen wurde (vgl. Klimke, VersR 2016, 22 ff.) und erste gerichtliche Entscheidungen hierzu erst im Jahr 2018 veröffentlicht wurden (vgl. LG Neuruppin, Urteil vom 25.08.2017, 1 O 338/16, VersR 2018, 469; LG Potsdam, Urteil vom 27.09.2017, 6 S 80/16, VersR 2018, 471), mag die rechtliche Einordnung und die rechtliche Beratung nicht erleichtert haben, ließ eine Klageerhebung indes unzumutbar erscheinen. Vielmehr musste eine rechtliche Würdigung gerade ergeben, dass die Erfolgschancen eines Rückzahlungsanspruchs als offen einzuschätzen waren (OLG Stuttgart, Urteil vom 04.11.2021, 7 U 204/21, juris Rn. 38; vgl. OLG Dresden, Urteil vom 12.10.2021, 6 U 751/21, juris Rn. 81 f.; Urteil vom 14.12.2021, 4 U 1693/21, juris Rn. 38; OLG Saarbrücken, Urteil vom 01.12.2021, 5 U 93/20, juris Rn. 35; OLG Hamm, Urteil vom 30.06.2021, 20 U 152/20, juris Rn. 79). 45Hinzu kommt, dass bereits seit dem Jahr 2018, insbesondere aber im Laufe des Jahres 2020 bei zahlreichen Landgerichten – darunter auch dem hiesigen – eine Vielzahl entsprechender Klagen eingegangen sind, mit denen die jeweiligen – im Jahr 2020 zumeist von den Prozessbevollmächtigten des Klägers vertretenen – Versicherungsnehmer zu erkennen gegeben haben, dass sie ungeachtet des zu dieser Zeit ungeklärten Meinungsstreits von der Unwirksamkeit der Prämienerhöhungen ausgingen. Auch der Kläger hat bereits vor Veröffentlichung der Urteile des Bundesgerichtshofs vom 16.12.2020 seine Ansprüche gegen die Beklagte geltend gemacht und Klage eingereicht. Umstrittener als in den Jahren 2018 bis 2020 war der Inhalt des § 203 Abs. 5 VVG jedoch in den Jahren bis einschließlich 2016 nicht, so dass dem Kläger die Klageerhebung auch damals nicht unzumutbar war (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2021, IV ZR 113/20, Rn. 45). 46bb) 47Damit fehlt es an einem schutzwürdigen Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO. Ein solches kann zwar auch an der Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses bestehen, wenn sich aus der Feststellung noch Rechtsfolgen für die Gegenwart und Zukunft ergeben können, weshalb ein Tarifwechsel für sich genommen das Feststellungsinteresse nicht zwingend entfallen lässt (vgl. BGH, Urteil vom 16.12.2020, IV ZR 294/19, Rn. 19). Anders als in dem der vorzitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrunde liegenden Fall ist im Streitfall jedoch ausgeschlossen, dass sich noch weitere Ansprüche aus den vorgenannten Prämienerhöhungen ergeben könnten, da der Kläger aufgrund der Beendigung der Tarife mit Ablauf des 31.12.2016 in unverjährter Zeit keine Zahlungen mehr auf diese geleistet hat. Insoweit ist der Feststellungsantrag auch nicht als Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO zulässig, weil die begehrte Feststellung der Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen nicht über das mit dem – sämtliche unverjährten Rückzahlungsansprüche aus diesen Beitragserhöhungen umfassenden – Leistungsantrag zu 2. erfasste Rechtsschutzziel hinausgeht (vgl. OLG Saarbrücken, a. a. O., Rn. 41). 48b) 49Das Feststellungsbegehren zu 1. c) ist zulässig, jedoch unbegründet. 50aa) 51Ein feststellungsfähiges gegenwärtiges Rechtsverhältnis liegt vor, soweit der Kläger die Unwirksamkeit der Beitragsanpassung im Tarif TP8 zum 01.01.2018 festgestellt wissen möchte, da allein mit dem daneben erstrebten Leistungsurteil auf Rückzahlung überzahlter Beiträge nicht rechtskräftig festgestellt wäre, dass er zukünftig nicht zur Zahlung des sich aus der Beitragsanpassung ergebenden Erhöhungsbetrags verpflichtet ist (vgl. BGH, Urteil vom 19.12.2018, IV ZR 255/17, Rn. 17; Urteil vom 16.12.2020, IV ZR 294/19, Rn. 19 f.). 52bb) 53Dieses Feststellungsbegehren ist jedoch unbegründet, weil die vorgenannte Beitragserhöhung, deren materielle Berechtigung der Kläger nicht bestreitet, unmittelbar wirksam geworden ist. 54(1) 55Gemäß § 203 Abs. 5 VVG werden die Neufestsetzung der Prämie und die Änderungen nach § 203 Abs. 2 und 3 VVG zu Beginn des zweiten Monats wirksam, der auf die Mitteilung der Neufestsetzung oder der Änderungen und der hierfür maßgeblichen Gründe an den Versicherungsnehmer folgt. 56Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfordert die Mitteilung der maßgeblichen Gründe nicht mehr und nicht weniger als die – auf die konkret in Rede stehende Prämienanpassung bezogene – Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 S. 1 VVG veranlasst hat. Es müssen nicht alle Gründe der Beitragserhöhung genannt werden, sondern nur die für die Prämienanpassung entscheidenden Umstände. In diesem Sinne entscheidend ist nur, ob eine Veränderung der erforderlichen gegenüber den kalkulierten Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeiten die in § 155 Abs. 3 und 4 VAG oder in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelten Schwellenwerte überschreitet oder nicht. Dagegen muss der Versicherer weder die Rechtsgrundlage des geltenden Schwellenwerts noch die genaue Höhe der Veränderung der Rechnungsgrundlage mitteilen. Ebenso wenig hat er die Veränderung weiterer Faktoren, welche die Prämienhöhe beeinflusst haben, wie z. B. des Rechnungszinses, anzugeben (BGH, Urteil vom 16.12.2020, IV ZR 294/19, Rn. 26 ff.). Die Mitteilungspflicht erfüllt so den Zweck, dem Versicherungsnehmer zu verdeutlichen, dass weder sein individuelles Verhalten noch eine freie Entscheidung des Versicherers Grund für die Beitragserhöhung war, sondern dass eine bestimmte Veränderung der Umstände dies aufgrund gesetzlicher Regelungen veranlasst hat (BGH, a. a. O., Rn. 35). Da die Überprüfung der Prämie unabhängig von dem Umstand ausgelöst wird, ob die über den Schwellenwert hinausreichende Veränderung in Gestalt einer Steigerung oder einer Verringerung eingetreten ist, und die Mitteilungspflicht nicht den Zweck hat, dem Versicherungsnehmer eine Plausibilitätskontrolle der Prämienanpassung zu ermöglichen (BGH, a. a. O., Rn. 36), ist ein Hinweis des Versicherers darauf, in welche Richtung sich die maßgebliche Rechnungsgrundlage verändert hat, nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 20.10.2021, IV ZR 148/20, Rn. 29 f.). 57(2) 58Den vorstehenden Anforderungen genügten die dem Kläger im November 2017 mitgeteilten Gründe für die Beitragserhöhung zum 01.01.2018, da der Kläger dem Mitteilungsschreiben vom 11.11.2017 die erforderlichen Informationen mit der gebotenen Klarheit entnehmen konnte. So enthält das Mitteilungsschreiben im Anschluss an die allgemeinen Erläuterungen auf der dritten Seite unter der Überschrift „Was sind die Rechtsgrundlagen für Beitragsanpassungen?“ insbesondere folgende Angaben: 59„Die Beiträge der zu Ihrer Krankenversicherung gehörenden und von einer Beitragsänderung betroffenen Tarife wurden angepasst, weil der gemäß § 155 Abs. 3 VAG durchzuführende Vergleich der erforderlichen mit den kalkulierten Versicherungsleistungen eine Abweichung ergeben hat, die über den für den Tarif maßgeblichen Prozentsatz (§ 8b der jeweiligen AVB) hinausgeht. Eine Überprüfung dieser Abweichung hat ergeben, dass diese nicht als vorübergehend anzusehen ist. […]“ 60Hieraus ist ohne weiteres ersichtlich, dass der auslösende Faktor „Versicherungsleistungen“ einen vorher festgelegten Schwellenwert überschritten hat (so auch LG Frankfurt, Urteil vom 30.09.2021, 2-23 O 395/20, juris Rn. 192). 612. 62Der zulässige Leistungsantrag zu 2. ist unbegründet. 63Die Beitragsanpassung im Tarif TP8 zum 01.01.2018 ist aus den vorgenannten Gründen unmittelbar wirksam geworden, so dass der Kläger auf diese keine rechtsgrundlosen Zahlungen geleistet hat. Die Wirksamkeit der darüber hinaus angegriffenen Beitragserhöhungen in den Tarifen 103 und 200 zum 01.01.2011 bedarf keiner Entscheidung, da etwaigen Ansprüchen gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB auf Rückzahlung der Erhöhungsbeträge, die der Kläger bis zur Beendigung der Tarife zum 31.12.2016 auf die streitgegenständlichen Beitragsanpassungen geleistet hat, jedenfalls die von dem Beklagten erhobene und aus den vorgenannten Gründen durchgreifende Einrede der Verjährung entgegensteht (§ 214 Abs. 1 BGB). 643. 65Die auf die Herausgabe von Nutzungen und die Erstattung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten gerichteten Anträge zu 3. und 4. teilen das Schicksal des unbegründeten Leistungsantrags. 66II. 67Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 269 Abs. 3 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO. 68III. 69Der Streitwert für die Gerichtsgebühren wird auf 9.038,60 € festgesetzt (§ 63 Abs. 1 GKG). 70Rechtsbehelfsbelehrung: 71Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Landgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Duisburg, König-Heinrich-Platz 1, 47051 Duisburg, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 72Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr: 73Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Auf die Pflicht zur elektronischen Einreichung durch professionelle Einreicher/innen ab dem 01.01.2022 durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013, das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5. Juli 2017 und das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 05.10.2021 wird hingewiesen. 74Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de. 75E I W E E2
die klage wird abgewiesen. der kläger hat die kosten des rechtsstreits zu tragen. das urteil ist gegen sicherheitsleistung in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages vorläufig vollstreckbar. 1 6 o 383/20 verkündet am 12.04.2022 , justizhauptsekretärals urkundsbeamter der geschäftsstelle 2landgericht duisburgim namen des volkesurteil 3in dem rechtsstreit 4hat die 6. zivilkammer des landgerichts duisburgaufgrund mündlicher verhandlung vom 15.02.2022durch den vorsitzenden richter am landgericht e i, den richter am landgericht w und die richterin e e2 5für recht erkannt: 6die klage wird abgewiesen. 7der kläger hat die kosten des rechtsstreits zu tragen. 8das urteil ist gegen sicherheitsleistung in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages vorläufig vollstreckbar. 9
10die parteien streiten über die wirksamkeit von beitragsanpassungen in der privaten krankenversicherung des klägers. 11der bei dem beklagten krankenversicherte kläger unterhielt in der krankheitskostenversicherung zunächst unter anderem die tarife 103 und 200, welche mit ablauf des 31.12.2016 beendet und in den tarif tp8 umgestellt wurden. dem vertrag liegen u. a. die allgemeinen versicherungsbedingungen für die krankheitskosten- und krankenhaustagegeldversicherung zugrunde, darunter auch die musterbedingungen mb/kk 2009, wegen deren inhalts auf die anlage b2 bezug genommen wird. zum 01.01.2011 und 01.01.2018 erhöhte der beklagte die monatsbeiträge um die im klageantrag zu 1. aufgeführten beträge. die beitragserhöhungen kündigte der beklagte jeweils im november des vorjahres mit einem anschreiben, welches erläuternde informationen enthielt und dem jeweils ein nachtrag zum versicherungsschein beigefügt war, an. wegen des inhalts wird auf das anlagenkonvolut b3 bezug genommen. seit dem 01.01.2019 zahlte der kläger einen monatlichen gesamtbeitrag in höhe von 406,87 €, wovon 79,93 € auf die pflegepflichtversicherung (tarif pvn) entfielen. 12der kläger hält die beitragserhöhungen mangels ordnungsgemäßer begründung für unwirksam. mit anwaltsschreiben vom 21.09.2020 ließ er den beklagten unter fristsetzung zur rückzahlung seiner ansicht nach überzahlter beträge und der daraus gezogenen nutzungen auffordern. 13mit der am 18.11.2020 eingegangenen und am 24.12.2020 zugestellten klage hat der kläger zunächst beantragt, 141. festzustellen, dass folgende erhöhungen des monatsbeitrags in der zwischen ihm und dem beklagten bestehenden kranken-/pflegeversicherung mit der versicherungsnummer ######## unwirksam sind: 15a) im tarif 103 die erhöhung zum 01.01.2011 in höhe von 48,04 €, 16b) im tarif 200 die erhöhung zum 01.01.2011 in höhe von 41,66 €, 17c) im tarif tp8 die erhöhung zum 01.01.2018 in höhe von 33,95 € 18und er nicht zur zahlung des jeweiligen erhöhungsbetrages verpflichtet, sowie der gesamtbeitrag unter berücksichtigung der erfolgten absenkungen auf insgesamt 372,92 € zu reduzieren ist, 192. den beklagten zu verurteilen, an ihn 7.612,70 € nebst zinsen hieraus in höhe von fünf prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz ab rechtshängigkeit zu zahlen, 203. festzustellen, dass der beklagte 21a) ihm zur herausgabe der nutzungen verpflichtet ist, die er aus dem prämienanteil gezogen hat, den er auf die unter 1. aufgeführten beitragserhöhungen gezahlt hat, 22b) die nach 3. a) herauszugebenden nutzungen in höhe von fünf prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz ab rechtshängigkeit zu verzinsen hat, 234. den beklagte zu verurteilen, an ihn einen betrag in höhe von 1.074,16 € nebst zinsen in höhe von fünf prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz der ezb seit rechtshängigkeit für die außergerichtliche anwaltliche rechtsverfolgung zu zahlen. 24nachdem der beklagte in der klageerwiderung vom 03.03.2021, die den prozessbevollmächtigten des klägers am 26.03.2021 zugestellt worden ist, mitgeteilt hat, dass auslösende faktoren der streitgegenständlichen beitragserhöhungen jeweils geänderte versicherungsleistungen gewesen seien, hat der kläger den rechtsstreit im letzten halbsatz des antrags zu 1. bezüglich des herabsetzungsantrags für erledigt erklärt. der beklagte hat der teilerledigungserklärung widersprochen, woraufhin der kläger die klage hinsichtlich des hieraus resultierenden feststellungsbegehrens auf feststellung der teilweisen erledigung der hauptsache zurückgenommen hat. 25der beklagte beantragt, 26die klage abzuweisen. 27er verteidigt die beitragserhöhungen und redet verjährung ein. 28wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf die von den parteien gewechselten schriftsätze nebst anlagen bezug genommen. 29
30i. 31die klage hat keinen erfolg. 321. 33der feststellungsantrag zu 1. ist teils unzulässig. im übrigen ist er zulässig, aber unbegründet. 34a) 35die feststellungsbegehren zu 1. a) und b) sind unzulässig. 36soweit der kläger die unwirksamkeit der beitragsanpassungen in den tarifen 103 und 200 zum 01.01.2011 festgestellt wissen möchte fehlt es an dem gemäß § 256 abs. 1 zpo erforderlichen rechtlichen interesse, weil die insoweit geltend gemachten zahlungsansprüche verjährt sind und die betroffenen tarife bereits in vorverjährter zeit beendet wurden (vgl. zu der vergleichbaren konstellation der beendigung des versicherungsvertrags olg saarbrücken, urteil vom 01.12.2021, 5 u 93/20, juris rn. 39 f.). 37aa) 38der kläger hat nach seinem vorbringen lediglich bis zum jahr 2016 beitragszahlungen auf die mit ablauf des jahres 2016 beendeten tarife 103 und 200 geleistet. etwaigen ansprüchen gemäß § 812 abs. 1 s. 1 alt. 1 bgb auf rückzahlung der erhöhungsbeträge, die der kläger bis zum 31.12.2016 auf die vorgenannten beitragsanpassungen geleistet hat, steht jedenfalls die von dem beklagten erhobene einrede der verjährung entgegen (§ 214 abs. 1 bgb). 39(1) 40die bereicherungsansprüche unterliegen der regelmäßigen dreijährigen verjährungsfrist (§ 195 bgb), welche gemäß § 199 abs. 1 bgb grundsätzlich mit dem schluss des jahres beginnt, in dem der anspruch entstanden ist und der gläubiger von den den anspruch begründenden umständen und der person des schuldners kenntnis erlangt oder ohne grobe fahrlässigkeit erlangen müsste. die rückzahlungsansprüche entstanden jeweils mit der zahlung der erhöhungsbeträge. die notwendige kenntnis von den anspruchsbegründenden umständen und von der person des schuldners hatte der kläger bereits mit dem zugang der jeweiligen änderungsmitteilungen (vgl. bgh, urteil vom 17.11.2021, iv zr 113/20, rn. 40 ff.). daher begann die verjährungsfrist für die letzten hier in rede stehenden zahlungen mit dem schluss des jahres 2016 und endete am 31.12.2019, so dass die am 18.11.2020 eingegangene klage insoweit keine hemmung gemäß § 204 abs. 1 nr. 1 bgb mehr bewirken konnte. 41(2) 42entgegen der ansicht des klägers fehlte es bis dahin nicht an der zumutbarkeit der klageerhebung als übergreifender voraussetzung für den verjährungsbeginn. 43in eng begrenzten, besonders begründeten ausnahmefällen (bgh, urteil vom 17.12.2020, vi zr 739/20, rn. 10) kann die rechtsunkenntnis des gläubigers den verjährungsbeginn hinausschieben, wenn der durchsetzung des anspruchs eine gegenteilige höchstrichterliche rechtsprechung entgegensteht (bgh, urteil vom 28.10.2014, xi zr 348/13, rn. 35) oder eine unsichere und zweifelhafte rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag (bgh, urteil vom 21.02.2018, iv zr 304/16, rn. 15 m. w. n.). eine unsichere und zweifelhafte rechtslage liegt nicht schon dann vor, wenn eine rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich entschieden ist, sondern setzt zumindest voraus, dass im zeitpunkt der anspruchsentstehung ein ernsthafter meinungsstreit in literatur und rechtsprechung bestand (vgl. bgh, urteil vom 28.10.2014, xi zr 348/13, rn. 45; urteil vom 17.12.2020, vi zr 739/20, rn. 13). wird die rechtslage erst unsicher, nachdem die verjährungsfrist zu laufen begonnen hat, schiebt dies den beginn der einmal in lauf gesetzten frist nicht nachträglich hinaus (vgl. bgh, urteil vom 28.10.2014, xi zr 348/13, rn. 45; urteil vom 17.12.2020, vi zr 739/20, rn. 15). auch mit blick auf rechtliche unsicherheiten ist eine klageerhebung dann zumutbar, wenn die klage bei verständiger würdigung hinreichende erfolgsaussichten hat; es ist nicht erforderlich, dass die rechtsverfolgung risikolos möglich ist (bgh, urteil vom 17.12.2020, vi zr 739/20, rn. 11 m. w. n.). 44nach diesen maßstäben war die erhebung einer klage, mit der die formelle unwirksamkeit von beitragserhöhungen aufgrund einer unzureichenden begründung geltend gemacht wird, jedenfalls bis zum 31.12.2016 zumutbar und der verjährungsbeginn nicht bis zu der durch die urteile des bundesgerichtshofs vom 16.12.2020 (iv zr 294/19 und iv zr 314/19) herbeigeführten höchstrichterlichen klärung hinausgeschoben. denn es gab weder eine entgegenstehende höchstrichterliche rechtsprechung noch – jedenfalls bis zu diesem zeitpunkt – einen ernsthaften meinungsstreit. der umstand, dass die frage, welche anforderungen an eine mitteilung gemäß § 203 abs. 5 vvg zu stellen sind, in der literatur zunächst nur vereinzelt aufgegriffen wurde (vgl. klimke, versr 2016, 22 ff.) und erste gerichtliche entscheidungen hierzu erst im jahr 2018 veröffentlicht wurden (vgl. lg neuruppin, urteil vom 25.08.2017, 1 o 338/16, versr 2018, 469; lg potsdam, urteil vom 27.09.2017, 6 s 80/16, versr 2018, 471), mag die rechtliche einordnung und die rechtliche beratung nicht erleichtert haben, ließ eine klageerhebung indes unzumutbar erscheinen. vielmehr musste eine rechtliche würdigung gerade ergeben, dass die erfolgschancen eines rückzahlungsanspruchs als offen einzuschätzen waren (olg stuttgart, urteil vom 04.11.2021, 7 u 204/21, juris rn. 38; vgl. olg dresden, urteil vom 12.10.2021, 6 u 751/21, juris rn. 81 f.; urteil vom 14.12.2021, 4 u 1693/21, juris rn. 38; olg saarbrücken, urteil vom 01.12.2021, 5 u 93/20, juris rn. 35; olg hamm, urteil vom 30.06.2021, 20 u 152/20, juris rn. 79). 45hinzu kommt, dass bereits seit dem jahr 2018, insbesondere aber im laufe des jahres 2020 bei zahlreichen landgerichten – darunter auch dem hiesigen – eine vielzahl entsprechender klagen eingegangen sind, mit denen die jeweiligen – im jahr 2020 zumeist von den prozessbevollmächtigten des klägers vertretenen – versicherungsnehmer zu erkennen gegeben haben, dass sie ungeachtet des zu dieser zeit ungeklärten meinungsstreits von der unwirksamkeit der prämienerhöhungen ausgingen. auch der kläger hat bereits vor veröffentlichung der urteile des bundesgerichtshofs vom 16.12.2020 seine ansprüche gegen die beklagte geltend gemacht und klage eingereicht. umstrittener als in den jahren 2018 bis 2020 war der inhalt des § 203 abs. 5 vvg jedoch in den jahren bis einschließlich 2016 nicht, so dass dem kläger die klageerhebung auch damals nicht unzumutbar war (vgl. bgh, urteil vom 17.11.2021, iv zr 113/20, rn. 45). 46bb) 47damit fehlt es an einem schutzwürdigen interesse des klägers an der begehrten feststellung im sinne des § 256 abs. 1 zpo. ein solches kann zwar auch an der feststellung eines vergangenen rechtsverhältnisses bestehen, wenn sich aus der feststellung noch rechtsfolgen für die gegenwart und zukunft ergeben können, weshalb ein tarifwechsel für sich genommen das feststellungsinteresse nicht zwingend entfallen lässt (vgl. bgh, urteil vom 16.12.2020, iv zr 294/19, rn. 19). anders als in dem der vorzitierten entscheidung des bundesgerichtshofs zugrunde liegenden fall ist im streitfall jedoch ausgeschlossen, dass sich noch weitere ansprüche aus den vorgenannten prämienerhöhungen ergeben könnten, da der kläger aufgrund der beendigung der tarife mit ablauf des 31.12.2016 in unverjährter zeit keine zahlungen mehr auf diese geleistet hat. insoweit ist der feststellungsantrag auch nicht als zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 abs. 2 zpo zulässig, weil die begehrte feststellung der unwirksamkeit der beitragserhöhungen nicht über das mit dem – sämtliche unverjährten rückzahlungsansprüche aus diesen beitragserhöhungen umfassenden – leistungsantrag zu 2. erfasste rechtsschutzziel hinausgeht (vgl. olg saarbrücken, a. a. o., rn. 41). 48b) 49das feststellungsbegehren zu 1. c) ist zulässig, jedoch unbegründet. 50aa) 51ein feststellungsfähiges gegenwärtiges rechtsverhältnis liegt vor, soweit der kläger die unwirksamkeit der beitragsanpassung im tarif tp8 zum 01.01.2018 festgestellt wissen möchte, da allein mit dem daneben erstrebten leistungsurteil auf rückzahlung überzahlter beiträge nicht rechtskräftig festgestellt wäre, dass er zukünftig nicht zur zahlung des sich aus der beitragsanpassung ergebenden erhöhungsbetrags verpflichtet ist (vgl. bgh, urteil vom 19.12.2018, iv zr 255/17, rn. 17; urteil vom 16.12.2020, iv zr 294/19, rn. 19 f.). 52bb) 53dieses feststellungsbegehren ist jedoch unbegründet, weil die vorgenannte beitragserhöhung, deren materielle berechtigung der kläger nicht bestreitet, unmittelbar wirksam geworden ist. 54(1) 55gemäß § 203 abs. 5 vvg werden die neufestsetzung der prämie und die änderungen nach § 203 abs. 2 und 3 vvg zu beginn des zweiten monats wirksam, der auf die mitteilung der neufestsetzung oder der änderungen und der hierfür maßgeblichen gründe an den versicherungsnehmer folgt. 56nach mittlerweile gefestigter rechtsprechung des bundesgerichtshofs erfordert die mitteilung der maßgeblichen gründe nicht mehr und nicht weniger als die – auf die konkret in rede stehende prämienanpassung bezogene – angabe der rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende veränderung die neufestsetzung nach § 203 abs. 2 s. 1 vvg veranlasst hat. es müssen nicht alle gründe der beitragserhöhung genannt werden, sondern nur die für die prämienanpassung entscheidenden umstände. in diesem sinne entscheidend ist nur, ob eine veränderung der erforderlichen gegenüber den kalkulierten versicherungsleistungen oder sterbewahrscheinlichkeiten die in § 155 abs. 3 und 4 vag oder in den allgemeinen versicherungsbedingungen geregelten schwellenwerte überschreitet oder nicht. dagegen muss der versicherer weder die rechtsgrundlage des geltenden schwellenwerts noch die genaue höhe der veränderung der rechnungsgrundlage mitteilen. ebenso wenig hat er die veränderung weiterer faktoren, welche die prämienhöhe beeinflusst haben, wie z. b. des rechnungszinses, anzugeben (bgh, urteil vom 16.12.2020, iv zr 294/19, rn. 26 ff.). die mitteilungspflicht erfüllt so den zweck, dem versicherungsnehmer zu verdeutlichen, dass weder sein individuelles verhalten noch eine freie entscheidung des versicherers grund für die beitragserhöhung war, sondern dass eine bestimmte veränderung der umstände dies aufgrund gesetzlicher regelungen veranlasst hat (bgh, a. a. o., rn. 35). da die überprüfung der prämie unabhängig von dem umstand ausgelöst wird, ob die über den schwellenwert hinausreichende veränderung in gestalt einer steigerung oder einer verringerung eingetreten ist, und die mitteilungspflicht nicht den zweck hat, dem versicherungsnehmer eine plausibilitätskontrolle der prämienanpassung zu ermöglichen (bgh, a. a. o., rn. 36), ist ein hinweis des versicherers darauf, in welche richtung sich die maßgebliche rechnungsgrundlage verändert hat, nicht erforderlich (bgh, urteil vom 20.10.2021, iv zr 148/20, rn. 29 f.). 57(2) 58den vorstehenden anforderungen genügten die dem kläger im november 2017 mitgeteilten gründe für die beitragserhöhung zum 01.01.2018, da der kläger dem mitteilungsschreiben vom 11.11.2017 die erforderlichen informationen mit der gebotenen klarheit entnehmen konnte. so enthält das mitteilungsschreiben im anschluss an die allgemeinen erläuterungen auf der dritten seite unter der überschrift „was sind die rechtsgrundlagen für beitragsanpassungen?“ insbesondere folgende angaben: 59„die beiträge der zu ihrer krankenversicherung gehörenden und von einer beitragsänderung betroffenen tarife wurden angepasst, weil der gemäß § 155 abs. 3 vag durchzuführende vergleich der erforderlichen mit den kalkulierten versicherungsleistungen eine abweichung ergeben hat, die über den für den tarif maßgeblichen prozentsatz (§ 8b der jeweiligen avb) hinausgeht. eine überprüfung dieser abweichung hat ergeben, dass diese nicht als vorübergehend anzusehen ist. […]“ 60hieraus ist ohne weiteres ersichtlich, dass der auslösende faktor „versicherungsleistungen“ einen vorher festgelegten schwellenwert überschritten hat (so auch lg frankfurt, urteil vom 30.09.2021, 2-23 o 395/20, juris rn. 192). 612. 62der zulässige leistungsantrag zu 2. ist unbegründet. 63die beitragsanpassung im tarif tp8 zum 01.01.2018 ist aus den vorgenannten gründen unmittelbar wirksam geworden, so dass der kläger auf diese keine rechtsgrundlosen zahlungen geleistet hat. die wirksamkeit der darüber hinaus angegriffenen beitragserhöhungen in den tarifen 103 und 200 zum 01.01.2011 bedarf keiner entscheidung, da etwaigen ansprüchen gemäß § 812 abs. 1 s. 1 alt. 1 bgb auf rückzahlung der erhöhungsbeträge, die der kläger bis zur beendigung der tarife zum 31.12.2016 auf die streitgegenständlichen beitragsanpassungen geleistet hat, jedenfalls die von dem beklagten erhobene und aus den vorgenannten gründen durchgreifende einrede der verjährung entgegensteht (§ 214 abs. 1 bgb). 643. 65die auf die herausgabe von nutzungen und die erstattung von außergerichtlichen rechtsanwaltskosten gerichteten anträge zu 3. und 4. teilen das schicksal des unbegründeten leistungsantrags. 66ii. 67die kostenentscheidung beruht auf §§ 91 abs. 1 s. 1, 269 abs. 3 s. 1 zpo. die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit folgt aus § 709 s. 1 und 2 zpo. 68iii. 69der streitwert für die gerichtsgebühren wird auf 9.038,60 € festgesetzt (§ 63 abs. 1 gkg). 70rechtsbehelfsbelehrung: 71gegen die streitwertfestsetzung ist die beschwerde statthaft, wenn der wert des beschwerdegegenstandes 200,00 eur übersteigt oder das landgericht die beschwerde zugelassen hat. die beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs monaten, nachdem die entscheidung in der hauptsache rechtskraft erlangt oder das verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem landgericht duisburg, könig-heinrich-platz 1, 47051 duisburg, schriftlich in deutscher sprache oder zur niederschrift des urkundsbeamten der geschäftsstelle einzulegen. die beschwerde kann auch zur niederschrift der geschäftsstelle eines jeden amtsgerichtes abgegeben werden. ist der streitwert später als einen monat vor ablauf dieser frist festgesetzt worden, so kann die beschwerde noch innerhalb eines monats nach zustellung oder formloser mitteilung des festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 72hinweis zum elektronischen rechtsverkehr: 73die einlegung ist auch durch übertragung eines elektronischen dokuments an die elektronische poststelle des gerichts möglich. das elektronische dokument muss für die bearbeitung durch das gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen signatur der verantwortenden person versehen sein oder von der verantwortenden person signiert und auf einem sicheren übermittlungsweg gemäß § 130a zpo nach näherer maßgabe der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (bgbl. 2017 i, s. 3803) eingereicht werden. auf die pflicht zur elektronischen einreichung durch professionelle einreicher/innen ab dem 01.01.2022 durch das gesetz zum ausbau des elektronischen rechtsverkehrs mit den gerichten vom 10. oktober 2013, das gesetz zur einführung der elektronischen akte in der justiz und zur weiteren förderung des elektronischen rechtsverkehrs vom 5. juli 2017 und das gesetz zum ausbau des elektronischen rechtsverkehrs mit den gerichten und zur änderung weiterer vorschriften vom 05.10.2021 wird hingewiesen. 74weitere informationen erhalten sie auf der internetseite www.justiz.de. 75e i w e e2
345,339
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2 O 49/20
2022-04-08T00:00:00
Urteil
Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits. 3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. 1Tatbestand: 2Der Kläger begehrt von der Beklagten zu 1) sowie deren Geschäftsführer, dem Beklagten zu 2), die Rückzahlung von im Zusammenhang mit der Vermittlung eines Diplomatenstatus hingegebener Geldbeträge. 3Die Parteien schlossen eine Vereinbarung, die unstreitig jedenfalls unter anderem die Möglichkeit des Erhalts eines Diplomatenpasses für den Kläger zum Gegenstand hatte. Der weitere Inhalt der getroffenen Abreden steht zwischen den Parteien im Streit. 4Der Kläger erhielt hiernach einen Diplomatenpass der A B, der jedoch bearbeitet ist. Die Gründe hierfür stehen zwischen den Parteien wiederum im Streit. 5Mit anwaltlichen Schreiben vom 15.03. sowie 27.06.2019 forderte der Kläger die Beklagten zur Rückzahlung von im Zusammenhang mit der Vereinbarung gezahlter Beträge auf, was diese mit Antwortschreiben vom 23.03.2019 (Anlage K3, Bl. 15 ff. d.A.) ablehnte. 6Der Kläger behauptet, die Beklagten hätten ihn überzeugt, ihm auf legalem Wege einen Diplomatenstatus nebst -pass eines A Landes verschaffen zu können. Hierfür habe er in gutem Glauben insgesamt 243.000,00 EUR an die Beklagten gezahlt, wobei diese teilweise über Herrn C geflossen seien. Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 24.03.2022 hat der Kläger u.a. seine Gutgläubigkeit nochmals bekräftigt. Der erhaltene, auf den Kläger ausgestellte Diplomatenpass sei verfälscht, wie sich aus einem von ihm in Auftrag gegebenen kriminaltechnischen Gutachten (Anlage K2, Bl. 7 ff. d.A.) ergebe. 7Der Kläger ist der Ansicht, dass die geschlossene Vereinbarung sittenwidrig sei und ihm aus Bereicherungs- bzw. Deliktsrecht ein Rückforderungsanspruch zustehe. 8Der Kläger beantragt sinngemäß, 91. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 243.000,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von jeweils fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz der EZB seit 29.03.2019 zu bezahlen; 102. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 4.526,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von jeweils fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz der EZB seit 29.03.2019 zu bezahlen. 11Die Beklagten beantragen, 12die Klage abzuweisen. 13Sie behaupten, der Kläger habe ihnen gegenüber Interesse vorgegeben, sich in A wirtschaftlich engagieren zu wollen, dies jedoch vom Erhalt eines Diplomatenpasses abhängig gemacht. Der Kläger habe an die Beklagte zu 1) 185.000,00 EUR gezahlt, welche in Höhe von 159.573,17 EUR für die Förderung einer „Economic Mission“ verwendet worden seien. Ein Entgelt für die Vermittlung des Diplomatenstatus sei nicht gezahlt worden. Der Grund für die Veränderung des Passes sei gewesen, dass versehentlich das falsche Geburtsdatum des Klägers eingetragen gewesen und dies in der AB Botschaft in Brüssel, Belgien, durch Austausch der fehlerhaften Seite korrigiert worden sei. Der Kläger habe sich entgegen der getroffenen Absprachen nicht in der AB vorstellen wollen, weswegen seine Akkreditierung schlussendlich doch nicht erfolgt sei. Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 22.03.2022 (Bl. 411 ff. d.A.) haben die Beklagten ihren Vortrag weiter vertieft. 14Sie sind der Ansicht, dass die Vergabe eines Diplomatenpasses aus wirtschaftlichem Interesse nicht sittenwidrig sei. 15Die Kammer hat den Kläger persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift vom 25.02.2022 verwiesen. 16Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift ergänzend Bezug genommen. 17Entscheidungsgründe: 18Die Klage ist unbegründet. 191. 20Dem Kläger steht der begehrte Zahlungsanspruch gegen die Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. 21a) 22Vertragliche Ansprüche scheiden aus, weil die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung wegen Verstoßes gegen die guten Sitten gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist. 23Nach allgemeiner Ansicht verstoßen entgeltliche Geschäfte über die Verschaffung öffentlicher Ämter und Titel gegen das im Rahmen der Vorschrift maßgebliche Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden. Denn ein redlicher Mensch erwirbt Ämter und Titel durch Mühen und Verdienste. Die Anstößigkeit ergibt sich aus der sachfremden, ethischen Prinzipien widersprechenden Verknüpfung der Verleihung öffentlicher Ämter und Titel mit einer Gegenleistung in Geld (vgl. zu allem BGH, Urteil v. 05.10.1993 - XI ZR 200/92, NJW 1994, 187). 24Bereits unter Zugrundelegung der Behauptung der Beklagten zum Inhalt des Vertrags liegt eine solche den guten Sitten widersprechende Verknüpfung hier vor. Denn danach soll der Kläger sein wirtschaftliches Engagement für die AB vom Erhalt eines Diplomatenpasses abhängig gemacht haben, worauf sich die Beklagten offensichtlich einließen und jedenfalls einen Teilbetrag des hingegebenen Geldes selbst vereinnahmt wurde. Nach Darstellung der Beklagten sollen von den unstreitig an die Beklagte zu 1) geflossenen 185.000,00 EUR nämlich nur 159.573,17 EUR für das Anstoßen der „Economic Mission“ verwendet worden sein. Gerade diese Verknüpfung von der Hingabe von Geld mit dem Erhalt des Diplomatenstatus und der damit einhergehenden Vorteile, auf die es dem Kläger maßgeblich ankam, begründet nach den obigen Ausführungen den Sittenverstoß. Dieser Vorwurf wird durch den von den Beklagten behaupteten weiteren Geschehensablauf noch unterstrichen: Trotz des Umstands, dass der Kläger nicht bereit gewesen sein soll, das Akkreditierungsverfahren ordnungsgemäß zu durchlaufen, habe sich der Beklagte zu 2) dafür eingesetzt, dass dieser vorab einen Diplomatenpass erhält. Die Erklärung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten im Rahmen der mündlichen Verhandlung, der Beklagte zu 2) habe auf den Kläger vertraut und die Wirtschaftsmission abschließen wollen, ist angesichts des frühen Stadiums, in dem sich diese nach den Ausführungen der Beklagten befand, der kurzen Zeit der Bekanntschaft zwischen den Parteien und der völligen Unüblichkeit eines derartigen Vorgehens völlig unglaubhaft. 25Es kommt für die Frage der Sittenwidrigkeit nicht darauf an, inwieweit die Vergabe von Diplomatentiteln im Gegenzug gegen ein wirtschaftliches Engagement in A Ländern üblich ist. Denn missbräuchliche Praktiken, die sich in bestimmten Kreisen herausgebildet haben, sind im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB nicht zu beachten (vgl. BGH, a.a.O.). Schließlich geht der Verweis der Beklagten auf § 4 Abs. 5 AVVaP fehl, wonach ein Diplomatenpass für bestimmte Reisen, die im amtlichen Auftrag oder im besonderen deutschen Interesse ausgeführt werden, ausgestellt werden kann. Um die Durchführung bestimmter Reisen im Auftrag oder im Interesse der AB ging es bei der Passvergabe an den Kläger ersichtlich nicht. 26Es kann weiterhin dahinstehen, ob das Rechtsgeschäft bereits aufgrund seines objektiven Inhalts sittenwidrig ist und es damit auf ein Hinzukommen besonderer subjektiver Merkmale nicht ankommt oder ob eine Gesamtschau unter Berücksichtigung der von den Parteien verfolgten Absichten und Beweggründe vorzunehmen ist (vgl. BeckOK BGB/Wendtland, 61. Ed. 1.2.2022, BGB § 138 Rn. 22, 23). Solche subjektiven Merkmale liegen nämlich zur Überzeugung der Kammer sowohl auf Seiten des Klägers als auch auf Seiten des Beklagten zu 2) als dem bestellten Vertreter der Beklagten zu 1) vor. Dafür reicht es nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung aus, dass die Parteien jedenfalls die Umstände, aus denen die Sittenwidrigkeit folgt, kannten (vgl. BGH, Urteil v. 05.10.1993 - XI ZR 200/92, NJW 1994, 187). 27Sowohl der Beklagte zu 2) – und damit auch die Beklagte zu 1) als von ihm vertretene Gesellschaft – als auch der Kläger waren sich des Umstands, dass es dem Kläger auf die Erlangung eines Diplomatenstatus und der damit verbundenen Annehmlichkeiten ankam und er hierfür bereit war, Geld herzugeben. Die Kammer ist nach der informatorischen Anhörung des Klägers davon überzeugt, dass dieser entgegen seiner schriftsätzlichen Behauptungen darüber hinaus auch mit Vorsatz handelte, mithin die Vereinbarung mit der Beklagten zu 1) zum Titelkauf in dem Bewusstsein abschloss, dass es sich um ein verbotenes Rechtsgeschäft handelte. Der Kläger gab nämlich an, dass das Angebot zum Kauf von Diplomatenpässen „natürlich“ nicht direkt, sondern nur zwischen den Zeilen auf der von ihm besuchten Homepage angepriesen gewesen sei. Dem Kläger war danach zur Überzeugung der Kammer klar, dass derartige Rechtsgeschäfte aufgrund ihrer Illegalität nicht offen angepriesen werden können. Soweit der Kläger hierzu mit nachgelassenem Schriftsatz vom 24.03.2022 erklärt hat, er habe damit auf die Exklusivität des Angebots abgestellt, ist das unglaubhaft. Auf direkte Nachfrage im Termin reagierte der Kläger nämlich ausweichend und auch seine Schilderung zum versuchten Einsatz des Diplomatenpasses in Wien spricht dafür, dass dem Kläger die Rechtswidrigkeit seines Tuns bewusst war: Statt nach dem misslungenen Einleseversuch den Pass schnell wegzustecken und den regulären Pass vorzuzeigen hätte es, wenn der Kläger gutgläubig gewesen wäre, näher gelegen, von einer etwaig fehlerhaften Einlesung auszugehen und auf einen weiteren Versuch zu bestehen. 28b) 29Dem Kläger steht kein Rückforderungsanspruch nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen gemäß §§ 812 ff. BGB zu, weil der Anspruch gemäß § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen ist. Es liegt nach den obigen Ausführungen unter lit. a) ein beidseitiger Sittenverstoß vor. 30Der Kläger kann sich nicht auf die Rückausnahme des § 817 S. 2 BGB berufen, wonach eine Kondiktion möglich bleibt, wenn die Leistung in der Eingehung einer Verbindlichkeit bestand. Der Kläger übersieht, dass nach § 817 S. 2 Hs. 2 BGB das zur Erfüllung einer solchen Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden kann, er die zur Erfüllung der Vereinbarung vereinbarten Geldmittel jedoch bereits geleistet hat. Aus diesem Grund ist auch die vom Kläger in Bezug genommene Entscheidung des BGH vom 05.10.1993 (XI ZR 200/92) insoweit nicht einschlägig, weil es darin um ein ohne Rechtsgrund sicherungshalber begebenes Wechselakzept ging. 31c) 32Ein Anspruch aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 667, 681 S. 2, 677 BGB steht dem Kläger ebenso wenig gegen die Beklagten zu. 33Dabei kann dahinstehen, ob auch diesbezüglich § 817 S. 2 BGB der Anwendung entgegensteht, weil es jedenfalls am erforderlichen Fremdgeschäftsführungswillen der Beklagten fehlt. Diese haben ein ausschließlich eigenes Geschäft besorgt, weil sie lediglich ihre Verpflichtung aus dem mit dem Kläger geschlossenen Vertrag erfüllen wollten. Dem steht auch die Nichtigkeit des Vertrages nicht entgegen (vgl. OLG Koblenz, Urteil v. 16.12.1998 – 7 U 124/98, NJW 1999, 2904). 34d) 35Der Kläger hat gegen die Beklagten auch keinen Anspruch aus § 826 BGB, wonach derjenige, der einem anderen in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zufügt, zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist. 36Der Anspruch ist bereits deswegen ausgeschlossen, weil dem Kläger selbst ebenfalls ein Sittenverstoß zur Last fällt, indem er Gelder zur Erlangung des Diplomatenstatus hergab (vgl. OLG Köln, Urteil v. 14.12.1993 – 9 U 242/92, juris). Dies steht nicht im Widerspruch zum Urteil des BGH vom 09.10.1991 (VIII ZR 19/91, juris), wonach grundsätzlich nicht schon bereits die grobe Fahrlässigkeit des Geschädigten die Sittenwidrigkeit oder deren Ursächlichkeit für den eingetretenen Schaden entfallen lassen soll. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht uneingeschränkt, sondern der BGH lässt in der zitierten Entscheidung hiervon im Einzelfall explizit Abweichungen zu. Eine solche ist vorliegend allein schon aufgrund des vorsätzlichen Handelns Kläger selbst angezeigt. 37Dabei ist zur Überzeugung der Kammer jedenfalls im vorliegenden Fall nicht zwischen Beträgen zu differenzieren, die die Beklagten zur Erfüllung der nichtigen Verbindlichkeit an Dritte etwaig weiterleiteten und solchen, die sie selbst behalten haben (offen gelassen von OLG Köln, a.a.O.). Dem Kläger, dem es nach eigener Aussage lediglich auf die Erlangung des Diplomatenpasses ankam und der nach den obigen Ausführungen hierfür bewusst rechtswidrig handelte, war die genaue Verwendung der zur Erreichung seines Ziels hergegebenen Geldbeträge ersichtlich gleichgültig. In diesem Fall ist es auch nicht gerechtfertigt, zwischen dem Verwendungszweck der einzelnen Beträge zu differenzieren. 38e) 39Schließlich steht dem Kläger auch ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB nicht zu. 40Der Anspruch ist wegen eines überwiegenden Mitverschuldens des Klägers an der Schadenverursachung gemäß § 254 Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Hierbei verkennt die Kammer nicht, dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung der Mitverschuldenseinwand ausscheidet, wenn dem Geschädigten gegenüber einem vorsätzlich handelnden Schädiger lediglich Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann (vgl. etwa BGH, Urteil v. 09.10.1991 – VIII ZR 19/91, juris), wobei auch dieser Grundsatz nicht uneingeschränkt gilt, sondern von den besonderen Umständen des Einzelfalles abhängig ist, um dem Geschädigten keinen Freibrief für jeden Leichtsinn zu bieten (vgl. BGH, Urteil v. 06.12.1983 – VI ZR 60/82, NJW 1984, 921).Nach den obigen Ausführungen geht die Kammer vorliegend jedoch nicht lediglich von einem fahrlässigen, sondern einem vorsätzlichen Verhalten des Klägers aus. 41Die Umstände des vorliegenden Falls rechtfertigen hiernach die Annahme eines weit überwiegenden Mitverschuldens des Klägers. Dieser hat in Kenntnis der Rechtswidrigkeit eines Titelkaufs die Vereinbarung mit der Beklagtenseite geschlossen und die als Gegenleistung verlangten Geldmittel bereitwillig hingegeben, weil es ihm auf die Erlangung der Vorzüge des Diplomatenstatus, namentlich eine bevorzugte Behandlung bei Check-ins oder beim Zoll am Flughafen ankam. Es musste sich dem Kläger danach zumindest aufdrängen, dass die Verschaffung des begehrten Diplomatenpasses entweder nur durch weitere zumindest sitten-, wenn nicht sogar rechtswidrige Taten zu bewerkstelligen war oder ihm ein gefälschter Pass angeboten würde, wovon die Kammer im Übrigen trotz der Ausführungen der Beklagten mit nachgelassenem Schriftsatz vom 22.03.2022 weiterhin überzeugt ist. Denn die Erklärung, dass in älteren Diplomatenpässen A Staaten auch Ausländer als Angehörige des jeweiligen Staats geführt worden seien, erklärt noch immer nicht den Widerspruch zwischen den Angaben im Datenbereich und in der maschinenlesbaren Zone des Passes des Klägers. 422. 43Die geltend gemachten Nebenforderungen – vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten und Zinsen – teilen das Schicksal der unbegründeten Hauptforderung. 443. 45Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO. 46Der Streitwert wird auf 243.000,00 EUR festgesetzt. 47Rechtsbehelfsbelehrung: 48Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Landgericht Bonn statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Landgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Bonn, Wilhelmstr. 21, 53111 Bonn, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 49Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr: 50Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Auf die Pflicht zur elektronischen Einreichung durch professionelle Einreicher/innen ab dem 01.01.2022 durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013, das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5. Juli 2017 und das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 05.10.2021 wird hingewiesen. 51Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de. 52
1. die klage wird abgewiesen. 2. der kläger trägt die kosten des rechtsstreits. 3. das urteil ist gegen sicherheitsleistung in höhe von 110% jeweils zu vollstreckenden betrags vorläufig vollstreckbar. 1
2der kläger begehrt von der beklagten zu 1) sowie deren geschäftsführer, dem beklagten zu 2), die rückzahlung von im zusammenhang mit der vermittlung eines diplomatenstatus hingegebener geldbeträge. 3die parteien schlossen eine vereinbarung, die unstreitig jedenfalls unter anderem die möglichkeit des erhalts eines diplomatenpasses für den kläger zum gegenstand hatte. der weitere inhalt der getroffenen abreden steht zwischen den parteien im streit. 4der kläger erhielt hiernach einen diplomatenpass der a b, der jedoch bearbeitet ist. die gründe hierfür stehen zwischen den parteien wiederum im streit. 5mit anwaltlichen schreiben vom 15.03. sowie 27.06.2019 forderte der kläger die beklagten zur rückzahlung von im zusammenhang mit der vereinbarung gezahlter beträge auf, was diese mit antwortschreiben vom 23.03.2019 (anlage k3, bl. 15 ff. d.a.) ablehnte. 6der kläger behauptet, die beklagten hätten ihn überzeugt, ihm auf legalem wege einen diplomatenstatus nebst -pass eines a landes verschaffen zu können. hierfür habe er in gutem glauben insgesamt 243.000,00 eur an die beklagten gezahlt, wobei diese teilweise über herrn c geflossen seien. mit nachgelassenem schriftsatz vom 24.03.2022 hat der kläger u.a. seine gutgläubigkeit nochmals bekräftigt. der erhaltene, auf den kläger ausgestellte diplomatenpass sei verfälscht, wie sich aus einem von ihm in auftrag gegebenen kriminaltechnischen gutachten (anlage k2, bl. 7 ff. d.a.) ergebe. 7der kläger ist der ansicht, dass die geschlossene vereinbarung sittenwidrig sei und ihm aus bereicherungs- bzw. deliktsrecht ein rückforderungsanspruch zustehe. 8der kläger beantragt sinngemäß, 91. die beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn einen betrag in höhe von 243.000,00 eur zuzüglich zinsen in höhe von jeweils fünf prozentpunkten über den basiszinssatz der ezb seit 29.03.2019 zu bezahlen; 102. die beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche rechtsverfolgungskosten in höhe von 4.526,00 eur zuzüglich zinsen in höhe von jeweils fünf prozentpunkten über den basiszinssatz der ezb seit 29.03.2019 zu bezahlen. 11die beklagten beantragen, 12die klage abzuweisen. 13sie behaupten, der kläger habe ihnen gegenüber interesse vorgegeben, sich in a wirtschaftlich engagieren zu wollen, dies jedoch vom erhalt eines diplomatenpasses abhängig gemacht. der kläger habe an die beklagte zu 1) 185.000,00 eur gezahlt, welche in höhe von 159.573,17 eur für die förderung einer „economic mission“ verwendet worden seien. ein entgelt für die vermittlung des diplomatenstatus sei nicht gezahlt worden. der grund für die veränderung des passes sei gewesen, dass versehentlich das falsche geburtsdatum des klägers eingetragen gewesen und dies in der ab botschaft in brüssel, belgien, durch austausch der fehlerhaften seite korrigiert worden sei. der kläger habe sich entgegen der getroffenen absprachen nicht in der ab vorstellen wollen, weswegen seine akkreditierung schlussendlich doch nicht erfolgt sei. mit nachgelassenem schriftsatz vom 22.03.2022 (bl. 411 ff. d.a.) haben die beklagten ihren vortrag weiter vertieft. 14sie sind der ansicht, dass die vergabe eines diplomatenpasses aus wirtschaftlichem interesse nicht sittenwidrig sei. 15die kammer hat den kläger persönlich angehört. wegen des ergebnisses wird auf die sitzungsniederschrift vom 25.02.2022 verwiesen. 16wegen der weiteren einzelheiten wird auf die gewechselten schriftsätze nebst anlagen sowie die sitzungsniederschrift ergänzend bezug genommen. 17
18die klage ist unbegründet. 191. 20dem kläger steht der begehrte zahlungsanspruch gegen die beklagten unter keinem rechtlichen gesichtspunkt zu. 21a) 22vertragliche ansprüche scheiden aus, weil die zwischen den parteien getroffene vereinbarung wegen verstoßes gegen die guten sitten gemäß § 138 abs. 1 bgb nichtig ist. 23nach allgemeiner ansicht verstoßen entgeltliche geschäfte über die verschaffung öffentlicher ämter und titel gegen das im rahmen der vorschrift maßgebliche anstandsgefühl aller billig und gerecht denkenden. denn ein redlicher mensch erwirbt ämter und titel durch mühen und verdienste. die anstößigkeit ergibt sich aus der sachfremden, ethischen prinzipien widersprechenden verknüpfung der verleihung öffentlicher ämter und titel mit einer gegenleistung in geld (vgl. zu allem bgh, urteil v. 05.10.1993 - xi zr 200/92, njw 1994, 187). 24bereits unter zugrundelegung der behauptung der beklagten zum inhalt des vertrags liegt eine solche den guten sitten widersprechende verknüpfung hier vor. denn danach soll der kläger sein wirtschaftliches engagement für die ab vom erhalt eines diplomatenpasses abhängig gemacht haben, worauf sich die beklagten offensichtlich einließen und jedenfalls einen teilbetrag des hingegebenen geldes selbst vereinnahmt wurde. nach darstellung der beklagten sollen von den unstreitig an die beklagte zu 1) geflossenen 185.000,00 eur nämlich nur 159.573,17 eur für das anstoßen der „economic mission“ verwendet worden sein. gerade diese verknüpfung von der hingabe von geld mit dem erhalt des diplomatenstatus und der damit einhergehenden vorteile, auf die es dem kläger maßgeblich ankam, begründet nach den obigen ausführungen den sittenverstoß. dieser vorwurf wird durch den von den beklagten behaupteten weiteren geschehensablauf noch unterstrichen: trotz des umstands, dass der kläger nicht bereit gewesen sein soll, das akkreditierungsverfahren ordnungsgemäß zu durchlaufen, habe sich der beklagte zu 2) dafür eingesetzt, dass dieser vorab einen diplomatenpass erhält. die erklärung des prozessbevollmächtigten der beklagten im rahmen der mündlichen verhandlung, der beklagte zu 2) habe auf den kläger vertraut und die wirtschaftsmission abschließen wollen, ist angesichts des frühen stadiums, in dem sich diese nach den ausführungen der beklagten befand, der kurzen zeit der bekanntschaft zwischen den parteien und der völligen unüblichkeit eines derartigen vorgehens völlig unglaubhaft. 25es kommt für die frage der sittenwidrigkeit nicht darauf an, inwieweit die vergabe von diplomatentiteln im gegenzug gegen ein wirtschaftliches engagement in a ländern üblich ist. denn missbräuchliche praktiken, die sich in bestimmten kreisen herausgebildet haben, sind im rahmen des § 138 abs. 1 bgb nicht zu beachten (vgl. bgh, a.a.o.). schließlich geht der verweis der beklagten auf § 4 abs. 5 avvap fehl, wonach ein diplomatenpass für bestimmte reisen, die im amtlichen auftrag oder im besonderen deutschen interesse ausgeführt werden, ausgestellt werden kann. um die durchführung bestimmter reisen im auftrag oder im interesse der ab ging es bei der passvergabe an den kläger ersichtlich nicht. 26es kann weiterhin dahinstehen, ob das rechtsgeschäft bereits aufgrund seines objektiven inhalts sittenwidrig ist und es damit auf ein hinzukommen besonderer subjektiver merkmale nicht ankommt oder ob eine gesamtschau unter berücksichtigung der von den parteien verfolgten absichten und beweggründe vorzunehmen ist (vgl. beckok bgb/wendtland, 61. ed. 1.2.2022, bgb § 138 rn. 22, 23). solche subjektiven merkmale liegen nämlich zur überzeugung der kammer sowohl auf seiten des klägers als auch auf seiten des beklagten zu 2) als dem bestellten vertreter der beklagten zu 1) vor. dafür reicht es nach ständiger höchstrichterlicher rechtsprechung aus, dass die parteien jedenfalls die umstände, aus denen die sittenwidrigkeit folgt, kannten (vgl. bgh, urteil v. 05.10.1993 - xi zr 200/92, njw 1994, 187). 27sowohl der beklagte zu 2) – und damit auch die beklagte zu 1) als von ihm vertretene gesellschaft – als auch der kläger waren sich des umstands, dass es dem kläger auf die erlangung eines diplomatenstatus und der damit verbundenen annehmlichkeiten ankam und er hierfür bereit war, geld herzugeben. die kammer ist nach der informatorischen anhörung des klägers davon überzeugt, dass dieser entgegen seiner schriftsätzlichen behauptungen darüber hinaus auch mit vorsatz handelte, mithin die vereinbarung mit der beklagten zu 1) zum titelkauf in dem bewusstsein abschloss, dass es sich um ein verbotenes rechtsgeschäft handelte. der kläger gab nämlich an, dass das angebot zum kauf von diplomatenpässen „natürlich“ nicht direkt, sondern nur zwischen den zeilen auf der von ihm besuchten homepage angepriesen gewesen sei. dem kläger war danach zur überzeugung der kammer klar, dass derartige rechtsgeschäfte aufgrund ihrer illegalität nicht offen angepriesen werden können. soweit der kläger hierzu mit nachgelassenem schriftsatz vom 24.03.2022 erklärt hat, er habe damit auf die exklusivität des angebots abgestellt, ist das unglaubhaft. auf direkte nachfrage im termin reagierte der kläger nämlich ausweichend und auch seine schilderung zum versuchten einsatz des diplomatenpasses in wien spricht dafür, dass dem kläger die rechtswidrigkeit seines tuns bewusst war: statt nach dem misslungenen einleseversuch den pass schnell wegzustecken und den regulären pass vorzuzeigen hätte es, wenn der kläger gutgläubig gewesen wäre, näher gelegen, von einer etwaig fehlerhaften einlesung auszugehen und auf einen weiteren versuch zu bestehen. 28b) 29dem kläger steht kein rückforderungsanspruch nach bereicherungsrechtlichen grundsätzen gemäß §§ 812 ff. bgb zu, weil der anspruch gemäß § 817 s. 2 bgb ausgeschlossen ist. es liegt nach den obigen ausführungen unter lit. a) ein beidseitiger sittenverstoß vor. 30der kläger kann sich nicht auf die rückausnahme des § 817 s. 2 bgb berufen, wonach eine kondiktion möglich bleibt, wenn die leistung in der eingehung einer verbindlichkeit bestand. der kläger übersieht, dass nach § 817 s. 2 hs. 2 bgb das zur erfüllung einer solchen verbindlichkeit geleistete nicht zurückgefordert werden kann, er die zur erfüllung der vereinbarung vereinbarten geldmittel jedoch bereits geleistet hat. aus diesem grund ist auch die vom kläger in bezug genommene entscheidung des bgh vom 05.10.1993 (xi zr 200/92) insoweit nicht einschlägig, weil es darin um ein ohne rechtsgrund sicherungshalber begebenes wechselakzept ging. 31c) 32ein anspruch aus einer geschäftsführung ohne auftrag gemäß §§ 667, 681 s. 2, 677 bgb steht dem kläger ebenso wenig gegen die beklagten zu. 33dabei kann dahinstehen, ob auch diesbezüglich § 817 s. 2 bgb der anwendung entgegensteht, weil es jedenfalls am erforderlichen fremdgeschäftsführungswillen der beklagten fehlt. diese haben ein ausschließlich eigenes geschäft besorgt, weil sie lediglich ihre verpflichtung aus dem mit dem kläger geschlossenen vertrag erfüllen wollten. dem steht auch die nichtigkeit des vertrages nicht entgegen (vgl. olg koblenz, urteil v. 16.12.1998 – 7 u 124/98, njw 1999, 2904). 34d) 35der kläger hat gegen die beklagten auch keinen anspruch aus § 826 bgb, wonach derjenige, der einem anderen in einer gegen die guten sitten verstoßenden weise vorsätzlich schaden zufügt, zum ersatz des schadens verpflichtet ist. 36der anspruch ist bereits deswegen ausgeschlossen, weil dem kläger selbst ebenfalls ein sittenverstoß zur last fällt, indem er gelder zur erlangung des diplomatenstatus hergab (vgl. olg köln, urteil v. 14.12.1993 – 9 u 242/92, juris). dies steht nicht im widerspruch zum urteil des bgh vom 09.10.1991 (viii zr 19/91, juris), wonach grundsätzlich nicht schon bereits die grobe fahrlässigkeit des geschädigten die sittenwidrigkeit oder deren ursächlichkeit für den eingetretenen schaden entfallen lassen soll. dieser grundsatz gilt jedoch nicht uneingeschränkt, sondern der bgh lässt in der zitierten entscheidung hiervon im einzelfall explizit abweichungen zu. eine solche ist vorliegend allein schon aufgrund des vorsätzlichen handelns kläger selbst angezeigt. 37dabei ist zur überzeugung der kammer jedenfalls im vorliegenden fall nicht zwischen beträgen zu differenzieren, die die beklagten zur erfüllung der nichtigen verbindlichkeit an dritte etwaig weiterleiteten und solchen, die sie selbst behalten haben (offen gelassen von olg köln, a.a.o.). dem kläger, dem es nach eigener aussage lediglich auf die erlangung des diplomatenpasses ankam und der nach den obigen ausführungen hierfür bewusst rechtswidrig handelte, war die genaue verwendung der zur erreichung seines ziels hergegebenen geldbeträge ersichtlich gleichgültig. in diesem fall ist es auch nicht gerechtfertigt, zwischen dem verwendungszweck der einzelnen beträge zu differenzieren. 38e) 39schließlich steht dem kläger auch ein anspruch aus § 823 abs. 2 bgb i.v.m. § 263 stgb nicht zu. 40der anspruch ist wegen eines überwiegenden mitverschuldens des klägers an der schadenverursachung gemäß § 254 abs. 1 bgb ausgeschlossen. hierbei verkennt die kammer nicht, dass nach der höchstrichterlichen rechtsprechung der mitverschuldenseinwand ausscheidet, wenn dem geschädigten gegenüber einem vorsätzlich handelnden schädiger lediglich fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann (vgl. etwa bgh, urteil v. 09.10.1991 – viii zr 19/91, juris), wobei auch dieser grundsatz nicht uneingeschränkt gilt, sondern von den besonderen umständen des einzelfalles abhängig ist, um dem geschädigten keinen freibrief für jeden leichtsinn zu bieten (vgl. bgh, urteil v. 06.12.1983 – vi zr 60/82, njw 1984, 921).nach den obigen ausführungen geht die kammer vorliegend jedoch nicht lediglich von einem fahrlässigen, sondern einem vorsätzlichen verhalten des klägers aus. 41die umstände des vorliegenden falls rechtfertigen hiernach die annahme eines weit überwiegenden mitverschuldens des klägers. dieser hat in kenntnis der rechtswidrigkeit eines titelkaufs die vereinbarung mit der beklagtenseite geschlossen und die als gegenleistung verlangten geldmittel bereitwillig hingegeben, weil es ihm auf die erlangung der vorzüge des diplomatenstatus, namentlich eine bevorzugte behandlung bei check-ins oder beim zoll am flughafen ankam. es musste sich dem kläger danach zumindest aufdrängen, dass die verschaffung des begehrten diplomatenpasses entweder nur durch weitere zumindest sitten-, wenn nicht sogar rechtswidrige taten zu bewerkstelligen war oder ihm ein gefälschter pass angeboten würde, wovon die kammer im übrigen trotz der ausführungen der beklagten mit nachgelassenem schriftsatz vom 22.03.2022 weiterhin überzeugt ist. denn die erklärung, dass in älteren diplomatenpässen a staaten auch ausländer als angehörige des jeweiligen staats geführt worden seien, erklärt noch immer nicht den widerspruch zwischen den angaben im datenbereich und in der maschinenlesbaren zone des passes des klägers. 422. 43die geltend gemachten nebenforderungen – vorgerichtliche rechtsanwaltskosten und zinsen – teilen das schicksal der unbegründeten hauptforderung. 443. 45die prozessualen nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 abs. 1, 709 zpo. 46der streitwert wird auf 243.000,00 eur festgesetzt. 47rechtsbehelfsbelehrung: 48gegen die streitwertfestsetzung ist die beschwerde an das landgericht bonn statthaft, wenn der wert des beschwerdegegenstandes 200,00 eur übersteigt oder das landgericht die beschwerde zugelassen hat. die beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs monaten, nachdem die entscheidung in der hauptsache rechtskraft erlangt oder das verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem landgericht bonn, wilhelmstr. 21, 53111 bonn, schriftlich in deutscher sprache oder zur niederschrift des urkundsbeamten der geschäftsstelle einzulegen. die beschwerde kann auch zur niederschrift der geschäftsstelle eines jeden amtsgerichtes abgegeben werden. ist der streitwert später als einen monat vor ablauf dieser frist festgesetzt worden, so kann die beschwerde noch innerhalb eines monats nach zustellung oder formloser mitteilung des festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 49hinweis zum elektronischen rechtsverkehr: 50die einlegung ist auch durch übertragung eines elektronischen dokuments an die elektronische poststelle des gerichts möglich. das elektronische dokument muss für die bearbeitung durch das gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen signatur der verantwortenden person versehen sein oder von der verantwortenden person signiert und auf einem sicheren übermittlungsweg gemäß § 130a zpo nach näherer maßgabe der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (bgbl. 2017 i, s. 3803) eingereicht werden. auf die pflicht zur elektronischen einreichung durch professionelle einreicher/innen ab dem 01.01.2022 durch das gesetz zum ausbau des elektronischen rechtsverkehrs mit den gerichten vom 10. oktober 2013, das gesetz zur einführung der elektronischen akte in der justiz und zur weiteren förderung des elektronischen rechtsverkehrs vom 5. juli 2017 und das gesetz zum ausbau des elektronischen rechtsverkehrs mit den gerichten und zur änderung weiterer vorschriften vom 05.10.2021 wird hingewiesen. 51weitere informationen erhalten sie auf der internetseite www.justiz.de. 52
345,074
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17a K 7706/17.A
2022-04-01T00:00:00
Urteil
Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Der im Jahr 1999 in Mogadischu geborene Kläger ist somalischer Staatsangehöriger und gehört zur Volksgruppe der Reer Qalinshube. 3Er verließ nach eigenen Angaben am 5. Februar 2015 sein Heimatland und reiste zunächst nach Kenia, wo er sich ca. ein Jahr und sieben Monate lang aufhielt. Am 17. September 2016 reiste der Kläger in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 14. Oktober 2016 einen Asylantrag. 4Bei seiner Anhörung bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 12. Mai 2017 gab der Kläger an, Angehörige eines fremden Stammes (Hawar Gedir) haben ihn töten wollen, weil der Kläger ein Kind mit einem Mädchen dieses Stammes erwartet habe. Am 2. Februar 2015 hätten einige Stammesangehörige die Tante des Klägers aufgesucht und dieser mitgeteilt, dass sie den Kläger suchten, weil sie ihn töten wollten. Die Tante habe den Kläger darüber informiert und ihm empfohlen, nicht nach Hause zu kommen. Daraufhin habe sich der Kläger zunächst bei einem Freund aufgehalten, bevor er drei Tage später mithilfe eines Schleppers, den die Tante bezahlt habe, nach Kenia gereist sei. Da der Kläger in Kenia keine Lebensperspektive für sich gesehen habe, sei er schließlich von dort aus mit dem Flugzeug nach Deutschland gereist. Die Eltern und die Schwester des Klägers lebten noch in Mogadischu. 5Mit Bescheid vom 29. Mai 2017, zugestellt am 31. Mai 2017, lehnte das Bundesamt den Antrag des Klägers auf Asylanerkennung sowie auf Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzstatus ab. Es wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 S. 1 Aufenthaltsgesetz nicht vorliegen. Zudem wurde dem Kläger die Abschiebung nach Somalia innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung angedroht. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Wegen der Einzelheiten wird auf die Begründung des Bescheides Bezug genommen (Bl. 54 ff. BA Heft 1). 6Der Kläger hat am 13. Juni 2017 Klage erhoben, die er nicht begründet hat. 7Der Kläger beantragt, 8die Beklagte unter Aufhebung der Ziffern 1. sowie 3. bis 6. des Bescheides des Bundesamtes vom 29. Mai 2017 zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen, 9hilfsweise, 10ihm subsidiären Schutz im Sinne des § 4 AsylG zuzuerkennen, 11weiter hilfsweise 12festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 AufenthG vorliegen. 13Die Beklagte beantragt, 14die Klage abzuweisen. 15Zur Begründung bezieht sie sich auf den angefochtenen Bescheid. 16Das Gericht hat den Rechtsstreit zunächst mit Beschluss vom 13. August 2019 auf den Einzelrichter übertragen und mit Beschluss vom 23. Februar 2022 hat die Einzelrichterin das Verfahren wegen einer wesentlichen Änderung der Prozesslage nach Anhörung der Beteiligten zurück auf die Kammer übertragen. 17Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte einschließlich des Sitzungsprotokolls und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen. 18Entscheidungsgründe: 19Die Verpflichtungsklage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 29. Mai 2017 erweist sich im nach § 77 Abs. 1 S. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die mit der Klage geltend gemachte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (I.), des subsidiären Schutzes (II.) oder auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes (III. und IV.). 20I. 21Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG. Nach dieser Bestimmung ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (Genfer Flüchtlingskonvention - GK -), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - zur Definition dieser Begriffe vgl. § 3 Abs. 1, § 3a Abs. 1 Nr. 1 und 2; Abs. 2 sowie § 3 b Abs. 1 AsylG - außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. 22Gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 und 2 AsylG gelten Handlungen als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen (Nr. 1) oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Nach § 3a Abs. 2 Nr. 1 AsylG kann als eine solche Verfolgung insbesondere die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt gelten. Gemäß § 3c AsylG kann die Verfolgung außer vom Staat auch von Parteien oder Organisationen ausgehen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in § 3c Nummern 1 und 2 AsylG genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. 23Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die genannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. 24Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12-, juris. 25Der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann. 26Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 -10 C 23.12-, juris, m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 -10 C 5.09-, juris, OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 - 8 A 4063/06.A -, juris. 27Die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits in seinem Herkunftsland verfolgt wurde bzw. von solcher Verfolgung unmittelbar bedroht war, ist dabei ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, er werde erneut von solcher Verfolgung bedroht, 28vgl. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 (Qualifikationsrichtlinie). 29Die die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG und § 60 Abs. 1 AufenthG begründenden Tatsachen müssen zur vollen Überzeugung des Gerichts nachgewiesen werden. Für den Nachweis des individuellen Schicksals in der Heimat, aus dem der Asylbewerber seine Furcht vor politischer Verfolgung herleitet, genügt wegen der häufig bestehenden sachtypischen Beweisschwierigkeiten in der Regel eine Glaubhaftmachung. 30Der Schutzsuchende ist gehalten, seine Gründe für das Vorliegen einer politischen Verfolgung schlüssig mit genauen Einzelheiten vorzutragen. 31Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Oktober 2001 – 1 B 24/01 –, juris Rn. 5; OVG NRW, Urteil vom 29. Oktober 2020 – 9 A 1980/17.A –, juris Rn. 36. 32Gemessen an diesen Anforderungen hat der Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Es ist weder feststellbar, dass der Kläger vorverfolgt aus Somalia ausgereist ist (1.), noch dass ihm heute mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bei einer unterstellten Rückkehr nach Somalia Verfolgung droht (2.). 331. 34Eine Vorverfolgung durch die somalische Regierung oder die Al-Shabaab-Miliz hat der Kläger weder vorgetragen, noch ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass eine solche stattfindet. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, Angehörige der Al-Shabaab hätten möglicherweise seine Mutter getötet und seinen Vater entführt, handelt es sich dabei um bloße Mutmaßungen des Klägers bzw. um angebliche Angaben der Angehörigen des Stammes Hawar Gedir, die diese gegenüber Nachbarn des Klägers getätigt haben sollen. Zudem hat der Kläger nicht angegeben, dass er selbst auch von Al-Shabaab bedroht oder angegriffen worden sei. Im Übrigen sind die Angaben des Klägers über das angebliche Schicksal seiner Eltern als gesteigertes Vorbringen unglaubhaft. Der Kläger hat diese von ihm erstmals in der mündlichen Verhandlung geschilderten Ereignisse bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt mit keinem Wort erwähnt. Seiner insoweit abgegebenen Erklärung, er habe den Dolmetscher nicht richtig verstanden, und ihm sei geraten worden, nur das anzugeben, was ihm persönlich passiert sei, schenkt das Gericht keinen Glauben. Es wertet diese Behauptung als vorgeschoben, die den einzigen Zweck verfolgt, seinem Klagebegehren zum Erfolg zu verhelfen. Wären die Eltern des Klägers wie von ihm behauptet tatsächlich kurz vor seiner Ausreise aus Somalia verstorben bzw. entführt worden, wäre zu erwarten gewesen, dass der Kläger diesen für die Flüchtlingseigenschaft ersichtlich relevanten Umstand im Rahmen seiner Anhörung beim Bundesamt mitgeteilt hätte. Dort hat er dies jedoch nicht erwähnt, obwohl er konkret befragt worden ist, ob er Verwandte im Heimatland habe. Auch bei seiner Schilderung, dass er und seine Familie in Mogadischu davon gelebt hätten, dass er von seiner Mutter zubereitetes Essen verkauft habe, hätte es sich aufgedrängt zu berichten, dass seine Mutter kurz vor der Ausreise verstorben sei. Dem Kläger wurde die beim Bundesamt verfasste Niederschrift rückübersetzt und er hat dabei eine Korrektur beim Namen seiner Tante vorgenommen, was die Annahme von Verständigungsschwierigkeiten unwahrscheinlich erscheinen lässt. Zudem hat der Kläger bestätigt, dass er ausreichend Gelegenheit gehabt habe, zu seinen Asylgründen vorzutragen. Der Umstand, dass der Kläger überdies weder mit der Klageerhebung im Juni 2017 noch im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens, sondern erstmalig in der mündlichen Verhandlung ungefragt von sich aus Verständigungsschwierigkeiten und Ungereimtheiten bei der Anhörung geltend machte, bekräftigt die Annahme, dass die Angaben des Klägers zu seiner Familie in Mogadischu nicht der Wahrheit entsprechen. 35Im oben dargestellten Sinne kommt nach dem Vortrag des Klägers mithin allein eine mögliche Verfolgung durch die Angehörigen des Stammes der Hawar Gedir in Betracht. Diese hätten den Kläger mit dem Tod bedroht, weil er mit einer Angehörigen dieses Stammes ein Kind gezeugt habe. Die Richtigkeit dieses Vortrags unterstellt, ergibt sich daraus kein asylrechtlich relevantes Anknüpfungsmerkmal im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG. Als solches kommt allenfalls die Stammeszugehörigkeit des Klägers in Betracht, was Verfolgungsfurcht wegen Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG begründen könnte. Dies bedarf aber keiner abschließenden Entscheidung, da der Kläger nach seinem Vortrag nicht aufgrund seiner Stammeszugehörigkeit bedroht worden ist, sondern weil er mit einem Mädchen eines anderen Stammes ein Kind gezeugt hat. Es handelt sich daher um eine private Streitigkeit zwischen zwei Familien. Insoweit schließt sich die Kammer den Ausführungen auf Seite 4 des streitgegenständlichen Bescheides vom 29. Mai 2017 an, § 77 Abs. 2 AsylG. 362. 37Der Kläger hat auch bei einer Rückkehr nach Somalia nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine asylrechtlich erhebliche Verfolgung zu befürchten. Aus den vorstehend unter 1. genannten Gründen knüpften ihm etwaig durch die Hawar Gedir drohende Verfolgungshandlungen nicht an flüchtlingsschutzrelevante Merkmale in der Person des Klägers an. Im Übrigen erscheint es auch fernliegend, dass der Kläger, der nunmehr sieben Jahre im Ausland gelebt hat, bei einer Rückkehr nach Mogadischu noch Repressionen durch den Stamm der Hawar Gedir zu befürchten hätte. 38Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Mogadischu einer gezielten Verfolgung durch den somalischen Staat oder die Al-Shabaab-Miliz ausgesetzt wäre, ergeben sich ebenfalls nicht. 39Die somalische Regierung hat keine flächendeckende effektive Kontrolle über das Staatsgebiet und auf der Grundlage des klägerischen Vortrags auch kein Verfolgungsinteresse an seiner Person. 40Die Al-Shabaab-Miliz, die in Süd- und Zentralsomalia noch Teile des Landes kontrolliert, ist durch die Anstrengungen der AMISOM-Intervention und der Regierungstruppen aus den meisten größeren Städten und insbesondere aus dem Großraum Mogadischu so weit vertrieben worden, dass sie dort keine Gebiete mehr kontrolliert, sondern zu einer „asymmetrischen Kriegsführung“, bzw. zu Terroranschlägen gegen militärische und sonstige Sicherheitseinrichtungen übergegangen ist. Bestimmte Personengruppen sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt, Opfer eines Anschlags der Al-Shabaab zu werden. Die betroffenen Personen weisen die Gemeinsamkeit auf, dass sie die somalische Regierung unterstützen. Hierzu gehören Angehörige der Sicherheitskräfte, Regierungsmitglieder und regierungsnahe Politiker, Regierungs- und Verwaltungsangestellte, Richter, Mitarbeiter von UN-Organisationen sowie von nationalen und internationalen Nichtregierungsorganisationen einschließlich Mitarbeiter humanitärer Organisationen und Angehörige diplomatischer Missionen, aber auch Akteure der Zivilgesellschaft, Clanälteste, Journalisten oder Geschäftsleute. Die Al-Shabaab-Miliz sieht es nicht gezielt auf Zivilisten ab, nimmt insoweit aber Opfer in Kauf. 41Vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl – Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Somalia – vom 17. September 2019, S. 19; Britisches Home Office: Country Information and Guidance; South and Central Somalia: Fear of Al-Shabaab, Stand März 2016 und Country Information and Guidance; Somalia: Security and humanitarian situation in south and central Somalia, Stand Juli 2016; Karte “Somalia - Areas of Influence as of December 2015”, abgedruckt in: EASO Country of Origin Information report - Somalia: Security Situation, Februar 2016; BayVGH, Urteil vom 27. März 2018 – 20 B 17.31663 –, juris Rn. 36 und Urteil vom 12. Juli 2018 – 20 B 17.31660 –, juris Rn. 28; Hess VGH, Urteil vom 1. August 2019 – 4 A 2334/18.A –, juris Rn. 45 m.w.N. 42Diese Bewertung gilt auch angesichts der im Jahr 2017, Mitte Juli 2019, Dezember 2019 und August 2020 verübten schweren Bombenattentate in Mogadischu und Kismayo. Auch hier waren die Zielobjekte überwiegend Hotels, die bevorzugt durch Ausländer und Regierungsmitglieder frequentiert werden. 43Vgl. z.B. FAZ vom 16. Oktober 2017, „Mehr als 230 Tote bei Anschlag in Mogadischu“; NZZ vom 13.07.2019: Anschlag auf Hotel in Somalia beendet - mindestens 29 Tote; BBC vom 14. Juli 2019 Afgooye, Somalia„Kismayo Attack: At least 26 dead as gunmen storm Somali hotel“; vgl. auch HessVGH, Urteil vom 1. August 2019 – 4 A 2334/18.A –, juris Rn. 45 ff.; BayVGH, Urteil vom 27. März 2018 – 20 B 17.31663 –, juris Rn. 36. 44Da der Kläger nicht zu einer der „exponierten“ Gruppen der somalischen Bevölkerung gehört, ist hiernach nicht beachtlich wahrscheinlich, dass er im Fall einer Rückkehr Repressionen durch die Al-Shabaab-Miliz ausgesetzt wäre. 45Das allgemeine Risiko, als „gewöhnlicher Zivilist“ (zufällig) Opfer eines Terroranschlags zu werden, reicht nicht aus, um von einer gezielten politischen Verfolgung im Sinne der §§ 3 ff. AsylG auszugehen. 46Schließlich ergibt sich auch unter dem Gesichtspunkt einer gewaltsamen Zwangsrekrutierung des Klägers durch die Al-Shabaab-Milz keine flüchtlingsrelevante Verfolgung. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass eine mögliche Zwangsrekrutierung durch die Al-Shabaab gezielt gegen den Kläger aufgrund eines ihm zugeordneten flüchtlingsrelevanten Merkmals im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG drohen könnte. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass Al-Shabaab in der Vergangenheit wahllos Zwangsrekrutierungsversuche unternommen hat und unterschiedslos insbesondere junge Menschen rekrutiert hat. 47VG Düsseldorf, Urteil vom 7. Oktober 2021 – 29 K 1915/19. A –, S. 13 f.; VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 3. März 2020 – 2 K 1198/13. A –, juris Rn. 17. 48Zudem entsprechen solche Zwangsrekrutierungen inzwischen auch nicht mehr dem modus operandi der Al-Shabaab. Aus jüngerer Zeit sind keine oder kaum Meldungen über solche Rekrutierungen bekannt. 49OVG Lüneburg, Urteil vom 5. Dezember 2017 – 4 LB 51/16 –, juris Rn. 44. Vgl. für Mogadischu BayVGH, Urteile vom 27. März 2018 – 20 B 17.31663 –, juris Rn. 18, 24 und 31 und vom 12. Juli 2018 – 20 B 17.31660 –, juris Rn. 28; HessVGH, Urteil vom 1. August 2019 – 4 A 2334/18.A –, juris Rn. 31; VG Halle (Saale), Urteil vom 21. Februar 2019 – 4 A 58/17 –, juris Rn. 49. 50II. 51Der Kläger kann auch keinen subsidiären Schutz (§ 4 Abs. 1 AsylG) beanspruchen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gelten dabei gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). Dies ist bei dem Kläger nicht der Fall. 52Die für den Fall, dass der jeweilige Antragsteller bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat, eingreifende Beweiserleichterung in Gestalt einer widerleglichen tatsächlichen Vermutung setzt auch im Rahmen des subsidiären Schutzes voraus, dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem vor der Ausreise erlittenen oder damals unmittelbar drohenden Schaden (Vorschädigung) und dem befürchteten künftigen Schaden besteht. Denn die der Vorschrift zugrundeliegende Wiederholungsvermutung beruht auf der Vorstellung, dass eine Verfolgungs- oder Schadenswiederholung - bei gleichbleibender Ausgangssituation - aus tatsächlichen Gründen naheliegt. 53BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, BVerwGE 136, 360 Rn. 31; Urteil vom 17. November 2011 - 10 C 13.10 -, NVwZ 2012, 454 Rn. 21; BVerwG, Beschluss vom 15. August 2017 – 1 B 123/17, juris Rn. 8; OVG Niedersachsen, Urteil vom 5. Dezember 2017 - 4 LB 50/16 -, juris Rn. 32; Bayerischer VGH, Urteil vom 26. April 2018 - 20 B 17.30947 -, juris Rn. 18. 54Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. 55Die Gefahr eines ernsthaften Schadens durch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht ihm nicht in Bezug auf eine Bestrafungsgefahr seitens des Stammes der Hawar Gedir (nachfolgend 1.). Ein ernsthafter Schaden droht auch weder angesichts der wirtschaftlichen Lage in Somalia (nachfolgend 2.), noch aufgrund einer Bedrohung im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (nachfolgend 3.). 561. 57Soweit der Kläger anführt, Repressionen seitens des Stammes der Hawar Gedir zu befürchten, führt dies nicht zur Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus. Zwar will der Kläger bereits vor seiner Ausreise aus Somalia von diesem Stamm bedroht und angegriffen worden sein. Dies vermag die Beweiserleichterungen des Art.4 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU gleichwohl nicht zu begründen. Dies folgt ungeachtet der Glaubhaftigkeit seiner völlig vagen Angaben und der Frage, ob der Stamm der Hawar Gedir ein tauglicher Akteur im Sinne von § 3c AsylG ist, daraus, dass es fernliegend erscheint, dass der Kläger im Fall einer Rückkehr nach Somalia nach über 7 Jahren noch Repressionen seitens der Familie des Mädchens zu befürchten hätte. Es liegen keine zureichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass diese auch heute noch ein Interesse an dem Kläger hätten. Auch vor dem Hintergrund einer mit der langen Abwesenheit des bei seiner Flucht 16-jährigen Klägers wahrscheinlich einhergehenden äußerlichen Veränderung aufgrund des natürlichen Alterungsprozesses liegt es nahe, dass die Familie des Mädchens den Kläger bereits nicht mehr wiedererkennen würde. 582. 59Dem Kläger ist der subsidiäre Schutzstatus fernerhin nicht aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage in Somalia, insbesondere in seiner Heimatstadt Mogadischu, zuzuerkennen. Denn unabhängig davon, ob die humanitären Bedingungen für den Kläger in seinem Heimatstaat eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen (dazu sogleich unter III.), ist diese Situation keinem Akteur im Sinne des § 3c AsylG zuzurechnen, was gemäß § 4 Abs. 3 AsylG Voraussetzung wäre. 60Zwar ist die Gefahr, bei einer Rückkehr nach Somalia wegen schlechter humanitärer Bedingungen zu Schaden zu kommen, nicht alleine auf generelle Armut oder fehlende staatliche Mittel zurückzuführen, sondern sie geht überwiegend auf direkte oder indirekte Aktionen der am Konflikt in Somalia beteiligten Akteure zurück. 61BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, juris Rn. 25; OVG Niedersachsen, Urteil vom 5. Dezember 2017 - 4 LB 50/16 -, juris Rn. 70. 62Dies reicht aber für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, dass die schlechten humanitären Bedingungen zielgerichtet von einem Akteur gemäß § 3c AsylG hervorgerufen oder jedenfalls wesentlich verstärkt werden. 63BVerwG, Beschluss vom 13. Februar 2019 - 1 B 2.19 -, juris Rn. 13; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Oktober 2018 - A 11 S 316/17 -, juris Rn. 54 ff., insbesondere Rn. 77 bis 79. 64Dass die gegenwärtigen humanitären Bedingungen in Somalia bewusst von einer der an dem Konflikt beteiligten Parteien bzw. einem Akteur im Sinne des § 3c AsylG hervorgerufen oder gefördert worden wären, lässt sich nicht feststellen. 65BVerwG, Urteil vom 20. Mai 2020 – 1 C 11/19 –, juris Rn. 9; OVG Lüneburg, Urteil vom 25. Februar 2021 – 4 LA 212/19 –, juris Rn. 9f.. 663. 67Ein Anspruch des Klägers auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus resultiert schließlich nicht daraus, dass er als Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG) ausgesetzt wäre. 68Ob in diesem Zusammenhang in der somalischen Hauptstadt Mogadischu weiterhin ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt besteht, 69so anscheinend bejahend BVerwG, Urteil vom 20. Mai 2020 – 1 C 11/19 –, juris Rn. 19 a.E.; so wohl auch BayVGH, Urteil vom 12. Juli 2018 – 20 B 17.31660 –, juris Rn. 19; offen lassend hingegen BayVGH, Urteil vom 27. März 2017 – 20 B 17.31663; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16. Dezember 2015 – 10 A 10689/15 –, juris Rn. 35; HessVGH, Urteil vom 1. August 2019 – 4 A 2334/18.A –, juris Rn. 38, 70kann dahinstehen, da der Kläger als Zivilperson aufgrund der gegenwärtigen Konfliktlage jedenfalls keiner ernsthaften, individuellen Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt ist. 71Für eine ernsthafte individuelle Bedrohung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr.3 AsylG genügt es nicht, wenn der innerstaatliche bewaffnete Konflikt zu permanenten Gefährdungen der Bevölkerung und zu schweren Menschenrechtsverletzungen führt. 72BVerwG, Urteil vom 13. Februar 2014 - 10 C 6.13 -, juris Rn. 24; OVG Niedersachsen, Urteil vom 5. Dezember 2017 - 4 LB 50/16 - juris Rn. 38; Bayerischer VGH, Urteil vom 27. März 2018 - 20 B 17.31663 -, juris Rn. 26. 73Gleichwohl kann sich eine von einem bewaffneten Konflikt ausgehende allgemeine Gefahr individuell verdichten und damit die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG erfüllen. 74BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 -, juris Rn. 34; HessVGH, Urteil vom 1. August 2019 – 4 A 2334/18.A –, juris Rn. 39; OVG Niedersachsen, Urteil vom 5. Dezember 2017 - 4 LB 50/16 - juris Rn. 38; Bayerischer VGH, Urteil vom 27. März 2018 - 20 B 17.31663 -, juris Rn. 26. 75Demnach sind in jedem Fall Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt in dem betreffenden Gebiet zu treffen. Liegen in der Person des jeweiligen Antragstellers keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist für ein Schutzbedürfnis ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich. Liegen hingegen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. 76BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, juris Rn. 33; HessVGH, Urteil vom 1. August 2019 – 4 A 2334/18.A –, juris Rn. 39; OVG Niedersachsen, Urteil vom 5. Dezember 2017 - 4 LB 50/16 -, juris Rn. 38; Bayerischer VGH, Urteil vom 27. März 2018 - 20 B 17.31663 -, juris Rn. 27. 77Zu diesen persönlichen Umständen gehören solche Aspekte, die den jeweiligen Antragsteller von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen - z.B. als Arzt oder Journalist - gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Daneben können aber auch Umstände ausschlaggebend sein, aufgrund derer der jeweilige Antragsteller als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt ist. 78BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, juris Rn. 33; OVG Niedersachsen, Urteil vom 5. Dezember 2017 - 4 LB 50/16 -, juris Rn. 38. 79Auch im Fall gefahrerhöhender persönlicher Umstände muss aber ein hohes Niveau willkürlicher Gewalt bzw. eine hohe Gefahrendichte für die Zivilbevölkerung in dem fraglichen Gebiet festgestellt werden. Allein das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts und die Feststellung eines gefahrerhöhenden Umstandes in der Person des Antragstellers reichen hierfür nicht aus. Dabei kann eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, für das Vorliegen einer „ernsthaften individuellen Bedrohung“ herangezogen werden. 80Vgl. EuGH, Urteil vom 10. Juni 2021 – C-901/19 –, juris. 81Wenn die tatsächlichen Opfer der Gewaltakte, die von den Konfliktparteien gegen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit der in der betreffenden Region lebenden Zivilpersonen verübt werden, einen hohen Anteil an deren Gesamtzahl ausmachen, ist nämlich der Schluss zulässig, dass es in der Zukunft weitere zivile Opfer in der Region geben könnte. Eine solche Feststellung könnte somit belegen, dass eine ernsthafte Bedrohung im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95 gegeben ist. Andererseits kann jedoch diese Feststellung nicht das einzige ausschlaggebende Kriterium für die Feststellung einer „ernsthaften individuellen Bedrohung“ sein. Insbesondere kann das Fehlen einer solchen Feststellung für sich genommen nicht ausreichen, um systematisch und unter allen Umständen die Gefahr einer solchen Bedrohung im Sinne dieser Bestimmung auszuschließen und um damit automatisch und ausnahmslos zu einem Ausschluss des subsidiären Schutzes zu führen. Um festzustellen, ob eine „ernsthafte individuelle Bedrohung“ vorliegt, ist daher eine umfassende Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls, insbesondere derjenigen, die die Situation des Herkunftslands des Antragstellers kennzeichnen, erforderlich. Hierfür können insbesondere die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Organisationsgrad der beteiligten Streitkräfte und die Dauer des Konflikts als Faktoren berücksichtigt werden. Ferner können andere Gesichtspunkte, etwa das geographische Ausmaß der Lage willkürlicher Gewalt, der tatsächliche Zielort des Antragstellers bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder Gebiet und die Aggression der Konfliktparteien gegen Zivilpersonen, die eventuell mit Absicht erfolgt. 82Vgl. EuGH, Urteil vom 10. Juni 2021 – C-901/19 –, juris Rn. 32 ff. 83Hinsichtlich der anzustellenden Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweit herrschenden Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Antragstellers bei einer Rückkehr abzustellen, wobei als Zielort der Abschiebung in der Regel die Herkunftsregion anzusehen ist, in die der Betreffende typischerweise zurückkehren wird. 84BVerwG, Urteil vom 20. Mai 2020 - 1 C 11.19 -, juris Rn. 17; OVG Niedersachsen, Urteil vom 5. Dezember 2017 - 4 LB 50/16 -, juris Rn. 39; Bayerischer VGH, Urteil vom 27. März 2018 - 20 B 17.31663 -, juris Rn. 28. 85Dies ist bei dem Kläger Mogadischu, da er dort zuletzt gelebt hat und somit zu erwarten wäre, dass er auch dorthin zurückkehren würde. 86Gemessen an den vorgenannten Kriterien fehlt es jedoch an einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Klägers bei einer Rückkehr nach Mogadischu. 87Gefahrerhöhende persönliche Umstände, die ihn wegen persönlicher Merkmale einem besonderen Sicherheitsrisiko aussetzen könnten, liegen nicht vor. Der Kläger gehört keiner Risikogruppe an. 88Gefahrerhöhende Umstände ergeben sich nicht bereits aus seiner Situation als Rückkehrer nach einem Auslandsaufenthalt. Zwar sieht die Al-Shabaab Rückkehrer aus westlichen Ländern möglicherweise als Spione der Regierungstruppen an; da sie aber in den unter der Kontrolle der Regierung stehenden Gebieten wie in Mogadischu nicht mehr frei agieren kann und angesichts der Zahl von rückkehrenden Personen, u.a. auch Binnenvertriebenen und Flüchtlingen aus Kenia, kann allein die Rückkehr aus dem Ausland nicht als gefahrerhöhende Moment angesehen werden. 89So auch BayVGH, Urteile vom 27. März 2018 – 20 B 17.31663 –, juris Rn. 31 und vom 17. Juli 2018 – 20 B 17.31659 –, juris Rn. 23 und OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16. Dezember 2015 – 10 A 10689/15 – juris Rn. 41; OVG Lüneburg, Urteil vom 5. Dezember 2017 – 4 LB 50/16 –, juris. 90Auch die Gefahr einer Zwangsrekrutierung durch die Al-Shabaab-Miliz besteht, wie bereits ausgeführt, nicht. 91Es lässt sich schließlich nicht feststellen, dass die allgemeine Lage in Mogadischu so gefährlich ist, dass sie sich unabhängig von persönlichen Merkmalen gegenüber jeder Zivilperson individualisiert. Eine genaue Bewertung der Gefahrendichte erscheint aufgrund einer fehlenden zuverlässigen Datenlage in Somalia kaum verlässlich möglich. Die vorliegenden Daten begründen die erforderliche Gefahrendichte nicht. Die Kammer folgt insoweit den umfassenden Ausführungen des BayVGH im Urteil vom 12. Juli 2018 – 20 B 17.31660, juris, Rn. 26 ff. und nimmt hierauf Bezug. 92So auch BayVGH, Beschluss vom 30. Januar 2017 – 20 ZB 16.30685 – und Urteile vom 27. März 2018 – 20 B 17.31663 – und 12. Juli 2018 – 20 B 17.31660 –, jeweils juris; VG Aachen, Urteil vom 17. Februar 2017 – 7 K 3281/16.A; VG Wiesbaden, Urteile vom 16. Mai 2018 –7 K 1600/17.WI.A und 14. März 2019 – 7 K 1139/17 – und OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16. Dezember 2015 – 10 A 10689/15 – und HessVGH, Urteil vom 1. August 2019 – 4 A 2334/18.A –. Offen lassend BVerwG, Urteil vom 20. Mai 2020 – 1 C 11/19 –, juris. 93Aktuelle Erkenntnisse, die eine andere Bewertung gebieten würden, liegen nicht vor. Nach wie vor finden in fast allen Regionen Somalias südlich von Puntland regelmäßig örtlich begrenzte Kampfhandlungen zwischen AMISOM bzw. somalischen Sicherheitskräften und Al Shabaab statt. Für 2019 sind insgesamt 1.459 zivile Opfer (591 Getötete, 868 Verletzte) dokumentiert. Von Januar 2020 bis August 2020 gab es fast 600 zivile Opfer. Im Dezember 2019 wurden bei einem Sprengstoffattentat von Al-Shabaab in Mogadischu mehr als 90 Menschen getötet, nachdem dem bislang verheerendsten Anschlag am 14. Oktober 2017 in Mogadischu mindestens 587 Menschen zum Opfer gefallen waren. Insgesamt hat sich die Zahl der getöteten Zivilistinnen und Zivilisten allerdings seit 2017 etwa halbiert und ging die Zahl der Verletzten geringfügig zurück. 94Vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 18. April 2021, Ziff. 2.4, „Bürgerkriegsgebiete“, S. 18 f.; vgl. zum Gewaltniveau in Mogadischu auch VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 26. Februar 2021 – 2 K 2258/16.A -, juris, Rn. 59 f.; ACCORD - Themendossier in Somalia: Sicherheitslage, 14. April 2020. 95Auch ungeachtet einer quantitativen Bewertung ergibt sich bei wertender Gesamtbetrachtung des vorliegenden Erkenntnismaterials für Mogadischu keine derart unsichere Situation, dass jede Person allein aufgrund ihrer bloßen Anwesenheit einer erheblichen Gefahr für Leib bzw. Leben ausgesetzt ist und mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, Opfer willkürlicher Gewalt zu werden. 96So auch Hess VGH, Urteil vom 1. August 2019 – 4 A 2334/18.A -, juris, Rn. 47. 97III. 98Die Voraussetzungen von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK liegen ebenfalls nicht vor. 99Danach darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Nach Art. 3 EMRK ergibt sich die Verpflichtung, einen Ausländer nicht abzuschieben, wenn er für diesen Fall tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Bei Verneinung sowohl der Voraussetzungen des Flüchtlingsstatus (vgl. § 3a Abs. 2 AsylG) als auch des subsidiären Schutzes (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) scheidet in der Regel aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus. Als Auffangtatbestand kommt § 60 Abs. 5 AufenthG nur dann in Betracht, wenn die unmenschliche oder erniedrigende Behandlung keinem der Akteure im Sinne von § 3c AsylG (i. V. m. § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG) zugeordnet werden kann. 100Der Schutz vor unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Aufnahmeland umfasst jedoch nicht das Recht auf Verbleib in einem Konventionsstaat, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht allein nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen. Die sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnisse im Bestimmungsland sind hingegen nicht notwendig für die Frage bedeutend und erst recht nicht dafür entscheidend, ob der Betroffene in diesem Gebiet wirklich der Gefahr einer Misshandlung unter Verstoß gegen Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Denn die Konvention zielt hauptsächlich darauf ab, bürgerliche und politische Rechte zu schützen. Die grundlegende Bedeutung von Art. 3 EMRK macht aber eine gewisse Flexibilität erforderlich, um in sehr ungewöhnlichen Fällen eine Abschiebung zu verhindern. In ganz außergewöhnlichen Fällen können daher auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen die Aufenthaltsbeendigung zwingend sind. 101Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Mai 2020 - 1 C 11.19 -, NVwZ 2021, 327, juris, Rn. 10, und Beschluss vom 13. Februar 2019 - 1 B 2.19 -, juris, Rn. 6, 10; OVG NRW, Urteile vom 25. Mai 2021 – 19 A 635/20.A –, juris Rn. 12, vom 24. März 2020 – 19 A 4604/19.A –, Rn. 32 f., und vom 18. Juni 2019 - 13 A 3930/18.A -, juris, Rn. 111, 289 m. w. N. 102Eine Verletzung des Art. 3 EMRK kommt daher in besonderen Ausnahmefällen auch bei "nichtstaatlichen" Gefahren aufgrund prekärer Lebensbedingungen in Betracht, bei denen ein "verfolgungsmächtiger Akteur" (§ 3c AsylG) fehlt, wenn die humanitären Gründe gegen die Aufenthaltsbeendigung "zwingend" sind mit Blick auf die allgemeine wirtschaftliche Lage und die Versorgungslage betreffend Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung. Die einem Ausländer im Zielstaat drohenden Gefahren müssen hierfür jedenfalls ein "Mindestmaß an Schwere" (minimum level of severity) aufweisen; es kann erreicht sein, wenn er seinen existentiellen Lebensunterhalt nicht sichern kann, kein Obdach findet oder keinen Zugang zu einer medizinischen Basisbehandlung erhält. Das wirtschaftliche Existenzminimum des Ausländers muss unter Berücksichtigung sowohl der allgemeinen Lebensverhältnisse vor Ort als auch seiner persönlichen Umstände gewährleistet sein. Erforderlich, aber auch ausreichend hierfür ist die Sicherung der Existenz auf einem Mindestniveau, das eine Verletzung des Art. 3 EMRK vermeidet. 103Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Februar 2021 - 1 C 4.20 -, Rn. 27 ff., 33 ff., 65, 67, Beschluss vom 22. September 2020 - 1 B 39.20 -, juris, Rn. 6, und Urteil vom 4. Juli 2019 - 1 C 45.18 -, BVerwGE 166, 113, juris, Rn. 12 m. w. N. aus der Rechtsprechung von EuGH und EGMR; OVG NRW, Urteil vom 25. Mai 2021 – 19 A 635/20.A –, juris Rn. 14 ff. 104So liegt der Fall hier. 105Es ist davon auszugehen, dass der Kläger sich im Falle einer Rückkehr nach Somalia ein Leben am Rande des Existenzminimums sichern kann. 106Dabei ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unter Verweis auf die Rechtsprechung des EGMR für die Prüfung der maßgeblichen Umstände grundsätzlich auf den gesamten Zielstaat abzustellen und zunächst der Ort in den Blick zu nehmen, an dem die Abschiebung endet. 107Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15/12 –, juris, Rn. 26; BayVGH Urteil vom 17. Juli 2018 – 20 B 17.31659 –, juris Rn. 36. 108Dies ist vorliegend Mogadischu, da die Abschiebung dort aller Voraussicht nach enden würde, weil nur die Hauptstadt mit Linienflügen direkt angeflogen werden kann. Im Ergebnis hat jedoch die Prüfung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK unter Berücksichtigung aller Möglichkeiten der Wohnsitznahme in Somalia zu erfolgen. Vorrang hat nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Prüfung, ob eine derartige Gefahr bei einer Niederlassung am Endpunkt der Abschiebung, also in Mogadischu, besteht. Anschließend ist zu prüfen, ob eine Niederlassung des Klägers an seinem Herkunftsort möglich ist und ob er diesen zumutbar erreichen kann. Schließlich wäre noch zu prüfen, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative an einem anderen Ort in Somalia bzw. deren Erreichbarkeit vorliegt. 109Da der Kläger aus Mogadischu stammt und im Falle einer Rückkehr nach Somalia zu erwarten wäre, dass der Kläger auch dorthin zurückgeht, ist auf Mogadischu abzustellen. 110Nach der Auskunftslage sind allerdings die Möglichkeiten von Personen ohne verwandtschaftliche oder Clanverbindungen nach Mogadischu, dort ihren Lebensunterhalt zu verdienen, sehr begrenzt. 111Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 18. April 2021 (S. 22), wonach die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln in weiten Landesteilen Somalias nicht gewährleistet ist. Es gibt keinen sozialen Wohnraum oder Sozialhilfe. Nur die erweiterte Familie inklusive des Sub-Clans oder Clans dient als soziales Sicherungsnetz und bietet oftmals zumindest einen rudimentären Schutz. Vgl. auch BayVGH, Urteil vom 17. Juli 2018 – 20 B 17.31659 –, juris mit weiteren Nachweisen; HessVGH Urteil vom 1. August 2019 – 4 A 2334/18. A –; OVG Lüneburg, Urteil vom 5. Dezember 2017 – 4 LB 50/16 –; VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 22. August 2018 – 2 K 1811/15.A –, jeweils juris. 112Das Norwegische Landinfo führt in seinem „Report: Relevant social and economic conditions upon return to Magadishu“ vom 1. April 2016 aus, dass Haupteinnahmequelle der Bevölkerung Mogadischus die Arbeit als Tagelöhner sei, daneben würden aber auch Hilfeleistungen von Hilfsorganisationen und Überweisungen aus dem Ausland bezogen. Arbeitgeber würden freie Stellen nicht inserieren, sondern vergäben die Jobs an Personen, die ihnen durch Familie, Clanmitgliedschaft oder Bekanntschaft als vertrauenswürdig erschienen. Tagelöhner fänden sich auf dem Bakara Markt ein. Ein ungelernter Arbeiter könne mit körperlicher Arbeit normalerweise 200 US-Dollar im Monat verdienen. Nach der Einschätzung eines Mitarbeiters der Internationalen Organisation für Migration (IOM) reichen 400 US-Dollar im Monat für Miete und Ernährung einer vierköpfigen Familie in Mogadischu aus. Auch die Vermieter würden nach dem Vertrauensprinzip vermieten. Daher lebten die meisten Leute da, wo ihre Familie bzw. ihr Clan lebe. 113Vgl. BayVGH, Urteil vom 17. Juli 2018 – 20 B 17.31659 –, juris. 114Zudem hat sich die wirtschaftliche Situation der Menschen in Somalia, die insbesondere in Mogadischu vor einiger Zeit noch von einem wirtschaftlichen Aufschwung geprägt war, 115vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 5. Dezember 2017 – 4 LB 51/16 –; HessVGH, Urteil vom 1. August 2019 – 4 A 2334/18.A –, 116inzwischen verschlechtert. Aufgrund der aktuellen weltpolitischen Lage sind weitere Verschlechterungen zu befürchten. 117Das Land befindet sich in einer anhaltenden humanitären Krise, für die politische, sozioökonomische und Umweltfaktoren hauptverantwortlich sind. Insbesondere die andauernden Konflikte, klimabedingte Umweltprobleme, deren Häufigkeit zunimmt, die Wirtschaftssituation und Ausbrüche übertragbarer Krankheiten prägen die humanitäre Situation. Seit Anfang 2020 führen zudem Überschwemmungen, die Wüstenheuschreckenplage und die Covid-19-Pandemie, die auch gemeinsam als „Triple Shock“ oder „Triple Threat 2020“ bezeichnet werden, zu einer Verschlechterung der humanitären Bedingungen. 118Vgl. Länderreport Somalia, humanitäre Situation, Stand 09/2021, S. 2 und Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 18. April 2021, S. 22; vgl. auch VG Schleswig-Holstein, Urteil vom 17. November 2020 – 10 A 183/20 –, juris; zu den Auswirkungen der aktuellen Covid-19-Pandemie, die die wirtschaftliche Situation, insbesondere für Familien mit niedrigen Einkünften, verschärft hat; United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs vom 8. Juni 2020, Somalia, Covid-19 Impact Update No. 8., S. 1 f.; United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs vom 22. Juni 2020, Somalia, Covid-19 Impact Update No. 9, S. 1; United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs vom 22. Juni 2020, Somalia, Covid-19 Impact Update No. 10, S. 1, ACCORD, Anfragebeantwortung zu Somalia vom 7. August 2020, S. 2, abrufbar unter https://www.ecoi.net/de/. 119Diese dreifachen Herausforderungen führen zu einer weiteren Vertreibung einer Vielzahl von Menschen und verschärfen bestehende Ungleichheiten, Diskriminierung und Schutzlücken. Da die Mehrheit der somalischen Bevölkerung von Land-, Forst-und Fischereiwirtschaft abhängig ist, wirken sich die klimabedingten Herausforderungen, wie Dürren und Überschwemmungen, besonders auf ihren Lebensunterhalt aus. Im Jahr 2020 zerstörten Überschwemmungen beispielsweise 144.000 ha Agrarland. Des Weiteren riefen die somalische Regierung und die Vereinten Nationen am 25. April 2021 in einer gemeinsamen Erklärung eine Dürre-Situation aus. Mehr als 80 % des Landes sind von einer mäßigen bis schweren Dürre infolge von unterdurchschnittlichem Regen Ende 2020, gefolgt von einer wärmeren Saison sowie einer verspätet beginnenden Regenzeit zwischen April und Juni 2021 betroffen, wodurch es zu einer großen Wasserknappheit kam. Auch die Heuschreckenplage, die als schlimmste seit 25 Jahren gilt und vornehmlich in ländlichen Gebieten eine Verschlechterung der Situation mit sich bringt, zerstörte bislang 300.000 ha Acker-und Weideland. Darüber hinaus sind die Preise für Grundnahrungsmittel und Rohstoffe aufgrund der Covid-19-Pandemie gestiegen, was insbesondere für die arme städtische Bevölkerung zusätzliche Risiken für die Ernährungssicherheit bietet. In der städtischen Umgebung ist der Zugang zum Arbeitsmarkt aufgrund der Konkurrenzsituation verhältnismäßig schwieriger. Da in Städten der Großteil des Einkommens für Nahrungsmittel ausgegeben wird, ist die Bevölkerung dort auch besonders von steigenden Nahrungsmittelpreisen betroffen. Aufgrund der durch die Covid-19-Pandemie negativ beeinflussten Lebensmittelpreise und Arbeitsmöglichkeiten werden die Bedingungen noch erschwert. Für die Landbevölkerung besteht zudem ein erhöhtes Risiko der Ernährungsunsicherheit aufgrund von zu erwartender Dürre. Hirtinnen und Hirten sowie die in der Feld- und Viehwirtschaft Tätigen machen 60 % der Gesamtbevölkerung aus und ihre Lebensgrundlage hängt vornehmlich vom Regen ab. Aufgrund der häufigen und langwierigen Dürrebedingungen in den vergangenen Jahren ging die Viehherdengröße der in der Feld- und Viehwirtschaft tätigen Bevölkerung in den letzten Jahren zurück. Zwar haben die überdurchschnittlichen Deyr- und Gu-Niederschlage (das sind die Niederschläge von Oktober bis Dezember bzw. von April bis Juni) in den Jahren 2019 und 2020 die Weidegeneration unterstützt und die prognostizierten Auswirkungen ein wenig abgemildert, doch führten die beiden aufeinanderfolgenden unterdurchschnittlichen Niederschlagsperioden Ende 2020 und Anfang 2021 wiederum zu Viehverlusten und erhöhten Haushaltsausgaben für Tierfutter und Wasser. Die Trockenperioden und ein frühes Ende der Regenzeit verursachten zudem Ernteverluste und verringerten das erwirtschaftete Einkommen in der Landwirtschaft. Es wurde erwartet, dass Somalia während der Deyr-Periode von Oktober bis Dezember 2021 zum dritten Mal in Folge unterdurchschnittliche Niederschläge erlebt, wodurch sich die wirtschaftliche Lage der in Somalia lebenden Menschen erheblich verschlimmern würde. Konflikte und eine angespannte Sicherheitslage verschärfen zudem die Situation. 120Vgl. Länderreport Somalia, Humanitäre Situation, Stand 09/2021, S. 3 unter Berufung auf UNHRC (United Nations Human Rights Council): Situation auf human rights in Somalia. Report of the Independent Expert on the situation of human rights in Somalia. 12171 % der Bevölkerung leben derzeit in Armut, der Anteil bei Kindern unter 14 Jahren ist dabei noch höher. Damit ist Somalia eines der ärmsten Länder Sub-Sahara-Afrikas. Es ist davon auszugehen, dass sich diese Entwicklung auch bis zum Jahr 2023 fortsetzen wird. 122Vgl. Länderreport Somalia, Humanitäre Situation, Stand 09/2021, S. 3 unter Berufung auf World Bank: Somalia. Overview, 18.03.2021; UN (United Nations) Somalia: Common Country Analysis 2020, 25.09.2020. 123Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine und die damit bevorstehende Verschärfung der Lebensmittelkrise in Afrika ist zudem eine weitere Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage in Somalia zu erwarten. Die Befürchtungen, dass Somalia zum dritten Mal in Folge unterdurchschnittliche Niederschläge erlebt, haben sich bestätigt. 124Vgl. auch Berichte von „Spiegel Online“ vom 20. März 2022: „In Somalia sind drei Regenzeiten in Folge ausgeblieben – das sind die Folgen. In Somalia droht eine verheerende Hungersnot. Durch den Krieg in der Ukraine wird alles noch schlimmer. Bilder einer Krise, auf die kaum jemand schaut“; und vom 19. November 2021: „UNO warnt vor Dürrekatastrophe in Somalia“; vgl. auch den Beitrag in der ARD „Tagesschau“ vom 29, März 2022: „Hungersnot befürchtet: Schlimmste Dürre seit Jahrzenten in Somalia“, abgerufen am 1. April 2022 unter https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-1009573.html; sowie den Bericht „Kein Essen, kein Wasser, keine Medizin. In Somalia fliehen Hunderttausende vor der verheerenden Dürre. Mancherorts hat es jahrelang nicht geregnet. Selbst in den Flüchtlingscamps herrscht Not – inzwischen auch wegen des Ukraine-Kriegs.“, abgerufen am 1. April 2022 unter https://www.tagesschau.de/ausland/afrika/somalia-duerre-101.html. 125Trotz dieser zweifellos angespannten Lage ist im Falle des Klägers in der Gesamtschau gleichwohl nicht beachtlich wahrscheinlich, dass er in Mogadischu der Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Verelendung ausgesetzt wäre. Die Kammer legt vielmehr zu Grunde, dass es dem Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Somalia gelingen wird, jedenfalls seine elementaren Bedürfnisse wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft zu befriedigen. Ein "ganz außergewöhnlicher Fall", aus humanitären Gründen ein Abschiebungsverbot "zwingend" anzunehmen, liegt bei dem Kläger nicht vor. Dafür sind folgende Erwägungen maßgeblich: 126Die Kammer geht davon aus, dass der Kläger in seiner Heimatstadt Mogadischu noch über familiäre Verbindungen verfügt. Der Kläger hat bei seiner Anhörung beim Bundesamt angegeben, dass seine Eltern in demselben Viertel leben, in dem er gelebt habe. Zudem lebe seine 24-jährige Schwester bei den Nachbarn. Seine Mutter habe Essen zubereitet, das er anschließend verkauft habe. Von dem Erlös habe man leben können. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung abweichend davon geschildert hat, seine Eltern und seine Schwester seien zwischenzeitlich verstorben, folgt das Gericht diesen Angaben aus den oben unter I.1. dargelegten Gründen nicht. 127Nach alledem ist nicht anzunehmen, dass der Kläger in Mogadischu nicht mehr über ein familiäres Netzwerk verfügt, das ihn im Falle einer Rückkehr nach Somalia dabei unterstützen würde, zumindest seine elementaren Bedürfnisse zu befriedigen. Schließlich ist davon auszugehen, dass der Kläger in Mogadischu auch über sein familiäres Umfeld hinaus Unterstützung finden könnte. Denn er schilderte in der mündlichen Verhandlung, dass auch die Nachbarn „wie eine Familie für uns“ gewesen seien. 128Vor diesem Hintergrund geht die Kammer davon aus, dass es dem Anfang 20 Jahre alten, gesunden und arbeitsfähigen Kläger – notfalls mit Hilfe seiner Familienangehörigen und Freunden – im Falle einer Rückkehr nach Mogadischu gelingen wird, dort jedenfalls ein Leben am Rande des Existenzminimums zu führen. Es entspricht der Erkenntnislage, dass in erster Linie die (erweiterte) Familie und ggf. Clans oder Sub-Clans traditionell als soziales Sicherungsnetz dienen und jedenfalls rudimentären Schutz bieten. 129Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 18. April 2021 (S. 22). 130Zudem kann er Start- und Reintegrationshilfen insbesondere des Returnee Management Offices (RMO) in Anspruch nehmen, um anfänglich bestehende Schwierigkeiten zu überwinden. Das RMO hat für alle Rückführungsmaßnahmen nach Somalia eine einheitliche Prozedur festgelegt, die nach der Erkenntnislage auch zur Anwendung gebracht werden. 131Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 18. April 2021 (S. 23); vgl. auch VG Düsseldorf, Urteil vom 26. April 2021 – 29 K 10078/18.A -, juris, Rn. 100 f; VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 26. Februar 2021 – 2 K 2258/16.A -, juris, Rn. 64 m.w.N. 132Der Kläger selbst hat auch keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass er bei einer Rückkehr in seine Heimat in eine existenzielle Notlage geraten würde. 133IV. 134Schließlich folgt auch aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kein Verbot, den Kläger nach Somalia abzuschieben. Hiernach soll von der Abschiebung eines Ausländers abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. 135Der Kläger hat schon keine individuellen Umstände vorgetragen, aus denen eine solche Gefahr resultieren könnte. Die aktuelle Covid-19-Pandemie begründet ebenfalls kein Abschiebungsverbot. Gefahren, denen die Bevölkerung – wie bei der Covid-19-Pandemie – allgemein ausgesetzt ist, sind vom Anwendungsbereich des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gerade ausgeklammert und können allenfalls im Rahmen einer politischen Leitentscheidung nach § 60a AufenthG berücksichtigt werden. 136BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2013 - 10 C 13.12 -, juris, Rn. 13; OVG NRW, Urteil vom 24. März 2020 - 19 A 4470/19.A -, juris, Rn. 38; VG Düsseldorf, Urteil vom 26. April 2021 – 29 K 10078/18.A –, juris Rn. 117 ff. 137Nur wenn dies zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke erforderlich ist, darf dem Ausländer ein Abschiebungsverbot zugesprochen werden. 138BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2013 - 10 C 13.12 -, juris, Rn. 13; BVerwG, Urteil vom 8. September 2011 - 10 C 14.10 -, Rn. 20; BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 -, juris, Rn. 32; OVG NRW, Urteil vom 24. März 2020 - 19 A 4470/19.A -, juris, Rn. 46; OVG NRW, Urteil vom 24. März 2020 - 19 A 4470/19.A -, juris, Rn. 38. 139Eine solche Schutzlücke liegt nur dann vor, wenn der Schutzsuchende bei einer Rückkehr in das Aufnahmeland mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Die drohenden Gefahren müssen nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Nach diesem hohen Wahrscheinlichkeitsgrad muss eine Abschiebung dann ausgesetzt werden, wenn der Ausländer ansonsten "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde". Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. 140BVerwG, Urteil vom 29. September 2011 - 10 C 24/10 -, juris, Rn. 20; BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2010 - 10 C 10/09 -, juris, Rn. 15, OVG NRW, Urteil vom 24. März 2020 - 19 A 4470/19.A -, juris, Rn. 48. 141Nach diesem Maßstab steht dem Kläger Abschiebungsschutz nicht zu, da die Wahrscheinlichkeit, sich in Somalia mit Covid-19 zu infizieren, nicht erhöht ist. 142Vgl. dazu m.w.N. VG Düsseldorf, Urteil vom 26. April 2021 – 29 K 10078/18.A –, juris Rn. 124 ff.; VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 26. Februar 2021 – 2 K 2258/16.A -, juris. 143Es ist auch sonst nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger als junger Mann ohne bekannte Vorerkrankungen in Somalia sehenden Auges dem Tod oder schwersten Gesundheitsschäden ausgeliefert wäre. 144V. 145Die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung begegnen danach ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Sie entsprechen den Vorgaben der §§ 34, 38 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG. Gleiches gilt für die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung. 146VI. 147Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83b AsylG. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO. 148Rechtsmittelbelehrung: 149Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn 1501. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 1512. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 1523. ein in § 138 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt. 153Die Zulassung der Berufung ist bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich zu beantragen. In dem Antrag, der das angefochtene Urteil bezeichnen muss, sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. 154Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 155Im Berufungsverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO.
die klage wird abgewiesen. der kläger trägt die kosten des verfahrens, für das gerichtskosten nicht erhoben werden. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der kläger darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, falls nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1
2der im jahr 1999 in mogadischu geborene kläger ist somalischer staatsangehöriger und gehört zur volksgruppe der reer qalinshube. 3er verließ nach eigenen angaben am 5. februar 2015 sein heimatland und reiste zunächst nach kenia, wo er sich ca. ein jahr und sieben monate lang aufhielt. am 17. september 2016 reiste der kläger in die bundesrepublik deutschland ein und stellte am 14. oktober 2016 einen asylantrag. 4bei seiner anhörung bei dem bundesamt für migration und flüchtlinge (bundesamt) am 12. mai 2017 gab der kläger an, angehörige eines fremden stammes (hawar gedir) haben ihn töten wollen, weil der kläger ein kind mit einem mädchen dieses stammes erwartet habe. am 2. februar 2015 hätten einige stammesangehörige die tante des klägers aufgesucht und dieser mitgeteilt, dass sie den kläger suchten, weil sie ihn töten wollten. die tante habe den kläger darüber informiert und ihm empfohlen, nicht nach hause zu kommen. daraufhin habe sich der kläger zunächst bei einem freund aufgehalten, bevor er drei tage später mithilfe eines schleppers, den die tante bezahlt habe, nach kenia gereist sei. da der kläger in kenia keine lebensperspektive für sich gesehen habe, sei er schließlich von dort aus mit dem flugzeug nach deutschland gereist. die eltern und die schwester des klägers lebten noch in mogadischu. 5mit bescheid vom 29. mai 2017, zugestellt am 31. mai 2017, lehnte das bundesamt den antrag des klägers auf asylanerkennung sowie auf anerkennung der flüchtlingseigenschaft und des subsidiären schutzstatus ab. es wurde festgestellt, dass die voraussetzungen eines abschiebungsverbots nach § 60 abs. 5 und abs. 7 s. 1 aufenthaltsgesetz nicht vorliegen. zudem wurde dem kläger die abschiebung nach somalia innerhalb von 30 tagen nach bekanntgabe der entscheidung angedroht. das einreise- und aufenthaltsverbot gemäß § 11 abs. 1 des aufenthaltsgesetzes wurde auf 30 monate ab dem tag der abschiebung befristet. wegen der einzelheiten wird auf die begründung des bescheides bezug genommen (bl. 54 ff. ba heft 1). 6der kläger hat am 13. juni 2017 klage erhoben, die er nicht begründet hat. 7der kläger beantragt, 8die beklagte unter aufhebung der ziffern 1. sowie 3. bis 6. des bescheides des bundesamtes vom 29. mai 2017 zu verpflichten, ihm die flüchtlingseigenschaft nach § 3 abs. 1 asylg zuzuerkennen, 9hilfsweise, 10ihm subsidiären schutz im sinne des § 4 asylg zuzuerkennen, 11weiter hilfsweise 12festzustellen, dass abschiebungsverbote nach § 60 abs. 5 und 7 s. 1 aufenthg vorliegen. 13die beklagte beantragt, 14die klage abzuweisen. 15zur begründung bezieht sie sich auf den angefochtenen bescheid. 16das gericht hat den rechtsstreit zunächst mit beschluss vom 13. august 2019 auf den einzelrichter übertragen und mit beschluss vom 23. februar 2022 hat die einzelrichterin das verfahren wegen einer wesentlichen änderung der prozesslage nach anhörung der beteiligten zurück auf die kammer übertragen. 17wegen der weiteren einzelheiten wird auf die gerichtsakte einschließlich des sitzungsprotokolls und die verwaltungsvorgänge der beklagten verwiesen. 18
19die verpflichtungsklage ist zulässig, aber unbegründet. der bescheid der beklagten vom 29. mai 2017 erweist sich im nach § 77 abs. 1 s. 1 asylg maßgeblichen zeitpunkt der gerichtlichen entscheidung als rechtmäßig und verletzt den kläger nicht in seinen rechten, § 113 abs. 5 vwgo. der kläger hat keinen anspruch auf die mit der klage geltend gemachte zuerkennung der flüchtlingseigenschaft (i.), des subsidiären schutzes (ii.) oder auf feststellung eines abschiebungsverbotes (iii. und iv.). 20i. 21der kläger hat keinen anspruch auf die zuerkennung der flüchtlingseigenschaft i.s.d. § 3 abs. 1 asylg. nach dieser bestimmung ist ein ausländer flüchtling im sinne des abkommens über die rechtsstellung der flüchtlinge vom 28. juli 1951 (genfer flüchtlingskonvention - gk -), wenn er sich aus begründeter furcht vor verfolgung wegen seiner rasse, religion, nationalität, politischen überzeugung oder zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen gruppe - zur definition dieser begriffe vgl. § 3 abs. 1, § 3a abs. 1 nr. 1 und 2; abs. 2 sowie § 3 b abs. 1 asylg - außerhalb des landes (herkunftsland) befindet, dessen staatsangehörigkeit er besitzt und dessen schutz er nicht in anspruch nehmen kann oder wegen dieser furcht nicht in anspruch nehmen will. 22gemäß § 3a abs. 1 nr. 1 und 2 asylg gelten handlungen als verfolgung im sinne des § 3 abs. 1 asylg, die auf grund ihrer art oder wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende verletzung der grundlegenden menschenrechte darstellen (nr. 1) oder die in einer kumulierung unterschiedlicher maßnahmen bestehen, die so gravierend ist, dass eine person davon in ähnlicher wie der in nr. 1 beschriebenen weise betroffen ist (nr. 2). nach § 3a abs. 2 nr. 1 asylg kann als eine solche verfolgung insbesondere die anwendung physischer oder psychischer gewalt gelten. gemäß § 3c asylg kann die verfolgung außer vom staat auch von parteien oder organisationen ausgehen, die den staat oder einen wesentlichen teil des staatsgebiets beherrschen, oder von nichtstaatlichen akteuren, sofern die in § 3c nummern 1 und 2 asylg genannten akteure einschließlich internationaler organisationen erwiesenermaßen nicht in der lage oder nicht willens sind, im sinne des § 3d schutz vor verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem land eine staatliche herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. 23die furcht vor verfolgung ist begründet, wenn dem ausländer die genannten gefahren aufgrund der in seinem herkunftsland gegebenen umstände in anbetracht seiner individuellen lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher wahrscheinlichkeit drohen. 24vgl. bverwg, urteil vom 20. februar 2013 - 10 c 23.12-, juris. 25der maßstab der beachtlichen wahrscheinlichkeit setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden würdigung des zur prüfung gestellten lebenssachverhalts die für eine verfolgung sprechenden umstände ein größeres gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden tatsachen überwiegen. dabei ist eine „qualifizierende“ betrachtungsweise im sinne einer gewichtung und abwägung aller festgestellten umstände und ihrer bedeutung anzulegen. es kommt darauf an, ob in anbetracht dieser umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen menschen in der lage des betroffenen furcht vor verfolgung hervorgerufen werden kann. 26vgl. bverwg, urteil vom 20. februar 2013 -10 c 23.12-, juris, m.w.n.; bverwg, urteil vom 27. april 2010 -10 c 5.09-, juris, ovg nrw, urteil vom 17. august 2010 - 8 a 4063/06.a -, juris. 27die tatsache, dass ein antragsteller bereits in seinem herkunftsland verfolgt wurde bzw. von solcher verfolgung unmittelbar bedroht war, ist dabei ein ernsthafter hinweis darauf, dass seine furcht vor verfolgung begründet ist, es sei denn, stichhaltige gründe sprechen dagegen, er werde erneut von solcher verfolgung bedroht, 28vgl. art. 4 abs. 4 der richtlinie 2011/95/eu des europäischen parlaments und des rates vom 13. dezember 2011 (qualifikationsrichtlinie). 29die die flüchtlingseigenschaft nach § 3 asylg und § 60 abs. 1 aufenthg begründenden tatsachen müssen zur vollen überzeugung des gerichts nachgewiesen werden. für den nachweis des individuellen schicksals in der heimat, aus dem der asylbewerber seine furcht vor politischer verfolgung herleitet, genügt wegen der häufig bestehenden sachtypischen beweisschwierigkeiten in der regel eine glaubhaftmachung. 30der schutzsuchende ist gehalten, seine gründe für das vorliegen einer politischen verfolgung schlüssig mit genauen einzelheiten vorzutragen. 31vgl. bverwg, beschluss vom 19. oktober 2001 – 1 b 24/01 –, juris rn. 5; ovg nrw, urteil vom 29. oktober 2020 – 9 a 1980/17.a –, juris rn. 36. 32gemessen an diesen anforderungen hat der kläger keinen anspruch auf zuerkennung der flüchtlingseigenschaft. es ist weder feststellbar, dass der kläger vorverfolgt aus somalia ausgereist ist (1.), noch dass ihm heute mit beachtlicher wahrscheinlichkeit bei einer unterstellten rückkehr nach somalia verfolgung droht (2.). 331. 34eine vorverfolgung durch die somalische regierung oder die al-shabaab-miliz hat der kläger weder vorgetragen, noch ergeben sich anhaltspunkte dafür, dass eine solche stattfindet. soweit der kläger in der mündlichen verhandlung angegeben hat, angehörige der al-shabaab hätten möglicherweise seine mutter getötet und seinen vater entführt, handelt es sich dabei um bloße mutmaßungen des klägers bzw. um angebliche angaben der angehörigen des stammes hawar gedir, die diese gegenüber nachbarn des klägers getätigt haben sollen. zudem hat der kläger nicht angegeben, dass er selbst auch von al-shabaab bedroht oder angegriffen worden sei. im übrigen sind die angaben des klägers über das angebliche schicksal seiner eltern als gesteigertes vorbringen unglaubhaft. der kläger hat diese von ihm erstmals in der mündlichen verhandlung geschilderten ereignisse bei seiner anhörung vor dem bundesamt mit keinem wort erwähnt. seiner insoweit abgegebenen erklärung, er habe den dolmetscher nicht richtig verstanden, und ihm sei geraten worden, nur das anzugeben, was ihm persönlich passiert sei, schenkt das gericht keinen glauben. es wertet diese behauptung als vorgeschoben, die den einzigen zweck verfolgt, seinem klagebegehren zum erfolg zu verhelfen. wären die eltern des klägers wie von ihm behauptet tatsächlich kurz vor seiner ausreise aus somalia verstorben bzw. entführt worden, wäre zu erwarten gewesen, dass der kläger diesen für die flüchtlingseigenschaft ersichtlich relevanten umstand im rahmen seiner anhörung beim bundesamt mitgeteilt hätte. dort hat er dies jedoch nicht erwähnt, obwohl er konkret befragt worden ist, ob er verwandte im heimatland habe. auch bei seiner schilderung, dass er und seine familie in mogadischu davon gelebt hätten, dass er von seiner mutter zubereitetes essen verkauft habe, hätte es sich aufgedrängt zu berichten, dass seine mutter kurz vor der ausreise verstorben sei. dem kläger wurde die beim bundesamt verfasste niederschrift rückübersetzt und er hat dabei eine korrektur beim namen seiner tante vorgenommen, was die annahme von verständigungsschwierigkeiten unwahrscheinlich erscheinen lässt. zudem hat der kläger bestätigt, dass er ausreichend gelegenheit gehabt habe, zu seinen asylgründen vorzutragen. der umstand, dass der kläger überdies weder mit der klageerhebung im juni 2017 noch im verlauf des gerichtlichen verfahrens, sondern erstmalig in der mündlichen verhandlung ungefragt von sich aus verständigungsschwierigkeiten und ungereimtheiten bei der anhörung geltend machte, bekräftigt die annahme, dass die angaben des klägers zu seiner familie in mogadischu nicht der wahrheit entsprechen. 35im oben dargestellten sinne kommt nach dem vortrag des klägers mithin allein eine mögliche verfolgung durch die angehörigen des stammes der hawar gedir in betracht. diese hätten den kläger mit dem tod bedroht, weil er mit einer angehörigen dieses stammes ein kind gezeugt habe. die richtigkeit dieses vortrags unterstellt, ergibt sich daraus kein asylrechtlich relevantes anknüpfungsmerkmal im sinne von § 3 abs. 1 nr. 1 asylg. als solches kommt allenfalls die stammeszugehörigkeit des klägers in betracht, was verfolgungsfurcht wegen zugehörigkeit zu einer sozialen gruppe im sinne von § 3 abs. 1 nr. 1 asylg begründen könnte. dies bedarf aber keiner abschließenden entscheidung, da der kläger nach seinem vortrag nicht aufgrund seiner stammeszugehörigkeit bedroht worden ist, sondern weil er mit einem mädchen eines anderen stammes ein kind gezeugt hat. es handelt sich daher um eine private streitigkeit zwischen zwei familien. insoweit schließt sich die kammer den ausführungen auf seite 4 des streitgegenständlichen bescheides vom 29. mai 2017 an, § 77 abs. 2 asylg. 362. 37der kläger hat auch bei einer rückkehr nach somalia nicht mit beachtlicher wahrscheinlichkeit eine asylrechtlich erhebliche verfolgung zu befürchten. aus den vorstehend unter 1. genannten gründen knüpften ihm etwaig durch die hawar gedir drohende verfolgungshandlungen nicht an flüchtlingsschutzrelevante merkmale in der person des klägers an. im übrigen erscheint es auch fernliegend, dass der kläger, der nunmehr sieben jahre im ausland gelebt hat, bei einer rückkehr nach mogadischu noch repressionen durch den stamm der hawar gedir zu befürchten hätte. 38anhaltspunkte dafür, dass der kläger bei einer rückkehr nach mogadischu einer gezielten verfolgung durch den somalischen staat oder die al-shabaab-miliz ausgesetzt wäre, ergeben sich ebenfalls nicht. 39die somalische regierung hat keine flächendeckende effektive kontrolle über das staatsgebiet und auf der grundlage des klägerischen vortrags auch kein verfolgungsinteresse an seiner person. 40die al-shabaab-miliz, die in süd- und zentralsomalia noch teile des landes kontrolliert, ist durch die anstrengungen der amisom-intervention und der regierungstruppen aus den meisten größeren städten und insbesondere aus dem großraum mogadischu so weit vertrieben worden, dass sie dort keine gebiete mehr kontrolliert, sondern zu einer „asymmetrischen kriegsführung“, bzw. zu terroranschlägen gegen militärische und sonstige sicherheitseinrichtungen übergegangen ist. bestimmte personengruppen sind einem erhöhten risiko ausgesetzt, opfer eines anschlags der al-shabaab zu werden. die betroffenen personen weisen die gemeinsamkeit auf, dass sie die somalische regierung unterstützen. hierzu gehören angehörige der sicherheitskräfte, regierungsmitglieder und regierungsnahe politiker, regierungs- und verwaltungsangestellte, richter, mitarbeiter von un-organisationen sowie von nationalen und internationalen nichtregierungsorganisationen einschließlich mitarbeiter humanitärer organisationen und angehörige diplomatischer missionen, aber auch akteure der zivilgesellschaft, clanälteste, journalisten oder geschäftsleute. die al-shabaab-miliz sieht es nicht gezielt auf zivilisten ab, nimmt insoweit aber opfer in kauf. 41vgl. bundesamt für fremdenwesen und asyl – länderinformationsblatt der staatendokumentation – somalia – vom 17. september 2019, s. 19; britisches home office: country information and guidance; south and central somalia: fear of al-shabaab, stand märz 2016 und country information and guidance; somalia: security and humanitarian situation in south and central somalia, stand juli 2016; karte “somalia - areas of influence as of december 2015”, abgedruckt in: easo country of origin information report - somalia: security situation, februar 2016; bayvgh, urteil vom 27. märz 2018 – 20 b 17.31663 –, juris rn. 36 und urteil vom 12. juli 2018 – 20 b 17.31660 –, juris rn. 28; hess vgh, urteil vom 1. august 2019 – 4 a 2334/18.a –, juris rn. 45 m.w.n. 42diese bewertung gilt auch angesichts der im jahr 2017, mitte juli 2019, dezember 2019 und august 2020 verübten schweren bombenattentate in mogadischu und kismayo. auch hier waren die zielobjekte überwiegend hotels, die bevorzugt durch ausländer und regierungsmitglieder frequentiert werden. 43vgl. z.b. faz vom 16. oktober 2017, „mehr als 230 tote bei anschlag in mogadischu“; nzz vom 13.07.2019: anschlag auf hotel in somalia beendet - mindestens 29 tote; bbc vom 14. juli 2019 afgooye, somalia„kismayo attack: at least 26 dead as gunmen storm somali hotel“; vgl. auch hessvgh, urteil vom 1. august 2019 – 4 a 2334/18.a –, juris rn. 45 ff.; bayvgh, urteil vom 27. märz 2018 – 20 b 17.31663 –, juris rn. 36. 44da der kläger nicht zu einer der „exponierten“ gruppen der somalischen bevölkerung gehört, ist hiernach nicht beachtlich wahrscheinlich, dass er im fall einer rückkehr repressionen durch die al-shabaab-miliz ausgesetzt wäre. 45das allgemeine risiko, als „gewöhnlicher zivilist“ (zufällig) opfer eines terroranschlags zu werden, reicht nicht aus, um von einer gezielten politischen verfolgung im sinne der §§ 3 ff. asylg auszugehen. 46schließlich ergibt sich auch unter dem gesichtspunkt einer gewaltsamen zwangsrekrutierung des klägers durch die al-shabaab-milz keine flüchtlingsrelevante verfolgung. es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass eine mögliche zwangsrekrutierung durch die al-shabaab gezielt gegen den kläger aufgrund eines ihm zugeordneten flüchtlingsrelevanten merkmals im sinne des § 3 abs. 1 asylg drohen könnte. es ist vielmehr davon auszugehen, dass al-shabaab in der vergangenheit wahllos zwangsrekrutierungsversuche unternommen hat und unterschiedslos insbesondere junge menschen rekrutiert hat. 47vg düsseldorf, urteil vom 7. oktober 2021 – 29 k 1915/19. a –, s. 13 f.; vg frankfurt (oder), urteil vom 3. märz 2020 – 2 k 1198/13. a –, juris rn. 17. 48zudem entsprechen solche zwangsrekrutierungen inzwischen auch nicht mehr dem modus operandi der al-shabaab. aus jüngerer zeit sind keine oder kaum meldungen über solche rekrutierungen bekannt. 49ovg lüneburg, urteil vom 5. dezember 2017 – 4 lb 51/16 –, juris rn. 44. vgl. für mogadischu bayvgh, urteile vom 27. märz 2018 – 20 b 17.31663 –, juris rn. 18, 24 und 31 und vom 12. juli 2018 – 20 b 17.31660 –, juris rn. 28; hessvgh, urteil vom 1. august 2019 – 4 a 2334/18.a –, juris rn. 31; vg halle (saale), urteil vom 21. februar 2019 – 4 a 58/17 –, juris rn. 49. 50ii. 51der kläger kann auch keinen subsidiären schutz (§ 4 abs. 1 asylg) beanspruchen. nach § 4 abs. 1 satz 1 asylg ist ein ausländer subsidiär schutzberechtigter, wenn er stichhaltige gründe für die annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem herkunftsland ein ernsthafter schaden droht. als ernsthafter schaden gelten dabei gemäß § 4 abs. 1 satz 2 asylg die verhängung oder vollstreckung der todesstrafe (§ 4 abs. 1 satz 2 nr. 1 asylg), folter oder unmenschliche oder erniedrigende behandlung oder bestrafung (§ 4 abs. 1 satz 2 nr. 2 asylg) oder eine ernsthafte individuelle bedrohung des lebens oder der unversehrtheit einer zivilperson infolge willkürlicher gewalt im rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten konflikts (§ 4 abs. 1 satz 2 nr. 3 asylg). dies ist bei dem kläger nicht der fall. 52die für den fall, dass der jeweilige antragsteller bereits einen ernsthaften schaden erlitten hat, eingreifende beweiserleichterung in gestalt einer widerleglichen tatsächlichen vermutung setzt auch im rahmen des subsidiären schutzes voraus, dass ein innerer zusammenhang zwischen dem vor der ausreise erlittenen oder damals unmittelbar drohenden schaden (vorschädigung) und dem befürchteten künftigen schaden besteht. denn die der vorschrift zugrundeliegende wiederholungsvermutung beruht auf der vorstellung, dass eine verfolgungs- oder schadenswiederholung - bei gleichbleibender ausgangssituation - aus tatsächlichen gründen naheliegt. 53bverwg, urteil vom 27. april 2010 - 10 c 4.09 -, bverwge 136, 360 rn. 31; urteil vom 17. november 2011 - 10 c 13.10 -, nvwz 2012, 454 rn. 21; bverwg, beschluss vom 15. august 2017 – 1 b 123/17, juris rn. 8; ovg niedersachsen, urteil vom 5. dezember 2017 - 4 lb 50/16 -, juris rn. 32; bayerischer vgh, urteil vom 26. april 2018 - 20 b 17.30947 -, juris rn. 18. 54diese voraussetzungen liegen hier nicht vor. 55die gefahr eines ernsthaften schadens durch folter oder unmenschliche oder erniedrigende behandlung droht ihm nicht in bezug auf eine bestrafungsgefahr seitens des stammes der hawar gedir (nachfolgend 1.). ein ernsthafter schaden droht auch weder angesichts der wirtschaftlichen lage in somalia (nachfolgend 2.), noch aufgrund einer bedrohung im rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten konflikts (nachfolgend 3.). 561. 57soweit der kläger anführt, repressionen seitens des stammes der hawar gedir zu befürchten, führt dies nicht zur zuerkennung des subsidiären schutzstatus. zwar will der kläger bereits vor seiner ausreise aus somalia von diesem stamm bedroht und angegriffen worden sein. dies vermag die beweiserleichterungen des art.4 abs. 4 richtlinie 2011/95/eu gleichwohl nicht zu begründen. dies folgt ungeachtet der glaubhaftigkeit seiner völlig vagen angaben und der frage, ob der stamm der hawar gedir ein tauglicher akteur im sinne von § 3c asylg ist, daraus, dass es fernliegend erscheint, dass der kläger im fall einer rückkehr nach somalia nach über 7 jahren noch repressionen seitens der familie des mädchens zu befürchten hätte. es liegen keine zureichenden anhaltspunkte dafür vor, dass diese auch heute noch ein interesse an dem kläger hätten. auch vor dem hintergrund einer mit der langen abwesenheit des bei seiner flucht 16-jährigen klägers wahrscheinlich einhergehenden äußerlichen veränderung aufgrund des natürlichen alterungsprozesses liegt es nahe, dass die familie des mädchens den kläger bereits nicht mehr wiedererkennen würde. 582. 59dem kläger ist der subsidiäre schutzstatus fernerhin nicht aufgrund der schlechten wirtschaftlichen lage in somalia, insbesondere in seiner heimatstadt mogadischu, zuzuerkennen. denn unabhängig davon, ob die humanitären bedingungen für den kläger in seinem heimatstaat eine verletzung des art. 3 emrk darstellen (dazu sogleich unter iii.), ist diese situation keinem akteur im sinne des § 3c asylg zuzurechnen, was gemäß § 4 abs. 3 asylg voraussetzung wäre. 60zwar ist die gefahr, bei einer rückkehr nach somalia wegen schlechter humanitärer bedingungen zu schaden zu kommen, nicht alleine auf generelle armut oder fehlende staatliche mittel zurückzuführen, sondern sie geht überwiegend auf direkte oder indirekte aktionen der am konflikt in somalia beteiligten akteure zurück. 61bverwg, urteil vom 31. januar 2013 - 10 c 15.12 -, juris rn. 25; ovg niedersachsen, urteil vom 5. dezember 2017 - 4 lb 50/16 -, juris rn. 70. 62dies reicht aber für die zuerkennung des subsidiären schutzes nach § 4 asylg nicht aus. erforderlich ist vielmehr, dass die schlechten humanitären bedingungen zielgerichtet von einem akteur gemäß § 3c asylg hervorgerufen oder jedenfalls wesentlich verstärkt werden. 63bverwg, beschluss vom 13. februar 2019 - 1 b 2.19 -, juris rn. 13; vgh baden-württemberg, urteil vom 12. oktober 2018 - a 11 s 316/17 -, juris rn. 54 ff., insbesondere rn. 77 bis 79. 64dass die gegenwärtigen humanitären bedingungen in somalia bewusst von einer der an dem konflikt beteiligten parteien bzw. einem akteur im sinne des § 3c asylg hervorgerufen oder gefördert worden wären, lässt sich nicht feststellen. 65bverwg, urteil vom 20. mai 2020 – 1 c 11/19 –, juris rn. 9; ovg lüneburg, urteil vom 25. februar 2021 – 4 la 212/19 –, juris rn. 9f.. 663. 67ein anspruch des klägers auf zuerkennung des subsidiären schutzstatus resultiert schließlich nicht daraus, dass er als zivilperson einer ernsthaften individuellen bedrohung des lebens oder der unversehrtheit infolge willkürlicher gewalt im rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten konfliktes (§ 4 abs. 1 satz 2 nr. 3 asylg) ausgesetzt wäre. 68ob in diesem zusammenhang in der somalischen hauptstadt mogadischu weiterhin ein innerstaatlicher bewaffneter konflikt besteht, 69so anscheinend bejahend bverwg, urteil vom 20. mai 2020 – 1 c 11/19 –, juris rn. 19 a.e.; so wohl auch bayvgh, urteil vom 12. juli 2018 – 20 b 17.31660 –, juris rn. 19; offen lassend hingegen bayvgh, urteil vom 27. märz 2017 – 20 b 17.31663; ovg rheinland-pfalz, urteil vom 16. dezember 2015 – 10 a 10689/15 –, juris rn. 35; hessvgh, urteil vom 1. august 2019 – 4 a 2334/18.a –, juris rn. 38, 70kann dahinstehen, da der kläger als zivilperson aufgrund der gegenwärtigen konfliktlage jedenfalls keiner ernsthaften, individuellen bedrohung infolge willkürlicher gewalt ausgesetzt ist. 71für eine ernsthafte individuelle bedrohung im sinne des § 4 abs. 1 satz 2 nr.3 asylg genügt es nicht, wenn der innerstaatliche bewaffnete konflikt zu permanenten gefährdungen der bevölkerung und zu schweren menschenrechtsverletzungen führt. 72bverwg, urteil vom 13. februar 2014 - 10 c 6.13 -, juris rn. 24; ovg niedersachsen, urteil vom 5. dezember 2017 - 4 lb 50/16 - juris rn. 38; bayerischer vgh, urteil vom 27. märz 2018 - 20 b 17.31663 -, juris rn. 26. 73gleichwohl kann sich eine von einem bewaffneten konflikt ausgehende allgemeine gefahr individuell verdichten und damit die voraussetzungen des § 4 abs. 1 satz 2 nr. 3 asylg erfüllen. 74bverwg, urteil vom 24. juni 2008 - 10 c 43.07 -, juris rn. 34; hessvgh, urteil vom 1. august 2019 – 4 a 2334/18.a –, juris rn. 39; ovg niedersachsen, urteil vom 5. dezember 2017 - 4 lb 50/16 - juris rn. 38; bayerischer vgh, urteil vom 27. märz 2018 - 20 b 17.31663 -, juris rn. 26. 75demnach sind in jedem fall feststellungen über das niveau willkürlicher gewalt in dem betreffenden gebiet zu treffen. liegen in der person des jeweiligen antragstellers keine gefahrerhöhenden persönlichen umstände vor, ist für ein schutzbedürfnis ein besonders hohes niveau willkürlicher gewalt erforderlich. liegen hingegen gefahrerhöhende persönliche umstände vor, genügt auch ein geringeres niveau willkürlicher gewalt. 76bverwg, urteil vom 27. april 2010 - 10 c 4.09 -, juris rn. 33; hessvgh, urteil vom 1. august 2019 – 4 a 2334/18.a –, juris rn. 39; ovg niedersachsen, urteil vom 5. dezember 2017 - 4 lb 50/16 -, juris rn. 38; bayerischer vgh, urteil vom 27. märz 2018 - 20 b 17.31663 -, juris rn. 27. 77zu diesen persönlichen umständen gehören solche aspekte, die den jeweiligen antragsteller von der allgemeinen, ungezielten gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von berufs wegen - z.b. als arzt oder journalist - gezwungen ist, sich nahe der gefahrenquelle aufzuhalten. daneben können aber auch umstände ausschlaggebend sein, aufgrund derer der jeweilige antragsteller als zivilperson zusätzlich der gefahr gezielter gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen zugehörigkeit - ausgesetzt ist. 78bverwg, urteil vom 27. april 2010 - 10 c 4.09 -, juris rn. 33; ovg niedersachsen, urteil vom 5. dezember 2017 - 4 lb 50/16 -, juris rn. 38. 79auch im fall gefahrerhöhender persönlicher umstände muss aber ein hohes niveau willkürlicher gewalt bzw. eine hohe gefahrendichte für die zivilbevölkerung in dem fraglichen gebiet festgestellt werden. allein das vorliegen eines bewaffneten konflikts und die feststellung eines gefahrerhöhenden umstandes in der person des antragstellers reichen hierfür nicht aus. dabei kann eine jedenfalls annäherungsweise quantitative ermittlung der gesamtzahl der in dem betreffenden gebiet lebenden zivilpersonen einerseits und der akte willkürlicher gewalt andererseits, die von den konfliktparteien gegen leib oder leben von zivilpersonen in diesem gebiet verübt werden, für das vorliegen einer „ernsthaften individuellen bedrohung“ herangezogen werden. 80vgl. eugh, urteil vom 10. juni 2021 – c-901/19 –, juris. 81wenn die tatsächlichen opfer der gewaltakte, die von den konfliktparteien gegen das leben oder die körperliche unversehrtheit der in der betreffenden region lebenden zivilpersonen verübt werden, einen hohen anteil an deren gesamtzahl ausmachen, ist nämlich der schluss zulässig, dass es in der zukunft weitere zivile opfer in der region geben könnte. eine solche feststellung könnte somit belegen, dass eine ernsthafte bedrohung im sinne von art. 15 buchst. c der richtlinie 2011/95 gegeben ist. andererseits kann jedoch diese feststellung nicht das einzige ausschlaggebende kriterium für die feststellung einer „ernsthaften individuellen bedrohung“ sein. insbesondere kann das fehlen einer solchen feststellung für sich genommen nicht ausreichen, um systematisch und unter allen umständen die gefahr einer solchen bedrohung im sinne dieser bestimmung auszuschließen und um damit automatisch und ausnahmslos zu einem ausschluss des subsidiären schutzes zu führen. um festzustellen, ob eine „ernsthafte individuelle bedrohung“ vorliegt, ist daher eine umfassende berücksichtigung aller relevanten umstände des einzelfalls, insbesondere derjenigen, die die situation des herkunftslands des antragstellers kennzeichnen, erforderlich. hierfür können insbesondere die intensität der bewaffneten auseinandersetzungen, der organisationsgrad der beteiligten streitkräfte und die dauer des konflikts als faktoren berücksichtigt werden. ferner können andere gesichtspunkte, etwa das geographische ausmaß der lage willkürlicher gewalt, der tatsächliche zielort des antragstellers bei einer rückkehr in das betreffende land oder gebiet und die aggression der konfliktparteien gegen zivilpersonen, die eventuell mit absicht erfolgt. 82vgl. eugh, urteil vom 10. juni 2021 – c-901/19 –, juris rn. 32 ff. 83hinsichtlich der anzustellenden gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweit herrschenden konflikt auf den tatsächlichen zielort des antragstellers bei einer rückkehr abzustellen, wobei als zielort der abschiebung in der regel die herkunftsregion anzusehen ist, in die der betreffende typischerweise zurückkehren wird. 84bverwg, urteil vom 20. mai 2020 - 1 c 11.19 -, juris rn. 17; ovg niedersachsen, urteil vom 5. dezember 2017 - 4 lb 50/16 -, juris rn. 39; bayerischer vgh, urteil vom 27. märz 2018 - 20 b 17.31663 -, juris rn. 28. 85dies ist bei dem kläger mogadischu, da er dort zuletzt gelebt hat und somit zu erwarten wäre, dass er auch dorthin zurückkehren würde. 86gemessen an den vorgenannten kriterien fehlt es jedoch an einer ernsthaften individuellen bedrohung des klägers bei einer rückkehr nach mogadischu. 87gefahrerhöhende persönliche umstände, die ihn wegen persönlicher merkmale einem besonderen sicherheitsrisiko aussetzen könnten, liegen nicht vor. der kläger gehört keiner risikogruppe an. 88gefahrerhöhende umstände ergeben sich nicht bereits aus seiner situation als rückkehrer nach einem auslandsaufenthalt. zwar sieht die al-shabaab rückkehrer aus westlichen ländern möglicherweise als spione der regierungstruppen an; da sie aber in den unter der kontrolle der regierung stehenden gebieten wie in mogadischu nicht mehr frei agieren kann und angesichts der zahl von rückkehrenden personen, u.a. auch binnenvertriebenen und flüchtlingen aus kenia, kann allein die rückkehr aus dem ausland nicht als gefahrerhöhende moment angesehen werden. 89so auch bayvgh, urteile vom 27. märz 2018 – 20 b 17.31663 –, juris rn. 31 und vom 17. juli 2018 – 20 b 17.31659 –, juris rn. 23 und ovg rheinland-pfalz, urteil vom 16. dezember 2015 – 10 a 10689/15 – juris rn. 41; ovg lüneburg, urteil vom 5. dezember 2017 – 4 lb 50/16 –, juris. 90auch die gefahr einer zwangsrekrutierung durch die al-shabaab-miliz besteht, wie bereits ausgeführt, nicht. 91es lässt sich schließlich nicht feststellen, dass die allgemeine lage in mogadischu so gefährlich ist, dass sie sich unabhängig von persönlichen merkmalen gegenüber jeder zivilperson individualisiert. eine genaue bewertung der gefahrendichte erscheint aufgrund einer fehlenden zuverlässigen datenlage in somalia kaum verlässlich möglich. die vorliegenden daten begründen die erforderliche gefahrendichte nicht. die kammer folgt insoweit den umfassenden ausführungen des bayvgh im urteil vom 12. juli 2018 – 20 b 17.31660, juris, rn. 26 ff. und nimmt hierauf bezug. 92so auch bayvgh, beschluss vom 30. januar 2017 – 20 zb 16.30685 – und urteile vom 27. märz 2018 – 20 b 17.31663 – und 12. juli 2018 – 20 b 17.31660 –, jeweils juris; vg aachen, urteil vom 17. februar 2017 – 7 k 3281/16.a; vg wiesbaden, urteile vom 16. mai 2018 –7 k 1600/17.wi.a und 14. märz 2019 – 7 k 1139/17 – und ovg rheinland-pfalz, urteil vom 16. dezember 2015 – 10 a 10689/15 – und hessvgh, urteil vom 1. august 2019 – 4 a 2334/18.a –. offen lassend bverwg, urteil vom 20. mai 2020 – 1 c 11/19 –, juris. 93aktuelle erkenntnisse, die eine andere bewertung gebieten würden, liegen nicht vor. nach wie vor finden in fast allen regionen somalias südlich von puntland regelmäßig örtlich begrenzte kampfhandlungen zwischen amisom bzw. somalischen sicherheitskräften und al shabaab statt. für 2019 sind insgesamt 1.459 zivile opfer (591 getötete, 868 verletzte) dokumentiert. von januar 2020 bis august 2020 gab es fast 600 zivile opfer. im dezember 2019 wurden bei einem sprengstoffattentat von al-shabaab in mogadischu mehr als 90 menschen getötet, nachdem dem bislang verheerendsten anschlag am 14. oktober 2017 in mogadischu mindestens 587 menschen zum opfer gefallen waren. insgesamt hat sich die zahl der getöteten zivilistinnen und zivilisten allerdings seit 2017 etwa halbiert und ging die zahl der verletzten geringfügig zurück. 94vgl. lagebericht des auswärtigen amtes vom 18. april 2021, ziff. 2.4, „bürgerkriegsgebiete“, s. 18 f.; vgl. zum gewaltniveau in mogadischu auch vg frankfurt (oder), urteil vom 26. februar 2021 – 2 k 2258/16.a -, juris, rn. 59 f.; accord - themendossier in somalia: sicherheitslage, 14. april 2020. 95auch ungeachtet einer quantitativen bewertung ergibt sich bei wertender gesamtbetrachtung des vorliegenden erkenntnismaterials für mogadischu keine derart unsichere situation, dass jede person allein aufgrund ihrer bloßen anwesenheit einer erheblichen gefahr für leib bzw. leben ausgesetzt ist und mit beachtlicher wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, opfer willkürlicher gewalt zu werden. 96so auch hess vgh, urteil vom 1. august 2019 – 4 a 2334/18.a -, juris, rn. 47. 97iii. 98die voraussetzungen von § 60 abs. 5 aufenthg i.v.m. art. 3 emrk liegen ebenfalls nicht vor. 99danach darf ein ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine abschiebung nach den bestimmungen der europäischen menschenrechtskonvention (emrk) unzulässig ist. nach art. 3 emrk ergibt sich die verpflichtung, einen ausländer nicht abzuschieben, wenn er für diesen fall tatsächlich gefahr läuft, im aufnahmeland einer unmenschlichen oder erniedrigenden behandlung ausgesetzt zu werden. bei verneinung sowohl der voraussetzungen des flüchtlingsstatus (vgl. § 3a abs. 2 asylg) als auch des subsidiären schutzes (§ 4 abs. 1 nr. 2 asylg) scheidet in der regel aus denselben tatsächlichen und rechtlichen erwägungen auch ein abschiebungsverbot nach § 60 abs. 5 aufenthg in bezug auf art. 3 emrk aus. als auffangtatbestand kommt § 60 abs. 5 aufenthg nur dann in betracht, wenn die unmenschliche oder erniedrigende behandlung keinem der akteure im sinne von § 3c asylg (i. v. m. § 4 abs. 3 satz 1 asylg) zugeordnet werden kann. 100der schutz vor unmenschlicher oder erniedrigender behandlung im aufnahmeland umfasst jedoch nicht das recht auf verbleib in einem konventionsstaat, um dort weiter medizinische, soziale oder andere hilfe und unterstützung zu erhalten. der umstand, dass im fall einer aufenthaltsbeendigung die lage des betroffenen einschließlich seiner lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht allein nicht aus, einen verstoß gegen art. 3 emrk anzunehmen. anderes kann nur in besonderen ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre gründe zwingend gegen die aufenthaltsbeendigung sprechen. die sozio-ökonomischen und humanitären verhältnisse im bestimmungsland sind hingegen nicht notwendig für die frage bedeutend und erst recht nicht dafür entscheidend, ob der betroffene in diesem gebiet wirklich der gefahr einer misshandlung unter verstoß gegen art. 3 emrk ausgesetzt wäre. denn die konvention zielt hauptsächlich darauf ab, bürgerliche und politische rechte zu schützen. die grundlegende bedeutung von art. 3 emrk macht aber eine gewisse flexibilität erforderlich, um in sehr ungewöhnlichen fällen eine abschiebung zu verhindern. in ganz außergewöhnlichen fällen können daher auch (schlechte) humanitäre verhältnisse art. 3 emrk verletzen, wenn die humanitären gründe gegen die aufenthaltsbeendigung zwingend sind. 101vgl. bverwg, urteil vom 20. mai 2020 - 1 c 11.19 -, nvwz 2021, 327, juris, rn. 10, und beschluss vom 13. februar 2019 - 1 b 2.19 -, juris, rn. 6, 10; ovg nrw, urteile vom 25. mai 2021 – 19 a 635/20.a –, juris rn. 12, vom 24. märz 2020 – 19 a 4604/19.a –, rn. 32 f., und vom 18. juni 2019 - 13 a 3930/18.a -, juris, rn. 111, 289 m. w. n. 102eine verletzung des art. 3 emrk kommt daher in besonderen ausnahmefällen auch bei "nichtstaatlichen" gefahren aufgrund prekärer lebensbedingungen in betracht, bei denen ein "verfolgungsmächtiger akteur" (§ 3c asylg) fehlt, wenn die humanitären gründe gegen die aufenthaltsbeendigung "zwingend" sind mit blick auf die allgemeine wirtschaftliche lage und die versorgungslage betreffend nahrung, wohnraum und gesundheitsversorgung. die einem ausländer im zielstaat drohenden gefahren müssen hierfür jedenfalls ein "mindestmaß an schwere" (minimum level of severity) aufweisen; es kann erreicht sein, wenn er seinen existentiellen lebensunterhalt nicht sichern kann, kein obdach findet oder keinen zugang zu einer medizinischen basisbehandlung erhält. das wirtschaftliche existenzminimum des ausländers muss unter berücksichtigung sowohl der allgemeinen lebensverhältnisse vor ort als auch seiner persönlichen umstände gewährleistet sein. erforderlich, aber auch ausreichend hierfür ist die sicherung der existenz auf einem mindestniveau, das eine verletzung des art. 3 emrk vermeidet. 103vgl. bverwg, urteil vom 18. februar 2021 - 1 c 4.20 -, rn. 27 ff., 33 ff., 65, 67, beschluss vom 22. september 2020 - 1 b 39.20 -, juris, rn. 6, und urteil vom 4. juli 2019 - 1 c 45.18 -, bverwge 166, 113, juris, rn. 12 m. w. n. aus der rechtsprechung von eugh und egmr; ovg nrw, urteil vom 25. mai 2021 – 19 a 635/20.a –, juris rn. 14 ff. 104so liegt der fall hier. 105es ist davon auszugehen, dass der kläger sich im falle einer rückkehr nach somalia ein leben am rande des existenzminimums sichern kann. 106dabei ist nach der rechtsprechung des bundesverwaltungsgerichts unter verweis auf die rechtsprechung des egmr für die prüfung der maßgeblichen umstände grundsätzlich auf den gesamten zielstaat abzustellen und zunächst der ort in den blick zu nehmen, an dem die abschiebung endet. 107vgl. bverwg, urteil vom 31. januar 2013 – 10 c 15/12 –, juris, rn. 26; bayvgh urteil vom 17. juli 2018 – 20 b 17.31659 –, juris rn. 36. 108dies ist vorliegend mogadischu, da die abschiebung dort aller voraussicht nach enden würde, weil nur die hauptstadt mit linienflügen direkt angeflogen werden kann. im ergebnis hat jedoch die prüfung eines abschiebungsverbots nach § 60 abs. 5 aufenthg i.v.m. art. 3 emrk unter berücksichtigung aller möglichkeiten der wohnsitznahme in somalia zu erfolgen. vorrang hat nach der rechtsprechung des bundesverwaltungsgerichts die prüfung, ob eine derartige gefahr bei einer niederlassung am endpunkt der abschiebung, also in mogadischu, besteht. anschließend ist zu prüfen, ob eine niederlassung des klägers an seinem herkunftsort möglich ist und ob er diesen zumutbar erreichen kann. schließlich wäre noch zu prüfen, ob eine innerstaatliche fluchtalternative an einem anderen ort in somalia bzw. deren erreichbarkeit vorliegt. 109da der kläger aus mogadischu stammt und im falle einer rückkehr nach somalia zu erwarten wäre, dass der kläger auch dorthin zurückgeht, ist auf mogadischu abzustellen. 110nach der auskunftslage sind allerdings die möglichkeiten von personen ohne verwandtschaftliche oder clanverbindungen nach mogadischu, dort ihren lebensunterhalt zu verdienen, sehr begrenzt. 111vgl. auswärtiges amt, bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante lage in der bundesrepublik somalia vom 18. april 2021 (s. 22), wonach die grundversorgung der bevölkerung mit nahrungsmitteln in weiten landesteilen somalias nicht gewährleistet ist. es gibt keinen sozialen wohnraum oder sozialhilfe. nur die erweiterte familie inklusive des sub-clans oder clans dient als soziales sicherungsnetz und bietet oftmals zumindest einen rudimentären schutz. vgl. auch bayvgh, urteil vom 17. juli 2018 – 20 b 17.31659 –, juris mit weiteren nachweisen; hessvgh urteil vom 1. august 2019 – 4 a 2334/18. a –; ovg lüneburg, urteil vom 5. dezember 2017 – 4 lb 50/16 –; vg frankfurt (oder), urteil vom 22. august 2018 – 2 k 1811/15.a –, jeweils juris. 112das norwegische landinfo führt in seinem „report: relevant social and economic conditions upon return to magadishu“ vom 1. april 2016 aus, dass haupteinnahmequelle der bevölkerung mogadischus die arbeit als tagelöhner sei, daneben würden aber auch hilfeleistungen von hilfsorganisationen und überweisungen aus dem ausland bezogen. arbeitgeber würden freie stellen nicht inserieren, sondern vergäben die jobs an personen, die ihnen durch familie, clanmitgliedschaft oder bekanntschaft als vertrauenswürdig erschienen. tagelöhner fänden sich auf dem bakara markt ein. ein ungelernter arbeiter könne mit körperlicher arbeit normalerweise 200 us-dollar im monat verdienen. nach der einschätzung eines mitarbeiters der internationalen organisation für migration (iom) reichen 400 us-dollar im monat für miete und ernährung einer vierköpfigen familie in mogadischu aus. auch die vermieter würden nach dem vertrauensprinzip vermieten. daher lebten die meisten leute da, wo ihre familie bzw. ihr clan lebe. 113vgl. bayvgh, urteil vom 17. juli 2018 – 20 b 17.31659 –, juris. 114zudem hat sich die wirtschaftliche situation der menschen in somalia, die insbesondere in mogadischu vor einiger zeit noch von einem wirtschaftlichen aufschwung geprägt war, 115vgl. ovg lüneburg, urteil vom 5. dezember 2017 – 4 lb 51/16 –; hessvgh, urteil vom 1. august 2019 – 4 a 2334/18.a –, 116inzwischen verschlechtert. aufgrund der aktuellen weltpolitischen lage sind weitere verschlechterungen zu befürchten. 117das land befindet sich in einer anhaltenden humanitären krise, für die politische, sozioökonomische und umweltfaktoren hauptverantwortlich sind. insbesondere die andauernden konflikte, klimabedingte umweltprobleme, deren häufigkeit zunimmt, die wirtschaftssituation und ausbrüche übertragbarer krankheiten prägen die humanitäre situation. seit anfang 2020 führen zudem überschwemmungen, die wüstenheuschreckenplage und die covid-19-pandemie, die auch gemeinsam als „triple shock“ oder „triple threat 2020“ bezeichnet werden, zu einer verschlechterung der humanitären bedingungen. 118vgl. länderreport somalia, humanitäre situation, stand 09/2021, s. 2 und lagebericht des auswärtigen amtes vom 18. april 2021, s. 22; vgl. auch vg schleswig-holstein, urteil vom 17. november 2020 – 10 a 183/20 –, juris; zu den auswirkungen der aktuellen covid-19-pandemie, die die wirtschaftliche situation, insbesondere für familien mit niedrigen einkünften, verschärft hat; united nations office for the coordination of humanitarian affairs vom 8. juni 2020, somalia, covid-19 impact update no. 8., s. 1 f.; united nations office for the coordination of humanitarian affairs vom 22. juni 2020, somalia, covid-19 impact update no. 9, s. 1; united nations office for the coordination of humanitarian affairs vom 22. juni 2020, somalia, covid-19 impact update no. 10, s. 1, accord, anfragebeantwortung zu somalia vom 7. august 2020, s. 2, abrufbar unter https://www.ecoi.net/de/. 119diese dreifachen herausforderungen führen zu einer weiteren vertreibung einer vielzahl von menschen und verschärfen bestehende ungleichheiten, diskriminierung und schutzlücken. da die mehrheit der somalischen bevölkerung von land-, forst-und fischereiwirtschaft abhängig ist, wirken sich die klimabedingten herausforderungen, wie dürren und überschwemmungen, besonders auf ihren lebensunterhalt aus. im jahr 2020 zerstörten überschwemmungen beispielsweise 144.000 ha agrarland. des weiteren riefen die somalische regierung und die vereinten nationen am 25. april 2021 in einer gemeinsamen erklärung eine dürre-situation aus. mehr als 80 % des landes sind von einer mäßigen bis schweren dürre infolge von unterdurchschnittlichem regen ende 2020, gefolgt von einer wärmeren saison sowie einer verspätet beginnenden regenzeit zwischen april und juni 2021 betroffen, wodurch es zu einer großen wasserknappheit kam. auch die heuschreckenplage, die als schlimmste seit 25 jahren gilt und vornehmlich in ländlichen gebieten eine verschlechterung der situation mit sich bringt, zerstörte bislang 300.000 ha acker-und weideland. darüber hinaus sind die preise für grundnahrungsmittel und rohstoffe aufgrund der covid-19-pandemie gestiegen, was insbesondere für die arme städtische bevölkerung zusätzliche risiken für die ernährungssicherheit bietet. in der städtischen umgebung ist der zugang zum arbeitsmarkt aufgrund der konkurrenzsituation verhältnismäßig schwieriger. da in städten der großteil des einkommens für nahrungsmittel ausgegeben wird, ist die bevölkerung dort auch besonders von steigenden nahrungsmittelpreisen betroffen. aufgrund der durch die covid-19-pandemie negativ beeinflussten lebensmittelpreise und arbeitsmöglichkeiten werden die bedingungen noch erschwert. für die landbevölkerung besteht zudem ein erhöhtes risiko der ernährungsunsicherheit aufgrund von zu erwartender dürre. hirtinnen und hirten sowie die in der feld- und viehwirtschaft tätigen machen 60 % der gesamtbevölkerung aus und ihre lebensgrundlage hängt vornehmlich vom regen ab. aufgrund der häufigen und langwierigen dürrebedingungen in den vergangenen jahren ging die viehherdengröße der in der feld- und viehwirtschaft tätigen bevölkerung in den letzten jahren zurück. zwar haben die überdurchschnittlichen deyr- und gu-niederschlage (das sind die niederschläge von oktober bis dezember bzw. von april bis juni) in den jahren 2019 und 2020 die weidegeneration unterstützt und die prognostizierten auswirkungen ein wenig abgemildert, doch führten die beiden aufeinanderfolgenden unterdurchschnittlichen niederschlagsperioden ende 2020 und anfang 2021 wiederum zu viehverlusten und erhöhten haushaltsausgaben für tierfutter und wasser. die trockenperioden und ein frühes ende der regenzeit verursachten zudem ernteverluste und verringerten das erwirtschaftete einkommen in der landwirtschaft. es wurde erwartet, dass somalia während der deyr-periode von oktober bis dezember 2021 zum dritten mal in folge unterdurchschnittliche niederschläge erlebt, wodurch sich die wirtschaftliche lage der in somalia lebenden menschen erheblich verschlimmern würde. konflikte und eine angespannte sicherheitslage verschärfen zudem die situation. 120vgl. länderreport somalia, humanitäre situation, stand 09/2021, s. 3 unter berufung auf unhrc (united nations human rights council): situation auf human rights in somalia. report of the independent expert on the situation of human rights in somalia. 12171 % der bevölkerung leben derzeit in armut, der anteil bei kindern unter 14 jahren ist dabei noch höher. damit ist somalia eines der ärmsten länder sub-sahara-afrikas. es ist davon auszugehen, dass sich diese entwicklung auch bis zum jahr 2023 fortsetzen wird. 122vgl. länderreport somalia, humanitäre situation, stand 09/2021, s. 3 unter berufung auf world bank: somalia. overview, 18.03.2021; un (united nations) somalia: common country analysis 2020, 25.09.2020. 123mit blick auf den krieg in der ukraine und die damit bevorstehende verschärfung der lebensmittelkrise in afrika ist zudem eine weitere verschlechterung der wirtschaftlichen lage in somalia zu erwarten. die befürchtungen, dass somalia zum dritten mal in folge unterdurchschnittliche niederschläge erlebt, haben sich bestätigt. 124vgl. auch berichte von „spiegel online“ vom 20. märz 2022: „in somalia sind drei regenzeiten in folge ausgeblieben – das sind die folgen. in somalia droht eine verheerende hungersnot. durch den krieg in der ukraine wird alles noch schlimmer. bilder einer krise, auf die kaum jemand schaut“; und vom 19. november 2021: „uno warnt vor dürrekatastrophe in somalia“; vgl. auch den beitrag in der ard „tagesschau“ vom 29, märz 2022: „hungersnot befürchtet: schlimmste dürre seit jahrzenten in somalia“, abgerufen am 1. april 2022 unter https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-1009573.html; sowie den bericht „kein essen, kein wasser, keine medizin. in somalia fliehen hunderttausende vor der verheerenden dürre. mancherorts hat es jahrelang nicht geregnet. selbst in den flüchtlingscamps herrscht not – inzwischen auch wegen des ukraine-kriegs.“, abgerufen am 1. april 2022 unter https://www.tagesschau.de/ausland/afrika/somalia-duerre-101.html. 125trotz dieser zweifellos angespannten lage ist im falle des klägers in der gesamtschau gleichwohl nicht beachtlich wahrscheinlich, dass er in mogadischu der gefahr einer gegen art. 3 emrk verstoßenden verelendung ausgesetzt wäre. die kammer legt vielmehr zu grunde, dass es dem kläger im falle seiner rückkehr nach somalia gelingen wird, jedenfalls seine elementaren bedürfnisse wie nahrung, hygiene und unterkunft zu befriedigen. ein "ganz außergewöhnlicher fall", aus humanitären gründen ein abschiebungsverbot "zwingend" anzunehmen, liegt bei dem kläger nicht vor. dafür sind folgende erwägungen maßgeblich: 126die kammer geht davon aus, dass der kläger in seiner heimatstadt mogadischu noch über familiäre verbindungen verfügt. der kläger hat bei seiner anhörung beim bundesamt angegeben, dass seine eltern in demselben viertel leben, in dem er gelebt habe. zudem lebe seine 24-jährige schwester bei den nachbarn. seine mutter habe essen zubereitet, das er anschließend verkauft habe. von dem erlös habe man leben können. soweit der kläger in der mündlichen verhandlung abweichend davon geschildert hat, seine eltern und seine schwester seien zwischenzeitlich verstorben, folgt das gericht diesen angaben aus den oben unter i.1. dargelegten gründen nicht. 127nach alledem ist nicht anzunehmen, dass der kläger in mogadischu nicht mehr über ein familiäres netzwerk verfügt, das ihn im falle einer rückkehr nach somalia dabei unterstützen würde, zumindest seine elementaren bedürfnisse zu befriedigen. schließlich ist davon auszugehen, dass der kläger in mogadischu auch über sein familiäres umfeld hinaus unterstützung finden könnte. denn er schilderte in der mündlichen verhandlung, dass auch die nachbarn „wie eine familie für uns“ gewesen seien. 128vor diesem hintergrund geht die kammer davon aus, dass es dem anfang 20 jahre alten, gesunden und arbeitsfähigen kläger – notfalls mit hilfe seiner familienangehörigen und freunden – im falle einer rückkehr nach mogadischu gelingen wird, dort jedenfalls ein leben am rande des existenzminimums zu führen. es entspricht der erkenntnislage, dass in erster linie die (erweiterte) familie und ggf. clans oder sub-clans traditionell als soziales sicherungsnetz dienen und jedenfalls rudimentären schutz bieten. 129auswärtiges amt, bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante lage in der bundesrepublik somalia vom 18. april 2021 (s. 22). 130zudem kann er start- und reintegrationshilfen insbesondere des returnee management offices (rmo) in anspruch nehmen, um anfänglich bestehende schwierigkeiten zu überwinden. das rmo hat für alle rückführungsmaßnahmen nach somalia eine einheitliche prozedur festgelegt, die nach der erkenntnislage auch zur anwendung gebracht werden. 131vgl. auswärtiges amt, bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante lage in der bundesrepublik somalia vom 18. april 2021 (s. 23); vgl. auch vg düsseldorf, urteil vom 26. april 2021 – 29 k 10078/18.a -, juris, rn. 100 f; vg frankfurt (oder), urteil vom 26. februar 2021 – 2 k 2258/16.a -, juris, rn. 64 m.w.n. 132der kläger selbst hat auch keine anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass er bei einer rückkehr in seine heimat in eine existenzielle notlage geraten würde. 133iv. 134schließlich folgt auch aus § 60 abs. 7 satz 1 aufenthg kein verbot, den kläger nach somalia abzuschieben. hiernach soll von der abschiebung eines ausländers abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete gefahr für leib, leben oder freiheit besteht. 135der kläger hat schon keine individuellen umstände vorgetragen, aus denen eine solche gefahr resultieren könnte. die aktuelle covid-19-pandemie begründet ebenfalls kein abschiebungsverbot. gefahren, denen die bevölkerung – wie bei der covid-19-pandemie – allgemein ausgesetzt ist, sind vom anwendungsbereich des § 60 abs. 7 satz 1 aufenthg gerade ausgeklammert und können allenfalls im rahmen einer politischen leitentscheidung nach § 60a aufenthg berücksichtigt werden. 136bverwg, urteil vom 13. juni 2013 - 10 c 13.12 -, juris, rn. 13; ovg nrw, urteil vom 24. märz 2020 - 19 a 4470/19.a -, juris, rn. 38; vg düsseldorf, urteil vom 26. april 2021 – 29 k 10078/18.a –, juris rn. 117 ff. 137nur wenn dies zur vermeidung einer verfassungswidrigen schutzlücke erforderlich ist, darf dem ausländer ein abschiebungsverbot zugesprochen werden. 138bverwg, urteil vom 13. juni 2013 - 10 c 13.12 -, juris, rn. 13; bverwg, urteil vom 8. september 2011 - 10 c 14.10 -, rn. 20; bverwg, urteil vom 24. juni 2008 - 10 c 43.07 -, juris, rn. 32; ovg nrw, urteil vom 24. märz 2020 - 19 a 4470/19.a -, juris, rn. 46; ovg nrw, urteil vom 24. märz 2020 - 19 a 4470/19.a -, juris, rn. 38. 139eine solche schutzlücke liegt nur dann vor, wenn der schutzsuchende bei einer rückkehr in das aufnahmeland mit hoher wahrscheinlichkeit einer extremen gefahrenlage ausgesetzt wäre. die drohenden gefahren müssen nach art, ausmaß und intensität von einem solchen gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver betrachtung für den ausländer die begründete furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher weise ein opfer der allgemeinen gefahrenlage zu werden. bezüglich der wahrscheinlichkeit des eintritts der drohenden gefahren ist von einem im vergleich zum prognosemaßstab der beachtlichen wahrscheinlichkeit erhöhten maßstab auszugehen. die gefahren müssen dem ausländer daher mit hoher wahrscheinlichkeit drohen. nach diesem hohen wahrscheinlichkeitsgrad muss eine abschiebung dann ausgesetzt werden, wenn der ausländer ansonsten "gleichsam sehenden auges dem sicheren tod oder schwersten verletzungen ausgeliefert würde". schließlich müssen sich diese gefahren alsbald nach der rückkehr realisieren. 140bverwg, urteil vom 29. september 2011 - 10 c 24/10 -, juris, rn. 20; bverwg, urteil vom 29. juni 2010 - 10 c 10/09 -, juris, rn. 15, ovg nrw, urteil vom 24. märz 2020 - 19 a 4470/19.a -, juris, rn. 48. 141nach diesem maßstab steht dem kläger abschiebungsschutz nicht zu, da die wahrscheinlichkeit, sich in somalia mit covid-19 zu infizieren, nicht erhöht ist. 142vgl. dazu m.w.n. vg düsseldorf, urteil vom 26. april 2021 – 29 k 10078/18.a –, juris rn. 124 ff.; vg frankfurt (oder), urteil vom 26. februar 2021 – 2 k 2258/16.a -, juris. 143es ist auch sonst nichts dafür ersichtlich, dass der kläger als junger mann ohne bekannte vorerkrankungen in somalia sehenden auges dem tod oder schwersten gesundheitsschäden ausgeliefert wäre. 144v. 145die ausreiseaufforderung und die abschiebungsandrohung begegnen danach ebenfalls keinen rechtlichen bedenken. sie entsprechen den vorgaben der §§ 34, 38 abs. 1 asylg i.v.m. § 59 aufenthg. gleiches gilt für die befristung des gesetzlichen einreise- und aufenthaltsverbots gemäß § 11 abs. 1 aufenthg auf 30 monate ab dem tag der abschiebung. 146vi. 147die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 1 vwgo i.v.m. § 83b asylg. die entscheidung zur vorläufigen vollstreckbarkeit beruht auf § 167 vwgo i.v.m. §§ 708 nr. 11, 709, 711 zpo. 148rechtsmittelbelehrung: 149gegen dieses urteil steht den beteiligten die berufung an das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen, aegidiikirchplatz 5, 48143 münster, zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. die berufung ist nur zuzulassen, wenn 1501. die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat, 1512. das urteil von einer entscheidung des oberverwaltungsgerichts, des bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen senats der obersten gerichtshöfe des bundes oder des bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser abweichung beruht oder 1523. ein in § 138 verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – bezeichneter verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt. 153die zulassung der berufung ist bei dem verwaltungsgericht gelsenkirchen, bahnhofsvorplatz 3, 45879 gelsenkirchen, innerhalb eines monats nach zustellung des urteils schriftlich zu beantragen. in dem antrag, der das angefochtene urteil bezeichnen muss, sind die gründe, aus denen die berufung zuzulassen ist, darzulegen. 154auf die unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung von schriftstücken als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d vwgo und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 155im berufungsverfahren muss sich jeder beteiligte durch einen prozessbevollmächtigten vertreten lassen. dies gilt auch für den antrag auf zulassung der berufung. der kreis der als prozessbevollmächtigte zugelassenen personen und organisationen bestimmt sich nach § 67 abs. 4 vwgo.
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17a K 7532/17.A
2022-04-01T00:00:00
Urteil
Tenor Die Beklagte wird unter Aufhebung der Ziffern 4., 5. und 6. des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19. Mai 2017 verpflichtet, ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG für den Kläger hinsichtlich Somalia festzustellen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, tragen die Beklagte zu ¼ und der Kläger zu ¾. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Der im Jahr 1991 in Hosingow (Region Jubbada Hoose) geborene Kläger ist somalischer Staatsangehöriger. 3Er verließ nach eigenen Angaben am 22. Oktober 2014 sein Heimatland und reiste am 5. Juni 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 6. August 2015 bzw. 4. Mai 2017 stellte der Kläger Asylanträge. 4Bei seiner Anhörung bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 10. Mai 2017 gab der Kläger an, er habe in einem Tonstudio und darüber hinaus als Sänger gearbeitet. Von den Einnahmen habe er sich, seine Frau sowie seine acht Kinder versorgen können. Eines Tages habe eine verschleierte Frau das Tonstudio aufgesucht, um den Kläger zu warnen. Er solle das Studio unverzüglich schließen. Etwa drei Tage später seien zwei Frauen gekommen, von denen eine gewollt habe, dass der Kläger für sie eine Musikkassette aufnehme, was der Kläger getan habe. Kurz darauf habe es in dem Raum neben dem Studio eine Explosion gegeben, bei der der Bruder des Klägers und ein Gast ums Leben gekommen seien. Ein Kind des Klägers, dessen Mutter, Ehefrau sowie vier weitere Gäste seien verletzt worden. Der Raum sei völlig zerstört gewesen. Der Kläger vermute, dass die Explosion durch Angehörige der Al-Shabaab verursacht worden sei. Zwei Tage später hätten mehrere bewaffnete und vermummte Männer das Haus des Klägers aufgesucht und auf ihn geschossen. Daraufhin habe der Kläger noch am selben Tag Somalia zu Fuß über die Grenze nach Kenia verlassen. Auch vor diesen Vorfällen sei der Kläger bereits von Angehörigen der Al-Shabaab Miliz aufgesucht worden und man habe ihm gesagt, dass die Tätigkeit, der der Kläger nachgehe, nicht erlaubt sei und dass er damit aufhören solle. Als sie ihn das zweite Mal aufgesucht hätten, habe einer der Männer dem Kläger mit einem Messer zweimal ins Bein gestochen. Dieser Vorfall habe sich etwa drei Wochen, bevor der Kläger Somalia verlassen habe, ereignet. 5Mit Bescheid vom 19. Mai 2017, zugestellt am 26. Mai 2017, lehnte das Bundesamt den Antrag des Klägers auf Asylanerkennung sowie auf Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzstatus ab. Es wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 S. 1 AufenthG nicht vorliegen. Zudem wurde dem Kläger die Abschiebung nach Somalia innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung angedroht. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Wegen der Einzelheiten wird auf die Begründung des Bescheides Bezug genommen (Bl. 38 ff. BA Heft 1). 6Der Kläger hat am 9. Juni 2017 Klage erhoben. 7Zur Begründung beruft er sich auf sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren und führt klarstellend bzw. ergänzend aus, er sei bereits Anfang/Mitte September 2014 von Milizen der Al-Shabaab auf dem Weg vom Tonstudio nach Hause aufgehalten und darauf hingewiesen worden, dass das Studio schließen müsse. Daraufhin habe man ihm als „erste Warnung“ mit einem Messer in das Bein gestochen. Da der Kläger seinen Lebensunterhalt mit dem Tonstudio verdient habe, habe er dieses jedoch in der Folgezeit nicht geschlossen. Etwa zwei Wochen nach diesem Vorfall sei der Kläger von einer Frau besucht worden, die ihn ebenfalls eindringlich dazu aufgefordert habe, das Tonstudio zu schließen. Drei weitere Tage später seien erneut zwei Frauen gekommen, nach deren Besuch es zu der geschilderten Explosion gekommen sei. 8Der Kläger beantragt, 9die Beklagte unter Aufhebung der Ziffern 1. sowie 3. bis 6. des Bescheides vom 19. Mai 2017 zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen, 10hilfsweise, 11ihm den subsidiären Schutz im Sinne des § 4 AsylG zuzuerkennen, 12weiter hilfsweise 13festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 AufenthG vorliegen. 14Die Beklagte beantragt, 15die Klage abzuweisen. 16Zur Begründung bezieht sie sich auf den angefochtenen Bescheid. 17Das Gericht hat den Rechtsstreit zunächst mit Beschluss vom 22. August 2019 auf den Einzelrichter übertragen und mit Beschluss vom 23. Februar 2022 hat die Einzelrichterin das Verfahren wegen einer wesentlichen Änderung der Prozesslage nach Anhörung der Beteiligten zurück auf die Kammer übertragen. 18Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte einschließlich des Sitzungsprotokolls und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen. 19Entscheidungsgründe: 20Die Verpflichtungsklage ist zulässig und begründet, soweit der Kläger ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG begehrt. Der Bescheid der Beklagten vom 19. Mai 2017 erweist sich im nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung folglich hinsichtlich der Ziffern 4. bis 6. als rechtswidrig und verletzt den Kläger insoweit in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO (III.). Im Übrigen ist der Bescheid jedoch rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (I.) oder des subsidiären Schutzes (II.). 21I. 22Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG. Nach dieser Bestimmung ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (Genfer Flüchtlingskonvention - GK -), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - zur Definition dieser Begriffe vgl. § 3 Abs. 1, § 3a Abs. 1 Nr. 1 und 2; Abs. 2 sowie § 3 b Abs. 1 AsylG - außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. 23Gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 und 2 AsylG gelten Handlungen als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen (Nr. 1) oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Nach § 3a Abs. 2 Nr. 1 AsylG kann als eine solche Verfolgung insbesondere die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt gelten. Gemäß § 3c AsylG kann die Verfolgung außer vom Staat auch von Parteien oder Organisationen ausgehen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in § 3c Nummern 1 und 2 AsylG genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. 24Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die genannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. 25Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12-, juris. 26Der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann. 27Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 -10 C 23.12-, juris, m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 -10 C 5.09-, juris, OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 - 8 A 4063/06.A -, juris. 28Die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits in seinem Herkunftsland verfolgt wurde bzw. von solcher Verfolgung unmittelbar bedroht war, ist dabei ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, er werde erneut von solcher Verfolgung bedroht, 29vgl. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 (Qualifikationsrichtlinie). 30Die die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG und § 60 Abs. 1 AufenthG begründenden Tatsachen müssen zur vollen Überzeugung des Gerichts nachgewiesen werden. Für den Nachweis des individuellen Schicksals in der Heimat, aus dem der Asylbewerber seine Furcht vor politischer Verfolgung herleitet, genügt wegen der häufig bestehenden sachtypischen Beweisschwierigkeiten in der Regel eine Glaubhaftmachung. 31Der Schutzsuchende ist gehalten, seine Gründe für das Vorliegen einer politischen Verfolgung schlüssig mit genauen Einzelheiten vorzutragen. 32Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Oktober 2001 – 1 B 24/01 –, juris Rn. 5; OVG NRW, Urteil vom 29. Oktober 2020 – 9 A 1980/17.A –, juris Rn. 36. 33Gemessen an diesen Anforderungen hat der Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Es ist weder feststellbar, dass der Kläger vorverfolgt aus Somalia ausgereist ist (1.), noch dass ihm heute mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bei einer unterstellten Rückkehr nach Somalia Verfolgung droht (2.). 341. 35Eine Vorverfolgung durch die somalische Regierung hat der Kläger weder vorgetragen, noch ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass eine solche stattfindet. Als Verfolger im oben dargestellten Sinne kommen nach dem Vortrag des Klägers daher in erster Linie die Angehörigen der Al-Shabaab-Miliz in Betracht. 36Der Kläger hat nicht glaubhaft gemacht, dass er vor seiner Ausreise einer Verfolgung durch Angehörige dieser Miliz ausgesetzt war. Die Darstellung einer Verfolgung durch die Al-Shabaab-Miliz ist aus den Gründen des Bescheides, auf die insoweit Bezug genommen wird, unglaubhaft. Die Möglichkeit, die bestehenden Zweifel und Unklarheiten auszuräumen und sein Verfolgungsschicksal in der mündlichen Verhandlung glaubhaft zu schildern, hat der Kläger nicht genutzt. Er ist zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen. 372. 38Der Kläger hat auch gegenwärtig bei einer Rückkehr nach Somalia nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine asylrechtlich erhebliche Verfolgung zu befürchten. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatdorf Hosingow in der Region Jubaada Hoose einer gezielten Verfolgung durch die Al-Shabaab-Miliz ausgesetzt wäre, ergeben sich nicht. 39Die Al-Shabaab-Miliz, die in Süd- und Zentralsomalia noch Teile des Landes kontrolliert, ist durch die Anstrengungen der AMISOM-Intervention und der Regierungstruppen aus den meisten größeren Städten und insbesondere aus dem Großraum Mogadischu so weit vertrieben worden, dass sie dort keine Gebiete mehr kontrolliert, sondern zu einer „asymmetrischen Kriegsführung“, bzw. zu Terroranschlägen gegen militärische und sonstige Sicherheitseinrichtungen übergegangen ist. Bestimmte Personengruppen sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt, Opfer eines Anschlags der Al-Shabaab zu werden. Die betroffenen Personen weisen die Gemeinsamkeit auf, dass sie die somalische Regierung unterstützen. Hierzu gehören Angehörige der Sicherheitskräfte, Regierungsmitglieder und regierungsnahe Politiker, Regierungs- und Verwaltungsangestellte, Richter, Mitarbeiter von UN-Organisationen sowie von nationalen und internationalen Nichtregierungsorganisationen einschließlich Mitarbeiter humanitärer Organisationen und Angehörige diplomatischer Missionen, aber auch Akteure der Zivilgesellschaft, Clanälteste, Journalisten oder Geschäftsleute. Die Al-Shabaab-Miliz sieht es nicht gezielt auf Zivilisten ab, nimmt insoweit aber Opfer in Kauf. 40Vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl – Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Somalia – vom 17. September 2019, S. 19; Britisches Home Office: Country Information and Guidance; South and Central Somalia: Fear of Al-Shabaab, Stand März 2016 und Country Information and Guidance; Somalia: Security and humanitarian situation in south and central Somalia, Stand Juli 2016; Karte “Somalia - Areas of Influence as of December 2015”, abgedruckt in: EASO Country of Origin Information report - Somalia: Security Situation, Februar 2016; BayVGH, Urteil vom 27. März 2018 – 20 B 17.31663 –, juris Rn. 36 und Urteil vom 12. Juli 2018 – 20 B 17.31660 –, juris Rn. 28; Hess VGH, Urteil vom 1. August 2019 – 4 A 2334/18.A –, juris Rn. 45 m.w.N. 41Diese Bewertung gilt auch angesichts der im Jahr 2017, Mitte Juli 2019, Dezember 2019 und August 2020 verübten schweren Bombenattentate in Mogadischu und Kismayo. Auch hier waren die Zielobjekte überwiegend Hotels, die bevorzugt durch Ausländer und Regierungsmitglieder frequentiert werden. 42Vgl. z.B. FAZ vom 16. Oktober 2017, „Mehr als 230 Tote bei Anschlag in Mogadischu“; NZZ vom 13.07.2019: Anschlag auf Hotel in Somalia beendet - mindestens 29 Tote; BBC vom 14. Juli 2019 Afgooye, Somalia„Kismayo Attack: At least 26 dead as gunmen storm Somali hotel“; vgl. auch HessVGH, Urteil vom 1. August 2019 – 4 A 2334/18.A –, juris Rn. 45 ff.; BayVGH, Urteil vom 27. März 2018 – 20 B 17.31663 –, juris Rn. 36. 43Da der Kläger nicht zu einer der „exponierten“ Gruppen der somalischen Bevölkerung gehört, ist hiernach nicht beachtlich wahrscheinlich, dass er im Fall einer Rückkehr Repressionen durch die Al-Shabaab-Miliz ausgesetzt wäre. 44Das allgemeine Risiko, als „gewöhnlicher Zivilist“ (zufällig) Opfer eines Terroranschlags zu werden, reicht nicht aus, um von einer gezielten politischen Verfolgung im Sinne der §§ 3 ff. AsylG auszugehen. 45Schließlich ergibt sich auch unter dem Gesichtspunkt einer gewaltsamen Zwangsrekrutierung des Klägers durch die Al-Shabaab-Milz keine flüchtlingsrelevante Verfolgung. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass eine mögliche Zwangsrekrutierung durch die Al-Shabaab gezielt gegen den Kläger aufgrund eines ihm zugeordneten flüchtlingsrelevanten Merkmals im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG drohen könnte. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass Al-Shabaab in der Vergangenheit wahllos Zwangsrekrutierungsversuche unternommen hat und unterschiedslos insbesondere junge Menschen rekrutiert hat. 46VG Düsseldorf, Urteil vom 7. Oktober 2021 – 29 K 1915/19. A –, S. 13 f.; VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 3. März 2020 – 2 K 1198/13. A –, juris Rn. 17. 47Zudem entsprechen solche Zwangsrekrutierungen inzwischen auch nicht mehr dem modus operandi der Al-Shabaab. Aus jüngerer Zeit sind keine oder kaum Meldungen über solche Rekrutierungen bekannt. 48OVG Lüneburg, Urteil vom 5. Dezember 2017 – 4 LB 51/16 –, juris Rn. 44. Vgl. für Mogadischu BayVGH, Urteile vom 27. März 2018 – 20 B 17.31663 –, juris Rn. 18, 24 und 31 und vom 12. Juli 2018 – 20 B 17.31660 –, juris Rn. 28; HessVGH, Urteil vom 1. August 2019 – 4 A 2334/18.A –, juris Rn. 31; VG Halle (Saale), Urteil vom 21. Februar 2019 – 4 A 58/17 –, juris Rn. 49. 49II. 50Der Kläger kann auch keinen subsidiären Schutz (§ 4 Abs. 1 AsylG) beanspruchen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gelten dabei gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). Dies ist bei dem Kläger nicht der Fall. 51Die für den Fall, dass der jeweilige Antragsteller bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat, eingreifende Beweiserleichterung in Gestalt einer widerleglichen tatsächlichen Vermutung setzt auch im Rahmen des subsidiären Schutzes voraus, dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem vor der Ausreise erlittenen oder damals unmittelbar drohenden Schaden (Vorschädigung) und dem befürchteten künftigen Schaden besteht. Denn die der Vorschrift zugrundeliegende Wiederholungsvermutung beruht auf der Vorstellung, dass eine Verfolgungs- oder Schadenswiederholung - bei gleichbleibender Ausgangssituation - aus tatsächlichen Gründen naheliegt. 52BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, BVerwGE 136, 360 Rn. 31; Urteil vom 17. November 2011 - 10 C 13.10 -, NVwZ 2012, 454 Rn. 21; BVerwG, Beschluss vom 15. August 2017 – 1 B 123/17, juris Rn. 8; OVG Niedersachsen, Urteil vom 5. Dezember 2017 - 4 LB 50/16 -, juris Rn. 32; Bayerischer VGH, Urteil vom 26. April 2018 - 20 B 17.30947 -, juris Rn. 18. 53Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. 54Die Gefahr eines ernsthaften Schadens durch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht ihm nicht in Bezug auf mögliche Repressionen durch die Al-Shabaab-Miliz wegen des Betriebs eines Tonstudios (nachfolgend 1.). Ein ernsthafter Schaden droht auch weder angesichts der wirtschaftlichen Lage in Somalia (nachfolgend 2.), noch aufgrund einer Bedrohung im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (nachfolgend 3.). 551. 56Soweit er anführt, Repressionen seitens der Al-Shabaab zu befürchten, führt dies nicht zur Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus, weil sein Vortrag aus den bereits dargelegten Gründen unglaubhaft ist. 572. 58Dem Kläger ist der subsidiäre Schutzstatus fernerhin nicht aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage in Somalia, insbesondere in der Region Jubbada Hoose, zuzuerkennen. Denn unabhängig davon, ob die humanitären Bedingungen für den Kläger in seinem Heimatstaat eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen (dazu sogleich unter III.), ist diese Situation keinem Akteur im Sinne des § 3c AsylG zuzurechnen, was gemäß § 4 Abs. 3 AsylG Voraussetzung wäre. 59Zwar ist die Gefahr, bei einer Rückkehr nach Somalia wegen schlechter humanitärer Bedingungen zu Schaden zu kommen, nicht alleine auf generelle Armut oder fehlende staatliche Mittel zurückzuführen, sondern sie geht überwiegend auf direkte oder indirekte Aktionen der am Konflikt in Somalia beteiligten Akteure zurück. 60BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, juris Rn. 25; OVG Niedersachsen, Urteil vom 5. Dezember 2017 - 4 LB 50/16 -, juris Rn. 70. 61Dies reicht aber für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, dass die schlechten humanitären Bedingungen zielgerichtet von einem Akteur gemäß § 3c AsylG hervorgerufen oder jedenfalls wesentlich verstärkt werden. 62BVerwG, Beschluss vom 13. Februar 2019 - 1 B 2.19 -, juris Rn. 13; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Oktober 2018 - A 11 S 316/17 -, juris Rn. 54 ff., insbesondere Rn. 77 bis 79. 63Dass die gegenwärtigen humanitären Bedingungen in Somalia bewusst von einer der an dem Konflikt beteiligten Parteien bzw. einem Akteur im Sinne des § 3c AsylG hervorgerufen oder gefördert worden wären, lässt sich nicht feststellen. 64BVerwG, Urteil vom 20. Mai 2020 – 1 C 11/19 –, juris Rn. 9; OVG Lüneburg, Urteil vom 25. Februar 2021 – 4 LA 212/19 –, juris Rn. 9f.. 653. 66Ein Anspruch des Klägers auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus resultiert schließlich nicht daraus, dass er als Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG) ausgesetzt wäre. 67Ob in diesem Zusammenhang in der somalischen Hauptstadt Mogadischu oder in der Heimatregion des Klägers weiterhin ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt besteht, 68so anscheinend bejahend BVerwG, Urteil vom 20. Mai 2020 – 1 C 11/19 –, juris Rn. 19 a.E.; so wohl auch BayVGH, Urteil vom 12. Juli 2018 – 20 B 17.31660 –, juris Rn. 19; offen lassend hingegen BayVGH, Urteil vom 27. März 2017 – 20 B 17.31663; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16. Dezember 2015 – 10 A 10689/15 –, juris Rn. 35; HessVGH, Urteil vom 1. August 2019 – 4 A 2334/18.A –, juris Rn. 38; bejahend für die Provinz Jubbada Hoose OVG Lüneburg, Urteil vom 5. Dezember 2017 – 4 LB 50/16 –, 69kann dahinstehen, da der Kläger als Zivilpersonen aufgrund der gegenwärtigen Konfliktlage jedenfalls keiner ernsthaften, individuellen Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt ist. 70Für eine ernsthafte individuelle Bedrohung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG genügt es nicht, wenn der innerstaatliche bewaffnete Konflikt zu permanenten Gefährdungen der Bevölkerung und zu schweren Menschenrechtsverletzungen führt. 71BVerwG, Urteil vom 13. Februar 2014 - 10 C 6.13 -, juris Rn. 24; OVG Niedersachsen, Urteil vom 5. Dezember 2017 - 4 LB 50/16 - juris Rn. 38; Bayerischer VGH, Urteil vom 27. März 2018 - 20 B 17.31663 -, juris Rn. 26. 72Gleichwohl kann sich eine von einem bewaffneten Konflikt ausgehende allgemeine Gefahr individuell verdichten und damit die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG erfüllen. 73BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 -, juris Rn. 34; HessVGH, Urteil vom 1. August 2019 – 4 A 2334/18.A –, juris Rn. 39; OVG Niedersachsen, Urteil vom 5. Dezember 2017 - 4 LB 50/16 - juris Rn. 38; Bayerischer VGH, Urteil vom 27. März 2018 - 20 B 17.31663 -, juris Rn. 26. 74Demnach sind in jedem Fall Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt in dem betreffenden Gebiet zu treffen. Liegen in der Person des jeweiligen Antragstellers keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist für ein Schutzbedürfnis ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich. Liegen hingegen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. 75BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, juris Rn. 33; HessVGH, Urteil vom 1. August 2019 – 4 A 2334/18.A –, juris Rn. 39; OVG Niedersachsen, Urteil vom 5. Dezember 2017 - 4 LB 50/16 -, juris Rn. 38; Bayerischer VGH, Urteil vom 27. März 2018 - 20 B 17.31663 -, juris Rn. 27. 76Zu diesen persönlichen Umständen gehören solche Aspekte, die den jeweiligen Antragsteller von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen - z.B. als Arzt oder Journalist - gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Daneben können aber auch Umstände ausschlaggebend sein, aufgrund derer der jeweilige Antragsteller als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt ist. 77BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, juris Rn. 33; OVG Niedersachsen, Urteil vom 5. Dezember 2017 - 4 LB 50/16 -, juris Rn. 38. 78Auch im Fall gefahrerhöhender persönlicher Umstände muss aber ein hohes Niveau willkürlicher Gewalt bzw. eine hohe Gefahrendichte für die Zivilbevölkerung in dem fraglichen Gebiet festgestellt werden. Allein das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts und die Feststellung eines gefahrerhöhenden Umstandes in der Person des Antragstellers reichen hierfür nicht aus. Dabei kann eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, für das Vorliegen einer „ernsthaften individuellen Bedrohung“ herangezogen werden. 79Vgl. EuGH, Urteil vom 10. Juni 2021 – C-901/19 –, juris. 80Wenn die tatsächlichen Opfer der Gewaltakte, die von den Konfliktparteien gegen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit der in der betreffenden Region lebenden Zivilpersonen verübt werden, einen hohen Anteil an deren Gesamtzahl ausmachen, ist nämlich der Schluss zulässig, dass es in der Zukunft weitere zivile Opfer in der Region geben könnte. Eine solche Feststellung könnte somit belegen, dass eine ernsthafte Bedrohung im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95 gegeben ist. Andererseits kann jedoch diese Feststellung nicht das einzige ausschlaggebende Kriterium für die Feststellung einer „ernsthaften individuellen Bedrohung“ sein. Insbesondere kann das Fehlen einer solchen Feststellung für sich genommen nicht ausreichen, um systematisch und unter allen Umständen die Gefahr einer solchen Bedrohung im Sinne dieser Bestimmung auszuschließen und um damit automatisch und ausnahmslos zu einem Ausschluss des subsidiären Schutzes zu führen. Um festzustellen, ob eine „ernsthafte individuelle Bedrohung“ vorliegt, ist daher eine umfassende Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls, insbesondere derjenigen, die die Situation des Herkunftslands des Antragstellers kennzeichnen, erforderlich. Hierfür können insbesondere die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Organisationsgrad der beteiligten Streitkräfte und die Dauer des Konflikts als Faktoren berücksichtigt werden. Ferner können andere Gesichtspunkte herangezogen werden, etwa das geographische Ausmaß der Lage willkürlicher Gewalt, der tatsächliche Zielort des Antragstellers bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder Gebiet und die Aggression der Konfliktparteien gegen Zivilpersonen, die eventuell mit Absicht erfolgt. 81Vgl. EuGH, Urteil vom 10. Juni 2021 – C-901/19 –, juris Rn. 32 ff. 82Hinsichtlich der anzustellenden Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweit herrschenden Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Antragstellers bei einer Rückkehr abzustellen, wobei als Zielort der Abschiebung in der Regel die Herkunftsregion anzusehen ist, in die der Betreffende typischerweise zurückkehren wird. 83BVerwG, Urteil vom 20. Mai 2020 - 1 C 11.19 -, juris Rn. 17; OVG Niedersachsen, Urteil vom 5. Dezember 2017 - 4 LB 50/16 -, juris Rn. 39; Bayerischer VGH, Urteil vom 27. März 2018 - 20 B 17.31663 -, juris Rn. 28. 84Dies ist bei dem Kläger Hosingow, da er dort zuletzt gelebt hat und somit zu erwarten wäre, dass er auch dorthin zurückkehren würde. 85Gemessen an den vorgenannten Kriterien fehlt es jedoch an einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Klägers bei einer Rückkehr nach Hosingow. 86Gefahrerhöhende persönliche Umstände, die ihn wegen persönlicher Merkmale einem besonderen Sicherheitsrisiko aussetzen könnten, liegen nicht vor. Der Kläger gehört keiner Risikogruppe an. 87Gefahrerhöhende Umstände ergeben sich nicht bereits aus seiner Situation als Rückkehrer nach einem Auslandsaufenthalt. Zwar sieht die Al-Shabaab Rückkehrer aus westlichen Ländern möglicherweise als Spione der Regierungstruppen an; da sie aber in den unter der Kontrolle der Regierung stehenden Gebieten nicht mehr frei agieren kann und angesichts der Zahl von rückkehrenden Personen, u.a. auch Binnenvertriebenen und Flüchtlingen aus Kenia, kann allein die Rückkehr aus dem Ausland nicht als gefahrerhöhende Moment angesehen werden. 88So auch BayVGH, Urteile vom 27. März 2018 – 20 B 17.31663 –, juris Rn. 31 und vom 17. Juli 2018 – 20 B 17.31659 –, juris Rn. 23 und OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16. Dezember 2015 – 10 A 10689/15 – juris Rn. 41; OVG Lüneburg, Urteil vom 5. Dezember 2017 – 4 LB 50/16 –, juris. 89Der Kläger kann auch nicht als gefahrerhöhenden Umstand für sich reklamieren, bereits früher in den Fokus der Al-Shabaab geraten zu sein, da sein diesbezüglicher Vortrag nicht glaubhaft ist. 90Auch die Gefahr einer Zwangsrekrutierung durch die Al-Shabaab-Miliz besteht, wie bereits ausgeführt, nicht. 91Es lässt sich schließlich nicht feststellen, dass die allgemeine Lage in der Heimatregion des Klägers so gefährlich ist, dass sie sich unabhängig von persönlichen Merkmalen gegenüber jeder Zivilperson individualisiert. Eine genaue Bewertung der Gefahrendichte erscheint aufgrund einer fehlenden zuverlässigen Datenlage in Somalia kaum verlässlich möglich. 92So auch BayVGH, Beschluss vom 30. Januar 2017 – 20 ZB 16.30685 – und Urteile vom 27. März 2018 – 20 B 17.31663 – und 12. Juli 2018 – 20 B 17.31660 –, jeweils juris; VG Aachen, Urteil vom 17. Februar 2017 – 7 K 3281/16.A; VG Wiesbaden, Urteile vom 16. Mai 2018 –7 K 1600/17.WI.A und 14. März 2019 – 7 K 1139/17 – und OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16. Dezember 2015 – 10 A 10689/15 – und HessVGH, Urteil vom 1. August 2019 – 4 A 2334/18.A. Offen lassend BVerwG, Urteil vom 20. Mai 2020 – 1 C 11/19 –, juris. 93Aktuelle Erkenntnisse, die eine andere Bewertung gebieten würden, liegen nicht vor. Nach wie vor finden in fast allen Regionen Somalias südlich von Puntland regelmäßig örtlich begrenzte Kampfhandlungen zwischen AMISOM bzw. somalischen Sicherheitskräften und Al Shabaab statt. Für 2019 sind insgesamt 1.459 zivile Opfer (591 Getötete, 868 Verletzte) dokumentiert. Von Januar 2020 bis August 2020 gab es fast 600 zivile Opfer. Im Dezember 2019 wurden bei einem Sprengstoffattentat von Al-Shabaab in Mogadischu mehr als 90 Menschen getötet, nachdem dem bislang verheerendsten Anschlag am 14. Oktober 2017 in Mogadischu mindestens 587 Menschen zum Opfer gefallen waren. Insgesamt hat sich die Zahl der getöteten Zivilistinnen und Zivilisten allerdings seit 2017 etwa halbiert und ging die Zahl der Verletzten geringfügig zurück. 94Vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 18. April 2021, Ziff. 2.4, „Bürgerkriegsgebiete“, S. 18 f.; vgl. zum Gewaltniveau in Mogadischu auch VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 26. Februar 2021 – 2 K 2258/16.A -, juris, Rn. 59 f.; ACCORD - Themendossier in Somalia: Sicherheitslage, 14. April 2020. 95Auch ungeachtet einer quantitativen Bewertung ergibt sich bei wertender Gesamtbetrachtung des vorliegenden Erkenntnismaterials für die Region Jubbada Hoose keine derart unsichere Situation, dass jede Person allein aufgrund ihrer bloßen Anwesenheit einer erheblichen Gefahr für Leib bzw. Leben ausgesetzt ist und mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, Opfer willkürlicher Gewalt zu werden. 96III. 97Die Voraussetzungen von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK liegen vor. 98Danach darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Nach Art. 3 EMRK ergibt sich die Verpflichtung, einen Ausländer nicht abzuschieben, wenn er für diesen Fall tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Bei Verneinung sowohl der Voraussetzungen des Flüchtlingsstatus (vgl. § 3a Abs. 2 AsylG) als auch des subsidiären Schutzes (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) scheidet in der Regel aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus. Als Auffangtatbestand kommt § 60 Abs. 5 AufenthG nur dann in Betracht, wenn die unmenschliche oder erniedrigende Behandlung keinem der Akteure im Sinne von § 3c AsylG (i. V. m. § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG) zugeordnet werden kann. 99Der Schutz vor unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Aufnahmeland umfasst jedoch nicht das Recht auf Verbleib in einem Konventionsstaat, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht allein nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen. Die sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnisse im Bestimmungsland sind hingegen nicht notwendig für die Frage bedeutend und erst recht nicht dafür entscheidend, ob der Betroffene in diesem Gebiet wirklich der Gefahr einer Misshandlung unter Verstoß gegen Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Denn die Konvention zielt hauptsächlich darauf ab, bürgerliche und politische Rechte zu schützen. Die grundlegende Bedeutung von Art. 3 EMRK macht aber eine gewisse Flexibilität erforderlich, um in sehr ungewöhnlichen Fällen eine Abschiebung zu verhindern. In ganz außergewöhnlichen Fällen können daher auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen die Aufenthaltsbeendigung zwingend sind. 100Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Mai 2020 - 1 C 11.19 -, NVwZ 2021, 327, juris, Rn. 10, und Beschluss vom 13. Februar 2019 - 1 B 2.19 -, juris, Rn. 6, 10; OVG NRW, Urteile vom 25. Mai 2021 – 19 A 635/20.A –, juris Rn. 12, vom 24. März 2020 – 19 A 4604/19.A –, Rn. 32 f., und vom 18. Juni 2019 - 13 A 3930/18.A -, juris, Rn. 111, 289 m. w. N. 101Eine Verletzung des Art. 3 EMRK kommt daher in besonderen Ausnahmefällen auch bei "nichtstaatlichen" Gefahren aufgrund prekärer Lebensbedingungen in Betracht, bei denen ein "verfolgungsmächtiger Akteur" (§ 3c AsylG) fehlt, wenn die humanitären Gründe gegen die Aufenthaltsbeendigung "zwingend" sind mit Blick auf die allgemeine wirtschaftliche Lage und die Versorgungslage betreffend Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung. Die einem Ausländer im Zielstaat drohenden Gefahren müssen hierfür jedenfalls ein "Mindestmaß an Schwere" (minimum level of severity) aufweisen; es kann erreicht sein, wenn er seinen existentiellen Lebensunterhalt nicht sichern kann, kein Obdach findet oder keinen Zugang zu einer medizinischen Basisbehandlung erhält. Das wirtschaftliche Existenzminimum des Ausländers muss unter Berücksichtigung sowohl der allgemeinen Lebensverhältnisse vor Ort als auch seiner persönlichen Umstände gewährleistet sein. Erforderlich, aber auch ausreichend hierfür ist die Sicherung der Existenz auf einem Mindestniveau, das eine Verletzung des Art. 3 EMRK vermeidet. 102Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Februar 2021 - 1 C 4.20 -, Rn. 27 ff., 33 ff., 65, 67, Beschluss vom 22. September 2020 - 1 B 39.20 -, juris, Rn. 6, und Urteil vom 4. Juli 2019 - 1 C 45.18 -, BVerwGE 166, 113, juris, Rn. 12 m. w. N. aus der Rechtsprechung von EuGH und EGMR; OVG NRW, Urteil vom 25. Mai 2021 – 19 A 635/20.A –, juris Rn. 14 ff. 103Nach diesen Maßstäben ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger sich im Falle einer Rückkehr nach Somalia ein Leben am Rande des Existenzminimums sichern könnte. 104Dabei ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unter Verweis auf die Rechtsprechung des EGMR für die Prüfung der maßgeblichen Umstände grundsätzlich auf den gesamten Zielstaat abzustellen und zunächst der Ort in den Blick zu nehmen, an dem die Abschiebung endet. 105Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15/12 –, juris, Rn. 26; BayVGH Urteil vom 17. Juli 2018 – 20 B 17.31659 –, juris Rn. 36. 106Dies ist vorliegend Mogadischu, da die Abschiebung dort aller Voraussicht nach enden würde, weil (nur) die Hauptstadt mit Linienflügen direkt angeflogen werden kann. Im Ergebnis hat jedoch die Prüfung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK unter Berücksichtigung aller Möglichkeiten der Wohnsitznahme in Somalia zu erfolgen. Vorrang hat nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Prüfung, ob eine derartige Gefahr bei einer Niederlassung am Endpunkt der Abschiebung, also in Mogadischu, besteht. Anschließend ist zu prüfen, ob eine Niederlassung des Klägers an seinem Herkunftsort möglich ist und ob er diesen zumutbar erreichen kann. Schließlich wäre noch zu prüfen, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative an einem anderen Ort in Somalia bzw. deren Erreichbarkeit vorliegt. 107Der Kläger stammt nicht aus Mogadischu und hat auch keine verwandtschaftlichen oder sonstigen Beziehungen dorthin. 108Nach der Auskunftslage sind die Möglichkeiten von Personen ohne verwandtschaftliche oder Clanverbindungen nach Mogadischu, dort ihren Lebensunterhalt zu verdienen, sehr begrenzt. 109Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 18. April 2021 (S. 22), wonach die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln in weiten Landesteilen Somalias nicht gewährleistet ist. Es gibt keinen sozialen Wohnraum oder Sozialhilfe. Nur die erweiterte Familie inklusive des Sub-Clans oder Clans dient als soziales Sicherungsnetz und bietet oftmals zumindest einen rudimentären Schutz. Vgl. auch BayVGH, Urteil vom 17. Juli 2018 – 20 B 17.31659 –, juris mit weiteren Nachweisen; HessVGH Urteil vom 1. August 2019 – 4 A 2334/18. A –; OVG Lüneburg, Urteil vom 5. Dezember 2017 – 4 LB 50/16 –; VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 22. August 2018 – 2 K 1811/15.A –, jeweils juris. 110Das Norwegische Landinfo führt in seinem „Report: Relevant social and economic conditions upon return to Magadishu“ vom 1. April 2016 aus, dass Haupteinnahmequelle der Bevölkerung Mogadischus die Arbeit als Tagelöhner sei, daneben würden aber auch Hilfeleistungen von Hilfsorganisationen und Überweisungen aus dem Ausland bezogen. Arbeitgeber würden freie Stellen nicht inserieren, sondern vergäben die Jobs an Personen, die ihnen durch Familie, Clanmitgliedschaft oder Bekanntschaft als vertrauenswürdig erschienen. Tagelöhner fänden sich auf dem Bakara Markt ein. Ein ungelernter Arbeiter könne mit körperlicher Arbeit normalerweise 200 US-Dollar im Monat verdienen. Nach der Einschätzung eines Mitarbeiters der Internationalen Organisation für Migration (IOM) reichen 400 US-Dollar im Monat für Miete und Ernährung einer vierköpfigen Familie in Mogadischu aus. Auch die Vermieter würden nach dem Vertrauensprinzip vermieten. Daher lebten die meisten Leute da, wo ihre Familie bzw. ihr Clan lebe. 111Vgl. BayVGH, Urteil vom 17. Juli 2018 – 20 B 17.31659 –, juris. 112Zudem hat sich die wirtschaftliche Situation der Menschen in Somalia, die insbesondere in Mogadischu vor einiger Zeit noch von einem wirtschaftlichen Aufschwung geprägt war, 113vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 5. Dezember 2017 – 4 LB 51/16 –; HessVGH, Urteil vom 1. August 2018 – 4 A 2334/18.A –, 114inzwischen verschlechtert. Aufgrund der aktuellen weltpolitischen Lage sind weitere Verschlechterungen zu befürchten. 115Das Land befindet sich in einer anhaltenden humanitären Krise, für die politische, sozioökonomische und Umweltfaktoren hauptverantwortlich sind. Insbesondere die andauernden Konflikte, klimabedingte Umweltprobleme, deren Häufigkeit zunimmt, die Wirtschaftssituation und Ausbrüche übertragbarer Krankheiten prägen die humanitäre Situation. Seit Anfang 2020 führen zudem Überschwemmungen, die Wüstenheuschreckenplage und die Covid-19-Pandemie, die auch gemeinsam als „Triple Shock“ oder „Triple Threat 2020“ bezeichnet werden, zu einer Verschlechterung der humanitären Bedingungen. 116Vgl. Länderreport Somalia, humanitäre Situation, Stand 09/2021, S. 2 und Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 18. April 2021, S. 22; vgl. auch VG Schleswig-Holstein, Urteil vom 17. November 2020 – 10 A 183/20 –, juris; zu den Auswirkungen der aktuellen Covid-19-Pandemie, die die wirtschaftliche Situation, insbesondere für Familien mit niedrigen Einkünften, verschärft hat; United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs vom 8. Juni 2020, Somalia, Covid-19 Impact Update No. 8., S. 1 f.; United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs vom 22. Juni 2020, Somalia, Covid-19 Impact Update No. 9, S. 1; United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs vom 22. Juni 2020, Somalia, Covid-19 Impact Update No. 10, S. 1, ACCORD, Anfragebeantwortung zu Somalia vom 7. August 2020, S. 2, abrufbar unter https://www.ecoi.net/de/. 117Diese dreifachen Herausforderungen führen zu einer weiteren Vertreibung einer Vielzahl von Menschen und verschärfen bestehende Ungleichheiten, Diskriminierung und Schutzlücken. Da die Mehrheit der somalischen Bevölkerung von Land-, Forst-und Fischereiwirtschaft abhängig ist, wirken sich die klimabedingten Herausforderungen, wie Dürren und Überschwemmungen, besonders auf ihren Lebensunterhalt aus. Im Jahr 2020 zerstörten Überschwemmungen beispielsweise 144.000 ha Agrarland. Des Weiteren riefen die somalische Regierung und die Vereinten Nationen am 25. April 2021 in einer gemeinsamen Erklärung eine Dürre-Situation aus. Mehr als 80 % des Landes sind von einer mäßigen bis schweren Dürre infolge von unterdurchschnittlichem Regen Ende 2020, gefolgt von einer wärmeren Saison sowie einer verspätet beginnenden Regenzeit zwischen April und Juni 2021 betroffen, wodurch es zu einer großen Wasserknappheit kam. Auch die Heuschreckenplage, die als schlimmste seit 25 Jahren gilt und vornehmlich in ländlichen Gebieten eine Verschlechterung der Situation mit sich bringt, zerstörte bislang 300.000 ha Acker-und Weideland. 118Darüber hinaus sind die Preise für Grundnahrungsmittel und Rohstoffe aufgrund der Covid-19-Pandemie gestiegen, was insbesondere für die arme städtische Bevölkerung zusätzliche Risiken für die Ernährungssicherheit bietet. In der städtischen Umgebung ist der Zugang zum Arbeitsmarkt aufgrund der Konkurrenzsituation verhältnismäßig schwieriger. Da in Städten der Großteil des Einkommens für Nahrungsmittel ausgegeben wird, ist die Bevölkerung dort auch besonders von steigenden Nahrungsmittelpreisen betroffen. Aufgrund der durch die Covid-19-Pandemie negativ beeinflussten Lebensmittelpreise und Arbeitsmöglichkeiten werden die Bedingungen noch erschwert. Für die Landbevölkerung besteht zudem ein erhöhtes Risiko der Ernährungsunsicherheit aufgrund von zu erwartender Dürre. Hirtinnen und Hirten sowie die in der Feld- und Viehwirtschaft Tätigen machen 60 % der Gesamtbevölkerung aus und ihre Lebensgrundlage hängt vornehmlich vom Regen ab. Aufgrund der häufigen und langwierigen Dürrebedingungen in den vergangenen Jahren ging die Viehherdengröße der in der Feld- und Viehwirtschaft tätigen Bevölkerung in den letzten Jahren zurück. Zwar haben die überdurchschnittlichen Deyr- und Gu-Niederschlage (das sind die Niederschläge von Oktober bis Dezember bzw. von April bis Juni) in den Jahren 2019 und 2020 die Weidegeneration unterstützt und die prognostizierten Auswirkungen ein wenig abgemildert, doch führten die beiden aufeinanderfolgenden unterdurchschnittlichen Niederschlagsperioden Ende 2020 und Anfang 2021 wiederum zu Viehverlusten und erhöhten Haushaltsausgaben für Tierfutter und Wasser. Die Trockenperioden und ein frühes Ende der Regenzeit verursachten zudem Ernteverluste und verringerten das erwirtschaftete Einkommen in der Landwirtschaft. Es wurde erwartet, dass Somalia während der Deyr-Periode von Oktober bis Dezember 2021 zum dritten Mal in Folge unterdurchschnittliche Niederschläge erlebt, wodurch sich die wirtschaftliche Lage der in Somalia lebenden Menschen erheblich verschlimmern würde. Konflikte und eine angespannte Sicherheitslage verschärfen zudem die Situation. 119Vgl. Länderreport Somalia, Humanitäre Situation, Stand 09/2021, S. 3 unter Berufung auf UNHRC (United Nations Human Rights Council): Situation auf human rights in Somalia. Report of the Independent Expert on the situation of human rights in Somalia. 12071 % der Bevölkerung leben derzeit in Armut, der Anteil bei Kindern unter 14 Jahren ist dabei noch höher. Damit ist Somalia eines der ärmsten Länder Sub-Sahara-Afrikas. Es ist davon auszugehen, dass sich diese Entwicklung auch bis zum Jahr 2023 fortsetzen wird. 121Vgl. Länderreport Somalia, Humanitäre Situation, Stand 09/2021, S. 3 unter Berufung auf World Bank: Somalia. Overview, 18.03.2021; UN (United Nations) Somalia: Common Country Analysis 2020, 25.09.2020. 122Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine und die damit bevorstehende Verschärfung der Lebensmittelkrise in Afrika ist zudem eine weitere Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage in Somalia zu erwarten. Die Befürchtungen, dass Somalia zum dritten Mal in Folge unterdurchschnittliche Niederschläge erlebt, haben sich bestätigt. 123Vgl. auch Berichte von „Spiegel Online“ vom 20. März 2022: „In Somalia sind drei Regenzeiten in Folge ausgeblieben – das sind die Folgen. In Somalia droht eine verheerende Hungersnot. Durch den Krieg in der Ukraine wird alles noch schlimmer. Bilder einer Krise, auf die kaum jemand schaut“; und vom 19. November 2021: „UNO warnt vor Dürrekatastrophe in Somalia“; vgl. auch den Beitrag in der ARD „Tagesschau“ vom 29, März 2022: „Hungersnot befürchtet: Schlimmste Dürre seit Jahrzenten in Somalia“, abgerufen am 1. April 2022 unter https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-1009573.html; sowie den Bericht „Kein Essen, kein Wasser, keine Medizin. In Somalia fliehen Hunderttausende vor der verheerenden Dürre. Mancherorts hat es jahrelang nicht geregnet. Selbst in den Flüchtlingscamps herrscht Not – inzwischen auch wegen des Ukraine-Kriegs.“, abgerufen am 1. April 2022 unter https://www.tagesschau.de/ausland/afrika/somalia-duerre-101.html. 124In der Gesamtschau ist also mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass der Kläger in Mogadischu der Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Verelendung ausgesetzt wäre. Es ist davon auszugehen, dass er in einem Flüchtlingslager („settlements“) in Mogadischu unterkommen müsste und sich allenfalls punktuell als Tagelöhner verdingen könnte. Bei lebensnaher Betrachtungsweise könnte er so seine Grundbedürfnisse nicht in ausreichender Weise decken. Der somalische Staat bietet generell keine Hilfsprogramme an; internationale Hilfsprojekte sind zwar verfügbar, können aber nur – wenn überhaupt – elementarste Grundbedürfnisse decken und erreichen in der Regel nicht alle Bedürftigen. 125Vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 18. April 2021 (S. 22). 126Erschwerend kommt hinzu, dass Personen, die über keine Kontakte in Mogadischu verfügen, einem erheblichen Konkurrenzdruck durch andere Flüchtlinge und Rückkehrer ausgesetzt sind. 127OVG Lüneburg, Urteil vom 5. Dezember 2017 – 4 LB 50/16 –, juris m.w.N. 128Ohne Verbindungen in erster Linie zu Familien- oder ggf. Clanmitgliedern und ohne finanzielle Unterstützung wäre der Kläger in Mogadischu weitgehend schutzlos. 129Es ist nicht davon auszugehen, dass sich die Lage für den Kläger in anderen Landesteilen Somalias, auch nicht in seiner Heimatregion Jubbada Hoose, günstiger darstellen würde. Zwar wäre dem Kläger die Reise nach Hosingow möglich. Sämtliche Regionen Südsomalias sind von Mogadischu aus mit dem Bus erreichbar, wobei die Reise teilweise auch Übernachtungen erfordert. Gefahren gehen vor allem von Straßensperren („Checkpoints“) aus, die von sämtlichen Konfliktakteuren – Clan-Milizen, staatlichen Truppen und Al-Shabaab – sowie von Banditen errichtet werden. Regelmäßig geht es bei diesen Sperren um die Generierung von zusätzlichen Einnahmen. Fahrer versuchen, soweit wie möglich auf sichere Routen auszuweichen oder Reisen zeitlich zu verschieben, sofern im Vorwege Informationen über Sperren kursieren. Entscheidend für Reisende, die in solche Sperren geraten, ist es, nicht aufzufallen. 130OVG Lüneburg, Urteil vom 5. Dezember 2017 – 4 LB 50/16 –; BayVGH, Urteil vom 17. Juli 2018 – 20 B 17.31659 –, jeweils juris. 131Auch in Hosingow würde der Kläger bei lebensnaher Betrachtung und mit Blick auf die dargestellte zunehmend katastrophaler werdende Situation in Somalia jedoch keine Lebensumstände vorfinden, die ihn vor einer Verelendung schützen könnten. Es ist nicht davon auszugehen, dass es dem Kläger gelingen wird, in seinem Heimatdorf Hosingow in der Region Jubbada Hoose eine den Mindestanforderungen genügende Lebensgrundlage zu finden. Nichts anderes gilt, sollte sich seine Familie nach wie vor in dieser Region aufhalten. Angesichts der dargestellten, äußerst besorgniserregenden Krisensituation in Somalia muss davon ausgegangen werden, dass die Familie dort nicht einmal für sich selbst eine Grundlage findet, die ein Leben am Rande des Existenzminimums sichern könnte. 132Schließlich würde der Kläger auch in Kismayo oder anderen Regionen Somalias keine Lebensumstände vorfinden, die ihn vor einer Verelendung schützen könnten. Der Kläger verfügt dort nicht über ein soziales Netzwerk, das ihn dabei unterstützen könnte, seinen Lebensunterhalt zu sichern. Mit einer finanziellen Unterstützung durch andere Familien- oder Clanmitglieder oder aus dem Ausland könnte der Kläger nicht rechnen. In Kismayo dürfte zudem von zahlreichen Rückkehrern aus Kenia ein Konkurrenzdruck ausgehen, deren Hauptziel Kismayo ist. 133Vgl. Sicherheitslage in Somalia - Bericht zur österreichisch-schweizerischen Fact Finding Mission, August 2017, S. 60; OVG Lüneburg, Urteil vom 5. Dezember 2017 – 4 LB 50/16 –, juris Rn 69. 134IV. 135Da der Kläger einen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots hat, ist auch die Abschiebungsandrohung und die Befristungsentscheidung hinsichtlich des Einreise- und Aufenthaltsverbots (Ziffern 5 und 6 des Bescheids) rechtswidrig und aufzuheben. 136V. 137Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 83b AsylG. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO. 138Rechtsmittelbelehrung: 139Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn 1401. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 1412. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 1423. ein in § 138 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt. 143Die Zulassung der Berufung ist bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich zu beantragen. In dem Antrag, der das angefochtene Urteil bezeichnen muss, sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. 144Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 145Im Berufungsverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung. 146Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO.
die beklagte wird unter aufhebung der ziffern 4., 5. und 6. des bescheides des bundesamtes für migration und flüchtlinge vom 19. mai 2017 verpflichtet, ein abschiebungsverbot nach § 60 abs. 5 aufenthg für den kläger hinsichtlich somalia festzustellen. im übrigen wird die klage abgewiesen. die kosten des verfahrens, für das gerichtskosten nicht erhoben werden, tragen die beklagte zu ¼ und der kläger zu ¾. das urteil ist hinsichtlich der kosten vorläufig vollstreckbar. der jeweilige vollstreckungsschuldner darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung i.h.v. 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige vollstreckungsgläubiger vor der vollstreckung sicherheit i.h.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1
2der im jahr 1991 in hosingow (region jubbada hoose) geborene kläger ist somalischer staatsangehöriger. 3er verließ nach eigenen angaben am 22. oktober 2014 sein heimatland und reiste am 5. juni 2015 in die bundesrepublik deutschland ein. am 6. august 2015 bzw. 4. mai 2017 stellte der kläger asylanträge. 4bei seiner anhörung bei dem bundesamt für migration und flüchtlinge (bundesamt) am 10. mai 2017 gab der kläger an, er habe in einem tonstudio und darüber hinaus als sänger gearbeitet. von den einnahmen habe er sich, seine frau sowie seine acht kinder versorgen können. eines tages habe eine verschleierte frau das tonstudio aufgesucht, um den kläger zu warnen. er solle das studio unverzüglich schließen. etwa drei tage später seien zwei frauen gekommen, von denen eine gewollt habe, dass der kläger für sie eine musikkassette aufnehme, was der kläger getan habe. kurz darauf habe es in dem raum neben dem studio eine explosion gegeben, bei der der bruder des klägers und ein gast ums leben gekommen seien. ein kind des klägers, dessen mutter, ehefrau sowie vier weitere gäste seien verletzt worden. der raum sei völlig zerstört gewesen. der kläger vermute, dass die explosion durch angehörige der al-shabaab verursacht worden sei. zwei tage später hätten mehrere bewaffnete und vermummte männer das haus des klägers aufgesucht und auf ihn geschossen. daraufhin habe der kläger noch am selben tag somalia zu fuß über die grenze nach kenia verlassen. auch vor diesen vorfällen sei der kläger bereits von angehörigen der al-shabaab miliz aufgesucht worden und man habe ihm gesagt, dass die tätigkeit, der der kläger nachgehe, nicht erlaubt sei und dass er damit aufhören solle. als sie ihn das zweite mal aufgesucht hätten, habe einer der männer dem kläger mit einem messer zweimal ins bein gestochen. dieser vorfall habe sich etwa drei wochen, bevor der kläger somalia verlassen habe, ereignet. 5mit bescheid vom 19. mai 2017, zugestellt am 26. mai 2017, lehnte das bundesamt den antrag des klägers auf asylanerkennung sowie auf anerkennung der flüchtlingseigenschaft und des subsidiären schutzstatus ab. es wurde festgestellt, dass die voraussetzungen eines abschiebungsverbots nach § 60 abs. 5 und abs. 7 s. 1 aufenthg nicht vorliegen. zudem wurde dem kläger die abschiebung nach somalia innerhalb von 30 tagen nach bekanntgabe der entscheidung angedroht. das einreise- und aufenthaltsverbot gemäß § 11 abs. 1 des aufenthaltsgesetzes wurde auf 30 monate ab dem tag der abschiebung befristet. wegen der einzelheiten wird auf die begründung des bescheides bezug genommen (bl. 38 ff. ba heft 1). 6der kläger hat am 9. juni 2017 klage erhoben. 7zur begründung beruft er sich auf sein vorbringen im verwaltungsverfahren und führt klarstellend bzw. ergänzend aus, er sei bereits anfang/mitte september 2014 von milizen der al-shabaab auf dem weg vom tonstudio nach hause aufgehalten und darauf hingewiesen worden, dass das studio schließen müsse. daraufhin habe man ihm als „erste warnung“ mit einem messer in das bein gestochen. da der kläger seinen lebensunterhalt mit dem tonstudio verdient habe, habe er dieses jedoch in der folgezeit nicht geschlossen. etwa zwei wochen nach diesem vorfall sei der kläger von einer frau besucht worden, die ihn ebenfalls eindringlich dazu aufgefordert habe, das tonstudio zu schließen. drei weitere tage später seien erneut zwei frauen gekommen, nach deren besuch es zu der geschilderten explosion gekommen sei. 8der kläger beantragt, 9die beklagte unter aufhebung der ziffern 1. sowie 3. bis 6. des bescheides vom 19. mai 2017 zu verpflichten, ihm die flüchtlingseigenschaft nach § 3 abs. 1 asylg zuzuerkennen, 10hilfsweise, 11ihm den subsidiären schutz im sinne des § 4 asylg zuzuerkennen, 12weiter hilfsweise 13festzustellen, dass abschiebungsverbote nach § 60 abs. 5 und 7 s. 1 aufenthg vorliegen. 14die beklagte beantragt, 15die klage abzuweisen. 16zur begründung bezieht sie sich auf den angefochtenen bescheid. 17das gericht hat den rechtsstreit zunächst mit beschluss vom 22. august 2019 auf den einzelrichter übertragen und mit beschluss vom 23. februar 2022 hat die einzelrichterin das verfahren wegen einer wesentlichen änderung der prozesslage nach anhörung der beteiligten zurück auf die kammer übertragen. 18wegen der weiteren einzelheiten wird auf die gerichtsakte einschließlich des sitzungsprotokolls und die verwaltungsvorgänge der beklagten verwiesen. 19
20die verpflichtungsklage ist zulässig und begründet, soweit der kläger ein abschiebungsverbot gemäß § 60 abs. 5 aufenthg begehrt. der bescheid der beklagten vom 19. mai 2017 erweist sich im nach § 77 abs. 1 satz 1 asylg maßgeblichen zeitpunkt der gerichtlichen entscheidung folglich hinsichtlich der ziffern 4. bis 6. als rechtswidrig und verletzt den kläger insoweit in seinen rechten, § 113 abs. 5 vwgo (iii.). im übrigen ist der bescheid jedoch rechtmäßig. der kläger hat keinen anspruch auf zuerkennung der flüchtlingseigenschaft (i.) oder des subsidiären schutzes (ii.). 21i. 22der kläger hat keinen anspruch auf die zuerkennung der flüchtlingseigenschaft i.s.d. § 3 abs. 1 asylg. nach dieser bestimmung ist ein ausländer flüchtling im sinne des abkommens über die rechtsstellung der flüchtlinge vom 28. juli 1951 (genfer flüchtlingskonvention - gk -), wenn er sich aus begründeter furcht vor verfolgung wegen seiner rasse, religion, nationalität, politischen überzeugung oder zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen gruppe - zur definition dieser begriffe vgl. § 3 abs. 1, § 3a abs. 1 nr. 1 und 2; abs. 2 sowie § 3 b abs. 1 asylg - außerhalb des landes (herkunftsland) befindet, dessen staatsangehörigkeit er besitzt und dessen schutz er nicht in anspruch nehmen kann oder wegen dieser furcht nicht in anspruch nehmen will. 23gemäß § 3a abs. 1 nr. 1 und 2 asylg gelten handlungen als verfolgung im sinne des § 3 abs. 1 asylg, die auf grund ihrer art oder wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende verletzung der grundlegenden menschenrechte darstellen (nr. 1) oder die in einer kumulierung unterschiedlicher maßnahmen bestehen, die so gravierend ist, dass eine person davon in ähnlicher wie der in nr. 1 beschriebenen weise betroffen ist (nr. 2). nach § 3a abs. 2 nr. 1 asylg kann als eine solche verfolgung insbesondere die anwendung physischer oder psychischer gewalt gelten. gemäß § 3c asylg kann die verfolgung außer vom staat auch von parteien oder organisationen ausgehen, die den staat oder einen wesentlichen teil des staatsgebiets beherrschen, oder von nichtstaatlichen akteuren, sofern die in § 3c nummern 1 und 2 asylg genannten akteure einschließlich internationaler organisationen erwiesenermaßen nicht in der lage oder nicht willens sind, im sinne des § 3d schutz vor verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem land eine staatliche herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. 24die furcht vor verfolgung ist begründet, wenn dem ausländer die genannten gefahren aufgrund der in seinem herkunftsland gegebenen umstände in anbetracht seiner individuellen lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher wahrscheinlichkeit drohen. 25vgl. bverwg, urteil vom 20. februar 2013 - 10 c 23.12-, juris. 26der maßstab der beachtlichen wahrscheinlichkeit setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden würdigung des zur prüfung gestellten lebenssachverhalts die für eine verfolgung sprechenden umstände ein größeres gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden tatsachen überwiegen. dabei ist eine „qualifizierende“ betrachtungsweise im sinne einer gewichtung und abwägung aller festgestellten umstände und ihrer bedeutung anzulegen. es kommt darauf an, ob in anbetracht dieser umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen menschen in der lage des betroffenen furcht vor verfolgung hervorgerufen werden kann. 27vgl. bverwg, urteil vom 20. februar 2013 -10 c 23.12-, juris, m.w.n.; bverwg, urteil vom 27. april 2010 -10 c 5.09-, juris, ovg nrw, urteil vom 17. august 2010 - 8 a 4063/06.a -, juris. 28die tatsache, dass ein antragsteller bereits in seinem herkunftsland verfolgt wurde bzw. von solcher verfolgung unmittelbar bedroht war, ist dabei ein ernsthafter hinweis darauf, dass seine furcht vor verfolgung begründet ist, es sei denn, stichhaltige gründe sprechen dagegen, er werde erneut von solcher verfolgung bedroht, 29vgl. art. 4 abs. 4 der richtlinie 2011/95/eu des europäischen parlaments und des rates vom 13. dezember 2011 (qualifikationsrichtlinie). 30die die flüchtlingseigenschaft nach § 3 asylg und § 60 abs. 1 aufenthg begründenden tatsachen müssen zur vollen überzeugung des gerichts nachgewiesen werden. für den nachweis des individuellen schicksals in der heimat, aus dem der asylbewerber seine furcht vor politischer verfolgung herleitet, genügt wegen der häufig bestehenden sachtypischen beweisschwierigkeiten in der regel eine glaubhaftmachung. 31der schutzsuchende ist gehalten, seine gründe für das vorliegen einer politischen verfolgung schlüssig mit genauen einzelheiten vorzutragen. 32vgl. bverwg, beschluss vom 19. oktober 2001 – 1 b 24/01 –, juris rn. 5; ovg nrw, urteil vom 29. oktober 2020 – 9 a 1980/17.a –, juris rn. 36. 33gemessen an diesen anforderungen hat der kläger keinen anspruch auf zuerkennung der flüchtlingseigenschaft. es ist weder feststellbar, dass der kläger vorverfolgt aus somalia ausgereist ist (1.), noch dass ihm heute mit beachtlicher wahrscheinlichkeit bei einer unterstellten rückkehr nach somalia verfolgung droht (2.). 341. 35eine vorverfolgung durch die somalische regierung hat der kläger weder vorgetragen, noch ergeben sich anhaltspunkte dafür, dass eine solche stattfindet. als verfolger im oben dargestellten sinne kommen nach dem vortrag des klägers daher in erster linie die angehörigen der al-shabaab-miliz in betracht. 36der kläger hat nicht glaubhaft gemacht, dass er vor seiner ausreise einer verfolgung durch angehörige dieser miliz ausgesetzt war. die darstellung einer verfolgung durch die al-shabaab-miliz ist aus den gründen des bescheides, auf die insoweit bezug genommen wird, unglaubhaft. die möglichkeit, die bestehenden zweifel und unklarheiten auszuräumen und sein verfolgungsschicksal in der mündlichen verhandlung glaubhaft zu schildern, hat der kläger nicht genutzt. er ist zur mündlichen verhandlung nicht erschienen. 372. 38der kläger hat auch gegenwärtig bei einer rückkehr nach somalia nicht mit beachtlicher wahrscheinlichkeit eine asylrechtlich erhebliche verfolgung zu befürchten. anhaltspunkte dafür, dass der kläger bei einer rückkehr in sein heimatdorf hosingow in der region jubaada hoose einer gezielten verfolgung durch die al-shabaab-miliz ausgesetzt wäre, ergeben sich nicht. 39die al-shabaab-miliz, die in süd- und zentralsomalia noch teile des landes kontrolliert, ist durch die anstrengungen der amisom-intervention und der regierungstruppen aus den meisten größeren städten und insbesondere aus dem großraum mogadischu so weit vertrieben worden, dass sie dort keine gebiete mehr kontrolliert, sondern zu einer „asymmetrischen kriegsführung“, bzw. zu terroranschlägen gegen militärische und sonstige sicherheitseinrichtungen übergegangen ist. bestimmte personengruppen sind einem erhöhten risiko ausgesetzt, opfer eines anschlags der al-shabaab zu werden. die betroffenen personen weisen die gemeinsamkeit auf, dass sie die somalische regierung unterstützen. hierzu gehören angehörige der sicherheitskräfte, regierungsmitglieder und regierungsnahe politiker, regierungs- und verwaltungsangestellte, richter, mitarbeiter von un-organisationen sowie von nationalen und internationalen nichtregierungsorganisationen einschließlich mitarbeiter humanitärer organisationen und angehörige diplomatischer missionen, aber auch akteure der zivilgesellschaft, clanälteste, journalisten oder geschäftsleute. die al-shabaab-miliz sieht es nicht gezielt auf zivilisten ab, nimmt insoweit aber opfer in kauf. 40vgl. bundesamt für fremdenwesen und asyl – länderinformationsblatt der staatendokumentation – somalia – vom 17. september 2019, s. 19; britisches home office: country information and guidance; south and central somalia: fear of al-shabaab, stand märz 2016 und country information and guidance; somalia: security and humanitarian situation in south and central somalia, stand juli 2016; karte “somalia - areas of influence as of december 2015”, abgedruckt in: easo country of origin information report - somalia: security situation, februar 2016; bayvgh, urteil vom 27. märz 2018 – 20 b 17.31663 –, juris rn. 36 und urteil vom 12. juli 2018 – 20 b 17.31660 –, juris rn. 28; hess vgh, urteil vom 1. august 2019 – 4 a 2334/18.a –, juris rn. 45 m.w.n. 41diese bewertung gilt auch angesichts der im jahr 2017, mitte juli 2019, dezember 2019 und august 2020 verübten schweren bombenattentate in mogadischu und kismayo. auch hier waren die zielobjekte überwiegend hotels, die bevorzugt durch ausländer und regierungsmitglieder frequentiert werden. 42vgl. z.b. faz vom 16. oktober 2017, „mehr als 230 tote bei anschlag in mogadischu“; nzz vom 13.07.2019: anschlag auf hotel in somalia beendet - mindestens 29 tote; bbc vom 14. juli 2019 afgooye, somalia„kismayo attack: at least 26 dead as gunmen storm somali hotel“; vgl. auch hessvgh, urteil vom 1. august 2019 – 4 a 2334/18.a –, juris rn. 45 ff.; bayvgh, urteil vom 27. märz 2018 – 20 b 17.31663 –, juris rn. 36. 43da der kläger nicht zu einer der „exponierten“ gruppen der somalischen bevölkerung gehört, ist hiernach nicht beachtlich wahrscheinlich, dass er im fall einer rückkehr repressionen durch die al-shabaab-miliz ausgesetzt wäre. 44das allgemeine risiko, als „gewöhnlicher zivilist“ (zufällig) opfer eines terroranschlags zu werden, reicht nicht aus, um von einer gezielten politischen verfolgung im sinne der §§ 3 ff. asylg auszugehen. 45schließlich ergibt sich auch unter dem gesichtspunkt einer gewaltsamen zwangsrekrutierung des klägers durch die al-shabaab-milz keine flüchtlingsrelevante verfolgung. es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass eine mögliche zwangsrekrutierung durch die al-shabaab gezielt gegen den kläger aufgrund eines ihm zugeordneten flüchtlingsrelevanten merkmals im sinne des § 3 abs. 1 asylg drohen könnte. es ist vielmehr davon auszugehen, dass al-shabaab in der vergangenheit wahllos zwangsrekrutierungsversuche unternommen hat und unterschiedslos insbesondere junge menschen rekrutiert hat. 46vg düsseldorf, urteil vom 7. oktober 2021 – 29 k 1915/19. a –, s. 13 f.; vg frankfurt (oder), urteil vom 3. märz 2020 – 2 k 1198/13. a –, juris rn. 17. 47zudem entsprechen solche zwangsrekrutierungen inzwischen auch nicht mehr dem modus operandi der al-shabaab. aus jüngerer zeit sind keine oder kaum meldungen über solche rekrutierungen bekannt. 48ovg lüneburg, urteil vom 5. dezember 2017 – 4 lb 51/16 –, juris rn. 44. vgl. für mogadischu bayvgh, urteile vom 27. märz 2018 – 20 b 17.31663 –, juris rn. 18, 24 und 31 und vom 12. juli 2018 – 20 b 17.31660 –, juris rn. 28; hessvgh, urteil vom 1. august 2019 – 4 a 2334/18.a –, juris rn. 31; vg halle (saale), urteil vom 21. februar 2019 – 4 a 58/17 –, juris rn. 49. 49ii. 50der kläger kann auch keinen subsidiären schutz (§ 4 abs. 1 asylg) beanspruchen. nach § 4 abs. 1 satz 1 asylg ist ein ausländer subsidiär schutzberechtigter, wenn er stichhaltige gründe für die annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem herkunftsland ein ernsthafter schaden droht. als ernsthafter schaden gelten dabei gemäß § 4 abs. 1 satz 2 asylg die verhängung oder vollstreckung der todesstrafe (§ 4 abs. 1 satz 2 nr. 1 asylg), folter oder unmenschliche oder erniedrigende behandlung oder bestrafung (§ 4 abs. 1 satz 2 nr. 2 asylg) oder eine ernsthafte individuelle bedrohung des lebens oder der unversehrtheit einer zivilperson infolge willkürlicher gewalt im rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten konflikts (§ 4 abs. 1 satz 2 nr. 3 asylg). dies ist bei dem kläger nicht der fall. 51die für den fall, dass der jeweilige antragsteller bereits einen ernsthaften schaden erlitten hat, eingreifende beweiserleichterung in gestalt einer widerleglichen tatsächlichen vermutung setzt auch im rahmen des subsidiären schutzes voraus, dass ein innerer zusammenhang zwischen dem vor der ausreise erlittenen oder damals unmittelbar drohenden schaden (vorschädigung) und dem befürchteten künftigen schaden besteht. denn die der vorschrift zugrundeliegende wiederholungsvermutung beruht auf der vorstellung, dass eine verfolgungs- oder schadenswiederholung - bei gleichbleibender ausgangssituation - aus tatsächlichen gründen naheliegt. 52bverwg, urteil vom 27. april 2010 - 10 c 4.09 -, bverwge 136, 360 rn. 31; urteil vom 17. november 2011 - 10 c 13.10 -, nvwz 2012, 454 rn. 21; bverwg, beschluss vom 15. august 2017 – 1 b 123/17, juris rn. 8; ovg niedersachsen, urteil vom 5. dezember 2017 - 4 lb 50/16 -, juris rn. 32; bayerischer vgh, urteil vom 26. april 2018 - 20 b 17.30947 -, juris rn. 18. 53diese voraussetzungen liegen hier nicht vor. 54die gefahr eines ernsthaften schadens durch folter oder unmenschliche oder erniedrigende behandlung droht ihm nicht in bezug auf mögliche repressionen durch die al-shabaab-miliz wegen des betriebs eines tonstudios (nachfolgend 1.). ein ernsthafter schaden droht auch weder angesichts der wirtschaftlichen lage in somalia (nachfolgend 2.), noch aufgrund einer bedrohung im rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten konflikts (nachfolgend 3.). 551. 56soweit er anführt, repressionen seitens der al-shabaab zu befürchten, führt dies nicht zur zuerkennung des subsidiären schutzstatus, weil sein vortrag aus den bereits dargelegten gründen unglaubhaft ist. 572. 58dem kläger ist der subsidiäre schutzstatus fernerhin nicht aufgrund der schlechten wirtschaftlichen lage in somalia, insbesondere in der region jubbada hoose, zuzuerkennen. denn unabhängig davon, ob die humanitären bedingungen für den kläger in seinem heimatstaat eine verletzung des art. 3 emrk darstellen (dazu sogleich unter iii.), ist diese situation keinem akteur im sinne des § 3c asylg zuzurechnen, was gemäß § 4 abs. 3 asylg voraussetzung wäre. 59zwar ist die gefahr, bei einer rückkehr nach somalia wegen schlechter humanitärer bedingungen zu schaden zu kommen, nicht alleine auf generelle armut oder fehlende staatliche mittel zurückzuführen, sondern sie geht überwiegend auf direkte oder indirekte aktionen der am konflikt in somalia beteiligten akteure zurück. 60bverwg, urteil vom 31. januar 2013 - 10 c 15.12 -, juris rn. 25; ovg niedersachsen, urteil vom 5. dezember 2017 - 4 lb 50/16 -, juris rn. 70. 61dies reicht aber für die zuerkennung des subsidiären schutzes nach § 4 asylg nicht aus. erforderlich ist vielmehr, dass die schlechten humanitären bedingungen zielgerichtet von einem akteur gemäß § 3c asylg hervorgerufen oder jedenfalls wesentlich verstärkt werden. 62bverwg, beschluss vom 13. februar 2019 - 1 b 2.19 -, juris rn. 13; vgh baden-württemberg, urteil vom 12. oktober 2018 - a 11 s 316/17 -, juris rn. 54 ff., insbesondere rn. 77 bis 79. 63dass die gegenwärtigen humanitären bedingungen in somalia bewusst von einer der an dem konflikt beteiligten parteien bzw. einem akteur im sinne des § 3c asylg hervorgerufen oder gefördert worden wären, lässt sich nicht feststellen. 64bverwg, urteil vom 20. mai 2020 – 1 c 11/19 –, juris rn. 9; ovg lüneburg, urteil vom 25. februar 2021 – 4 la 212/19 –, juris rn. 9f.. 653. 66ein anspruch des klägers auf zuerkennung des subsidiären schutzstatus resultiert schließlich nicht daraus, dass er als zivilperson einer ernsthaften individuellen bedrohung des lebens oder der unversehrtheit infolge willkürlicher gewalt im rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten konfliktes (§ 4 abs. 1 satz 2 nr. 3 asylg) ausgesetzt wäre. 67ob in diesem zusammenhang in der somalischen hauptstadt mogadischu oder in der heimatregion des klägers weiterhin ein innerstaatlicher bewaffneter konflikt besteht, 68so anscheinend bejahend bverwg, urteil vom 20. mai 2020 – 1 c 11/19 –, juris rn. 19 a.e.; so wohl auch bayvgh, urteil vom 12. juli 2018 – 20 b 17.31660 –, juris rn. 19; offen lassend hingegen bayvgh, urteil vom 27. märz 2017 – 20 b 17.31663; ovg rheinland-pfalz, urteil vom 16. dezember 2015 – 10 a 10689/15 –, juris rn. 35; hessvgh, urteil vom 1. august 2019 – 4 a 2334/18.a –, juris rn. 38; bejahend für die provinz jubbada hoose ovg lüneburg, urteil vom 5. dezember 2017 – 4 lb 50/16 –, 69kann dahinstehen, da der kläger als zivilpersonen aufgrund der gegenwärtigen konfliktlage jedenfalls keiner ernsthaften, individuellen bedrohung infolge willkürlicher gewalt ausgesetzt ist. 70für eine ernsthafte individuelle bedrohung im sinne des § 4 abs. 1 satz 2 nr. 3 asylg genügt es nicht, wenn der innerstaatliche bewaffnete konflikt zu permanenten gefährdungen der bevölkerung und zu schweren menschenrechtsverletzungen führt. 71bverwg, urteil vom 13. februar 2014 - 10 c 6.13 -, juris rn. 24; ovg niedersachsen, urteil vom 5. dezember 2017 - 4 lb 50/16 - juris rn. 38; bayerischer vgh, urteil vom 27. märz 2018 - 20 b 17.31663 -, juris rn. 26. 72gleichwohl kann sich eine von einem bewaffneten konflikt ausgehende allgemeine gefahr individuell verdichten und damit die voraussetzungen des § 4 abs. 1 satz 2 nr. 3 asylg erfüllen. 73bverwg, urteil vom 24. juni 2008 - 10 c 43.07 -, juris rn. 34; hessvgh, urteil vom 1. august 2019 – 4 a 2334/18.a –, juris rn. 39; ovg niedersachsen, urteil vom 5. dezember 2017 - 4 lb 50/16 - juris rn. 38; bayerischer vgh, urteil vom 27. märz 2018 - 20 b 17.31663 -, juris rn. 26. 74demnach sind in jedem fall feststellungen über das niveau willkürlicher gewalt in dem betreffenden gebiet zu treffen. liegen in der person des jeweiligen antragstellers keine gefahrerhöhenden persönlichen umstände vor, ist für ein schutzbedürfnis ein besonders hohes niveau willkürlicher gewalt erforderlich. liegen hingegen gefahrerhöhende persönliche umstände vor, genügt auch ein geringeres niveau willkürlicher gewalt. 75bverwg, urteil vom 27. april 2010 - 10 c 4.09 -, juris rn. 33; hessvgh, urteil vom 1. august 2019 – 4 a 2334/18.a –, juris rn. 39; ovg niedersachsen, urteil vom 5. dezember 2017 - 4 lb 50/16 -, juris rn. 38; bayerischer vgh, urteil vom 27. märz 2018 - 20 b 17.31663 -, juris rn. 27. 76zu diesen persönlichen umständen gehören solche aspekte, die den jeweiligen antragsteller von der allgemeinen, ungezielten gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von berufs wegen - z.b. als arzt oder journalist - gezwungen ist, sich nahe der gefahrenquelle aufzuhalten. daneben können aber auch umstände ausschlaggebend sein, aufgrund derer der jeweilige antragsteller als zivilperson zusätzlich der gefahr gezielter gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen zugehörigkeit - ausgesetzt ist. 77bverwg, urteil vom 27. april 2010 - 10 c 4.09 -, juris rn. 33; ovg niedersachsen, urteil vom 5. dezember 2017 - 4 lb 50/16 -, juris rn. 38. 78auch im fall gefahrerhöhender persönlicher umstände muss aber ein hohes niveau willkürlicher gewalt bzw. eine hohe gefahrendichte für die zivilbevölkerung in dem fraglichen gebiet festgestellt werden. allein das vorliegen eines bewaffneten konflikts und die feststellung eines gefahrerhöhenden umstandes in der person des antragstellers reichen hierfür nicht aus. dabei kann eine jedenfalls annäherungsweise quantitative ermittlung der gesamtzahl der in dem betreffenden gebiet lebenden zivilpersonen einerseits und der akte willkürlicher gewalt andererseits, die von den konfliktparteien gegen leib oder leben von zivilpersonen in diesem gebiet verübt werden, für das vorliegen einer „ernsthaften individuellen bedrohung“ herangezogen werden. 79vgl. eugh, urteil vom 10. juni 2021 – c-901/19 –, juris. 80wenn die tatsächlichen opfer der gewaltakte, die von den konfliktparteien gegen das leben oder die körperliche unversehrtheit der in der betreffenden region lebenden zivilpersonen verübt werden, einen hohen anteil an deren gesamtzahl ausmachen, ist nämlich der schluss zulässig, dass es in der zukunft weitere zivile opfer in der region geben könnte. eine solche feststellung könnte somit belegen, dass eine ernsthafte bedrohung im sinne von art. 15 buchst. c der richtlinie 2011/95 gegeben ist. andererseits kann jedoch diese feststellung nicht das einzige ausschlaggebende kriterium für die feststellung einer „ernsthaften individuellen bedrohung“ sein. insbesondere kann das fehlen einer solchen feststellung für sich genommen nicht ausreichen, um systematisch und unter allen umständen die gefahr einer solchen bedrohung im sinne dieser bestimmung auszuschließen und um damit automatisch und ausnahmslos zu einem ausschluss des subsidiären schutzes zu führen. um festzustellen, ob eine „ernsthafte individuelle bedrohung“ vorliegt, ist daher eine umfassende berücksichtigung aller relevanten umstände des einzelfalls, insbesondere derjenigen, die die situation des herkunftslands des antragstellers kennzeichnen, erforderlich. hierfür können insbesondere die intensität der bewaffneten auseinandersetzungen, der organisationsgrad der beteiligten streitkräfte und die dauer des konflikts als faktoren berücksichtigt werden. ferner können andere gesichtspunkte herangezogen werden, etwa das geographische ausmaß der lage willkürlicher gewalt, der tatsächliche zielort des antragstellers bei einer rückkehr in das betreffende land oder gebiet und die aggression der konfliktparteien gegen zivilpersonen, die eventuell mit absicht erfolgt. 81vgl. eugh, urteil vom 10. juni 2021 – c-901/19 –, juris rn. 32 ff. 82hinsichtlich der anzustellenden gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweit herrschenden konflikt auf den tatsächlichen zielort des antragstellers bei einer rückkehr abzustellen, wobei als zielort der abschiebung in der regel die herkunftsregion anzusehen ist, in die der betreffende typischerweise zurückkehren wird. 83bverwg, urteil vom 20. mai 2020 - 1 c 11.19 -, juris rn. 17; ovg niedersachsen, urteil vom 5. dezember 2017 - 4 lb 50/16 -, juris rn. 39; bayerischer vgh, urteil vom 27. märz 2018 - 20 b 17.31663 -, juris rn. 28. 84dies ist bei dem kläger hosingow, da er dort zuletzt gelebt hat und somit zu erwarten wäre, dass er auch dorthin zurückkehren würde. 85gemessen an den vorgenannten kriterien fehlt es jedoch an einer ernsthaften individuellen bedrohung des klägers bei einer rückkehr nach hosingow. 86gefahrerhöhende persönliche umstände, die ihn wegen persönlicher merkmale einem besonderen sicherheitsrisiko aussetzen könnten, liegen nicht vor. der kläger gehört keiner risikogruppe an. 87gefahrerhöhende umstände ergeben sich nicht bereits aus seiner situation als rückkehrer nach einem auslandsaufenthalt. zwar sieht die al-shabaab rückkehrer aus westlichen ländern möglicherweise als spione der regierungstruppen an; da sie aber in den unter der kontrolle der regierung stehenden gebieten nicht mehr frei agieren kann und angesichts der zahl von rückkehrenden personen, u.a. auch binnenvertriebenen und flüchtlingen aus kenia, kann allein die rückkehr aus dem ausland nicht als gefahrerhöhende moment angesehen werden. 88so auch bayvgh, urteile vom 27. märz 2018 – 20 b 17.31663 –, juris rn. 31 und vom 17. juli 2018 – 20 b 17.31659 –, juris rn. 23 und ovg rheinland-pfalz, urteil vom 16. dezember 2015 – 10 a 10689/15 – juris rn. 41; ovg lüneburg, urteil vom 5. dezember 2017 – 4 lb 50/16 –, juris. 89der kläger kann auch nicht als gefahrerhöhenden umstand für sich reklamieren, bereits früher in den fokus der al-shabaab geraten zu sein, da sein diesbezüglicher vortrag nicht glaubhaft ist. 90auch die gefahr einer zwangsrekrutierung durch die al-shabaab-miliz besteht, wie bereits ausgeführt, nicht. 91es lässt sich schließlich nicht feststellen, dass die allgemeine lage in der heimatregion des klägers so gefährlich ist, dass sie sich unabhängig von persönlichen merkmalen gegenüber jeder zivilperson individualisiert. eine genaue bewertung der gefahrendichte erscheint aufgrund einer fehlenden zuverlässigen datenlage in somalia kaum verlässlich möglich. 92so auch bayvgh, beschluss vom 30. januar 2017 – 20 zb 16.30685 – und urteile vom 27. märz 2018 – 20 b 17.31663 – und 12. juli 2018 – 20 b 17.31660 –, jeweils juris; vg aachen, urteil vom 17. februar 2017 – 7 k 3281/16.a; vg wiesbaden, urteile vom 16. mai 2018 –7 k 1600/17.wi.a und 14. märz 2019 – 7 k 1139/17 – und ovg rheinland-pfalz, urteil vom 16. dezember 2015 – 10 a 10689/15 – und hessvgh, urteil vom 1. august 2019 – 4 a 2334/18.a. offen lassend bverwg, urteil vom 20. mai 2020 – 1 c 11/19 –, juris. 93aktuelle erkenntnisse, die eine andere bewertung gebieten würden, liegen nicht vor. nach wie vor finden in fast allen regionen somalias südlich von puntland regelmäßig örtlich begrenzte kampfhandlungen zwischen amisom bzw. somalischen sicherheitskräften und al shabaab statt. für 2019 sind insgesamt 1.459 zivile opfer (591 getötete, 868 verletzte) dokumentiert. von januar 2020 bis august 2020 gab es fast 600 zivile opfer. im dezember 2019 wurden bei einem sprengstoffattentat von al-shabaab in mogadischu mehr als 90 menschen getötet, nachdem dem bislang verheerendsten anschlag am 14. oktober 2017 in mogadischu mindestens 587 menschen zum opfer gefallen waren. insgesamt hat sich die zahl der getöteten zivilistinnen und zivilisten allerdings seit 2017 etwa halbiert und ging die zahl der verletzten geringfügig zurück. 94vgl. lagebericht des auswärtigen amtes vom 18. april 2021, ziff. 2.4, „bürgerkriegsgebiete“, s. 18 f.; vgl. zum gewaltniveau in mogadischu auch vg frankfurt (oder), urteil vom 26. februar 2021 – 2 k 2258/16.a -, juris, rn. 59 f.; accord - themendossier in somalia: sicherheitslage, 14. april 2020. 95auch ungeachtet einer quantitativen bewertung ergibt sich bei wertender gesamtbetrachtung des vorliegenden erkenntnismaterials für die region jubbada hoose keine derart unsichere situation, dass jede person allein aufgrund ihrer bloßen anwesenheit einer erheblichen gefahr für leib bzw. leben ausgesetzt ist und mit beachtlicher wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, opfer willkürlicher gewalt zu werden. 96iii. 97die voraussetzungen von § 60 abs. 5 aufenthg i.v.m. art. 3 emrk liegen vor. 98danach darf ein ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine abschiebung nach den bestimmungen der europäischen menschenrechtskonvention (emrk) unzulässig ist. nach art. 3 emrk ergibt sich die verpflichtung, einen ausländer nicht abzuschieben, wenn er für diesen fall tatsächlich gefahr läuft, im aufnahmeland einer unmenschlichen oder erniedrigenden behandlung ausgesetzt zu werden. bei verneinung sowohl der voraussetzungen des flüchtlingsstatus (vgl. § 3a abs. 2 asylg) als auch des subsidiären schutzes (§ 4 abs. 1 nr. 2 asylg) scheidet in der regel aus denselben tatsächlichen und rechtlichen erwägungen auch ein abschiebungsverbot nach § 60 abs. 5 aufenthg in bezug auf art. 3 emrk aus. als auffangtatbestand kommt § 60 abs. 5 aufenthg nur dann in betracht, wenn die unmenschliche oder erniedrigende behandlung keinem der akteure im sinne von § 3c asylg (i. v. m. § 4 abs. 3 satz 1 asylg) zugeordnet werden kann. 99der schutz vor unmenschlicher oder erniedrigender behandlung im aufnahmeland umfasst jedoch nicht das recht auf verbleib in einem konventionsstaat, um dort weiter medizinische, soziale oder andere hilfe und unterstützung zu erhalten. der umstand, dass im fall einer aufenthaltsbeendigung die lage des betroffenen einschließlich seiner lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht allein nicht aus, einen verstoß gegen art. 3 emrk anzunehmen. anderes kann nur in besonderen ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre gründe zwingend gegen die aufenthaltsbeendigung sprechen. die sozio-ökonomischen und humanitären verhältnisse im bestimmungsland sind hingegen nicht notwendig für die frage bedeutend und erst recht nicht dafür entscheidend, ob der betroffene in diesem gebiet wirklich der gefahr einer misshandlung unter verstoß gegen art. 3 emrk ausgesetzt wäre. denn die konvention zielt hauptsächlich darauf ab, bürgerliche und politische rechte zu schützen. die grundlegende bedeutung von art. 3 emrk macht aber eine gewisse flexibilität erforderlich, um in sehr ungewöhnlichen fällen eine abschiebung zu verhindern. in ganz außergewöhnlichen fällen können daher auch (schlechte) humanitäre verhältnisse art. 3 emrk verletzen, wenn die humanitären gründe gegen die aufenthaltsbeendigung zwingend sind. 100vgl. bverwg, urteil vom 20. mai 2020 - 1 c 11.19 -, nvwz 2021, 327, juris, rn. 10, und beschluss vom 13. februar 2019 - 1 b 2.19 -, juris, rn. 6, 10; ovg nrw, urteile vom 25. mai 2021 – 19 a 635/20.a –, juris rn. 12, vom 24. märz 2020 – 19 a 4604/19.a –, rn. 32 f., und vom 18. juni 2019 - 13 a 3930/18.a -, juris, rn. 111, 289 m. w. n. 101eine verletzung des art. 3 emrk kommt daher in besonderen ausnahmefällen auch bei "nichtstaatlichen" gefahren aufgrund prekärer lebensbedingungen in betracht, bei denen ein "verfolgungsmächtiger akteur" (§ 3c asylg) fehlt, wenn die humanitären gründe gegen die aufenthaltsbeendigung "zwingend" sind mit blick auf die allgemeine wirtschaftliche lage und die versorgungslage betreffend nahrung, wohnraum und gesundheitsversorgung. die einem ausländer im zielstaat drohenden gefahren müssen hierfür jedenfalls ein "mindestmaß an schwere" (minimum level of severity) aufweisen; es kann erreicht sein, wenn er seinen existentiellen lebensunterhalt nicht sichern kann, kein obdach findet oder keinen zugang zu einer medizinischen basisbehandlung erhält. das wirtschaftliche existenzminimum des ausländers muss unter berücksichtigung sowohl der allgemeinen lebensverhältnisse vor ort als auch seiner persönlichen umstände gewährleistet sein. erforderlich, aber auch ausreichend hierfür ist die sicherung der existenz auf einem mindestniveau, das eine verletzung des art. 3 emrk vermeidet. 102vgl. bverwg, urteil vom 18. februar 2021 - 1 c 4.20 -, rn. 27 ff., 33 ff., 65, 67, beschluss vom 22. september 2020 - 1 b 39.20 -, juris, rn. 6, und urteil vom 4. juli 2019 - 1 c 45.18 -, bverwge 166, 113, juris, rn. 12 m. w. n. aus der rechtsprechung von eugh und egmr; ovg nrw, urteil vom 25. mai 2021 – 19 a 635/20.a –, juris rn. 14 ff. 103nach diesen maßstäben ist nicht davon auszugehen, dass der kläger sich im falle einer rückkehr nach somalia ein leben am rande des existenzminimums sichern könnte. 104dabei ist nach der rechtsprechung des bundesverwaltungsgerichts unter verweis auf die rechtsprechung des egmr für die prüfung der maßgeblichen umstände grundsätzlich auf den gesamten zielstaat abzustellen und zunächst der ort in den blick zu nehmen, an dem die abschiebung endet. 105vgl. bverwg, urteil vom 31. januar 2013 – 10 c 15/12 –, juris, rn. 26; bayvgh urteil vom 17. juli 2018 – 20 b 17.31659 –, juris rn. 36. 106dies ist vorliegend mogadischu, da die abschiebung dort aller voraussicht nach enden würde, weil (nur) die hauptstadt mit linienflügen direkt angeflogen werden kann. im ergebnis hat jedoch die prüfung eines abschiebungsverbots nach § 60 abs. 5 aufenthg i.v.m. art. 3 emrk unter berücksichtigung aller möglichkeiten der wohnsitznahme in somalia zu erfolgen. vorrang hat nach der rechtsprechung des bundesverwaltungsgerichts die prüfung, ob eine derartige gefahr bei einer niederlassung am endpunkt der abschiebung, also in mogadischu, besteht. anschließend ist zu prüfen, ob eine niederlassung des klägers an seinem herkunftsort möglich ist und ob er diesen zumutbar erreichen kann. schließlich wäre noch zu prüfen, ob eine innerstaatliche fluchtalternative an einem anderen ort in somalia bzw. deren erreichbarkeit vorliegt. 107der kläger stammt nicht aus mogadischu und hat auch keine verwandtschaftlichen oder sonstigen beziehungen dorthin. 108nach der auskunftslage sind die möglichkeiten von personen ohne verwandtschaftliche oder clanverbindungen nach mogadischu, dort ihren lebensunterhalt zu verdienen, sehr begrenzt. 109vgl. auswärtiges amt, bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante lage in der bundesrepublik somalia vom 18. april 2021 (s. 22), wonach die grundversorgung der bevölkerung mit nahrungsmitteln in weiten landesteilen somalias nicht gewährleistet ist. es gibt keinen sozialen wohnraum oder sozialhilfe. nur die erweiterte familie inklusive des sub-clans oder clans dient als soziales sicherungsnetz und bietet oftmals zumindest einen rudimentären schutz. vgl. auch bayvgh, urteil vom 17. juli 2018 – 20 b 17.31659 –, juris mit weiteren nachweisen; hessvgh urteil vom 1. august 2019 – 4 a 2334/18. a –; ovg lüneburg, urteil vom 5. dezember 2017 – 4 lb 50/16 –; vg frankfurt (oder), urteil vom 22. august 2018 – 2 k 1811/15.a –, jeweils juris. 110das norwegische landinfo führt in seinem „report: relevant social and economic conditions upon return to magadishu“ vom 1. april 2016 aus, dass haupteinnahmequelle der bevölkerung mogadischus die arbeit als tagelöhner sei, daneben würden aber auch hilfeleistungen von hilfsorganisationen und überweisungen aus dem ausland bezogen. arbeitgeber würden freie stellen nicht inserieren, sondern vergäben die jobs an personen, die ihnen durch familie, clanmitgliedschaft oder bekanntschaft als vertrauenswürdig erschienen. tagelöhner fänden sich auf dem bakara markt ein. ein ungelernter arbeiter könne mit körperlicher arbeit normalerweise 200 us-dollar im monat verdienen. nach der einschätzung eines mitarbeiters der internationalen organisation für migration (iom) reichen 400 us-dollar im monat für miete und ernährung einer vierköpfigen familie in mogadischu aus. auch die vermieter würden nach dem vertrauensprinzip vermieten. daher lebten die meisten leute da, wo ihre familie bzw. ihr clan lebe. 111vgl. bayvgh, urteil vom 17. juli 2018 – 20 b 17.31659 –, juris. 112zudem hat sich die wirtschaftliche situation der menschen in somalia, die insbesondere in mogadischu vor einiger zeit noch von einem wirtschaftlichen aufschwung geprägt war, 113vgl. ovg lüneburg, urteil vom 5. dezember 2017 – 4 lb 51/16 –; hessvgh, urteil vom 1. august 2018 – 4 a 2334/18.a –, 114inzwischen verschlechtert. aufgrund der aktuellen weltpolitischen lage sind weitere verschlechterungen zu befürchten. 115das land befindet sich in einer anhaltenden humanitären krise, für die politische, sozioökonomische und umweltfaktoren hauptverantwortlich sind. insbesondere die andauernden konflikte, klimabedingte umweltprobleme, deren häufigkeit zunimmt, die wirtschaftssituation und ausbrüche übertragbarer krankheiten prägen die humanitäre situation. seit anfang 2020 führen zudem überschwemmungen, die wüstenheuschreckenplage und die covid-19-pandemie, die auch gemeinsam als „triple shock“ oder „triple threat 2020“ bezeichnet werden, zu einer verschlechterung der humanitären bedingungen. 116vgl. länderreport somalia, humanitäre situation, stand 09/2021, s. 2 und lagebericht des auswärtigen amtes vom 18. april 2021, s. 22; vgl. auch vg schleswig-holstein, urteil vom 17. november 2020 – 10 a 183/20 –, juris; zu den auswirkungen der aktuellen covid-19-pandemie, die die wirtschaftliche situation, insbesondere für familien mit niedrigen einkünften, verschärft hat; united nations office for the coordination of humanitarian affairs vom 8. juni 2020, somalia, covid-19 impact update no. 8., s. 1 f.; united nations office for the coordination of humanitarian affairs vom 22. juni 2020, somalia, covid-19 impact update no. 9, s. 1; united nations office for the coordination of humanitarian affairs vom 22. juni 2020, somalia, covid-19 impact update no. 10, s. 1, accord, anfragebeantwortung zu somalia vom 7. august 2020, s. 2, abrufbar unter https://www.ecoi.net/de/. 117diese dreifachen herausforderungen führen zu einer weiteren vertreibung einer vielzahl von menschen und verschärfen bestehende ungleichheiten, diskriminierung und schutzlücken. da die mehrheit der somalischen bevölkerung von land-, forst-und fischereiwirtschaft abhängig ist, wirken sich die klimabedingten herausforderungen, wie dürren und überschwemmungen, besonders auf ihren lebensunterhalt aus. im jahr 2020 zerstörten überschwemmungen beispielsweise 144.000 ha agrarland. des weiteren riefen die somalische regierung und die vereinten nationen am 25. april 2021 in einer gemeinsamen erklärung eine dürre-situation aus. mehr als 80 % des landes sind von einer mäßigen bis schweren dürre infolge von unterdurchschnittlichem regen ende 2020, gefolgt von einer wärmeren saison sowie einer verspätet beginnenden regenzeit zwischen april und juni 2021 betroffen, wodurch es zu einer großen wasserknappheit kam. auch die heuschreckenplage, die als schlimmste seit 25 jahren gilt und vornehmlich in ländlichen gebieten eine verschlechterung der situation mit sich bringt, zerstörte bislang 300.000 ha acker-und weideland. 118darüber hinaus sind die preise für grundnahrungsmittel und rohstoffe aufgrund der covid-19-pandemie gestiegen, was insbesondere für die arme städtische bevölkerung zusätzliche risiken für die ernährungssicherheit bietet. in der städtischen umgebung ist der zugang zum arbeitsmarkt aufgrund der konkurrenzsituation verhältnismäßig schwieriger. da in städten der großteil des einkommens für nahrungsmittel ausgegeben wird, ist die bevölkerung dort auch besonders von steigenden nahrungsmittelpreisen betroffen. aufgrund der durch die covid-19-pandemie negativ beeinflussten lebensmittelpreise und arbeitsmöglichkeiten werden die bedingungen noch erschwert. für die landbevölkerung besteht zudem ein erhöhtes risiko der ernährungsunsicherheit aufgrund von zu erwartender dürre. hirtinnen und hirten sowie die in der feld- und viehwirtschaft tätigen machen 60 % der gesamtbevölkerung aus und ihre lebensgrundlage hängt vornehmlich vom regen ab. aufgrund der häufigen und langwierigen dürrebedingungen in den vergangenen jahren ging die viehherdengröße der in der feld- und viehwirtschaft tätigen bevölkerung in den letzten jahren zurück. zwar haben die überdurchschnittlichen deyr- und gu-niederschlage (das sind die niederschläge von oktober bis dezember bzw. von april bis juni) in den jahren 2019 und 2020 die weidegeneration unterstützt und die prognostizierten auswirkungen ein wenig abgemildert, doch führten die beiden aufeinanderfolgenden unterdurchschnittlichen niederschlagsperioden ende 2020 und anfang 2021 wiederum zu viehverlusten und erhöhten haushaltsausgaben für tierfutter und wasser. die trockenperioden und ein frühes ende der regenzeit verursachten zudem ernteverluste und verringerten das erwirtschaftete einkommen in der landwirtschaft. es wurde erwartet, dass somalia während der deyr-periode von oktober bis dezember 2021 zum dritten mal in folge unterdurchschnittliche niederschläge erlebt, wodurch sich die wirtschaftliche lage der in somalia lebenden menschen erheblich verschlimmern würde. konflikte und eine angespannte sicherheitslage verschärfen zudem die situation. 119vgl. länderreport somalia, humanitäre situation, stand 09/2021, s. 3 unter berufung auf unhrc (united nations human rights council): situation auf human rights in somalia. report of the independent expert on the situation of human rights in somalia. 12071 % der bevölkerung leben derzeit in armut, der anteil bei kindern unter 14 jahren ist dabei noch höher. damit ist somalia eines der ärmsten länder sub-sahara-afrikas. es ist davon auszugehen, dass sich diese entwicklung auch bis zum jahr 2023 fortsetzen wird. 121vgl. länderreport somalia, humanitäre situation, stand 09/2021, s. 3 unter berufung auf world bank: somalia. overview, 18.03.2021; un (united nations) somalia: common country analysis 2020, 25.09.2020. 122mit blick auf den krieg in der ukraine und die damit bevorstehende verschärfung der lebensmittelkrise in afrika ist zudem eine weitere verschlechterung der wirtschaftlichen lage in somalia zu erwarten. die befürchtungen, dass somalia zum dritten mal in folge unterdurchschnittliche niederschläge erlebt, haben sich bestätigt. 123vgl. auch berichte von „spiegel online“ vom 20. märz 2022: „in somalia sind drei regenzeiten in folge ausgeblieben – das sind die folgen. in somalia droht eine verheerende hungersnot. durch den krieg in der ukraine wird alles noch schlimmer. bilder einer krise, auf die kaum jemand schaut“; und vom 19. november 2021: „uno warnt vor dürrekatastrophe in somalia“; vgl. auch den beitrag in der ard „tagesschau“ vom 29, märz 2022: „hungersnot befürchtet: schlimmste dürre seit jahrzenten in somalia“, abgerufen am 1. april 2022 unter https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-1009573.html; sowie den bericht „kein essen, kein wasser, keine medizin. in somalia fliehen hunderttausende vor der verheerenden dürre. mancherorts hat es jahrelang nicht geregnet. selbst in den flüchtlingscamps herrscht not – inzwischen auch wegen des ukraine-kriegs.“, abgerufen am 1. april 2022 unter https://www.tagesschau.de/ausland/afrika/somalia-duerre-101.html. 124in der gesamtschau ist also mit der erforderlichen beachtlichen wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass der kläger in mogadischu der gefahr einer gegen art. 3 emrk verstoßenden verelendung ausgesetzt wäre. es ist davon auszugehen, dass er in einem flüchtlingslager („settlements“) in mogadischu unterkommen müsste und sich allenfalls punktuell als tagelöhner verdingen könnte. bei lebensnaher betrachtungsweise könnte er so seine grundbedürfnisse nicht in ausreichender weise decken. der somalische staat bietet generell keine hilfsprogramme an; internationale hilfsprojekte sind zwar verfügbar, können aber nur – wenn überhaupt – elementarste grundbedürfnisse decken und erreichen in der regel nicht alle bedürftigen. 125vgl. lagebericht des auswärtigen amtes vom 18. april 2021 (s. 22). 126erschwerend kommt hinzu, dass personen, die über keine kontakte in mogadischu verfügen, einem erheblichen konkurrenzdruck durch andere flüchtlinge und rückkehrer ausgesetzt sind. 127ovg lüneburg, urteil vom 5. dezember 2017 – 4 lb 50/16 –, juris m.w.n. 128ohne verbindungen in erster linie zu familien- oder ggf. clanmitgliedern und ohne finanzielle unterstützung wäre der kläger in mogadischu weitgehend schutzlos. 129es ist nicht davon auszugehen, dass sich die lage für den kläger in anderen landesteilen somalias, auch nicht in seiner heimatregion jubbada hoose, günstiger darstellen würde. zwar wäre dem kläger die reise nach hosingow möglich. sämtliche regionen südsomalias sind von mogadischu aus mit dem bus erreichbar, wobei die reise teilweise auch übernachtungen erfordert. gefahren gehen vor allem von straßensperren („checkpoints“) aus, die von sämtlichen konfliktakteuren – clan-milizen, staatlichen truppen und al-shabaab – sowie von banditen errichtet werden. regelmäßig geht es bei diesen sperren um die generierung von zusätzlichen einnahmen. fahrer versuchen, soweit wie möglich auf sichere routen auszuweichen oder reisen zeitlich zu verschieben, sofern im vorwege informationen über sperren kursieren. entscheidend für reisende, die in solche sperren geraten, ist es, nicht aufzufallen. 130ovg lüneburg, urteil vom 5. dezember 2017 – 4 lb 50/16 –; bayvgh, urteil vom 17. juli 2018 – 20 b 17.31659 –, jeweils juris. 131auch in hosingow würde der kläger bei lebensnaher betrachtung und mit blick auf die dargestellte zunehmend katastrophaler werdende situation in somalia jedoch keine lebensumstände vorfinden, die ihn vor einer verelendung schützen könnten. es ist nicht davon auszugehen, dass es dem kläger gelingen wird, in seinem heimatdorf hosingow in der region jubbada hoose eine den mindestanforderungen genügende lebensgrundlage zu finden. nichts anderes gilt, sollte sich seine familie nach wie vor in dieser region aufhalten. angesichts der dargestellten, äußerst besorgniserregenden krisensituation in somalia muss davon ausgegangen werden, dass die familie dort nicht einmal für sich selbst eine grundlage findet, die ein leben am rande des existenzminimums sichern könnte. 132schließlich würde der kläger auch in kismayo oder anderen regionen somalias keine lebensumstände vorfinden, die ihn vor einer verelendung schützen könnten. der kläger verfügt dort nicht über ein soziales netzwerk, das ihn dabei unterstützen könnte, seinen lebensunterhalt zu sichern. mit einer finanziellen unterstützung durch andere familien- oder clanmitglieder oder aus dem ausland könnte der kläger nicht rechnen. in kismayo dürfte zudem von zahlreichen rückkehrern aus kenia ein konkurrenzdruck ausgehen, deren hauptziel kismayo ist. 133vgl. sicherheitslage in somalia - bericht zur österreichisch-schweizerischen fact finding mission, august 2017, s. 60; ovg lüneburg, urteil vom 5. dezember 2017 – 4 lb 50/16 –, juris rn 69. 134iv. 135da der kläger einen anspruch auf feststellung eines abschiebungsverbots hat, ist auch die abschiebungsandrohung und die befristungsentscheidung hinsichtlich des einreise- und aufenthaltsverbots (ziffern 5 und 6 des bescheids) rechtswidrig und aufzuheben. 136v. 137die kostenentscheidung folgt aus § 155 abs. 1 satz 1 vwgo, § 83b asylg. die entscheidung zur vorläufigen vollstreckbarkeit beruht auf § 167 vwgo i.v.m. §§ 708 nr. 11, 709, 711 zpo. 138rechtsmittelbelehrung: 139gegen dieses urteil steht den beteiligten die berufung an das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen, aegidiikirchplatz 5, 48143 münster, zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. die berufung ist nur zuzulassen, wenn 1401. die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat, 1412. das urteil von einer entscheidung des oberverwaltungsgerichts, des bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen senats der obersten gerichtshöfe des bundes oder des bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser abweichung beruht oder 1423. ein in § 138 verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – bezeichneter verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt. 143die zulassung der berufung ist bei dem verwaltungsgericht gelsenkirchen, bahnhofsvorplatz 3, 45879 gelsenkirchen, innerhalb eines monats nach zustellung des urteils schriftlich zu beantragen. in dem antrag, der das angefochtene urteil bezeichnen muss, sind die gründe, aus denen die berufung zuzulassen ist, darzulegen. 144auf die unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung von schriftstücken als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d vwgo und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 145im berufungsverfahren muss sich jeder beteiligte durch einen prozessbevollmächtigten vertreten lassen. dies gilt auch für den antrag auf zulassung der berufung. 146der kreis der als prozessbevollmächtigte zugelassenen personen und organisationen bestimmt sich nach § 67 abs. 4 vwgo.
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4 O 172/18
2022-04-01T00:00:00
Urteil
Tenor 1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 75.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.09.2018 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 4.403,71 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.09.2018 zu zahlen. 2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren Schäden zu ersetzen, die auf der fehlerhaften Behandlung im H.-Krankenhaus im Jahr 2017, insbesondere im Rahmen des Krankenhausaufenthaltes vom 06.10.2017 bis zum 11.11.2017, beruhen. Dies gilt für materielle Ansprüche nur, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind und für immaterielle Ansprüche nur, soweit diese derzeit noch nicht vorhersehbar sind. 3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. 1für Recht erkannt: 21. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 75.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.09.2018 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 4.403,71 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.09.2018 zu zahlen. 32. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren Schäden zu ersetzen, die auf der fehlerhaften Behandlung im H.-Krankenhaus im Jahr 2017, insbesondere im Rahmen des Krankenhausaufenthaltes vom 06.10.2017 bis zum 11.11.2017, beruhen. Dies gilt für materielle Ansprüche nur, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind und für immaterielle Ansprüche nur, soweit diese derzeit noch nicht vorhersehbar sind. 43. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 54. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. 6Tatbestand: 7Die Klägerin begehrt - vertreten durch ihre Eltern - ein Schmerzensgeld sowie die Feststellung der weiteren Einstandspflicht wegen einer vermeintlich fehlerhaften ärztlichen Behandlung in der Zeit vom 06.10.2017 bis zum 11.11.2017 in dem von der Beklagten getragenen H.-Krankenhaus O.. 8Am 28.09.2017 wurde die Klägerin als reifes Neugeborenes mit APGAR-Werten von 9/10/10 ohne Auffälligkeiten in der 40 + 2. Schwangerschaftswoche geboren. Das Geburtsgewicht betrug 3.500 g, der Kopfumfang 36,0 cm und die Körperlänge 53 cm. Zuvor hatte während der Schwangerschaft ein Schwangerschaftsdiabetes bestanden. Postpartal traten keine Probleme auf. 9Am 06.10.2017 stellte die Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin R. (O.) die Diagnose „Virusinfektion; V. a. Apnoe“ und verordnete eine Krankenhausbehandlung aufgrund folgender Untersuchungsergebnisse: 10„seit ein paat Ragen [sic!] Probleme mit dem Trinken, röchelt, verschleimt, heute nach dem Stillen massiv gespuckt, schlapp, nicht geschrien, Augen verdreht, blass, Mutter hat Vd. Atemstillstand“ (Anlage K 1). 11Am 06.10.2017 wurde die Klägerin um 18:53 Uhr mit Verdacht auf eine Neugeborenen-Infektion und Pneumonie stationär im H.-Krankenhaus O. aufgenommen. Bei der Aufnahme war sie ausweislich des Aufnahmeberichts (Anlage K 2) sowie des Arztbriefes vom 15.12.2017 (Anlage K 3) stabil. Es bestand eine heisere Stimme, der Rachenraum war geringfügig gerötet, die Schleimhäute waren feucht. Es bestanden ein trockener Husten und eine leicht beschleunigte Atmung. Die Untersuchung des Herzens und des Abdomens war unauffällig. Das Gewicht hatte mit 3.410 g das Geburtsgewicht noch nicht wieder erreicht. Nach Angaben der Mutter der Klägerin wurde die Klägerin voll gestillt; sie spucke häufig, würde häufig schreien und habe zu Hause eine röchelnde Atmung gezeigt. 12Nach der stationären Aufnahme zeigte die Klägerin bereits einen Sauerstoffbedarf. Im Labor fand sich eine leichte Erhöhung des C-reaktiven Proteins auf 14,8 mg/l sowie des II-6 auf 27 pg/ml. Im Blutbild fand sich bei normaler Leukozytenzahl von 14,4 g/l eine leichte Linksverschiebung (10 % Stabkernige und 58 % Segmentkernige). Es wurde - neben den Diagnosen eines rezidivierenden Erbrechens, eines gastroösophagealen Refluxes, einer Gedeihstörung, einer hypochlorämischen metabolischen Alkalose (Elektrolytstörung), einer Hyponatriämie (Natriummangel) und einer Hypokaliämie (Kaliummangel) - die Diagnose einer Pneumonie mit respiratorischer Partialinsuffizienz gestellt. Da sich die Klägerin im Neugeborenenalter befand, wurde eine kombinierte antibiotische Therapie mit Ampicillin und Tobramycin gestartet. 13Im weiteren Verlauf fand sich weder vom Verlauf noch vom Keimspektrum her ein Hinweis auf einen Zusammenhang mit Keimen aus dem Genitalbereich der Mutter, sondern die Klägerin zeigte klinisch das Bild einer am ehesten viralen Pneumonie. Die Untersuchung auf das RS-Virus war negativ. Klinisch zeigte die Klägerin in den ersten Tagen weiterhin einen kontinuierlichen Sauerstoffbedarf, auskultatorisch zeigte sich ein sogenanntes Knistern über der Lunge, welches pathognomonisch für eine sogenannte Bronchiolitis ist. Dabei handelt es sich um eine Entzündung in den allerkleinsten Bronchiolen, die einer Pneumonie in etwa gleichzusetzen ist. Das Röntgenbild der Lunge zeigte am 10.10.2017 beidseitig Infiltrate. Therapeutisch wurden Inhalationen mit hypertoner Kochsalzlösung durchgeführt, ferner wurde eine Infusionstherapie verabreicht, außerdem wurde zunächst über fünf Tage eine antibiotische Therapie mit Ampicillin und Tobramycin durchgeführt. Ferner erhielt die Klägerin abschwellende Nasentropfen und ein kontinuierliches Monitoring von Sättigung und Herzfrequenz. Die Mutter wollte gerne weiter stillen, so dass die Klägerin zusätzlich zur Infusion Muttermilch trank. 14Der Sauerstoffbedarf der Klägerin war schwankend, bestand aber fort. Unter der Diagnose der Bronchiolitis wurden der Klägerin auch intermittierend Inhalationen mit Adrenalin verabreicht. Aufgrund des persistierenden Sauerstoffbedarfs und unter dem Eindruck des Röntgenbildes am 10.10.2017 wurde die Klägerin mit einem sogenannten High-Flow-Beatmungsgerät versorgt. Dabei handelt es sich um eine nicht invasive Beatmung, die die Atemarbeit für die Patienten verringert und die Belüftungssituation in der Lunge verbessert. Da der Schnelltest auf RS-Viren negativ war, wurde eine PCR-Untersuchung auf andere typische respiratorische Erreger veranlasst, die keinen ursächlichen Keim erbrachte. Die Antibiotikatherapie wurde bei zunächst nur zögerlicher klinischer Verbesserung am 12.10.2017 auf Cefuroxim umgesetzt. Im Labor war das C-reaktive Protein als Marker für die Entzündungsreaktion gut rückläufig und war am 13. und 17.10.2017 bereits negativ, passend zu einer am ehesten viralen Infektion. Die Beatmung mit dem High-Flow-Gerät wurde am 17.10.2017 beendet. 15Bezüglich der Ernährungssituation zeigte sich nach der Aufnahme unter Infusionstherapie und Still-Ernährung, dass die Klägerin mehrfach täglich kleinere und auch größere Mengen spuckte. Zunächst nahm die Klägerin an Gewicht zu, am 08.10.2017 betrug das Gericht 3.510 g, im weiteren Verlauf nahm die Klägerin jedoch wieder ab. Abdomensonographisch fand sich ein recht ausgeprägter gastroösophagealer Reflux. Im Rahmen der Zusammenschau eines schweren pulmonalen Infektes mit Bedarf einer nicht invasiven Beatmung und einer Sauerstoffzufuhr bis 40 %, der erhöhten Atemarbeit sowie des häufigen Spuckens, entschieden sich die Mitarbeiter der Beklagten zu einer zunächst teilparenteralen Ernährung mit Glukose, Aminosäuren, Elektrolyten und Fetten. Gleichzeitig erhielt die Klägerin weiterhin eine Muttermilch-Ernährung, die versuchsweise angedickt wurde. So trank die Klägerin am 15.10.2017 beispielsweise insgesamt 225 ml dazu. Die Frequenz des Spuckens der Klägerin und ihres Erbrechens nahm während der zweiten Woche des stationären Aufenthalts ab. Da gleichzeitig eine langsame, aber weitere Gewichtsabnahme zu verzeichnen war - die Klägerin wog am 18.10.2017 3.300 g -, erhielt sie am 18.10.2017 einen zentralvenösen Katheter (Einschwemmkatheter), um hyperosmolare Nahrungslösungen infundieren zu können. Da die Klägerin sehr unruhig und hungrig wirkte, wurde weiterhin eine geringe orale Nahrungsmenge erlaubt. Klinisch war das Bild nach Beurteilung der Beklagten mit einer sogenannten hypertrophen Pylorusstenose vereinbar. 16Die Klägerin war hungrig, spuckte zum Teil große Mengen und hatte große Magenreste. Die Peristaltik war lebhaft. Aus diesem Grunde wurden wiederholt Abdomensonographien durchgeführt. Es zeigten sich jedoch sowohl am 16., 18. und 20.10.2017 keine Hinweise auf eine Verdickung des Pylorus, so dass nach Beurteilung der Beklagten eine Pylorusstenose letztlich ausgeschlossen werden konnte. 17Da klinisch nach Einschätzung der Beklagten das Bild eines Passagehindernisses im Bereich des Duodenums (Zwölffingerdarm) vermutet werden musste, wurde eine Magen-Darm-Passage mit wasserlöslichem Kontrastmittel veranlasst. Es zeigte sich ein deutlich dilatierter Magen und nach 15 Minuten nur eine spärliche Kontrastierung des Duodenums und proximalen Jejunums (oberer Teil des Dünndarms). Eine Stunde nach Kontrastmittelgabe fand sich immer noch ein deutlich gefüllter Magen, allerdings fanden sich signifikante Kontrastmittelmengen jetzt bis zum Ileum, sodass sich eine Flüssigkeitspassage bis in die unteren Dünndarmregionen zeigte. 18Nach eingehender Befunddiskussion der ärztlichen Mitarbeiter mit den Radiologen und Ärzten der Abdominalchirurgie wurde von den ärztlichen Mitarbeitern mit den Eltern der Klägerin diskutiert, dass die sonographischen und Röntgenbefunde am ehesten für eine subtotale Enge im Bereich des Duodenums sprachen. Aus diesem Grund wurde von den behandelnden Ärzten eine laparoskopische Operation empfohlen, um nach Überwindung der vermeintlichen Lungenentzündung eine Ursache für die außerdem vorliegende ausgeprägte Essstörung zu finden. 19Am 21.10.2017 wurde eine explorative Laparotomie durchgeführt. Ausweislich des Arztbriefes (Anlage K 3) wurden Ladd'sche Bänder gelöst sowie eine hypertrophe Pylorusstenose wie auch eine Duodenalstenose ausgeschlossen. Es habe sich auch kein Volvulus gefunden. Im Bereich des Duodenums seien fibröse Bänder gesehen worden, die vom Quercolon zum rechten Oberbauch gezogen seien, sodass hierdurch eine Passagestörung erklärt werde. Hierbei handele es sich um Ladd’sche Bänder, die mit der Schere durchtrennt worden seien. Bei der weiteren Inspektion des Magen-Darm-Traktes fand sich im Bereich des Dünndarmmesenteriums noch ein betonter Lymphknotenbesatz. 20Postoperativ wurde die Klägerin auf der Neugeborenen-Intensivstation betreut. Hier wurde eine total parenterale Ernährung fortgesetzt. Am 24.10.2017 wurde die Klägerin auf die Normalstation zurückverlegt. Das EKG und das Sättigungsmonitoring wurden fortgesetzt, auch die parenterale Ernährung wurde fortgesetzt. Das Gewicht der Klägerin betrug am 24.10.2017 3.670 g. Nach der Operation wurde die Nahrungsmenge langsam gesteigert, am 25.10.2017 betrug die Nahrungsmenge 8 x 25 ml, am 29.10.2017 6 x 35 ml. Die respiratorische Situation war unauffällig. Auch die Ernährungssituation schien sich zu konsolidieren. Am 31.10.2017 lag das Körpergewicht der Klägerin bei 3.865 g. Grundsätzlich bestand auf Seiten der Beklagten zu diesem Zeitpunkt die Hoffnung, dass nur ein protrahierter Nahrungsaufbau nötig sein würde. Bei der subtilen Beobachtung fiel jedoch auf, dass immer noch Spuckereignisse vorkamen und die Klägerin trotz deutlich besserer Zufriedenheit nicht richtig gesund wirkte. Die Nahrung wurde unter der Vorstellung einer möglicherweise zugrundeliegenden Nahrungsunverträglichkeit auf Neocate, eine Vollhydrolysatnahrung, die nicht weiter verdaut werden muss, umgestellt. 21Außerdem diskutierten die behandelnden Ärzte der Klägerin den Fall mit den Ärzten der Gastroenterologie. Unter der Vorstellung, dass zusätzlich zu den gelösten Ladd‘schen Bändern auch intraluminal eine subtotale Stenose im Magen-Darm-Trakt vorliegen könnte, wurde mit den Eltern der Klägerin die Möglichkeit einer Endoskopie des oberen Gastrointestinaltrakts diskutiert. Am 30.10.2017 wurden die Eltern der Klägerin in Bezug auf eine voraussichtlich am 02.11.2017 stattfindende Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) aufgeklärt; hierzu kam es jedoch im Ergebnis nicht. 22Am 31.10.2017 entwickelte die Klägerin erstmals Fieber bis 38,3 °C. Es wurde eine antibiotische Behandlung mit Ampicillin, Vancomycin und Tobramycin durchgeführt. Zu diesem Zeitpunkt erbrach die Klägerin wieder häufiger und setzte zerhackte Stühle ab. Das C-reaktive Protein sowie das II-6 waren leicht angestiegen. Da der zentrale Venenkatheter zu diesem Zeitpunkt bereits den 13. Tag eingelegt war, kam auch eine Katheter-assoziierte Infektion als Ursache in Frage. Da die Klägerin weiterhin eine zumindest teil-parenterale Ernährung benötigte, wurde der zentrale Venenkatheter jedoch zunächst noch belassen. Bei Fortbestehen der subfebrilen Temperatur bis 38 °C wurde der zentrale Venenkatheter am 03.11.2017 entfernt, um eine Katheterinfektion sicher auszuschließen. Die Blutkulturen blieben steril, auch die Katheterspitze zeigte keinen Keimzuwachs. Im weiteren Verlauf stiegen die Infektionsparameter bis zum 07.11.2017 leicht an und waren am 09.11.2017 wieder leicht abgefallen. Die Ursache für die Infektion blieb unklar, die bereits antibiotische Therapie wurde bis zum 07. bzw. 08.11.2017 fortgeführt. Außerdem erhielt die Klägerin weiterhin eine zumindest teil-parenterale Ernährung zusätzlich zu den oralen Trinkmengen von ca. 300 ml/Tag. 23Aufgrund der für die Beklagte ungewöhnlichen Krankheitsgeschichte nahmen deren Mitarbeiter Kontakt mit der Medizinischen Hochschule K. (MHK) auf. Die Diskussion der Befunde und des Krankheitsverlaufs mit den dortigen Ärzten der Kinderklinik erbrachte, dass möglicherweise auch eine seltene Stoffwechselstörung dem protrahierten Krankheitsverlauf zugrunde liegen könnte. Aus diesem Grund sollte die Klägerin in der MHK eingehender untersucht werden. Die Möglichkeit der Verlegung wurde mit den Eltern der Klägerin ausführlich diskutiert, wobei Verlegung auch von der Aufnahmekapazität der MHK abhing, schließlich aber am 11.11.2017 erfolgte. 24Vom 11.11.-09.12.2017 war die Klägerin im Zentrum Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Klinik für Pädiatrische Nieren-, Leber- und Stoffwechselerkrankungen der MHK stationär aufhältlich (Anlage K 5). Eine Kernspintomographie des Schädels mit Spektroskopie erfolgte am 29.11.2017, ein MRT des Abdomens am 30.11.2017. Am 06.12.2017 erfolgte eine endoskopische Untersuchung durch die Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD). Dabei zeigte sich ein ausgeprägter Befund mit aufgehobener Motilität, Wandstarre und pathologischem Schleimhautrelief in allen einsehbaren Abschnitten des oberen Gastrointestinaltraktes. Weiterhin bestanden eine hochgradige Duodenalstenose und eine schwerste ulzerierende Ösophagitis (Speiseröhrenentzündung) bei vollständiger Cardiainsuffizienz (Undichtigkeit des Verschlussmechanismus am Mageneingang). Aufgrund der schwerst ulzerierenden Ösophagitis erhielt die Klägerin großzügig Analgetika zur Schmerzbekämpfung. Ferner wurde eine Hautbiopsie mit Fibroblastenkultur angelegt, um Stoffwechselerkrankungen und genetische Erkrankungen abzuklären. Es bestätigte sich der Verdacht auf eine oder mehrere Engstellen im Bereich des Dünndarms. Zudem wurden ausweislich des Entlassungsberichts (Anlage K 5) eine Entwicklungsstörung und eine muskuläre Hypotonie diagnostiziert sowie ein persistierendes Foramen ovale und eine periphere Pulmonalstenose. 25Vom 09.12.2017-01.01.2018 wurde die Klägerin stationär im Zentrum für Chirurgie, Klinik für Kinderchirurgie der MHK zur weiteren Diagnostik und Therapie aufgrund der noch unklaren Ursache der ausgeprägten Obstruktion behandelt (Anlage K 6). Die Befunderhebung erfolgte per MRT. Am 12.12.2017 erfolgte eine offen chirurgisch durchgeführte Duodenoduodenostomie mit vorangegangener Rektumsaugbiopsie vom 11.12.2017. Dabei wurde ausweislich des Entlassungsberichts vom 31.01.2018 (Anlage K 6) festgehalten, dass die explorative Laparotomie in O. vom 21.10.2017 keinen Hinweis auf eine externe Kompression des Duodenums gezeigt habe. Die nunmehr durchgeführte bildgebende und endoskopische Diagnostik habe eine hochgradige Obstruktion des Duodenums mit begleitender Gastritis und Ösophagitis gezeigt. Zudem hätten sich eine Duodenalstenose und eine Duodenalatresie (angeborene Entwicklungsstörung, bei der das Lumen des Zwölffingerdarms nicht durchgängig ist) gezeigt. 26Ausweislich des Entlassungsberichts vom 31.01.2018 waren auf Grund der präoperativ schweren entzündlichen Veränderungen weitere Verlaufsendoskopien geplant. 27Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 22.06.2018 forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz sowie zur Anerkennung der weiteren Ersatzpflicht bis zum 20.07.2018 auf. Hierbei bezifferte sie ein begehrtes Schmerzensgeld auf 75.000,00 EUR, ihren Eltern entstandene Fahrtkosten auf 1.850,35 EUR sowie ihr Feststellungsinteresse auf 50.000,00 EUR (Anlage K 8). Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 23.08.2018 wies die Beklagte die erhobenen Ansprüche zurück (Anlage K 9). 28Zwischen dem 15.03.2018 und dem 28.04.2021 stellte sich die Klägerin mehrfach in der Klinik für Kinderchirurgie der MHK ambulant und stationär vor (Anlagen K 11 bis K 19). Kurz vor dem Verhandlungstermin am 11.03.2022 musste die Klägerin eine weitere stationäre Behandlung bzw. Kontrolle in der MHK absolvieren. Dabei zeigte sich, dass (nach wie vor) eine Entzündung im Bereich des Übergangs von Speiseröhre und Magen besteht. Zudem leidet die Klägerin an den damit verbundenen Beschwerden, sie hat Schmerzen, kann nicht alles essen und muss Medikamente einnehmen. 29Die Klägerin behauptet, dass ihre Behandlung in der Klinik der Beklagten in der Zeit vom 06.10.2017 bis zum 11.11.2017 fehlerhaft gewesen sei. Angesichts ihrer Beschwerden (Magen-Darm-Probleme) seien Befunde behandlungsfehlerhaft nicht ausreichend bzw. verspätet erhoben worden, namentlich die Befunde des persistierenden Foramen ovale sowie der Pulmonalstenose. Die Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) wäre bei Anwendung der ärztlichen Sorgfalt zwingend Ende Oktober/Anfang November 2017 durchzuführen gewesen. Neben dieser ÖGD wäre bei Anwendung der ärztlichen Sorgfalt zwingend auch die entsprechende Kernspintomographie/MRT geboten gewesen. Sofern die vorstehenden Untersuchungen (ÖGD und/oder MRT) in der Klinik der Beklagten nicht durchführbar gewesen wären, hätte die frühere Verlegung in ein Spezialzentrum erfolgen müssen. Die am 21.10.2017 durchgeführte explorative Laparotomie sei nicht indiziert gewesen und zudem nicht sach- und fachgerecht durchgeführt worden. Es sei nicht geboten gewesen, die sog. Ladd‘schen Bänder durchzuschneiden, da weder eine externe Kompression des Duodenums noch eine verdrehte Fehlstellung des Darms, die eigentlich typisch für ein auf die Ladd‘schen Bänder zurückzuführendes Kompressionsproblem sei, vorgelegen hätten. Der Chirurg habe behandlungsfehlerhaft die eigentliche Fehlbildung übersehen und den Schnitt senkrecht statt waagerecht gesetzt. Nach der Operation sei als Komplikation der nosokomiale Krankenhauskeim aufgetreten. Auch entspreche die Dokumentation in der Klinik der Beklagten hinsichtlich der Operation vom 21.10.2017 nicht den Anforderungen an die medizinisch gebotene Dokumentation. Anstatt ferner über einen Monat lang im Rahmen des stationären Krankenhausaufenthalts eine enterale Ernährung mit lediglich parenteraler zeitweiser Unterstützung zu versuchen, wäre eine voll-parenterale Ernährung über einen zentralen Venenkatheter (ZVK) geboten gewesen. 30Die Klägerin behauptet weiter, sie habe auf Grund der beschriebenen Behandlungsfehler diverse Beeinträchtigungen erlitten. So habe sich ihr gesamter oberer Verdauungstrakt schwer entzündlich verändert, insbesondere im Wege einer schwersten ulzerierenden Ösophagitis und einer Gastritis. Diese beruhten auf der unterlassenen Befunderhebung eines MRT und ÖGD sowie der verfehlten Therapie. Es seien mehrere Geschwüre aufgetreten, deren narbenlose Abheilung nicht möglich sei, da eine solche narbenlose Abheilung das Vorhandensein einer intakten Basalzellschicht im Stratum germinativum voraussetze. Auf Grund der vorliegenden Ulcera und der schwersten Ausprägung der Ösophagitis liege somit ein Dauerschaden vor. Zudem habe die Klägerin eine Dystrophie erlitten, die gravierend auch auf der unterlassenen voll-parenteralen Ernährung beruhe. Außerdem leide sie an einer Neurodermitis, die bereits einen dreiwöchigen Aufenthalt in einer Kinderklinik erforderlich gemacht habe. Insgesamt seien auf Grund der Behandlungsfehler allein bis zum Zeitpunkt der Klageerhebung drei weitere Krankenhausaufenthalte und zwei weitere Gastroskopien erforderlich gewesen. Nach wie vor werde sie medikamentös behandelt. Eine etwaige Grunderkrankung wäre bei ordnungsgemäßer ärztlicher Vorgehensweise nicht zum Tragen gekommen. 31Die Klägerin behauptet weiter, ihren Eltern seien Fahrtkosten von zusammen 1.850,35 EUR sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 4.403,71 EUR nach einem Gegenstandswert von 126.850,35 EUR und einer 2,2-fachen Geschäftsgebühr entstanden. 32Die Klägerin meint, die unterlassenen Befunderhebung eines MRT und ÖGD sowie die verfehlte Therapie stellten grobe Behandlungsfehler dar. Für ihre schwersten Gesundheitsschädigungen sei jedenfalls ein Schmerzensgeld in Höhe von 75.000,00 EUR angemessen, insbesondere im Hinblick auf die erlittenen Beeinträchtigungen sowie die Tatsache, dass sie ihre ersten drei Lebensmonate mangelernährt in intensiver stationärer Behandlung verbracht habe. 33Die Klägerin meint zudem, die Beklagte habe die medizinisch gebotene Dokumentation unterlassen, da die Patientenakte hinsichtlich der Operation vom 21.10.2017 keinen eigenständigen Operationsbericht enthalte, sondern sich lediglich im Entlassungsbericht vom 15.12.2017 (Anlage K 3) Ausführung dazu fänden, sodass schon keine Dokumentation im adäquaten zeitlichen Zusammenhang vorliege und diese damit unverwertbar sei. Darüber hinaus entspreche der vermeintlich in den Entlassungsbrief integrierte Operationsbericht auch inhaltlich nicht den Anforderungen an die medizinisch gebotene Dokumentation. Er enthalte nicht einmal die Angabe, welche Personen operiert und assistiert hätten. 34Die Klägerin beantragt, 351. die Beklagte zu verurteilen, an sie ein dem gerichtlichen Ermessen unterstelltes Schmerzensgeld, das nach klägerischer Vorstellung 75.000,00 EUR nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 4.403,71 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen; 362. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren Schäden zu ersetzen, die aus der fehlerhaften Behandlung im H.-Krankenhaus im Jahr 2017, insbesondere im Rahmen des Krankenhausaufenthaltes vom 06.10.2017 bis zum 11.11.2017, beruhen; dies gilt für materielle Ansprüche nur soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind und für immaterielle Ansprüche nur soweit diese derzeit noch nicht vorhersehbar sind. 37Die Beklagte beantragt, 38 die Klage abzuweisen. 39Die Beklagte behauptet, die Behandlung der Klägerin sei stets sach- und fachgerecht erfolgt und habe dem medizinischen Facharztstandard entsprochen. 40Im Zeitpunkt der am 21.10.2017 durchgeführten explorativen Laparotomie habe eine schwere Gedeihstörung bei der Klägerin vorgelegen. Versuche, die Nahrung anzudicken, und andere konservative Behandlungsmaßnahmen seien erfolglos gewesen. Radiologisch und sonographisch habe sich ein Passagehindernis im Bereich des proximalen Duodenums gezeigt ohne Hinweis auf eine hypertrophe Pylorusstenose. Damit habe eindeutig die Indikation für die Durchführung der Laparotomie vorgelegen. Diese sei auch sach- und fachgerecht durchgeführt worden. Auch intraoperativ habe sich kein erklärendes Korrelat gefunden. Zudem seien nach der Operation keine Komplikationen aufgetreten. 41Es stelle auch keinen Befunderhebungsfehler der Beklagten dar, dass die zunächst für den 02.11.2017 geplante Ösophago-Gastro-Duodenoskopie nicht durchgeführt worden sei, weil die Klägerin zwischen Aufklärung und geplantem Termin eine fieberhafte Infektion mit Verschlechterung des Allgemeinzustandes, insbesondere auch unter Beteiligung ihrer Atemwege, erlitten habe. Deshalb sei die elektive diagnostische Maßnahme bei einem derart kleinen Kind zu risikoreich gewesen und habe verschoben werden müssen. Auf Grund der erforderlichen Vollnarkose sei am 02.11.2017 auch eine Kernspintomographie nicht indiziert gewesen. 42Auch die von der Beklagten während des stationären Aufenthalts durchgeführte Versorgung sei medizinisch fachgerecht erfolgt, insbesondere sei eine ausreichende Kalorienzufuhr während des stationären Aufenthalts der Klägerin im H.-Krankenhaus durchweg sichergestellt worden. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin seien als schicksalhaft zu betrachten. Soweit die Klägerin behaupte, an einer Neurodermitis zu leiden, liege die Ursache dafür jedenfalls nicht in einem Behandlungsfehler der Beklagten. Die Kernspintomographie des Schädels mit Spektroskopie in der MHK am 29.11.2017 deute zudem auf anlagebedingte Grunderkrankungen hin. 43Die Beklagte meint, die Patientenakte der Klägerin sei umfassend und entspreche dem medizinischen Facharztstandard. Das anvisierte Schmerzensgeld in Höhe von 75.000,00 EUR sei jedenfalls übersetzt. Auch seien die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Klägerin überhöht, weil der Gegenstandswert auch ein Feststellungsinteresse in Höhe von 50.000,00 EUR umfasse und die angesetzte 2,5-fache Geschäftsgebühr überhöht sei. 44Die Klage ist der Beklagten am 21.09.2018 zugestellt worden. 45Die Kammer hat Beweis erhoben über die Behauptungen der Parteien durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. D. W. (E.) vom 18.04.2021, wegen dessen Einzelheiten auf die Bl. 172 ff. der eA. Bezug genommen wird. Darüber hinaus hat die Kammer den Sachverständigen im Verhandlungstermin am 11.03.2022 ergänzend angehört; wegen der Einzelheiten wird insoweit auf das entsprechende Verhandlungsprotokoll Bezug genommen. 46Entscheidungsgründe: 47Die Klage ist zulässig und begründet. Der Klägerin stehen die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche gem. §§ 630a, 280 Abs. 1, 278, 249, 253 Abs. 2 BGB bzw. §§ 823 Abs. 1, 831, 249, 253 Abs. 2 BGB zu. Die Beklagte hat während des stationären Aufenthalts der Klägerin erhebliche Behandlungsfehler begangen, die als grob zu bewerten sind. Hiervon ist die Kammer nach der durchgeführten Beweisaufnahme überzeugt. 48Der Sachverständige Prof. Dr. W. führt in seinem Gutachten vom 18.04.2021 aus, dass die Behandlung der Klägerin im Klinikum der Beklagten in der Zeit vom 06.10.-11.11.2017 nicht den Regeln der ärztlichen Heilkunde entsprochen habe. Die Hauptsymptome des Kindes, die zur stationären Aufnahme geführt hätten, seien vor allem das schwallartige Erbrechen und das häufige Spucken nach den Mahlzeiten sowie die in der Anamnese angegebenen Stillprobleme von Geburt an gewesen, wodurch keine ausreichende Ernährung möglich gewesen sei. Diese bereits initial eindeutigen Hinweise auf eine Passagestörung im obere Magen-Darm-Trakt hätten unverständlicherweise in der Kinderklinik der Beklagten nicht die erforderliche Beachtung gefunden, sondern es sei vielmehr zunächst ausschließlich eine vermeintliche Neugeboreneninfektion behandelt worden. Jedoch seien in den vorliegenden Unterlagen keine eindeutigen Anzeichen für eine schwere pulmonale Infektion zu finden. 49Es seien, so der Sachverständige weiter, eindeutig Befunde unvollständig oder verspätet erhoben worden. Es erscheine völlig unverständlich, dass erst nach sechs Tagen stationärer Behandlung am 12.10.2017 die erste Ultraschalluntersuchung erfolgt sei. Dabei sei ein deutlicher gastro-ösophagealer Reflux (GÖR) dargestellt worden. In Anbetracht der Symptome hätte dies bereits bei Aufnahme differentialdiagnostisch neben infektiösen Ursachen in Erwägung gezogen und unmittelbar abgeklärt werden müssen. Zudem hätte nach Erkennen des GÖR unmittelbar die Suche nach Hinweisen auf eine Passagestörung in erster Linie am Pylorus (Magenausgang) bzw. im Bereich des Duodenums (Zwölffingerdarm) als Ursache erfolgen müssen. Im Befund zu dieser ersten Ultraschalluntersuchung werde allerdings zu dieser diagnostisch äußerst wichtigen und entscheidenden Frage nicht einmal Stellung genommen. Erst in der Ultraschalluntersuchung am 16.10.2017, d. h. 10 Tage nach Aufnahme, finde erstmals der Pylorus neben einem starken GÖR Erwähnung. Erst am 13.10.2017 (7. stationärer Tag) könne außerdem eine Anordnung zum Legen einer Magensonde gefunden werden, was in Anbetracht der Symptomatik mit schwallartigem Erbrechen fachlich unverständlich und eindeutig zu spät sei. Wäre bereits initial entsprechend der Hauptsymptomatik eine qualifizierte Ultraschalluntersuchung des Abdomens erfolgt, hätte sich viel früher herausgestellt, dass die pulmonale Symptomatik durch Aspirationen von Milch und Mageninhalt eher sekundär und Folge des GÖR infolge einer Passagestörung gewesen sei. Diese Kausalkette gehöre zum Basiswissen in der Kindermedizin. In diesem Zusammenhang hätte, falls eine qualifizierte Ultraschalldiagnostik unmittelbar nach der stationären Aufnahme nicht zur Diagnosestellung geführt hätte, auch die Magen-Darm-Passage viel früher erfolgen müssen, wobei sie im vorliegenden Fall erst am 18.10.2017 (12. stationärer Tag) durchgeführt worden sei. Bei den Ultraschalluntersuchungen und bei der Magen-Darm-Passage in der Kinderklinik der Beklagten sei immer wieder auf den auffallend großen Magen hingewiesen worden. Bei der Röntgendurchleuchtung sei zudem nur ein äußerst spärlicher Übertritt des Kontrastmittels in den Dünndarm beschrieben worden. Außerdem seien erhebliche Folgeschäden des langwährenden GÖR auf die Schleimhaut der Speiseröhre des Kindes beschrieben. All dies habe auf das Vorliegen einer hochgradigen Duodenalstenose hingewiesen. Im Rahmen der Thorax-Röntgenuntersuchung am 10.10.2017 hätte aufgrund der bei der Klägerin vorliegenden Magen-Darm-Probleme deren Oberbauch mit untersucht werden und mit großer Wahrscheinlichkeit die Diagnose gestellt werden können und müssen. In der Regel hätte das auch mit einer Ultraschalluntersuchung gelingen müssen. 50Der Sachverständige Prof. Dr. W. führt weiter aus, dass auf Grund der Symptome der Klägerin seitens der Beklagten zwingend eine Störung der Passage im Bereich des Duodenums hätte ausgeschlossen werden müssen. Die vorliegenden Befunde der Ultraschalluntersuchungen und der Befund der Magen-Darm-Passage (MDP) am 18.10.2017 hätten trotz ersichtlicher Unsicherheit in der Beurteilung durch die Untersuchenden aus der Sicht des Sachverständigen eindeutig auf eine Duodenalstenose hingewiesen. Das könne allerdings nur mit einer ausreichenden kinderchirurgischen bzw. kinderradiologischen Expertise und entsprechender Erfahrung aus den Symptomen und den, wenn auch aus der Sicht des Sachverständigen eher unvollständigen und teilweise fehlerhaften, Befunden der Ultraschalluntersuchungen und der MDP am 18.10.2017 geschlossen werden. In dieser Hinsicht erscheine der Befund der MDP in der Kinderklinik der MHK am 17.11.2017 sehr aufschlussreich. Diese Untersuchung sei bei der Befundung mit der MDP vom 18.10.2017 in O. verglichen worden. In dem Befund heiße es, dass sich wie in der Voruntersuchung eine kontrastmittelgefüllte Erweiterung des proximalen Duodenums zeige. Ein unmittelbarer Weitertransport des Kontrastmittels könne nicht beobachtet werden. Hier sei also mit der MDP eindeutig die Diagnose gestellt worden. Das hätte demnach auch bereits am 17.10.2017 in O. erkannt werden können. Laut Arztbrief aus O. werde die MDP zwar dahingehend befundet, dass sich ein deutlich dilatierter Magen fülle und sich insbesondere das präpylorische Antrum kräftig aufweite, wobei sich im Verlauf von ca. 15 Minuten nur eine spärliche Kontrastierung des Pylorus und des nachfolgenden Duodenums zeige. In der Zusammenschau mit den zuvor erstellten Ultraschallbefunden, die mehrfach den Pylorus als nicht verengt bzw. weit beschrieben hätten, hätte nach Beurteilung des Sachverständigen doch schon im Hause der Beklagten auffallen müssen, dass es sich hier offensichtlich um eine Duodenalstenose gehandelt habe. Eine Ursache für diesen offensichtlichen Diagnostikfehler könne, so der Sachverständige, sein, dass der Pylorus bei Fällen mit hochgradiger Duodenalstenose durch den Rückstau meist erweitert sei und bei der Sonografie und der MDP der Magen und das Duodenum vor der Stenose nicht sicher voneinander abgrenzbar seien und fast ineinander übergingen. Dann wäre aber bei Anwendung der ärztlichen Sorgfalt eine weiterführende Diagnostik geboten gewesen, insbesondere unter Hinzuziehung kinderchirurgischer Expertise. Aufgrund der deutlich geringeren Invasivität wäre zudem eine MRT geeignet und geboten gewesen. 51Der Sachverständige Prof. Dr. W. gelangt weiter zu dem Ergebnis, dass die Klägerin früher in ein Spezialzentrum hätte verlegt werden müssen. Es sei völlig unverständlich, dass die Klägerin erst am 11.11.2017 und somit nach 36 Tagen stationärer Behandlung bei der Beklagten verlegt worden sei. Es habe ganz offensichtlich an einer interdisziplinären Beurteilung der Symtomatik und der Befunde sowie an einer interdisziplinären Beratung über erforderliche diagnostische Schritte bzw. das therapeutische Procedere inkl. der OP gefehlt. Am Ende des Verlegungsbriefes der Beklagten würden die Symptome und die Befunde in erschreckender Weise nahezu absolut verkannt und wiesen eine differentialdiagnostische Ahnungslosigkeit auf. Hier heiße es lediglich, dass kein Hinweis auf einen Immundefekt oder ein gastrointestinales Passagehindernis gefunden worden sei. In Kenntnis der Symptomatik, die offenkundig mindestens seit Geburt bestanden habe, und der Befunde wäre das frühzeitige Hinzuziehen einer kinderchirurgischen und kinderradiologischen Expertise bzw. die Verlegung in ein Kinderzentrum mit diesen strukturellen Voraussetzungen geboten gewesen. 52Die Entscheidung für eine explorative Laparotomie am 21.10.2017 erscheine, so der Sachverständige weiter, angesichts der vorliegenden Symptomatik und der Befunde auch ohne weitere Diagnostik schlüssig, so dass die OP grundsätzlich indiziert gewesen sei. Mehrere und eindeutige Hinweise aus den Ultraschalluntersuchungen hätten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf eine für die Erkrankung des Kindes ursächliche mechanische Passagestörung im Bereich des Duodenums hingewiesen. 53Der Sachverständige Prof. Dr. W. führt aus, dass die explorative Laparotomie am 21.10.2017 nicht sach- und fachgerecht durchgeführt worden sei. Es wäre nicht geboten gewesen, die Ladd'schen Bänder zu durchtrennen. Allerdings könne es sich bei den durchtrennten Bändern gar nicht um die sog. Ladd'schen Bänder gehandelt haben. Denn nur im Fall einer Malrotation (angeborene Lageanomalie des Darmes) bildeten sich diese bindegewebigen Stränge zwischen dem Zökum, welches in diesem Fall im rechten Oberbauch liege (und nicht wie normalerweise im rechten Unterbauch), und der seitlichen Bauchwand. Nur in diesem Fall könne es aus topografischer Sicht zu einer Kompression des dann auch anders positionierten Duodenums kommen. Demzufolge sei bei der Klägerin aus fachlicher Sicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen gewesen, dass bei ihr sog. Ladd'sche Bänder als Ursache der Passagestörung vorgelegen hätten. Das hätte der Operateur erkennen und wissen müssen. Die eigentliche Fehlbildung habe der Chirurg behandlungsfehlerhaft übersehen, wobei die Schnittführung als solche unerheblich sei. Intraoperativ sei aber die weitere Suche nach einer relevanten Passagestörung im Bereich des Duodenums unbedingt geboten gewesen. Da derartige Passagestörungen in verschiedenen Formen vorliegen könnten, hätte der Chirurg - um mit gebotener Sorgfalt und Sicherheit eine Duodenalatresie bzw. -stenose ausschließen zu können - auf Grund der Symptome und der bis dahin vorliegenden Befunde das Duodenum oberhalb der Einmündung des Pankreasganges (Bauchspeicheldrüsengang) eröffnen und mit einer Sonde die Durchgängigkeit prüfen müssen. 54Zudem wäre, so der Sachverständige, bei der Versorgung der Klägerin eine voll-parenterale Ernährung über einen zentralen Venenkatheter (ZVK) geboten gewesen. Diese sei jedoch erst am 18.10.2017, d. h. am 12. Tag des stationären Aufenthalts, gelegt worden. 55Im Ergebnis, so der Sachverständige, lägen fünf Behandlungsfehler vor, die jeweils einen Verstoß gegen elementare Regeln der ärztlichen Heilkunst darstellten, der schlechterdings nicht unterlaufen dürfe. Dies seien im Einzelnen 561. die insgesamt behandlungfehlerhafte Verzögerung einer symptomgerechten Diagnostik und Therapie, 572. insbesondere die behandlungsfehlerhafte Durchführung der OP am 21.10.2017, 583. die fachlich unverständliche zu späte Entlastung des Magens durch eine Magensonde am 13.10.2021 (7. stationärer Tag), 594. die behandlungsfehlerhafte Fortsetzung der enteralen Ernährung anstatt einer vollbilanzierten parenteralen Ernährung und 605. die behandlungsfehlerhafte Unterlassung einer Verlegung des neugeborenen Kindes in eine medizinische Einrichtung mit nachweisbarer kinderchirurgischer und kinderradiologischer Expertise bzw. einer Kooperation mit einer solchen. 61Diese Fehler hätten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verursacht, dass 6263sich insgesamt die Heilung in unverantwortlich großem Maße verzögert habe und die Beschwerden der Klägerin unnötig verlängert worden seien, 64die pulmonale Symptomatik durch weitere Aspirationen von Nahrung verlängert worden sei, 65die refluxbedingten Schädigungen der Schleimhaut, schwerste entzündliche Veränderungen des gesamten oberen Verdauungstrakts, insbesondere eine schwere ulzerierende Ösophagitis und eine Gastritis entstanden seien und noch verstärkt worden seien, 66mehrere Ulcera, deren narbenlose Abheilung nicht möglich sei, entstanden seien, so dass aufgrund der vorliegenden Ulcera und der schwersten Ausprägung der Ösophagitis ein Dauerschaden eingetreten sei, 67der gesamte Krankheitsverlauf inkl. der Dystrophie (Mangelernährung) und der Entwicklungsverzögerung relevant verlängert worden sei und 68nach den bis zur Erstattung des schriftlichen Gutachtens vorliegenden Unterlagen insgesamt drei weitere Krankenhausaufenthalte und zwei weitere Gastroskopien erforderlich gewesen seien. 69Die Wahrscheinlichkeit einer ursächlichen Verknüpfung der aufgeführten Behandlungsfehler mit der Entstehung einer Neurodermitis und einer nach wie vor erforderlichen medikamentösen Behandlung seien demgegenüber mit dem vorliegenden Gutachten nicht zu klären. Bei fachgerechter Diagnostik und Therapie wären die oben aufgelisteten Beschwerden und nachhaltigen Folgeerscheinungen mit größter Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten. 70Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 11.03.2022 hat der Sachverständige Prof. Dr. W. seine Angaben ergänzt und ist auf die Fragen der Parteien im Einzelnen eingegangen. Er hat insbesondere noch einmal betont, dass es am 21.10.2017 intraoperativ erforderlich gewesen sei, (auch) den Zwölffingerdarm zu untersuchen, und zwar allein deshalb, weil in diesem Bereich häufig eine mögliche Duodenalstenose auftreten könne. Er habe medizinisch keine sinnvolle Erklärung dafür, warum dies bei dem Eingriff vom 21.10.2017 unterblieben sei. Er halte auch daran fest, dass die Diagnostik in der Klinik der Beklagten im Hinblick auf die Passagestörung verspätet durchgeführt worden sei. Im Hinblick auf die ursprüngliche Verdachtsdiagnose der Pneumonie habe sich die Frage gestellt, warum ein Kind in diesem jungen Alter eine Lungenentzündung haben könne. Eine mögliche und bekannte Ursache einer Lungenentzündung bei einem sehr kleinen Kind sei eine sogenannte Aspirationspneumonie. Es habe deshalb die Frage gestellt werden müssen, ob und gegebenenfalls warum die Klägerin Reflux habe. Nach Bestätigung des Refluxes sei die Frage nach der Ursache dann hinweisend bzw. hinleitend zu einer möglichen Passagestörung. Zu deren Abklärung hätte, so der Sachverständige, eine Ultraschalluntersuchung zur Verfügung gestanden, die auch überhaupt keinen Schaden bei der Klägerin verursacht hätte und unproblematisch hätte durchgeführt werden können. Die schließlich bei der Beklagten durchgeführte Ultraschalluntersuchung habe einen riesengroßen Magen gezeigt, was auf Probleme mit dem Nahrungstransport hinweise. Ein Magen mit einer solchen Vergrößerung sei medizinisch das Hauptsymptom einer Duodenalstenose. 71Der Sachverständige Prof. Dr. W. hat schließlich auf die Frage nach möglichen Folgen für die Klägerin angegeben, dass er diese, jedenfalls, was die Prognose angehe, kaum zuverlässig beurteilen könne. Die Fehlbildung als solche sei bereits im Mutterleib vorhanden gewesen, verbunden mit der Folge, dass Magenein- und Magenausgang erweitert seien. Ein Schaden an der Speiseröhre werde dadurch aber deshalb noch nicht entstanden sein, weil die Magensäureproduktion erst nach der Geburt beginne. Dass die Klägerin nach wie vor unter Reflux leide, sei in seinen Augen deshalb eher Folge der verzögerten Behandlung und Operation. Wesentliches Behandlungsziel bei einer solchen Fehlbildung sollte sein, den Reflux möglichst frühzeitig zu verhindern, und zwar durch eine Operation. Ausweislich weiterer Unterlagen der MHK (Anlage K 11) sei die Speiseröhre der Klägerin vernarbt. Ursächlich hierfür sei das Entzündungsgeschehen in der Speiseröhre. Da Narben die Tendenz hätten, zu schrumpfen, könne es im weiteren Verlauf erforderlich sein, die Speiseröhre zu weiten. Zudem führten die Narben dazu, dass die Peristaltik der Speiseröhre nicht mehr ordnungsgemäß funktioniere, so dass es zu sogenannten Stasen kommen könne. Sofern der Reflux noch vorhanden sei, müsse dieser nach Möglichkeit im Wege einer Folgeoperation beseitigt werden. Schließlich sei es, so der Sachverständige Prof. Dr. W., schwierig, die Beschwerden und Befunde, die sich aus diesen Arztbriefen ergäben, punktgenau auf die Behandlung in der Klinik der Beklagten bzw. das gesamte Behandlungsgeschehen zurückzuführen. Nach seiner Erfahrung gelinge es aber häufig, Kinder mit einer Duodenalstenose so zu behandeln, dass ein so schweres Krankheitsbild, wie es bei der Klägerin bestehe, nicht auftrete. Dies führe ihn medizinisch zu der Annahme, dass die beschriebenen Befunde am ehesten auf die verzögerte Beseitigung der Ursache des Refluxes zurückzuführen seien. Medizinisch sei es einfach wichtig, die Ursache des Refluxes so frühzeitig zu beseitigen, dass es infolge des Refluxes nicht zu einer schweren Beeinträchtigung der Speiseröhre komme. 72Die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. W. sind in sich schlüssig und frei von Widersprüchen. Der Sachverständige hat in beeindruckender Deutlichkeit das Vorliegen von fünf Behandlungsfehlern festgestellt und seine Ergebnisse anschaulich, auch unter Beifügung entsprechender Schaubilder nebst Erklärungen, präsentiert. In der mündlichen Verhandlung hat er ergänzende Ausführungen gemacht und ist auf sämtliche Nachfragen der Parteien dezidiert eingegangen. Nach eigener Überprüfung schließt sich die Kammer den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen vollumfänglich an. Der Sachverständige ist Chefarzt und Direktor der Klinik für Kinderchirurgie, Neugeborenenchirurgie und Kinderurologie des Vivantes-Klinikums Neukölln (E.). An seiner fachlichen Kompetenz bestehen keinerlei Zweifel. 73Die Kammer hält für die von der Klägerin erlittenen Beeinträchtigungen ein Schmerzensgeld in Höhe von 75.000,00 EUR für angemessen. Hierbei berücksichtigt die Kammer, dass der Sachverständige Prof. Dr. W. fünf Behandlungsfehler festgestellt hat, von denen jeder für sich genommen schon als grob einzustufen ist. Die Klägerin hat massive Beeinträchtigungen erlitten, welche sie zum Großteil ein Leben lang begleiten werden. Damit geht eine entsprechend lange Dauer der Leidenszeit einher. Auch war die lange stationäre Behandlung im Hause der Beklagten nicht nur unnötig, sondern auch vermeidbar. Dies stellte sich für die Klägerin als neugeborenes Kind besonders gravierend dar, weil sie nicht in der elterlichen Obhut versorgt werden konnte, sondern dem Geschehen im Hause der Beklagten in einem sehr jungen Alter auch in besonderem Maße ausgesetzt war. Zugleich war sie hierdurch von der gewohnten und vertrauten häuslichen Umgebung getrennt, was eine erhebliche Beeinträchtigung darstellte. Auch wird die Klägerin Zeit ihres Lebens immer wieder auf Kontrolluntersuchungen angewiesen sein. Prognostisch lässt sich, wie der Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, auf Grund des jungen Alters der Klägerin noch gar nicht abschätzen, welche möglichen Folgebeeinträchtigungen sie ggf. einmal später treffen können. Denkbar seien jedenfalls mögliche Folgeoperationen zur Beseitigung des Refluxes oder zur Weiterung der Speiseröhre in Folge der beschriebenen Vernarbung, wobei die damit verbundenen Unsicherheiten die Klägerin ebenfalls belasten (werden). 74Der Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist ebenfalls in voller Höhe begründet. Der vorgerichtliche Gegenstandswert wurde zutreffend mit 126.850,35 EUR angegeben. Die Beklagte ist den Ausführungen der Klägervertreter, wonach die Bearbeitung der Angelegenheit aus den dargelegten Gründen besonders umfangreich und somit der Ansatz einer 2,2-fachen Geschäftsgebühr angemessen gewesen seien, nicht substanziell entgegen getreten. 75Die Klägerin hat nach den oben stehenden Ausführungen gem. § 256 ZPO auch ein schutzwürdiges rechtliches Interesse an der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung für etwaige künftige materielle und/oder noch nicht vorhersehbare immaterielle Schäden. 76Die geltend gemachten Zinsansprüche beruhen auf §§ 288 Abs. 1, 291 BGB. 77Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 S. 1 und 2 ZPO. 78Der Streitwert wird auf 126.850,35 EUR festgesetzt.
1. die beklagte wird verurteilt, an die klägerin ein schmerzensgeld in höhe von 75.000,00 eur nebst zinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem basiszinssatz seit dem 22.09.2018 sowie vorgerichtliche rechtsanwaltskosten in höhe von 4.403,71 eur nebst zinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem basiszinssatz seit dem 22.09.2018 zu zahlen. 2. es wird festgestellt, dass die beklagte verpflichtet ist, der klägerin sämtliche weiteren schäden zu ersetzen, die auf der fehlerhaften behandlung im h.-krankenhaus im jahr 2017, insbesondere im rahmen des krankenhausaufenthaltes vom 06.10.2017 bis zum 11.11.2017, beruhen. dies gilt für materielle ansprüche nur, soweit diese nicht auf sozialversicherungsträger oder sonstige dritte übergegangen sind und für immaterielle ansprüche nur, soweit diese derzeit noch nicht vorhersehbar sind. 3. die beklagte hat die kosten des rechtsstreits zu tragen. 4. das urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen sicherheitsleistung in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages. 1für recht erkannt: 21. die beklagte wird verurteilt, an die klägerin ein schmerzensgeld in höhe von 75.000,00 eur nebst zinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem basiszinssatz seit dem 22.09.2018 sowie vorgerichtliche rechtsanwaltskosten in höhe von 4.403,71 eur nebst zinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem basiszinssatz seit dem 22.09.2018 zu zahlen. 32. es wird festgestellt, dass die beklagte verpflichtet ist, der klägerin sämtliche weiteren schäden zu ersetzen, die auf der fehlerhaften behandlung im h.-krankenhaus im jahr 2017, insbesondere im rahmen des krankenhausaufenthaltes vom 06.10.2017 bis zum 11.11.2017, beruhen. dies gilt für materielle ansprüche nur, soweit diese nicht auf sozialversicherungsträger oder sonstige dritte übergegangen sind und für immaterielle ansprüche nur, soweit diese derzeit noch nicht vorhersehbar sind. 43. die beklagte hat die kosten des rechtsstreits zu tragen. 54. das urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen sicherheitsleistung in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages. 6
7die klägerin begehrt - vertreten durch ihre eltern - ein schmerzensgeld sowie die feststellung der weiteren einstandspflicht wegen einer vermeintlich fehlerhaften ärztlichen behandlung in der zeit vom 06.10.2017 bis zum 11.11.2017 in dem von der beklagten getragenen h.-krankenhaus o.. 8am 28.09.2017 wurde die klägerin als reifes neugeborenes mit apgar-werten von 9/10/10 ohne auffälligkeiten in der 40 + 2. schwangerschaftswoche geboren. das geburtsgewicht betrug 3.500 g, der kopfumfang 36,0 cm und die körperlänge 53 cm. zuvor hatte während der schwangerschaft ein schwangerschaftsdiabetes bestanden. postpartal traten keine probleme auf. 9am 06.10.2017 stellte die fachärztin für kinder- und jugendmedizin r. (o.) die diagnose „virusinfektion; v. a. apnoe“ und verordnete eine krankenhausbehandlung aufgrund folgender untersuchungsergebnisse: 10„seit ein paat ragen [sic!] probleme mit dem trinken, röchelt, verschleimt, heute nach dem stillen massiv gespuckt, schlapp, nicht geschrien, augen verdreht, blass, mutter hat vd. atemstillstand“ (anlage k 1). 11am 06.10.2017 wurde die klägerin um 18:53 uhr mit verdacht auf eine neugeborenen-infektion und pneumonie stationär im h.-krankenhaus o. aufgenommen. bei der aufnahme war sie ausweislich des aufnahmeberichts (anlage k 2) sowie des arztbriefes vom 15.12.2017 (anlage k 3) stabil. es bestand eine heisere stimme, der rachenraum war geringfügig gerötet, die schleimhäute waren feucht. es bestanden ein trockener husten und eine leicht beschleunigte atmung. die untersuchung des herzens und des abdomens war unauffällig. das gewicht hatte mit 3.410 g das geburtsgewicht noch nicht wieder erreicht. nach angaben der mutter der klägerin wurde die klägerin voll gestillt; sie spucke häufig, würde häufig schreien und habe zu hause eine röchelnde atmung gezeigt. 12nach der stationären aufnahme zeigte die klägerin bereits einen sauerstoffbedarf. im labor fand sich eine leichte erhöhung des c-reaktiven proteins auf 14,8 mg/l sowie des ii-6 auf 27 pg/ml. im blutbild fand sich bei normaler leukozytenzahl von 14,4 g/l eine leichte linksverschiebung (10 % stabkernige und 58 % segmentkernige). es wurde - neben den diagnosen eines rezidivierenden erbrechens, eines gastroösophagealen refluxes, einer gedeihstörung, einer hypochlorämischen metabolischen alkalose (elektrolytstörung), einer hyponatriämie (natriummangel) und einer hypokaliämie (kaliummangel) - die diagnose einer pneumonie mit respiratorischer partialinsuffizienz gestellt. da sich die klägerin im neugeborenenalter befand, wurde eine kombinierte antibiotische therapie mit ampicillin und tobramycin gestartet. 13im weiteren verlauf fand sich weder vom verlauf noch vom keimspektrum her ein hinweis auf einen zusammenhang mit keimen aus dem genitalbereich der mutter, sondern die klägerin zeigte klinisch das bild einer am ehesten viralen pneumonie. die untersuchung auf das rs-virus war negativ. klinisch zeigte die klägerin in den ersten tagen weiterhin einen kontinuierlichen sauerstoffbedarf, auskultatorisch zeigte sich ein sogenanntes knistern über der lunge, welches pathognomonisch für eine sogenannte bronchiolitis ist. dabei handelt es sich um eine entzündung in den allerkleinsten bronchiolen, die einer pneumonie in etwa gleichzusetzen ist. das röntgenbild der lunge zeigte am 10.10.2017 beidseitig infiltrate. therapeutisch wurden inhalationen mit hypertoner kochsalzlösung durchgeführt, ferner wurde eine infusionstherapie verabreicht, außerdem wurde zunächst über fünf tage eine antibiotische therapie mit ampicillin und tobramycin durchgeführt. ferner erhielt die klägerin abschwellende nasentropfen und ein kontinuierliches monitoring von sättigung und herzfrequenz. die mutter wollte gerne weiter stillen, so dass die klägerin zusätzlich zur infusion muttermilch trank. 14der sauerstoffbedarf der klägerin war schwankend, bestand aber fort. unter der diagnose der bronchiolitis wurden der klägerin auch intermittierend inhalationen mit adrenalin verabreicht. aufgrund des persistierenden sauerstoffbedarfs und unter dem eindruck des röntgenbildes am 10.10.2017 wurde die klägerin mit einem sogenannten high-flow-beatmungsgerät versorgt. dabei handelt es sich um eine nicht invasive beatmung, die die atemarbeit für die patienten verringert und die belüftungssituation in der lunge verbessert. da der schnelltest auf rs-viren negativ war, wurde eine pcr-untersuchung auf andere typische respiratorische erreger veranlasst, die keinen ursächlichen keim erbrachte. die antibiotikatherapie wurde bei zunächst nur zögerlicher klinischer verbesserung am 12.10.2017 auf cefuroxim umgesetzt. im labor war das c-reaktive protein als marker für die entzündungsreaktion gut rückläufig und war am 13. und 17.10.2017 bereits negativ, passend zu einer am ehesten viralen infektion. die beatmung mit dem high-flow-gerät wurde am 17.10.2017 beendet. 15bezüglich der ernährungssituation zeigte sich nach der aufnahme unter infusionstherapie und still-ernährung, dass die klägerin mehrfach täglich kleinere und auch größere mengen spuckte. zunächst nahm die klägerin an gewicht zu, am 08.10.2017 betrug das gericht 3.510 g, im weiteren verlauf nahm die klägerin jedoch wieder ab. abdomensonographisch fand sich ein recht ausgeprägter gastroösophagealer reflux. im rahmen der zusammenschau eines schweren pulmonalen infektes mit bedarf einer nicht invasiven beatmung und einer sauerstoffzufuhr bis 40 %, der erhöhten atemarbeit sowie des häufigen spuckens, entschieden sich die mitarbeiter der beklagten zu einer zunächst teilparenteralen ernährung mit glukose, aminosäuren, elektrolyten und fetten. gleichzeitig erhielt die klägerin weiterhin eine muttermilch-ernährung, die versuchsweise angedickt wurde. so trank die klägerin am 15.10.2017 beispielsweise insgesamt 225 ml dazu. die frequenz des spuckens der klägerin und ihres erbrechens nahm während der zweiten woche des stationären aufenthalts ab. da gleichzeitig eine langsame, aber weitere gewichtsabnahme zu verzeichnen war - die klägerin wog am 18.10.2017 3.300 g -, erhielt sie am 18.10.2017 einen zentralvenösen katheter (einschwemmkatheter), um hyperosmolare nahrungslösungen infundieren zu können. da die klägerin sehr unruhig und hungrig wirkte, wurde weiterhin eine geringe orale nahrungsmenge erlaubt. klinisch war das bild nach beurteilung der beklagten mit einer sogenannten hypertrophen pylorusstenose vereinbar. 16die klägerin war hungrig, spuckte zum teil große mengen und hatte große magenreste. die peristaltik war lebhaft. aus diesem grunde wurden wiederholt abdomensonographien durchgeführt. es zeigten sich jedoch sowohl am 16., 18. und 20.10.2017 keine hinweise auf eine verdickung des pylorus, so dass nach beurteilung der beklagten eine pylorusstenose letztlich ausgeschlossen werden konnte. 17da klinisch nach einschätzung der beklagten das bild eines passagehindernisses im bereich des duodenums (zwölffingerdarm) vermutet werden musste, wurde eine magen-darm-passage mit wasserlöslichem kontrastmittel veranlasst. es zeigte sich ein deutlich dilatierter magen und nach 15 minuten nur eine spärliche kontrastierung des duodenums und proximalen jejunums (oberer teil des dünndarms). eine stunde nach kontrastmittelgabe fand sich immer noch ein deutlich gefüllter magen, allerdings fanden sich signifikante kontrastmittelmengen jetzt bis zum ileum, sodass sich eine flüssigkeitspassage bis in die unteren dünndarmregionen zeigte. 18nach eingehender befunddiskussion der ärztlichen mitarbeiter mit den radiologen und ärzten der abdominalchirurgie wurde von den ärztlichen mitarbeitern mit den eltern der klägerin diskutiert, dass die sonographischen und röntgenbefunde am ehesten für eine subtotale enge im bereich des duodenums sprachen. aus diesem grund wurde von den behandelnden ärzten eine laparoskopische operation empfohlen, um nach überwindung der vermeintlichen lungenentzündung eine ursache für die außerdem vorliegende ausgeprägte essstörung zu finden. 19am 21.10.2017 wurde eine explorative laparotomie durchgeführt. ausweislich des arztbriefes (anlage k 3) wurden ladd'sche bänder gelöst sowie eine hypertrophe pylorusstenose wie auch eine duodenalstenose ausgeschlossen. es habe sich auch kein volvulus gefunden. im bereich des duodenums seien fibröse bänder gesehen worden, die vom quercolon zum rechten oberbauch gezogen seien, sodass hierdurch eine passagestörung erklärt werde. hierbei handele es sich um ladd’sche bänder, die mit der schere durchtrennt worden seien. bei der weiteren inspektion des magen-darm-traktes fand sich im bereich des dünndarmmesenteriums noch ein betonter lymphknotenbesatz. 20postoperativ wurde die klägerin auf der neugeborenen-intensivstation betreut. hier wurde eine total parenterale ernährung fortgesetzt. am 24.10.2017 wurde die klägerin auf die normalstation zurückverlegt. das ekg und das sättigungsmonitoring wurden fortgesetzt, auch die parenterale ernährung wurde fortgesetzt. das gewicht der klägerin betrug am 24.10.2017 3.670 g. nach der operation wurde die nahrungsmenge langsam gesteigert, am 25.10.2017 betrug die nahrungsmenge 8 x 25 ml, am 29.10.2017 6 x 35 ml. die respiratorische situation war unauffällig. auch die ernährungssituation schien sich zu konsolidieren. am 31.10.2017 lag das körpergewicht der klägerin bei 3.865 g. grundsätzlich bestand auf seiten der beklagten zu diesem zeitpunkt die hoffnung, dass nur ein protrahierter nahrungsaufbau nötig sein würde. bei der subtilen beobachtung fiel jedoch auf, dass immer noch spuckereignisse vorkamen und die klägerin trotz deutlich besserer zufriedenheit nicht richtig gesund wirkte. die nahrung wurde unter der vorstellung einer möglicherweise zugrundeliegenden nahrungsunverträglichkeit auf neocate, eine vollhydrolysatnahrung, die nicht weiter verdaut werden muss, umgestellt. 21außerdem diskutierten die behandelnden ärzte der klägerin den fall mit den ärzten der gastroenterologie. unter der vorstellung, dass zusätzlich zu den gelösten ladd‘schen bändern auch intraluminal eine subtotale stenose im magen-darm-trakt vorliegen könnte, wurde mit den eltern der klägerin die möglichkeit einer endoskopie des oberen gastrointestinaltrakts diskutiert. am 30.10.2017 wurden die eltern der klägerin in bezug auf eine voraussichtlich am 02.11.2017 stattfindende ösophago-gastro-duodenoskopie (ögd) aufgeklärt; hierzu kam es jedoch im ergebnis nicht. 22am 31.10.2017 entwickelte die klägerin erstmals fieber bis 38,3 °c. es wurde eine antibiotische behandlung mit ampicillin, vancomycin und tobramycin durchgeführt. zu diesem zeitpunkt erbrach die klägerin wieder häufiger und setzte zerhackte stühle ab. das c-reaktive protein sowie das ii-6 waren leicht angestiegen. da der zentrale venenkatheter zu diesem zeitpunkt bereits den 13. tag eingelegt war, kam auch eine katheter-assoziierte infektion als ursache in frage. da die klägerin weiterhin eine zumindest teil-parenterale ernährung benötigte, wurde der zentrale venenkatheter jedoch zunächst noch belassen. bei fortbestehen der subfebrilen temperatur bis 38 °c wurde der zentrale venenkatheter am 03.11.2017 entfernt, um eine katheterinfektion sicher auszuschließen. die blutkulturen blieben steril, auch die katheterspitze zeigte keinen keimzuwachs. im weiteren verlauf stiegen die infektionsparameter bis zum 07.11.2017 leicht an und waren am 09.11.2017 wieder leicht abgefallen. die ursache für die infektion blieb unklar, die bereits antibiotische therapie wurde bis zum 07. bzw. 08.11.2017 fortgeführt. außerdem erhielt die klägerin weiterhin eine zumindest teil-parenterale ernährung zusätzlich zu den oralen trinkmengen von ca. 300 ml/tag. 23aufgrund der für die beklagte ungewöhnlichen krankheitsgeschichte nahmen deren mitarbeiter kontakt mit der medizinischen hochschule k. (mhk) auf. die diskussion der befunde und des krankheitsverlaufs mit den dortigen ärzten der kinderklinik erbrachte, dass möglicherweise auch eine seltene stoffwechselstörung dem protrahierten krankheitsverlauf zugrunde liegen könnte. aus diesem grund sollte die klägerin in der mhk eingehender untersucht werden. die möglichkeit der verlegung wurde mit den eltern der klägerin ausführlich diskutiert, wobei verlegung auch von der aufnahmekapazität der mhk abhing, schließlich aber am 11.11.2017 erfolgte. 24vom 11.11.-09.12.2017 war die klägerin im zentrum kinderheilkunde und jugendmedizin, klinik für pädiatrische nieren-, leber- und stoffwechselerkrankungen der mhk stationär aufhältlich (anlage k 5). eine kernspintomographie des schädels mit spektroskopie erfolgte am 29.11.2017, ein mrt des abdomens am 30.11.2017. am 06.12.2017 erfolgte eine endoskopische untersuchung durch die ösophago-gastro-duodenoskopie (ögd). dabei zeigte sich ein ausgeprägter befund mit aufgehobener motilität, wandstarre und pathologischem schleimhautrelief in allen einsehbaren abschnitten des oberen gastrointestinaltraktes. weiterhin bestanden eine hochgradige duodenalstenose und eine schwerste ulzerierende ösophagitis (speiseröhrenentzündung) bei vollständiger cardiainsuffizienz (undichtigkeit des verschlussmechanismus am mageneingang). aufgrund der schwerst ulzerierenden ösophagitis erhielt die klägerin großzügig analgetika zur schmerzbekämpfung. ferner wurde eine hautbiopsie mit fibroblastenkultur angelegt, um stoffwechselerkrankungen und genetische erkrankungen abzuklären. es bestätigte sich der verdacht auf eine oder mehrere engstellen im bereich des dünndarms. zudem wurden ausweislich des entlassungsberichts (anlage k 5) eine entwicklungsstörung und eine muskuläre hypotonie diagnostiziert sowie ein persistierendes foramen ovale und eine periphere pulmonalstenose. 25vom 09.12.2017-01.01.2018 wurde die klägerin stationär im zentrum für chirurgie, klinik für kinderchirurgie der mhk zur weiteren diagnostik und therapie aufgrund der noch unklaren ursache der ausgeprägten obstruktion behandelt (anlage k 6). die befunderhebung erfolgte per mrt. am 12.12.2017 erfolgte eine offen chirurgisch durchgeführte duodenoduodenostomie mit vorangegangener rektumsaugbiopsie vom 11.12.2017. dabei wurde ausweislich des entlassungsberichts vom 31.01.2018 (anlage k 6) festgehalten, dass die explorative laparotomie in o. vom 21.10.2017 keinen hinweis auf eine externe kompression des duodenums gezeigt habe. die nunmehr durchgeführte bildgebende und endoskopische diagnostik habe eine hochgradige obstruktion des duodenums mit begleitender gastritis und ösophagitis gezeigt. zudem hätten sich eine duodenalstenose und eine duodenalatresie (angeborene entwicklungsstörung, bei der das lumen des zwölffingerdarms nicht durchgängig ist) gezeigt. 26ausweislich des entlassungsberichts vom 31.01.2018 waren auf grund der präoperativ schweren entzündlichen veränderungen weitere verlaufsendoskopien geplant. 27mit schriftsatz ihrer prozessbevollmächtigten vom 22.06.2018 forderte die klägerin die beklagte zur zahlung von schadensersatz sowie zur anerkennung der weiteren ersatzpflicht bis zum 20.07.2018 auf. hierbei bezifferte sie ein begehrtes schmerzensgeld auf 75.000,00 eur, ihren eltern entstandene fahrtkosten auf 1.850,35 eur sowie ihr feststellungsinteresse auf 50.000,00 eur (anlage k 8). mit schreiben ihrer prozessbevollmächtigten vom 23.08.2018 wies die beklagte die erhobenen ansprüche zurück (anlage k 9). 28zwischen dem 15.03.2018 und dem 28.04.2021 stellte sich die klägerin mehrfach in der klinik für kinderchirurgie der mhk ambulant und stationär vor (anlagen k 11 bis k 19). kurz vor dem verhandlungstermin am 11.03.2022 musste die klägerin eine weitere stationäre behandlung bzw. kontrolle in der mhk absolvieren. dabei zeigte sich, dass (nach wie vor) eine entzündung im bereich des übergangs von speiseröhre und magen besteht. zudem leidet die klägerin an den damit verbundenen beschwerden, sie hat schmerzen, kann nicht alles essen und muss medikamente einnehmen. 29die klägerin behauptet, dass ihre behandlung in der klinik der beklagten in der zeit vom 06.10.2017 bis zum 11.11.2017 fehlerhaft gewesen sei. angesichts ihrer beschwerden (magen-darm-probleme) seien befunde behandlungsfehlerhaft nicht ausreichend bzw. verspätet erhoben worden, namentlich die befunde des persistierenden foramen ovale sowie der pulmonalstenose. die ösophago-gastro-duodenoskopie (ögd) wäre bei anwendung der ärztlichen sorgfalt zwingend ende oktober/anfang november 2017 durchzuführen gewesen. neben dieser ögd wäre bei anwendung der ärztlichen sorgfalt zwingend auch die entsprechende kernspintomographie/mrt geboten gewesen. sofern die vorstehenden untersuchungen (ögd und/oder mrt) in der klinik der beklagten nicht durchführbar gewesen wären, hätte die frühere verlegung in ein spezialzentrum erfolgen müssen. die am 21.10.2017 durchgeführte explorative laparotomie sei nicht indiziert gewesen und zudem nicht sach- und fachgerecht durchgeführt worden. es sei nicht geboten gewesen, die sog. ladd‘schen bänder durchzuschneiden, da weder eine externe kompression des duodenums noch eine verdrehte fehlstellung des darms, die eigentlich typisch für ein auf die ladd‘schen bänder zurückzuführendes kompressionsproblem sei, vorgelegen hätten. der chirurg habe behandlungsfehlerhaft die eigentliche fehlbildung übersehen und den schnitt senkrecht statt waagerecht gesetzt. nach der operation sei als komplikation der nosokomiale krankenhauskeim aufgetreten. auch entspreche die dokumentation in der klinik der beklagten hinsichtlich der operation vom 21.10.2017 nicht den anforderungen an die medizinisch gebotene dokumentation. anstatt ferner über einen monat lang im rahmen des stationären krankenhausaufenthalts eine enterale ernährung mit lediglich parenteraler zeitweiser unterstützung zu versuchen, wäre eine voll-parenterale ernährung über einen zentralen venenkatheter (zvk) geboten gewesen. 30die klägerin behauptet weiter, sie habe auf grund der beschriebenen behandlungsfehler diverse beeinträchtigungen erlitten. so habe sich ihr gesamter oberer verdauungstrakt schwer entzündlich verändert, insbesondere im wege einer schwersten ulzerierenden ösophagitis und einer gastritis. diese beruhten auf der unterlassenen befunderhebung eines mrt und ögd sowie der verfehlten therapie. es seien mehrere geschwüre aufgetreten, deren narbenlose abheilung nicht möglich sei, da eine solche narbenlose abheilung das vorhandensein einer intakten basalzellschicht im stratum germinativum voraussetze. auf grund der vorliegenden ulcera und der schwersten ausprägung der ösophagitis liege somit ein dauerschaden vor. zudem habe die klägerin eine dystrophie erlitten, die gravierend auch auf der unterlassenen voll-parenteralen ernährung beruhe. außerdem leide sie an einer neurodermitis, die bereits einen dreiwöchigen aufenthalt in einer kinderklinik erforderlich gemacht habe. insgesamt seien auf grund der behandlungsfehler allein bis zum zeitpunkt der klageerhebung drei weitere krankenhausaufenthalte und zwei weitere gastroskopien erforderlich gewesen. nach wie vor werde sie medikamentös behandelt. eine etwaige grunderkrankung wäre bei ordnungsgemäßer ärztlicher vorgehensweise nicht zum tragen gekommen. 31die klägerin behauptet weiter, ihren eltern seien fahrtkosten von zusammen 1.850,35 eur sowie vorgerichtliche rechtsanwaltskosten in höhe von 4.403,71 eur nach einem gegenstandswert von 126.850,35 eur und einer 2,2-fachen geschäftsgebühr entstanden. 32die klägerin meint, die unterlassenen befunderhebung eines mrt und ögd sowie die verfehlte therapie stellten grobe behandlungsfehler dar. für ihre schwersten gesundheitsschädigungen sei jedenfalls ein schmerzensgeld in höhe von 75.000,00 eur angemessen, insbesondere im hinblick auf die erlittenen beeinträchtigungen sowie die tatsache, dass sie ihre ersten drei lebensmonate mangelernährt in intensiver stationärer behandlung verbracht habe. 33die klägerin meint zudem, die beklagte habe die medizinisch gebotene dokumentation unterlassen, da die patientenakte hinsichtlich der operation vom 21.10.2017 keinen eigenständigen operationsbericht enthalte, sondern sich lediglich im entlassungsbericht vom 15.12.2017 (anlage k 3) ausführung dazu fänden, sodass schon keine dokumentation im adäquaten zeitlichen zusammenhang vorliege und diese damit unverwertbar sei. darüber hinaus entspreche der vermeintlich in den entlassungsbrief integrierte operationsbericht auch inhaltlich nicht den anforderungen an die medizinisch gebotene dokumentation. er enthalte nicht einmal die angabe, welche personen operiert und assistiert hätten. 34die klägerin beantragt, 351. die beklagte zu verurteilen, an sie ein dem gerichtlichen ermessen unterstelltes schmerzensgeld, das nach klägerischer vorstellung 75.000,00 eur nicht unterschreiten sollte, nebst zinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem basiszinssatz seit rechtshängigkeit sowie vorgerichtliche rechtsanwaltskosten in höhe von 4.403,71 eur nebst zinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem basiszinssatz seit rechtshängigkeit zu zahlen; 362. festzustellen, dass die beklagte verpflichtet ist, der klägerin sämtliche weiteren schäden zu ersetzen, die aus der fehlerhaften behandlung im h.-krankenhaus im jahr 2017, insbesondere im rahmen des krankenhausaufenthaltes vom 06.10.2017 bis zum 11.11.2017, beruhen; dies gilt für materielle ansprüche nur soweit diese nicht auf sozialversicherungsträger oder sonstige dritte übergegangen sind und für immaterielle ansprüche nur soweit diese derzeit noch nicht vorhersehbar sind. 37die beklagte beantragt, 38 die klage abzuweisen. 39die beklagte behauptet, die behandlung der klägerin sei stets sach- und fachgerecht erfolgt und habe dem medizinischen facharztstandard entsprochen. 40im zeitpunkt der am 21.10.2017 durchgeführten explorativen laparotomie habe eine schwere gedeihstörung bei der klägerin vorgelegen. versuche, die nahrung anzudicken, und andere konservative behandlungsmaßnahmen seien erfolglos gewesen. radiologisch und sonographisch habe sich ein passagehindernis im bereich des proximalen duodenums gezeigt ohne hinweis auf eine hypertrophe pylorusstenose. damit habe eindeutig die indikation für die durchführung der laparotomie vorgelegen. diese sei auch sach- und fachgerecht durchgeführt worden. auch intraoperativ habe sich kein erklärendes korrelat gefunden. zudem seien nach der operation keine komplikationen aufgetreten. 41es stelle auch keinen befunderhebungsfehler der beklagten dar, dass die zunächst für den 02.11.2017 geplante ösophago-gastro-duodenoskopie nicht durchgeführt worden sei, weil die klägerin zwischen aufklärung und geplantem termin eine fieberhafte infektion mit verschlechterung des allgemeinzustandes, insbesondere auch unter beteiligung ihrer atemwege, erlitten habe. deshalb sei die elektive diagnostische maßnahme bei einem derart kleinen kind zu risikoreich gewesen und habe verschoben werden müssen. auf grund der erforderlichen vollnarkose sei am 02.11.2017 auch eine kernspintomographie nicht indiziert gewesen. 42auch die von der beklagten während des stationären aufenthalts durchgeführte versorgung sei medizinisch fachgerecht erfolgt, insbesondere sei eine ausreichende kalorienzufuhr während des stationären aufenthalts der klägerin im h.-krankenhaus durchweg sichergestellt worden. die gesundheitlichen beeinträchtigungen der klägerin seien als schicksalhaft zu betrachten. soweit die klägerin behaupte, an einer neurodermitis zu leiden, liege die ursache dafür jedenfalls nicht in einem behandlungsfehler der beklagten. die kernspintomographie des schädels mit spektroskopie in der mhk am 29.11.2017 deute zudem auf anlagebedingte grunderkrankungen hin. 43die beklagte meint, die patientenakte der klägerin sei umfassend und entspreche dem medizinischen facharztstandard. das anvisierte schmerzensgeld in höhe von 75.000,00 eur sei jedenfalls übersetzt. auch seien die außergerichtlichen rechtsanwaltskosten der klägerin überhöht, weil der gegenstandswert auch ein feststellungsinteresse in höhe von 50.000,00 eur umfasse und die angesetzte 2,5-fache geschäftsgebühr überhöht sei. 44die klage ist der beklagten am 21.09.2018 zugestellt worden. 45die kammer hat beweis erhoben über die behauptungen der parteien durch einholung eines gutachtens des sachverständigen prof. dr. d. w. (e.) vom 18.04.2021, wegen dessen einzelheiten auf die bl. 172 ff. der ea. bezug genommen wird. darüber hinaus hat die kammer den sachverständigen im verhandlungstermin am 11.03.2022 ergänzend angehört; wegen der einzelheiten wird insoweit auf das entsprechende verhandlungsprotokoll bezug genommen. 46
47die klage ist zulässig und begründet. der klägerin stehen die mit der klage geltend gemachten ansprüche gem. §§ 630a, 280 abs. 1, 278, 249, 253 abs. 2 bgb bzw. §§ 823 abs. 1, 831, 249, 253 abs. 2 bgb zu. die beklagte hat während des stationären aufenthalts der klägerin erhebliche behandlungsfehler begangen, die als grob zu bewerten sind. hiervon ist die kammer nach der durchgeführten beweisaufnahme überzeugt. 48der sachverständige prof. dr. w. führt in seinem gutachten vom 18.04.2021 aus, dass die behandlung der klägerin im klinikum der beklagten in der zeit vom 06.10.-11.11.2017 nicht den regeln der ärztlichen heilkunde entsprochen habe. die hauptsymptome des kindes, die zur stationären aufnahme geführt hätten, seien vor allem das schwallartige erbrechen und das häufige spucken nach den mahlzeiten sowie die in der anamnese angegebenen stillprobleme von geburt an gewesen, wodurch keine ausreichende ernährung möglich gewesen sei. diese bereits initial eindeutigen hinweise auf eine passagestörung im obere magen-darm-trakt hätten unverständlicherweise in der kinderklinik der beklagten nicht die erforderliche beachtung gefunden, sondern es sei vielmehr zunächst ausschließlich eine vermeintliche neugeboreneninfektion behandelt worden. jedoch seien in den vorliegenden unterlagen keine eindeutigen anzeichen für eine schwere pulmonale infektion zu finden. 49es seien, so der sachverständige weiter, eindeutig befunde unvollständig oder verspätet erhoben worden. es erscheine völlig unverständlich, dass erst nach sechs tagen stationärer behandlung am 12.10.2017 die erste ultraschalluntersuchung erfolgt sei. dabei sei ein deutlicher gastro-ösophagealer reflux (gör) dargestellt worden. in anbetracht der symptome hätte dies bereits bei aufnahme differentialdiagnostisch neben infektiösen ursachen in erwägung gezogen und unmittelbar abgeklärt werden müssen. zudem hätte nach erkennen des gör unmittelbar die suche nach hinweisen auf eine passagestörung in erster linie am pylorus (magenausgang) bzw. im bereich des duodenums (zwölffingerdarm) als ursache erfolgen müssen. im befund zu dieser ersten ultraschalluntersuchung werde allerdings zu dieser diagnostisch äußerst wichtigen und entscheidenden frage nicht einmal stellung genommen. erst in der ultraschalluntersuchung am 16.10.2017, d. h. 10 tage nach aufnahme, finde erstmals der pylorus neben einem starken gör erwähnung. erst am 13.10.2017 (7. stationärer tag) könne außerdem eine anordnung zum legen einer magensonde gefunden werden, was in anbetracht der symptomatik mit schwallartigem erbrechen fachlich unverständlich und eindeutig zu spät sei. wäre bereits initial entsprechend der hauptsymptomatik eine qualifizierte ultraschalluntersuchung des abdomens erfolgt, hätte sich viel früher herausgestellt, dass die pulmonale symptomatik durch aspirationen von milch und mageninhalt eher sekundär und folge des gör infolge einer passagestörung gewesen sei. diese kausalkette gehöre zum basiswissen in der kindermedizin. in diesem zusammenhang hätte, falls eine qualifizierte ultraschalldiagnostik unmittelbar nach der stationären aufnahme nicht zur diagnosestellung geführt hätte, auch die magen-darm-passage viel früher erfolgen müssen, wobei sie im vorliegenden fall erst am 18.10.2017 (12. stationärer tag) durchgeführt worden sei. bei den ultraschalluntersuchungen und bei der magen-darm-passage in der kinderklinik der beklagten sei immer wieder auf den auffallend großen magen hingewiesen worden. bei der röntgendurchleuchtung sei zudem nur ein äußerst spärlicher übertritt des kontrastmittels in den dünndarm beschrieben worden. außerdem seien erhebliche folgeschäden des langwährenden gör auf die schleimhaut der speiseröhre des kindes beschrieben. all dies habe auf das vorliegen einer hochgradigen duodenalstenose hingewiesen. im rahmen der thorax-röntgenuntersuchung am 10.10.2017 hätte aufgrund der bei der klägerin vorliegenden magen-darm-probleme deren oberbauch mit untersucht werden und mit großer wahrscheinlichkeit die diagnose gestellt werden können und müssen. in der regel hätte das auch mit einer ultraschalluntersuchung gelingen müssen. 50der sachverständige prof. dr. w. führt weiter aus, dass auf grund der symptome der klägerin seitens der beklagten zwingend eine störung der passage im bereich des duodenums hätte ausgeschlossen werden müssen. die vorliegenden befunde der ultraschalluntersuchungen und der befund der magen-darm-passage (mdp) am 18.10.2017 hätten trotz ersichtlicher unsicherheit in der beurteilung durch die untersuchenden aus der sicht des sachverständigen eindeutig auf eine duodenalstenose hingewiesen. das könne allerdings nur mit einer ausreichenden kinderchirurgischen bzw. kinderradiologischen expertise und entsprechender erfahrung aus den symptomen und den, wenn auch aus der sicht des sachverständigen eher unvollständigen und teilweise fehlerhaften, befunden der ultraschalluntersuchungen und der mdp am 18.10.2017 geschlossen werden. in dieser hinsicht erscheine der befund der mdp in der kinderklinik der mhk am 17.11.2017 sehr aufschlussreich. diese untersuchung sei bei der befundung mit der mdp vom 18.10.2017 in o. verglichen worden. in dem befund heiße es, dass sich wie in der voruntersuchung eine kontrastmittelgefüllte erweiterung des proximalen duodenums zeige. ein unmittelbarer weitertransport des kontrastmittels könne nicht beobachtet werden. hier sei also mit der mdp eindeutig die diagnose gestellt worden. das hätte demnach auch bereits am 17.10.2017 in o. erkannt werden können. laut arztbrief aus o. werde die mdp zwar dahingehend befundet, dass sich ein deutlich dilatierter magen fülle und sich insbesondere das präpylorische antrum kräftig aufweite, wobei sich im verlauf von ca. 15 minuten nur eine spärliche kontrastierung des pylorus und des nachfolgenden duodenums zeige. in der zusammenschau mit den zuvor erstellten ultraschallbefunden, die mehrfach den pylorus als nicht verengt bzw. weit beschrieben hätten, hätte nach beurteilung des sachverständigen doch schon im hause der beklagten auffallen müssen, dass es sich hier offensichtlich um eine duodenalstenose gehandelt habe. eine ursache für diesen offensichtlichen diagnostikfehler könne, so der sachverständige, sein, dass der pylorus bei fällen mit hochgradiger duodenalstenose durch den rückstau meist erweitert sei und bei der sonografie und der mdp der magen und das duodenum vor der stenose nicht sicher voneinander abgrenzbar seien und fast ineinander übergingen. dann wäre aber bei anwendung der ärztlichen sorgfalt eine weiterführende diagnostik geboten gewesen, insbesondere unter hinzuziehung kinderchirurgischer expertise. aufgrund der deutlich geringeren invasivität wäre zudem eine mrt geeignet und geboten gewesen. 51der sachverständige prof. dr. w. gelangt weiter zu dem ergebnis, dass die klägerin früher in ein spezialzentrum hätte verlegt werden müssen. es sei völlig unverständlich, dass die klägerin erst am 11.11.2017 und somit nach 36 tagen stationärer behandlung bei der beklagten verlegt worden sei. es habe ganz offensichtlich an einer interdisziplinären beurteilung der symtomatik und der befunde sowie an einer interdisziplinären beratung über erforderliche diagnostische schritte bzw. das therapeutische procedere inkl. der op gefehlt. am ende des verlegungsbriefes der beklagten würden die symptome und die befunde in erschreckender weise nahezu absolut verkannt und wiesen eine differentialdiagnostische ahnungslosigkeit auf. hier heiße es lediglich, dass kein hinweis auf einen immundefekt oder ein gastrointestinales passagehindernis gefunden worden sei. in kenntnis der symptomatik, die offenkundig mindestens seit geburt bestanden habe, und der befunde wäre das frühzeitige hinzuziehen einer kinderchirurgischen und kinderradiologischen expertise bzw. die verlegung in ein kinderzentrum mit diesen strukturellen voraussetzungen geboten gewesen. 52die entscheidung für eine explorative laparotomie am 21.10.2017 erscheine, so der sachverständige weiter, angesichts der vorliegenden symptomatik und der befunde auch ohne weitere diagnostik schlüssig, so dass die op grundsätzlich indiziert gewesen sei. mehrere und eindeutige hinweise aus den ultraschalluntersuchungen hätten mit an sicherheit grenzender wahrscheinlichkeit auf eine für die erkrankung des kindes ursächliche mechanische passagestörung im bereich des duodenums hingewiesen. 53der sachverständige prof. dr. w. führt aus, dass die explorative laparotomie am 21.10.2017 nicht sach- und fachgerecht durchgeführt worden sei. es wäre nicht geboten gewesen, die ladd'schen bänder zu durchtrennen. allerdings könne es sich bei den durchtrennten bändern gar nicht um die sog. ladd'schen bänder gehandelt haben. denn nur im fall einer malrotation (angeborene lageanomalie des darmes) bildeten sich diese bindegewebigen stränge zwischen dem zökum, welches in diesem fall im rechten oberbauch liege (und nicht wie normalerweise im rechten unterbauch), und der seitlichen bauchwand. nur in diesem fall könne es aus topografischer sicht zu einer kompression des dann auch anders positionierten duodenums kommen. demzufolge sei bei der klägerin aus fachlicher sicht mit an sicherheit grenzender wahrscheinlichkeit auszuschließen gewesen, dass bei ihr sog. ladd'sche bänder als ursache der passagestörung vorgelegen hätten. das hätte der operateur erkennen und wissen müssen. die eigentliche fehlbildung habe der chirurg behandlungsfehlerhaft übersehen, wobei die schnittführung als solche unerheblich sei. intraoperativ sei aber die weitere suche nach einer relevanten passagestörung im bereich des duodenums unbedingt geboten gewesen. da derartige passagestörungen in verschiedenen formen vorliegen könnten, hätte der chirurg - um mit gebotener sorgfalt und sicherheit eine duodenalatresie bzw. -stenose ausschließen zu können - auf grund der symptome und der bis dahin vorliegenden befunde das duodenum oberhalb der einmündung des pankreasganges (bauchspeicheldrüsengang) eröffnen und mit einer sonde die durchgängigkeit prüfen müssen. 54zudem wäre, so der sachverständige, bei der versorgung der klägerin eine voll-parenterale ernährung über einen zentralen venenkatheter (zvk) geboten gewesen. diese sei jedoch erst am 18.10.2017, d. h. am 12. tag des stationären aufenthalts, gelegt worden. 55im ergebnis, so der sachverständige, lägen fünf behandlungsfehler vor, die jeweils einen verstoß gegen elementare regeln der ärztlichen heilkunst darstellten, der schlechterdings nicht unterlaufen dürfe. dies seien im einzelnen 561. die insgesamt behandlungfehlerhafte verzögerung einer symptomgerechten diagnostik und therapie, 572. insbesondere die behandlungsfehlerhafte durchführung der op am 21.10.2017, 583. die fachlich unverständliche zu späte entlastung des magens durch eine magensonde am 13.10.2021 (7. stationärer tag), 594. die behandlungsfehlerhafte fortsetzung der enteralen ernährung anstatt einer vollbilanzierten parenteralen ernährung und 605. die behandlungsfehlerhafte unterlassung einer verlegung des neugeborenen kindes in eine medizinische einrichtung mit nachweisbarer kinderchirurgischer und kinderradiologischer expertise bzw. einer kooperation mit einer solchen. 61diese fehler hätten mit an sicherheit grenzender wahrscheinlichkeit verursacht, dass 6263sich insgesamt die heilung in unverantwortlich großem maße verzögert habe und die beschwerden der klägerin unnötig verlängert worden seien, 64die pulmonale symptomatik durch weitere aspirationen von nahrung verlängert worden sei, 65die refluxbedingten schädigungen der schleimhaut, schwerste entzündliche veränderungen des gesamten oberen verdauungstrakts, insbesondere eine schwere ulzerierende ösophagitis und eine gastritis entstanden seien und noch verstärkt worden seien, 66mehrere ulcera, deren narbenlose abheilung nicht möglich sei, entstanden seien, so dass aufgrund der vorliegenden ulcera und der schwersten ausprägung der ösophagitis ein dauerschaden eingetreten sei, 67der gesamte krankheitsverlauf inkl. der dystrophie (mangelernährung) und der entwicklungsverzögerung relevant verlängert worden sei und 68nach den bis zur erstattung des schriftlichen gutachtens vorliegenden unterlagen insgesamt drei weitere krankenhausaufenthalte und zwei weitere gastroskopien erforderlich gewesen seien. 69die wahrscheinlichkeit einer ursächlichen verknüpfung der aufgeführten behandlungsfehler mit der entstehung einer neurodermitis und einer nach wie vor erforderlichen medikamentösen behandlung seien demgegenüber mit dem vorliegenden gutachten nicht zu klären. bei fachgerechter diagnostik und therapie wären die oben aufgelisteten beschwerden und nachhaltigen folgeerscheinungen mit größter wahrscheinlichkeit nicht eingetreten. 70im termin zur mündlichen verhandlung am 11.03.2022 hat der sachverständige prof. dr. w. seine angaben ergänzt und ist auf die fragen der parteien im einzelnen eingegangen. er hat insbesondere noch einmal betont, dass es am 21.10.2017 intraoperativ erforderlich gewesen sei, (auch) den zwölffingerdarm zu untersuchen, und zwar allein deshalb, weil in diesem bereich häufig eine mögliche duodenalstenose auftreten könne. er habe medizinisch keine sinnvolle erklärung dafür, warum dies bei dem eingriff vom 21.10.2017 unterblieben sei. er halte auch daran fest, dass die diagnostik in der klinik der beklagten im hinblick auf die passagestörung verspätet durchgeführt worden sei. im hinblick auf die ursprüngliche verdachtsdiagnose der pneumonie habe sich die frage gestellt, warum ein kind in diesem jungen alter eine lungenentzündung haben könne. eine mögliche und bekannte ursache einer lungenentzündung bei einem sehr kleinen kind sei eine sogenannte aspirationspneumonie. es habe deshalb die frage gestellt werden müssen, ob und gegebenenfalls warum die klägerin reflux habe. nach bestätigung des refluxes sei die frage nach der ursache dann hinweisend bzw. hinleitend zu einer möglichen passagestörung. zu deren abklärung hätte, so der sachverständige, eine ultraschalluntersuchung zur verfügung gestanden, die auch überhaupt keinen schaden bei der klägerin verursacht hätte und unproblematisch hätte durchgeführt werden können. die schließlich bei der beklagten durchgeführte ultraschalluntersuchung habe einen riesengroßen magen gezeigt, was auf probleme mit dem nahrungstransport hinweise. ein magen mit einer solchen vergrößerung sei medizinisch das hauptsymptom einer duodenalstenose. 71der sachverständige prof. dr. w. hat schließlich auf die frage nach möglichen folgen für die klägerin angegeben, dass er diese, jedenfalls, was die prognose angehe, kaum zuverlässig beurteilen könne. die fehlbildung als solche sei bereits im mutterleib vorhanden gewesen, verbunden mit der folge, dass magenein- und magenausgang erweitert seien. ein schaden an der speiseröhre werde dadurch aber deshalb noch nicht entstanden sein, weil die magensäureproduktion erst nach der geburt beginne. dass die klägerin nach wie vor unter reflux leide, sei in seinen augen deshalb eher folge der verzögerten behandlung und operation. wesentliches behandlungsziel bei einer solchen fehlbildung sollte sein, den reflux möglichst frühzeitig zu verhindern, und zwar durch eine operation. ausweislich weiterer unterlagen der mhk (anlage k 11) sei die speiseröhre der klägerin vernarbt. ursächlich hierfür sei das entzündungsgeschehen in der speiseröhre. da narben die tendenz hätten, zu schrumpfen, könne es im weiteren verlauf erforderlich sein, die speiseröhre zu weiten. zudem führten die narben dazu, dass die peristaltik der speiseröhre nicht mehr ordnungsgemäß funktioniere, so dass es zu sogenannten stasen kommen könne. sofern der reflux noch vorhanden sei, müsse dieser nach möglichkeit im wege einer folgeoperation beseitigt werden. schließlich sei es, so der sachverständige prof. dr. w., schwierig, die beschwerden und befunde, die sich aus diesen arztbriefen ergäben, punktgenau auf die behandlung in der klinik der beklagten bzw. das gesamte behandlungsgeschehen zurückzuführen. nach seiner erfahrung gelinge es aber häufig, kinder mit einer duodenalstenose so zu behandeln, dass ein so schweres krankheitsbild, wie es bei der klägerin bestehe, nicht auftrete. dies führe ihn medizinisch zu der annahme, dass die beschriebenen befunde am ehesten auf die verzögerte beseitigung der ursache des refluxes zurückzuführen seien. medizinisch sei es einfach wichtig, die ursache des refluxes so frühzeitig zu beseitigen, dass es infolge des refluxes nicht zu einer schweren beeinträchtigung der speiseröhre komme. 72die ausführungen des sachverständigen prof. dr. w. sind in sich schlüssig und frei von widersprüchen. der sachverständige hat in beeindruckender deutlichkeit das vorliegen von fünf behandlungsfehlern festgestellt und seine ergebnisse anschaulich, auch unter beifügung entsprechender schaubilder nebst erklärungen, präsentiert. in der mündlichen verhandlung hat er ergänzende ausführungen gemacht und ist auf sämtliche nachfragen der parteien dezidiert eingegangen. nach eigener überprüfung schließt sich die kammer den überzeugenden ausführungen des sachverständigen vollumfänglich an. der sachverständige ist chefarzt und direktor der klinik für kinderchirurgie, neugeborenenchirurgie und kinderurologie des vivantes-klinikums neukölln (e.). an seiner fachlichen kompetenz bestehen keinerlei zweifel. 73die kammer hält für die von der klägerin erlittenen beeinträchtigungen ein schmerzensgeld in höhe von 75.000,00 eur für angemessen. hierbei berücksichtigt die kammer, dass der sachverständige prof. dr. w. fünf behandlungsfehler festgestellt hat, von denen jeder für sich genommen schon als grob einzustufen ist. die klägerin hat massive beeinträchtigungen erlitten, welche sie zum großteil ein leben lang begleiten werden. damit geht eine entsprechend lange dauer der leidenszeit einher. auch war die lange stationäre behandlung im hause der beklagten nicht nur unnötig, sondern auch vermeidbar. dies stellte sich für die klägerin als neugeborenes kind besonders gravierend dar, weil sie nicht in der elterlichen obhut versorgt werden konnte, sondern dem geschehen im hause der beklagten in einem sehr jungen alter auch in besonderem maße ausgesetzt war. zugleich war sie hierdurch von der gewohnten und vertrauten häuslichen umgebung getrennt, was eine erhebliche beeinträchtigung darstellte. auch wird die klägerin zeit ihres lebens immer wieder auf kontrolluntersuchungen angewiesen sein. prognostisch lässt sich, wie der sachverständige überzeugend ausgeführt hat, auf grund des jungen alters der klägerin noch gar nicht abschätzen, welche möglichen folgebeeinträchtigungen sie ggf. einmal später treffen können. denkbar seien jedenfalls mögliche folgeoperationen zur beseitigung des refluxes oder zur weiterung der speiseröhre in folge der beschriebenen vernarbung, wobei die damit verbundenen unsicherheiten die klägerin ebenfalls belasten (werden). 74der anspruch auf erstattung der vorgerichtlichen rechtsanwaltskosten ist ebenfalls in voller höhe begründet. der vorgerichtliche gegenstandswert wurde zutreffend mit 126.850,35 eur angegeben. die beklagte ist den ausführungen der klägervertreter, wonach die bearbeitung der angelegenheit aus den dargelegten gründen besonders umfangreich und somit der ansatz einer 2,2-fachen geschäftsgebühr angemessen gewesen seien, nicht substanziell entgegen getreten. 75die klägerin hat nach den oben stehenden ausführungen gem. § 256 zpo auch ein schutzwürdiges rechtliches interesse an der feststellung der schadensersatzverpflichtung für etwaige künftige materielle und/oder noch nicht vorhersehbare immaterielle schäden. 76die geltend gemachten zinsansprüche beruhen auf §§ 288 abs. 1, 291 bgb. 77die prozessualen nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 abs. 1, 709 s. 1 und 2 zpo. 78der streitwert wird auf 126.850,35 eur festgesetzt.
344,676
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8 K 3255/19
2022-04-01T00:00:00
Urteil
Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar, für die Beigeladene allerdings nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Die Kläger wenden sich gegen die der vormals beigeladenen N. - Q. GmbH erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die - mittlerweile erfolgte - Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage auf der Bergehalde N1. in H. . 3Die vormals beigeladene N. - Q. GmbH beantragte unter dem 19. Juli 2018 bei dem Beklagten die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage des Typs ENERCON E‑138 EP3 mit einer Nabenhöhe von 131 m und einem Rotordurchmesser von 138,6 m auf dem Grundstück Gemarkung H. , Flur 00, Flurstück 000 (Halde N1. ). Diesem Antrag beigefügt waren unter anderem eine Schallimmissionsprognose der S. GmbH & Co. KG vom 11. Juli 2018 in der überarbeiteten Fassung vom 31. Januar 2019 (nachfolgend: Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019) sowie eine Sichtbeziehungsuntersuchung zur Beurteilung der optisch bedrängenden Wirkung der Windenergieanlage der S. GmbH & Co. KG vom 11. September 2018 nebst Stellungnahme zum Schreiben der Stadt H. vom 14. Dezember 2018. 4Bei dem Vorhabengrundstück handelt es sich um eine Bergehalde, die im Rahmen der bergbaulichen Tätigkeiten im nördlichen Ruhrgebiet aufgeschüttet wurde. Der konkrete Standort der Windenergieanlage befindet sich nach den Angaben, die über das Internetangebot des Landes Nordrhein-Westfalen für amtliche Karten und sonstige amtliche Daten (TIM-online) abgerufen werden können, etwa 98,5 m über Normalnull. 5Der Kläger zu 1. ist Eigentümer und Bewohner des westlich der N1 2 . gelegenen Wohnhauses X. Straße 171. Die Entfernung zwischen dem Wohnhaus und der beklagten Windenergieanlage beträgt etwa 440 m, der Höhenunterschied etwa 60 m. Das Wohngrundstück des Klägers zu 1. liegt nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans. Die Bebauung nördlich des Wohnhauses besteht aus einem weiteren Wohnhaus (X. Straße 165), einer etwa 1.200 qm großen - dem Kläger zu 1. gehörenden - Halle sowie kleineren Nebengebäuden. An diese Wohnhäuser schließt sich im nord-östlichen Bereich eine etwa 28.000 bis 30.000 qm große Freifläche an. Nordwestlich der vorgenannten Wohnhäuser befindet sich hinter der X. Straße und einer Baumreihe ebenfalls eine etwa 10.000 qm große Freifläche. In östlicher und südlicher Richtung grenzt das Wohnhaus des Klägers zu 1. an eine bewaldete Fläche, durch die der O. fließt. In südwestlicher Richtung befindet sich zwischen dem Wohngrundstück des Klägers zu 1. und den Wohnhäusern X. Straße 175/177, 190 und 192 ein Baumbestand, dazwischen fließt der X1. N3. . 6Die Klägerin zu 2. ist Eigentümerin und Bewohnerin des südöstlich der N1 2 . gelegenen Wohnhauses C.--straße 106. Die Entfernung zwischen dem Wohnhaus und der beklagten Windenergieanlage beträgt etwa 570 m, der Höhenunterschied etwa 60 m. Das Wohngrundstück der Klägerin zu 2. liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 002 der Stadt H. . Dieser weist für diesen Bereich ein allgemeines Wohngebiet aus. In der Begründung zum Bebauungsplan Nr. 002 (dort Seite 23) wird ausgeführt, dass es sich bei der städtebaulichen Situation des Plangebietes überwiegend um Gemengelagen handele, die im Laufe der Zeit gewachsen seien. Deshalb sei bei der Betrachtung der immissionsrechtlichen Situation unter Berücksichtigung der vorhandenen Betriebe und der hierdurch bedingten Immissionsvorbelastung für die Baugebiete im Bebauungsplangebiet das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme anzuwenden. Daher werde den angrenzenden allgemeinen Wohngebieten immissionsschutzrechtlich der Störgrad von Mischgebieten zugewiesen. 7Durch Bescheid vom 11. Februar 2019, dem Kläger zu 1. am 20. Februar 2019, der Klägerin zu 2. am 16. Februar 2019 zugestellt, erteilte der Beklagte der vormals beigeladenen N. - Q. GmbH unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Diese enthält unter anderem Nebenbestimmungen zum Lärmschutz sowie zur Standsicherheit der Windenergieanlage. 8Mit Schreiben vom 25. Februar 2019 zeigte die vormals beigeladene N. - Q. GmbH dem Beklagten entsprechend Ziffer IV. 1.7 des Genehmigungsbescheides an, dass nunmehr die Beigeladene Betreiber der Windenergieanlage sei. 9Die mit Schreiben vom 14. März 2019 erhobenen Widersprüche der Kläger wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheide vom 24. Juni 2019 zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Die Kläger seien keinen unzumutbaren Schall-immissionen ausgesetzt. Auf der Grundlage der Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019 sei eine Überschreitung der - für beide Kläger - maßgeblichen Immissionsrichtwerte von 45 dB(A) nachts und 60 dB(A) tags mit Sicherheit auszuschließen. Die Kläger würden auch durch den von der Windenergieanlage ausgehenden bewegten Schattenwurf nicht erheblich belästigt. Eine optisch bedrängende Wirkung zu Lasten der Kläger gehe von der Windenergieanlage nicht aus. Die Wohnhäuser der Kläger seien wegen ihres Abstandes zur Windenergieanlage entsprechend der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen einer intensiven Prüfung des Einzelfalls unterzogen worden. Aufgrund der Lage und der Nutzung der Räume des jeweiligen Wohnhauses, des topografischen Höhenunterschiedes, der Vorbelastung durch den Hochspannungsmast (nur Klägerin zu 2.), der Sichtverstellung durch (Garten)bewuchs sowie der Hauptwindrichtungsverteilung sei insgesamt nicht von einer optisch bedrängenden Wirkung der Windenergieanlage auszugehen. Es seien ferner keine Erschütterungseinwirkungen an den Wohnhäusern der Kläger zu erwarten. Die von den Klägern geltend gemachte Wertminderung ihrer jeweiligen Grundstücke werde bereits nicht nachprüfbar dargelegt. Abgesehen davon sei die weitere Nutzung als Wohngrundstück nicht unmöglich oder unzumutbar, weil von der Windenergieanlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen zu Lasten der Kläger ausgingen. Die weiteren von den Klägern angeführten Aspekte - Landesplanung, Regionalplanung, Planung der Stadt H. sowie die Standsicherheit der Windenergieanlage - hätten keinen drittschützenden Charakter und seien daher nicht Gegenstand des vorliegenden Widerspruchsverfahrens. Im Übrigen ergäben sich aber auch insoweit keine rechtlichen Bedenken gegen die erteilte Genehmigung. 10Die Kläger haben am 16. Juli 2019 Klage erhoben und bereits am 8. April 2019 einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt, den die Kammer durch Beschluss vom 4. November 2019 - 8 L 547/19 - abgelehnt hat. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers zu 1. hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen durch Beschluss vom 29. September 2020 - 8 B 1576/19 - zurückgewiesen. 11Auf entsprechende Anträge der Beigeladenen hat der Beklagte durch Bescheid vom 28. Januar 2021 die Nebenbestimmung IV. 6.1.2 des angefochtenen Genehmigungsbescheides aufgehoben und durch Bescheid vom 9. November 2021 festgestellt, dass die beklagte Windenergieanlage entsprechend der Nebenbestimmung IV. 3.1.6 des Genehmigungsbescheides vom 11. Februar 2019 zur Nachtzeit (22:00 bis 06:00 Uhr) im Betriebsmodus 100dB mit einer Leistung von 2350 kW betrieben werden darf. Zur Begründung ist ausgeführt, dass nach dem Vermessungsbericht der Deutsche X2. D. GmbH E. vom 20. August 2020 die in Ziffer IV. 3.1.5 des Genehmigungsbescheides vom 11. Februar 2019 festgelegten Oktavschallleistungspegel für 1000, 2000, 4000 und 8000 Hertz Lo,Okt zwar überschritten seien, der Nachweis für die Aufnahme des Nachtbetriebs aber durch eine erneute Ausbreitungsberechnung in der Schallimmissionsprognose der S. GmbH & Co. KG vom 27. Oktober 2021 erbracht worden sei. 12Zur Begründung ihrer Klage machen die Kläger im Wesentlichen geltend: Auf der Grundlage der Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019 könne nicht hinreichend verlässlich beurteilt werden, dass sie keinen unzumutbaren Lärmimmissionen durch den Betrieb der Windenergieanlage ausgesetzt seien. Entgegen der Annahme des Beklagten bzw. der Beigeladenen liege das Wohngrundstück des Klägers zu 1. nicht im Außenbereich, sondern im unbeplanten Innenbereich und sei als allgemeines bzw. reines Wohngebiet zu qualifizieren, weshalb als maßgeblicher Immissionsrichtwert 40 dB(A) bzw. 35 dB(A) und nicht 45 dB(A) während der Nachtzeit zugrunde zu legen sei. Die in der Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019 zugrunde gelegten Eingangsdaten beruhten lediglich auf Herstellerangaben und seien zudem widersprüchlich. Der angenommene Sicherheitszuschlag sei nicht ausreichend. Es sei auch nicht erkennbar, welches Berechnungsprogramm benutzt worden sei. Ferner sei die erforderliche Sonderfallprüfung wegen möglicher Schallreflexionen („Amphitheatereffekt“) nicht durchgeführt worden. Der Verzicht auf eine separate Beurteilung der Schallimmissionsbelastung während der Tagzeit sei nicht vertretbar. Die Belastung durch Infraschall sei nicht betrachtet worden, dies stelle ein Ermittlungsdefizit dar. Die Schallimmissionsprognose vom 27. Oktober 2021 sei ebenfalls nicht zum Nachweis geeignet, dass die zulässigen Immissionsrichtwerte eingehalten seien. Der dieser Ausbreitungsrechnung zugrunde liegende Vermessungsbericht vom 20. August 2020 sei nicht aussagekräftig, weil sich das Geländeprofil der dort vermessenen Windenergieanlage von dem im vorliegenden Einzelfall gegebenen Geländeprofil deutlich unterscheide. Zudem sei die Schallimmissionsprognose vom 27. Oktober 2021 nicht hinreichend transparent bzw. nachvollziehbar, insbesondere hinsichtlich der angenommenen Messunsicherheiten sowie des Ergebnisses, dass trotz höherer Messwerte in einigen Frequenzbereichen die ermittelten Pegel vielfach geringer seien. Von der genehmigten Windenergieanlage gehe zudem eine optisch bedrängende Wirkung aus. Der Abstand zwischen dem Wohnhaus des Klägers zu 1. und der Windenergieanlage liege sehr nah an der regelmäßigen Dominanzschwelle der zweifachen Gesamthöhe der Anlage. Sichtbeziehungen zu der Windenergieanlage, die das zumutbare Maß überschritten, bestünden aus verschiedenen Räumen ihrer Wohnhäuser sowie aus dem Garten- bzw. Terrassenbereich. Insoweit gehe die im Verwaltungsverfahren vorgelegte Sichtbeziehungsuntersuchung von unzutreffenden tatsächlichen Annahmen aus. Durch die Errichtung auf der etwa 100 m hohen N1 2 . habe die Windenergieanlage die optische Wirkung einer 300 m hohen Anlage. Aufgrund der Dimensionierung der Windenergieanlage richte sich der Blick nicht - wie vom Beklagten angenommen - zunächst in den Hang bzw. Haldenkörper, sondern direkt auf die Windenergieanlage. Entgegen der Annahme des Beklagten bzw. der Beigeladenen könne die Hochspannungsleitung der Klägerin zu 2. nicht als Vorbelastung entgegen gehalten werden. Diese sei - anders als der Rotor der Windenergieanlage - statisch und werde von ihr daher nicht mehr wahrgenommen. Es bestünden auch keine zumutbaren Ausweich- oder Abschirmungsmöglichkeiten. Es seien keine von der Windenergieanlage möglicherweise ausgehenden Erschütterungen betrachtet worden. Die Windenergieanlage sei mit den Zielen der Landesplanung, der Regionalplanung und den städtebaulichen Zielen für die Haldenwelt und die angrenzenden Stadtteile nicht vereinbar. Sie widerspreche auch dem Bebauungsplan Nr. 000, Gebiet: „N1 2 . “ vom 4. April 2019. 13Die Kläger beantragen, 14den immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid vom 11. Februar 2019 in der Fassung des jeweiligen Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 2019 sowie des Bescheides vom 9. November 2021 aufzuheben, 15hilfsweise, 16den vorgenannten Bescheid für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären. 17Der Beklagte beantragt, 18die Klage abzuweisen. 19Zur Begründung wiederholt bzw. vertieft er seine Ausführungen in den Widerspruchsbescheiden und führt ergänzend aus: Erhebliche Belästigungen oder gar Gesundheitsgefahren durch Infraschall von Windenergieanlagen seien nicht gegeben. Entsprechendes gelte in Bezug auf den von den Klägern angesprochenen Körperschall. 20Die Beigeladene beantragt, 21die Klage abzuweisen. 22Zur Begründung bezieht sie sich im Wesentlichen auf die Ausführungen des Beklagten in den streitgegenständlichen Widerspruchsbescheiden bzw. im gerichtlichen Verfahren sowie auf die gerichtlichen Entscheidungen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes. 23Die Kammer hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 6. Dezember 2021 auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen. Dieser hat am 16. Februar 2022 einen Ortstermin mit den Beteiligten zwecks Feststellung der örtlichen Gegebenheiten am Wohngrundstück des Klägers zu 1. sowie zur Beurteilung der optisch bedrängenden Wirkung durchgeführt. Hinsichtlich des Ergebnisses dieser Inaugenscheinnahme wird auf das zugehörige Terminsprotokoll Bezug genommen. Die Beteiligten haben sich in dem Ortstermin am 16. Februar 2022 übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung einverstanden erklärt. 24Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens und des Verfahrens 8 L 547/19 sowie die dort und im Verfahren 8 K 1199/19 beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. 25Entscheidungsgründe: 26Die Klage, über die der nach § 6 Abs. 1 VwGO zuständige Einzelrichter im Einverständnis der Beteiligten ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO) entscheidet, hat keinen Erfolg. 27Der Bescheid vom 9. November 2021 konnte noch in das laufende Klageverfahren einbezogen werden (dazu A.). Die von den Klägern in der nunmehrigen Form fortgeführte Klage ist zwar zulässig (dazu B.), aber unbegründet (dazu C.). 28A. Die Kläger konnten den Bescheid vom 9. November 2021 in das laufende Klageverfahren einbeziehen. Durch diesen Bescheid hat der Beklagte verbindlich festgestellt, dass der durch den Genehmigungsbescheid vom 11. Februar 2019 (vgl. Ziffer IV. 3.1.6 i. V. m. 3.1.5) zunächst aufschiebend bedingt zugelassene schallreduzierte Nachtbetrieb im Betriebsmodus 100 dB mit einer Leistung von 2350 kW nunmehr aufgenommen werden darf, weil die Beigeladene den Eintritt der aufschiebenden Bedingung nachgewiesen habe. Damit bilden dieser Bescheid und der Genehmigungsbescheid ‑ ebenso wie die dem Genehmigungsbescheid zur Sicherstellung der Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen (vgl. § 12 Abs. 1 BImSchG) nachträglich beigefügten Nebenbestimmungen -, 29vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 22. November 2021 - 8 A 973/15 -, juris Rn. 49 ff., m. w. N., 30einen unteilbaren Regelungsgegenstand und stellt dessen Einbeziehung schon keine Klageänderung dar. 31Eine Änderung des Streitgegenstands liegt mithin im Rechtssinne nicht vor, sondern lediglich eine nach § 173 VwGO i. V. m. § 264 Nr. 3 ZPO ohne Weiteres zulässige Anpassung des Klageantrags aufgrund einer nachträglichen Veränderung. Selbst wenn man die Einbeziehung des Bescheides vom 9. November 2021 als Klageänderung im Sinne von § 91 VwGO ansieht, ist diese Klageänderung aber aus Gründen der Prozessökonomie jedenfalls als sachdienlich einzustufen. 32B. Die von den Klägern in der nunmehrigen Form fortgeführte und als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthafte Klage ist zulässig. Insbesondere sind die Kläger gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass der Betrieb der streitbefangenen Anlage schädliche Umwelteinwirkungen insbesondere in Form von Lärmimmissionen hervorruft (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) bzw. von ihr eine optisch bedrängende Wirkung zu Lasten der Kläger ausgeht und sie jedenfalls insoweit möglicherweise in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt sind. 33C. Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Genehmigungsbescheid vom 11. Februar 2019 in der Fassung des jeweiligen Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 2019 sowie des Bescheides vom 9. November 2021 für die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage verletzen die Kläger jedenfalls nicht in ihren subjektiven Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. 34Nach § 6 Abs. 1 BImSchG ist die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 BImSchG und einer aufgrund des § 7 BImSchG erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden, und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. 35Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Kläger werden weder durch Lärm (dazu I.) noch durch die optischen Auswirkungen der streitgegenständlichen Anlage (dazu II.) oder durch von ihr ausgehende Erschütterungen (dazu III.) unzumutbar beeinträchtigt. Der Genehmigungsbescheid vom 11. Februar 2019 enthält ferner ausreichende Vorgaben zur Sicherstellung der Standsicherheit der Windenergieanlage (dazu IV.). Auf die weiteren gerügten Aspekte - Unvereinbarkeit mit dem Landesentwicklungsplan Nordrhein-Westfalen, dem Gebietsentwicklungsplan Regierungsbezirk N4. - Teilabschnitt „F. - M. “ - und dem Bebauungsplan Nr. 000 der Stadt H. - können sich die Kläger aus Rechtsgründen nicht berufen (dazu V.). 36I. Ausgehend von den Immissionsrichtwerten der TA Lärm (dazu 1.) sind die Kläger keinen unzumutbaren Lärmimmissionen ausgesetzt (dazu 2.). 371. Der Immissionsrichtwert beträgt sowohl für das Wohngrundstück des Klägers zu 1. (dazu a)) als auch der Klägerin zu 2. (dazu b)) für die Tagzeit 60 dB(A) und für die Nachtzeit 45 dB(A). 38a) Das Wohngrundstück des Klägers zu 1. liegt im bauplanungsrechtlichen Außenbereich, weshalb ihm in Anlehnung an die für Dorf- und Mischgebiete nach Nr. 6.1 Satz 1 Buchstabe d TA Lärm festgelegten Grenzwerte 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts zuzumuten sind. 39Ständige Rechtsprechung, vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 22. November 2021 - 8 A 973/15 -, juris Rn. 119 f., m. w. N. 40Auf der Grundlage des im Internet verfügbaren Karten- bzw. Bildmaterials (TIM-online; Google Maps) sowie der am 16. Februar 2022 durchgeführten Inaugenscheinnahme der örtlichen Verhältnisse ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass das Wohngrundstück des Klägers zu 1. nicht innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB liegt und damit bauplanungsrechtlich dem Außenbereich gemäß § 35 BauGB zuzuordnen ist. 41aa) Die Anwendung des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB setzt einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil voraus. Die Tatbestandsmerkmale „im Zusammenhang bebaut“ und „Ortsteil“ gehen nicht ineinander auf, sondern sind kumulativer Natur. „Ortsteil“ im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Ein „Bebauungszusammenhang“ ist gegeben, soweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt. 42Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2015 - 4 C 5.14 -, juris Rn. 11, m. w. N. 43Vermittelt eine aufeinanderfolgende Bebauung trotz vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit, liegt mithin ein Bebauungszusammenhang vor, an dem das in Rede stehende Grundstück teilnimmt, ist in einem weiteren Schritt - in Abgrenzung zur Splittersiedlung - zu klären, ob dieser Bebauungszusammenhang Teil eines Bebauungskomplexes im Gebiet einer Gemeinde ist, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Für die Frage, ob ein Bebauungskomplex nach seinem Gewicht als Ortsteil oder aber als Splittersiedlung anzusehen ist, kommt es auf die Siedlungsstruktur der jeweiligen Gemeinde an. 44Vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Juni 2016 - 4 B 47.14 -, juris Rn. 10, 14, m. w. N., und Urteil vom 17. Februar 1984 ‑ 4 C 56.79 -, juris Rn. 9. 45Grundsätzlich ist weder die Zahl der Wohnhäuser in einem Bebauungskomplex noch die Häufigkeit von Splittersiedlungen in einem Gemeindegebiet allein maßgebend für diese Bewertung. Ein Bebauungskomplex ist - allerdings nicht rein quantitativ - sowohl mit Ortsteilen als auch mit Splittersiedlungen zu vergleichen. Sind deutliche Siedlungsschwerpunkte in näherer Umgebung vorhanden, ist eine Streubebauung mit erheblich weniger Wohnhäusern als Splittersiedlung zu werten und damit insgesamt dem Außenbereich zugeordnet. Ein weiteres Kriterium für die Annahme eines Ortsteils können Infrastruktureinrichtungen sein. 46Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. April 1994 - 4 B 77.94 -, juris Rn. 2 f.; OVG NRW, Beschluss vom 30. Januar 2020 ‑ 8 B 857/19 -, juris Rn. 14 f., m. w. N. 47Eine Ansammlung von nur vier Wohngebäuden besitzt regelmäßig nicht das für eine eigenständige Siedlungseinheit erforderliche Gewicht. 48Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. April 1994 ‑ 4 B 77.94 -, juris Rn. 2. 49bb) Hiervon ausgehend ist das Wohngrundstück des Klägers zu 1. dem Außenbereich zuzuordnen. Dabei kann dahinstehen, ob diese Einordnung wie die Kammer und nachfolgend das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes angenommen haben, bereits daraus folgt, dass dieses Wohngrundstück wegen des unmittelbar südwestlich angrenzenden Baumbestandes sowie des dazwischen verlaufenden X1. N 3 . und der davon ausgehenden Zäsurwirkung bereits keinen Bebauungszusammenhang mit den südlich gelegenen Wohnhäusern X. Straße 175/177, 190 und 192 bildet. Insoweit ist nach der Inaugenscheinnahme der örtlichen Verhältnisse am 16. Februar 2022 festzustellen, dass das Wohnhaus des Klägers zu 1. und insbesondere die Doppelhaushälfte X. Straße 175/177 - zumindest außerhalb der Vegetationsperiode - nicht durch den vorhandenen Baumbestand optisch voneinander abgegrenzt werden. Jedenfalls bildet die Bebauung entlang der X. Straße, die im Norden von der Straße L. und im Westen von der Bundesstraße 000 eingegrenzt wird, keinen Ortsteil im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Es handelt sich vielmehr um eine dem Außenbereich zuzuordnende (Streu‑)Bebauung. 50Zu dieser Einordnung bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes tendierend: OVG NRW, Beschluss vom 29. September 2020 - 8 B 1576/19 -, juris Rn. 17. 51Hierfür spricht zunächst der Vergleich zu der übrigen Siedlungsstruktur der Stadt H. und hier insbesondere den umliegenden Ortsteilen C1. , F1. und H. Mitte. Diese zeichnen sich überwiegend durch eine linear-gleichmäßige („perlenschnurartige“) Wohnbebauung aus, die anders als die hier in Rede stehende Wohnbebauung an der X. Straße kaum durch (große) Baulücken unterbrochen wird. Zudem fehlt es an jeglichen Infrastruktureinrichtungen. Für die Einordnung als Außenbereich spricht ferner, dass die nördlich des Wohnhauses des Klägers zu 1. angrenzende etwa 1.200 m² große Halle nach den Angaben seiner Ehefrau in dem Ortstermin am 16. Februar 2022 ursprünglich zu landwirtschaftlichen Zwecken genutzt wurde. Landwirtschaftliche Nutzungen sind aber gerade dem Außenbereich vorbehalten, vgl. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB. Demgegenüber lassen sich keine Gesichtspunkte für die Annahme einer organischen Siedlungsstruktur finden, der dem hier in Rede stehenden Bebauungskomplex das Gewicht eines Ortsteils verleiht. Hierfür reicht nach den dargestellten Maßstäben alleine die Überschreitung der Untergrenze des Bundesverwaltungsgerichts für die Annahme eines „gewissen Gewichts“ eines Bebauungszusammenhangs für sich genommen nicht aus. 52b) Der Klägerin zu 2. sind ebenfalls die in Nr. 6.1 Satz 1 Buchstabe d TA Lärm festgelegten Lärmimmissionsrichtwerte von 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts zuzumuten. Zwar liegt ihr Wohngrundstück im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 002 der Stadt H. , der für diesen Bereich ein allgemeines Wohngebiet ausweist. Allerdings wird in der Begründung zum Bebauungsplan Nr. 002 (dort Seite 23) ausgeführt, dass es sich bei der städtebaulichen Situation des Plangebietes überwiegend um Gemengelagen handele, die im Laufe der Zeit gewachsen seien. Deshalb sei bei der Betrachtung der immissionsrechtlichen Situation unter Berücksichtigung der vorhandenen Betriebe (gemeint sind Gewerbebetriebe) und der hierdurch bedingten Immissionsvorbelastung für die Baugebiete im Bebauungsplangebiet das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme anzuwenden. Daher werde den angrenzenden allgemeinen Wohngebieten immissionsschutzrechtlich der Störgrad von Mischgebieten zugewiesen, weshalb hier Buchstabe d und nicht e von Nr. 6.1 Satz 1 TA Lärm Anwendung findet. Diese immissionsschutzrechtliche Einordnung des zulässigen Störgrades wird durch die Klägerin zu 2. nicht (substantiiert) in Zweifel gezogen. 532. Die hiernach maßgeblichen Immissionsrichtwerte werden durch den Betrieb der streitgegenständlichen Windenergieanlage hinreichend sicher eingehalten. Dies folgt aus den auf der Grundlage des Interimsverfahrens durchgeführten Berechnungen in den Schallimmissionsprognosen vom 31. Januar 2019 bzw. 27. Oktober 2021. Danach werden die zulässigen Immissionsrichtwerte an den jeweiligen Wohnhäusern der Kläger weder während des nunmehr zugelassenen Nachtbetriebs (dazu a)) noch des Tagbetriebs (dazu b)) überschritten. 54a) Der Beklagte hat durch Bescheid vom 9. November 2021 verbindlich festgestellt, dass der durch den Genehmigungsbescheid vom 11. Februar 2019 (vgl. Ziffer IV. 3.1.6 i. V. m. 3.1.5) zunächst aufschiebend bedingt zugelassene schallreduzierte Nachtbetrieb im Betriebsmodus 100 dB mit einer Leistung von 2350 kW ab sofort aufgenommen werden darf, weil die Beigeladene den Eintritt der aufschiebenden Bedingung nachgewiesen habe. In diesem Betriebsmodus wird der rechtlich zulässige Immissionsrichtwert an den beiden Wohnhäusern der Kläger von 45 dB(A) nachts hinreichend verlässlich eingehalten. 55In der Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019, bei der für die Ausbreitungsrechnung - mangels eines zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Vermessungsberichts des hier genehmigten Anlagentyps - der höchste vom Hersteller für den Betriebsmodus 100 dB angegebene Schallleistungspegel von 100 dB(A) zuzüglich eines Sicherheitszuschlags in Höhe von 2,1 dB(A) für den oberen Vertrauensbereich, wurde die von der Windenergieanlage ausgehende Zusatzbelastung am Wohnhaus des Klägers zu 1. (= IP 03) mit 39,1 dB(A) angegeben, was zugleich der Gesamtbelastung entspricht. Am Wohnhaus der Klägerin zu 2. (= IP 41 WA) wurde eine Zusatzbelastung von 36,7 dB(A) berechnet, die zusammen mit der Vorbelastung durch den nächtlichen Betrieb der U. G. GmbH eine Gesamtbelastung von 40,1 dB(A) ergibt. 56Dass die Windenergieanlage im Betriebsmodus 100 dB mit einer Leistung von 2350 kW den maßgeblichen Immissionsrichtwert von 45 dB(A) nachts einhält, wird bestätigt durch die Schallimmissionsprognose vom 27. Oktober 2021. Diese Ausbreitungsberechnung beruht nicht auf den Herstellerangaben, sondern auf dem Vermessungsbericht der Deutsche X2. D. GmbH E. vom 20. August 2020, dessen Emissionsansätze auf einer unter anderem nach Maßgabe der FGW-Richtlinie (Fördergesellschaft Windenergie e. V.: Technische Richtlinie zur Bestimmung der Leistungskurve, des Schallleistungspegels und der elektrischen Eigenschaften von Windenergieanlagen - Teil 1: Bestimmung der Schallemissionswerte, Rev. 18 vom 1. Februar 2008) erfolgten Einfachvermessung des hier in Rede stehenden Anlagentyps ENERCON E‑138 EP3 basieren. Danach wurde im Betriebsmodus 100 dB und einer Leistung von 2350 kW ein maximaler Schallleistungspegel von 100,4 dB(A) ermittelt (vgl. Seite 6 und 29 des Vermessungsberichts der Deutsche X2. D. GmbH E. vom 20. August 2020). Unter Zugrundelegung dieses höchsten Summenschallleistungspegels einschließlich eines Sicherheitszuschlags für den oberen Vertrauensbereich von 2,3 dB(A) wurde in der Schallimmissionsprognose vom 27. Oktober 2021 eine von der Windenergieanlage ausgehende Zusatzbelastung von 39,1 dB(A) in Bezug auf das Wohnhaus des Klägers zu 1. (= IP 03) berechnet, die mangels vorhandener Vorbelastung während der Nachtzeit zugleich der Gesamtbelastung entspricht. In Bezug auf das Wohnhaus der Klägerin zu 2. (= IP 41 WA) wurde in der Schallimmissionsprognose vom 27. Oktober 2021 eine Zusatzbelastung von 36,6 dB(A) berechnet. Dass diese Schallimmissionsprognose auf eine Berechnung der Gesamtbelastung am Wohnhaus der Klägerin zu 2. unter Berücksichtigung der Vorbelastung durch den Betrieb der U. G. GmbH verzichtet, ist in der vorliegenden Konstellation unschädlich. Denn eine entsprechende Berechnung der Gesamtbelastung wurde - wie bereits ausgeführt - in der Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019 vorgenommen und mit 40,1 dB(A) angegeben. Da diese Berechnung (auf der Grundlage der vom Hersteller angegebenen Emissionsansätze) eine Zusatzbelastung durch die Windenergieanlage von 36,7 dB(A) berücksichtigte, kann die Gesamtbelastung ausgehend von der in der Schallimmissionsprognose vom 27. Oktober 2021 errechneten Zusatzbelastung von 36,6 dB(A) rechnerisch jedenfalls nicht mehr als 40,1 dB(A) betragen. 57Die gegen die vorstehenden Berechnungsansätze erhobenen Bedenken der Kläger greifen nicht durch. 58aa) Sowohl der Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019 als auch derjenigen vom 27. Oktober 2021 kann das jeweils verwendete Berechnungsprogramm, namentlich das Programm WindPRO, Modul DECIBEL, Versionsnummer 3.2.737 (Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019) bzw. 3.3.294 (Schallimmissionsprognose vom 27. Oktober 2021) entnommen werden. 59bb) Der Einwand, die Eingangsdaten in der Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019 beruhten ausschließlich auf Herstellerangaben und nicht auf standardisierten Vermessungen, trifft zwar im Ausgangspunkt zu, ist aber jedenfalls durch die Vorlage der Schallimmissionsprognose vom 27. Oktober 2021, die gerade auf Emissionsdaten der im Jahr 2020 erfolgten Einfachvermessung des hier genehmigten Anlagentyps basiert, als überholt anzusehen. Dass der dort zusätzlich in die Berechnung eingestellte Sicherheitszuschlag von 2,3 dB(A) - wegen der Unsicherheit des Prognosemodells, der Unsicherheit durch Serienstreuung, der Unsicherheit der Typenvermessung bei einfach vermessenen Anlagen sowie einer angenommenen Irrtumswahrscheinlichkeit von 10 % (vgl. Seite 36 f. der Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019 und Seite 2 der Schallimmissionsprognose vom 27. Oktober 2021) - nicht ausreichend wäre, um eine „auf der sicheren Seite“ liegende Schallimmissionsprognose anzunehmen, haben die Kläger nicht hinreichend begründet in Zweifel gezogen. 60cc) Der von den Klägern angesprochene Widerspruch zwischen den den Berechnungen in der Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019 (bzw. vom 27. Oktober 2021) zugrunde gelegten Emissionswerten und den Herstellerangaben, wonach von der Windenergieanlage im Volllastbetrieb ein Schallleistungspegel von 106 dB(A) ausgehe, liegt ersichtlich nicht vor. Die Berechnungen in den beiden vorgenannten Schallimmissionsprognosen beziehen sich ausdrücklich allein auf den schallreduzierten Betrieb im Betriebsmodus 100 dB und einer Leistung von 2350 kW. Nur ein solcher Betrieb wird durch die Genehmigung vom 11. Februar 2019 in der Fassung des Bescheides vom 9. November 2021 während der Nachtzeit zugelassen. Ist ein Volllastbetrieb während der Nachtzeit nicht Genehmigungsinhalt, bedarf es insoweit auch keines schalltechnischen Nachweises, ob ein solcher Betrieb die maßgeblichen Immissionsrichtwerte während der Nachtzeit einhielte. 61dd) Es bedurfte vorliegend entgegen der Annahme der Kläger auch keiner Sonderfallprüfung wegen möglicher Schallreflexionen (insbesondere in Form eines sog. „Amphitheatereffekts“). Zum einen sind die diesbezüglichen Ausführungen jedenfalls in Bezug auf die Klägerin zu 2. mit Blick darauf, dass die Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019 eine Reflexionsbetrachtung an ihrem Wohnhaus vorgenommen und im Ergebnis verneint hat (dort Seite 39), unsubstantiiert. Zum anderen kann die Richtigkeit der Annahme der Kläger im vorliegenden Fall dahinstehen. Denn nach den von den Klägern nicht in Zweifel gezogenen Angaben des Beklagten, die sich wiederum auf die Ausführungen in dem schalltechnischen Gutachten vom 31. Januar 2019 (dort Seite 38) stützen, können Schallreflexionen theoretisch Pegelerhöhungen von bis zu 3 dB(A) verursachen, wobei in der Praxis Werte oberhalb von 2 dB(A) nicht zu erwarten seien. Selbst wenn man hiernach - zu Gunsten der Kläger - von einer Erhöhung des Beurteilungspegels am „IP 03“ bzw. „IP 41 WA“ um 3 dB(A) auf 42,1 dB(A) bzw. 43,1 dB(A) ausginge, wäre der zulässige Immissionsrichtwert von 45 dB(A) nachts nicht annähernd erreicht und erst recht nicht überschritten. 62ee) Ohne Erfolg bleiben auch die Einwände der Kläger gegen die Schallimmissionsprognose vom 27. Oktober 2021. 63aaa) Dies gilt zunächst hinsichtlich der Annahme, die der Ausbreitungsrechnung zugrunde gelegten Emissionsansätze aus dem Vermessungsbericht der Deutsche X2. D. GmbH E. vom 20. August 2020 seien nicht aussagekräftig, weil das Geländeprofil im näheren Umfeld der dort vermessenen Windenergieanlage nicht ansatzweise mit dem hier gegebenen Geländeprofil vergleichbar sei. Es fänden sich dort weder in der Umgebungsbebauung noch in der topografischen Struktur des Geländes Elemente, die Schallreflexionen bewirken könnten. 64Insoweit ist in der Stellungnahme der S. GmbH & Co. KG vom 18. März 2022 ausgeführt, dass der in dem vorgenannten Vermessungsbericht ermittelte Schall-leistungspegel auf der Halde N1. verwendet werden könne. In der Ausbreitungsberechnung (gemeint ist offensichtlich die Schallimmissionsprognose vom 27. Oktober 2021) sei genau das an der Halde N1. vorherrschende Geländeprofil durch die Verwendung eines digitalen Geländemodells simuliert und somit entsprechend berücksichtigt worden. Das Gericht hat keine begründeten Anhaltspunkte, an der Richtigkeit dieser Ausführungen zu zweifeln; solche wurden auch von den Klägern nicht substantiiert geltend gemacht. Mit ihrem Hinweis auf Schallreflexionen zielen sie auf einen Aspekt im Zusammenhang mit der Ausbreitungsrechnung und nicht der Vermessung des Schallleistungspegels der Windenergieanlage. 65Soweit die Kläger in diesem Zusammenhang die Berücksichtigung zusätzlicher Messunsicherheiten postulieren, wird bereits in der Schallimmissionsprognose vom 27. Oktober 2021 angegeben, dass im Vergleich zur Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019 eine Erhöhung des Sicherheitszuschlags für den oberen Vertrauensbereich um 0,2 dB(A) auf 2,3 dB(A) erfolgt ist. 66bbb) Der Einwand der Kläger, die im Vermessungsbericht vom 20. August 2020 angenommene Unsicherheit von 0,90 dB erscheine zu klein, aus den angegebenen Einzelwerten folge ein Wert von 0,96 dB, führt ebenfalls nicht weiter. Mit Blick auf die berechnete Gesamtbelastung, die auch in Ansehung etwaiger Reflexionen die rechtlich zulässigen Immissionsrichtwerte an den Wohnhäusern beider Kläger nicht ansatzweise erreichen, kann eine Erhöhung der jeweiligen Beurteilungspegel um 0,06 dB unterstellt werden, ohne dass sich am Ergebnis etwas ändert. 67ccc) Die von den Klägern aufgeworfene Frage hinsichtlich tonhaltiger Anlagengeräusche bedarf keiner weiteren Vertiefung. 68Der Beklagte hat in Ziffer IV. 3.1.2 des Genehmigungsbescheides vom 11. Februar 2019 geregelt, dass die genehmigte Windenergieanlage nicht tonhaltig sein darf. Ob die Windenergieanlage im tatsächlichen Betrieb tonhaltig ist, beeinflusst nicht die Rechtmäßigkeit der Genehmigung, sondern ist eine Frage der Anlagenüberwachung. 69ddd) Die Schallimmissionsprognose vom 27. Oktober 2021 ist entgegen der Annahme der Kläger auch nicht deswegen unplausibel, weil die dort berechnete von der Windenergieanlage ausgehende Zusatzbelastung vielfach niedriger sei, obwohl bei dem in dem Vermessungsbericht vom 20. August 2020 vermessenen Anlagentyp in einigen Frequenzbereichen die vom Hersteller angegebenen Werte überschritten worden seien. 70Die damit angesprochene fehlende Nachvollziehbarkeit der Ausbreitungsrechnung liegt nicht vor. Im Vergleich zum „Alternativen Verfahren“ nach der DIN ISO 9613-2 verzichtet das Interimsverfahren, das den Ausbreitungsberechnungen in den Schall-immissionsprognosen vom 31. Januar 2019 und 27. Oktober 2021 zugrunde liegt, im Kern auf die Berücksichtigung von Bodendämpfungen sowie einer meteorologischen Korrektur. Zudem stellt das Interimsverfahren das Berechnungsverfahren auf eine frequenzabhängige Berechnung um mit der Folge, dass auch die Dämpfung aufgrund der Luftabsorption (Aatm) frequenzabhängig erfolgt. Hochfrequente Geräuschanteile werden aber stärker gedämpft als die tieffrequenten. 71Vgl. das im Internet abrufbare Faktenpapier Schallprognosen für Windenergieanlagen nach dem „Interimsverfahren“ des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV), Seite 2. 72Ausweislich des Vermessungsberichts vom 20. August 2020 wurden die vom Hersteller angegebenen und in Ziffer IV. 3.1.5 des Genehmigungsbescheides vom 11. Februar 2019 festgelegten Oktavschallleistungspegel für 1000, 2000, 4000 und 8000 Hertz überschritten. Diese Überschreitung führt ausweislich der Stellungnahme der S. GmbH & Co. KG vom 18. März 2022 zwar dazu, dass der Schallleistungspegel mit 100,4 dB(A) geringfügig höher ist als die vom Hersteller angegebenen 100 dB(A). Da die höherfrequenten Oktavwerte ab 1000 Hertz in der Ausbreitungsrechnung aufgrund der höheren Luftabsorption aber nicht so stark bewertet werden, ergeben sich keine höheren Beurteilungspegel bzw. wird es an einigen Immissionspunkten sogar leiser. 73ff) Die Kläger haben auch durch ihren umfangreichen, im Wesentlichen aber allgemein und abstrakt gehaltenen Vortrag zu den Auswirkungen von tieffrequentem Schall und Infraschall auf den menschlichen Körper eine unzumutbare Beeinträchtigung nicht hinreichend substantiiert aufgezeigt. Daher bleibt auch ihre in diesem Zusammenhang stehende Rüge ohne Erfolg, die auf die TA Lärm und die DIN 45680 gestützten Immissionsprognosen seien lücken- und fehlerhaft, weil diese Normen keine Messmethode enthielten, die eine beeinträchtigende Wirkung von tieffrequentem Schall und Infraschall berücksichtigen könne. 74Die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen und anderer Obergerichte geht davon aus, dass tieffrequenter Schall und Infraschall durch Windenergieanlagen im Allgemeinen unterhalb der Wahrnehmungsschwelle des menschlichen Gehörs liegt und nach dem bisherigen Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse grundsätzlich nicht zu Gesundheitsgefahren führt. 75Vgl. nur OVG NRW, Urteil vom 22. November 2021 ‑ 8 A 973/15 -, juris Rn. 160 ff., mit umfangreichen weiteren Nachweisen. 76Soweit die Kläger sich zur Begründung ihrer Annahme im Schriftsatz vom 29. August 2019 auf einzelne Studien beziehen, sind sie, soweit sie überhaupt in der Gerichtssprache deutsch (vgl. § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 184 Satz 1 GVG) vorliegen und damit vom Gericht zu berücksichtigen sind, lediglich Teil eines wissenschaftlichen Diskurses, ergeben allerdings bisher keinen begründeten Ansatz für relevante tieffrequente Immissionen oder Infraschall durch Windenergieanlagen oder nachweisbare gesundheitsschädliche Auswirkungen. 77Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. Oktober 2020 - 8 A 894/17 -, juris Rn. 240 f., m. w. N. 78Angesichts des trotz zahlreicher Studien insoweit unsicheren Erkenntnisstandes in der Wissenschaft ist es auch nicht Aufgabe der Gerichte, weitere wissenschaftliche Forschung zu betreiben. 79Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Juli 2021 ‑ 8 A 500/20 -, juris Rn. 66 f., m. w. N. 80Entgegen der Auffassung der Kläger handelt es sich hierbei auch nicht um eine unangemessene Beweislastumkehr. Ob im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sichergestellt ist, dass die dort geregelten Betreiberpflichten erfüllt werden, insbesondere durch den Betrieb der Anlage keine Immissionen verursacht werden, die gemäß § 3 Abs. 1 BImSchG geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen, beruht auf einer Prognoseentscheidung der Genehmigungsbehörde, die uneingeschränkter verwaltungsgerichtlicher Überprüfung unterliegt. Diese Prognoseentscheidung verlangt allerdings nicht, dass jedes nur denkbare Risiko der Herbeiführung von schädlichen Umwelteinwirkungen ausgeschlossen sein müsste. 81Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Februar 1978 - I C 102.76 -, juris Rn. 33. 82Können demnach Risiken, die allenfalls theoretisch denkbar sind, im Rahmen der Prognoseentscheidung außer Betracht bleiben, obliegt es auch nicht dem Anlagenbetreiber im Genehmigungsverfahren den diesbezüglichen Nachweis ihres Nichtvorliegens zu erbringen. Es ist daher Sache desjenigen, der die Realisierung eines lediglich als entfernt anzusehenden Risikos geltend macht, hierfür hinreichend konkrete Anknüpfungstatsachen zu benennen. 83Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. November 2021 ‑ 8 A 973/15 -, juris Rn. 177. 84Solche haben die Kläger in Bezug auf den von ihnen geltend gemachten Infraschall bzw. tieffrequenten Schall indes nicht substantiiert dargelegt. 85b) Es ist zudem hinreichend verlässlich sichergestellt, dass die für beide Kläger maßgeblichen Immissionsrichtwerte von 60 dB(A) während des Tagbetriebs der Windenergieanlage eingehalten werden. Diese Feststellung kann entgegen der Auffassung der Kläger auch ohne entsprechende Schallimmissionsprognose für die Tagzeit getroffen werden und ergibt sich aus folgenden Erwägungen: 86Ausweislich der Herstellerangaben erhöht sich der von der Windenergieanlage des hier in Rede stehenden Typs ausgehende Schallleistungspegel im (leistungsoptimierten) Volllastbetrieb im Betriebsmodus 0 s mit der Nennleistung von 3500 kW im Vergleich zum schallreduzierten Betrieb im Betriebsmodus 100 dB mit einer Leistung von 2350 kW, der den Berechnungen in den Schallimmissionsprognosen vom 31. Januar 2019 und vom 27. Oktober 2021 zugrunde gelegt wurde, um (lediglich) 6 dB(A). Dementsprechend kann die durch die Windenergieanlage verursachte Zusatzbelastung tagsüber maximal 45,1 dB(A) am Wohnhaus des Klägers zu 1. und 43,7 dB(A) am Wohnhaus der Klägerin zu 2. betragen. 87aa) Unter dieser Annahme war eine separate Betrachtung des Tagbetriebs nicht erforderlich, weil dieser um mehr als 10 dB(A) unter dem maßgebenden Immissionsrichtwert von 60 dB(A) und die Wohnhäuser der Kläger damit während der Tagzeit gemäß Nr. 2.2 Buchstabe a TA Lärm nicht im Einwirkungsbereich der Windenergieanlage liegen. Es handelt sich demnach - jedenfalls zur Tagzeit - schon nicht um maßgebliche Immissionsorte im Sinne von Nr. 2.3 Abs. 1 TA Lärm. Diese Feststellung gilt auch für den Fall, dass eine Erhöhung des Beurteilungspegels wegen der geltend gemachten Reflexionen um maximal 3 dB(A) unterstellt würde. Etwas anderes folgt auch nicht aus Nr. 6.5 Sätze 1 und 2 TA Lärm, wonach für Tageszeiten mit erhöhter Empfindlichkeit - an Werktagen für die Zeiten zwischen 6 und 7 Uhr und 20 bis 22 Uhr (Nr. 1) sowie an Sonn- und Feiertagen für die Zeiten zwischen 6 bis 9 Uhr, 13 bis 15 Uhr und 20 bis 22 Uhr (Nr. 2) - bei der Ermittlung des Beurteilungspegels die erhöhte Störwirkung von Geräuschen im Regelfall durch einen Zuschlag von 6 dB(A) zu berücksichtigen ist. 88aaa) Dies gilt für das Wohngrundstück des Klägers zu 1. bereits deshalb, weil es schon nicht in einem besonders schutzwürdigen Gebiet im Sinne von Nr. 6.5 Satz 1 TA Lärm liegt. Zwar verweist diese Vorschrift auch in der Fassung der Änderung vom 1. Juni 2017 (vgl. Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung der TA Lärm vom 1. Juni 2017, BAnz AT 8. Juni 2017 B5) ihrem Wortlaut nach auf „Gebiete nach Nummer 6.1 Buchstaben d bis f“ und fordert demnach Zuschläge auch in Kern-, Dorf- und Mischgebieten gemäß Nr. 6.1 Satz 1 Buchstabe d TA Lärm, die für den vorliegend betroffenen Außenbereich - wie bereits ausgeführt - entsprechende Anwendung findet. Hierbei handelt es sich allerdings um ein bei Anwendung der Verwaltungsvorschrift zu berichtigendes offensichtliches Redaktionsversehen, worauf das zuständige Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit bereits mit Schreiben vom 7. Juli 2017 ‑ Az. IG I 7 – 501‑1/2 - hingewiesen hat. Nach der bis zum 8. Juni 2017 geltenden Fassung der TA Lärm vom 26. August 1998 (GMBl. Nr. 26/1998 S. 503) wurden Ruhezeitenzuschläge nach Nr. 6.5 Satz 1 TA Lärm für „Gebiete nach Nummer 6.1 Buchstaben d bis f“ vergeben. Das waren allgemeine Wohngebiete und Kleinsiedlungsgebiete (Buchstabe d), reine Wohngebiete (Buchstabe e) und Kurgebiete (Buchstabe f). Mit der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift vom 1. Juni 2017 wurden in Nr. 6.1 Satz 1 TA Lärm die urbanen Gebiete als neuer Buchstabe c eingefügt und die Buchstaben c bis f zu Buchstaben d bis g geändert. Die sich hieraus ergebende Anpassung des Verweises in Nr. 6.5 Satz 1 TA Lärm wurde im Rechtssetzungsverfahren nicht nachvollzogen, was indes geboten gewesen wäre. Denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Änderung der TA Lärm auch die erstmalige Einführung eines Ruhezeitenzuschlags für Misch-, Dorf- und Kerngebiete beinhalten sollte. Dieses Ergebnis wäre mit Blick auf die im Kerngebiet regelmäßig zugelassenen störenden Gewerbebetriebe (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO) ebenso wenig nachvollziehbar wie die - konsequenterweise anzunehmende - Herausnahme der besonders lärmempfindlichen Kurgebiete (als neuer Buchstabe g). Dies kann offensichtlich nicht gewollt sein. 89Vgl. Nds. OVG, Urteil vom 8. September 2021 ‑ 1 KN 150/19 -, juris Rn. 96; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 28. November 2019 - 5 S 1790/17 -, juris Rn. 68; VG Ansbach, Beschluss vom 13. Dezember 2021 ‑ AN 17 S 21.01515 -, juris Rn. 133; VG Neustadt (Weinstraße), Beschluss vom 13. August 2020 ‑ 5 L 637/20.NW ‑, juris Rn. 95; VG Augsburg, Beschluss vom 16. August 2018 - Au 4 S 18.1058 -, juris Rn. 81. 90bbb) Im Ergebnis nichts anderes gilt für das Wohngrundstück der Klägerin zu 2. Auch wenn es in einem durch den Bebauungsplan Nr. 002 der Stadt H. ausgewiesenen allgemeinen Wohngebiet und damit in einem besonders schutzwürdigen Gebiet im Sinne von Nr. 6.5 Satz 1 i. V. m. Nr. 6.1 Satz 1 Buchstabe e TA Lärm liegt, kann es - wie bereits ausgeführt - immissionsschutzrechtlich (lediglich) den Schutzanspruch eines Mischgebiets geltend machen. Damit unterfällt es ebenfalls nicht dem Anwendungsbereich von Nr. 6.5 Satz 1 TA Lärm. 91bb) Es bedurfte keiner weiteren Aufklärung durch das Gericht hinsichtlich möglicher Vorbelastungen im Sinne von Nr. 2.4 Abs. 1 TA Lärm während der Tagzeit. Gemäß Nr. 3.2.1 Abs. 2 Satz 1 TA Lärm darf die Genehmigung für die zu beurteilende Anlage - hier die beklagte Windenergieanlage - auch bei einer Überschreitung der Immissionsrichtwerte aufgrund der Vorbelastung aus Gründen des Lärmschutzes nicht versagt werden, wenn der von der Anlage verursachte Immissionsbeitrag im Hinblick auf den Gesetzeszweck als nicht relevant anzusehen ist. Das ist nach Satz 2 der vorgenannten Vorschrift in der Regel der Fall, wenn die von der zu beurteilenden Anlage ausgehende Zusatzbelastung die Immissionsrichtwerte nach Nummer 6 am maßgeblichen Immissionsort um mindestens 6 dB(A) unterschreitet. Dies ist hier in Bezug auf den Tagbetrieb - wie bereits aufgezeigt - der Fall. 92II. Von der genehmigten Windenergieanlage geht keine unzumutbare optisch bedrängende Wirkung auf die Wohngrundstücke der Kläger aus. 93Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen bedarf es einer Einzelfallprüfung, um beurteilen zu können, ob Windenergieanlagen optisch bedrängend auf die Umgebung wirken. Dabei sind insbesondere die folgend genannten Aspekte zu berücksichtigen, und zwar für die Anlage: Gesamthöhe, Standort mit topographischer Situation, Größe des Rotordurchmessers; für das Grundstück: Lage, Ausrichtung bestimmter Räumlichkeiten und deren Fenster und Terrassen zur Windenergieanlage, etwaige Abschirmung zur Anlage, Blickwinkel auf die Anlage, Hauptwindrichtung. Unter Berücksichtigung (insbesondere) der vorstehenden Kriterien lassen sich für die Ergebnisse der Einzelfallprüfungen grobe Anhaltswerte prognostizieren: Beträgt der Abstand zwischen einem Wohngebäude und einer Windenergieanlage mindestens das Dreifache der Gesamthöhe der geplanten Anlage, dürfte die Einzelfallprüfung überwiegend zu dem Ergebnis kommen, dass von dieser Anlage keine optisch bedrängende Wirkung zu Lasten der Wohnnutzung ausgeht. Ist der Abstand geringer als das Zweifache der Gesamthöhe der Anlage, dürfte die Einzelfallprüfung überwiegend zu einer dominanten und optisch bedrängenden Wirkung der Anlage gelangen. Beträgt der Abstand zwischen dem Wohnhaus und der Windenergieanlage das Zwei- bis Dreifache der Gesamthöhe der Anlage, bedarf es regelmäßig einer besonders intensiven Prüfung des Einzelfalls. Diesem groben Raster liegt die Überlegung zu Grunde, dass die optisch bedrängende Wirkung einer Windenergieanlage mit zunehmendem Abstand regelmäßig abnimmt. Diese Grundsätze gelten auch für moderne Typen von Windenergieanlagen, die durch einen höheren Turm und einen größeren Rotordurchmesser gekennzeichnet sind. 94Vgl. zum Ganzen mit ausführlicher Begründung OVG NRW, Urteil vom 20. Dezember 2018 - 8 A 2971/17 -, juris Rn. 195 ff., m. w. N. 95Dass der genehmigte Standort der Windenergieanlage etwa 60 m oberhalb der Wohnhäuser der Kläger befindet, bewirkt nicht, dass diese Höhendifferenz bei der Abstandsbewertung zu der Gesamthöhe der Anlage zu addieren wäre. Denn eine auf höherem Gelände stehende Windenergieanlage wirkt weniger bedrängend als eine Windenergieanlage, die sich auf der gleichen Ebene wie ein Wohngebäude befindet, aber eine Höhe aufweist, die der Summe aus der Höhendifferenz und der Höhe der erstgenannten Anlage entspricht. Zudem berücksichtigt der grobe, pauschalierende Anhaltswert mittelbar auch, dass der Rotor der Anlage tendenziell umso größer ist, je höher die Anlage ist. Ein Geländeunterschied vergrößert jedoch nicht den Rotorumfang, sondern hat auf diesen keinen Einfluss. Der Höhenunterschied ist daher (nur) im Rahmen der Einzelfallprüfung zu berücksichtigen, weil er die optischen Wirkungen der Windenergieanlage verstärken kann. 96Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Oktober 2021 ‑ 8 A 2790/18 -, juris Rn. 54 f., m. w. N. 97Um von einer optisch bedrängenden Wirkung zu sprechen, reicht es für sich gesehen nicht aus, dass die Windenergieanlage von den Wohnräumen aus überhaupt wahrnehmbar ist. Das Gebot der Rücksichtnahme vermittelt dem Nachbarn keinen Anspruch auf eine von technischen Bauwerken freie Sicht. Die optisch bedrängende Wirkung einer Windenergieanlage entfällt daher nicht erst dann, wenn die Sicht auf die Windenergieanlage durch Abschirm- oder Ausweichmaßnahmen völlig gehindert wird. Ausreichend ist vielmehr, dass die Anlage in ihrer Wirkung durch eine vorhandene Abschirmung optisch abgemildert wird oder dass eine solche Abschirmung in zumutbarer Weise hergestellt werden kann. Dies gilt insbesondere für Außenbereichsgrundstücke oder für unmittelbar an den Außenbereich angrenzende Wohngrundstücke. Denn in diesen Fällen sind dem Betroffenen wegen des verminderten Schutzanspruchs eher Maßnahmen zuzumuten, durch die er den Wirkungen der Windenergieanlage ausweicht oder sich vor ihnen schützt. 98Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. Oktober 2021 - 8 A 2790/18 -, juris Rn. 56 f., m. w. N. 99Ausgehend von diesen Maßgaben ist das Gericht auf der Grundlage der Sichtbeziehungsuntersuchung zur Beurteilung der optisch bedrängenden Wirkung der Windenergieanlage vom 11. September 2018 sowie der am 16. Februar 2022 durchgeführten Inaugenscheinnahme zur Überzeugung gelangt, dass von der genehmigten Windenergieanlage keine unzumutbare optisch bedrängende Wirkung auf die Wohngrundstücke der Kläger ausgeht. 1001. Diese Feststellung gilt zunächst in Bezug auf das Wohnhaus des Klägers zu 1., das etwa 440 m vom Anlagenstandort entfernt ist, was ausgehend von einer Gesamthöhe der Anlage von etwa 200 m (vgl. insoweit die Herstellerangaben) einem Abstandsquotienten von etwa dem 2,2-fachen der Anlagenhöhe entspricht. Trotz dieses relativ geringen Abstands spricht eine Reihe von einzelfallbezogenen Faktoren gegen die Annahme einer optisch bedrängenden Wirkung. 101Aufgrund der Lage und Ausrichtung des Wohnhauses bestehen Sichtbeziehungen zu der Windenergieanlage (nur) aus den Fenstern der Südostfassade und aus dem Giebelfenster der Nordostfassade. An der südostlich ausgerichteten Seite des Wohnhauses befinden sich im Erdgeschoss das Schlafzimmer und ein größerer Raum, der als Wohn-/Ess- bzw. Empfangszimmer genutzt wird (vgl. auch Seite 20 der Sichtbeziehungsuntersuchung vom 11. September 2018). Aus diesem Zimmer ist die Windenergieanlage in ihrer vollen Ausdehnung, d. h. einschließlich des Rotors, allerdings nur dann zu sehen, wenn man sich direkt vor die Fensterfront begibt. Von den Stühlen, die am großen, parallel zur Fensterfront ausgerichteten Esstisch aufgestellt sind, ist von der Windenergieanlage infolge der hier gegebenen topografischen Besonderheit - der Höhenunterschied zwischen dem Wohnhaus des Klägers zu 1. und dem Vorhabenstandort beträgt etwa 60 m - allenfalls der Turm zu sehen. Der Hinweis des Klägers zu 1. im Schriftsatz vom 7. Januar 2022, wonach von den Stühlen, die mit ihrer Rückseite zur Fensterfront ausgerichtet sind, der Turm „in voller Ausdehnung“ und der untere Bereich der Rotorblätter zu sehen seien, lässt unberücksichtigt, dass der Blick der auf diesen Stühlen sitzenden Personen regelmäßig zu der von der Fensterfront abgewandten Zimmerseite gerichtet sein wird. Diese Personen müssen ihren Kopf demnach erst nach hinten drehen, um überhaupt einen Teil der Anlage sehen zu können. Insgesamt ist daher in Bezug auf das Wohn-/Esszimmer im Erdgeschoss von allenfalls kurzfristigen und somit zumutbaren Sichtbeziehungen auszugehen. Zu einer anderen Einschätzung zwingt auch nicht der während des Ortstermins am 16. Februar 2022 in unmittelbarer Nähe der Fensterfront positionierte Sessel, von dem aus die Windenergieanlage in Gänze sichtbar ist. Diesbezüglich ist festzustellen, dass diese Sitzgelegenheit weder in der Sichtbeziehungsbeziehungsuntersuchung vom 11. September 2018 erwähnt noch vom Kläger zu 1. schriftsätzlich thematisiert wurde. Letzteres mag ein Hinweis darauf sein, dass die dortigen Sichtbeziehungen bereits von ihm selbst nicht als unzumutbar eingeordnet werden. Unabhängig davon ist aber weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich, dass eine Positionierung des Sessels nicht möglich bzw. zumutbar ist, die eben jene Sichtbeziehungen möglichst vermeidet bzw. auf ein zumutbares Maß beschränkt. 102In Bezug auf das Schlafzimmer im Erdgeschoss und das Kinderzimmer im zweiten Obergeschoss (Giebelfenster der Nordostfassade) macht der Kläger zu 1. eine optisch bedrängende Wirkung bereits nicht (Schlafzimmer) bzw. nicht mehr (Kinderzimmer, vgl. zuletzt Schriftsatz vom 7. Januar 2022) geltend. Im Übrigen dient das Schlafzimmer nicht dem Aufenthalt und der Erholung am Tag und ist daher nicht in gleicher Weise schutzbedürftig wie etwa ein Wohnzimmer. 103Die Annahme einer optisch bedrängenden Wirkung rechtfertigt auch nicht der Umstand, dass sich im ersten Obergeschoss mit dem „Wohnzimmer der Familie“ ein besonders schutzwürdiger Bereich befindet, aus dem heraus die streitgegenständliche Windenergieanlage zu sehen ist. Nach den Feststellungen im Ortstermin am 16. Februar 2022, die insoweit mit den Angaben in der Sichtbeziehungsuntersuchung vom 11. September 2018 übereinstimmen, beschränken sich die Sichtbeziehungen ‑ neben der Position direkt vor der Fensterfront - (lediglich) auf den rechten (= Kameraperspektive, d. h. stehend vor dem Sofa aus betrachtet) Schenkel des Sofas. Die übrigen Sitzmöglichkeiten auf dem Sofa bzw. dem links daneben aufgestellten Sessel sind von der Fensterfront abgewandt und daher bereits so angeordnet, dass die Windenergieanlage in sitzender Position nicht wahrgenommen wird. Insgesamt sind das Sofa und der Sessel so ausgerichtet, dass sie den Blick zuvörderst auf den Fernseher und damit gerade nicht auf die Fensterfront lenken. Es bestehen folglich offensichtlich bereits innerhalb des Wohnzimmers hinreichend Ausweichmöglichkeiten, auf die der Kläger zu 1. bzw. seine Familie zu verweisen sind. Weiter ist zu berücksichtigen, dass es sich um vergleichsweise kleine Fenster handelt, die zudem mit Vorhängen ausgestattet sind, welche für einen gewissen Sichtschutz sorgen und daher die Sichtbeziehungen abschwächen. 104Die Feststellung einer optisch bedrängenden Wirkung rechtfertigen schließlich auch nicht die Sichtbeziehungen aus dem Terrassen-/Gartenbereich. Zwar wird von einigen Punkten aus die gesamte Windenergieanlage zu sehen sein. Allerdings treten Nutzungen im Freien, die im Regelfall ohnehin nur in den Sommermonaten stattfinden, im Hinblick auf ihre Schutzwürdigkeit hinter derjenigen von Wohngebäuden zurück. 105Vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 3. November 2016 ‑ 12 ME 131/16 -, juris Rn. 21. 106Darüber hinaus bietet der Terrassen-/Gartenbereich nach den Feststellungen während des Ortstermins am 16. Februar 2022 offensichtlich genügend Platz, um durch Ortsveränderung bzw. durch entsprechende räumliche Ausrichtung von Sitzgelegenheiten und sonstigen Freizeiteinrichtungen die Wahrnehmung des Vorhabens bzw. der Rotordrehbewegungen zu vermeiden bzw. zu minimieren. Überdies ließe sich eine Abschirmung durch das Aufstellen von Sichtblenden, Sonnenschirmen etc. weiter verstärken. 107Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. Juli 2017 ‑ 8 B 396/17 -, juris Rn. 48. 108Als weiterer, die optische Wirkung der Windenergieanlage abschwächender Gesichtspunkt kommt hinsichtlich sämtlicher Sichtbeziehungen hinzu, dass diese nach den Ausführungen der Sichtbeziehungsuntersuchung vom 11. September 2018 aufgrund der in dem hier in Rede stehenden Bereich vorherrschenden Hauptwindrichtung Westsüdwest voraussichtlich überwiegend nur lateral/seitlich als schmale Sichel und nur selten frontal zu sehen sein wird. Eine zusätzliche die Sichtbeziehung zum Teil vollständig, jedenfalls teilweise unterbrechende/abschwächende Wirkung kommt dem Baumbewuchs im Gartenbereich zu (vgl. die Fotos auf Seite 21/22 der Sichtbeziehungsuntersuchung vom 11. September 2018 bzw. vom Ortstermin am 16. Februar 2022). Diese Feststellung gilt in Bezug auf die immergrünen Koniferen ganzjährig und hinsichtlich des großen Baumes in der Mitte des Gartens mindestens während der Vegetationsperiode, wobei dessen Ästen auch im unbelaubten Zustand eine abschirmende Wirkung zukommt. 109In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen kann offen bleiben, ob im vorliegenden Einzelfall die hier gegebene topographische (Sonder-)situation in Form eines Höhenunterschieds zwischen dem Vorhabenstandort und dem Wohngrundstück des Klägers zu 1. von etwa 60 m eher eine optische Abschirmung - so der Beklagte und die Beigeladene im Anschluss an die Annahme in der Sichtbeziehungsuntersuchung vom 11. September 2018 - oder aber - so der Kläger zu 1. - eine Verstärkung der visuellen Wahrnehmbarkeit der Windenergieanlage bewirkt. Weder die eine noch die andere Annahme führte zu einer vom dargestellten Ergebnis abweichenden Beurteilung. 1102. Im Ergebnis nichts anderes gilt in Bezug auf das Wohngrundstück der Klägerin zu 2., das etwa 570 m vom Anlagenstandort entfernt ist, was ausgehend von einer Gesamthöhe der Anlage von etwa 200 m einem Abstandsquotienten von etwa dem 2,8-fachen der Anlagenhöhe entspricht. 111Aufgrund der Lage des Wohnhauses ist die Windenergieanlage (nur) aus den Fenstern der Nordwestfassade zu sehen. An dieser Seite befinden sich im Erdgeschoss die Küche und das Esszimmer, im ersten Obergeschoss das Badezimmer sowie ein Zimmer, das als Büro genutzt wird. Nach den Feststellungen in der Sichtbeziehungsuntersuchung vom 11. September 2018 sowie während des am 16. Februar 2022 durchgeführten Ortstermins ist die Windenergieanlage, insbesondere der Rotor, aus dem Badezimmer - wegen des blickdichten Fensters - überhaupt nicht und aus den Fenstern der übrigen Räume lediglich dann zu sehen, wenn man sich direkt vor das jeweilige Fenster begibt. Von den jeweiligen Sitzgelegenheiten in den vorgenannten Räumlichkeiten ist die Anlage bzw. deren Rotor hingegen nicht zu sehen. 112Hinsichtlich der Sichtbeziehungen aus dem Gartenbereich gilt das zum Kläger zu 1. Ausgeführte in entsprechender Weise. 113Darüber hinaus wird die optische Wirkung dadurch abgeschwächt, dass die Windenergieanlage nach den Ausführungen der Sichtbeziehungsuntersuchung vom 11. September 2018 aufgrund der in dem hier in Rede stehenden Bereich vorherrschenden Hauptwindrichtung Westsüdwest voraussichtlich überwiegend nur lateral/seitlich als schmale Sichel zu sehen sein wird. Die Annahme der Hauptwindrichtung „Westsüdwest“ beruht nicht - wie die Klägerin zu 2. offenbar meint - auf den Winddaten in dem „Gutachten zur Standorteignung von WEA am Standort Halde N1. “ vom 16. Mai 2018 (dort Seite 17), sondern auf einer Windrichtungsanalyse der S. GmbH & Co. KG , die auf Seite 83/84 der Sichtbeziehungsuntersuchung vom 11. September 2018 im Einzelnen erläutert wird. Soweit die Klägerin zu 2. mit Verweis auf die Winddaten in dem vorgenannten Gutachten vom 16. Mai 2018 davon ausgeht, dass die dortige „Verteilung der relativen Häufigkeiten der Windrichtung und Windgeschwindigkeiten ein nahezu gleichlautendes Bild in mehreren Windrichtungen Süd/Südwest (0,13), West/Südwest (0,156) und West (0,114)“ ergäben, steht dies nicht in einem unauflösbaren Widerspruch zu der Windrichtungsverteilung in der Sichtbeziehungsuntersuchung vom 11. September 2018. Denn auch hier haben die Windrichtungen Südsüdwest und West relativ große Anteile an der Gesamtverteilung. Auch wenn hiernach mit der Klägerin zu 2. „von einer größeren Bandbreite“ der Rotorstellungen auszugehen wäre, bleibt festzuhalten, dass in beiden Betrachtungen der Windrichtungsverteilung der Anteil der Windrichtungen, bei denen der Rotor aus dem Wohnhaus bzw. Terrassen-/Gartenbereich in seiner vollen Ausdehnung zu sehen sein wird (Westnordwest bzw. Nordnordwest), deutlich hinter der/n Hauptwindrichtung/en (Westsüdwest bzw. Südsüdwest) zurückbleibt. 114Mit Blick auf die vorstehenden Ausführungen braucht nicht weiter vertieft werden, ob - wie vom Beklagten und der Beigeladenen angenommen und von der Klägerin zu 2. in Abrede gestellt - dem Hochspannungsmast sowie den quer verlaufenden Hochspannungsleitungen (vgl. die Bilder auf Seite 41 und 43 der Sichtbeziehungsuntersuchung vom 11. September 2018) Bedeutung hinsichtlich der Sichtbeziehungen zu der Windenergieanlage aus den Fenstern der Nordwestfassade zukommt. Ebenso wenig kommt der hier gegebenen topographischen (Sonder-)situation eine ausschlaggebende Bedeutung in die eine oder die andere Richtung zu. Insoweit gelten die diesbezüglichen Ausführungen zum Wohngrundstück des Klägers zu 1. in gleicher Weise. 115III. Die Kläger zeigen auch nicht substantiiert auf, dass schädliche Umwelteinwirkungen auf ihr jeweiliges Wohngrundstück durch Erschütterungen zu erwarten sind. 116Ausweislich der vom Beklagten in diesem Zusammenhang während der jeweiligen Widerspruchsverfahren eingeholten Stellungnahme des LANUV vom 24. April 2019 träten nach dokumentierten Messergebnissen der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) in 285 m Entfernung von der Windenergieanlage Erschütterungsimmissionen von maximal 0.01 mm/s auf. Damit seien - so der Beklagte - die von Windenergieanlagen ausgehenden Schwingungen im Boden bereits in weniger als 300 m Abstand von der Windenergieanlage so weit abgesunken, dass sie sich aus dem permanent vorhandenen Grundrauschen nicht mehr herausheben würden. Eine weitere Abnahme der Schwinggeschwindigkeit erfolge über die Entfernung. Zudem sei die Halde N1. auf einer gewachsenen Geländeoberfläche aufgeschüttet worden, die einen schlechteren Übertragungsweg als Keupergestein habe, das den Messungen des LUBW zugrunde gelegen habe. Diesen plausiblen und nachvollziehbaren Ausführungen des Beklagten bzw. des LANUV haben die Kläger, deren Wohnhäuser etwa 440 m bzw. 570 m vom Anlagenstandort entfernt liegen, nichts von Substanz entgegen gesetzt. 117IV. Die von den Klägern geltend gemachten Bedenken hinsichtlich der Standsicherheit der Windenergieanlage führen ebenfalls nicht zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Genehmigung. 118Zwar kommt der Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW in der zum 1. Januar 2019 in Kraft getretenen Fassung, wonach die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen und die Tragfähigkeit des Baugrundes des Nachbargrundstücks nicht gefährdet werden dürfen, grundsätzlich drittschützende Wirkung zu. 119Vgl. zu der bis zum 31. Dezember 2018 geltenden inhaltsgleichen Vorgängervorschrift in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW: OVG NRW, Urteil vom 9. Juni 2011 ‑ 7 A 1494/09 -, juris Rn. 54 f., m. w. N. 120Der Beklagte hat indes in der Genehmigung vom 11. Februar 2019 in hinreichender Weise sichergestellt, dass die Windenergieanlage nur errichtet werden darf, wenn ihre Standsicherheit gewährleistet ist. Nach Ziffer III. 3. der angefochtenen Genehmigung darf mit dem Bau der Windenergieanlage (Fundamentgründung) erst begonnen werden, nachdem der Bauaufsichtsbehörde der Stadt H. und der Unteren Immissionsschutzbehörde des Beklagten in Bezug auf den genehmigten Anlagentyp ENERCON E-138 EP3 eine aktuell gültige Bescheinigung, die von einem staatlich anerkannten Sachverständigen gemäß § 85 BauO NRW (a. F. = § 87 BauO NRW n. F.) erstellt und geprüft sein muss, als abschließender Standsicherheitsnachweis vorgelegt und dieser von den beiden vorgenannten Behörden überprüft und freigegeben wurde. Diese Vorgabe entspricht der gesetzlichen Regelung in § 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BauO NRW, wonach spätestens mit der Anzeige des Baubeginns bei der Bauaufsichtsbehörde zusammen mit den in Bezug genommenen bautechnischen Nachweisen Bescheinigungen einer oder eines staatlich anerkannten Sachverständigen nach § 87 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BauO NRW über die Prüfung des Standsicherheitsnachweises einzureichen sind. Abgesehen hiervon ist weder substantiiert vorgetragen noch drängt es sich - insbesondere mit Blick auf den Abstand der Wohnhäuser der Kläger zum Anlagenstandort von etwa 440 m (Kläger zu 1.) bzw. 570 m (Klägerin zu 2.) - im Übrigen auf, dass durch eine mangelnde Standsicherheit der Windenergieanlage die Tragfähigkeit des Baugrundes der jeweiligen Grundstücke der Kläger bzw. deren Wohnhäuser gefährdet werden würden. 121V. Auf die weiteren gerügten Aspekte können sich die Kläger mangels einer subjektiven Rechtsverletzung von vornherein nicht berufen bzw. sind sie wegen des hier maßgeblichen Zeitpunkts der Beurteilung der Sach- und Rechtslage aus Rechtsgründen nicht zu Lasten der Beigeladenen zu berücksichtigen. 1221. Letzteres gilt hinsichtlich des Vorbringens, die angefochtene Genehmigung verstoße gegen den Landesentwicklungsplan Nordrhein-Westfalen (LEP NRW). Denn die dortige Vorgabe zum Abstand von Windenergieanlagen zur Wohnbebauung (vgl. 10.2‑3 „Grundsatz Abstand von Bereichen/Flächen für Windenergieanlagen“), auf die sich die Kläger berufen, ist erst durch die Verordnung zur Änderung der Verordnung über den Landesentwicklungsplan vom 12. Juli 2019 (GV.NRW. S. 346) und damit nach dem hier grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt der Erteilung der angefochtenen Genehmigung vom 11. Februar 2019 an die vormals beigeladene N. - Q. GmbH in den Landesentwicklungsplan Nordrhein-Westfalen aufgenommen worden. 123Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei einer immissionsschutzrechtlichen Drittanfechtungsklage grundsätzlich der Zeitpunkt der Genehmigungserteilung. Während nachträgliche Änderungen der Sach- und Rechtslage zu Lasten des Anlagenbetreibers außer Betracht bleiben, sind solche zu dessen Gunsten zu berücksichtigen. 124Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. September 2019 - 7 C 5.18 -, juris Rn. 42 f., und Beschluss vom 8. Oktober 2021 ‑ 7 B 1.21 -, juris Rn. 9; OVG NRW, Urteil vom 5. Oktober 2020 ‑ 8 A 894/17 -, juris Rn. 62. 125In der zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung geltenden Verordnung über den Landesentwicklungsplan Nordrhein-Westfalen vom 15. Dezember 2016 (GV.NRW S. 122) war die von den Klägern angesprochene Abstandsregelung nicht enthalten. Als nachträgliche - etwaig zu Lasten des Anlagenbetreibers auswirkende - Rechtsänderung wäre sie daher nicht zu berücksichtigen. 126Abgesehen davon handelt es sich bei dem Grundsatz 10.2-3 LEP NRW um einen „planerischen Vorsorgeabstand“, der bei der „planerischen Steuerung von Windenergieanlagen in Regionalplänen und in kommunalen Flächennutzungsplänen“ vorgesehen werden soll. Entsprechende planerische Darstellungen enthielten bzw. enthalten aber weder der Gebietsentwicklungsplan Regierungsbezirk N4. - Teilabschnitt „F. - M. “, der noch unter der Geltung des Landesplanungsgesetzes in der Fassung vom 11. Februar 2001 (GV.NRW. S. 50), zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. Februar 2004 (GV.NRW. S. 96), erlassen bzw. geändert sowie genehmigt wurde und dessen Rechtsqualität einem Regionalplan im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ROG, § 2 Abs. 1 LPlG entspricht, noch der Flächennutzungsplan der Stadt H. in ihren jeweils zum maßgeblichen Zeitpunkt der Genehmigungserteilung geltenden (bzw. ihren jeweils aktuellen) Fassungen. Daher braucht an dieser Stelle nicht weiter vertieft zu werden, ob sich die Kläger auf den im Landesentwicklungsplan Nordrhein-Westfalen, bei dem es sich um einen landesweiten Raumordnungsplan nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ROG, § 2 Abs. 1 LPlG handelt, festgelegten Grundsatz 10.2‑3 überhaupt unter dem Gesichtspunkt einer subjektiven Rechtsverletzung berufen können. 1272. Auf die von den Klägern weiter gerügte Unvereinbarkeit der Windenergieanlage mit der im Gebietsentwicklungsplan Regierungsbezirk N4. - Teilabschnitt „F. - M. “ - festgesetzten Nutzung des Anlagenstandorts können sie sich als Nachbarn und damit als private Dritte nicht berufen (dazu a)). Unabhängig davon steht die Windenergieanlage dieser Festsetzung nicht entgegen bzw. widerspricht ihr nicht (dazu b)). 128a) Bei der Festsetzung des Vorhabengrundstücks als Haldenstandort handelt es sich nicht um eine unmittelbar drittschützende Regelung, auf deren Verletzung sich die Kläger berufen können. 129Der Bereich der Halde N1. ist in dem vorgenannten Gebietsentwicklungsplan, dessen Rechtsqualität - wie bereits ausgeführt - einem Regionalplan entspricht, als Standort für die Entsorgung des Bergematerials ausgewiesen (vgl. Ziffer 5.3 Aufschüttungen und Ablagerungen (Halden) sowie die zeichnerische Darstellung mit dem Planzeichen „Aufschüttungen, Ablagerungen u. a.“ und „Halden“). Selbst wenn man mit den Klägern davon ausgeht, dass die Festsetzung als Haldenstandort als Ziel der Raumordnung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG einzuordnen ist, können sie eine etwaige Verletzung dieses öffentlichen Belangs (vgl. § 35 Abs. 3 Satz 2 BauGB) nicht rügen. 130aa) § 35 Abs. 3 BauGB kommt nicht die Funktion einer allgemein nachbarschützenden Vorschrift zu; dies ist nur der Fall, wenn nach den gesetzlichen Wertungen die jeweilige Vorschrift auch den Interessen des Nachbarn dient. 131Vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. April 1995 - 4 B 47.95 -, juris Rn. 2 f.; OVG NRW, Beschluss vom 14. April 2021 ‑ 2 A 141/21 -, juris Rn. 9. 132Ein denkbarer Anknüpfungspunkt für eine mögliche drittschützende Wirkung von Zielen der Raumordnung zugunsten Privater ist zwar der Umstand, dass nach § 7 Abs. 2 ROG bei der Aufstellung der Raumordnungspläne die öffentlichen und privaten Belange, soweit sie auf der jeweiligen Planungsebene erkennbar und von Bedeutung sind, gegeneinander und untereinander abzuwägen sind. Bei der Festlegung von Zielen der Raumordnung hat diese Abwägung abschließend zu erfolgen. Gleichwohl entfalten die Ziele der Raumordnung gegenüber privaten Grundstückseigentümern grundsätzlich keine unmittelbaren Rechtswirkungen. Sie sind vielmehr allein von öffentlichen Stellen bei ihren Planungen zu beachten, wohingegen private Eigentümer durch sie weder unmittelbar berechtigt noch verpflichtet werden. Für das Abwägungsgebot des § 7 Abs. 2 ROG folgt daraus, dass der Plangeber sich wegen des groben Rasters der raumordnerischen Abwägung und der damit verbundenen Ungenauigkeiten darauf beschränken kann, private Belange nur in einer pauschalen, typisierenden Art und Weise als Gruppenbelange zu berücksichtigen. Darüber hinaus gehende individuelle Betroffenheiten sind im Regelfall nicht Gegenstand der Abwägung im Rahmen eines regionalen Raumordnungsplans. Sie bleiben vielmehr der Feinsteuerung im Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans bzw. der Genehmigung eines Einzelvorhabens vorbehalten. Damit kann im Regelfall nicht angenommen werden, dass die Ziele der Raumordnung dazu bestimmt sind, die Rechte eines individuell bestimmbaren Kreises Dritter zu schützen. 133Vgl. zum Ganzen OVG Rh.-Pf., Urteil vom 31. März 2021 ‑ 1 A 10858/20 -, juris Rn. 35 ff., m. w. N. 134bb) Zureichende Anhaltspunkte dafür, dass in Abweichung hiervon gerade mit der Festsetzung des Anlagengrundstücks als Haldenstandort ausnahmsweise individuelle Belange der Anwohner der Halden geschützt werden sollten, sind nicht ersichtlich und von den Klägern, die sich mit dieser Frage nicht auseinandersetzen, auch nicht vorgetragen. Ausweislich der Erläuterungen zu Ziffer 5.3 des Gebietsentwicklungsplans dienen Bergehalden - u. a. die N1 2 . - der Ablagerung und damit der Entsorgung des energetisch nicht nutzbaren Gesteins aus dem Steinkohlebergbau. Die Aufschüttung von Bergehalden erfolgt demgemäß im öffentlichen Interesse einer ordnungsgemäßen Abfallentsorgung, allenfalls noch im privaten Interesse des jeweiligen Bergwerkbetreibers, jedoch nicht (auch) im Interesse der Nachbarn. Ob durch ein genehmigtes Vorhaben die weitere Aufschüttung der jeweiligen Bergehalde unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert wird, ist damit kein Gesichtspunkt, der einem Nachbarn eine subjektiv-rechtliche Rechtsposition vermittelt. 135b) Unabhängig vom Vorstehenden kann nicht festgestellt werden, dass die Windenergieanlage der Festsetzung des hier betroffenen Bereichs als Haldenstandort entgegensteht bzw. widerspricht (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Abs. 3 Satz 2 BauGB). 136Der Beklagte hat in den jeweiligen Widerspruchsbescheiden vom 24. Juni 2019 ‑ hilfsweise - zur Begründung seiner Annahme darauf verwiesen, dass der Schüttbetrieb auf der N1 2 . bereits zum Ende des Jahres 2013 eingestellt worden sei, weshalb aufgrund fehlender Bergemassen eine Endgestaltung als Vulkankegel nicht mehr habe stattfinden können. Zudem sei das letzte Bergwerk der Region, Prosper-Haniel in Bottrop, zum 21. Dezember 2018 endgültig geschlossen worden, sodass tatsächlich auch kein weiteres Bergematerial zur Schüttung mehr anfallen könne. Nach Mitteilung der Bezirksregierung Arnsberg werde in Kürze mit dem Abbruch der verbliebenen Anlagen begonnen und auch der in Aufstellung befindliche Regionalplan Ruhr werde für diesen Bereich in seinen zeichnerischen Festlegungen kein entsprechendes Gebiet für eine Halde mehr aufweisen. Die Bezirksregierung Arnsberg als zuständige Bergbehörde habe in ihren Stellungnahmen vom 22. August 2018 und 4. Februar 2019 ferner angegeben, dass keine Bedenken gegen das Vorhaben bestünden. Hinsichtlich der raumordnerischen Darstellung im derzeit noch geltenden Regionalplan (gemeint ist der Gebietsentwicklungsplan Regierungsbezirk N4. - Teilabschnitt „F. - M. “) sei aus bergbehördlicher Sicht festgestellt worden, dass die bergbauliche Nutzung „Aufschüttung und Ablagerung“ im Bereich der Halde N1. abgeschlossen sei. Aus der Stellungnahme der RAG AG vom 17. Januar 2019 gehe zusätzlich hervor, dass die Errichtung und der Betrieb einer Windenergieanlage auf der N1 2 . ein weiteres Verbringen von Bergematerial nicht wesentlich beeinträchtige. Insoweit sei auf die vorliegenden Erfahrungen des Unternehmens zum Schüttbetrieb auf den Bergehalden Kohlenhuck in Moers und Lohberg-Norderweiterung in Dinslaken mit den dort bereits realisierten Windenergieanlagen verwiesen worden. Der Top-Bereich der Halde N1. habe zudem eine ovale Grundform, in deren Mitte sich eine Vernässungszone mit Vegetation befinde. Am Rand des Top-Bereiches der Halde befinde sich der Standort der Windenergieanlage. Auch eine theoretisch machbare Schüttung von gegebenenfalls vorhandenen Restvolumina wäre daher nicht beeinträchtigt. Mit diesen für das Gericht plausiblen, nachvollziehbaren und überzeugenden Erwägungen setzen sich die Kläger nicht ansatzweise substantiiert auseinander und stellen die Richtigkeit der Annahme des Beklagten nicht durchgreifend in Frage. 1373. Mit ihrem weiteren Vortrag, die beklagte Windenergieanlage sei mit den städtebaulichen Zielen nicht vereinbar und widerspreche daher dem Bebauungsplan Nr. 000, Gebiet: „N1 2 . “ der Stadt H. , können die Kläger die Aufhebung der Genehmigung bereits deshalb nicht beanspruchen, weil der vorgenannte Bebauungsplan (erst) am 15. April 2019 mit seiner amtlichen Bekanntmachung im Amtsblatt der Stadt H. (Ausgabe 07/19) und damit nach Genehmigungserteilung als dem grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt in Kraft getreten ist (vgl. § 10 Abs. 3 BauGB). Daher kann dahinstehen, ob die Kläger sich auf einen etwaigen Verstoß gegen die städtebaulichen Ziele bzw. den Bebauungsplan Nr. 000 der Stadt H. unter dem Gesichtspunkt der subjektiven Rechtsverletzung überhaupt berufen können. 138Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, entspricht der Billigkeit, weil sie einen (Ablehnungs-)Antrag gestellt und sich damit selbst einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). 139Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 709 ZPO (hinsichtlich der Beigeladenen) bzw. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO (hinsichtlich des Beklagten). 140Rechtsmittelbelehrung: 141Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn 1421. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 1432. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 1443. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 1454. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 1465. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. 147Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, zu beantragen. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich einzureichen. 148Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung ‑ ERVV ‑) wird hingewiesen. 149Im Berufungsverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO.
die klage wird abgewiesen. die kläger tragen die kosten des verfahrens einschließlich der außergerichtlichen kosten der beigeladenen. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar, für die beigeladene allerdings nur gegen sicherheitsleistung in höhe des jeweils zu vollstreckenden betrages. die kläger dürfen die vollstreckung durch den beklagten durch sicherheitsleistung in höhe des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht der beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1
2die kläger wenden sich gegen die der vormals beigeladenen n. - q. gmbh erteilte immissionsschutzrechtliche genehmigung für die - mittlerweile erfolgte - errichtung und den betrieb einer windenergieanlage auf der bergehalde n1. in h. . 3die vormals beigeladene n. - q. gmbh beantragte unter dem 19. juli 2018 bei dem beklagten die erteilung einer immissionsschutzrechtlichen genehmigung für die errichtung und den betrieb einer windenergieanlage des typs enercon e‑138 ep3 mit einer nabenhöhe von 131 m und einem rotordurchmesser von 138,6 m auf dem grundstück gemarkung h. , flur 00, flurstück 000 (halde n1. ). diesem antrag beigefügt waren unter anderem eine schallimmissionsprognose der s. gmbh & co. kg vom 11. juli 2018 in der überarbeiteten fassung vom 31. januar 2019 (nachfolgend: schallimmissionsprognose vom 31. januar 2019) sowie eine sichtbeziehungsuntersuchung zur beurteilung der optisch bedrängenden wirkung der windenergieanlage der s. gmbh & co. kg vom 11. september 2018 nebst stellungnahme zum schreiben der stadt h. vom 14. dezember 2018. 4bei dem vorhabengrundstück handelt es sich um eine bergehalde, die im rahmen der bergbaulichen tätigkeiten im nördlichen ruhrgebiet aufgeschüttet wurde. der konkrete standort der windenergieanlage befindet sich nach den angaben, die über das internetangebot des landes nordrhein-westfalen für amtliche karten und sonstige amtliche daten (tim-online) abgerufen werden können, etwa 98,5 m über normalnull. 5der kläger zu 1. ist eigentümer und bewohner des westlich der n1 2 . gelegenen wohnhauses x. straße 171. die entfernung zwischen dem wohnhaus und der beklagten windenergieanlage beträgt etwa 440 m, der höhenunterschied etwa 60 m. das wohngrundstück des klägers zu 1. liegt nicht im geltungsbereich eines bebauungsplans. die bebauung nördlich des wohnhauses besteht aus einem weiteren wohnhaus (x. straße 165), einer etwa 1.200 qm großen - dem kläger zu 1. gehörenden - halle sowie kleineren nebengebäuden. an diese wohnhäuser schließt sich im nord-östlichen bereich eine etwa 28.000 bis 30.000 qm große freifläche an. nordwestlich der vorgenannten wohnhäuser befindet sich hinter der x. straße und einer baumreihe ebenfalls eine etwa 10.000 qm große freifläche. in östlicher und südlicher richtung grenzt das wohnhaus des klägers zu 1. an eine bewaldete fläche, durch die der o. fließt. in südwestlicher richtung befindet sich zwischen dem wohngrundstück des klägers zu 1. und den wohnhäusern x. straße 175/177, 190 und 192 ein baumbestand, dazwischen fließt der x1. n3. . 6die klägerin zu 2. ist eigentümerin und bewohnerin des südöstlich der n1 2 . gelegenen wohnhauses c.--straße 106. die entfernung zwischen dem wohnhaus und der beklagten windenergieanlage beträgt etwa 570 m, der höhenunterschied etwa 60 m. das wohngrundstück der klägerin zu 2. liegt im geltungsbereich des bebauungsplans nr. 002 der stadt h. . dieser weist für diesen bereich ein allgemeines wohngebiet aus. in der begründung zum bebauungsplan nr. 002 (dort seite 23) wird ausgeführt, dass es sich bei der städtebaulichen situation des plangebietes überwiegend um gemengelagen handele, die im laufe der zeit gewachsen seien. deshalb sei bei der betrachtung der immissionsrechtlichen situation unter berücksichtigung der vorhandenen betriebe und der hierdurch bedingten immissionsvorbelastung für die baugebiete im bebauungsplangebiet das gebot gegenseitiger rücksichtnahme anzuwenden. daher werde den angrenzenden allgemeinen wohngebieten immissionsschutzrechtlich der störgrad von mischgebieten zugewiesen. 7durch bescheid vom 11. februar 2019, dem kläger zu 1. am 20. februar 2019, der klägerin zu 2. am 16. februar 2019 zugestellt, erteilte der beklagte der vormals beigeladenen n. - q. gmbh unter anordnung der sofortigen vollziehung die beantragte immissionsschutzrechtliche genehmigung. diese enthält unter anderem nebenbestimmungen zum lärmschutz sowie zur standsicherheit der windenergieanlage. 8mit schreiben vom 25. februar 2019 zeigte die vormals beigeladene n. - q. gmbh dem beklagten entsprechend ziffer iv. 1.7 des genehmigungsbescheides an, dass nunmehr die beigeladene betreiber der windenergieanlage sei. 9die mit schreiben vom 14. märz 2019 erhobenen widersprüche der kläger wies der beklagte durch widerspruchsbescheide vom 24. juni 2019 zurück und führte zur begründung im wesentlichen aus: die kläger seien keinen unzumutbaren schall-immissionen ausgesetzt. auf der grundlage der schallimmissionsprognose vom 31. januar 2019 sei eine überschreitung der - für beide kläger - maßgeblichen immissionsrichtwerte von 45 db(a) nachts und 60 db(a) tags mit sicherheit auszuschließen. die kläger würden auch durch den von der windenergieanlage ausgehenden bewegten schattenwurf nicht erheblich belästigt. eine optisch bedrängende wirkung zu lasten der kläger gehe von der windenergieanlage nicht aus. die wohnhäuser der kläger seien wegen ihres abstandes zur windenergieanlage entsprechend der rechtsprechung des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen einer intensiven prüfung des einzelfalls unterzogen worden. aufgrund der lage und der nutzung der räume des jeweiligen wohnhauses, des topografischen höhenunterschiedes, der vorbelastung durch den hochspannungsmast (nur klägerin zu 2.), der sichtverstellung durch (garten)bewuchs sowie der hauptwindrichtungsverteilung sei insgesamt nicht von einer optisch bedrängenden wirkung der windenergieanlage auszugehen. es seien ferner keine erschütterungseinwirkungen an den wohnhäusern der kläger zu erwarten. die von den klägern geltend gemachte wertminderung ihrer jeweiligen grundstücke werde bereits nicht nachprüfbar dargelegt. abgesehen davon sei die weitere nutzung als wohngrundstück nicht unmöglich oder unzumutbar, weil von der windenergieanlage keine schädlichen umwelteinwirkungen zu lasten der kläger ausgingen. die weiteren von den klägern angeführten aspekte - landesplanung, regionalplanung, planung der stadt h. sowie die standsicherheit der windenergieanlage - hätten keinen drittschützenden charakter und seien daher nicht gegenstand des vorliegenden widerspruchsverfahrens. im übrigen ergäben sich aber auch insoweit keine rechtlichen bedenken gegen die erteilte genehmigung. 10die kläger haben am 16. juli 2019 klage erhoben und bereits am 8. april 2019 einen antrag auf gewährung vorläufigen rechtsschutzes gestellt, den die kammer durch beschluss vom 4. november 2019 - 8 l 547/19 - abgelehnt hat. die hiergegen gerichtete beschwerde des klägers zu 1. hat das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen durch beschluss vom 29. september 2020 - 8 b 1576/19 - zurückgewiesen. 11auf entsprechende anträge der beigeladenen hat der beklagte durch bescheid vom 28. januar 2021 die nebenbestimmung iv. 6.1.2 des angefochtenen genehmigungsbescheides aufgehoben und durch bescheid vom 9. november 2021 festgestellt, dass die beklagte windenergieanlage entsprechend der nebenbestimmung iv. 3.1.6 des genehmigungsbescheides vom 11. februar 2019 zur nachtzeit (22:00 bis 06:00 uhr) im betriebsmodus 100db mit einer leistung von 2350 kw betrieben werden darf. zur begründung ist ausgeführt, dass nach dem vermessungsbericht der deutsche x2. d. gmbh e. vom 20. august 2020 die in ziffer iv. 3.1.5 des genehmigungsbescheides vom 11. februar 2019 festgelegten oktavschallleistungspegel für 1000, 2000, 4000 und 8000 hertz lo,okt zwar überschritten seien, der nachweis für die aufnahme des nachtbetriebs aber durch eine erneute ausbreitungsberechnung in der schallimmissionsprognose der s. gmbh & co. kg vom 27. oktober 2021 erbracht worden sei. 12zur begründung ihrer klage machen die kläger im wesentlichen geltend: auf der grundlage der schallimmissionsprognose vom 31. januar 2019 könne nicht hinreichend verlässlich beurteilt werden, dass sie keinen unzumutbaren lärmimmissionen durch den betrieb der windenergieanlage ausgesetzt seien. entgegen der annahme des beklagten bzw. der beigeladenen liege das wohngrundstück des klägers zu 1. nicht im außenbereich, sondern im unbeplanten innenbereich und sei als allgemeines bzw. reines wohngebiet zu qualifizieren, weshalb als maßgeblicher immissionsrichtwert 40 db(a) bzw. 35 db(a) und nicht 45 db(a) während der nachtzeit zugrunde zu legen sei. die in der schallimmissionsprognose vom 31. januar 2019 zugrunde gelegten eingangsdaten beruhten lediglich auf herstellerangaben und seien zudem widersprüchlich. der angenommene sicherheitszuschlag sei nicht ausreichend. es sei auch nicht erkennbar, welches berechnungsprogramm benutzt worden sei. ferner sei die erforderliche sonderfallprüfung wegen möglicher schallreflexionen („amphitheatereffekt“) nicht durchgeführt worden. der verzicht auf eine separate beurteilung der schallimmissionsbelastung während der tagzeit sei nicht vertretbar. die belastung durch infraschall sei nicht betrachtet worden, dies stelle ein ermittlungsdefizit dar. die schallimmissionsprognose vom 27. oktober 2021 sei ebenfalls nicht zum nachweis geeignet, dass die zulässigen immissionsrichtwerte eingehalten seien. der dieser ausbreitungsrechnung zugrunde liegende vermessungsbericht vom 20. august 2020 sei nicht aussagekräftig, weil sich das geländeprofil der dort vermessenen windenergieanlage von dem im vorliegenden einzelfall gegebenen geländeprofil deutlich unterscheide. zudem sei die schallimmissionsprognose vom 27. oktober 2021 nicht hinreichend transparent bzw. nachvollziehbar, insbesondere hinsichtlich der angenommenen messunsicherheiten sowie des ergebnisses, dass trotz höherer messwerte in einigen frequenzbereichen die ermittelten pegel vielfach geringer seien. von der genehmigten windenergieanlage gehe zudem eine optisch bedrängende wirkung aus. der abstand zwischen dem wohnhaus des klägers zu 1. und der windenergieanlage liege sehr nah an der regelmäßigen dominanzschwelle der zweifachen gesamthöhe der anlage. sichtbeziehungen zu der windenergieanlage, die das zumutbare maß überschritten, bestünden aus verschiedenen räumen ihrer wohnhäuser sowie aus dem garten- bzw. terrassenbereich. insoweit gehe die im verwaltungsverfahren vorgelegte sichtbeziehungsuntersuchung von unzutreffenden tatsächlichen annahmen aus. durch die errichtung auf der etwa 100 m hohen n1 2 . habe die windenergieanlage die optische wirkung einer 300 m hohen anlage. aufgrund der dimensionierung der windenergieanlage richte sich der blick nicht - wie vom beklagten angenommen - zunächst in den hang bzw. haldenkörper, sondern direkt auf die windenergieanlage. entgegen der annahme des beklagten bzw. der beigeladenen könne die hochspannungsleitung der klägerin zu 2. nicht als vorbelastung entgegen gehalten werden. diese sei - anders als der rotor der windenergieanlage - statisch und werde von ihr daher nicht mehr wahrgenommen. es bestünden auch keine zumutbaren ausweich- oder abschirmungsmöglichkeiten. es seien keine von der windenergieanlage möglicherweise ausgehenden erschütterungen betrachtet worden. die windenergieanlage sei mit den zielen der landesplanung, der regionalplanung und den städtebaulichen zielen für die haldenwelt und die angrenzenden stadtteile nicht vereinbar. sie widerspreche auch dem bebauungsplan nr. 000, gebiet: „n1 2 . “ vom 4. april 2019. 13die kläger beantragen, 14den immissionsschutzrechtlichen genehmigungsbescheid vom 11. februar 2019 in der fassung des jeweiligen widerspruchsbescheides vom 24. juni 2019 sowie des bescheides vom 9. november 2021 aufzuheben, 15hilfsweise, 16den vorgenannten bescheid für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären. 17der beklagte beantragt, 18die klage abzuweisen. 19zur begründung wiederholt bzw. vertieft er seine ausführungen in den widerspruchsbescheiden und führt ergänzend aus: erhebliche belästigungen oder gar gesundheitsgefahren durch infraschall von windenergieanlagen seien nicht gegeben. entsprechendes gelte in bezug auf den von den klägern angesprochenen körperschall. 20die beigeladene beantragt, 21die klage abzuweisen. 22zur begründung bezieht sie sich im wesentlichen auf die ausführungen des beklagten in den streitgegenständlichen widerspruchsbescheiden bzw. im gerichtlichen verfahren sowie auf die gerichtlichen entscheidungen im verfahren des vorläufigen rechtsschutzes. 23die kammer hat den rechtsstreit durch beschluss vom 6. dezember 2021 auf den berichterstatter als einzelrichter übertragen. dieser hat am 16. februar 2022 einen ortstermin mit den beteiligten zwecks feststellung der örtlichen gegebenheiten am wohngrundstück des klägers zu 1. sowie zur beurteilung der optisch bedrängenden wirkung durchgeführt. hinsichtlich des ergebnisses dieser inaugenscheinnahme wird auf das zugehörige terminsprotokoll bezug genommen. die beteiligten haben sich in dem ortstermin am 16. februar 2022 übereinstimmend mit einer entscheidung ohne durchführung einer mündlichen verhandlung einverstanden erklärt. 24hinsichtlich des weiteren sach- und streitstandes wird auf die gerichtsakte dieses verfahrens und des verfahrens 8 l 547/19 sowie die dort und im verfahren 8 k 1199/19 beigezogenen verwaltungsvorgänge des beklagten bezug genommen. 25
26die klage, über die der nach § 6 abs. 1 vwgo zuständige einzelrichter im einverständnis der beteiligten ohne durchführung einer mündlichen verhandlung (§ 101 abs. 2 vwgo) entscheidet, hat keinen erfolg. 27der bescheid vom 9. november 2021 konnte noch in das laufende klageverfahren einbezogen werden (dazu a.). die von den klägern in der nunmehrigen form fortgeführte klage ist zwar zulässig (dazu b.), aber unbegründet (dazu c.). 28a. die kläger konnten den bescheid vom 9. november 2021 in das laufende klageverfahren einbeziehen. durch diesen bescheid hat der beklagte verbindlich festgestellt, dass der durch den genehmigungsbescheid vom 11. februar 2019 (vgl. ziffer iv. 3.1.6 i. v. m. 3.1.5) zunächst aufschiebend bedingt zugelassene schallreduzierte nachtbetrieb im betriebsmodus 100 db mit einer leistung von 2350 kw nunmehr aufgenommen werden darf, weil die beigeladene den eintritt der aufschiebenden bedingung nachgewiesen habe. damit bilden dieser bescheid und der genehmigungsbescheid ‑ ebenso wie die dem genehmigungsbescheid zur sicherstellung der erfüllung der genehmigungsvoraussetzungen (vgl. § 12 abs. 1 bimschg) nachträglich beigefügten nebenbestimmungen -, 29vgl. hierzu ovg nrw, urteil vom 22. november 2021 - 8 a 973/15 -, juris rn. 49 ff., m. w. n., 30einen unteilbaren regelungsgegenstand und stellt dessen einbeziehung schon keine klageänderung dar. 31eine änderung des streitgegenstands liegt mithin im rechtssinne nicht vor, sondern lediglich eine nach § 173 vwgo i. v. m. § 264 nr. 3 zpo ohne weiteres zulässige anpassung des klageantrags aufgrund einer nachträglichen veränderung. selbst wenn man die einbeziehung des bescheides vom 9. november 2021 als klageänderung im sinne von § 91 vwgo ansieht, ist diese klageänderung aber aus gründen der prozessökonomie jedenfalls als sachdienlich einzustufen. 32b. die von den klägern in der nunmehrigen form fortgeführte und als anfechtungsklage nach § 42 abs. 1 alt. 1 vwgo statthafte klage ist zulässig. insbesondere sind die kläger gemäß § 42 abs. 2 vwgo klagebefugt. es erscheint nicht ausgeschlossen, dass der betrieb der streitbefangenen anlage schädliche umwelteinwirkungen insbesondere in form von lärmimmissionen hervorruft (§ 6 abs. 1 nr. 1 i. v. m. § 5 abs. 1 nr. 1 bimschg) bzw. von ihr eine optisch bedrängende wirkung zu lasten der kläger ausgeht und sie jedenfalls insoweit möglicherweise in ihren subjektiv-öffentlichen rechten verletzt sind. 33c. die klage ist unbegründet. der angefochtene genehmigungsbescheid vom 11. februar 2019 in der fassung des jeweiligen widerspruchsbescheides vom 24. juni 2019 sowie des bescheides vom 9. november 2021 für die errichtung und den betrieb einer windenergieanlage verletzen die kläger jedenfalls nicht in ihren subjektiven rechten, § 113 abs. 1 satz 1 vwgo. 34nach § 6 abs. 1 bimschg ist die immissionsschutzrechtliche genehmigung zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 bimschg und einer aufgrund des § 7 bimschg erlassenen rechtsverordnung ergebenden pflichten erfüllt werden, und andere öffentlich-rechtliche vorschriften und belange des arbeitsschutzes der errichtung und dem betrieb der anlage nicht entgegenstehen. nach § 5 abs. 1 nr. 1 bimschg sind genehmigungsbedürftige anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass zur gewährleistung eines hohen schutzniveaus für die umwelt insgesamt schädliche umwelteinwirkungen und sonstige gefahren, erhebliche nachteile und belästigungen für die allgemeinheit und die nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. 35diese voraussetzungen sind hier erfüllt. die kläger werden weder durch lärm (dazu i.) noch durch die optischen auswirkungen der streitgegenständlichen anlage (dazu ii.) oder durch von ihr ausgehende erschütterungen (dazu iii.) unzumutbar beeinträchtigt. der genehmigungsbescheid vom 11. februar 2019 enthält ferner ausreichende vorgaben zur sicherstellung der standsicherheit der windenergieanlage (dazu iv.). auf die weiteren gerügten aspekte - unvereinbarkeit mit dem landesentwicklungsplan nordrhein-westfalen, dem gebietsentwicklungsplan regierungsbezirk n4. - teilabschnitt „f. - m. “ - und dem bebauungsplan nr. 000 der stadt h. - können sich die kläger aus rechtsgründen nicht berufen (dazu v.). 36i. ausgehend von den immissionsrichtwerten der ta lärm (dazu 1.) sind die kläger keinen unzumutbaren lärmimmissionen ausgesetzt (dazu 2.). 371. der immissionsrichtwert beträgt sowohl für das wohngrundstück des klägers zu 1. (dazu a)) als auch der klägerin zu 2. (dazu b)) für die tagzeit 60 db(a) und für die nachtzeit 45 db(a). 38a) das wohngrundstück des klägers zu 1. liegt im bauplanungsrechtlichen außenbereich, weshalb ihm in anlehnung an die für dorf- und mischgebiete nach nr. 6.1 satz 1 buchstabe d ta lärm festgelegten grenzwerte 60 db(a) tags und 45 db(a) nachts zuzumuten sind. 39ständige rechtsprechung, vgl. etwa ovg nrw, urteil vom 22. november 2021 - 8 a 973/15 -, juris rn. 119 f., m. w. n. 40auf der grundlage des im internet verfügbaren karten- bzw. bildmaterials (tim-online; google maps) sowie der am 16. februar 2022 durchgeführten inaugenscheinnahme der örtlichen verhältnisse ist das gericht zu der überzeugung gelangt, dass das wohngrundstück des klägers zu 1. nicht innerhalb eines im zusammenhang bebauten ortsteils im sinne des § 34 abs. 1 baugb liegt und damit bauplanungsrechtlich dem außenbereich gemäß § 35 baugb zuzuordnen ist. 41aa) die anwendung des § 34 abs. 1 satz 1 baugb setzt einen im zusammenhang bebauten ortsteil voraus. die tatbestandsmerkmale „im zusammenhang bebaut“ und „ortsteil“ gehen nicht ineinander auf, sondern sind kumulativer natur. „ortsteil“ im sinne von § 34 abs. 1 satz 1 baugb ist jeder bebauungskomplex im gebiet einer gemeinde, der nach der zahl der vorhandenen bauten ein gewisses gewicht besitzt und ausdruck einer organischen siedlungsstruktur ist. ein „bebauungszusammenhang“ ist gegeben, soweit die aufeinanderfolgende bebauung trotz vorhandener baulücken den eindruck der geschlossenheit und zusammengehörigkeit vermittelt. 42vgl. bverwg, urteil vom 30. juni 2015 - 4 c 5.14 -, juris rn. 11, m. w. n. 43vermittelt eine aufeinanderfolgende bebauung trotz vorhandener baulücken den eindruck der geschlossenheit und zusammengehörigkeit, liegt mithin ein bebauungszusammenhang vor, an dem das in rede stehende grundstück teilnimmt, ist in einem weiteren schritt - in abgrenzung zur splittersiedlung - zu klären, ob dieser bebauungszusammenhang teil eines bebauungskomplexes im gebiet einer gemeinde ist, der nach der zahl der vorhandenen bauten ein gewisses gewicht besitzt und ausdruck einer organischen siedlungsstruktur ist. für die frage, ob ein bebauungskomplex nach seinem gewicht als ortsteil oder aber als splittersiedlung anzusehen ist, kommt es auf die siedlungsstruktur der jeweiligen gemeinde an. 44vgl. bverwg, beschluss vom 7. juni 2016 - 4 b 47.14 -, juris rn. 10, 14, m. w. n., und urteil vom 17. februar 1984 ‑ 4 c 56.79 -, juris rn. 9. 45grundsätzlich ist weder die zahl der wohnhäuser in einem bebauungskomplex noch die häufigkeit von splittersiedlungen in einem gemeindegebiet allein maßgebend für diese bewertung. ein bebauungskomplex ist - allerdings nicht rein quantitativ - sowohl mit ortsteilen als auch mit splittersiedlungen zu vergleichen. sind deutliche siedlungsschwerpunkte in näherer umgebung vorhanden, ist eine streubebauung mit erheblich weniger wohnhäusern als splittersiedlung zu werten und damit insgesamt dem außenbereich zugeordnet. ein weiteres kriterium für die annahme eines ortsteils können infrastruktureinrichtungen sein. 46vgl. bverwg, beschluss vom 19. april 1994 - 4 b 77.94 -, juris rn. 2 f.; ovg nrw, beschluss vom 30. januar 2020 ‑ 8 b 857/19 -, juris rn. 14 f., m. w. n. 47eine ansammlung von nur vier wohngebäuden besitzt regelmäßig nicht das für eine eigenständige siedlungseinheit erforderliche gewicht. 48vgl. bverwg, beschluss vom 19. april 1994 ‑ 4 b 77.94 -, juris rn. 2. 49bb) hiervon ausgehend ist das wohngrundstück des klägers zu 1. dem außenbereich zuzuordnen. dabei kann dahinstehen, ob diese einordnung wie die kammer und nachfolgend das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen im verfahren des vorläufigen rechtsschutzes angenommen haben, bereits daraus folgt, dass dieses wohngrundstück wegen des unmittelbar südwestlich angrenzenden baumbestandes sowie des dazwischen verlaufenden x1. n 3 . und der davon ausgehenden zäsurwirkung bereits keinen bebauungszusammenhang mit den südlich gelegenen wohnhäusern x. straße 175/177, 190 und 192 bildet. insoweit ist nach der inaugenscheinnahme der örtlichen verhältnisse am 16. februar 2022 festzustellen, dass das wohnhaus des klägers zu 1. und insbesondere die doppelhaushälfte x. straße 175/177 - zumindest außerhalb der vegetationsperiode - nicht durch den vorhandenen baumbestand optisch voneinander abgegrenzt werden. jedenfalls bildet die bebauung entlang der x. straße, die im norden von der straße l. und im westen von der bundesstraße 000 eingegrenzt wird, keinen ortsteil im sinne des § 34 abs. 1 satz 1 baugb. es handelt sich vielmehr um eine dem außenbereich zuzuordnende (streu‑)bebauung. 50zu dieser einordnung bereits im verfahren des vorläufigen rechtsschutzes tendierend: ovg nrw, beschluss vom 29. september 2020 - 8 b 1576/19 -, juris rn. 17. 51hierfür spricht zunächst der vergleich zu der übrigen siedlungsstruktur der stadt h. und hier insbesondere den umliegenden ortsteilen c1. , f1. und h. mitte. diese zeichnen sich überwiegend durch eine linear-gleichmäßige („perlenschnurartige“) wohnbebauung aus, die anders als die hier in rede stehende wohnbebauung an der x. straße kaum durch (große) baulücken unterbrochen wird. zudem fehlt es an jeglichen infrastruktureinrichtungen. für die einordnung als außenbereich spricht ferner, dass die nördlich des wohnhauses des klägers zu 1. angrenzende etwa 1.200 m² große halle nach den angaben seiner ehefrau in dem ortstermin am 16. februar 2022 ursprünglich zu landwirtschaftlichen zwecken genutzt wurde. landwirtschaftliche nutzungen sind aber gerade dem außenbereich vorbehalten, vgl. § 35 abs. 1 nr. 1 baugb. demgegenüber lassen sich keine gesichtspunkte für die annahme einer organischen siedlungsstruktur finden, der dem hier in rede stehenden bebauungskomplex das gewicht eines ortsteils verleiht. hierfür reicht nach den dargestellten maßstäben alleine die überschreitung der untergrenze des bundesverwaltungsgerichts für die annahme eines „gewissen gewichts“ eines bebauungszusammenhangs für sich genommen nicht aus. 52b) der klägerin zu 2. sind ebenfalls die in nr. 6.1 satz 1 buchstabe d ta lärm festgelegten lärmimmissionsrichtwerte von 60 db(a) tags und 45 db(a) nachts zuzumuten. zwar liegt ihr wohngrundstück im geltungsbereich des bebauungsplans nr. 002 der stadt h. , der für diesen bereich ein allgemeines wohngebiet ausweist. allerdings wird in der begründung zum bebauungsplan nr. 002 (dort seite 23) ausgeführt, dass es sich bei der städtebaulichen situation des plangebietes überwiegend um gemengelagen handele, die im laufe der zeit gewachsen seien. deshalb sei bei der betrachtung der immissionsrechtlichen situation unter berücksichtigung der vorhandenen betriebe (gemeint sind gewerbebetriebe) und der hierdurch bedingten immissionsvorbelastung für die baugebiete im bebauungsplangebiet das gebot gegenseitiger rücksichtnahme anzuwenden. daher werde den angrenzenden allgemeinen wohngebieten immissionsschutzrechtlich der störgrad von mischgebieten zugewiesen, weshalb hier buchstabe d und nicht e von nr. 6.1 satz 1 ta lärm anwendung findet. diese immissionsschutzrechtliche einordnung des zulässigen störgrades wird durch die klägerin zu 2. nicht (substantiiert) in zweifel gezogen. 532. die hiernach maßgeblichen immissionsrichtwerte werden durch den betrieb der streitgegenständlichen windenergieanlage hinreichend sicher eingehalten. dies folgt aus den auf der grundlage des interimsverfahrens durchgeführten berechnungen in den schallimmissionsprognosen vom 31. januar 2019 bzw. 27. oktober 2021. danach werden die zulässigen immissionsrichtwerte an den jeweiligen wohnhäusern der kläger weder während des nunmehr zugelassenen nachtbetriebs (dazu a)) noch des tagbetriebs (dazu b)) überschritten. 54a) der beklagte hat durch bescheid vom 9. november 2021 verbindlich festgestellt, dass der durch den genehmigungsbescheid vom 11. februar 2019 (vgl. ziffer iv. 3.1.6 i. v. m. 3.1.5) zunächst aufschiebend bedingt zugelassene schallreduzierte nachtbetrieb im betriebsmodus 100 db mit einer leistung von 2350 kw ab sofort aufgenommen werden darf, weil die beigeladene den eintritt der aufschiebenden bedingung nachgewiesen habe. in diesem betriebsmodus wird der rechtlich zulässige immissionsrichtwert an den beiden wohnhäusern der kläger von 45 db(a) nachts hinreichend verlässlich eingehalten. 55in der schallimmissionsprognose vom 31. januar 2019, bei der für die ausbreitungsrechnung - mangels eines zu diesem zeitpunkt vorliegenden vermessungsberichts des hier genehmigten anlagentyps - der höchste vom hersteller für den betriebsmodus 100 db angegebene schallleistungspegel von 100 db(a) zuzüglich eines sicherheitszuschlags in höhe von 2,1 db(a) für den oberen vertrauensbereich, wurde die von der windenergieanlage ausgehende zusatzbelastung am wohnhaus des klägers zu 1. (= ip 03) mit 39,1 db(a) angegeben, was zugleich der gesamtbelastung entspricht. am wohnhaus der klägerin zu 2. (= ip 41 wa) wurde eine zusatzbelastung von 36,7 db(a) berechnet, die zusammen mit der vorbelastung durch den nächtlichen betrieb der u. g. gmbh eine gesamtbelastung von 40,1 db(a) ergibt. 56dass die windenergieanlage im betriebsmodus 100 db mit einer leistung von 2350 kw den maßgeblichen immissionsrichtwert von 45 db(a) nachts einhält, wird bestätigt durch die schallimmissionsprognose vom 27. oktober 2021. diese ausbreitungsberechnung beruht nicht auf den herstellerangaben, sondern auf dem vermessungsbericht der deutsche x2. d. gmbh e. vom 20. august 2020, dessen emissionsansätze auf einer unter anderem nach maßgabe der fgw-richtlinie (fördergesellschaft windenergie e. v.: technische richtlinie zur bestimmung der leistungskurve, des schallleistungspegels und der elektrischen eigenschaften von windenergieanlagen - teil 1: bestimmung der schallemissionswerte, rev. 18 vom 1. februar 2008) erfolgten einfachvermessung des hier in rede stehenden anlagentyps enercon e‑138 ep3 basieren. danach wurde im betriebsmodus 100 db und einer leistung von 2350 kw ein maximaler schallleistungspegel von 100,4 db(a) ermittelt (vgl. seite 6 und 29 des vermessungsberichts der deutsche x2. d. gmbh e. vom 20. august 2020). unter zugrundelegung dieses höchsten summenschallleistungspegels einschließlich eines sicherheitszuschlags für den oberen vertrauensbereich von 2,3 db(a) wurde in der schallimmissionsprognose vom 27. oktober 2021 eine von der windenergieanlage ausgehende zusatzbelastung von 39,1 db(a) in bezug auf das wohnhaus des klägers zu 1. (= ip 03) berechnet, die mangels vorhandener vorbelastung während der nachtzeit zugleich der gesamtbelastung entspricht. in bezug auf das wohnhaus der klägerin zu 2. (= ip 41 wa) wurde in der schallimmissionsprognose vom 27. oktober 2021 eine zusatzbelastung von 36,6 db(a) berechnet. dass diese schallimmissionsprognose auf eine berechnung der gesamtbelastung am wohnhaus der klägerin zu 2. unter berücksichtigung der vorbelastung durch den betrieb der u. g. gmbh verzichtet, ist in der vorliegenden konstellation unschädlich. denn eine entsprechende berechnung der gesamtbelastung wurde - wie bereits ausgeführt - in der schallimmissionsprognose vom 31. januar 2019 vorgenommen und mit 40,1 db(a) angegeben. da diese berechnung (auf der grundlage der vom hersteller angegebenen emissionsansätze) eine zusatzbelastung durch die windenergieanlage von 36,7 db(a) berücksichtigte, kann die gesamtbelastung ausgehend von der in der schallimmissionsprognose vom 27. oktober 2021 errechneten zusatzbelastung von 36,6 db(a) rechnerisch jedenfalls nicht mehr als 40,1 db(a) betragen. 57die gegen die vorstehenden berechnungsansätze erhobenen bedenken der kläger greifen nicht durch. 58aa) sowohl der schallimmissionsprognose vom 31. januar 2019 als auch derjenigen vom 27. oktober 2021 kann das jeweils verwendete berechnungsprogramm, namentlich das programm windpro, modul decibel, versionsnummer 3.2.737 (schallimmissionsprognose vom 31. januar 2019) bzw. 3.3.294 (schallimmissionsprognose vom 27. oktober 2021) entnommen werden. 59bb) der einwand, die eingangsdaten in der schallimmissionsprognose vom 31. januar 2019 beruhten ausschließlich auf herstellerangaben und nicht auf standardisierten vermessungen, trifft zwar im ausgangspunkt zu, ist aber jedenfalls durch die vorlage der schallimmissionsprognose vom 27. oktober 2021, die gerade auf emissionsdaten der im jahr 2020 erfolgten einfachvermessung des hier genehmigten anlagentyps basiert, als überholt anzusehen. dass der dort zusätzlich in die berechnung eingestellte sicherheitszuschlag von 2,3 db(a) - wegen der unsicherheit des prognosemodells, der unsicherheit durch serienstreuung, der unsicherheit der typenvermessung bei einfach vermessenen anlagen sowie einer angenommenen irrtumswahrscheinlichkeit von 10 % (vgl. seite 36 f. der schallimmissionsprognose vom 31. januar 2019 und seite 2 der schallimmissionsprognose vom 27. oktober 2021) - nicht ausreichend wäre, um eine „auf der sicheren seite“ liegende schallimmissionsprognose anzunehmen, haben die kläger nicht hinreichend begründet in zweifel gezogen. 60cc) der von den klägern angesprochene widerspruch zwischen den den berechnungen in der schallimmissionsprognose vom 31. januar 2019 (bzw. vom 27. oktober 2021) zugrunde gelegten emissionswerten und den herstellerangaben, wonach von der windenergieanlage im volllastbetrieb ein schallleistungspegel von 106 db(a) ausgehe, liegt ersichtlich nicht vor. die berechnungen in den beiden vorgenannten schallimmissionsprognosen beziehen sich ausdrücklich allein auf den schallreduzierten betrieb im betriebsmodus 100 db und einer leistung von 2350 kw. nur ein solcher betrieb wird durch die genehmigung vom 11. februar 2019 in der fassung des bescheides vom 9. november 2021 während der nachtzeit zugelassen. ist ein volllastbetrieb während der nachtzeit nicht genehmigungsinhalt, bedarf es insoweit auch keines schalltechnischen nachweises, ob ein solcher betrieb die maßgeblichen immissionsrichtwerte während der nachtzeit einhielte. 61dd) es bedurfte vorliegend entgegen der annahme der kläger auch keiner sonderfallprüfung wegen möglicher schallreflexionen (insbesondere in form eines sog. „amphitheatereffekts“). zum einen sind die diesbezüglichen ausführungen jedenfalls in bezug auf die klägerin zu 2. mit blick darauf, dass die schallimmissionsprognose vom 31. januar 2019 eine reflexionsbetrachtung an ihrem wohnhaus vorgenommen und im ergebnis verneint hat (dort seite 39), unsubstantiiert. zum anderen kann die richtigkeit der annahme der kläger im vorliegenden fall dahinstehen. denn nach den von den klägern nicht in zweifel gezogenen angaben des beklagten, die sich wiederum auf die ausführungen in dem schalltechnischen gutachten vom 31. januar 2019 (dort seite 38) stützen, können schallreflexionen theoretisch pegelerhöhungen von bis zu 3 db(a) verursachen, wobei in der praxis werte oberhalb von 2 db(a) nicht zu erwarten seien. selbst wenn man hiernach - zu gunsten der kläger - von einer erhöhung des beurteilungspegels am „ip 03“ bzw. „ip 41 wa“ um 3 db(a) auf 42,1 db(a) bzw. 43,1 db(a) ausginge, wäre der zulässige immissionsrichtwert von 45 db(a) nachts nicht annähernd erreicht und erst recht nicht überschritten. 62ee) ohne erfolg bleiben auch die einwände der kläger gegen die schallimmissionsprognose vom 27. oktober 2021. 63aaa) dies gilt zunächst hinsichtlich der annahme, die der ausbreitungsrechnung zugrunde gelegten emissionsansätze aus dem vermessungsbericht der deutsche x2. d. gmbh e. vom 20. august 2020 seien nicht aussagekräftig, weil das geländeprofil im näheren umfeld der dort vermessenen windenergieanlage nicht ansatzweise mit dem hier gegebenen geländeprofil vergleichbar sei. es fänden sich dort weder in der umgebungsbebauung noch in der topografischen struktur des geländes elemente, die schallreflexionen bewirken könnten. 64insoweit ist in der stellungnahme der s. gmbh & co. kg vom 18. märz 2022 ausgeführt, dass der in dem vorgenannten vermessungsbericht ermittelte schall-leistungspegel auf der halde n1. verwendet werden könne. in der ausbreitungsberechnung (gemeint ist offensichtlich die schallimmissionsprognose vom 27. oktober 2021) sei genau das an der halde n1. vorherrschende geländeprofil durch die verwendung eines digitalen geländemodells simuliert und somit entsprechend berücksichtigt worden. das gericht hat keine begründeten anhaltspunkte, an der richtigkeit dieser ausführungen zu zweifeln; solche wurden auch von den klägern nicht substantiiert geltend gemacht. mit ihrem hinweis auf schallreflexionen zielen sie auf einen aspekt im zusammenhang mit der ausbreitungsrechnung und nicht der vermessung des schallleistungspegels der windenergieanlage. 65soweit die kläger in diesem zusammenhang die berücksichtigung zusätzlicher messunsicherheiten postulieren, wird bereits in der schallimmissionsprognose vom 27. oktober 2021 angegeben, dass im vergleich zur schallimmissionsprognose vom 31. januar 2019 eine erhöhung des sicherheitszuschlags für den oberen vertrauensbereich um 0,2 db(a) auf 2,3 db(a) erfolgt ist. 66bbb) der einwand der kläger, die im vermessungsbericht vom 20. august 2020 angenommene unsicherheit von 0,90 db erscheine zu klein, aus den angegebenen einzelwerten folge ein wert von 0,96 db, führt ebenfalls nicht weiter. mit blick auf die berechnete gesamtbelastung, die auch in ansehung etwaiger reflexionen die rechtlich zulässigen immissionsrichtwerte an den wohnhäusern beider kläger nicht ansatzweise erreichen, kann eine erhöhung der jeweiligen beurteilungspegel um 0,06 db unterstellt werden, ohne dass sich am ergebnis etwas ändert. 67ccc) die von den klägern aufgeworfene frage hinsichtlich tonhaltiger anlagengeräusche bedarf keiner weiteren vertiefung. 68der beklagte hat in ziffer iv. 3.1.2 des genehmigungsbescheides vom 11. februar 2019 geregelt, dass die genehmigte windenergieanlage nicht tonhaltig sein darf. ob die windenergieanlage im tatsächlichen betrieb tonhaltig ist, beeinflusst nicht die rechtmäßigkeit der genehmigung, sondern ist eine frage der anlagenüberwachung. 69ddd) die schallimmissionsprognose vom 27. oktober 2021 ist entgegen der annahme der kläger auch nicht deswegen unplausibel, weil die dort berechnete von der windenergieanlage ausgehende zusatzbelastung vielfach niedriger sei, obwohl bei dem in dem vermessungsbericht vom 20. august 2020 vermessenen anlagentyp in einigen frequenzbereichen die vom hersteller angegebenen werte überschritten worden seien. 70die damit angesprochene fehlende nachvollziehbarkeit der ausbreitungsrechnung liegt nicht vor. im vergleich zum „alternativen verfahren“ nach der din iso 9613-2 verzichtet das interimsverfahren, das den ausbreitungsberechnungen in den schall-immissionsprognosen vom 31. januar 2019 und 27. oktober 2021 zugrunde liegt, im kern auf die berücksichtigung von bodendämpfungen sowie einer meteorologischen korrektur. zudem stellt das interimsverfahren das berechnungsverfahren auf eine frequenzabhängige berechnung um mit der folge, dass auch die dämpfung aufgrund der luftabsorption (aatm) frequenzabhängig erfolgt. hochfrequente geräuschanteile werden aber stärker gedämpft als die tieffrequenten. 71vgl. das im internet abrufbare faktenpapier schallprognosen für windenergieanlagen nach dem „interimsverfahren“ des landesamtes für natur, umwelt und verbraucherschutz nordrhein-westfalen (lanuv), seite 2. 72ausweislich des vermessungsberichts vom 20. august 2020 wurden die vom hersteller angegebenen und in ziffer iv. 3.1.5 des genehmigungsbescheides vom 11. februar 2019 festgelegten oktavschallleistungspegel für 1000, 2000, 4000 und 8000 hertz überschritten. diese überschreitung führt ausweislich der stellungnahme der s. gmbh & co. kg vom 18. märz 2022 zwar dazu, dass der schallleistungspegel mit 100,4 db(a) geringfügig höher ist als die vom hersteller angegebenen 100 db(a). da die höherfrequenten oktavwerte ab 1000 hertz in der ausbreitungsrechnung aufgrund der höheren luftabsorption aber nicht so stark bewertet werden, ergeben sich keine höheren beurteilungspegel bzw. wird es an einigen immissionspunkten sogar leiser. 73ff) die kläger haben auch durch ihren umfangreichen, im wesentlichen aber allgemein und abstrakt gehaltenen vortrag zu den auswirkungen von tieffrequentem schall und infraschall auf den menschlichen körper eine unzumutbare beeinträchtigung nicht hinreichend substantiiert aufgezeigt. daher bleibt auch ihre in diesem zusammenhang stehende rüge ohne erfolg, die auf die ta lärm und die din 45680 gestützten immissionsprognosen seien lücken- und fehlerhaft, weil diese normen keine messmethode enthielten, die eine beeinträchtigende wirkung von tieffrequentem schall und infraschall berücksichtigen könne. 74die rechtsprechung des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen und anderer obergerichte geht davon aus, dass tieffrequenter schall und infraschall durch windenergieanlagen im allgemeinen unterhalb der wahrnehmungsschwelle des menschlichen gehörs liegt und nach dem bisherigen stand wissenschaftlicher erkenntnisse grundsätzlich nicht zu gesundheitsgefahren führt. 75vgl. nur ovg nrw, urteil vom 22. november 2021 ‑ 8 a 973/15 -, juris rn. 160 ff., mit umfangreichen weiteren nachweisen. 76soweit die kläger sich zur begründung ihrer annahme im schriftsatz vom 29. august 2019 auf einzelne studien beziehen, sind sie, soweit sie überhaupt in der gerichtssprache deutsch (vgl. § 173 satz 1 vwgo i. v. m. § 184 satz 1 gvg) vorliegen und damit vom gericht zu berücksichtigen sind, lediglich teil eines wissenschaftlichen diskurses, ergeben allerdings bisher keinen begründeten ansatz für relevante tieffrequente immissionen oder infraschall durch windenergieanlagen oder nachweisbare gesundheitsschädliche auswirkungen. 77vgl. ovg nrw, urteil vom 5. oktober 2020 - 8 a 894/17 -, juris rn. 240 f., m. w. n. 78angesichts des trotz zahlreicher studien insoweit unsicheren erkenntnisstandes in der wissenschaft ist es auch nicht aufgabe der gerichte, weitere wissenschaftliche forschung zu betreiben. 79vgl. ovg nrw, beschluss vom 13. juli 2021 ‑ 8 a 500/20 -, juris rn. 66 f., m. w. n. 80entgegen der auffassung der kläger handelt es sich hierbei auch nicht um eine unangemessene beweislastumkehr. ob im sinne des § 6 abs. 1 nr. 1 bimschg sichergestellt ist, dass die dort geregelten betreiberpflichten erfüllt werden, insbesondere durch den betrieb der anlage keine immissionen verursacht werden, die gemäß § 3 abs. 1 bimschg geeignet sind, gefahren, erhebliche nachteile oder erhebliche belästigungen für die allgemeinheit oder die nachbarschaft herbeizuführen, beruht auf einer prognoseentscheidung der genehmigungsbehörde, die uneingeschränkter verwaltungsgerichtlicher überprüfung unterliegt. diese prognoseentscheidung verlangt allerdings nicht, dass jedes nur denkbare risiko der herbeiführung von schädlichen umwelteinwirkungen ausgeschlossen sein müsste. 81vgl. bverwg, urteil vom 17. februar 1978 - i c 102.76 -, juris rn. 33. 82können demnach risiken, die allenfalls theoretisch denkbar sind, im rahmen der prognoseentscheidung außer betracht bleiben, obliegt es auch nicht dem anlagenbetreiber im genehmigungsverfahren den diesbezüglichen nachweis ihres nichtvorliegens zu erbringen. es ist daher sache desjenigen, der die realisierung eines lediglich als entfernt anzusehenden risikos geltend macht, hierfür hinreichend konkrete anknüpfungstatsachen zu benennen. 83vgl. ovg nrw, urteil vom 22. november 2021 ‑ 8 a 973/15 -, juris rn. 177. 84solche haben die kläger in bezug auf den von ihnen geltend gemachten infraschall bzw. tieffrequenten schall indes nicht substantiiert dargelegt. 85b) es ist zudem hinreichend verlässlich sichergestellt, dass die für beide kläger maßgeblichen immissionsrichtwerte von 60 db(a) während des tagbetriebs der windenergieanlage eingehalten werden. diese feststellung kann entgegen der auffassung der kläger auch ohne entsprechende schallimmissionsprognose für die tagzeit getroffen werden und ergibt sich aus folgenden erwägungen: 86ausweislich der herstellerangaben erhöht sich der von der windenergieanlage des hier in rede stehenden typs ausgehende schallleistungspegel im (leistungsoptimierten) volllastbetrieb im betriebsmodus 0 s mit der nennleistung von 3500 kw im vergleich zum schallreduzierten betrieb im betriebsmodus 100 db mit einer leistung von 2350 kw, der den berechnungen in den schallimmissionsprognosen vom 31. januar 2019 und vom 27. oktober 2021 zugrunde gelegt wurde, um (lediglich) 6 db(a). dementsprechend kann die durch die windenergieanlage verursachte zusatzbelastung tagsüber maximal 45,1 db(a) am wohnhaus des klägers zu 1. und 43,7 db(a) am wohnhaus der klägerin zu 2. betragen. 87aa) unter dieser annahme war eine separate betrachtung des tagbetriebs nicht erforderlich, weil dieser um mehr als 10 db(a) unter dem maßgebenden immissionsrichtwert von 60 db(a) und die wohnhäuser der kläger damit während der tagzeit gemäß nr. 2.2 buchstabe a ta lärm nicht im einwirkungsbereich der windenergieanlage liegen. es handelt sich demnach - jedenfalls zur tagzeit - schon nicht um maßgebliche immissionsorte im sinne von nr. 2.3 abs. 1 ta lärm. diese feststellung gilt auch für den fall, dass eine erhöhung des beurteilungspegels wegen der geltend gemachten reflexionen um maximal 3 db(a) unterstellt würde. etwas anderes folgt auch nicht aus nr. 6.5 sätze 1 und 2 ta lärm, wonach für tageszeiten mit erhöhter empfindlichkeit - an werktagen für die zeiten zwischen 6 und 7 uhr und 20 bis 22 uhr (nr. 1) sowie an sonn- und feiertagen für die zeiten zwischen 6 bis 9 uhr, 13 bis 15 uhr und 20 bis 22 uhr (nr. 2) - bei der ermittlung des beurteilungspegels die erhöhte störwirkung von geräuschen im regelfall durch einen zuschlag von 6 db(a) zu berücksichtigen ist. 88aaa) dies gilt für das wohngrundstück des klägers zu 1. bereits deshalb, weil es schon nicht in einem besonders schutzwürdigen gebiet im sinne von nr. 6.5 satz 1 ta lärm liegt. zwar verweist diese vorschrift auch in der fassung der änderung vom 1. juni 2017 (vgl. allgemeine verwaltungsvorschrift zur änderung der ta lärm vom 1. juni 2017, banz at 8. juni 2017 b5) ihrem wortlaut nach auf „gebiete nach nummer 6.1 buchstaben d bis f“ und fordert demnach zuschläge auch in kern-, dorf- und mischgebieten gemäß nr. 6.1 satz 1 buchstabe d ta lärm, die für den vorliegend betroffenen außenbereich - wie bereits ausgeführt - entsprechende anwendung findet. hierbei handelt es sich allerdings um ein bei anwendung der verwaltungsvorschrift zu berichtigendes offensichtliches redaktionsversehen, worauf das zuständige bundesministerium für umwelt, naturschutz, bau und reaktorsicherheit bereits mit schreiben vom 7. juli 2017 ‑ az. ig i 7 – 501‑1/2 - hingewiesen hat. nach der bis zum 8. juni 2017 geltenden fassung der ta lärm vom 26. august 1998 (gmbl. nr. 26/1998 s. 503) wurden ruhezeitenzuschläge nach nr. 6.5 satz 1 ta lärm für „gebiete nach nummer 6.1 buchstaben d bis f“ vergeben. das waren allgemeine wohngebiete und kleinsiedlungsgebiete (buchstabe d), reine wohngebiete (buchstabe e) und kurgebiete (buchstabe f). mit der allgemeinen verwaltungsvorschrift vom 1. juni 2017 wurden in nr. 6.1 satz 1 ta lärm die urbanen gebiete als neuer buchstabe c eingefügt und die buchstaben c bis f zu buchstaben d bis g geändert. die sich hieraus ergebende anpassung des verweises in nr. 6.5 satz 1 ta lärm wurde im rechtssetzungsverfahren nicht nachvollzogen, was indes geboten gewesen wäre. denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass die änderung der ta lärm auch die erstmalige einführung eines ruhezeitenzuschlags für misch-, dorf- und kerngebiete beinhalten sollte. dieses ergebnis wäre mit blick auf die im kerngebiet regelmäßig zugelassenen störenden gewerbebetriebe (§ 7 abs. 2 nr. 3 baunvo) ebenso wenig nachvollziehbar wie die - konsequenterweise anzunehmende - herausnahme der besonders lärmempfindlichen kurgebiete (als neuer buchstabe g). dies kann offensichtlich nicht gewollt sein. 89vgl. nds. ovg, urteil vom 8. september 2021 ‑ 1 kn 150/19 -, juris rn. 96; vgh bad.-württ., urteil vom 28. november 2019 - 5 s 1790/17 -, juris rn. 68; vg ansbach, beschluss vom 13. dezember 2021 ‑ an 17 s 21.01515 -, juris rn. 133; vg neustadt (weinstraße), beschluss vom 13. august 2020 ‑ 5 l 637/20.nw ‑, juris rn. 95; vg augsburg, beschluss vom 16. august 2018 - au 4 s 18.1058 -, juris rn. 81. 90bbb) im ergebnis nichts anderes gilt für das wohngrundstück der klägerin zu 2. auch wenn es in einem durch den bebauungsplan nr. 002 der stadt h. ausgewiesenen allgemeinen wohngebiet und damit in einem besonders schutzwürdigen gebiet im sinne von nr. 6.5 satz 1 i. v. m. nr. 6.1 satz 1 buchstabe e ta lärm liegt, kann es - wie bereits ausgeführt - immissionsschutzrechtlich (lediglich) den schutzanspruch eines mischgebiets geltend machen. damit unterfällt es ebenfalls nicht dem anwendungsbereich von nr. 6.5 satz 1 ta lärm. 91bb) es bedurfte keiner weiteren aufklärung durch das gericht hinsichtlich möglicher vorbelastungen im sinne von nr. 2.4 abs. 1 ta lärm während der tagzeit. gemäß nr. 3.2.1 abs. 2 satz 1 ta lärm darf die genehmigung für die zu beurteilende anlage - hier die beklagte windenergieanlage - auch bei einer überschreitung der immissionsrichtwerte aufgrund der vorbelastung aus gründen des lärmschutzes nicht versagt werden, wenn der von der anlage verursachte immissionsbeitrag im hinblick auf den gesetzeszweck als nicht relevant anzusehen ist. das ist nach satz 2 der vorgenannten vorschrift in der regel der fall, wenn die von der zu beurteilenden anlage ausgehende zusatzbelastung die immissionsrichtwerte nach nummer 6 am maßgeblichen immissionsort um mindestens 6 db(a) unterschreitet. dies ist hier in bezug auf den tagbetrieb - wie bereits aufgezeigt - der fall. 92ii. von der genehmigten windenergieanlage geht keine unzumutbare optisch bedrängende wirkung auf die wohngrundstücke der kläger aus. 93nach der rechtsprechung des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen bedarf es einer einzelfallprüfung, um beurteilen zu können, ob windenergieanlagen optisch bedrängend auf die umgebung wirken. dabei sind insbesondere die folgend genannten aspekte zu berücksichtigen, und zwar für die anlage: gesamthöhe, standort mit topographischer situation, größe des rotordurchmessers; für das grundstück: lage, ausrichtung bestimmter räumlichkeiten und deren fenster und terrassen zur windenergieanlage, etwaige abschirmung zur anlage, blickwinkel auf die anlage, hauptwindrichtung. unter berücksichtigung (insbesondere) der vorstehenden kriterien lassen sich für die ergebnisse der einzelfallprüfungen grobe anhaltswerte prognostizieren: beträgt der abstand zwischen einem wohngebäude und einer windenergieanlage mindestens das dreifache der gesamthöhe der geplanten anlage, dürfte die einzelfallprüfung überwiegend zu dem ergebnis kommen, dass von dieser anlage keine optisch bedrängende wirkung zu lasten der wohnnutzung ausgeht. ist der abstand geringer als das zweifache der gesamthöhe der anlage, dürfte die einzelfallprüfung überwiegend zu einer dominanten und optisch bedrängenden wirkung der anlage gelangen. beträgt der abstand zwischen dem wohnhaus und der windenergieanlage das zwei- bis dreifache der gesamthöhe der anlage, bedarf es regelmäßig einer besonders intensiven prüfung des einzelfalls. diesem groben raster liegt die überlegung zu grunde, dass die optisch bedrängende wirkung einer windenergieanlage mit zunehmendem abstand regelmäßig abnimmt. diese grundsätze gelten auch für moderne typen von windenergieanlagen, die durch einen höheren turm und einen größeren rotordurchmesser gekennzeichnet sind. 94vgl. zum ganzen mit ausführlicher begründung ovg nrw, urteil vom 20. dezember 2018 - 8 a 2971/17 -, juris rn. 195 ff., m. w. n. 95dass der genehmigte standort der windenergieanlage etwa 60 m oberhalb der wohnhäuser der kläger befindet, bewirkt nicht, dass diese höhendifferenz bei der abstandsbewertung zu der gesamthöhe der anlage zu addieren wäre. denn eine auf höherem gelände stehende windenergieanlage wirkt weniger bedrängend als eine windenergieanlage, die sich auf der gleichen ebene wie ein wohngebäude befindet, aber eine höhe aufweist, die der summe aus der höhendifferenz und der höhe der erstgenannten anlage entspricht. zudem berücksichtigt der grobe, pauschalierende anhaltswert mittelbar auch, dass der rotor der anlage tendenziell umso größer ist, je höher die anlage ist. ein geländeunterschied vergrößert jedoch nicht den rotorumfang, sondern hat auf diesen keinen einfluss. der höhenunterschied ist daher (nur) im rahmen der einzelfallprüfung zu berücksichtigen, weil er die optischen wirkungen der windenergieanlage verstärken kann. 96vgl. ovg nrw, beschluss vom 18. oktober 2021 ‑ 8 a 2790/18 -, juris rn. 54 f., m. w. n. 97um von einer optisch bedrängenden wirkung zu sprechen, reicht es für sich gesehen nicht aus, dass die windenergieanlage von den wohnräumen aus überhaupt wahrnehmbar ist. das gebot der rücksichtnahme vermittelt dem nachbarn keinen anspruch auf eine von technischen bauwerken freie sicht. die optisch bedrängende wirkung einer windenergieanlage entfällt daher nicht erst dann, wenn die sicht auf die windenergieanlage durch abschirm- oder ausweichmaßnahmen völlig gehindert wird. ausreichend ist vielmehr, dass die anlage in ihrer wirkung durch eine vorhandene abschirmung optisch abgemildert wird oder dass eine solche abschirmung in zumutbarer weise hergestellt werden kann. dies gilt insbesondere für außenbereichsgrundstücke oder für unmittelbar an den außenbereich angrenzende wohngrundstücke. denn in diesen fällen sind dem betroffenen wegen des verminderten schutzanspruchs eher maßnahmen zuzumuten, durch die er den wirkungen der windenergieanlage ausweicht oder sich vor ihnen schützt. 98vgl. ovg nrw, beschluss vom 28. oktober 2021 - 8 a 2790/18 -, juris rn. 56 f., m. w. n. 99ausgehend von diesen maßgaben ist das gericht auf der grundlage der sichtbeziehungsuntersuchung zur beurteilung der optisch bedrängenden wirkung der windenergieanlage vom 11. september 2018 sowie der am 16. februar 2022 durchgeführten inaugenscheinnahme zur überzeugung gelangt, dass von der genehmigten windenergieanlage keine unzumutbare optisch bedrängende wirkung auf die wohngrundstücke der kläger ausgeht. 1001. diese feststellung gilt zunächst in bezug auf das wohnhaus des klägers zu 1., das etwa 440 m vom anlagenstandort entfernt ist, was ausgehend von einer gesamthöhe der anlage von etwa 200 m (vgl. insoweit die herstellerangaben) einem abstandsquotienten von etwa dem 2,2-fachen der anlagenhöhe entspricht. trotz dieses relativ geringen abstands spricht eine reihe von einzelfallbezogenen faktoren gegen die annahme einer optisch bedrängenden wirkung. 101aufgrund der lage und ausrichtung des wohnhauses bestehen sichtbeziehungen zu der windenergieanlage (nur) aus den fenstern der südostfassade und aus dem giebelfenster der nordostfassade. an der südostlich ausgerichteten seite des wohnhauses befinden sich im erdgeschoss das schlafzimmer und ein größerer raum, der als wohn-/ess- bzw. empfangszimmer genutzt wird (vgl. auch seite 20 der sichtbeziehungsuntersuchung vom 11. september 2018). aus diesem zimmer ist die windenergieanlage in ihrer vollen ausdehnung, d. h. einschließlich des rotors, allerdings nur dann zu sehen, wenn man sich direkt vor die fensterfront begibt. von den stühlen, die am großen, parallel zur fensterfront ausgerichteten esstisch aufgestellt sind, ist von der windenergieanlage infolge der hier gegebenen topografischen besonderheit - der höhenunterschied zwischen dem wohnhaus des klägers zu 1. und dem vorhabenstandort beträgt etwa 60 m - allenfalls der turm zu sehen. der hinweis des klägers zu 1. im schriftsatz vom 7. januar 2022, wonach von den stühlen, die mit ihrer rückseite zur fensterfront ausgerichtet sind, der turm „in voller ausdehnung“ und der untere bereich der rotorblätter zu sehen seien, lässt unberücksichtigt, dass der blick der auf diesen stühlen sitzenden personen regelmäßig zu der von der fensterfront abgewandten zimmerseite gerichtet sein wird. diese personen müssen ihren kopf demnach erst nach hinten drehen, um überhaupt einen teil der anlage sehen zu können. insgesamt ist daher in bezug auf das wohn-/esszimmer im erdgeschoss von allenfalls kurzfristigen und somit zumutbaren sichtbeziehungen auszugehen. zu einer anderen einschätzung zwingt auch nicht der während des ortstermins am 16. februar 2022 in unmittelbarer nähe der fensterfront positionierte sessel, von dem aus die windenergieanlage in gänze sichtbar ist. diesbezüglich ist festzustellen, dass diese sitzgelegenheit weder in der sichtbeziehungsbeziehungsuntersuchung vom 11. september 2018 erwähnt noch vom kläger zu 1. schriftsätzlich thematisiert wurde. letzteres mag ein hinweis darauf sein, dass die dortigen sichtbeziehungen bereits von ihm selbst nicht als unzumutbar eingeordnet werden. unabhängig davon ist aber weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich, dass eine positionierung des sessels nicht möglich bzw. zumutbar ist, die eben jene sichtbeziehungen möglichst vermeidet bzw. auf ein zumutbares maß beschränkt. 102in bezug auf das schlafzimmer im erdgeschoss und das kinderzimmer im zweiten obergeschoss (giebelfenster der nordostfassade) macht der kläger zu 1. eine optisch bedrängende wirkung bereits nicht (schlafzimmer) bzw. nicht mehr (kinderzimmer, vgl. zuletzt schriftsatz vom 7. januar 2022) geltend. im übrigen dient das schlafzimmer nicht dem aufenthalt und der erholung am tag und ist daher nicht in gleicher weise schutzbedürftig wie etwa ein wohnzimmer. 103die annahme einer optisch bedrängenden wirkung rechtfertigt auch nicht der umstand, dass sich im ersten obergeschoss mit dem „wohnzimmer der familie“ ein besonders schutzwürdiger bereich befindet, aus dem heraus die streitgegenständliche windenergieanlage zu sehen ist. nach den feststellungen im ortstermin am 16. februar 2022, die insoweit mit den angaben in der sichtbeziehungsuntersuchung vom 11. september 2018 übereinstimmen, beschränken sich die sichtbeziehungen ‑ neben der position direkt vor der fensterfront - (lediglich) auf den rechten (= kameraperspektive, d. h. stehend vor dem sofa aus betrachtet) schenkel des sofas. die übrigen sitzmöglichkeiten auf dem sofa bzw. dem links daneben aufgestellten sessel sind von der fensterfront abgewandt und daher bereits so angeordnet, dass die windenergieanlage in sitzender position nicht wahrgenommen wird. insgesamt sind das sofa und der sessel so ausgerichtet, dass sie den blick zuvörderst auf den fernseher und damit gerade nicht auf die fensterfront lenken. es bestehen folglich offensichtlich bereits innerhalb des wohnzimmers hinreichend ausweichmöglichkeiten, auf die der kläger zu 1. bzw. seine familie zu verweisen sind. weiter ist zu berücksichtigen, dass es sich um vergleichsweise kleine fenster handelt, die zudem mit vorhängen ausgestattet sind, welche für einen gewissen sichtschutz sorgen und daher die sichtbeziehungen abschwächen. 104die feststellung einer optisch bedrängenden wirkung rechtfertigen schließlich auch nicht die sichtbeziehungen aus dem terrassen-/gartenbereich. zwar wird von einigen punkten aus die gesamte windenergieanlage zu sehen sein. allerdings treten nutzungen im freien, die im regelfall ohnehin nur in den sommermonaten stattfinden, im hinblick auf ihre schutzwürdigkeit hinter derjenigen von wohngebäuden zurück. 105vgl. nds. ovg, beschluss vom 3. november 2016 ‑ 12 me 131/16 -, juris rn. 21. 106darüber hinaus bietet der terrassen-/gartenbereich nach den feststellungen während des ortstermins am 16. februar 2022 offensichtlich genügend platz, um durch ortsveränderung bzw. durch entsprechende räumliche ausrichtung von sitzgelegenheiten und sonstigen freizeiteinrichtungen die wahrnehmung des vorhabens bzw. der rotordrehbewegungen zu vermeiden bzw. zu minimieren. überdies ließe sich eine abschirmung durch das aufstellen von sichtblenden, sonnenschirmen etc. weiter verstärken. 107vgl. ovg nrw, beschluss vom 20. juli 2017 ‑ 8 b 396/17 -, juris rn. 48. 108als weiterer, die optische wirkung der windenergieanlage abschwächender gesichtspunkt kommt hinsichtlich sämtlicher sichtbeziehungen hinzu, dass diese nach den ausführungen der sichtbeziehungsuntersuchung vom 11. september 2018 aufgrund der in dem hier in rede stehenden bereich vorherrschenden hauptwindrichtung westsüdwest voraussichtlich überwiegend nur lateral/seitlich als schmale sichel und nur selten frontal zu sehen sein wird. eine zusätzliche die sichtbeziehung zum teil vollständig, jedenfalls teilweise unterbrechende/abschwächende wirkung kommt dem baumbewuchs im gartenbereich zu (vgl. die fotos auf seite 21/22 der sichtbeziehungsuntersuchung vom 11. september 2018 bzw. vom ortstermin am 16. februar 2022). diese feststellung gilt in bezug auf die immergrünen koniferen ganzjährig und hinsichtlich des großen baumes in der mitte des gartens mindestens während der vegetationsperiode, wobei dessen ästen auch im unbelaubten zustand eine abschirmende wirkung zukommt. 109in anbetracht der vorstehenden ausführungen kann offen bleiben, ob im vorliegenden einzelfall die hier gegebene topographische (sonder-)situation in form eines höhenunterschieds zwischen dem vorhabenstandort und dem wohngrundstück des klägers zu 1. von etwa 60 m eher eine optische abschirmung - so der beklagte und die beigeladene im anschluss an die annahme in der sichtbeziehungsuntersuchung vom 11. september 2018 - oder aber - so der kläger zu 1. - eine verstärkung der visuellen wahrnehmbarkeit der windenergieanlage bewirkt. weder die eine noch die andere annahme führte zu einer vom dargestellten ergebnis abweichenden beurteilung. 1102. im ergebnis nichts anderes gilt in bezug auf das wohngrundstück der klägerin zu 2., das etwa 570 m vom anlagenstandort entfernt ist, was ausgehend von einer gesamthöhe der anlage von etwa 200 m einem abstandsquotienten von etwa dem 2,8-fachen der anlagenhöhe entspricht. 111aufgrund der lage des wohnhauses ist die windenergieanlage (nur) aus den fenstern der nordwestfassade zu sehen. an dieser seite befinden sich im erdgeschoss die küche und das esszimmer, im ersten obergeschoss das badezimmer sowie ein zimmer, das als büro genutzt wird. nach den feststellungen in der sichtbeziehungsuntersuchung vom 11. september 2018 sowie während des am 16. februar 2022 durchgeführten ortstermins ist die windenergieanlage, insbesondere der rotor, aus dem badezimmer - wegen des blickdichten fensters - überhaupt nicht und aus den fenstern der übrigen räume lediglich dann zu sehen, wenn man sich direkt vor das jeweilige fenster begibt. von den jeweiligen sitzgelegenheiten in den vorgenannten räumlichkeiten ist die anlage bzw. deren rotor hingegen nicht zu sehen. 112hinsichtlich der sichtbeziehungen aus dem gartenbereich gilt das zum kläger zu 1. ausgeführte in entsprechender weise. 113darüber hinaus wird die optische wirkung dadurch abgeschwächt, dass die windenergieanlage nach den ausführungen der sichtbeziehungsuntersuchung vom 11. september 2018 aufgrund der in dem hier in rede stehenden bereich vorherrschenden hauptwindrichtung westsüdwest voraussichtlich überwiegend nur lateral/seitlich als schmale sichel zu sehen sein wird. die annahme der hauptwindrichtung „westsüdwest“ beruht nicht - wie die klägerin zu 2. offenbar meint - auf den winddaten in dem „gutachten zur standorteignung von wea am standort halde n1. “ vom 16. mai 2018 (dort seite 17), sondern auf einer windrichtungsanalyse der s. gmbh & co. kg , die auf seite 83/84 der sichtbeziehungsuntersuchung vom 11. september 2018 im einzelnen erläutert wird. soweit die klägerin zu 2. mit verweis auf die winddaten in dem vorgenannten gutachten vom 16. mai 2018 davon ausgeht, dass die dortige „verteilung der relativen häufigkeiten der windrichtung und windgeschwindigkeiten ein nahezu gleichlautendes bild in mehreren windrichtungen süd/südwest (0,13), west/südwest (0,156) und west (0,114)“ ergäben, steht dies nicht in einem unauflösbaren widerspruch zu der windrichtungsverteilung in der sichtbeziehungsuntersuchung vom 11. september 2018. denn auch hier haben die windrichtungen südsüdwest und west relativ große anteile an der gesamtverteilung. auch wenn hiernach mit der klägerin zu 2. „von einer größeren bandbreite“ der rotorstellungen auszugehen wäre, bleibt festzuhalten, dass in beiden betrachtungen der windrichtungsverteilung der anteil der windrichtungen, bei denen der rotor aus dem wohnhaus bzw. terrassen-/gartenbereich in seiner vollen ausdehnung zu sehen sein wird (westnordwest bzw. nordnordwest), deutlich hinter der/n hauptwindrichtung/en (westsüdwest bzw. südsüdwest) zurückbleibt. 114mit blick auf die vorstehenden ausführungen braucht nicht weiter vertieft werden, ob - wie vom beklagten und der beigeladenen angenommen und von der klägerin zu 2. in abrede gestellt - dem hochspannungsmast sowie den quer verlaufenden hochspannungsleitungen (vgl. die bilder auf seite 41 und 43 der sichtbeziehungsuntersuchung vom 11. september 2018) bedeutung hinsichtlich der sichtbeziehungen zu der windenergieanlage aus den fenstern der nordwestfassade zukommt. ebenso wenig kommt der hier gegebenen topographischen (sonder-)situation eine ausschlaggebende bedeutung in die eine oder die andere richtung zu. insoweit gelten die diesbezüglichen ausführungen zum wohngrundstück des klägers zu 1. in gleicher weise. 115iii. die kläger zeigen auch nicht substantiiert auf, dass schädliche umwelteinwirkungen auf ihr jeweiliges wohngrundstück durch erschütterungen zu erwarten sind. 116ausweislich der vom beklagten in diesem zusammenhang während der jeweiligen widerspruchsverfahren eingeholten stellungnahme des lanuv vom 24. april 2019 träten nach dokumentierten messergebnissen der landesanstalt für umwelt, messungen und naturschutz baden-württemberg (lubw) in 285 m entfernung von der windenergieanlage erschütterungsimmissionen von maximal 0.01 mm/s auf. damit seien - so der beklagte - die von windenergieanlagen ausgehenden schwingungen im boden bereits in weniger als 300 m abstand von der windenergieanlage so weit abgesunken, dass sie sich aus dem permanent vorhandenen grundrauschen nicht mehr herausheben würden. eine weitere abnahme der schwinggeschwindigkeit erfolge über die entfernung. zudem sei die halde n1. auf einer gewachsenen geländeoberfläche aufgeschüttet worden, die einen schlechteren übertragungsweg als keupergestein habe, das den messungen des lubw zugrunde gelegen habe. diesen plausiblen und nachvollziehbaren ausführungen des beklagten bzw. des lanuv haben die kläger, deren wohnhäuser etwa 440 m bzw. 570 m vom anlagenstandort entfernt liegen, nichts von substanz entgegen gesetzt. 117iv. die von den klägern geltend gemachten bedenken hinsichtlich der standsicherheit der windenergieanlage führen ebenfalls nicht zur rechtswidrigkeit der angefochtenen genehmigung. 118zwar kommt der vorschrift des § 12 abs. 1 satz 2 bauo nrw in der zum 1. januar 2019 in kraft getretenen fassung, wonach die standsicherheit anderer baulicher anlagen und die tragfähigkeit des baugrundes des nachbargrundstücks nicht gefährdet werden dürfen, grundsätzlich drittschützende wirkung zu. 119vgl. zu der bis zum 31. dezember 2018 geltenden inhaltsgleichen vorgängervorschrift in § 15 abs. 1 satz 2 bauo nrw: ovg nrw, urteil vom 9. juni 2011 ‑ 7 a 1494/09 -, juris rn. 54 f., m. w. n. 120der beklagte hat indes in der genehmigung vom 11. februar 2019 in hinreichender weise sichergestellt, dass die windenergieanlage nur errichtet werden darf, wenn ihre standsicherheit gewährleistet ist. nach ziffer iii. 3. der angefochtenen genehmigung darf mit dem bau der windenergieanlage (fundamentgründung) erst begonnen werden, nachdem der bauaufsichtsbehörde der stadt h. und der unteren immissionsschutzbehörde des beklagten in bezug auf den genehmigten anlagentyp enercon e-138 ep3 eine aktuell gültige bescheinigung, die von einem staatlich anerkannten sachverständigen gemäß § 85 bauo nrw (a. f. = § 87 bauo nrw n. f.) erstellt und geprüft sein muss, als abschließender standsicherheitsnachweis vorgelegt und dieser von den beiden vorgenannten behörden überprüft und freigegeben wurde. diese vorgabe entspricht der gesetzlichen regelung in § 68 abs. 2 satz 1 nr. 2 bauo nrw, wonach spätestens mit der anzeige des baubeginns bei der bauaufsichtsbehörde zusammen mit den in bezug genommenen bautechnischen nachweisen bescheinigungen einer oder eines staatlich anerkannten sachverständigen nach § 87 abs. 2 satz 1 nr. 4 bauo nrw über die prüfung des standsicherheitsnachweises einzureichen sind. abgesehen hiervon ist weder substantiiert vorgetragen noch drängt es sich - insbesondere mit blick auf den abstand der wohnhäuser der kläger zum anlagenstandort von etwa 440 m (kläger zu 1.) bzw. 570 m (klägerin zu 2.) - im übrigen auf, dass durch eine mangelnde standsicherheit der windenergieanlage die tragfähigkeit des baugrundes der jeweiligen grundstücke der kläger bzw. deren wohnhäuser gefährdet werden würden. 121v. auf die weiteren gerügten aspekte können sich die kläger mangels einer subjektiven rechtsverletzung von vornherein nicht berufen bzw. sind sie wegen des hier maßgeblichen zeitpunkts der beurteilung der sach- und rechtslage aus rechtsgründen nicht zu lasten der beigeladenen zu berücksichtigen. 1221. letzteres gilt hinsichtlich des vorbringens, die angefochtene genehmigung verstoße gegen den landesentwicklungsplan nordrhein-westfalen (lep nrw). denn die dortige vorgabe zum abstand von windenergieanlagen zur wohnbebauung (vgl. 10.2‑3 „grundsatz abstand von bereichen/flächen für windenergieanlagen“), auf die sich die kläger berufen, ist erst durch die verordnung zur änderung der verordnung über den landesentwicklungsplan vom 12. juli 2019 (gv.nrw. s. 346) und damit nach dem hier grundsätzlich maßgeblichen zeitpunkt der erteilung der angefochtenen genehmigung vom 11. februar 2019 an die vormals beigeladene n. - q. gmbh in den landesentwicklungsplan nordrhein-westfalen aufgenommen worden. 123maßgeblicher zeitpunkt für die beurteilung der sach- und rechtslage ist bei einer immissionsschutzrechtlichen drittanfechtungsklage grundsätzlich der zeitpunkt der genehmigungserteilung. während nachträgliche änderungen der sach- und rechtslage zu lasten des anlagenbetreibers außer betracht bleiben, sind solche zu dessen gunsten zu berücksichtigen. 124vgl. bverwg, urteil vom 26. september 2019 - 7 c 5.18 -, juris rn. 42 f., und beschluss vom 8. oktober 2021 ‑ 7 b 1.21 -, juris rn. 9; ovg nrw, urteil vom 5. oktober 2020 ‑ 8 a 894/17 -, juris rn. 62. 125in der zum zeitpunkt der genehmigungserteilung geltenden verordnung über den landesentwicklungsplan nordrhein-westfalen vom 15. dezember 2016 (gv.nrw s. 122) war die von den klägern angesprochene abstandsregelung nicht enthalten. als nachträgliche - etwaig zu lasten des anlagenbetreibers auswirkende - rechtsänderung wäre sie daher nicht zu berücksichtigen. 126abgesehen davon handelt es sich bei dem grundsatz 10.2-3 lep nrw um einen „planerischen vorsorgeabstand“, der bei der „planerischen steuerung von windenergieanlagen in regionalplänen und in kommunalen flächennutzungsplänen“ vorgesehen werden soll. entsprechende planerische darstellungen enthielten bzw. enthalten aber weder der gebietsentwicklungsplan regierungsbezirk n4. - teilabschnitt „f. - m. “, der noch unter der geltung des landesplanungsgesetzes in der fassung vom 11. februar 2001 (gv.nrw. s. 50), zuletzt geändert durch gesetz vom 3. februar 2004 (gv.nrw. s. 96), erlassen bzw. geändert sowie genehmigt wurde und dessen rechtsqualität einem regionalplan im sinne des § 13 abs. 1 satz 1 nr. 2 rog, § 2 abs. 1 lplg entspricht, noch der flächennutzungsplan der stadt h. in ihren jeweils zum maßgeblichen zeitpunkt der genehmigungserteilung geltenden (bzw. ihren jeweils aktuellen) fassungen. daher braucht an dieser stelle nicht weiter vertieft zu werden, ob sich die kläger auf den im landesentwicklungsplan nordrhein-westfalen, bei dem es sich um einen landesweiten raumordnungsplan nach § 13 abs. 1 satz 1 nr. 1 rog, § 2 abs. 1 lplg handelt, festgelegten grundsatz 10.2‑3 überhaupt unter dem gesichtspunkt einer subjektiven rechtsverletzung berufen können. 1272. auf die von den klägern weiter gerügte unvereinbarkeit der windenergieanlage mit der im gebietsentwicklungsplan regierungsbezirk n4. - teilabschnitt „f. - m. “ - festgesetzten nutzung des anlagenstandorts können sie sich als nachbarn und damit als private dritte nicht berufen (dazu a)). unabhängig davon steht die windenergieanlage dieser festsetzung nicht entgegen bzw. widerspricht ihr nicht (dazu b)). 128a) bei der festsetzung des vorhabengrundstücks als haldenstandort handelt es sich nicht um eine unmittelbar drittschützende regelung, auf deren verletzung sich die kläger berufen können. 129der bereich der halde n1. ist in dem vorgenannten gebietsentwicklungsplan, dessen rechtsqualität - wie bereits ausgeführt - einem regionalplan entspricht, als standort für die entsorgung des bergematerials ausgewiesen (vgl. ziffer 5.3 aufschüttungen und ablagerungen (halden) sowie die zeichnerische darstellung mit dem planzeichen „aufschüttungen, ablagerungen u. a.“ und „halden“). selbst wenn man mit den klägern davon ausgeht, dass die festsetzung als haldenstandort als ziel der raumordnung im sinne des § 3 abs. 1 nr. 2 rog einzuordnen ist, können sie eine etwaige verletzung dieses öffentlichen belangs (vgl. § 35 abs. 3 satz 2 baugb) nicht rügen. 130aa) § 35 abs. 3 baugb kommt nicht die funktion einer allgemein nachbarschützenden vorschrift zu; dies ist nur der fall, wenn nach den gesetzlichen wertungen die jeweilige vorschrift auch den interessen des nachbarn dient. 131vgl. bverwg, beschluss vom 3. april 1995 - 4 b 47.95 -, juris rn. 2 f.; ovg nrw, beschluss vom 14. april 2021 ‑ 2 a 141/21 -, juris rn. 9. 132ein denkbarer anknüpfungspunkt für eine mögliche drittschützende wirkung von zielen der raumordnung zugunsten privater ist zwar der umstand, dass nach § 7 abs. 2 rog bei der aufstellung der raumordnungspläne die öffentlichen und privaten belange, soweit sie auf der jeweiligen planungsebene erkennbar und von bedeutung sind, gegeneinander und untereinander abzuwägen sind. bei der festlegung von zielen der raumordnung hat diese abwägung abschließend zu erfolgen. gleichwohl entfalten die ziele der raumordnung gegenüber privaten grundstückseigentümern grundsätzlich keine unmittelbaren rechtswirkungen. sie sind vielmehr allein von öffentlichen stellen bei ihren planungen zu beachten, wohingegen private eigentümer durch sie weder unmittelbar berechtigt noch verpflichtet werden. für das abwägungsgebot des § 7 abs. 2 rog folgt daraus, dass der plangeber sich wegen des groben rasters der raumordnerischen abwägung und der damit verbundenen ungenauigkeiten darauf beschränken kann, private belange nur in einer pauschalen, typisierenden art und weise als gruppenbelange zu berücksichtigen. darüber hinaus gehende individuelle betroffenheiten sind im regelfall nicht gegenstand der abwägung im rahmen eines regionalen raumordnungsplans. sie bleiben vielmehr der feinsteuerung im verfahren zur aufstellung eines bebauungsplans bzw. der genehmigung eines einzelvorhabens vorbehalten. damit kann im regelfall nicht angenommen werden, dass die ziele der raumordnung dazu bestimmt sind, die rechte eines individuell bestimmbaren kreises dritter zu schützen. 133vgl. zum ganzen ovg rh.-pf., urteil vom 31. märz 2021 ‑ 1 a 10858/20 -, juris rn. 35 ff., m. w. n. 134bb) zureichende anhaltspunkte dafür, dass in abweichung hiervon gerade mit der festsetzung des anlagengrundstücks als haldenstandort ausnahmsweise individuelle belange der anwohner der halden geschützt werden sollten, sind nicht ersichtlich und von den klägern, die sich mit dieser frage nicht auseinandersetzen, auch nicht vorgetragen. ausweislich der erläuterungen zu ziffer 5.3 des gebietsentwicklungsplans dienen bergehalden - u. a. die n1 2 . - der ablagerung und damit der entsorgung des energetisch nicht nutzbaren gesteins aus dem steinkohlebergbau. die aufschüttung von bergehalden erfolgt demgemäß im öffentlichen interesse einer ordnungsgemäßen abfallentsorgung, allenfalls noch im privaten interesse des jeweiligen bergwerkbetreibers, jedoch nicht (auch) im interesse der nachbarn. ob durch ein genehmigtes vorhaben die weitere aufschüttung der jeweiligen bergehalde unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert wird, ist damit kein gesichtspunkt, der einem nachbarn eine subjektiv-rechtliche rechtsposition vermittelt. 135b) unabhängig vom vorstehenden kann nicht festgestellt werden, dass die windenergieanlage der festsetzung des hier betroffenen bereichs als haldenstandort entgegensteht bzw. widerspricht (vgl. § 35 abs. 1 satz 1 nr. 5, abs. 3 satz 2 baugb). 136der beklagte hat in den jeweiligen widerspruchsbescheiden vom 24. juni 2019 ‑ hilfsweise - zur begründung seiner annahme darauf verwiesen, dass der schüttbetrieb auf der n1 2 . bereits zum ende des jahres 2013 eingestellt worden sei, weshalb aufgrund fehlender bergemassen eine endgestaltung als vulkankegel nicht mehr habe stattfinden können. zudem sei das letzte bergwerk der region, prosper-haniel in bottrop, zum 21. dezember 2018 endgültig geschlossen worden, sodass tatsächlich auch kein weiteres bergematerial zur schüttung mehr anfallen könne. nach mitteilung der bezirksregierung arnsberg werde in kürze mit dem abbruch der verbliebenen anlagen begonnen und auch der in aufstellung befindliche regionalplan ruhr werde für diesen bereich in seinen zeichnerischen festlegungen kein entsprechendes gebiet für eine halde mehr aufweisen. die bezirksregierung arnsberg als zuständige bergbehörde habe in ihren stellungnahmen vom 22. august 2018 und 4. februar 2019 ferner angegeben, dass keine bedenken gegen das vorhaben bestünden. hinsichtlich der raumordnerischen darstellung im derzeit noch geltenden regionalplan (gemeint ist der gebietsentwicklungsplan regierungsbezirk n4. - teilabschnitt „f. - m. “) sei aus bergbehördlicher sicht festgestellt worden, dass die bergbauliche nutzung „aufschüttung und ablagerung“ im bereich der halde n1. abgeschlossen sei. aus der stellungnahme der rag ag vom 17. januar 2019 gehe zusätzlich hervor, dass die errichtung und der betrieb einer windenergieanlage auf der n1 2 . ein weiteres verbringen von bergematerial nicht wesentlich beeinträchtige. insoweit sei auf die vorliegenden erfahrungen des unternehmens zum schüttbetrieb auf den bergehalden kohlenhuck in moers und lohberg-norderweiterung in dinslaken mit den dort bereits realisierten windenergieanlagen verwiesen worden. der top-bereich der halde n1. habe zudem eine ovale grundform, in deren mitte sich eine vernässungszone mit vegetation befinde. am rand des top-bereiches der halde befinde sich der standort der windenergieanlage. auch eine theoretisch machbare schüttung von gegebenenfalls vorhandenen restvolumina wäre daher nicht beeinträchtigt. mit diesen für das gericht plausiblen, nachvollziehbaren und überzeugenden erwägungen setzen sich die kläger nicht ansatzweise substantiiert auseinander und stellen die richtigkeit der annahme des beklagten nicht durchgreifend in frage. 1373. mit ihrem weiteren vortrag, die beklagte windenergieanlage sei mit den städtebaulichen zielen nicht vereinbar und widerspreche daher dem bebauungsplan nr. 000, gebiet: „n1 2 . “ der stadt h. , können die kläger die aufhebung der genehmigung bereits deshalb nicht beanspruchen, weil der vorgenannte bebauungsplan (erst) am 15. april 2019 mit seiner amtlichen bekanntmachung im amtsblatt der stadt h. (ausgabe 07/19) und damit nach genehmigungserteilung als dem grundsätzlich maßgeblichen zeitpunkt in kraft getreten ist (vgl. § 10 abs. 3 baugb). daher kann dahinstehen, ob die kläger sich auf einen etwaigen verstoß gegen die städtebaulichen ziele bzw. den bebauungsplan nr. 000 der stadt h. unter dem gesichtspunkt der subjektiven rechtsverletzung überhaupt berufen können. 138die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 1, § 162 abs. 3 vwgo. die außergerichtlichen kosten der beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, entspricht der billigkeit, weil sie einen (ablehnungs-)antrag gestellt und sich damit selbst einem kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 abs. 3 vwgo). 139die entscheidung zur vorläufigen vollstreckbarkeit beruht auf § 167 vwgo i. v. m. § 709 zpo (hinsichtlich der beigeladenen) bzw. §§ 708 nr. 11, 711 zpo (hinsichtlich des beklagten). 140rechtsmittelbelehrung: 141gegen dieses urteil steht den beteiligten die berufung an das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. die berufung ist nur zuzulassen, wenn 1421. ernstliche zweifel an der richtigkeit des urteils bestehen, 1432. die rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche schwierigkeiten aufweist, 1443. die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat, 1454. das urteil von einer entscheidung des oberverwaltungsgerichts, des bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen senats der obersten gerichtshöfe des bundes oder des bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser abweichung beruht oder 1465. ein der beurteilung des berufungsgerichts unterliegender verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die entscheidung beruhen kann. 147die zulassung der berufung ist innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils schriftlich bei dem verwaltungsgericht gelsenkirchen, bahnhofsvorplatz 3, 45879 gelsenkirchen, zu beantragen. der antrag muss das angefochtene urteil bezeichnen. innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils sind die gründe darzulegen, aus denen die berufung zuzulassen ist. die begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem antrag vorgelegt worden ist, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen, aegidiikirchplatz 5, 48143 münster, schriftlich einzureichen. 148auf die unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung von schriftstücken als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung - vwgo - und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung ‑ ervv ‑) wird hingewiesen. 149im berufungsverfahren muss sich jeder beteiligte durch einen prozessbevollmächtigten vertreten lassen. dies gilt auch für den antrag auf zulassung der berufung. der kreis der als prozessbevollmächtigte zugelassenen personen und organisationen bestimmt sich nach § 67 abs. 4 vwgo.
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7 K 2802/20
2022-04-01T00:00:00
Urteil
Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Die Kläger sind die Eltern des F. . Dieser wurde laut ärztlichem Befundbericht vom 22. Oktober 2020 am 20. Oktober 2020 positiv auf das Coronavirus SARS-CoV-2 getestet. Der Beklagte ordnete daraufhin eine Absonderung bis zum 1. November 2020 an. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf das Urteil vom heutigen Tage im Verfahrens 7 K 2792/20. 3Der Beklagte ordnete noch am 22. Oktober 2020 gegenüber den Klägern mündlich auch deren Absonderung in häusliche Quarantäne sowie die Beobachtung durch das Gesundheitsamt für den Zeitraum vom 22. Oktober 2020 bis zum 5. November 2020 an. Die Anordnung wurde jeweils mit Bescheid vom 24. Oktober 2020 - den Klägern zugegangen am 27. Oktober 2020 - bestätigt. Zur Begründung führte der Beklagte aus, die Kläger hätten Kontakt mit einer mit dem Virus SARS-CoV-2 infizierten Person gehabt und seien deshalb ansteckungsverdächtig. Die häusliche Absonderung stehe dabei nicht außer Verhältnis zu dem Ziel, eine Weiterverbreitung des Krankheitserregers in der Bevölkerung zu verhindern. Der Beklagte sei wegen Gefahr im Verzug zuständig. 4Die Kläger haben am 30. Oktober 2020 Klage gegen diese Bescheide erhoben und um die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht. Mit Beschluss vom 3. November 2020 - 9 L 915/20 - hat die Kammer den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit der Begründung abgelehnt, dass die Absonderungen voraussichtlich rechtmäßig seien. 5Die Kläger verfolgen ihr Begehren in der Hauptsache weiter und führen zur Begründung im Wesentlichen aus, sie hätten ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Absonderungen, da jederzeit mit einer Wiederholung gerechnet werden müsse, sie sich mit der Absicht trügen, Schadensersatzansprüche geltend zu machen, und ein besonders intensiver Grundrechtseingriff vorgelegen habe. Der Beklagte sei mangels Gefahr im Verzug schon nicht zuständig gewesen. Die Absonderung könne nicht auf den abschließenden und die Generalklausel sperrenden § 30 IfSG gestützt werden, da die Vorschrift wegen Verstoß gegen das Zitiergebot und als massive Freiheitsentziehung ohne Richterbeteiligung verfassungswidrig sei. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen der Absonderung nicht vor. Eine Infektion ihres Sohnes sei nicht nachgewiesen. Ein positiver PCR-Test - zumal mit einem hier vorliegenden Ct-Wert von 36 - sei dazu nicht in der Lage, da nur das Vorhandensein von Erbmaterial, nicht aber entwicklungs- oder vermehrungsfähiger Viren nachgewiesen werde. Jedenfalls sei ihr Sohn nicht als Kranker anzusehen gewesen, da er keine Symptome gehabt habe. Außerdem sei die Absonderung nicht geeignet, die Verbreitung des Virus zu beeinflussen, weshalb sie im Hinblick auf die massiven Einschränkungen unverhältnismäßig sei. 6Die Kläger beantragen sinngemäß, 7festzustellen, dass die Bescheide des Beklagten vom 24. Oktober 2020 rechtswidrig gewesen sind. 8Der Beklagte beantragt, 9die Klage abzuweisen. 10Er verteidigt seine Bescheide und führt ergänzend aus, die Klage sei mangels Feststellungsinteresse bereits unzulässig. Es bestehe keine Wiederholungsgefahr, da sich die Quarantäneregeln geändert hätten. Eine behördliche Quarantäneanordnung werde es angesichts der Corona-Test-und-Quarantäneverordnung nicht mehr geben. Es sei Gefahr im Verzug gewesen. Der Abstrich habe erst am 20. Oktober 2020 erfolgen können, weil sich die Kläger dem am 13. Oktober 2020 verweigert hätten. Auch am 20. Oktober 2020 hätten sich die Kläger zunächst uneinsichtig gezeigt und erst bei einem drohenden Aktenvermerk als „Verweigerer“ die Entnahme akzeptiert. Der vorliegende PCR-Test stelle einen anerkannten Nachweis für eine Infektion mit dem Virus SARS-CoV-2 dar. Die Dauer der Absonderung sei ermessensgerecht erfolgt. 11Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gerichtsakten zu den Verfahren 7 L 909/20, 7 L 915/20 und 7 K 2792/20 und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten. 12Entscheidungsgründe: 13Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist bereits unzulässig. 14Zwar ist die Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft, denn bei den angegriffenen Absonderungsverfügungen handelt es sich um Verwaltungsakte, die sich nach Klagerhebung - durch Zeitablauf - erledigt haben. 15Die Kläger verfügen aber nicht über das erforderliche berechtigte Interesse an der Feststellung, dass die Absonderungsverfügungen rechtswidrig gewesen sind (§ 113 Abs. 1 Satz 4 aE VwGO). Ein solches Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein und sich insbesondere aus den Gesichtspunkten der konkreten Wiederholungsgefahr, der Rehabilitierung, der schwerwiegenden Grundrechtsbeeinträchtigung sowie der Präjudizwirkung für einen beabsichtigten Schadensersatzanspruch ergeben. Die gerichtliche Feststellung muss geeignet sein, die betroffene Position des Klägers zu verbessern. 16Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. November 2020 - 2 C 5.19 -, juris Rn. 13. 17Die von den Klägern vorgebrachten Gründe sind nicht geeignet, ein berechtigtes Interesse an der gerichtlichen Überprüfung der Absonderungsanordnungen zu begründen. 18Die Kläger können sich zunächst nicht auf eine konkrete Wiederholungsgefahr berufen. Die Annahme einer Wiederholungsgefahr setzt die konkret absehbare hinreichende Möglichkeit voraus, dass in naher Zukunft eine gleiche oder gleichartige Entscheidung oder Maßnahme zulasten des Klägers zu erwarten ist. Dabei müssen im Wesentlichen die gleichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse bestehen wie bei der erledigten Entscheidung oder Maßnahme. 19Vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. April 2008 - 1 WB 11.07 -, juris, Rn. 21; OVG NRW, Beschluss vom 30. Januar 2018 - 5 A 557/16 -, juris Rn. 12, m.w.N.; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 17. Januar 2022 - 29 K 7114/20 -, juris Rn. 36 f. 20Das ist hier nicht der Fall. Haushaltsangehörige von Personen, deren PCR-Test positiv ausfällt, werden in Nordrhein-Westfalen auf absehbare Zeit primär unmittelbar durch § 15 CoronaTestQuarantäneVO abgesondert. Insofern hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 10. März 2022 erklärt, dass für ihn in Zukunft kein Anlass für den Erlass einer erneuten behördlichen Absonderungsanordnung besteht. Der Einzelrichter hat keinen Anlass an dieser Aussage zu zweifeln. Selbst wenn der Beklagte dennoch eine individuelle Verfügung erlassen sollte, würden sich sowohl die rechtlichen als auch die tatsächlichen Gegebenheiten im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung derart von denen im Herbst 2020 unterscheiden, dass in absehbarer Zeit nicht mit einer entsprechenden Entscheidung des Beklagten zu rechnen ist. 21Vgl. zur Entwicklung nur VG Düsseldorf, a.a.O., Rn. 38 ff., m.w.N. 22Ein Rehabilitationsinteresse ist ebenfalls nicht ersichtlich. Dass sich aus den lediglich auf zufälligen Umständen beruhenden Absonderungsverfügungen eine Stigmatisierung der Kläger ergibt, die geeignet ist, ihr Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen, ist nicht zu ersehen. 23Vgl. VG Düsseldorf, a.a.O., Rn. 29 ff. unter Bezugnahme auf BVerwG, Beschluss vom 14. Dezember 2018 - 6 B 133/18 -, juris Rn. 13, m.w.N. 24Soweit sich die Kläger aufgrund der Umstände der Testung ihres Sohnes durch das mobile Team des Beklagten stigmatisiert fühlen, folgt daraus kein Rehabilitationsinteresse hinsichtlich der Absonderung. Denn diesbezüglich handelt es sich um den Vollzug einer anderen Maßnahme, die ihre Grundlage nicht in den angegriffenen Bescheiden vom 24. Oktober 2020, sondern in dem - hier nicht streitgegenständlichen - Bescheid vom 16. Oktober 2020 fand. 25Den Klägern steht auch kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zur Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses zu. Bei einer Fortsetzungsfeststellungklage, die der Vorbereitung einer zivilrechtlichen Klage auf Schadensersatz oder Entschädigung dienen soll, ist das Feststellungsinteresse zu bejahen, wenn ein solcher Prozess bereits anhängig, mit Sicherheit zu erwarten oder ernsthaft beabsichtigt ist, die begehrte Feststellung in diesem Verfahren erheblich und die Rechtsverfolgung nicht offensichtlich aussichtslos ist. Insoweit bedarf es hinreichender Darlegungen seitens des die Feststellung begehrenden Klägers. Hierzu gehört insbesondere, dass er die Behauptung eines eingetretenen Schadens durch Angaben zur Art des Schadens und zur annähernden Schadenshöhe substantiiert. 26Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. Juni 2021 - 15 A 363/20 -, juris Rn 8 f., m.w.N. 27Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Dass sich die Kläger nach ihrem Vorbringen „mit der Absicht tragen“, materielle und immaterielle Schadensersatzansprüche geltend zu machen, lässt die notwendige Ernsthaftigkeit dieser Absicht nicht erkennen. Des Weiteren haben die Kläger ihre vorgebrachte Absicht weder durch Angaben zur Art des Schadens noch zur annähernden Schadenshöhe substantiiert. 28Ein berechtigtes Feststellungsinteresse ergibt sich zuletzt nicht aus einem sich kurzfristig erledigenden, tiefgreifenden Grundrechtseingriff. Diesbezüglich führt das VG Düsseldorf, 29VG Düsseldorf, a.a.O., Rn. 49 ff., 30aus: 31„Die Art eines mit der Klage gerügten Eingriffs, insbesondere im grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, kann die Anerkennung eines Feststellungsinteresses rechtfertigen, wenn sich die unmittelbare Belastung durch den schwerwiegenden Hoheitsakt auf eine Zeitspanne beschränkt, in der die Entscheidung des Gerichts kaum zu erlangen ist. Hierzu zählen vor allem Feststellungsbegehren, die polizeiliche Maßnahmen zum Gegenstand haben. Darüber hinaus kann etwa auch für eine Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Speicherung personenbezogener Daten in einem vergangenen Zeitraum wegen des damit verbundenen tiefgreifenden Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) ein berechtigtes Interesse anzuerkennen sein, wenn sich dieses Rechtsschutzziel nicht in gleicher Weise durch die Geltendmachung eines Löschungsanspruchs erreichen lässt. 32Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Dezember 2018 - 6 B 133/18 - juris, Rn. 14. 33Zwar ergibt sich das fehlende Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung nicht bereits daraus, dass es ihr möglich war, Eilrechtsschutz zu suchen und somit eine gerichtliche Überprüfung einzuleiten. 34A.A. VG Augsburg, Urteil vom 26. April 2021 - Au 9 K 21.70 - juris, Rn. 31. 35Denn Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährt einen Anspruch auf Rechtsschutz in der Hauptsache und nicht nur auf Rechtsschutz im Eilverfahren. 36BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 - juris, Rn. 29 ff. 37Bei der häuslichen Quarantäne, wie sie hier angeordnet wurde, liegt jedoch keine mit den oben genannten Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe vergleichbare Fallkonstellation vor. 38Anders als die so genannte Zwangsabsonderung nach § 30 Abs. 2 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) setzt die häusliche Absonderung nach § 30 Abs. 1 IfSG die Freiwilligkeit des Betroffenen im Sinne seiner Einsicht in das Notwendige und der Bereitschaft, der Absonderungsanordnung (vgl. Rn. 7) Folge zu leisten, voraus, 39BT-Drucksache 14/2530, S. 75; Gerhardt, IfSG, 5. Aufl., § 30 Rn. 1, 40und begründet deshalb mangels physischer Zwangswirkungen keinen Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Bewegungsfreiheit. 41Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Juli 2020 - 13 B 968/20.NE -, juris Rn. 41, m.w.N.; VG Augsburg, Urteil vom 26. April 2021 - Au 9 K 21.70 - juris, Rn. 36 f.; Erbs/Kohlhaas/Lutz IfSG § 30 Rn. 2; Gerhardt, IfSG, 5. Aufl., § 30 Rn. 1; ähnlich: OVG Niedersachsen, Beschluss vom 5. Juni 2020 - 13 MN 195/20 -, juris, Rn. 38 (Freiheitsbeschränkung, aber keine Freiheitsentziehung); a. M. VG Hamburg, Beschluss vom 13. Mai 2020 - 15 E 1967/20 -, juris, Rn. 35 (Freiheitsentziehung oder zumindest Freiheitsbeschränkung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und 104 Abs. 1 GG); BeckOK InfSchR/Johann/Gabriel IfSG § 30 Rn. 2 (besonders intensiver Grundrechtseingriff). 42Soweit ein Verstoß gegen die Absonderungspflicht bußgeldbewährt ist, kann dies zwar eine psychische Zwangswirkung auf die Betroffenen ausüben. Die Verpflichtung wird aber nicht durch weitere Vorkehrungen begleitet, die einen zur Eröffnung des Schutzbereichs des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG erforderlichen physischen Zwang bewirken könnten. 43OVG NRW, Beschluss vom 13. Juli 2020 - 13 B 968/20.NE -, juris Rn. 42; VG Augsburg, Urteil vom 26. April 2021 - Au 9 K 21.70 - juris, Rn. 36.“ 44Diesen Ausführungen schließt sich der erkennende Einzelrichter nach eigenständiger Würdigung an. Der vorliegende Einzelfall rechtfertigt keine andere Bewertung. Es ist nicht ersichtlich, dass die wenige Tage andauernde häusliche Absonderung die Kläger in besonderem Maße beeinträchtigt haben könnte. 45Dass die Kläger damit im Ergebnis die Rechtmäßigkeit der Absonderungsverfügungen nicht in einem Hauptsachverfahren überprüfen lassen können, folgt aus § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO. Dies ist auch unter Berücksichtigung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht zu beanstanden, denn im Rahmen dieser anerkannten Fallgruppe ist ein schwerwiegender - kein einfacher - Grundrechtseingriffe erforderlich, 46vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 -, juris, Rn. 36 ff., 47der hier nach den obigen Ausführungen nicht vorliegt. 48Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
die klage wird abgewiesen. die kläger tragen die kosten des verfahrens jeweils zur hälfte. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. die kläger dürfen die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht der beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1
2die kläger sind die eltern des f. . dieser wurde laut ärztlichem befundbericht vom 22. oktober 2020 am 20. oktober 2020 positiv auf das coronavirus sars-cov-2 getestet. der beklagte ordnete daraufhin eine absonderung bis zum 1. november 2020 an. wegen der einzelheiten wird bezug genommen auf das urteil vom heutigen tage im verfahrens 7 k 2792/20. 3der beklagte ordnete noch am 22. oktober 2020 gegenüber den klägern mündlich auch deren absonderung in häusliche quarantäne sowie die beobachtung durch das gesundheitsamt für den zeitraum vom 22. oktober 2020 bis zum 5. november 2020 an. die anordnung wurde jeweils mit bescheid vom 24. oktober 2020 - den klägern zugegangen am 27. oktober 2020 - bestätigt. zur begründung führte der beklagte aus, die kläger hätten kontakt mit einer mit dem virus sars-cov-2 infizierten person gehabt und seien deshalb ansteckungsverdächtig. die häusliche absonderung stehe dabei nicht außer verhältnis zu dem ziel, eine weiterverbreitung des krankheitserregers in der bevölkerung zu verhindern. der beklagte sei wegen gefahr im verzug zuständig. 4die kläger haben am 30. oktober 2020 klage gegen diese bescheide erhoben und um die gewährung einstweiligen rechtsschutzes nachgesucht. mit beschluss vom 3. november 2020 - 9 l 915/20 - hat die kammer den antrag auf gewährung einstweiligen rechtsschutzes mit der begründung abgelehnt, dass die absonderungen voraussichtlich rechtmäßig seien. 5die kläger verfolgen ihr begehren in der hauptsache weiter und führen zur begründung im wesentlichen aus, sie hätten ein berechtigtes interesse an der feststellung der rechtswidrigkeit der absonderungen, da jederzeit mit einer wiederholung gerechnet werden müsse, sie sich mit der absicht trügen, schadensersatzansprüche geltend zu machen, und ein besonders intensiver grundrechtseingriff vorgelegen habe. der beklagte sei mangels gefahr im verzug schon nicht zuständig gewesen. die absonderung könne nicht auf den abschließenden und die generalklausel sperrenden § 30 ifsg gestützt werden, da die vorschrift wegen verstoß gegen das zitiergebot und als massive freiheitsentziehung ohne richterbeteiligung verfassungswidrig sei. im übrigen lägen die voraussetzungen der absonderung nicht vor. eine infektion ihres sohnes sei nicht nachgewiesen. ein positiver pcr-test - zumal mit einem hier vorliegenden ct-wert von 36 - sei dazu nicht in der lage, da nur das vorhandensein von erbmaterial, nicht aber entwicklungs- oder vermehrungsfähiger viren nachgewiesen werde. jedenfalls sei ihr sohn nicht als kranker anzusehen gewesen, da er keine symptome gehabt habe. außerdem sei die absonderung nicht geeignet, die verbreitung des virus zu beeinflussen, weshalb sie im hinblick auf die massiven einschränkungen unverhältnismäßig sei. 6die kläger beantragen sinngemäß, 7festzustellen, dass die bescheide des beklagten vom 24. oktober 2020 rechtswidrig gewesen sind. 8der beklagte beantragt, 9die klage abzuweisen. 10er verteidigt seine bescheide und führt ergänzend aus, die klage sei mangels feststellungsinteresse bereits unzulässig. es bestehe keine wiederholungsgefahr, da sich die quarantäneregeln geändert hätten. eine behördliche quarantäneanordnung werde es angesichts der corona-test-und-quarantäneverordnung nicht mehr geben. es sei gefahr im verzug gewesen. der abstrich habe erst am 20. oktober 2020 erfolgen können, weil sich die kläger dem am 13. oktober 2020 verweigert hätten. auch am 20. oktober 2020 hätten sich die kläger zunächst uneinsichtig gezeigt und erst bei einem drohenden aktenvermerk als „verweigerer“ die entnahme akzeptiert. der vorliegende pcr-test stelle einen anerkannten nachweis für eine infektion mit dem virus sars-cov-2 dar. die dauer der absonderung sei ermessensgerecht erfolgt. 11wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird bezug genommen auf den inhalt der gerichtsakte, der gerichtsakten zu den verfahren 7 l 909/20, 7 l 915/20 und 7 k 2792/20 und der beigezogenen verwaltungsvorgänge des beklagten. 12
13die klage hat keinen erfolg. sie ist bereits unzulässig. 14zwar ist die fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 abs. 1 satz 4 vwgo statthaft, denn bei den angegriffenen absonderungsverfügungen handelt es sich um verwaltungsakte, die sich nach klagerhebung - durch zeitablauf - erledigt haben. 15die kläger verfügen aber nicht über das erforderliche berechtigte interesse an der feststellung, dass die absonderungsverfügungen rechtswidrig gewesen sind (§ 113 abs. 1 satz 4 ae vwgo). ein solches interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller natur sein und sich insbesondere aus den gesichtspunkten der konkreten wiederholungsgefahr, der rehabilitierung, der schwerwiegenden grundrechtsbeeinträchtigung sowie der präjudizwirkung für einen beabsichtigten schadensersatzanspruch ergeben. die gerichtliche feststellung muss geeignet sein, die betroffene position des klägers zu verbessern. 16vgl. bverwg, urteil vom 12. november 2020 - 2 c 5.19 -, juris rn. 13. 17die von den klägern vorgebrachten gründe sind nicht geeignet, ein berechtigtes interesse an der gerichtlichen überprüfung der absonderungsanordnungen zu begründen. 18die kläger können sich zunächst nicht auf eine konkrete wiederholungsgefahr berufen. die annahme einer wiederholungsgefahr setzt die konkret absehbare hinreichende möglichkeit voraus, dass in naher zukunft eine gleiche oder gleichartige entscheidung oder maßnahme zulasten des klägers zu erwarten ist. dabei müssen im wesentlichen die gleichen tatsächlichen und rechtlichen verhältnisse bestehen wie bei der erledigten entscheidung oder maßnahme. 19vgl. bverwg, beschluss vom 29. april 2008 - 1 wb 11.07 -, juris, rn. 21; ovg nrw, beschluss vom 30. januar 2018 - 5 a 557/16 -, juris rn. 12, m.w.n.; vg düsseldorf, gerichtsbescheid vom 17. januar 2022 - 29 k 7114/20 -, juris rn. 36 f. 20das ist hier nicht der fall. haushaltsangehörige von personen, deren pcr-test positiv ausfällt, werden in nordrhein-westfalen auf absehbare zeit primär unmittelbar durch § 15 coronatestquarantänevo abgesondert. insofern hat der beklagte mit schriftsatz vom 10. märz 2022 erklärt, dass für ihn in zukunft kein anlass für den erlass einer erneuten behördlichen absonderungsanordnung besteht. der einzelrichter hat keinen anlass an dieser aussage zu zweifeln. selbst wenn der beklagte dennoch eine individuelle verfügung erlassen sollte, würden sich sowohl die rechtlichen als auch die tatsächlichen gegebenheiten im insoweit maßgeblichen zeitpunkt der mündlichen verhandlung derart von denen im herbst 2020 unterscheiden, dass in absehbarer zeit nicht mit einer entsprechenden entscheidung des beklagten zu rechnen ist. 21vgl. zur entwicklung nur vg düsseldorf, a.a.o., rn. 38 ff., m.w.n. 22ein rehabilitationsinteresse ist ebenfalls nicht ersichtlich. dass sich aus den lediglich auf zufälligen umständen beruhenden absonderungsverfügungen eine stigmatisierung der kläger ergibt, die geeignet ist, ihr ansehen in der öffentlichkeit oder im sozialen umfeld herabzusetzen, ist nicht zu ersehen. 23vgl. vg düsseldorf, a.a.o., rn. 29 ff. unter bezugnahme auf bverwg, beschluss vom 14. dezember 2018 - 6 b 133/18 -, juris rn. 13, m.w.n. 24soweit sich die kläger aufgrund der umstände der testung ihres sohnes durch das mobile team des beklagten stigmatisiert fühlen, folgt daraus kein rehabilitationsinteresse hinsichtlich der absonderung. denn diesbezüglich handelt es sich um den vollzug einer anderen maßnahme, die ihre grundlage nicht in den angegriffenen bescheiden vom 24. oktober 2020, sondern in dem - hier nicht streitgegenständlichen - bescheid vom 16. oktober 2020 fand. 25den klägern steht auch kein fortsetzungsfeststellungsinteresse zur vorbereitung eines amtshaftungsprozesses zu. bei einer fortsetzungsfeststellungklage, die der vorbereitung einer zivilrechtlichen klage auf schadensersatz oder entschädigung dienen soll, ist das feststellungsinteresse zu bejahen, wenn ein solcher prozess bereits anhängig, mit sicherheit zu erwarten oder ernsthaft beabsichtigt ist, die begehrte feststellung in diesem verfahren erheblich und die rechtsverfolgung nicht offensichtlich aussichtslos ist. insoweit bedarf es hinreichender darlegungen seitens des die feststellung begehrenden klägers. hierzu gehört insbesondere, dass er die behauptung eines eingetretenen schadens durch angaben zur art des schadens und zur annähernden schadenshöhe substantiiert. 26vgl. ovg nrw, beschluss vom 28. juni 2021 - 15 a 363/20 -, juris rn 8 f., m.w.n. 27diese voraussetzungen liegen nicht vor. dass sich die kläger nach ihrem vorbringen „mit der absicht tragen“, materielle und immaterielle schadensersatzansprüche geltend zu machen, lässt die notwendige ernsthaftigkeit dieser absicht nicht erkennen. des weiteren haben die kläger ihre vorgebrachte absicht weder durch angaben zur art des schadens noch zur annähernden schadenshöhe substantiiert. 28ein berechtigtes feststellungsinteresse ergibt sich zuletzt nicht aus einem sich kurzfristig erledigenden, tiefgreifenden grundrechtseingriff. diesbezüglich führt das vg düsseldorf, 29vg düsseldorf, a.a.o., rn. 49 ff., 30aus: 31„die art eines mit der klage gerügten eingriffs, insbesondere im grundrechtlich geschützten bereich, verbunden mit dem durch art. 19 abs. 4 gg garantierten anspruch auf effektiven rechtsschutz, kann die anerkennung eines feststellungsinteresses rechtfertigen, wenn sich die unmittelbare belastung durch den schwerwiegenden hoheitsakt auf eine zeitspanne beschränkt, in der die entscheidung des gerichts kaum zu erlangen ist. hierzu zählen vor allem feststellungsbegehren, die polizeiliche maßnahmen zum gegenstand haben. darüber hinaus kann etwa auch für eine feststellung der rechtswidrigkeit einer speicherung personenbezogener daten in einem vergangenen zeitraum wegen des damit verbundenen tiefgreifenden eingriffs in das persönlichkeitsrecht (art. 2 abs. 1 i.v.m. art. 1 abs. 1 gg) ein berechtigtes interesse anzuerkennen sein, wenn sich dieses rechtsschutzziel nicht in gleicher weise durch die geltendmachung eines löschungsanspruchs erreichen lässt. 32vgl. bverwg, beschluss vom 14. dezember 2018 - 6 b 133/18 - juris, rn. 14. 33zwar ergibt sich das fehlende interesse der klägerin an der begehrten feststellung nicht bereits daraus, dass es ihr möglich war, eilrechtsschutz zu suchen und somit eine gerichtliche überprüfung einzuleiten. 34a.a. vg augsburg, urteil vom 26. april 2021 - au 9 k 21.70 - juris, rn. 31. 35denn art. 19 abs. 4 satz 1 gg gewährt einen anspruch auf rechtsschutz in der hauptsache und nicht nur auf rechtsschutz im eilverfahren. 36bverfg, beschluss vom 3. märz 2004 - 1 bvr 461/03 - juris, rn. 29 ff. 37bei der häuslichen quarantäne, wie sie hier angeordnet wurde, liegt jedoch keine mit den oben genannten fällen tiefgreifender grundrechtseingriffe vergleichbare fallkonstellation vor. 38anders als die so genannte zwangsabsonderung nach § 30 abs. 2 des gesetzes zur verhütung und bekämpfung von infektionskrankheiten beim menschen (infektionsschutzgesetz - ifsg) setzt die häusliche absonderung nach § 30 abs. 1 ifsg die freiwilligkeit des betroffenen im sinne seiner einsicht in das notwendige und der bereitschaft, der absonderungsanordnung (vgl. rn. 7) folge zu leisten, voraus, 39bt-drucksache 14/2530, s. 75; gerhardt, ifsg, 5. aufl., § 30 rn. 1, 40und begründet deshalb mangels physischer zwangswirkungen keinen eingriff in das grundrecht auf körperliche bewegungsfreiheit. 41vgl. ovg nrw, beschluss vom 13. juli 2020 - 13 b 968/20.ne -, juris rn. 41, m.w.n.; vg augsburg, urteil vom 26. april 2021 - au 9 k 21.70 - juris, rn. 36 f.; erbs/kohlhaas/lutz ifsg § 30 rn. 2; gerhardt, ifsg, 5. aufl., § 30 rn. 1; ähnlich: ovg niedersachsen, beschluss vom 5. juni 2020 - 13 mn 195/20 -, juris, rn. 38 (freiheitsbeschränkung, aber keine freiheitsentziehung); a. m. vg hamburg, beschluss vom 13. mai 2020 - 15 e 1967/20 -, juris, rn. 35 (freiheitsentziehung oder zumindest freiheitsbeschränkung im sinne von art. 2 abs. 2 satz 2 und 104 abs. 1 gg); beckok infschr/johann/gabriel ifsg § 30 rn. 2 (besonders intensiver grundrechtseingriff). 42soweit ein verstoß gegen die absonderungspflicht bußgeldbewährt ist, kann dies zwar eine psychische zwangswirkung auf die betroffenen ausüben. die verpflichtung wird aber nicht durch weitere vorkehrungen begleitet, die einen zur eröffnung des schutzbereichs des art. 2 abs. 2 satz 2 gg erforderlichen physischen zwang bewirken könnten. 43ovg nrw, beschluss vom 13. juli 2020 - 13 b 968/20.ne -, juris rn. 42; vg augsburg, urteil vom 26. april 2021 - au 9 k 21.70 - juris, rn. 36.“ 44diesen ausführungen schließt sich der erkennende einzelrichter nach eigenständiger würdigung an. der vorliegende einzelfall rechtfertigt keine andere bewertung. es ist nicht ersichtlich, dass die wenige tage andauernde häusliche absonderung die kläger in besonderem maße beeinträchtigt haben könnte. 45dass die kläger damit im ergebnis die rechtmäßigkeit der absonderungsverfügungen nicht in einem hauptsachverfahren überprüfen lassen können, folgt aus § 113 abs. 1 satz 4 vwgo. dies ist auch unter berücksichtigung von art. 19 abs. 4 satz 1 gg nicht zu beanstanden, denn im rahmen dieser anerkannten fallgruppe ist ein schwerwiegender - kein einfacher - grundrechtseingriffe erforderlich, 46vgl. bverfg, beschluss vom 3. märz 2004 - 1 bvr 461/03 -, juris, rn. 36 ff., 47der hier nach den obigen ausführungen nicht vorliegt. 48die kostenentscheidung beruht auf §§ 154 abs. 1, 159 satz 1 vwgo i.v.m. § 100 abs. 1 zpo. die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit findet ihre grundlage in § 167 vwgo i.v.m. §§ 708 nr. 11, 711 zpo.
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7 K 2792/20
2022-04-01T00:00:00
Urteil
Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Der Kläger besuchte im Oktober 2020 die B.-Kita in M. . Am 10. Oktober 2020 erfuhr der Beklagte, dass eine der dort tätigen Erzieherinnen positiv auf das Virus SARS-CoV-2 getestet wurde. Nach Angaben der Leitung gegenüber dem Beklagten hatte der Kläger am Tag vor Bekanntwerden des Testergebnisses engen Kontakt zu dieser Erzieherin. 3Mit Bescheid vom 13. Oktober 2020 - den Eltern am 15. Oktober 2020 zugegangen - ordnete der Beklagte die Absonderung des Klägers in häusliche Quarantäne sowie die Beobachtung des Klägers vom 12. Oktober 2020 bis zum 22. Oktober 2020 an. Am selben Tag sollte der Kläger auf das Virus SARS-CoV-2 getestet werden, die Testung fand jedoch nicht statt. 4Unter dem 16. Oktober 2020 gab der Beklagte den Eltern des Klägers mit gesondertem Bescheid auf, beim Kläger einen Schleimhautabstrich zur Durchführung einer PCR-Testung zur Klärung einer Infizierung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vornehmen zu lassen. Der Abstich wurde am 20. Oktober 2020 durch ein mobiles Team des Beklagten entnommen. Laut ärztlichem Befundbericht vom 22. Oktober 2020 war die Probe positiv. 5Daraufhin ordnete der Beklagte noch am selben Tag gegenüber den Eltern mündlich die Absonderung des Klägers in häusliche Quarantäne sowie die Beobachtung durch das Gesundheitsamt für den Zeitraum vom 22. Oktober 2020 bis zum 1. November 2020 an. Die Anordnung wurde mit Bescheid vom 24. Oktober 2020 - den Eltern zugegangen am 27. Oktober 2020 - bestätigt. Zur Begründung führte der Beklagte aus, der Kläger habe sich mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert und werde daher als Kranker abgesondert. Die Dauer der Absonderung ergebe sich aus der maximalen Dauer der Infektiosität. Der Beklagte sei wegen Gefahr im Verzug zuständig. 6Der Kläger hat am 29. Oktober 2020 Klage gegen diesen Bescheid erhoben und um die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht. Nach Ablauf der Absonderung haben die Beteiligten das einstweilige Rechtschutzverfahren übereinstimmend für erledigt erklärt. Mit Beschluss vom 9. November 2020 - 7 L 909/20 - hat die Kammer dem Kläger die Kosten des eingestellten Verfahrens mit der Begründung auferlegt, dass die Absonderung voraussichtlich rechtmäßig gewesen ist. 7Der Kläger verfolgt sein Begehren in der Hauptsache weiter und führt zur Begründung im Wesentlichen aus, er habe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Absonderung, da jederzeit mit einer Wiederholung gerechnet werden müsse, er sich mit der Absicht trage, Schadensersatzansprüche geltend zu machen, und ein besonders intensiver Grundrechtseingriff vorgelegen habe. Der Beklagte sei mangels Gefahr im Verzug schon nicht zuständig gewesen. Der zeitliche Ablauf - Abstrich erst am 20. und Absonderung erst unter dem 27. Oktober 2020 - spreche dagegen. Seine Eltern hätten sich einer Testung am 13. Oktober 2020 nicht verweigert. Bei der Abstrichnahme am 20. Oktober 2020 sei man lediglich ob des überfallartigen Auftretens misstrauisch gewesen, zumal sich die Mitarbeiter nicht ausgewiesen hätten. Eine Infektion sei nicht nachgewiesen. Ein positiver PCR-Test - zumal mit einem hier vorliegenden Ct-Wert von 36 - sei dazu nicht in der Lage, da nur das Vorhandensein von Erbmaterial, nicht aber entwicklungs- oder vermehrungsfähiger Viren nachgewiesen werde. Jedenfalls sei er nicht als Kranker anzusehen gewesen, da er keine Symptome gehabt habe. Bei einer vom Beklagten angenommenen maximalen Dauer der Infektiosität von 14 Tagen habe die Absonderung hier höchstens bis zum 23. Oktober 2020 erfolgen können, da der letzte Kontakt nur am 9. Oktober 2020 stattgefunden haben könne. 8Der Kläger beantragt, 9festzustellen, dass der Bescheid des Beklagten vom 24. Oktober 2020 rechtswidrig gewesen ist. 10Der Beklagte beantragt, 11die Klage abzuweisen. 12Er verteidigt seinen Bescheid und führt ergänzend aus, die Klage sei mangels Feststellungsinteresse bereits unzulässig. Es bestehe keine Wiederholungsgefahr, da sich die Quarantäneregeln geändert hätten. Eine behördliche Quarantäneanordnung werde es angesichts der Corona-Test-und-Quarantäneverordnung nicht mehr geben. Jedenfalls sei der Bescheid rechtmäßig ergangen. Es habe wegen der Verzögerung der Testung des Klägers Gefahr im Verzug vorgelegen. Der vorliegende PCR-Test stelle einen anerkannten Nachweis für eine Infektion des Klägers mit dem Virus SARS-CoV-2 dar. Die Dauer der Absonderung sei ermessensgerecht erfolgt. 13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gerichtsakten zu den Verfahren 7 L 909/20, 7 L 915/20 und 7 K 2802/20 und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten. 14Entscheidungsgründe: 15Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist bereits unzulässig. 16Zwar ist die Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft, denn bei der angegriffenen Absonderungsverfügung handelt es sich um einen Verwaltungsakt, der sich nach Klagerhebung - durch Zeitablauf - erledigt hat. 17Der Kläger verfügt aber nicht über das erforderliche berechtigte Interesse an der Feststellung, dass die Absonderungsverfügung rechtswidrig gewesen ist (§ 113 Abs. 1 Satz 4 aE VwGO). Ein solches Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein und sich insbesondere aus den Gesichtspunkten der konkreten Wiederholungsgefahr, der Rehabilitierung, der schwerwiegenden Grundrechtsbeeinträchtigung sowie der Präjudizwirkung für einen beabsichtigten Schadensersatzanspruch ergeben. Die gerichtliche Feststellung muss geeignet sein, die betroffene Position des Klägers zu verbessern. 18Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. November 2020 - 2 C 5.19 -, juris Rn. 13. 19Die vom Kläger vorgebrachten Gründe sind nicht geeignet, ein berechtigtes Interesse an der gerichtlichen Überprüfung der Absonderungsanordnung zu begründen. 20Der Kläger kann sich zunächst nicht auf eine konkrete Wiederholungsgefahr berufen. Die Annahme einer Wiederholungsgefahr setzt die konkret absehbare hinreichende Möglichkeit voraus, dass in naher Zukunft eine gleiche oder gleichartige Entscheidung oder Maßnahme zulasten des Klägers zu erwarten ist. Dabei müssen im Wesentlichen die gleichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse bestehen wie bei der erledigten Entscheidung oder Maßnahme. 21Vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. April 2008 - 1 WB 11.07 -, juris, Rn. 21; OVG NRW, Beschluss vom 30. Januar 2018 - 5 A 557/16 -, juris Rn. 12, m.w.N.; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 17. Januar 2022 - 29 K 7114/20 -, juris Rn. 36 f. 22Das ist hier nicht der Fall. Personen, deren PCR-Test positiv ausfällt, werden in Nordrhein-Westfalen auf absehbare Zeit primär unmittelbar durch § 14 Abs. 3 CoronaTestQuarantäneVO abgesondert. Insofern hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 24. Februar 2022 erklärt, dass für ihn in Zukunft kein Anlass für den Erlass einer erneuten behördlichen Absonderungsanordnung besteht. Der Einzelrichter hat keinen Anlass an dieser Aussage zu zweifeln. Selbst wenn der Beklagte dennoch eine individuelle Verfügung erlassen sollte, würden sich sowohl die rechtlichen als auch die tatsächlichen Gegebenheiten im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung derart von denen im Herbst 2020 unterscheiden, dass in absehbarer Zeit nicht mit einer entsprechenden Entscheidung des Beklagten zu rechnen ist. 23Vgl. zur Entwicklung nur VG Düsseldorf, a.a.O., Rn. 38 ff., m.w.N. 24Ein Rehabilitationsinteresse ist ebenfalls nicht ersichtlich. Dass sich aus der lediglich auf zufälligen Umständen beruhenden Absonderungsverfügung eine Stigmatisierung des Klägers ergibt, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen, ist nicht zu ersehen. 25Vgl. VG Düsseldorf, a.a.O., Rn. 29 ff. unter Bezugnahme auf BVerwG, Beschluss vom 14. Dezember 2018 - 6 B 133/18 -, juris Rn. 13, m.w.N. 26Soweit sich der Kläger aufgrund der Umstände der Testung durch das mobile Team des Beklagten stigmatisiert fühlt, folgt daraus kein Rehabilitationsinteresse hinsichtlich der Absonderung. Denn diesbezüglich handelt es sich um den Vollzug einer anderen Maßnahme, die ihre Grundlage nicht in dem angegriffenen Bescheid vom 24. Oktober 2020, sondern in dem - hier nicht streitgegenständlichen - Bescheid vom 16. Oktober 2020 fand. 27Dem Kläger steht auch kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zur Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses zu. Bei einer Fortsetzungsfeststellungklage, die der Vorbereitung einer zivilrechtlichen Klage auf Schadensersatz oder Entschädigung dienen soll, ist das Feststellungsinteresse zu bejahen, wenn ein solcher Prozess bereits anhängig, mit Sicherheit zu erwarten oder ernsthaft beabsichtigt ist, die begehrte Feststellung in diesem Verfahren erheblich und die Rechtsverfolgung nicht offensichtlich aussichtslos ist. Insoweit bedarf es hinreichender Darlegungen seitens des die Feststellung begehrenden Klägers. Hierzu gehört insbesondere, dass er die Behauptung eines eingetretenen Schadens durch Angaben zur Art des Schadens und zur annähernden Schadenshöhe substantiiert. 28Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. Juni 2021 - 15 A 363/20 -, juris Rn 8 f., m.w.N. 29Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Dass sich der Kläger nach seinem Vorbringen „mit der Absicht trägt“, materielle und immaterielle Schadensersatzansprüche geltend zu machen, lässt die notwendige Ernsthaftigkeit dieser Absicht nicht erkennen. Des Weiteren hat der Kläger seine vorgebrachte Absicht weder durch Angaben zur Art des Schadens noch zur annähernden Schadenshöhe substantiiert. 30Ein berechtigtes Feststellungsinteresse ergibt sich zuletzt nicht aus einem sich kurzfristig erledigenden, tiefgreifenden Grundrechtseingriff. Diesbezüglich führt das VG Düsseldorf, 31VG Düsseldorf, a.a.O., Rn. 49 ff., 32aus: 33„Die Art eines mit der Klage gerügten Eingriffs, insbesondere im grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, kann die Anerkennung eines Feststellungsinteresses rechtfertigen, wenn sich die unmittelbare Belastung durch den schwerwiegenden Hoheitsakt auf eine Zeitspanne beschränkt, in der die Entscheidung des Gerichts kaum zu erlangen ist. Hierzu zählen vor allem Feststellungsbegehren, die polizeiliche Maßnahmen zum Gegenstand haben. Darüber hinaus kann etwa auch für eine Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Speicherung personenbezogener Daten in einem vergangenen Zeitraum wegen des damit verbundenen tiefgreifenden Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) ein berechtigtes Interesse anzuerkennen sein, wenn sich dieses Rechtsschutzziel nicht in gleicher Weise durch die Geltendmachung eines Löschungsanspruchs erreichen lässt. 34Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Dezember 2018 - 6 B 133/18 - juris, Rn. 14. 35Zwar ergibt sich das fehlende Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung nicht bereits daraus, dass es ihr möglich war, Eilrechtsschutz zu suchen und somit eine gerichtliche Überprüfung einzuleiten. 36A.A. VG Augsburg, Urteil vom 26. April 2021 - Au 9 K 21.70 - juris, Rn. 31. 37Denn Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährt einen Anspruch auf Rechtsschutz in der Hauptsache und nicht nur auf Rechtsschutz im Eilverfahren. 38BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 - juris, Rn. 29 ff. 39Bei der häuslichen Quarantäne, wie sie hier angeordnet wurde, liegt jedoch keine mit den oben genannten Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe vergleichbare Fallkonstellation vor. 40Anders als die so genannte Zwangsabsonderung nach § 30 Abs. 2 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) setzt die häusliche Absonderung nach § 30 Abs. 1 IfSG die Freiwilligkeit des Betroffenen im Sinne seiner Einsicht in das Notwendige und der Bereitschaft, der Absonderungsanordnung (vgl. Rn. 7) Folge zu leisten, voraus, 41BT-Drucksache 14/2530, S. 75; Gerhardt, IfSG, 5. Aufl., § 30 Rn. 1, 42und begründet deshalb mangels physischer Zwangswirkungen keinen Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Bewegungsfreiheit. 43Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Juli 2020 - 13 B 968/20.NE -, juris Rn. 41, m.w.N.; VG Augsburg, Urteil vom 26. April 2021 - Au 9 K 21.70 - juris, Rn. 36 f.; Erbs/Kohlhaas/Lutz IfSG § 30 Rn. 2; Gerhardt, IfSG, 5. Aufl., § 30 Rn. 1; ähnlich: OVG Niedersachsen, Beschluss vom 5. Juni 2020 - 13 MN 195/20 -, juris, Rn. 38 (Freiheitsbeschränkung, aber keine Freiheitsentziehung); a. M. VG Hamburg, Beschluss vom 13. Mai 2020 - 15 E 1967/20 -, juris, Rn. 35 (Freiheitsentziehung oder zumindest Freiheitsbeschränkung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und 104 Abs. 1 GG); BeckOK InfSchR/Johann/Gabriel IfSG § 30 Rn. 2 (besonders intensiver Grundrechtseingriff). 44Soweit ein Verstoß gegen die Absonderungspflicht bußgeldbewährt ist, kann dies zwar eine psychische Zwangswirkung auf die Betroffenen ausüben. Die Verpflichtung wird aber nicht durch weitere Vorkehrungen begleitet, die einen zur Eröffnung des Schutzbereichs des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG erforderlichen physischen Zwang bewirken könnten. 45OVG NRW, Beschluss vom 13. Juli 2020 - 13 B 968/20.NE -, juris Rn. 42; VG Augsburg, Urteil vom 26. April 2021 - Au 9 K 21.70 - juris, Rn. 36.“ 46Diesen Ausführungen schließt sich der erkennende Einzelrichter nach eigenständiger Würdigung an. Der vorliegende Einzelfall rechtfertigt keine andere Bewertung. Es ist nicht ersichtlich, dass die wenige Tage andauernde häusliche Absonderung den damals vierjährigen Kläger in besonderem Maße beeinträchtigt haben könnte. 47Dass der Kläger damit im Ergebnis die Rechtmäßigkeit der Absonderungsverfügung nicht in einem Hauptsachverfahren überprüfen lassen kann, folgt aus § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO. Dies ist auch unter Berücksichtigung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht zu beanstanden, denn im Rahmen dieser anerkannten Fallgruppe ist ein schwerwiegender - kein einfacher - Grundrechtseingriffe erforderlich, 48vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 -, juris, Rn. 36 ff., 49der hier nach den obigen Ausführungen nicht vorliegt. 50Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
die klage wird abgewiesen. der kläger trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der kläger darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht der beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1
2der kläger besuchte im oktober 2020 die b.-kita in m. . am 10. oktober 2020 erfuhr der beklagte, dass eine der dort tätigen erzieherinnen positiv auf das virus sars-cov-2 getestet wurde. nach angaben der leitung gegenüber dem beklagten hatte der kläger am tag vor bekanntwerden des testergebnisses engen kontakt zu dieser erzieherin. 3mit bescheid vom 13. oktober 2020 - den eltern am 15. oktober 2020 zugegangen - ordnete der beklagte die absonderung des klägers in häusliche quarantäne sowie die beobachtung des klägers vom 12. oktober 2020 bis zum 22. oktober 2020 an. am selben tag sollte der kläger auf das virus sars-cov-2 getestet werden, die testung fand jedoch nicht statt. 4unter dem 16. oktober 2020 gab der beklagte den eltern des klägers mit gesondertem bescheid auf, beim kläger einen schleimhautabstrich zur durchführung einer pcr-testung zur klärung einer infizierung mit dem coronavirus sars-cov-2 vornehmen zu lassen. der abstich wurde am 20. oktober 2020 durch ein mobiles team des beklagten entnommen. laut ärztlichem befundbericht vom 22. oktober 2020 war die probe positiv. 5daraufhin ordnete der beklagte noch am selben tag gegenüber den eltern mündlich die absonderung des klägers in häusliche quarantäne sowie die beobachtung durch das gesundheitsamt für den zeitraum vom 22. oktober 2020 bis zum 1. november 2020 an. die anordnung wurde mit bescheid vom 24. oktober 2020 - den eltern zugegangen am 27. oktober 2020 - bestätigt. zur begründung führte der beklagte aus, der kläger habe sich mit dem coronavirus sars-cov-2 infiziert und werde daher als kranker abgesondert. die dauer der absonderung ergebe sich aus der maximalen dauer der infektiosität. der beklagte sei wegen gefahr im verzug zuständig. 6der kläger hat am 29. oktober 2020 klage gegen diesen bescheid erhoben und um die gewährung einstweiligen rechtsschutzes nachgesucht. nach ablauf der absonderung haben die beteiligten das einstweilige rechtschutzverfahren übereinstimmend für erledigt erklärt. mit beschluss vom 9. november 2020 - 7 l 909/20 - hat die kammer dem kläger die kosten des eingestellten verfahrens mit der begründung auferlegt, dass die absonderung voraussichtlich rechtmäßig gewesen ist. 7der kläger verfolgt sein begehren in der hauptsache weiter und führt zur begründung im wesentlichen aus, er habe ein berechtigtes interesse an der feststellung der rechtswidrigkeit der absonderung, da jederzeit mit einer wiederholung gerechnet werden müsse, er sich mit der absicht trage, schadensersatzansprüche geltend zu machen, und ein besonders intensiver grundrechtseingriff vorgelegen habe. der beklagte sei mangels gefahr im verzug schon nicht zuständig gewesen. der zeitliche ablauf - abstrich erst am 20. und absonderung erst unter dem 27. oktober 2020 - spreche dagegen. seine eltern hätten sich einer testung am 13. oktober 2020 nicht verweigert. bei der abstrichnahme am 20. oktober 2020 sei man lediglich ob des überfallartigen auftretens misstrauisch gewesen, zumal sich die mitarbeiter nicht ausgewiesen hätten. eine infektion sei nicht nachgewiesen. ein positiver pcr-test - zumal mit einem hier vorliegenden ct-wert von 36 - sei dazu nicht in der lage, da nur das vorhandensein von erbmaterial, nicht aber entwicklungs- oder vermehrungsfähiger viren nachgewiesen werde. jedenfalls sei er nicht als kranker anzusehen gewesen, da er keine symptome gehabt habe. bei einer vom beklagten angenommenen maximalen dauer der infektiosität von 14 tagen habe die absonderung hier höchstens bis zum 23. oktober 2020 erfolgen können, da der letzte kontakt nur am 9. oktober 2020 stattgefunden haben könne. 8der kläger beantragt, 9festzustellen, dass der bescheid des beklagten vom 24. oktober 2020 rechtswidrig gewesen ist. 10der beklagte beantragt, 11die klage abzuweisen. 12er verteidigt seinen bescheid und führt ergänzend aus, die klage sei mangels feststellungsinteresse bereits unzulässig. es bestehe keine wiederholungsgefahr, da sich die quarantäneregeln geändert hätten. eine behördliche quarantäneanordnung werde es angesichts der corona-test-und-quarantäneverordnung nicht mehr geben. jedenfalls sei der bescheid rechtmäßig ergangen. es habe wegen der verzögerung der testung des klägers gefahr im verzug vorgelegen. der vorliegende pcr-test stelle einen anerkannten nachweis für eine infektion des klägers mit dem virus sars-cov-2 dar. die dauer der absonderung sei ermessensgerecht erfolgt. 13wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird bezug genommen auf den inhalt der gerichtsakte, der gerichtsakten zu den verfahren 7 l 909/20, 7 l 915/20 und 7 k 2802/20 und der beigezogenen verwaltungsvorgänge des beklagten. 14
15die klage hat keinen erfolg. sie ist bereits unzulässig. 16zwar ist die fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 abs. 1 satz 4 vwgo statthaft, denn bei der angegriffenen absonderungsverfügung handelt es sich um einen verwaltungsakt, der sich nach klagerhebung - durch zeitablauf - erledigt hat. 17der kläger verfügt aber nicht über das erforderliche berechtigte interesse an der feststellung, dass die absonderungsverfügung rechtswidrig gewesen ist (§ 113 abs. 1 satz 4 ae vwgo). ein solches interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller natur sein und sich insbesondere aus den gesichtspunkten der konkreten wiederholungsgefahr, der rehabilitierung, der schwerwiegenden grundrechtsbeeinträchtigung sowie der präjudizwirkung für einen beabsichtigten schadensersatzanspruch ergeben. die gerichtliche feststellung muss geeignet sein, die betroffene position des klägers zu verbessern. 18vgl. bverwg, urteil vom 12. november 2020 - 2 c 5.19 -, juris rn. 13. 19die vom kläger vorgebrachten gründe sind nicht geeignet, ein berechtigtes interesse an der gerichtlichen überprüfung der absonderungsanordnung zu begründen. 20der kläger kann sich zunächst nicht auf eine konkrete wiederholungsgefahr berufen. die annahme einer wiederholungsgefahr setzt die konkret absehbare hinreichende möglichkeit voraus, dass in naher zukunft eine gleiche oder gleichartige entscheidung oder maßnahme zulasten des klägers zu erwarten ist. dabei müssen im wesentlichen die gleichen tatsächlichen und rechtlichen verhältnisse bestehen wie bei der erledigten entscheidung oder maßnahme. 21vgl. bverwg, beschluss vom 29. april 2008 - 1 wb 11.07 -, juris, rn. 21; ovg nrw, beschluss vom 30. januar 2018 - 5 a 557/16 -, juris rn. 12, m.w.n.; vg düsseldorf, gerichtsbescheid vom 17. januar 2022 - 29 k 7114/20 -, juris rn. 36 f. 22das ist hier nicht der fall. personen, deren pcr-test positiv ausfällt, werden in nordrhein-westfalen auf absehbare zeit primär unmittelbar durch § 14 abs. 3 coronatestquarantänevo abgesondert. insofern hat der beklagte mit schriftsatz vom 24. februar 2022 erklärt, dass für ihn in zukunft kein anlass für den erlass einer erneuten behördlichen absonderungsanordnung besteht. der einzelrichter hat keinen anlass an dieser aussage zu zweifeln. selbst wenn der beklagte dennoch eine individuelle verfügung erlassen sollte, würden sich sowohl die rechtlichen als auch die tatsächlichen gegebenheiten im insoweit maßgeblichen zeitpunkt der mündlichen verhandlung derart von denen im herbst 2020 unterscheiden, dass in absehbarer zeit nicht mit einer entsprechenden entscheidung des beklagten zu rechnen ist. 23vgl. zur entwicklung nur vg düsseldorf, a.a.o., rn. 38 ff., m.w.n. 24ein rehabilitationsinteresse ist ebenfalls nicht ersichtlich. dass sich aus der lediglich auf zufälligen umständen beruhenden absonderungsverfügung eine stigmatisierung des klägers ergibt, die geeignet ist, sein ansehen in der öffentlichkeit oder im sozialen umfeld herabzusetzen, ist nicht zu ersehen. 25vgl. vg düsseldorf, a.a.o., rn. 29 ff. unter bezugnahme auf bverwg, beschluss vom 14. dezember 2018 - 6 b 133/18 -, juris rn. 13, m.w.n. 26soweit sich der kläger aufgrund der umstände der testung durch das mobile team des beklagten stigmatisiert fühlt, folgt daraus kein rehabilitationsinteresse hinsichtlich der absonderung. denn diesbezüglich handelt es sich um den vollzug einer anderen maßnahme, die ihre grundlage nicht in dem angegriffenen bescheid vom 24. oktober 2020, sondern in dem - hier nicht streitgegenständlichen - bescheid vom 16. oktober 2020 fand. 27dem kläger steht auch kein fortsetzungsfeststellungsinteresse zur vorbereitung eines amtshaftungsprozesses zu. bei einer fortsetzungsfeststellungklage, die der vorbereitung einer zivilrechtlichen klage auf schadensersatz oder entschädigung dienen soll, ist das feststellungsinteresse zu bejahen, wenn ein solcher prozess bereits anhängig, mit sicherheit zu erwarten oder ernsthaft beabsichtigt ist, die begehrte feststellung in diesem verfahren erheblich und die rechtsverfolgung nicht offensichtlich aussichtslos ist. insoweit bedarf es hinreichender darlegungen seitens des die feststellung begehrenden klägers. hierzu gehört insbesondere, dass er die behauptung eines eingetretenen schadens durch angaben zur art des schadens und zur annähernden schadenshöhe substantiiert. 28vgl. ovg nrw, beschluss vom 28. juni 2021 - 15 a 363/20 -, juris rn 8 f., m.w.n. 29diese voraussetzungen liegen nicht vor. dass sich der kläger nach seinem vorbringen „mit der absicht trägt“, materielle und immaterielle schadensersatzansprüche geltend zu machen, lässt die notwendige ernsthaftigkeit dieser absicht nicht erkennen. des weiteren hat der kläger seine vorgebrachte absicht weder durch angaben zur art des schadens noch zur annähernden schadenshöhe substantiiert. 30ein berechtigtes feststellungsinteresse ergibt sich zuletzt nicht aus einem sich kurzfristig erledigenden, tiefgreifenden grundrechtseingriff. diesbezüglich führt das vg düsseldorf, 31vg düsseldorf, a.a.o., rn. 49 ff., 32aus: 33„die art eines mit der klage gerügten eingriffs, insbesondere im grundrechtlich geschützten bereich, verbunden mit dem durch art. 19 abs. 4 gg garantierten anspruch auf effektiven rechtsschutz, kann die anerkennung eines feststellungsinteresses rechtfertigen, wenn sich die unmittelbare belastung durch den schwerwiegenden hoheitsakt auf eine zeitspanne beschränkt, in der die entscheidung des gerichts kaum zu erlangen ist. hierzu zählen vor allem feststellungsbegehren, die polizeiliche maßnahmen zum gegenstand haben. darüber hinaus kann etwa auch für eine feststellung der rechtswidrigkeit einer speicherung personenbezogener daten in einem vergangenen zeitraum wegen des damit verbundenen tiefgreifenden eingriffs in das persönlichkeitsrecht (art. 2 abs. 1 i.v.m. art. 1 abs. 1 gg) ein berechtigtes interesse anzuerkennen sein, wenn sich dieses rechtsschutzziel nicht in gleicher weise durch die geltendmachung eines löschungsanspruchs erreichen lässt. 34vgl. bverwg, beschluss vom 14. dezember 2018 - 6 b 133/18 - juris, rn. 14. 35zwar ergibt sich das fehlende interesse der klägerin an der begehrten feststellung nicht bereits daraus, dass es ihr möglich war, eilrechtsschutz zu suchen und somit eine gerichtliche überprüfung einzuleiten. 36a.a. vg augsburg, urteil vom 26. april 2021 - au 9 k 21.70 - juris, rn. 31. 37denn art. 19 abs. 4 satz 1 gg gewährt einen anspruch auf rechtsschutz in der hauptsache und nicht nur auf rechtsschutz im eilverfahren. 38bverfg, beschluss vom 3. märz 2004 - 1 bvr 461/03 - juris, rn. 29 ff. 39bei der häuslichen quarantäne, wie sie hier angeordnet wurde, liegt jedoch keine mit den oben genannten fällen tiefgreifender grundrechtseingriffe vergleichbare fallkonstellation vor. 40anders als die so genannte zwangsabsonderung nach § 30 abs. 2 des gesetzes zur verhütung und bekämpfung von infektionskrankheiten beim menschen (infektionsschutzgesetz - ifsg) setzt die häusliche absonderung nach § 30 abs. 1 ifsg die freiwilligkeit des betroffenen im sinne seiner einsicht in das notwendige und der bereitschaft, der absonderungsanordnung (vgl. rn. 7) folge zu leisten, voraus, 41bt-drucksache 14/2530, s. 75; gerhardt, ifsg, 5. aufl., § 30 rn. 1, 42und begründet deshalb mangels physischer zwangswirkungen keinen eingriff in das grundrecht auf körperliche bewegungsfreiheit. 43vgl. ovg nrw, beschluss vom 13. juli 2020 - 13 b 968/20.ne -, juris rn. 41, m.w.n.; vg augsburg, urteil vom 26. april 2021 - au 9 k 21.70 - juris, rn. 36 f.; erbs/kohlhaas/lutz ifsg § 30 rn. 2; gerhardt, ifsg, 5. aufl., § 30 rn. 1; ähnlich: ovg niedersachsen, beschluss vom 5. juni 2020 - 13 mn 195/20 -, juris, rn. 38 (freiheitsbeschränkung, aber keine freiheitsentziehung); a. m. vg hamburg, beschluss vom 13. mai 2020 - 15 e 1967/20 -, juris, rn. 35 (freiheitsentziehung oder zumindest freiheitsbeschränkung im sinne von art. 2 abs. 2 satz 2 und 104 abs. 1 gg); beckok infschr/johann/gabriel ifsg § 30 rn. 2 (besonders intensiver grundrechtseingriff). 44soweit ein verstoß gegen die absonderungspflicht bußgeldbewährt ist, kann dies zwar eine psychische zwangswirkung auf die betroffenen ausüben. die verpflichtung wird aber nicht durch weitere vorkehrungen begleitet, die einen zur eröffnung des schutzbereichs des art. 2 abs. 2 satz 2 gg erforderlichen physischen zwang bewirken könnten. 45ovg nrw, beschluss vom 13. juli 2020 - 13 b 968/20.ne -, juris rn. 42; vg augsburg, urteil vom 26. april 2021 - au 9 k 21.70 - juris, rn. 36.“ 46diesen ausführungen schließt sich der erkennende einzelrichter nach eigenständiger würdigung an. der vorliegende einzelfall rechtfertigt keine andere bewertung. es ist nicht ersichtlich, dass die wenige tage andauernde häusliche absonderung den damals vierjährigen kläger in besonderem maße beeinträchtigt haben könnte. 47dass der kläger damit im ergebnis die rechtmäßigkeit der absonderungsverfügung nicht in einem hauptsachverfahren überprüfen lassen kann, folgt aus § 113 abs. 1 satz 4 vwgo. dies ist auch unter berücksichtigung von art. 19 abs. 4 satz 1 gg nicht zu beanstanden, denn im rahmen dieser anerkannten fallgruppe ist ein schwerwiegender - kein einfacher - grundrechtseingriffe erforderlich, 48vgl. bverfg, beschluss vom 3. märz 2004 - 1 bvr 461/03 -, juris, rn. 36 ff., 49der hier nach den obigen ausführungen nicht vorliegt. 50die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 1 vwgo. die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit findet ihre grundlage in § 167 vwgo i.v.m. §§ 708 nr. 11, 711 zpo.
344,945
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7 K 884/21
2022-03-31T00:00:00
Urteil
Tenor Die verkehrsrechtlichen Anordnungen des Beklagten vom 6. November 1981 und vom 13. August 1982, durch die für die M.-----straße 701 (Q.------straße ) zwischen der Einmündung der Straße P.--ring in C1. und der Einmündung der Straße T. die Beschilderung der Verkehrszeichen 255 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO – Untersagung der Verkehrsteilnahme, Verbot für Krafträder, auch mit Beiwagen, Kleinkrafträder und Mofas – angeordnet wurde, und die diese Anordnungen umsetzenden aufgestellten Verkehrszeichen 255 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO werden aufgehoben. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1cht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 2Tatbestand: 3Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der verkehrsrechtlichen Anordnungen des Beklagten vom 6. November 1981 und vom 13. August 1982, durch die für die M.-----straße 701 (Q.------straße ) zwischen der Einmündung der Straße P.--ring in C1. und der Einmündung der Straße T. (im Folgenden: L 701) die Beschilderung der Verkehrszeichen 255 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) – Untersagung der Verkehrsteilnahme, Verbot für Krafträder, auch mit Beiwagen, Kleinkrafträder und Mofas – angeordnet und durch deren Aufstellung umgesetzt wurden. 4Die in jede Fahrtrichtung einspurig verlaufende L 701, die nur teilweise und teils auch nur einseitig über Randstreifen verfügt, verbindet die Stadt C1. mit dem Ortsteil I. -Q1. . Sie weist hinter der Einmündung des P1.--rings in C1. in Fahrtrichtung I. auf einer Länge von etwa 2 km mehr als 15 kurz aufeinander folgende Kurven, teilweise mit relativ engem Radius auf, wobei sich darunter kurz vor der Einmündung in die Straße T. zwei Kurven von jeweils etwa 180 Grad („S-Kurve“) befinden; in dieser S-Kurve wurde – ebenso wie im weiteren Verlauf der Straße – eine Bushaltestelle angelegt. In den Kurven sind teilweise Leitplanken vorhanden, in der S-Kurve auch mit Richtungstafeln. Nach Aktenlage beträgt die Oberkante der Leitplanken maximal 0,75 m. Der Höhenunterschied zwischen der Einmündung der Straße P.--ring (ca. 374 m) und der Einmündung der Straße T. (ca. 286 m) beträgt ca. 90 m. 5Ausweislich der Niederschrift über die Sitzung der Stadtvertretung C1. vom 11. November 1980 wurde die neu ausgebaute Q.------straße insbesondere durch pendelnde Motorradfahrer in Gruppen mit überhöhter Geschwindigkeit genutzt, wodurch Geräuschbelästigungen verursacht wurden, die Anlass für Beschwerden waren. Nach einem Vermerk des Beklagten vom 17. Februar 1981 haben die Polizeistation T. /F. und der Verkehrsdienst im Zuge einer verstärkten Streifentätigkeit verkehrsgerechtes Verhalten der Zweiradfahrer durchgesetzt. Der Beklagte führte mit an das Landesstraßenbauamt (damaliger Straßenbaulastträger) gerichteten Schreiben vom 29. April 1981 aus, dass in dem hier interessierenden Bereich ein sehr starkes Unfallgeschehen zu verzeichnen sei, an dem ausschließlich Motorradfahrer beteiligt seien, wobei sich diese Unfälle nur an Sonn- und Feiertagen ereignet hätten. Die Unfälle seien darauf zurück zu führen, dass die Strecke als Rennstrecke genutzt werde, wobei sich die L 701 bedingt durch den Ausbau und die kurvenreiche Streckenführung anbiete. Als wirksame verkehrsregelnde Maßnahme komme nur eine Sperrung der L 701 für Motorräder in Betracht; Maßnahmen wie z. B. die Einrichtung einer Geschwindigkeitsbegrenzung, einer Überholverbotsstrecke oder die Ausschilderung der Kurven durch Richtungstafeln hätten keinen Rückgang der Unfallzahlen zur Folge gehabt, da die Motorradfahrer die Strecke als Rennstrecke benutzen und die vorgenannten Maßnahmen nicht beachten würden. Daher wurde eine probeweise Sperrung für Motorräder an Sonn- und Feiertagen geplant. Das frühere Landesstraßenbauamt hielt in seiner Antwort vom 12. Juni 1981 die Sperrung auf Dauer nicht für vertretbar. 6Der Beklagte ordnete gegenüber dem früheren Landesstraßenbauamt mit Schreiben vom 12. Juni 1981 die Aufstellung von Zeichen 255 StVO mit dem Zusatzzeichen 813 StVO mit der Aufschrift „an Sonn- und Feiertagen“ auf der L 701 zwischen C1. und I. -Q1. an. Dort ist ausgeführt, dass bekannt sei, dass die L 701 sehr viele topografische Warneffekte (enge Kurven, starkes Gefälle) aufweise, so dass bei angepasster Fahrweise keine Verkehrsunfälle passieren dürften. Das Problem liege allerdings einzig und allein in dem Fehlverhalten der Motorradfahrer, die die kurvenreiche Strecke für Fahrübungen ausnutzen würden. Die einzige Möglichkeit, die dort vorhandenen Unfälle auszuschließen, könne daher nur die Sperrung der L 701 für Motorräder sein. 7In dem Zeitraum vom 1. Januar 1981 bis 9. Juli 1981 wurden durch den Beklagten ausweislich der Meldung vom 15. Juli 1981 insgesamt neun Unfälle mit Krädern, davon ein Unfall mit einem Toten und acht Unfälle mit Verletzten (in vier Fällen Schwerverletzte, in fünf Fällen leicht Verletzte), davon sieben bzw. zwei Unfälle aus der gleichen Bewegungsrichtung. Als Unfallart wurde Unfallart 8/9 (Abkommen von der Fahrbahn nach rechts/links) angegeben. Die Unfälle ereigneten sich ausweislich der Meldung unter gleichen Umständen, weil die Fahrgeschwindigkeit dem kurvenreichen Verlauf der Straße nicht angepasst wurde. 8Im Einzelnen:7.3. (Samstag, gegen 10:10 Uhr,) C1. – I. , Unfallursache 11 (Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot)/13 (nicht angepasste Geschwindigkeit in anderen Fällen), Straßenglätte, 1 Leichtverletzter, 912.4. (Sonntag, gegen 15:10 Uhr) C1. – I. , Unfallursache, 11/13, 1 Schwerverletzter, 1012.4. (Sonntag, gegen 16:40 Uhr) I. – C1. , Unfallursache 11/13, 1 Leichtverletzter, 1120.4. (Ostermontag, gegen 13:30 Uhr) C1. – I. , Unfallursache 13, 1 Schwerverletzte, 1226.4. (Sonntag, gegen 19:40 Uhr) C1. – I. , Unfallursache 13, 1 Schwerverletzter, 1 Leichtverletzter, 1310.5. (Sonntag, gegen 20:25 Uhr) C1. – I. , Unfallursache 13, 1 Leichtverletzter, 1421.5. (Donnerstag, gegen 21:15 Uhr) I. – C1. , Unfallursache 13, 1 Leichtverletzter, 151.6. (Montag, gegen 20:10 Uhr) C1. – I. , Unfallursache 13, 1 Schwerverletzter, 169.7. (Donnerstag, gegen 21:00 Uhr) I. – C1. , Unfallursache 13, 1 Toter. 17Ein Unfall ereignete sich im Bereich der „S-Kurve“ in der Nähe der Einmündung in die Straße T. , sieben Unfälle ereigneten sich von C1. aus gesehen in dem Kurvenbereich vor der „S-Kurve“. 18Mit verkehrsrechtlicher Anordnung vom 7. Juli 1981 wurde die L 701 für Kradfahrer an Sonn- und Feiertagen zunächst auf Probe für die Dauer von drei Monaten gesperrt. Mit verkehrsrechtlicher Anordnung vom 6. November 1981 wurde diese Sperrung endgültig angeordnet, da sich im Zeitraum der probeweisen Sperrung keine weiteren Unfälle mit Motorrädern ereignet hätten und auch keine Beschwerden gegen die probeweise Sperrung vorgebracht worden seien. 19Die Unfalllage im Jahr 1982 stellte sich ausweislich eines Schreibens der Kreispolizeibehörde vom 4. August 1982 in Bezug auf Krafträder wie folgt dar. 2014.3. (Sonntag, gegen 17:20 Uhr) C1. – I. , Unfallursache 13, 14, 1 Leichtverletzter, 1 Schwerverletzter, 2122.4. (Donnerstag, gegen 18:00 Uhr) I. – C1. , Unfallursache 13, 1 Leichtverletzter, 2218.5. (Dienstag, gegen 16:43 Uhr) bergwärts, Unfallursache 13, 1 Schwerverletzter, 2322.7. (Donnerstag, gegen 20:20 Uhr) C1. – I. , Unfallursache 13, 1 Schwerverletzter, 2430.7. (Montag, gegen 21:00 Uhr), nördliche Richtung, Unfallursache 13, 1 Leichtverletzter, 253.8. (Dienstag, gegen 16:50 Uhr) C1. – I. , Unfallursache 86: Wild auf der Fahrbahn, 1 Toter. 26Mit verkehrsrechtlicher Anordnung vom 13. August 1982 wurde die Sperrung der L 701 für Kradfahrer für alle Wochentage angeordnet und am 2. September 1982 umgesetzt. 27Ausweislich einer Stellungnahme der Polizeistation T1. /F. vom 6. Januar 1989 waren die Kradunfälle besonders folgenschwer, wenn die gestürzten Kradfahrer wegen der hohen Geschwindigkeit gegen bzw. unter die Leitplanken katapultiert wurden. Der Freiraum zwischen der Unterkante der Leitplanken und der Oberfläche des Randstreifens habe durchschnittlich 55 bis 65 cm betragen. Ein über die Fahrbahn schleudernder Kradfahrer rutsche somit unter der Leitplanke her. Nach den geltenden Richtlinien seien die Leitplanken zu hoch angebracht. 28Die Kreispolizeibehörde teilte mit Schreiben vom 19. Januar 1989 diese Einschätzung und führte aus, dass erst eine zweite Leitplanke in den Kurvenbereichen verhindern könne, dass die Kradfahrer unter den Leitplanken hindurchrutschen und sich lebensgefährliche oder gar tödliche Verletzungen zuzögen. 29Der Kläger befuhr eigenen Angaben zufolge erstmals im Sommer 2020, aber auch am 26. März 2021 mit seinem Krad die L 701 und wurde durch die entsprechende Beschilderung an einer Weiterfahrt gehindert. Er beabsichtigt, die Strecke tatsächlich zu befahren und muss durch die Sperrung Umwege in Kauf nehmen. 30Am 3. April 2021 hat der Kläger Klage erhoben und gleichzeitig einen einstweiligen Rechtsschutzantrag gestellt, den das erkennende Gericht mit Beschluss vom 19. Mai 2021 (Az: 7 L 274/21) abgelehnt hat, soweit der Beklagte betroffen war. Die hiergegen erhobene Beschwerde des Klägers (Az. 8 B 975/21) blieb erfolglos. 31Im Nachgang zu dem Eilverfahren führten Vertreter der Polizei, der Bezirksregierung, des Landesbetriebs Straßenbau NRW, der Stadt I. und des Beklagten am 22. Oktober 2021 ein Gespräch betreffend die Sperrung der L 701 für Krafträder. Auf Anforderung des Gerichts übersandte der Beklagte den hierüber gefertigten Vermerk. 32Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger vor: 33Er sei klagebefugt. Die Voraussetzungen für eine Streckensperrung seien nicht gegeben. Gründe der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs würden diese Maßnahme nicht gebieten. Er bestreite, dass ein Unfallschwerpunkt vorliege. Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO lägen nicht vor. Die dort geforderte besondere konkrete Gefahrenlage ergäbe sich weder aus den Verwaltungsvorgängen, noch aus den verkehrsrechtlichen Anordnungen. Der wenig konkrete Vortrag, dass der Abschnitt durch enge Kurven und ein starkes Gefälle gekennzeichnet sei, reiche nicht aus, um daraus die besonderen örtlichen Verhältnisse oder aber ein bestimmtes Streckenprofil zu belegen, welches gerade zu einem risikoreichen Fahrstil verleitete. Er könne nicht der pauschalen Annahme folgen, dass der Trassenverlauf – mehr als im allgemeinen Straßenverkehr üblich – Motorradfahrer anziehe und zur vorschriftswidrigen Fahrweise herausfordere. Der Verwaltungsvorgang enthalte insoweit im Wesentlichen allgemeine Behauptungen. Auch der Umstand, dass private Rennen durchgeführt würden, sei nicht belegt. Das Abstellen auf die Zahl der Verkehrsunfälle unter Beteiligung von Krafträdern und der Schwere der Verletzungen der Verunfallten rechtfertige nicht die Annahme, dass auf diesem Streckenabschnitt ein durch besondere örtliche Verhältnisse bedingtes weiteres Schadensrisiko bestehe. Die bloße Auflistung der Anzahl von Verkehrsunfällen ohne das Hinzuziehen weiterer straßenverkehrsbezogener Aspekte sei nicht geeignet, ein gerade für die Benutzung mit Krafträdern aus besonderen örtlichen Verhältnissen abzuleitendes erhöhtes Schadensrisiko hinreichend plausibel zu belegen. Es sei auch unzulässig, aus dem Ergebnis der Streckensperrung allein auf das Vorliegen der Voraussetzungen zu schließen. Es verstehe sich von selbst, dass in den Jahren der Streckensperrung keine Motorradunfälle passiert seien. Angaben über Unfälle anderer Verkehrsteilnehmer habe die Beklagte im Übrigen nicht gemacht. Die pauschale Bezugnahme auf Unfallstatistiken der achtziger Jahre erscheine problematisch, weil objektive Erhebungen über den Umfang des Motorradverkehrs weder in den achtziger Jahren noch darauffolgend getroffen worden seien. Diese seien aber erforderlich, um feststellen zu können, ob die Behauptung richtig sei, dass sich überdurchschnittlich viele Motorradunfälle ereignet hätten. In der Vergangenheit habe auch der Landschaftsverband X. -M1. mit Schreiben vom 12. Juni 1981 Bedenken gegen die Sperrung erhoben. Ausweislich der Verwaltungsvorgänge sei die Aufhebung der Streckensperrung unter der Voraussetzung gefordert worden, dass weitere Schutzplanken (zweite Leitplanke) angebracht würden. Warum dies nicht in nahezu 40 Jahren geschehen sei, sei nicht nachvollziehbar; dies insbesondere deshalb, weil die Leitplanken ausweislich der Verwaltungsvorgänge zu hoch angebracht worden seien. Es sei daher zwingend geboten, die Leitplanken zu erneuern und durch doppelte Leitplanken zu ersetzen. 34Die Streckensperrung sei auch unverhältnismäßig und damit ermessensfehlerhaft. Sofern in diesem Bereich vor der Sperrung Streckengeschwindigkeitskontrollen durchgeführt worden sein sollten, dürften diese nach seiner Ansicht keinen besonders hohen Anteil der ausgesperrten Verkehrsteilnehmer ergeben haben. Mildere Maßnahmen seien nicht in den Blick genommen worden. So könnten etwa doppelte Leitplanken installiert werden oder aber die Schutzplankenpfosten mit Anpralldämpfern versehen werden. Da der Beklagte die Sperrung insbesondere damit begründe, dass die Unfälle deshalb so folgenschwer gewesen seien, weil Kradfahrer, wenn sie im Kurvenbereich zu Fall kämen, angeblich fast zwangsläufig gegen einen Leitplankenpfosten geschleudert würden, so wäre es gerade zwingend geboten gewesen, Maßnahmen zu ergreifen, um solche schweren Verletzungen zu verhindern. Dies lasse sich technisch ohne weiteres durch Kunststoffummantelungen der Leitplankenpfähle oder noch besser durch eine zweite untere Leitplanke bewerkstelligen. Im Jahr 1988 habe die Beklagte eine vorgeschlagene kostenfreie Montierung von Anpralldämpfern abgelehnt. Systeme, die die bisher vorhandenen Leitplanken entschärfen könnten, seien durchaus günstiger als die im Vermerk aus Oktober 2021 veranschlagten 50.000 bis 80.000 € zu bekommen. In Betracht komme zudem die Anbringung von sogenannten quer zur Fahrbahn verlaufenden Rüttelstreifen, die wirkungsvoll und kostengünstig seien. Diese Maßnahme sei ein ohne weiteres geeignetes Mittel, die Strecke für die kritischen Fahrweisen einzelner Verkehrsteilnehmer weitgehend uninteressant zu machen und dadurch die Gefahr bereits des Entstehens von Unfällen hinreichend zu minimieren. Zudem könnten an der Mittellinie verlaufende Leitschwellen eingebaut werden. Diese würden das Fahren auf die Gegenfahrbahn und damit das Kurvenschneiden verhindern. Die Annahme des Beklagten, dass in Motorradkreisen bekannt sei, dass bei Rüttelstreifen schneller gefahren werde, um die Auswirkungen des Rüttelns zu minimieren, sei falsch, nicht belegbar und abwegig. Gerade Rüttelstreifen seien in Verbindung mit zum Beispiel Geschwindigkeitsbeschränkungen und anderen von ihm genannten Maßnahmen geeignete, aber weniger einschneidende Maßnahmen. Zudem kämen auch Geschwindigkeitsbegrenzungen – ggf. beschränkt auf Zweiradfahrer – und die Anbringung des Verkehrszeichens 295 (Fahrstreifenbegrenzung) in Betracht. Nicht nachvollziehbar sei, warum das Aufstellen von Halteverbotsschildern entlang der Strecke, das ebenfalls im Rahmen des Gespräches im Oktober 2021 besprochen worden sei, nicht kurzfristig umgesetzt werden könne. Die Entscheidung des Beklagten sei nicht auf einer belastbaren Tatsachengrundlage ergangen. Der Sachverhalt sei nicht vollständig ermittelt worden. Länger angelegte Geschwindigkeitsmessungen seien nicht aktenkundig. Nach alledem sei er – der Kläger – in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit verletzt. 35Der Kläger beantragt sinngemäß, 36die verkehrsrechtlichen Anordnungen des Beklagten vom 6. November 1981 und vom 13. August 1982, durch die für die M.-----straße 701 (Q.------straße ) zwischen der Einmündung der Straße P.--ring in C1. und der Einmündung der Straße T. die Beschilderung der Verkehrszeichen 255 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO – Untersagung der Verkehrsteilnahme, Verbot für Krafträder, auch mit Beiwagen, Kleinkrafträder und Mofas – angeordnet und durch deren Aufstellung umgesetzt wurden, aufzuheben. 37Der Beklagte beantragt, 38 die Klage abzuweisen. 39Er trägt vor: Auch heute bestehe aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse (hohe Anzahl von scharfen und engen Kurven, zwei Kurven von 180 Grad, starkes Gefälle) eine Gefahrenlage, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung von Leib und Leben – sowohl für Motorradfahrer als auch für andere Verkehrsteilnehmer – erheblich übersteige. Für die Sperrung sei maßgeblich gewesen, dass ein sehr starkes Unfallgeschehen vorgelegen habe, an dem ausschließlich Motorradfahrer beteiligt gewesen seien. Alle Mitglieder der damaligen Unfallkommission seien sich darüber einig gewesen, dass als wirksame verkehrsregelnde Maßnahme nur eine Sperrung der L 701 für Motorräder in Frage komme. Andere Maßnahmen wie zum Beispiel die Einrichtung einer Geschwindigkeitsbegrenzung, einer Überholverbotsstrecke oder die Ausschilderung der Kurven durch Richtungstafeln hätten keinen Rückgang der Unfallzahlen zur Folge haben können, da die Motorradfahrer die L 701 als Rennstrecke benutzen und die vorgenannten Maßnahmen nicht beachten würden. Die Unfälle seien deswegen so folgenschwer, weil die Kradfahrer, wenn sie im Kurvenbereich zu Fall kämen, zwangsläufig gegen einen Leitplankenpfosten geschleudert würden. Der Vorschlag zur Anbringung einer zweiten Schutzplanke sei vom damaligen Landesstraßenbauamt abgelehnt worden. Daher sei aus Verkehrssicherheitsgründen die Sperrung für alle Wochentage angeordnet worden. Der Streckenabschnitt habe auch keine besondere Verkehrsbedeutung. Eine Ummantelung der Schutzplankenpfosten biete einen verbesserten Schutz für von der Fahrbahn abkommende Motorradfahrer, nehme jedoch auf die Unfallursache keinen Einfluss. Es habe sehr wohl ein Unfallschwerpunkt vorgelegen; auch andere Maßnahmen seien geprüft worden, jedoch sei die Sperrung als einzig mögliche Maßnahme zur Vermeidung von weiteren Unfällen angesehen worden. Dieses Ergebnis sei auch im Rahmen des Termins im Oktober 2021 bestätigt worden. Andere Maßnahmen, die bei Öffnung der Straße geeignet seien, entsprechende Unfälle zu verhindern, seien nicht ersichtlich. Der Einbau von Rüttelstreifen würde nicht den gewünschten Erfolg bringen, da aus Motorradkreisen bekannt sei, dass Motorradfahrer bei Rüttelstreifen schneller fahren würden, um die Auswirkungen des Rüttelns zu minimieren. Die vom Kläger vorgeschlagenen Maßnahmen würden lediglich dazu führen, dass die Folgen der Unfälle eventuell gemindert würden; die Unfallursachen würden jedoch nicht bekämpft. Es seien keine Maßnahmen ersichtlich, die bei Öffnung der Straße geeignet wären, entsprechende Unfälle zu vermeiden. Eine Geschwindigkeitsbeschränkung müsse zum einen aufgrund der gesetzlichen Vorschriften (§§ 1, 39 StVO) und zum anderen aufgrund der aktuellen unauffälligen Unfalllage nicht angeordnet werden. Obwohl es sich um eine M.-----straße handele, sei eine besondere verkehrliche Erschließung – insbesondere in Bezug auf Kradfahrer – nicht gegeben. Die Stadt C1. und der Ortsteil I. –Q1. seien problemlos über andere Zuwegungen erreichbar. Die durch die Sperrung entstehenden Umwege seien zumutbar. Die kurzfristige Aufhebung der Sperrung sei auch mit Blick auf die massiv angestiegene Zahl der Motorradfahrer unverantwortlich. 40Der Kläger und der Beklagte haben mit Schriftsätzen vom 9. März 2022 bzw. 21. März 2022 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin und ohne mündliche Verhandlung erklärt. 41Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte – auch des Verfahrens 7 L 274/21 – und der von dem Beklagten übersandten Verwaltungsvorgänge verwiesen. 42Entscheidungsgründe: 43Die Kammer kann mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung und durch die Berichterstatterin entscheiden (vgl. §§ 101 Abs. 2, 87 a Abs. 2, Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) 44Die zulässige Klage ist begründet. 45Die Anfechtungsklage des Klägers ist zulässig. 46Der Kläger ist insbesondere klagebefugt (vgl. § 42 Abs. 2 VwGO). Als Motorradfahrer kann er als eine Verletzung seiner Rechte geltend machen, dass die rechtssatzmäßigen Voraussetzungen für die auch ihn treffenden Verkehrsbeschränkungen nach § 45 StVO nicht gegeben sind. Hinsichtlich der behördlichen Ermessensausübung kann er allerdings nur verlangen, dass seine eigenen Interessen ohne Rechtsfehler mit den Interessen der Allgemeinheit und anderer Betroffener, die für die Verkehrsbeschränkung sprechen, abgewogen werden. Da der Kläger seinen eigenen Angaben zufolge erstmals im Sommer 2020 bzw. am 26. März 2021 mit seinem Krad die L 701 befuhr und durch die bestehende Beschilderung an einer Weiterfahrt gehindert wurde, besteht zumindest die Möglichkeit, dass er durch die Sperrung durch die aufgestellten Verkehrszeichen als Kradfahrer in seinen eigenen Rechten verletzt wird. 47Der Kläger hat die Klage am 3. April 2021 auch innerhalb der hier maßgeblichen Jahresfrist (vgl. § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO) erhoben. 48Die Klage ist auch begründet. 49Die verkehrsrechtlichen Anordnungen des Beklagten vom 6. November 1981 und vom 13. August 1982, durch die für die M.-----straße 701 (Q.------straße ) zwischen der Einmündung der Straße P.--ring in C1. und der Einmündung der Straße T. die Beschilderung der Verkehrszeichen 255 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO – Untersagung der Verkehrsteilnahme, Verbot für Krafträder, auch mit Beiwagen, Kleinkrafträder und Mofas – angeordnet und durch deren Aufstellung umgesetzt wurden, sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ). 50Materiell-rechtlich maßgeblich für den Erfolg einer gegen einen Dauerverwaltungsakt – wie der hier in Rede stehenden verkehrsrechtlichen Anordnungen – gerichteten Anfechtungsklage ist regelmäßig die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten tatsachengerichtlichen Verhandlung bzw. Entscheidung, wenn eine mündliche Verhandlung nicht stattfindet. 51Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 1. September 2017 – 3 B 50.16 –, Rn. 8, und Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 37.09 –, Rn. 21, beide juris. 52Liegt eine verkehrsrechtliche Anordnung – wie hier – Jahrzehnte zurück und haben sich die der Anordnung zugrunde liegenden tatsächlichen und/oder rechtlichen Verhältnisse geändert – so wie hier z. B. durch die im Jahre 1997 eingetretene Rechtsänderung in Form der Einfügung des § 45 Abs. 9 StVO –, muss die Straßenverkehrsbehörde die Rechtmäßigkeit dieses Dauerverwaltungsakts überprüfen und dabei (erneut) Ermessen ausüben. 53Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 22. März 2017 – 8 A 1256/14 –, Rn. 19 juris. 54Sie muss also die Voraussetzungen für eine getroffene Anordnung fortlaufend „unter Kontrolle“ halten. Dementsprechend kann sie bis zu einer Entscheidung in der Tatsacheninstanz neue Umstände oder (neue) Ermessenserwägungen vorbringen. 55Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 37.09 –, Rn. 28 a.a.O. 56Insbesondere im Hinblick darauf, dass die hier angefochtenen verkehrsrechtlichen Anordnungen vor mehr als 40 Jahren bzw. vor fast 40 Jahren erlassen worden sind und sich seitdem die gesetzliche Grundlage für die Anordnungen geändert hat, muss der Beklagte im vorliegenden Fall eine neue Ermessensentscheidung treffen, ob und ggf. in welchem Umfang er an den seinerzeit getroffenen Anordnungen festhalten will. 57Im vorliegenden Fall liegen im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zwar die Tatbestandsvoraussetzungen des § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 9 StVO, die vom Gericht vollständig zu überprüfen sind, vor; jedoch hat der Beklagte sein Ermessen nicht unmissverständlich erneut ausgeübt bzw. ergänzt. 58Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 9 StVO liegen vor. 59Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Gemäß § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO sind Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nur dort anzuordnen, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. Insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürfen – vorbehaltlich der hier nicht einschlägigen Ausnahmen nach den Sätzen 4 bis 6 – nur angeordnet werden, wenn (erstens) auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse (zweitens) eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt (Abs. 9 Satz 3). Hierdurch wird § 45 Abs. 1 (bzw. Abs. 1a) StVO nicht ersetzt, sondern lediglich modifiziert. 60Vgl. BVerwG, Urteile vom 18. November 2010 – 3 C 42.09 – Rn. 17 m.w.N., und vom 23. September 2010 – 3 C 32.09 – Rn. 19, beide juris. 61Besondere örtliche Verhältnisse im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO können insbesondere in der Streckenführung, dem Ausbauzustand der Strecke, witterungsbedingten Einflüssen (z.B. Nebel, Schnee- und Eisglätte), der dort anzutreffenden Verkehrsbelastung und den daraus resultierenden Unfallzahlen begründet sein. 62Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. November 2010 – 3 C 42.09 –, Rn. 26, m.w.N., sowie Beschluss vom 3. Januar 2018 – 3 B 58.16 – Rn. 21; OVG NRW, Beschluss vom 29. Januar 2019 – 8 A 10/17 – Rn. 27, alle juris. 63Das Vorliegen einer Gefahrenlage im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO bestimmt sich nicht allein nach einem Aspekt, sondern wird von einer Gemengelage verschiedener Faktoren beeinflusst. 64Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. April 2013 – 3 B 59.12 – Rn. 9, OVG NRW, Beschluss vom 29. Januar 2019 – 8 A 10/17 – Rn. 27, beide juris. 65Ihre Annahme setzt nicht voraus, dass sich ein Schadensfall bereits realisiert hat. In den regelmäßig vorliegenden Fällen, dass es bei der Verkehrsbeschränkung bzw. dem Verkehrsverbot um die Abwehr von Gefahren für Leib und Leben und bedeutender Sachwerte geht, wird auch eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit von § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO nicht gefordert. Entscheidend ist vielmehr, ob die konkrete Situation an einer bestimmten Stelle oder Strecke der Straße eine das allgemeine Risiko erheblich übersteigende Gefahrenlage im Hinblick auf die durch § 45 StVO geschützten Rechtsgüter (z.B. Sicherheit des Straßenverkehrs) darstellt und die Befürchtung nahe liegt, dass ohne eine gefahrmindernde Tätigkeit der Straßenverkehrsbehörde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit dort Schadensfälle eintreten werden. Die Beantwortung der Frage, ob eine solche qualifizierte Gefahrenlage besteht, bedarf einer Prognose, für deren Tatsachenbasis der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz maßgeblich ist. 66Vgl. BVerwG, Urteile vom 23. September 2010 – 3 C 32.09 – Rn. 23 und – 3 C 37.09 – Rn. 28; OVG NRW, Beschluss vom 29. Januar 2019 – 8 A 10/17 – Rn. 27, alle juris. 67In Anwendung dieser Grundsätze liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 9 StVO im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts vor. 68Die besonderen örtlichen Verhältnisse i. S. d. § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO ergeben sich hier (für Kradfahrer) maßgeblich aus der besonderen Streckenführung und dem Ausbauzustand der L 701. Die in jede Fahrtrichtung einspurig verlaufende L 701, die nur teilweise und teils auch nur einseitig über Randstreifen verfügt, verbindet die Stadt C1. mit dem Ortsteil I. -Q1. . Es handelt sich um eine landschaftlich reizvolle M.-----straße , die durchgehenden Verkehrsverbindungen dient. Sie weist hinter der Einmündung des P1.--rings in C1. in Fahrtrichtung I. auf einer Länge von etwa 2 km mehr als 15 kurz aufeinander folgende Kurven, teilweise mit relativ engem Radius auf, wobei sich darunter kurz vor der Einmündung in die Straße T. zwei Kurven von jeweils etwa 180 Grad („S-Kurve“) befinden. Der Höhenunterschied zwischen der Einmündung der Straße P.--ring (ca. 374 m) und der Einmündung der Straße T. (ca. 286 m) beträgt ca. 90 m. Vor Erlass der angefochtenen verkehrsrechtlichen Anordnungen hat die L 701 Motorradfahrer angezogen. 69Mit Blick auf die durch § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO geschützten Rechtsgüter – hier insbesondere Leib und Leben der Motorradfahrer – liegt aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung erheblich übersteigenden Gefahrenlage vor. Die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts im hier betroffenen Kurvenbereich an der L 701 übersteigt für Motorradfahrer das allgemeine Risiko eines Verkehrsunfalls deutlich. Dabei besteht hier die Besonderheit, dass die „vollständige“ Sperrung der L 701 für Motorräder vor mehr als 40 Jahren angeordnet wurde und es daher nach Aktenlage in den letzten 40 Jahren zu keinem Unfall mit einem Krad/Motorrad gekommen ist. Aufgrund dessen ist hier im Rahmen des Tatbestandes des § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO auf das Unfallgeschehen vor der Anordnung der Sperrung(en) in den Jahren 1981 und 1982 abzustellen. Der zunächst angeordneten endgültigen Sperrung hinsichtlich der Wochenenden und der Feiertage lagen dabei ausschließlich die im Tatbestand dargestellten Unfalldaten aus dem Jahr 1981 und für die zusätzliche Sperrung auch an Werktagen zusätzlich die im Tatbestand dargestellten Unfalldaten aus dem Jahr 1982 zugrunde. Bei deren Auswertung handelte es sich mit Blick auf die Gruppe der Motorradfahrer um eine Unfallhäufungslinie, so dass aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung für Leib und Leben erheblich übersteigt. Inwieweit dies auf eine missbräuchliche Straßennutzung zurückzuführen ist oder andere Ursachen hat, ist unerheblich. Denn auch das verkehrswidrige Nutzungsverhalten in diesem Bereich ist straßenverkehrsbezogen und hat gemäß § 49 Abs. 9 Satz 3 StVO in den besonderen örtlichen Verhältnissen seine Ursache. 70Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. Juni 2019 – 8 B 821/18 –, Rn. 38f. m. w. N., a. a. O. 71Eine gesetzliche Definition für eine Unfallhäufungsstelle oder Unfallhäufungslinie existiert nicht. Einen Anhaltspunkt zur Identifikation von Unfallhäufungsstellen und ‑linien bietet aber der Gemeinsame Runderlass des Ministeriums des Inneren – 414-61.05.04 – und des Ministeriums für Verkehr – II B 3 58.91.16 – „Aufgaben der Unfallkommission in Nordrhein-Westfalen“ vom 10. Juni 2021 (abrufbar: https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_bes_text?sg=0&print=1&menu=0&anw_nr=1&gld_nr= 0&ugl_nr=0&val=46114&ver=0&aufgehoben=N&keyword=&bes_id=46114&show_preview=1&typ=Kopf), dort Punkt 2 i. V. m. Anlage 3, Tabelle 1.). Danach legt die Polizei unter Berücksichtigung der Grenzwerte der Anlage 3, Tabelle 1, Unfallhäufungsstellen und -linien fest. Danach handelt es sich um eine Unfallhäufungsstelle oder -linie, wenn in einem Zeitraum von längstens einem Kalenderjahr (1-Jahres-Unfalltypenkarte) oder von längstens drei Kalenderjahren (3-Jahres-Unfalltypenkarte) die Richtwerte erreicht oder überschritten werden. Bei einer 1-Jahres-Betrachtung beträgt der Richtwert zur Identifikation von Unfallhäufungsstellen und –linien bei Unfällen gleichen Grundtyps der Kategorie 1 – 4 bei Gegenverkehrsstraßen 3. Im vorliegenden Fall wurde dieser Richtwert von 3 ausweislich der Meldung über Unfallstellen vom 15. Juli 1981 erreicht bzw. überschritten. Im Jahr 1982 ereigneten sich die im Tatbestand aufgeführten 6 Unfälle, allerdings war die Unfallursache für den Unfall am 3. August 1982 mit einem Toten „Wild auf der Fahrbahn“. 72Der Beklagte hat jedoch sein Ermessen nicht unmissverständlich erneut ausgeübt bzw. ergänzt. 73Maßnahmen im Regelungsbereich des § 45 Abs. 9 StVO stehen im Ermessen der zuständigen Behörde. Die Auswahl der Mittel, mit denen die konkrete Gefahr bekämpft oder gemildert werden soll, muss dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Bei der Frage, welche von mehreren in Betracht zu ziehenden Maßnahmen den bestmöglichen Erfolg verspricht, steht der Straßenverkehrsbehörde aufgrund ihres Sachverstandes und ihres Erfahrungswissens eine Einschätzungsprärogative zu. 74Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 32.09 –, Rn. 35 f. m. w. N., OVG NRW, Beschluss vom 29. Januar 2019 – 8 A 10/17 – Rn. 29, beide juris. 75Vor dem Ausschluss einer gesamten Gruppe von Verkehrsteilnehmern, aus der nur ein kleiner Teil für die Gefahrenlage verantwortlich ist, sind als milderes Mittel Maßnahmen in den Blick zu nehmen, die geeignet sind, das unerwünschte Verkehrsverhalten in ausreichendem Maße zu erschweren. Mildere Mittel können nicht allein mit Blick darauf als nicht hinreichend geeignet verworfen werden, dass sie das unerwünschte Verkehrsverhalten nicht vollständig unterbinden können. 76Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. Juni 2019 – 8 B 821/18 –, Rn. 31 juris. 77Trägt die Behörde derartige Umstände bzw. Änderungen erst in einem laufenden Verwaltungsprozess vor, so muss sie unmissverständlich deutlich machen, dass es sich nicht nur um prozessuales Verteidigungsvorbringen handelt, sondern um eine Änderung des Verwaltungsakts selbst. Andernfalls wäre dem Betroffenen keine sachgemäße Rechtsverteidigung möglich, was wiederum mit der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG nicht zu vereinbaren wäre. 78Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 8 C 46.12 –, Rn. 35 juris. 79Aus § 114 Satz 2 VwGO ergeben sich keine weitergehenden Anforderungen. Diese Vorschrift regelt nicht die Voraussetzungen für die materiell-rechtliche und verwaltungsverfahrensrechtliche Zulässigkeit des Nachschiebens von Ermessenserwägungen, sondern betrifft nur deren Geltendmachung im Prozess. Ihr Zweck ist es klarzustellen, dass ein materiell- und verwaltungsverfahrensrechtlich zulässiges Nachholen von Ermessenserwägungen nicht an prozessualen Hindernissen scheitert. 80Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Mai 2014 – 9 B 57.13 – Rn. 11, und Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 46.12 -, Rn. 34, beide juris. 81Der Beklagte hat – insbesondere auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger ohne vorherigen Antrag bei dem Beklagten erstmals mit der vorliegenden Klage gegen die verkehrsrechtlichen Anordnungen aus den Jahren 1981 und 1982 vorgeht – mit seinen Schriftsätzen im laufenden gerichtlichen Verfahren nicht unmissverständlich deutlich gemacht, dass es sich bei seinem Vorbringen nicht nur um prozessuales Verteidigungsvorbringen handelt, sondern um eine Änderung des Verwaltungsakts selbst in der Form, dass seine ergänzenden Erwägungen Teil der weiteren Begründung für die Beibehaltung der verkehrsrechtlichen Anordnungen sein sollen. Dies obwohl das erkennende Gericht in seinem Eilbeschluss vom 19. Mai 2021 (Az: 7 L 274/21) u.a. ausgeführt hat, dass die Überprüfung der in § 45 StVO vorgesehenen Ermessensausübung durch den Beklagten, insbesondere ob er seiner Pflicht nachgekommen ist, unter Berücksichtigung auftretender Veränderungen der tatsächlichen und/oder rechtlichen Verhältnisse seine verkehrsrechtlichen Anordnungen und Verkehrszeichen zu überprüfen und dabei (erneut) Ermessen auszuüben, dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleibt. Die nur auf die gerichtliche Anforderung erfolgte Übersendung des Vermerks über den Termin vom 22. Oktober 2021 reicht hierfür nicht aus. 82Unabhängig davon ist aber auch unter Berücksichtigung des prozessualen Vorbringens des Beklagten zu beanstanden, dass dieser im Wesentlichen vorgetragen hat, dass die Teilnehmer des Termines vom 22. Oktober 2021 darüber diskutiert hätten, ob die damals getroffene Entscheidung (Sperrung der L 701 für Krafträder) weiterhin für sinnvoll erachtet werde oder eine Aufhebung des Verbotes in Betracht komme; die Teilnehmer seien zu dem Ergebnis gekommen, dass die damals getroffene Maßnahme richtig gewesen sei, sich die tatsächlichen Verhältnisse nicht geändert hätten und keine Maßnahmen ersichtlich seien, die bei der Öffnung der Straße geeignet wären, entsprechende Unfälle zu verhindern. Aus diesen Ausführungen ist nicht ersichtlich, dass bzw. ob der allein zuständige Beklagte ausdrücklich sein Ermessen ausgeübt hat, da nach dem Inhalt des Vermerks eine „Gruppenentscheidung“ getroffen bzw. „Gruppenergebnis“ gefunden wurde. Die nur auf Anforderung erfolgte Übersendung des Vermerks über den Termin vom 22. Oktober 2021 reicht für eine Betätigung des Ermessens bzw. für eine Ermessensentscheidung des Beklagten hier ebenfalls nicht. 83Der Beklagte hat sich unabhängig davon auch nicht damit auseinandergesetzt, ob die nur aus den Jahren 1981 und 1982 erhobenen Unfallzahlen überhaupt heute noch eine ausreichende Datengrundlage für die komplette Sperrung der L 701 für Kräder sein können. Auch konkrete Angaben bzw. Einzelheiten dazu, dass die L 701 als Rennstrecke genutzt wurde, enthalten die Verwaltungsvorgänge nicht. Im Rahmen der Ausübung des Ermessens dürfte es wohl nicht sachgerecht sein, wenn der Beklagte maßgeblich auf Maßnahmen abstellt, die zielführend Unfälle ganz vermeiden bzw. die Unfallursache bekämpfen sollen. Denn vor dem Ausschluss einer gesamten Gruppe von Verkehrsteilnehmern, aus der nur ein kleiner Teil für die Gefahrenlage verantwortlich ist, sind – wie bereits oben ausgeführt – als milderes Mittel Maßnahmen in den Blick zu nehmen, die geeignet sind, das unerwünschte Verkehrsverhalten in ausreichendem Maße zu erschweren. Mildere Mittel können nicht allein mit Blick darauf als nicht hinreichend geeignet verworfen werden, dass sie das unerwünschte Verkehrsverhalten nicht vollständig unterbinden können. Insoweit dürfte der Beklagte bei einer Ermessensentscheidung zu berücksichtigen haben, dass auch mehrere, weniger einschneidende Mittel kombiniert werden können, um das unerwünschte Verkehrsverhalten und damit auch die Unfälle und Unfallursachen zu vermeiden. So könnten zum Beispiel eine Ausweisung der Strecke als Unfallstrecke, eine Geschwindigkeitsbegrenzung nur für Kräder (ggf. für bestimmte Tage/Zeiten) mit entsprechenden Kontrollen und/oder – wie vom Kläger angesprochen – die Verlegung von Leitschwellen, die im gesamten Kurvenbereich entlang der Mittellinie verlegt werden könnten, in Betracht kommen. Dies umso mehr, da ausweislich des Vermerks über den Termin vom 22. Oktober 2021 die vorhandenen Leitplanken nicht verhindern, dass Motorradfahrer im Falle eines Aufpralls unter den Leitplanken durchrutschen und es zu schweren bzw. tödlichen Unfällen kommen kann bzw. es neuere Systeme gibt, die dies verhindern. Insofern könnte daran gedacht werden, Leitplanken mit einem Unterfahrschutz zu versehen. Ferner wird der Beklagte seine Ermessenserwägungen zum Beispiel auch darauf richten können, ggf. nur eine auf bestimmte Tage und/oder Uhrzeiten beschränkte Sperrung der L 701, ggf. auch nur in eine Fahrtrichtung für Kräder in Betracht zu ziehen. 84Der Kläger ist auch in seinen Rechten verletzt. 85Nach alledem sind auch die die rechtswidrigen Anordnungen umsetzenden Verkehrszeichen aufzuheben. 86Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. 87Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 der Zivilprozessordnung. 88Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung durch die Kammer nach § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO sind nicht gegeben. 89Rechtsmittelbelehrung: 90Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Verwaltungsgericht Arnsberg (Jägerstraße 1, 59821 Arnsberg) Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. 91Die Berufung ist nur zuzulassen, 921. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 932. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 943. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 954. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 965. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. 97Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Zulassungsantrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster) einzureichen. 98Der Antrag auf Zulassung der Berufung und dessen Begründung können in schriftlicher Form oder auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und der Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV) eingereicht werden. Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d VwGO und der ERVV wird hingewiesen. 99Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen; dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, sowie die ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen vor dem Oberverwaltungsgericht als Bevollmächtigte zugelassen. 100E1. . C2. 101Ferner ergeht folgender 102B e s c h l u s s: 103Der Streitwert wird gemäß §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1, 2 des Gerichtskostengesetzes unter Berücksichtigung der Nr. 46.15 des aktuellen Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit auf 5.000 € festgesetzt. 104Rechtsmittelbelehrung: 105Gegen die Entscheidung mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe bei dem Verwaltungsgericht Arnsberg (Jägerstraße 1, 59821 Arnsberg) Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht eingelegt werden. Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Sofern die Begründung nicht mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, ist sie bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster) einzureichen. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten und die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. 106Die Beschwerde und deren Begründung können in schriftlicher Form oder auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und der Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV) eingereicht werden. Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d VwGO und der ERVV wird hingewiesen. 107Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen; dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, sowie die ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen vor dem Oberverwaltungsgericht als Bevollmächtigte zugelassen. 108Gegen die Streitwertfestsetzung können die Beteiligten auch persönlich Beschwerde einlegen, über die das Oberverwaltungsgericht entscheidet, falls das beschließende Gericht ihr nicht abhilft. Die Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat. Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR nicht überschreitet. 109Die Beschwerde kann schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV eingereicht werden. Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d VwGO und der ERVV wird hingewiesen. 110E2. . C3.
die verkehrsrechtlichen anordnungen des beklagten vom 6. november 1981 und vom 13. august 1982, durch die für die m.-----straße 701 (q.------straße ) zwischen der einmündung der straße p.--ring in c1. und der einmündung der straße t. die beschilderung der verkehrszeichen 255 der anlage 2 zu § 41 abs. 1 stvo – untersagung der verkehrsteilnahme, verbot für krafträder, auch mit beiwagen, kleinkrafträder und mofas – angeordnet wurde, und die diese anordnungen umsetzenden aufgestellten verkehrszeichen 255 der anlage 2 zu § 41 abs. 1 stvo werden aufgehoben. der beklagte trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der beklagte kann die vollstreckung durch sicherheitsleistung oder hinterlegung in höhe von 110% des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht der kläger zuvor sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1cht der kläger zuvor sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 2
3die beteiligten streiten über die rechtmäßigkeit der verkehrsrechtlichen anordnungen des beklagten vom 6. november 1981 und vom 13. august 1982, durch die für die m.-----straße 701 (q.------straße ) zwischen der einmündung der straße p.--ring in c1. und der einmündung der straße t. (im folgenden: l 701) die beschilderung der verkehrszeichen 255 der anlage 2 zu § 41 abs. 1 der straßenverkehrs-ordnung (stvo) – untersagung der verkehrsteilnahme, verbot für krafträder, auch mit beiwagen, kleinkrafträder und mofas – angeordnet und durch deren aufstellung umgesetzt wurden. 4die in jede fahrtrichtung einspurig verlaufende l 701, die nur teilweise und teils auch nur einseitig über randstreifen verfügt, verbindet die stadt c1. mit dem ortsteil i. -q1. . sie weist hinter der einmündung des p1.--rings in c1. in fahrtrichtung i. auf einer länge von etwa 2 km mehr als 15 kurz aufeinander folgende kurven, teilweise mit relativ engem radius auf, wobei sich darunter kurz vor der einmündung in die straße t. zwei kurven von jeweils etwa 180 grad („s-kurve“) befinden; in dieser s-kurve wurde – ebenso wie im weiteren verlauf der straße – eine bushaltestelle angelegt. in den kurven sind teilweise leitplanken vorhanden, in der s-kurve auch mit richtungstafeln. nach aktenlage beträgt die oberkante der leitplanken maximal 0,75 m. der höhenunterschied zwischen der einmündung der straße p.--ring (ca. 374 m) und der einmündung der straße t. (ca. 286 m) beträgt ca. 90 m. 5ausweislich der niederschrift über die sitzung der stadtvertretung c1. vom 11. november 1980 wurde die neu ausgebaute q.------straße insbesondere durch pendelnde motorradfahrer in gruppen mit überhöhter geschwindigkeit genutzt, wodurch geräuschbelästigungen verursacht wurden, die anlass für beschwerden waren. nach einem vermerk des beklagten vom 17. februar 1981 haben die polizeistation t. /f. und der verkehrsdienst im zuge einer verstärkten streifentätigkeit verkehrsgerechtes verhalten der zweiradfahrer durchgesetzt. der beklagte führte mit an das landesstraßenbauamt (damaliger straßenbaulastträger) gerichteten schreiben vom 29. april 1981 aus, dass in dem hier interessierenden bereich ein sehr starkes unfallgeschehen zu verzeichnen sei, an dem ausschließlich motorradfahrer beteiligt seien, wobei sich diese unfälle nur an sonn- und feiertagen ereignet hätten. die unfälle seien darauf zurück zu führen, dass die strecke als rennstrecke genutzt werde, wobei sich die l 701 bedingt durch den ausbau und die kurvenreiche streckenführung anbiete. als wirksame verkehrsregelnde maßnahme komme nur eine sperrung der l 701 für motorräder in betracht; maßnahmen wie z. b. die einrichtung einer geschwindigkeitsbegrenzung, einer überholverbotsstrecke oder die ausschilderung der kurven durch richtungstafeln hätten keinen rückgang der unfallzahlen zur folge gehabt, da die motorradfahrer die strecke als rennstrecke benutzen und die vorgenannten maßnahmen nicht beachten würden. daher wurde eine probeweise sperrung für motorräder an sonn- und feiertagen geplant. das frühere landesstraßenbauamt hielt in seiner antwort vom 12. juni 1981 die sperrung auf dauer nicht für vertretbar. 6der beklagte ordnete gegenüber dem früheren landesstraßenbauamt mit schreiben vom 12. juni 1981 die aufstellung von zeichen 255 stvo mit dem zusatzzeichen 813 stvo mit der aufschrift „an sonn- und feiertagen“ auf der l 701 zwischen c1. und i. -q1. an. dort ist ausgeführt, dass bekannt sei, dass die l 701 sehr viele topografische warneffekte (enge kurven, starkes gefälle) aufweise, so dass bei angepasster fahrweise keine verkehrsunfälle passieren dürften. das problem liege allerdings einzig und allein in dem fehlverhalten der motorradfahrer, die die kurvenreiche strecke für fahrübungen ausnutzen würden. die einzige möglichkeit, die dort vorhandenen unfälle auszuschließen, könne daher nur die sperrung der l 701 für motorräder sein. 7in dem zeitraum vom 1. januar 1981 bis 9. juli 1981 wurden durch den beklagten ausweislich der meldung vom 15. juli 1981 insgesamt neun unfälle mit krädern, davon ein unfall mit einem toten und acht unfälle mit verletzten (in vier fällen schwerverletzte, in fünf fällen leicht verletzte), davon sieben bzw. zwei unfälle aus der gleichen bewegungsrichtung. als unfallart wurde unfallart 8/9 (abkommen von der fahrbahn nach rechts/links) angegeben. die unfälle ereigneten sich ausweislich der meldung unter gleichen umständen, weil die fahrgeschwindigkeit dem kurvenreichen verlauf der straße nicht angepasst wurde. 8im einzelnen:7.3. (samstag, gegen 10:10 uhr,) c1. – i. , unfallursache 11 (verstoß gegen das rechtsfahrgebot)/13 (nicht angepasste geschwindigkeit in anderen fällen), straßenglätte, 1 leichtverletzter, 912.4. (sonntag, gegen 15:10 uhr) c1. – i. , unfallursache, 11/13, 1 schwerverletzter, 1012.4. (sonntag, gegen 16:40 uhr) i. – c1. , unfallursache 11/13, 1 leichtverletzter, 1120.4. (ostermontag, gegen 13:30 uhr) c1. – i. , unfallursache 13, 1 schwerverletzte, 1226.4. (sonntag, gegen 19:40 uhr) c1. – i. , unfallursache 13, 1 schwerverletzter, 1 leichtverletzter, 1310.5. (sonntag, gegen 20:25 uhr) c1. – i. , unfallursache 13, 1 leichtverletzter, 1421.5. (donnerstag, gegen 21:15 uhr) i. – c1. , unfallursache 13, 1 leichtverletzter, 151.6. (montag, gegen 20:10 uhr) c1. – i. , unfallursache 13, 1 schwerverletzter, 169.7. (donnerstag, gegen 21:00 uhr) i. – c1. , unfallursache 13, 1 toter. 17ein unfall ereignete sich im bereich der „s-kurve“ in der nähe der einmündung in die straße t. , sieben unfälle ereigneten sich von c1. aus gesehen in dem kurvenbereich vor der „s-kurve“. 18mit verkehrsrechtlicher anordnung vom 7. juli 1981 wurde die l 701 für kradfahrer an sonn- und feiertagen zunächst auf probe für die dauer von drei monaten gesperrt. mit verkehrsrechtlicher anordnung vom 6. november 1981 wurde diese sperrung endgültig angeordnet, da sich im zeitraum der probeweisen sperrung keine weiteren unfälle mit motorrädern ereignet hätten und auch keine beschwerden gegen die probeweise sperrung vorgebracht worden seien. 19die unfalllage im jahr 1982 stellte sich ausweislich eines schreibens der kreispolizeibehörde vom 4. august 1982 in bezug auf krafträder wie folgt dar. 2014.3. (sonntag, gegen 17:20 uhr) c1. – i. , unfallursache 13, 14, 1 leichtverletzter, 1 schwerverletzter, 2122.4. (donnerstag, gegen 18:00 uhr) i. – c1. , unfallursache 13, 1 leichtverletzter, 2218.5. (dienstag, gegen 16:43 uhr) bergwärts, unfallursache 13, 1 schwerverletzter, 2322.7. (donnerstag, gegen 20:20 uhr) c1. – i. , unfallursache 13, 1 schwerverletzter, 2430.7. (montag, gegen 21:00 uhr), nördliche richtung, unfallursache 13, 1 leichtverletzter, 253.8. (dienstag, gegen 16:50 uhr) c1. – i. , unfallursache 86: wild auf der fahrbahn, 1 toter. 26mit verkehrsrechtlicher anordnung vom 13. august 1982 wurde die sperrung der l 701 für kradfahrer für alle wochentage angeordnet und am 2. september 1982 umgesetzt. 27ausweislich einer stellungnahme der polizeistation t1. /f. vom 6. januar 1989 waren die kradunfälle besonders folgenschwer, wenn die gestürzten kradfahrer wegen der hohen geschwindigkeit gegen bzw. unter die leitplanken katapultiert wurden. der freiraum zwischen der unterkante der leitplanken und der oberfläche des randstreifens habe durchschnittlich 55 bis 65 cm betragen. ein über die fahrbahn schleudernder kradfahrer rutsche somit unter der leitplanke her. nach den geltenden richtlinien seien die leitplanken zu hoch angebracht. 28die kreispolizeibehörde teilte mit schreiben vom 19. januar 1989 diese einschätzung und führte aus, dass erst eine zweite leitplanke in den kurvenbereichen verhindern könne, dass die kradfahrer unter den leitplanken hindurchrutschen und sich lebensgefährliche oder gar tödliche verletzungen zuzögen. 29der kläger befuhr eigenen angaben zufolge erstmals im sommer 2020, aber auch am 26. märz 2021 mit seinem krad die l 701 und wurde durch die entsprechende beschilderung an einer weiterfahrt gehindert. er beabsichtigt, die strecke tatsächlich zu befahren und muss durch die sperrung umwege in kauf nehmen. 30am 3. april 2021 hat der kläger klage erhoben und gleichzeitig einen einstweiligen rechtsschutzantrag gestellt, den das erkennende gericht mit beschluss vom 19. mai 2021 (az: 7 l 274/21) abgelehnt hat, soweit der beklagte betroffen war. die hiergegen erhobene beschwerde des klägers (az. 8 b 975/21) blieb erfolglos. 31im nachgang zu dem eilverfahren führten vertreter der polizei, der bezirksregierung, des landesbetriebs straßenbau nrw, der stadt i. und des beklagten am 22. oktober 2021 ein gespräch betreffend die sperrung der l 701 für krafträder. auf anforderung des gerichts übersandte der beklagte den hierüber gefertigten vermerk. 32zur begründung seiner klage trägt der kläger vor: 33er sei klagebefugt. die voraussetzungen für eine streckensperrung seien nicht gegeben. gründe der sicherheit oder ordnung des verkehrs würden diese maßnahme nicht gebieten. er bestreite, dass ein unfallschwerpunkt vorliege. die voraussetzungen des § 45 abs. 9 satz 3 stvo lägen nicht vor. die dort geforderte besondere konkrete gefahrenlage ergäbe sich weder aus den verwaltungsvorgängen, noch aus den verkehrsrechtlichen anordnungen. der wenig konkrete vortrag, dass der abschnitt durch enge kurven und ein starkes gefälle gekennzeichnet sei, reiche nicht aus, um daraus die besonderen örtlichen verhältnisse oder aber ein bestimmtes streckenprofil zu belegen, welches gerade zu einem risikoreichen fahrstil verleitete. er könne nicht der pauschalen annahme folgen, dass der trassenverlauf – mehr als im allgemeinen straßenverkehr üblich – motorradfahrer anziehe und zur vorschriftswidrigen fahrweise herausfordere. der verwaltungsvorgang enthalte insoweit im wesentlichen allgemeine behauptungen. auch der umstand, dass private rennen durchgeführt würden, sei nicht belegt. das abstellen auf die zahl der verkehrsunfälle unter beteiligung von krafträdern und der schwere der verletzungen der verunfallten rechtfertige nicht die annahme, dass auf diesem streckenabschnitt ein durch besondere örtliche verhältnisse bedingtes weiteres schadensrisiko bestehe. die bloße auflistung der anzahl von verkehrsunfällen ohne das hinzuziehen weiterer straßenverkehrsbezogener aspekte sei nicht geeignet, ein gerade für die benutzung mit krafträdern aus besonderen örtlichen verhältnissen abzuleitendes erhöhtes schadensrisiko hinreichend plausibel zu belegen. es sei auch unzulässig, aus dem ergebnis der streckensperrung allein auf das vorliegen der voraussetzungen zu schließen. es verstehe sich von selbst, dass in den jahren der streckensperrung keine motorradunfälle passiert seien. angaben über unfälle anderer verkehrsteilnehmer habe die beklagte im übrigen nicht gemacht. die pauschale bezugnahme auf unfallstatistiken der achtziger jahre erscheine problematisch, weil objektive erhebungen über den umfang des motorradverkehrs weder in den achtziger jahren noch darauffolgend getroffen worden seien. diese seien aber erforderlich, um feststellen zu können, ob die behauptung richtig sei, dass sich überdurchschnittlich viele motorradunfälle ereignet hätten. in der vergangenheit habe auch der landschaftsverband x. -m1. mit schreiben vom 12. juni 1981 bedenken gegen die sperrung erhoben. ausweislich der verwaltungsvorgänge sei die aufhebung der streckensperrung unter der voraussetzung gefordert worden, dass weitere schutzplanken (zweite leitplanke) angebracht würden. warum dies nicht in nahezu 40 jahren geschehen sei, sei nicht nachvollziehbar; dies insbesondere deshalb, weil die leitplanken ausweislich der verwaltungsvorgänge zu hoch angebracht worden seien. es sei daher zwingend geboten, die leitplanken zu erneuern und durch doppelte leitplanken zu ersetzen. 34die streckensperrung sei auch unverhältnismäßig und damit ermessensfehlerhaft. sofern in diesem bereich vor der sperrung streckengeschwindigkeitskontrollen durchgeführt worden sein sollten, dürften diese nach seiner ansicht keinen besonders hohen anteil der ausgesperrten verkehrsteilnehmer ergeben haben. mildere maßnahmen seien nicht in den blick genommen worden. so könnten etwa doppelte leitplanken installiert werden oder aber die schutzplankenpfosten mit anpralldämpfern versehen werden. da der beklagte die sperrung insbesondere damit begründe, dass die unfälle deshalb so folgenschwer gewesen seien, weil kradfahrer, wenn sie im kurvenbereich zu fall kämen, angeblich fast zwangsläufig gegen einen leitplankenpfosten geschleudert würden, so wäre es gerade zwingend geboten gewesen, maßnahmen zu ergreifen, um solche schweren verletzungen zu verhindern. dies lasse sich technisch ohne weiteres durch kunststoffummantelungen der leitplankenpfähle oder noch besser durch eine zweite untere leitplanke bewerkstelligen. im jahr 1988 habe die beklagte eine vorgeschlagene kostenfreie montierung von anpralldämpfern abgelehnt. systeme, die die bisher vorhandenen leitplanken entschärfen könnten, seien durchaus günstiger als die im vermerk aus oktober 2021 veranschlagten 50.000 bis 80.000 € zu bekommen. in betracht komme zudem die anbringung von sogenannten quer zur fahrbahn verlaufenden rüttelstreifen, die wirkungsvoll und kostengünstig seien. diese maßnahme sei ein ohne weiteres geeignetes mittel, die strecke für die kritischen fahrweisen einzelner verkehrsteilnehmer weitgehend uninteressant zu machen und dadurch die gefahr bereits des entstehens von unfällen hinreichend zu minimieren. zudem könnten an der mittellinie verlaufende leitschwellen eingebaut werden. diese würden das fahren auf die gegenfahrbahn und damit das kurvenschneiden verhindern. die annahme des beklagten, dass in motorradkreisen bekannt sei, dass bei rüttelstreifen schneller gefahren werde, um die auswirkungen des rüttelns zu minimieren, sei falsch, nicht belegbar und abwegig. gerade rüttelstreifen seien in verbindung mit zum beispiel geschwindigkeitsbeschränkungen und anderen von ihm genannten maßnahmen geeignete, aber weniger einschneidende maßnahmen. zudem kämen auch geschwindigkeitsbegrenzungen – ggf. beschränkt auf zweiradfahrer – und die anbringung des verkehrszeichens 295 (fahrstreifenbegrenzung) in betracht. nicht nachvollziehbar sei, warum das aufstellen von halteverbotsschildern entlang der strecke, das ebenfalls im rahmen des gespräches im oktober 2021 besprochen worden sei, nicht kurzfristig umgesetzt werden könne. die entscheidung des beklagten sei nicht auf einer belastbaren tatsachengrundlage ergangen. der sachverhalt sei nicht vollständig ermittelt worden. länger angelegte geschwindigkeitsmessungen seien nicht aktenkundig. nach alledem sei er – der kläger – in seiner allgemeinen handlungsfreiheit verletzt. 35der kläger beantragt sinngemäß, 36die verkehrsrechtlichen anordnungen des beklagten vom 6. november 1981 und vom 13. august 1982, durch die für die m.-----straße 701 (q.------straße ) zwischen der einmündung der straße p.--ring in c1. und der einmündung der straße t. die beschilderung der verkehrszeichen 255 der anlage 2 zu § 41 abs. 1 stvo – untersagung der verkehrsteilnahme, verbot für krafträder, auch mit beiwagen, kleinkrafträder und mofas – angeordnet und durch deren aufstellung umgesetzt wurden, aufzuheben. 37der beklagte beantragt, 38 die klage abzuweisen. 39er trägt vor: auch heute bestehe aufgrund der besonderen örtlichen verhältnisse (hohe anzahl von scharfen und engen kurven, zwei kurven von 180 grad, starkes gefälle) eine gefahrenlage, die das allgemeine risiko einer beeinträchtigung von leib und leben – sowohl für motorradfahrer als auch für andere verkehrsteilnehmer – erheblich übersteige. für die sperrung sei maßgeblich gewesen, dass ein sehr starkes unfallgeschehen vorgelegen habe, an dem ausschließlich motorradfahrer beteiligt gewesen seien. alle mitglieder der damaligen unfallkommission seien sich darüber einig gewesen, dass als wirksame verkehrsregelnde maßnahme nur eine sperrung der l 701 für motorräder in frage komme. andere maßnahmen wie zum beispiel die einrichtung einer geschwindigkeitsbegrenzung, einer überholverbotsstrecke oder die ausschilderung der kurven durch richtungstafeln hätten keinen rückgang der unfallzahlen zur folge haben können, da die motorradfahrer die l 701 als rennstrecke benutzen und die vorgenannten maßnahmen nicht beachten würden. die unfälle seien deswegen so folgenschwer, weil die kradfahrer, wenn sie im kurvenbereich zu fall kämen, zwangsläufig gegen einen leitplankenpfosten geschleudert würden. der vorschlag zur anbringung einer zweiten schutzplanke sei vom damaligen landesstraßenbauamt abgelehnt worden. daher sei aus verkehrssicherheitsgründen die sperrung für alle wochentage angeordnet worden. der streckenabschnitt habe auch keine besondere verkehrsbedeutung. eine ummantelung der schutzplankenpfosten biete einen verbesserten schutz für von der fahrbahn abkommende motorradfahrer, nehme jedoch auf die unfallursache keinen einfluss. es habe sehr wohl ein unfallschwerpunkt vorgelegen; auch andere maßnahmen seien geprüft worden, jedoch sei die sperrung als einzig mögliche maßnahme zur vermeidung von weiteren unfällen angesehen worden. dieses ergebnis sei auch im rahmen des termins im oktober 2021 bestätigt worden. andere maßnahmen, die bei öffnung der straße geeignet seien, entsprechende unfälle zu verhindern, seien nicht ersichtlich. der einbau von rüttelstreifen würde nicht den gewünschten erfolg bringen, da aus motorradkreisen bekannt sei, dass motorradfahrer bei rüttelstreifen schneller fahren würden, um die auswirkungen des rüttelns zu minimieren. die vom kläger vorgeschlagenen maßnahmen würden lediglich dazu führen, dass die folgen der unfälle eventuell gemindert würden; die unfallursachen würden jedoch nicht bekämpft. es seien keine maßnahmen ersichtlich, die bei öffnung der straße geeignet wären, entsprechende unfälle zu vermeiden. eine geschwindigkeitsbeschränkung müsse zum einen aufgrund der gesetzlichen vorschriften (§§ 1, 39 stvo) und zum anderen aufgrund der aktuellen unauffälligen unfalllage nicht angeordnet werden. obwohl es sich um eine m.-----straße handele, sei eine besondere verkehrliche erschließung – insbesondere in bezug auf kradfahrer – nicht gegeben. die stadt c1. und der ortsteil i. –q1. seien problemlos über andere zuwegungen erreichbar. die durch die sperrung entstehenden umwege seien zumutbar. die kurzfristige aufhebung der sperrung sei auch mit blick auf die massiv angestiegene zahl der motorradfahrer unverantwortlich. 40der kläger und der beklagte haben mit schriftsätzen vom 9. märz 2022 bzw. 21. märz 2022 ihr einverständnis mit einer entscheidung durch die berichterstatterin und ohne mündliche verhandlung erklärt. 41wegen der weiteren einzelheiten des sachverhaltes und des vorbringens der beteiligten im übrigen wird auf den inhalt der gerichtsakte – auch des verfahrens 7 l 274/21 – und der von dem beklagten übersandten verwaltungsvorgänge verwiesen. 42
43die kammer kann mit einverständnis der beteiligten ohne mündliche verhandlung und durch die berichterstatterin entscheiden (vgl. §§ 101 abs. 2, 87 a abs. 2, abs. 3 der verwaltungsgerichtsordnung - vwgo -) 44die zulässige klage ist begründet. 45die anfechtungsklage des klägers ist zulässig. 46der kläger ist insbesondere klagebefugt (vgl. § 42 abs. 2 vwgo). als motorradfahrer kann er als eine verletzung seiner rechte geltend machen, dass die rechtssatzmäßigen voraussetzungen für die auch ihn treffenden verkehrsbeschränkungen nach § 45 stvo nicht gegeben sind. hinsichtlich der behördlichen ermessensausübung kann er allerdings nur verlangen, dass seine eigenen interessen ohne rechtsfehler mit den interessen der allgemeinheit und anderer betroffener, die für die verkehrsbeschränkung sprechen, abgewogen werden. da der kläger seinen eigenen angaben zufolge erstmals im sommer 2020 bzw. am 26. märz 2021 mit seinem krad die l 701 befuhr und durch die bestehende beschilderung an einer weiterfahrt gehindert wurde, besteht zumindest die möglichkeit, dass er durch die sperrung durch die aufgestellten verkehrszeichen als kradfahrer in seinen eigenen rechten verletzt wird. 47der kläger hat die klage am 3. april 2021 auch innerhalb der hier maßgeblichen jahresfrist (vgl. § 58 abs. 2 satz 1 vwgo) erhoben. 48die klage ist auch begründet. 49die verkehrsrechtlichen anordnungen des beklagten vom 6. november 1981 und vom 13. august 1982, durch die für die m.-----straße 701 (q.------straße ) zwischen der einmündung der straße p.--ring in c1. und der einmündung der straße t. die beschilderung der verkehrszeichen 255 der anlage 2 zu § 41 abs. 1 stvo – untersagung der verkehrsteilnahme, verbot für krafträder, auch mit beiwagen, kleinkrafträder und mofas – angeordnet und durch deren aufstellung umgesetzt wurden, sind rechtswidrig und verletzen den kläger in seinen rechten (vgl. § 113 abs. 1 satz 1 vwgo ). 50materiell-rechtlich maßgeblich für den erfolg einer gegen einen dauerverwaltungsakt – wie der hier in rede stehenden verkehrsrechtlichen anordnungen – gerichteten anfechtungsklage ist regelmäßig die sach- und rechtslage zum zeitpunkt der letzten tatsachengerichtlichen verhandlung bzw. entscheidung, wenn eine mündliche verhandlung nicht stattfindet. 51vgl. bundesverwaltungsgericht (bverwg), beschluss vom 1. september 2017 – 3 b 50.16 –, rn. 8, und urteil vom 23. september 2010 – 3 c 37.09 –, rn. 21, beide juris. 52liegt eine verkehrsrechtliche anordnung – wie hier – jahrzehnte zurück und haben sich die der anordnung zugrunde liegenden tatsächlichen und/oder rechtlichen verhältnisse geändert – so wie hier z. b. durch die im jahre 1997 eingetretene rechtsänderung in form der einfügung des § 45 abs. 9 stvo –, muss die straßenverkehrsbehörde die rechtmäßigkeit dieses dauerverwaltungsakts überprüfen und dabei (erneut) ermessen ausüben. 53vgl. oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen (ovg nrw), beschluss vom 22. märz 2017 – 8 a 1256/14 –, rn. 19 juris. 54sie muss also die voraussetzungen für eine getroffene anordnung fortlaufend „unter kontrolle“ halten. dementsprechend kann sie bis zu einer entscheidung in der tatsacheninstanz neue umstände oder (neue) ermessenserwägungen vorbringen. 55vgl. bverwg, urteil vom 23. september 2010 – 3 c 37.09 –, rn. 28 a.a.o. 56insbesondere im hinblick darauf, dass die hier angefochtenen verkehrsrechtlichen anordnungen vor mehr als 40 jahren bzw. vor fast 40 jahren erlassen worden sind und sich seitdem die gesetzliche grundlage für die anordnungen geändert hat, muss der beklagte im vorliegenden fall eine neue ermessensentscheidung treffen, ob und ggf. in welchem umfang er an den seinerzeit getroffenen anordnungen festhalten will. 57im vorliegenden fall liegen im maßgeblichen zeitpunkt der gerichtlichen entscheidung zwar die tatbestandsvoraussetzungen des § 45 abs. 1 satz 1, abs. 9 stvo, die vom gericht vollständig zu überprüfen sind, vor; jedoch hat der beklagte sein ermessen nicht unmissverständlich erneut ausgeübt bzw. ergänzt. 58die tatbestandsvoraussetzungen des § 45 abs. 1 satz 1, abs. 9 stvo liegen vor. 59nach § 45 abs. 1 satz 1 stvo können die straßenverkehrsbehörden die benutzung bestimmter straßen oder straßenstrecken aus gründen der sicherheit und ordnung des verkehrs beschränken oder verbieten und den verkehr umleiten. gemäß § 45 abs. 9 satz 1 stvo sind verkehrszeichen und verkehrseinrichtungen nur dort anzuordnen, wo dies aufgrund der besonderen umstände zwingend erforderlich ist. insbesondere beschränkungen und verbote des fließenden verkehrs dürfen – vorbehaltlich der hier nicht einschlägigen ausnahmen nach den sätzen 4 bis 6 – nur angeordnet werden, wenn (erstens) auf grund der besonderen örtlichen verhältnisse (zweitens) eine gefahrenlage besteht, die das allgemeine risiko einer beeinträchtigung der in den vorstehenden absätzen genannten rechtsgüter erheblich übersteigt (abs. 9 satz 3). hierdurch wird § 45 abs. 1 (bzw. abs. 1a) stvo nicht ersetzt, sondern lediglich modifiziert. 60vgl. bverwg, urteile vom 18. november 2010 – 3 c 42.09 – rn. 17 m.w.n., und vom 23. september 2010 – 3 c 32.09 – rn. 19, beide juris. 61besondere örtliche verhältnisse im sinne von § 45 abs. 9 satz 3 stvo können insbesondere in der streckenführung, dem ausbauzustand der strecke, witterungsbedingten einflüssen (z.b. nebel, schnee- und eisglätte), der dort anzutreffenden verkehrsbelastung und den daraus resultierenden unfallzahlen begründet sein. 62vgl. bverwg, urteil vom 18. november 2010 – 3 c 42.09 –, rn. 26, m.w.n., sowie beschluss vom 3. januar 2018 – 3 b 58.16 – rn. 21; ovg nrw, beschluss vom 29. januar 2019 – 8 a 10/17 – rn. 27, alle juris. 63das vorliegen einer gefahrenlage im sinne von § 45 abs. 9 satz 3 stvo bestimmt sich nicht allein nach einem aspekt, sondern wird von einer gemengelage verschiedener faktoren beeinflusst. 64vgl. bverwg, beschluss vom 23. april 2013 – 3 b 59.12 – rn. 9, ovg nrw, beschluss vom 29. januar 2019 – 8 a 10/17 – rn. 27, beide juris. 65ihre annahme setzt nicht voraus, dass sich ein schadensfall bereits realisiert hat. in den regelmäßig vorliegenden fällen, dass es bei der verkehrsbeschränkung bzw. dem verkehrsverbot um die abwehr von gefahren für leib und leben und bedeutender sachwerte geht, wird auch eine an sicherheit grenzende wahrscheinlichkeit von § 45 abs. 9 satz 3 stvo nicht gefordert. entscheidend ist vielmehr, ob die konkrete situation an einer bestimmten stelle oder strecke der straße eine das allgemeine risiko erheblich übersteigende gefahrenlage im hinblick auf die durch § 45 stvo geschützten rechtsgüter (z.b. sicherheit des straßenverkehrs) darstellt und die befürchtung nahe liegt, dass ohne eine gefahrmindernde tätigkeit der straßenverkehrsbehörde mit hinreichender wahrscheinlichkeit dort schadensfälle eintreten werden. die beantwortung der frage, ob eine solche qualifizierte gefahrenlage besteht, bedarf einer prognose, für deren tatsachenbasis der zeitpunkt der letzten mündlichen verhandlung in der letzten tatsacheninstanz maßgeblich ist. 66vgl. bverwg, urteile vom 23. september 2010 – 3 c 32.09 – rn. 23 und – 3 c 37.09 – rn. 28; ovg nrw, beschluss vom 29. januar 2019 – 8 a 10/17 – rn. 27, alle juris. 67in anwendung dieser grundsätze liegen die tatbestandlichen voraussetzungen des § 45 abs. 1 satz 1, abs. 9 stvo im maßgeblichen zeitpunkt der entscheidung des gerichts vor. 68die besonderen örtlichen verhältnisse i. s. d. § 45 abs. 9 satz 3 stvo ergeben sich hier (für kradfahrer) maßgeblich aus der besonderen streckenführung und dem ausbauzustand der l 701. die in jede fahrtrichtung einspurig verlaufende l 701, die nur teilweise und teils auch nur einseitig über randstreifen verfügt, verbindet die stadt c1. mit dem ortsteil i. -q1. . es handelt sich um eine landschaftlich reizvolle m.-----straße , die durchgehenden verkehrsverbindungen dient. sie weist hinter der einmündung des p1.--rings in c1. in fahrtrichtung i. auf einer länge von etwa 2 km mehr als 15 kurz aufeinander folgende kurven, teilweise mit relativ engem radius auf, wobei sich darunter kurz vor der einmündung in die straße t. zwei kurven von jeweils etwa 180 grad („s-kurve“) befinden. der höhenunterschied zwischen der einmündung der straße p.--ring (ca. 374 m) und der einmündung der straße t. (ca. 286 m) beträgt ca. 90 m. vor erlass der angefochtenen verkehrsrechtlichen anordnungen hat die l 701 motorradfahrer angezogen. 69mit blick auf die durch § 45 abs. 1 satz 1 stvo geschützten rechtsgüter – hier insbesondere leib und leben der motorradfahrer – liegt aufgrund der besonderen örtlichen verhältnisse eine das allgemeine risiko einer beeinträchtigung erheblich übersteigenden gefahrenlage vor. die wahrscheinlichkeit eines schadenseintritts im hier betroffenen kurvenbereich an der l 701 übersteigt für motorradfahrer das allgemeine risiko eines verkehrsunfalls deutlich. dabei besteht hier die besonderheit, dass die „vollständige“ sperrung der l 701 für motorräder vor mehr als 40 jahren angeordnet wurde und es daher nach aktenlage in den letzten 40 jahren zu keinem unfall mit einem krad/motorrad gekommen ist. aufgrund dessen ist hier im rahmen des tatbestandes des § 45 abs. 9 satz 3 stvo auf das unfallgeschehen vor der anordnung der sperrung(en) in den jahren 1981 und 1982 abzustellen. der zunächst angeordneten endgültigen sperrung hinsichtlich der wochenenden und der feiertage lagen dabei ausschließlich die im tatbestand dargestellten unfalldaten aus dem jahr 1981 und für die zusätzliche sperrung auch an werktagen zusätzlich die im tatbestand dargestellten unfalldaten aus dem jahr 1982 zugrunde. bei deren auswertung handelte es sich mit blick auf die gruppe der motorradfahrer um eine unfallhäufungslinie, so dass aufgrund der besonderen örtlichen verhältnisse eine gefahrenlage besteht, die das allgemeine risiko einer beeinträchtigung für leib und leben erheblich übersteigt. inwieweit dies auf eine missbräuchliche straßennutzung zurückzuführen ist oder andere ursachen hat, ist unerheblich. denn auch das verkehrswidrige nutzungsverhalten in diesem bereich ist straßenverkehrsbezogen und hat gemäß § 49 abs. 9 satz 3 stvo in den besonderen örtlichen verhältnissen seine ursache. 70vgl. ovg nrw, beschluss vom 6. juni 2019 – 8 b 821/18 –, rn. 38f. m. w. n., a. a. o. 71eine gesetzliche definition für eine unfallhäufungsstelle oder unfallhäufungslinie existiert nicht. einen anhaltspunkt zur identifikation von unfallhäufungsstellen und ‑linien bietet aber der gemeinsame runderlass des ministeriums des inneren – 414-61.05.04 – und des ministeriums für verkehr – ii b 3 58.91.16 – „aufgaben der unfallkommission in nordrhein-westfalen“ vom 10. juni 2021 (abrufbar: https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_bes_text?sg=0&print=1&menu=0&anw_nr=1&gld_nr= 0&ugl_nr=0&val=46114&ver=0&aufgehoben=n&keyword=&bes_id=46114&show_preview=1&typ=kopf), dort punkt 2 i. v. m. anlage 3, tabelle 1.). danach legt die polizei unter berücksichtigung der grenzwerte der anlage 3, tabelle 1, unfallhäufungsstellen und -linien fest. danach handelt es sich um eine unfallhäufungsstelle oder -linie, wenn in einem zeitraum von längstens einem kalenderjahr (1-jahres-unfalltypenkarte) oder von längstens drei kalenderjahren (3-jahres-unfalltypenkarte) die richtwerte erreicht oder überschritten werden. bei einer 1-jahres-betrachtung beträgt der richtwert zur identifikation von unfallhäufungsstellen und –linien bei unfällen gleichen grundtyps der kategorie 1 – 4 bei gegenverkehrsstraßen 3. im vorliegenden fall wurde dieser richtwert von 3 ausweislich der meldung über unfallstellen vom 15. juli 1981 erreicht bzw. überschritten. im jahr 1982 ereigneten sich die im tatbestand aufgeführten 6 unfälle, allerdings war die unfallursache für den unfall am 3. august 1982 mit einem toten „wild auf der fahrbahn“. 72der beklagte hat jedoch sein ermessen nicht unmissverständlich erneut ausgeübt bzw. ergänzt. 73maßnahmen im regelungsbereich des § 45 abs. 9 stvo stehen im ermessen der zuständigen behörde. die auswahl der mittel, mit denen die konkrete gefahr bekämpft oder gemildert werden soll, muss dem grundsatz der verhältnismäßigkeit genügen. bei der frage, welche von mehreren in betracht zu ziehenden maßnahmen den bestmöglichen erfolg verspricht, steht der straßenverkehrsbehörde aufgrund ihres sachverstandes und ihres erfahrungswissens eine einschätzungsprärogative zu. 74vgl. bverwg, urteil vom 23. september 2010 – 3 c 32.09 –, rn. 35 f. m. w. n., ovg nrw, beschluss vom 29. januar 2019 – 8 a 10/17 – rn. 29, beide juris. 75vor dem ausschluss einer gesamten gruppe von verkehrsteilnehmern, aus der nur ein kleiner teil für die gefahrenlage verantwortlich ist, sind als milderes mittel maßnahmen in den blick zu nehmen, die geeignet sind, das unerwünschte verkehrsverhalten in ausreichendem maße zu erschweren. mildere mittel können nicht allein mit blick darauf als nicht hinreichend geeignet verworfen werden, dass sie das unerwünschte verkehrsverhalten nicht vollständig unterbinden können. 76vgl. ovg nrw, beschluss vom 6. juni 2019 – 8 b 821/18 –, rn. 31 juris. 77trägt die behörde derartige umstände bzw. änderungen erst in einem laufenden verwaltungsprozess vor, so muss sie unmissverständlich deutlich machen, dass es sich nicht nur um prozessuales verteidigungsvorbringen handelt, sondern um eine änderung des verwaltungsakts selbst. andernfalls wäre dem betroffenen keine sachgemäße rechtsverteidigung möglich, was wiederum mit der gewährleistung effektiven rechtsschutzes nach art. 19 abs. 4 gg nicht zu vereinbaren wäre. 78vgl. bverwg, urteil vom 20. juni 2013 – 8 c 46.12 –, rn. 35 juris. 79aus § 114 satz 2 vwgo ergeben sich keine weitergehenden anforderungen. diese vorschrift regelt nicht die voraussetzungen für die materiell-rechtliche und verwaltungsverfahrensrechtliche zulässigkeit des nachschiebens von ermessenserwägungen, sondern betrifft nur deren geltendmachung im prozess. ihr zweck ist es klarzustellen, dass ein materiell- und verwaltungsverfahrensrechtlich zulässiges nachholen von ermessenserwägungen nicht an prozessualen hindernissen scheitert. 80vgl. bverwg, beschluss vom 15. mai 2014 – 9 b 57.13 – rn. 11, und urteil vom 20. juni 2013 - 8 c 46.12 -, rn. 34, beide juris. 81der beklagte hat – insbesondere auch unter berücksichtigung des umstandes, dass der kläger ohne vorherigen antrag bei dem beklagten erstmals mit der vorliegenden klage gegen die verkehrsrechtlichen anordnungen aus den jahren 1981 und 1982 vorgeht – mit seinen schriftsätzen im laufenden gerichtlichen verfahren nicht unmissverständlich deutlich gemacht, dass es sich bei seinem vorbringen nicht nur um prozessuales verteidigungsvorbringen handelt, sondern um eine änderung des verwaltungsakts selbst in der form, dass seine ergänzenden erwägungen teil der weiteren begründung für die beibehaltung der verkehrsrechtlichen anordnungen sein sollen. dies obwohl das erkennende gericht in seinem eilbeschluss vom 19. mai 2021 (az: 7 l 274/21) u.a. ausgeführt hat, dass die überprüfung der in § 45 stvo vorgesehenen ermessensausübung durch den beklagten, insbesondere ob er seiner pflicht nachgekommen ist, unter berücksichtigung auftretender veränderungen der tatsächlichen und/oder rechtlichen verhältnisse seine verkehrsrechtlichen anordnungen und verkehrszeichen zu überprüfen und dabei (erneut) ermessen auszuüben, dem hauptsacheverfahren vorbehalten bleibt. die nur auf die gerichtliche anforderung erfolgte übersendung des vermerks über den termin vom 22. oktober 2021 reicht hierfür nicht aus. 82unabhängig davon ist aber auch unter berücksichtigung des prozessualen vorbringens des beklagten zu beanstanden, dass dieser im wesentlichen vorgetragen hat, dass die teilnehmer des termines vom 22. oktober 2021 darüber diskutiert hätten, ob die damals getroffene entscheidung (sperrung der l 701 für krafträder) weiterhin für sinnvoll erachtet werde oder eine aufhebung des verbotes in betracht komme; die teilnehmer seien zu dem ergebnis gekommen, dass die damals getroffene maßnahme richtig gewesen sei, sich die tatsächlichen verhältnisse nicht geändert hätten und keine maßnahmen ersichtlich seien, die bei der öffnung der straße geeignet wären, entsprechende unfälle zu verhindern. aus diesen ausführungen ist nicht ersichtlich, dass bzw. ob der allein zuständige beklagte ausdrücklich sein ermessen ausgeübt hat, da nach dem inhalt des vermerks eine „gruppenentscheidung“ getroffen bzw. „gruppenergebnis“ gefunden wurde. die nur auf anforderung erfolgte übersendung des vermerks über den termin vom 22. oktober 2021 reicht für eine betätigung des ermessens bzw. für eine ermessensentscheidung des beklagten hier ebenfalls nicht. 83der beklagte hat sich unabhängig davon auch nicht damit auseinandergesetzt, ob die nur aus den jahren 1981 und 1982 erhobenen unfallzahlen überhaupt heute noch eine ausreichende datengrundlage für die komplette sperrung der l 701 für kräder sein können. auch konkrete angaben bzw. einzelheiten dazu, dass die l 701 als rennstrecke genutzt wurde, enthalten die verwaltungsvorgänge nicht. im rahmen der ausübung des ermessens dürfte es wohl nicht sachgerecht sein, wenn der beklagte maßgeblich auf maßnahmen abstellt, die zielführend unfälle ganz vermeiden bzw. die unfallursache bekämpfen sollen. denn vor dem ausschluss einer gesamten gruppe von verkehrsteilnehmern, aus der nur ein kleiner teil für die gefahrenlage verantwortlich ist, sind – wie bereits oben ausgeführt – als milderes mittel maßnahmen in den blick zu nehmen, die geeignet sind, das unerwünschte verkehrsverhalten in ausreichendem maße zu erschweren. mildere mittel können nicht allein mit blick darauf als nicht hinreichend geeignet verworfen werden, dass sie das unerwünschte verkehrsverhalten nicht vollständig unterbinden können. insoweit dürfte der beklagte bei einer ermessensentscheidung zu berücksichtigen haben, dass auch mehrere, weniger einschneidende mittel kombiniert werden können, um das unerwünschte verkehrsverhalten und damit auch die unfälle und unfallursachen zu vermeiden. so könnten zum beispiel eine ausweisung der strecke als unfallstrecke, eine geschwindigkeitsbegrenzung nur für kräder (ggf. für bestimmte tage/zeiten) mit entsprechenden kontrollen und/oder – wie vom kläger angesprochen – die verlegung von leitschwellen, die im gesamten kurvenbereich entlang der mittellinie verlegt werden könnten, in betracht kommen. dies umso mehr, da ausweislich des vermerks über den termin vom 22. oktober 2021 die vorhandenen leitplanken nicht verhindern, dass motorradfahrer im falle eines aufpralls unter den leitplanken durchrutschen und es zu schweren bzw. tödlichen unfällen kommen kann bzw. es neuere systeme gibt, die dies verhindern. insofern könnte daran gedacht werden, leitplanken mit einem unterfahrschutz zu versehen. ferner wird der beklagte seine ermessenserwägungen zum beispiel auch darauf richten können, ggf. nur eine auf bestimmte tage und/oder uhrzeiten beschränkte sperrung der l 701, ggf. auch nur in eine fahrtrichtung für kräder in betracht zu ziehen. 84der kläger ist auch in seinen rechten verletzt. 85nach alledem sind auch die die rechtswidrigen anordnungen umsetzenden verkehrszeichen aufzuheben. 86die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 1 vwgo. 87die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit beruht auf § 167 vwgo in verbindung mit den §§ 708 nr. 11, 709 satz 2, 711 der zivilprozessordnung. 88die voraussetzungen für eine zulassung der berufung durch die kammer nach § 124 a abs. 1 satz 1 vwgo sind nicht gegeben. 89rechtsmittelbelehrung: 90gegen dieses urteil kann innerhalb eines monats nach zustellung beim verwaltungsgericht arnsberg (jägerstraße 1, 59821 arnsberg) antrag auf zulassung der berufung gestellt werden. der antrag muss das angefochtene urteil bezeichnen. innerhalb von zwei monaten nach zustellung des urteils sind die gründe darzulegen, aus denen die berufung zuzulassen ist. 91die berufung ist nur zuzulassen, 921. wenn ernstliche zweifel an der richtigkeit des urteils bestehen, 932. wenn die rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche schwierigkeiten aufweist, 943. wenn die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat, 954. wenn das urteil von einer entscheidung des oberverwaltungsgerichts, des bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen senats der obersten gerichtshöfe des bundes oder des bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser abweichung beruht oder 965. wenn ein der beurteilung des berufungsgerichts unterliegender verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die entscheidung beruhen kann. 97die begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem zulassungsantrag vorgelegt worden ist, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen (aegidiikirchplatz 5, 48143 münster) einzureichen. 98der antrag auf zulassung der berufung und dessen begründung können in schriftlicher form oder auch als elektronisches dokument nach maßgabe des § 55a der verwaltungsgerichtsordnung (vwgo) und der elektronischer-rechtsverkehr-verordnung (ervv) eingereicht werden. auf die unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung von schriftstücken als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d vwgo und der ervv wird hingewiesen. 99vor dem oberverwaltungsgericht müssen sich die beteiligten durch prozessbevollmächtigte vertreten lassen; dies gilt auch für prozesshandlungen, durch die ein verfahren vor dem oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. als bevollmächtigte sind rechtsanwälte und rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten hochschule eines mitgliedstaates der europäischen union, eines anderen vertragsstaates des abkommens über den europäischen wirtschaftsraum oder der schweiz, die die befähigung zum richteramt besitzen, sowie die ihnen kraft gesetzes gleichgestellten personen zugelassen. auf die zusätzlichen vertretungsmöglichkeiten für behörden und juristische personen des öffentlichen rechts einschließlich der von ihnen zur erfüllung ihrer öffentlichen aufgaben gebildeten zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 abs. 4 satz 4 vwgo und § 5 nr. 6 des einführungsgesetzes zum rechtsdienstleistungsgesetz – rdgeg). darüber hinaus sind die in § 67 abs. 2 satz 2 nr. 3 bis 7 vwgo bezeichneten personen und organisationen unter den dort genannten voraussetzungen vor dem oberverwaltungsgericht als bevollmächtigte zugelassen. 100e1. . c2. 101ferner ergeht folgender 102b e s c h l u s s: 103der streitwert wird gemäß §§ 63 abs. 2 satz 1, 52 abs. 1, 2 des gerichtskostengesetzes unter berücksichtigung der nr. 46.15 des aktuellen streitwertkataloges für die verwaltungsgerichtsbarkeit auf 5.000 € festgesetzt. 104rechtsmittelbelehrung: 105gegen die entscheidung mit ausnahme der streitwertfestsetzung kann innerhalb von zwei wochen nach bekanntgabe bei dem verwaltungsgericht arnsberg (jägerstraße 1, 59821 arnsberg) beschwerde zum oberverwaltungsgericht eingelegt werden. die beschwerde ist innerhalb eines monats nach bekanntgabe der entscheidung zu begründen. sofern die begründung nicht mit der beschwerde vorgelegt worden ist, ist sie bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen (aegidiikirchplatz 5, 48143 münster) einzureichen. die begründung muss einen bestimmten antrag enthalten und die gründe darlegen, aus denen die entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen entscheidung auseinander setzen. 106die beschwerde und deren begründung können in schriftlicher form oder auch als elektronisches dokument nach maßgabe des § 55a der verwaltungsgerichtsordnung (vwgo) und der elektronischer-rechtsverkehr-verordnung (ervv) eingereicht werden. auf die unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung von schriftstücken als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d vwgo und der ervv wird hingewiesen. 107vor dem oberverwaltungsgericht müssen sich die beteiligten durch prozessbevollmächtigte vertreten lassen; dies gilt auch für prozesshandlungen, durch die ein verfahren vor dem oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. als bevollmächtigte sind rechtsanwälte und rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten hochschule eines mitgliedstaates der europäischen union, eines anderen vertragsstaates des abkommens über den europäischen wirtschaftsraum oder der schweiz, die die befähigung zum richteramt besitzen, sowie die ihnen kraft gesetzes gleichgestellten personen zugelassen. auf die zusätzlichen vertretungsmöglichkeiten für behörden und juristische personen des öffentlichen rechts einschließlich der von ihnen zur erfüllung ihrer öffentlichen aufgaben gebildeten zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 abs. 4 satz 4 vwgo und § 5 nr. 6 des einführungsgesetzes zum rechtsdienstleistungsgesetz – rdgeg). darüber hinaus sind die in § 67 abs. 2 satz 2 nr. 3 bis 7 vwgo bezeichneten personen und organisationen unter den dort genannten voraussetzungen vor dem oberverwaltungsgericht als bevollmächtigte zugelassen. 108gegen die streitwertfestsetzung können die beteiligten auch persönlich beschwerde einlegen, über die das oberverwaltungsgericht entscheidet, falls das beschließende gericht ihr nicht abhilft. die beschwerde gegen die streitwertfestsetzung ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs monaten eingelegt wird, nachdem die entscheidung in der hauptsache rechtskraft erlangt oder das verfahren sich anderweitig erledigt hat. die beschwerde ist nicht gegeben, wenn der wert des beschwerdegegenstandes 200 eur nicht überschreitet. 109die beschwerde kann schriftlich oder mündlich zur niederschrift des urkundsbeamten der geschäftsstelle oder auch als elektronisches dokument nach maßgabe des § 55a vwgo und der ervv eingereicht werden. auf die unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung von schriftstücken als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d vwgo und der ervv wird hingewiesen. 110e2. . c3.
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10 A 669/19
2022-03-30T00:00:00
Urteil
Tenor Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 von Hundert des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 von Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Revision wird nicht zugelassen. 1Tatbestand: 2Die Klägerin begehrt die Erteilung eines bauplanungsrechtlichen Vorbescheids für das Grundstück N.-straße 396 in E., Gemarkung N1., Flur 3, Flurstücke 341 und 343 (im Folgenden: Vorhabengrundstück). Eigentümerin des Vorhabengrundstücks, auf dem von der Firma O. ein Lebensmitteldiscountmarkt mit einer Verkaufsfläche von circa 699 qm betrieben wird, ist die Grundbesitz N.-straße 398 GmbH & Co. KG (im Folgenden: Grundstückseigentümerin). Zugunsten der aus den Gesellschaftern K. T. und U. I. bestehenden E. N2.-straße GbR (im Folgenden: Erbbauberechtigte), ist für das Vorhabengrundstück ein Erbbaurecht bis zum Jahr 2054 im Erbbaugrundbuch eingetragen. 3Das Vorhabengrundstück liegt im Geltungsbereich des im Jahre 2020 als Satzung beschlossenen Bebauungsplans Nr. „W./N3.-straße“ der Beklagten (im Folgenden: Bebauungsplan), der Gegenstand des von der Erbbauberechtigten anhängig gemachten Normenkontrollverfahrens 10 D 246/21.NE war. Der Senat hat den Normenkontrollantrag mit Urteil vom 15. März 2022 abgelehnt. 4Der Ausschuss für Planung und Stadtentwicklung (im Folgenden: Ausschuss) hatte am 25. März 2015 für den Bereich nördlich/nordöstlich des W. etwa zwischen der P.‑straße, der Kleingartenanlage an der T1.-straße und der N3.-straße die Aufstellung des Bebauungsplans beschlossen. Ziel der Planung sei die Steuerung des Einzelhandels und die Ermöglichung einer Wohnnutzung. Vorrangig sei die Verhinderung einer Einzelhandelsnutzung gewollt, die den Zielen des Rahmenplans Einzelhandel entgegenstehe. Unter dem 8. April 2015 ordnete der Oberbürgermeister die Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses an, die am 18. April 2015 im Amtsblatt erfolgte. Mit Beschluss vom 24. Februar 2016 änderte der Ausschuss den Aufstellungsbeschluss. Er erweiterte das Plangebiet auf einen Bereich westlich des W. und konkretisierte die Planungsziele. Die Bekanntmachung des von der Amtsleiterin des Planungsamtes am 26. Februar 2016 unterzeichneten geänderten Aufstellungsbeschlusses erfolgte am 5. März 2016 im Amtsblatt. 5Am 10. März 2016 beschloss der Rat eine Veränderungssperre für das Plangebiet. Am 21. März 2016 unterzeichnete der Oberbürgermeister die Bekanntmachungsanordnung für den die Veränderungssperre betreffenden Satzungsbeschluss, der am 9. April 2016 im Amtsblatt bekanntgemacht wurde. 6Am 1. Februar 2018 beschloss der Rat, die Geltungsdauer der Veränderungssperre um ein Jahr zu verlängern. Am 28. Februar 2018 unterzeichnete der Oberbürgermeister die Bekanntmachungsanordnung für den Satzungsbeschluss, dessen Bekanntmachung am 10. März 2018 im Amtsblatt erfolgte. 7Bereits im Jahre 2013 hatte die Klägerin einen bauplanungsrechtlichen Vorbescheid für die Erweiterung der Verkaufsfläche des auf dem Vorhabengrundstück betriebenen Lebensmitteldiscountmarktes beantragt. Nachdem die Beklagte die Erteilung eines entsprechenden Vorbescheids zunächst versagt hatte, schlossen die Beteiligten im Klageverfahren 4 K 1164/14 vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf im Jahre 2014 einen Vergleich, mit dem sich die Beklagte zur Erteilung eines Vorbescheids für die Erweiterung der Verkaufsfläche des Lebensmitteldiscountmarktes verpflichtete. Auf der Grundlage dieses Vergleichs erteilte die Beklagte der Klägerin unter dem 21. April 2015 für die „Erweiterung des Lebensmittelmarktes mit PKW-Stellplätzen auf 1.200 qm (reine) Verkaufsfläche“ einen bauplanungsrechtlichen Vorbescheid. Am 17. Februar 2017 beantragte die Klägerin die Verlängerung der Geltungsdauer dieses Vorbescheids, die die Beklagte mit Bescheid vom 6. April 2017 ablehnte. Die zwischenzeitlich beschlossene Veränderungssperre stehe der gewollten Erweiterung der Verkaufsfläche entgegen. Eine Ausnahme komme nicht in Betracht. Der Antrag der Klägerin, die Beklagte zur Verlängerung der Geltungsdauer des Vorbescheids zu verpflichten, ist Gegenstand des Berufungsverfahrens 10 A 668/19. 8Mit Bauvoranfrage vom 9. April 2018 beantragte die Klägerin die Erteilung eines weiteren bauplanungsrechtlichen Vorbescheids (im Folgenden: Vorbescheid) für die Erweiterung der Verkaufsfläche des auf dem Vorhabengrundstück betriebenen Lebensmitteldiscountmarktes auf 1.135 qm (im Folgenden: Vorhaben). Die Stellplätze, die Erschließung sowie die Betriebszeiten seien nicht Bestandteil der Bauvoranfrage. Auch etwaige immissionsrechtliche Belange seien, ebenso wie das Gebot der Rücksichtnahme, nicht Gegenstand der Bauvoranfrage. Die Klägerin formulierte folgende Fragen zu ihrem Vorhaben: 9„1. Ist auf dem Baugrundstück entsprechend dem beiliegenden Lageplan eine Erweiterung des bestehenden Lebensmittel-Discounters auf ca. 1135m² Verkaufsfläche planungsrechtlich zulässig? 102. Hilfsweise wird angefragt, ob das geplante Vorhaben - ein Lebensmittel-Discountmarkt mit einer Verkaufsfläche von 1135 m² - nach der Art der baulichen Nutzung unter Ausklammerung des Gebots der Rücksichtnahme auf dem Vorhabengrundstück bauplanungsrechtlich zulässig ist?“ 11Mit Bescheid vom 19. Juni 2018 lehnte die Beklagte auch diesen Antrag unter Verweis auf die Veränderungssperre ab. 12Die Klägerin hat am 19. Juli 2018 Klage erhoben und beantragt, 13die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 19. Juni 2018 (63/23-BV-0069/18) zu verpflichten, ihre Bauvoranfrage vom 9. April 2018 zur Erweiterung des auf dem Grundstück Gemarkung N1., Flur 3, Flurstücke 341/343 vorhandenen Lebensmitteldiscountmarktes auf eine Verkaufsfläche von insgesamt 1.135 qm positiv zu bescheiden. 14Die Beklagte hat beantragt, 15die Klage abzuweisen. 16Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 18. Januar 2019 abgewiesen. Der Erteilung des begehrten Vorbescheids stehe die Veränderungssperre als öffentlich-rechtliche Vorschrift entgegen. 17Zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung trägt die Klägerin vor, dass sowohl der inzwischen als Satzung beschlossene Bebauungsplan als auch der Vorgängerplan unwirksam seien, sodass das Vorhaben, auf das die Regelvermutung des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO nicht zutreffe und das daher atypisch im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO sei, weil vorhabenbedingte negative Auswirkungen trotz seiner Geschossfläche von mehr als 1.200 qm nicht zu erwarten seien, nach § 34 Abs. 2 BauGB in Verbindung mit § 8 BauNVO auf dem Vorhabengrundstück bauplanungsrechtlich zulässig sei. Das im Aufstellungsverfahren von der Beklagten eingeholte Einzelhandelsgutachten habe gezeigt, dass die Umsatzumlenkungen, die mit einer Erweiterung des auf dem Vorhabengrundstück betriebenen Lebensmitteldiscountmarktes hin zu einem großflächigen Einzelhandelsbetrieb verbunden wären, keine städtebauliche Relevanz hätten. 18Der Vorgängerplan sei ebenfalls unwirksam, wie der Senat bereits in der mündlichen Verhandlung im Normenkontrollverfahren 10 D 61/08.NE herausgestellt habe. 19Selbst wenn der Bebauungsplan wirksam wäre, sei die Klage gleichwohl begründet, denn die Bauvoranfrage verhalte sich ausdrücklich nur zur Art der baulichen Nutzung. Als ein im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO atypischer Einzelhandelsbetrieb sei das Vorhaben im Plangebiet bauplanungsrechtlich zulässig. Jedenfalls unmittelbar vor Inkrafttreten des Bebauungsplans am 4. April 2020 habe der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung des Vorbescheids bestanden. Die Veränderungssperre hätte damals einer solchen Verlängerung nicht entgegengestanden, da ihre Geltungsdauer mangels besonderer Umstände im Sinne von § 17 Abs. 2 BauGB nicht auf ein viertes Jahr hätte verlängert werden dürfen. Der Rat habe annähernd fünf Jahre gebraucht, um überhaupt einen Planentwurf für eine öffentliche Auslegung zu erstellen. Sie, die Klägerin, wolle Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte geltend machen, weil ihr wegen der rechtswidrigen Versagung der beantragten Verlängerung der Geltungsdauer des Vorbescheids erhebliche Mieteinnahmen entgangen seien. 20Die Klägerin beantragt schriftsätzlich, 21das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 19. Juni 2018 zu verpflichten, ihre Bauvoranfrage vom 9. April 2018 zur Erweiterung des auf dem Grundstück Gemarkung N1., Flur 3, Flurstücke 341/343 vorhandenen Lebensmitteldiscountmarktes auf eine Verkaufsfläche von insgesamt 1.135 qm positiv zu bescheiden. 22hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte im Zeitpunkt unmittelbar vor Inkrafttreten des Bebauungsplans Nr. „W./N3.-straße“ verpflichtet war, ihre Bauvoranfrage vom 9. April 2018 zur Erweiterung des auf dem Grundstück Gemarkung N1., Flur 3, Flurstücke 341/343 vorhandenen Lebensmittel-Discountmarktes auf eine Verkaufsfläche von insgesamt 1.135 qm positiv zu bescheiden. 23Die Beklagte beantragt schriftsätzlich, 24die Berufung zurückzuweisen. 25Sie hält das Vorhaben für bauplanungsrechtlich unzulässig. Der Bebauungsplan sei wirksam. Die Klägerin habe nicht hinreichend nachgewiesen, dass das Vorhaben atypisch im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO sei. Bei zwei Lebensmitteldiscountmärkten und einem türkischen Supermarkt im Plangebiet gebe es keine sortimentsbezogene Unterversorgung in dem zentralen Versorgungsbereich, in dem das Vorhabengrundstück liege. 26Auch wenn der Bebauungsplan unwirksam sein sollte, sei das Vorhaben in der Gemengelage, in die das Vorhabengrundstück eingebettet sei, als großflächiger Einzelhandelsbetrieb mangels eines Vorbildes unzulässig. Die Nutzung auf dem Grundstück W. 55 durch die Firma J. (Nutzfahrzeugniederlassung; Werkstatt; Ausstellungsflächen) sei kein solches Vorbild. Die Ausstellungsflächen der Firma bestünden größtenteils aus befestigten Freiflächen, auf denen vor allem gebrauchte Nutzfahrzeuge ausgestellt würden. Bei diesen Ausstellungsflächen handele es sich mithin nur um Nebenanlagen von untergeordneter Bedeutung, aus denen im Hinblick auf die Großflächigkeit keine Vorbildwirkung für das Vorhaben hergeleitet werden könne. Auch wichen die betrieblichen Begleiterscheinungen der beiden in Rede stehenden Nutzungen, insbesondere der betriebsbedingte Verkehr, wesentlich voneinander ab. Das Vorhaben hätte sich daher seiner Art nach auch dann nicht in die Eigenart der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks eingefügt, wenn die zweite Verlängerung der Veränderungssperre unwirksam gewesen sein sollte. Überdies hätten dem Vorhaben damals möglicherweise auch die Vorgaben des § 34 Abs. 3 BauGB entgegengestanden. 27Der Hilfsantrag sei unbegründet. Die zweite Verlängerung der Veränderungssperre sei wirksam gewesen, denn damals hätten besondere Umstände vorgelegen, die die Planung außergewöhnlich schwierig gemacht hätten und weder von der Verwaltung noch vom Rat zu verantworten gewesen seien. 28Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten 10 D 246/21.NE, 10 A 668/19 und 10 A 669/19 sowie der beigezogenen Aufstellungsvorgänge (Beiakten Hefte 1 bis 11 des Verfahrens 10 D 246/21.NE) und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Beiakten Heft 1 bis 24 des Verfahrens 10 A 668/19 und Beiakte Heft 1 des Verfahrens 10 A 669/19) Bezug genommen. 29Entscheidungsgründe: 30Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. 31Die Klage ist unbegründet. 32Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung des mit dem Hauptantrag begehrten bauplanungsrechtlichen Vorbescheids. Dem Vorhaben stehen öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen (§§ 77 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4, 74 Abs. 1 BauO NRW). 33Das Vorhaben widerspricht den Festsetzungen des Bebauungsplans unter anderem hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche. Die Bauvoranfrage bezieht sich mit der unter 1. formulierten Frage ausdrücklich auf die Erweiterung der Verkaufsfläche des auf dem Vorhabengrundstück betriebenen Lebensmitteldiscountmarktes und damit auf die planungsrechtlich unzulässige Änderung des auf den Bestand gesetzten Marktes. Dies ergibt sich aus dem Urteil des Senats vom heutigen Tag im Verfahren 10 A 668/19, auf dessen Begründung insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird. 34Soweit die Klägerin unter 2. „hilfsweise“ die Frage formuliert, ob das geplante Vorhaben – ein Lebensmitteldiscountmarkt mit einer Verkaufsfläche von 1.135 qm – nach der Art der baulichen Nutzung unter Ausklammerung des Gebots der Rücksichtnahme auf dem Vorhabengrundstück bauplanungsrechtlich zulässig sei, fehlt ihr für diese Bauvoranfrage nach Inkrafttreten des Bebauungsplans das Sachbescheidungsinteresse. Auch diese Frage ist in Würdigung aller Umstände so zu verstehen, dass sie sich auf die Erweiterung der Verkaufsfläche des bestehenden Lebensmitteldiscountmarktes auf 1.135 qm bezieht. Wenn die Klägerin meint, die Bauvoranfrage sei mit der Formulierung unter 2. ganz allgemein und losgelöst von der beabsichtigten Erweiterung des vorhandenen Lebensmitteldiscountmarktes darauf gerichtet, die Zulässigkeit eines beliebigen Lebensmitteldiscountmarktes mit einer entsprechenden Verkaufsfläche seiner Art nach feststellen zu lassen, geben weder die mit der Bauvoranfrage eingereichten Unterlagen noch die sonstigen Umstände dafür etwas her. Folgerichtig hat die Klägerin in ihren Anträgen sowohl im Klageverfahren als auch im Berufungsverfahren als Gegenstand der Bauvoranfrage ausschließlich die Erweiterung der Verkaufsfläche des vorhandenen Lebensmitteldiscountmarktes angegeben. Eine solche Erweiterung widerspricht den Festsetzungen des Bebauungsplans, sodass der beantragte Vorbescheid für die Klägerin nutzlos wäre, weil ihr eine entsprechende Baugenehmigung nicht erteilt werden könnte. Auch insoweit wird Bezug genommen auf das Urteil des Senats vom heutigen Tag im Verfahren 10 A 669/19. 35Die Festsetzungen des Bebauungsplans sind auch wirksam, wie sich aus dem auch der Klägerin bekannten Urteil des Senats vom 15. März 2022 im Verfahren 10 D 246/21.NE ergibt, auf dessen Begründung ebenfalls Bezug genommen wird. 36Die Klage hat auch mit dem Hilfsantrag keinen Erfolg. 37Der Klägerin fehlt das erforderliche Feststellungsinteresse. 38Bei einer Fortsetzungsfeststellungklage, die der Vorbereitung einer zivilrechtlichen Klage auf Schadensersatz oder Entschädigung dienen soll, ist das Feststellungsinteresse zu bejahen, wenn ein solcher Prozess bereits anhängig, mit Sicherheit zu erwarten oder ernsthaft beabsichtigt ist, die begehrte Feststellung in diesem Verfahren erheblich und die Rechtsverfolgung nicht offensichtlich aussichtslos ist. Insoweit bedarf es hinreichender Darlegungen seitens des die Feststellung begehrenden Klägers. Hierzu gehört insbesondere, dass er die Behauptung eines eingetretenen Schadens durch Angaben zur Art des Schadens und zur annähernden Schadenshöhe substanziiert. 39Vgl. etwa OVG NRW, Urteile vom 25. März 2014 – 2 A 2679/12 –, juris, Rn 42, und vom 19. April 2013 – 10 A 2596/11 –, juris, Rn. 53, jeweils mit weiteren Nachweisen. 40Diese Anforderungen sind hier nicht erfüllt. Die Klägerin hatte vor dem Inkrafttreten des Bebauungsplans für das Vorhabengrundstück und den darauf betriebenen Lebensmitteldiscountmarkt zwei Erweiterungsvarianten im Auge, nämlich eine Erweiterung auf 1.200 qm entsprechend dem ihr unter dem 21. April 2015 erteilten Vorbescheid oder eine Erweiterung auf 1.135 qm entsprechend ihrer Bauvoranfrage vom 9. April 2018. Um ihr Feststellungsinteresse für den Hilfsantrag zu begründen, behauptet sie, ihr sei ein Schaden in Form eines entgangenen Gewinns entstanden, den sie gegenüber der Beklagten geltend machen wolle. Zur Substanziierung ihrer Behauptung trägt sie vor, in den Jahren 2016 und 2017 hätten die Gesellschafter der Erbbauberechtigten vereinbart, dass die weitere Besorgung des Baurechts durch sie, die Klägerin, und auf ihren Namen betrieben werden solle. Die Firma O. sei damals einverstanden gewesen, einen neuen Mietvertrag zu einen indexierten Mietzins von 12,83 Euro/qm für ein neues oder ein erweitertes Gebäude mit einer Gesamtfläche von 1.403 qm einschließlich einer Verkaufsfläche von 1.200 qm abzuschließen. Hätte die Beklagte die Geltungsdauer des Vorbescheids vom 21. April 2015 antragsgemäß verlängert, hätte sie, die Klägerin, vorrangig die diesem Vorbescheid entsprechende Erweiterung der Verkaufsfläche des auf dem Vorhabengrundstück betriebenen Lebensmitteldiscountmarktes umgesetzt. Hätte sie die Umsetzung dieses Vorhabens durch einen Bankkredit finanziert, hätte sich bei Abzug der Einstandskosten, der Kreditkosten, des Erbbauzinses und der Abschreibung der Baukosten unter Berücksichtigung einer realistischen Indexentwicklung bei fünfzehn Jahren Laufzeit nach Abzug von Steuern ein Gewinn von 515.100 Euro ergeben. Rechne man die Wertsteigerung der Immobilie hinzu, hätte sie nach Abzug von Steuern einen Gewinn von 887.100 Euro in fünfzehn Jahren erwarten können. Diesen entgangenen Gewinn wolle sie als den ihr entstandenen Schaden geltend machen. Nimmt man die Klägerin beim Wort, wäre für eine Umsetzung des mit der Bauvoranfrage vom 9. April 2018 begehrten Vorbescheids kein Raum gewesen. Ein zusätzlicher Schaden, den sie in einem Zivilprozess geltend machen könnte, kann folglich durch seine rechtswidrige Versagung nicht eingetreten sein. Einen solchen Schaden hat die Klägerin auch nicht substanziiert vorgetragen. 41Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. 42Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 ff. ZPO. 43Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
die berufung wird zurückgewiesen. die klägerin trägt die kosten des berufungsverfahrens. das urteil ist hinsichtlich der kosten vorläufig vollstreckbar. die klägerin darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 von hundert des auf grund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 von hundert des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. die revision wird nicht zugelassen. 1
2die klägerin begehrt die erteilung eines bauplanungsrechtlichen vorbescheids für das grundstück n.-straße 396 in e., gemarkung n1., flur 3, flurstücke 341 und 343 (im folgenden: vorhabengrundstück). eigentümerin des vorhabengrundstücks, auf dem von der firma o. ein lebensmitteldiscountmarkt mit einer verkaufsfläche von circa 699 qm betrieben wird, ist die grundbesitz n.-straße 398 gmbh & co. kg (im folgenden: grundstückseigentümerin). zugunsten der aus den gesellschaftern k. t. und u. i. bestehenden e. n2.-straße gbr (im folgenden: erbbauberechtigte), ist für das vorhabengrundstück ein erbbaurecht bis zum jahr 2054 im erbbaugrundbuch eingetragen. 3das vorhabengrundstück liegt im geltungsbereich des im jahre 2020 als satzung beschlossenen bebauungsplans nr. „w./n3.-straße“ der beklagten (im folgenden: bebauungsplan), der gegenstand des von der erbbauberechtigten anhängig gemachten normenkontrollverfahrens 10 d 246/21.ne war. der senat hat den normenkontrollantrag mit urteil vom 15. märz 2022 abgelehnt. 4der ausschuss für planung und stadtentwicklung (im folgenden: ausschuss) hatte am 25. märz 2015 für den bereich nördlich/nordöstlich des w. etwa zwischen der p.‑straße, der kleingartenanlage an der t1.-straße und der n3.-straße die aufstellung des bebauungsplans beschlossen. ziel der planung sei die steuerung des einzelhandels und die ermöglichung einer wohnnutzung. vorrangig sei die verhinderung einer einzelhandelsnutzung gewollt, die den zielen des rahmenplans einzelhandel entgegenstehe. unter dem 8. april 2015 ordnete der oberbürgermeister die bekanntmachung des aufstellungsbeschlusses an, die am 18. april 2015 im amtsblatt erfolgte. mit beschluss vom 24. februar 2016 änderte der ausschuss den aufstellungsbeschluss. er erweiterte das plangebiet auf einen bereich westlich des w. und konkretisierte die planungsziele. die bekanntmachung des von der amtsleiterin des planungsamtes am 26. februar 2016 unterzeichneten geänderten aufstellungsbeschlusses erfolgte am 5. märz 2016 im amtsblatt. 5am 10. märz 2016 beschloss der rat eine veränderungssperre für das plangebiet. am 21. märz 2016 unterzeichnete der oberbürgermeister die bekanntmachungsanordnung für den die veränderungssperre betreffenden satzungsbeschluss, der am 9. april 2016 im amtsblatt bekanntgemacht wurde. 6am 1. februar 2018 beschloss der rat, die geltungsdauer der veränderungssperre um ein jahr zu verlängern. am 28. februar 2018 unterzeichnete der oberbürgermeister die bekanntmachungsanordnung für den satzungsbeschluss, dessen bekanntmachung am 10. märz 2018 im amtsblatt erfolgte. 7bereits im jahre 2013 hatte die klägerin einen bauplanungsrechtlichen vorbescheid für die erweiterung der verkaufsfläche des auf dem vorhabengrundstück betriebenen lebensmitteldiscountmarktes beantragt. nachdem die beklagte die erteilung eines entsprechenden vorbescheids zunächst versagt hatte, schlossen die beteiligten im klageverfahren 4 k 1164/14 vor dem verwaltungsgericht düsseldorf im jahre 2014 einen vergleich, mit dem sich die beklagte zur erteilung eines vorbescheids für die erweiterung der verkaufsfläche des lebensmitteldiscountmarktes verpflichtete. auf der grundlage dieses vergleichs erteilte die beklagte der klägerin unter dem 21. april 2015 für die „erweiterung des lebensmittelmarktes mit pkw-stellplätzen auf 1.200 qm (reine) verkaufsfläche“ einen bauplanungsrechtlichen vorbescheid. am 17. februar 2017 beantragte die klägerin die verlängerung der geltungsdauer dieses vorbescheids, die die beklagte mit bescheid vom 6. april 2017 ablehnte. die zwischenzeitlich beschlossene veränderungssperre stehe der gewollten erweiterung der verkaufsfläche entgegen. eine ausnahme komme nicht in betracht. der antrag der klägerin, die beklagte zur verlängerung der geltungsdauer des vorbescheids zu verpflichten, ist gegenstand des berufungsverfahrens 10 a 668/19. 8mit bauvoranfrage vom 9. april 2018 beantragte die klägerin die erteilung eines weiteren bauplanungsrechtlichen vorbescheids (im folgenden: vorbescheid) für die erweiterung der verkaufsfläche des auf dem vorhabengrundstück betriebenen lebensmitteldiscountmarktes auf 1.135 qm (im folgenden: vorhaben). die stellplätze, die erschließung sowie die betriebszeiten seien nicht bestandteil der bauvoranfrage. auch etwaige immissionsrechtliche belange seien, ebenso wie das gebot der rücksichtnahme, nicht gegenstand der bauvoranfrage. die klägerin formulierte folgende fragen zu ihrem vorhaben: 9„1. ist auf dem baugrundstück entsprechend dem beiliegenden lageplan eine erweiterung des bestehenden lebensmittel-discounters auf ca. 1135m² verkaufsfläche planungsrechtlich zulässig? 102. hilfsweise wird angefragt, ob das geplante vorhaben - ein lebensmittel-discountmarkt mit einer verkaufsfläche von 1135 m² - nach der art der baulichen nutzung unter ausklammerung des gebots der rücksichtnahme auf dem vorhabengrundstück bauplanungsrechtlich zulässig ist?“ 11mit bescheid vom 19. juni 2018 lehnte die beklagte auch diesen antrag unter verweis auf die veränderungssperre ab. 12die klägerin hat am 19. juli 2018 klage erhoben und beantragt, 13die beklagte unter aufhebung des ablehnungsbescheides vom 19. juni 2018 (63/23-bv-0069/18) zu verpflichten, ihre bauvoranfrage vom 9. april 2018 zur erweiterung des auf dem grundstück gemarkung n1., flur 3, flurstücke 341/343 vorhandenen lebensmitteldiscountmarktes auf eine verkaufsfläche von insgesamt 1.135 qm positiv zu bescheiden. 14die beklagte hat beantragt, 15die klage abzuweisen. 16das verwaltungsgericht hat die klage mit urteil vom 18. januar 2019 abgewiesen. der erteilung des begehrten vorbescheids stehe die veränderungssperre als öffentlich-rechtliche vorschrift entgegen. 17zur begründung der vom senat zugelassenen berufung trägt die klägerin vor, dass sowohl der inzwischen als satzung beschlossene bebauungsplan als auch der vorgängerplan unwirksam seien, sodass das vorhaben, auf das die regelvermutung des § 11 abs. 3 satz 3 baunvo nicht zutreffe und das daher atypisch im sinne des § 11 abs. 3 satz 4 baunvo sei, weil vorhabenbedingte negative auswirkungen trotz seiner geschossfläche von mehr als 1.200 qm nicht zu erwarten seien, nach § 34 abs. 2 baugb in verbindung mit § 8 baunvo auf dem vorhabengrundstück bauplanungsrechtlich zulässig sei. das im aufstellungsverfahren von der beklagten eingeholte einzelhandelsgutachten habe gezeigt, dass die umsatzumlenkungen, die mit einer erweiterung des auf dem vorhabengrundstück betriebenen lebensmitteldiscountmarktes hin zu einem großflächigen einzelhandelsbetrieb verbunden wären, keine städtebauliche relevanz hätten. 18der vorgängerplan sei ebenfalls unwirksam, wie der senat bereits in der mündlichen verhandlung im normenkontrollverfahren 10 d 61/08.ne herausgestellt habe. 19selbst wenn der bebauungsplan wirksam wäre, sei die klage gleichwohl begründet, denn die bauvoranfrage verhalte sich ausdrücklich nur zur art der baulichen nutzung. als ein im sinne von § 11 abs. 3 satz 4 baunvo atypischer einzelhandelsbetrieb sei das vorhaben im plangebiet bauplanungsrechtlich zulässig. jedenfalls unmittelbar vor inkrafttreten des bebauungsplans am 4. april 2020 habe der geltend gemachte anspruch auf erteilung des vorbescheids bestanden. die veränderungssperre hätte damals einer solchen verlängerung nicht entgegengestanden, da ihre geltungsdauer mangels besonderer umstände im sinne von § 17 abs. 2 baugb nicht auf ein viertes jahr hätte verlängert werden dürfen. der rat habe annähernd fünf jahre gebraucht, um überhaupt einen planentwurf für eine öffentliche auslegung zu erstellen. sie, die klägerin, wolle schadensersatzansprüche gegen die beklagte geltend machen, weil ihr wegen der rechtswidrigen versagung der beantragten verlängerung der geltungsdauer des vorbescheids erhebliche mieteinnahmen entgangen seien. 20die klägerin beantragt schriftsätzlich, 21das angefochtene urteil zu ändern und die beklagte unter aufhebung des ablehnungsbescheides vom 19. juni 2018 zu verpflichten, ihre bauvoranfrage vom 9. april 2018 zur erweiterung des auf dem grundstück gemarkung n1., flur 3, flurstücke 341/343 vorhandenen lebensmitteldiscountmarktes auf eine verkaufsfläche von insgesamt 1.135 qm positiv zu bescheiden. 22hilfsweise festzustellen, dass die beklagte im zeitpunkt unmittelbar vor inkrafttreten des bebauungsplans nr. „w./n3.-straße“ verpflichtet war, ihre bauvoranfrage vom 9. april 2018 zur erweiterung des auf dem grundstück gemarkung n1., flur 3, flurstücke 341/343 vorhandenen lebensmittel-discountmarktes auf eine verkaufsfläche von insgesamt 1.135 qm positiv zu bescheiden. 23die beklagte beantragt schriftsätzlich, 24die berufung zurückzuweisen. 25sie hält das vorhaben für bauplanungsrechtlich unzulässig. der bebauungsplan sei wirksam. die klägerin habe nicht hinreichend nachgewiesen, dass das vorhaben atypisch im sinne des § 11 abs. 3 satz 4 baunvo sei. bei zwei lebensmitteldiscountmärkten und einem türkischen supermarkt im plangebiet gebe es keine sortimentsbezogene unterversorgung in dem zentralen versorgungsbereich, in dem das vorhabengrundstück liege. 26auch wenn der bebauungsplan unwirksam sein sollte, sei das vorhaben in der gemengelage, in die das vorhabengrundstück eingebettet sei, als großflächiger einzelhandelsbetrieb mangels eines vorbildes unzulässig. die nutzung auf dem grundstück w. 55 durch die firma j. (nutzfahrzeugniederlassung; werkstatt; ausstellungsflächen) sei kein solches vorbild. die ausstellungsflächen der firma bestünden größtenteils aus befestigten freiflächen, auf denen vor allem gebrauchte nutzfahrzeuge ausgestellt würden. bei diesen ausstellungsflächen handele es sich mithin nur um nebenanlagen von untergeordneter bedeutung, aus denen im hinblick auf die großflächigkeit keine vorbildwirkung für das vorhaben hergeleitet werden könne. auch wichen die betrieblichen begleiterscheinungen der beiden in rede stehenden nutzungen, insbesondere der betriebsbedingte verkehr, wesentlich voneinander ab. das vorhaben hätte sich daher seiner art nach auch dann nicht in die eigenart der näheren umgebung des vorhabengrundstücks eingefügt, wenn die zweite verlängerung der veränderungssperre unwirksam gewesen sein sollte. überdies hätten dem vorhaben damals möglicherweise auch die vorgaben des § 34 abs. 3 baugb entgegengestanden. 27der hilfsantrag sei unbegründet. die zweite verlängerung der veränderungssperre sei wirksam gewesen, denn damals hätten besondere umstände vorgelegen, die die planung außergewöhnlich schwierig gemacht hätten und weder von der verwaltung noch vom rat zu verantworten gewesen seien. 28wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakten 10 d 246/21.ne, 10 a 668/19 und 10 a 669/19 sowie der beigezogenen aufstellungsvorgänge (beiakten hefte 1 bis 11 des verfahrens 10 d 246/21.ne) und der verwaltungsvorgänge der beklagten (beiakten heft 1 bis 24 des verfahrens 10 a 668/19 und beiakte heft 1 des verfahrens 10 a 669/19) bezug genommen. 29
30die berufung der klägerin hat keinen erfolg. 31die klage ist unbegründet. 32die klägerin hat keinen anspruch auf erteilung des mit dem hauptantrag begehrten bauplanungsrechtlichen vorbescheids. dem vorhaben stehen öffentlich-rechtliche vorschriften entgegen (§§ 77 abs. 1 satz 1 und satz 4, 74 abs. 1 bauo nrw). 33das vorhaben widerspricht den festsetzungen des bebauungsplans unter anderem hinsichtlich der überbaubaren grundstücksfläche. die bauvoranfrage bezieht sich mit der unter 1. formulierten frage ausdrücklich auf die erweiterung der verkaufsfläche des auf dem vorhabengrundstück betriebenen lebensmitteldiscountmarktes und damit auf die planungsrechtlich unzulässige änderung des auf den bestand gesetzten marktes. dies ergibt sich aus dem urteil des senats vom heutigen tag im verfahren 10 a 668/19, auf dessen begründung insoweit zur vermeidung von wiederholungen bezug genommen wird. 34soweit die klägerin unter 2. „hilfsweise“ die frage formuliert, ob das geplante vorhaben – ein lebensmitteldiscountmarkt mit einer verkaufsfläche von 1.135 qm – nach der art der baulichen nutzung unter ausklammerung des gebots der rücksichtnahme auf dem vorhabengrundstück bauplanungsrechtlich zulässig sei, fehlt ihr für diese bauvoranfrage nach inkrafttreten des bebauungsplans das sachbescheidungsinteresse. auch diese frage ist in würdigung aller umstände so zu verstehen, dass sie sich auf die erweiterung der verkaufsfläche des bestehenden lebensmitteldiscountmarktes auf 1.135 qm bezieht. wenn die klägerin meint, die bauvoranfrage sei mit der formulierung unter 2. ganz allgemein und losgelöst von der beabsichtigten erweiterung des vorhandenen lebensmitteldiscountmarktes darauf gerichtet, die zulässigkeit eines beliebigen lebensmitteldiscountmarktes mit einer entsprechenden verkaufsfläche seiner art nach feststellen zu lassen, geben weder die mit der bauvoranfrage eingereichten unterlagen noch die sonstigen umstände dafür etwas her. folgerichtig hat die klägerin in ihren anträgen sowohl im klageverfahren als auch im berufungsverfahren als gegenstand der bauvoranfrage ausschließlich die erweiterung der verkaufsfläche des vorhandenen lebensmitteldiscountmarktes angegeben. eine solche erweiterung widerspricht den festsetzungen des bebauungsplans, sodass der beantragte vorbescheid für die klägerin nutzlos wäre, weil ihr eine entsprechende baugenehmigung nicht erteilt werden könnte. auch insoweit wird bezug genommen auf das urteil des senats vom heutigen tag im verfahren 10 a 669/19. 35die festsetzungen des bebauungsplans sind auch wirksam, wie sich aus dem auch der klägerin bekannten urteil des senats vom 15. märz 2022 im verfahren 10 d 246/21.ne ergibt, auf dessen begründung ebenfalls bezug genommen wird. 36die klage hat auch mit dem hilfsantrag keinen erfolg. 37der klägerin fehlt das erforderliche feststellungsinteresse. 38bei einer fortsetzungsfeststellungklage, die der vorbereitung einer zivilrechtlichen klage auf schadensersatz oder entschädigung dienen soll, ist das feststellungsinteresse zu bejahen, wenn ein solcher prozess bereits anhängig, mit sicherheit zu erwarten oder ernsthaft beabsichtigt ist, die begehrte feststellung in diesem verfahren erheblich und die rechtsverfolgung nicht offensichtlich aussichtslos ist. insoweit bedarf es hinreichender darlegungen seitens des die feststellung begehrenden klägers. hierzu gehört insbesondere, dass er die behauptung eines eingetretenen schadens durch angaben zur art des schadens und zur annähernden schadenshöhe substanziiert. 39vgl. etwa ovg nrw, urteile vom 25. märz 2014 – 2 a 2679/12 –, juris, rn 42, und vom 19. april 2013 – 10 a 2596/11 –, juris, rn. 53, jeweils mit weiteren nachweisen. 40diese anforderungen sind hier nicht erfüllt. die klägerin hatte vor dem inkrafttreten des bebauungsplans für das vorhabengrundstück und den darauf betriebenen lebensmitteldiscountmarkt zwei erweiterungsvarianten im auge, nämlich eine erweiterung auf 1.200 qm entsprechend dem ihr unter dem 21. april 2015 erteilten vorbescheid oder eine erweiterung auf 1.135 qm entsprechend ihrer bauvoranfrage vom 9. april 2018. um ihr feststellungsinteresse für den hilfsantrag zu begründen, behauptet sie, ihr sei ein schaden in form eines entgangenen gewinns entstanden, den sie gegenüber der beklagten geltend machen wolle. zur substanziierung ihrer behauptung trägt sie vor, in den jahren 2016 und 2017 hätten die gesellschafter der erbbauberechtigten vereinbart, dass die weitere besorgung des baurechts durch sie, die klägerin, und auf ihren namen betrieben werden solle. die firma o. sei damals einverstanden gewesen, einen neuen mietvertrag zu einen indexierten mietzins von 12,83 euro/qm für ein neues oder ein erweitertes gebäude mit einer gesamtfläche von 1.403 qm einschließlich einer verkaufsfläche von 1.200 qm abzuschließen. hätte die beklagte die geltungsdauer des vorbescheids vom 21. april 2015 antragsgemäß verlängert, hätte sie, die klägerin, vorrangig die diesem vorbescheid entsprechende erweiterung der verkaufsfläche des auf dem vorhabengrundstück betriebenen lebensmitteldiscountmarktes umgesetzt. hätte sie die umsetzung dieses vorhabens durch einen bankkredit finanziert, hätte sich bei abzug der einstandskosten, der kreditkosten, des erbbauzinses und der abschreibung der baukosten unter berücksichtigung einer realistischen indexentwicklung bei fünfzehn jahren laufzeit nach abzug von steuern ein gewinn von 515.100 euro ergeben. rechne man die wertsteigerung der immobilie hinzu, hätte sie nach abzug von steuern einen gewinn von 887.100 euro in fünfzehn jahren erwarten können. diesen entgangenen gewinn wolle sie als den ihr entstandenen schaden geltend machen. nimmt man die klägerin beim wort, wäre für eine umsetzung des mit der bauvoranfrage vom 9. april 2018 begehrten vorbescheids kein raum gewesen. ein zusätzlicher schaden, den sie in einem zivilprozess geltend machen könnte, kann folglich durch seine rechtswidrige versagung nicht eingetreten sein. einen solchen schaden hat die klägerin auch nicht substanziiert vorgetragen. 41die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 2 vwgo. 42die entscheidung zur vorläufigen vollstreckbarkeit beruht auf § 167 vwgo in verbindung mit den §§ 708 ff. zpo. 43die revision ist nicht zuzulassen, weil die voraussetzungen des § 132 abs. 2 vwgo nicht vorliegen.
344,947
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10 A 668/19
2022-03-30T00:00:00
Urteil
Tenor Das angefochtene Urteil wird geändert. Es wird festgestellt, dass die Beklagte unmittelbar vor Inkrafttreten des Bebauungsplans Nr. „W./N.-straße“ verpflichtet war, die Geltungsdauer des Vorbescheids vom 21. April 2015 (63-BV-0123/13) zu verlängern. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen die Klägerin zu zwei Dritteln und die Beklagte zu einem Drittel. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die jeweilige Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 von Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 von Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Revision wird nicht zugelassen. 1Tatbestand: 2Die Klägerin begehrt die Verlängerung der Geltungsdauer eines ihr für das Grundstück N.-straße 396 in E., Gemarkung N1., Flur 3, Flurstücke 341 und 343 (im Folgenden: Vorhabengrundstück) erteilten bauplanungsrechtlichen Vorbescheids. Eigentümerin des Vorhabengrundstücks, auf dem von der Firma O. ein Lebensmitteldiscountmarkt mit einer Verkaufsfläche von circa 699 qm betrieben wird, ist die Grundbesitz N.‑straße 398 GmbH & Co. KG (im Folgenden: Grundstückseigentümerin). Zugunsten der aus den Gesellschaftern K. T. und U. I. bestehenden E. N.-straße GbR (im Folgenden: Erbbauberechtigte) ist für das Vorhabengrundstück ein Erbbaurecht bis zum Jahr 2054 im Erbbaugrundbuch eingetragen. 3Das Vorhabengrundstück liegt im Geltungsbereich des im Jahre 2020 als Satzung beschlossenen Bebauungsplans Nr. „W./N.-straße“ der Beklagten (im Folgenden: Bebauungsplan), der Gegenstand des von der Erbbauberechtigten anhängig gemachten Normenkontrollverfahrens 10 D 246/21.NE war. Der Senat hat den Normenkontrollantrag mit Urteil vom 15. März 2022 abgelehnt. 4Der Ausschuss für Planung und Stadtentwicklung (im Folgenden: Ausschuss) hatte am 25. März 2015 für den Bereich nördlich/nordöstlich des W. etwa zwischen der P.‑straße, der Kleingartenanlage an der T1.-straße und der N.-straße die Aufstellung des Bebauungsplans beschlossen. Ziel der Planung sei die Steuerung des Einzelhandels und die Ermöglichung einer Wohnnutzung. Vorrangig sei die Verhinderung einer Einzelhandelsnutzung gewollt, die den Zielen des Rahmenplans Einzelhandel entgegenstehe. Unter dem 8. April 2015 ordnete der Oberbürgermeister die Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses an, die am 18. April 2015 im Amtsblatt erfolgte. Mit Beschluss vom 24. Februar 2016 änderte der Ausschuss den Aufstellungsbeschluss. Er erweiterte das Plangebiet auf einen Bereich westlich des W. und konkretisierte die Planungsziele. Die Bekanntmachung des von der Amtsleiterin des Planungsamtes am 26. Februar 2016 unterzeichneten geänderten Aufstellungsbeschlusses erfolgte am 5. März 2016 im Amtsblatt. 5Am 10. März 2016 beschloss der Rat eine Veränderungssperre für das Plangebiet. Am 21. März 2016 unterzeichnete der Oberbürgermeister die Bekanntmachungsanordnung für den die Veränderungssperre betreffenden Satzungsbeschluss, der am 9. April 2016 im Amtsblatt bekanntgemacht wurde. 6Am 1. Februar 2018 beschloss der Rat, die Geltungsdauer der Veränderungssperre um ein Jahr zu verlängern. Am 28. Februar 2018 unterzeichnete der Oberbürgermeister die Bekanntmachungsanordnung für den Satzungsbeschluss, dessen Bekanntmachung am 10. März 2018 im Amtsblatt erfolgte. 7Bereits im Jahre 2013 hatte die Klägerin einen bauplanungsrechtlichen Vorbescheid für die Erweiterung der Verkaufsfläche des auf dem Vorhabengrundstück betriebenen Lebensmitteldiscountmarktes beantragt. Nachdem die Beklagte die Erteilung eines entsprechenden Vorbescheids zunächst versagt hatte, schlossen die Beteiligten im Klageverfahren 4 K 1164/14 vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf im Jahre 2014 einen Vergleich, mit dem sich die Beklagte zur Erteilung eines Vorbescheids für die Erweiterung der Verkaufsfläche des Lebensmitteldiscountmarktes verpflichtete. Auf der Grundlage dieses Vergleichs erteilte die Beklagte der Klägerin unter dem 21. April 2015 für die „Erweiterung des Lebensmittelmarktes mit PKW-Stellplätzen auf 1.200 qm (reine) Verkaufsfläche“ (im Folgenden: Vorhaben) einen bauplanungsrechtlichen Vorbescheid (im Folgenden: Vorbescheid). Am 17. Februar 2017 beantragte die Klägerin die Verlängerung der Geltungsdauer des Vorbescheids, die die Beklagte mit Bescheid vom 6. April 2017 ablehnte. Die zwischenzeitlich beschlossene Veränderungssperre stehe der gewollten Erweiterung der Verkaufsfläche entgegen. Eine Ausnahme komme nicht in Betracht. 8Mit Bauvoranfrage vom 9. April 2018 beantragte die Klägerin die Erteilung eines weiteren bauplanungsrechtlichen Vorbescheids für die Erweiterung der Verkaufsfläche des Lebensmitteldiscountmarktes auf dem Vorhabengrundstück auf 1.135 qm. Mit Bescheid vom 19. Juni 2018 lehnte die Beklagte auch diesen Antrag unter Verweis auf die Veränderungssperre ab. Der Antrag der Klägerin, die Beklagte zur Erteilung des unter dem 9. April 2018 beantragten Vorbescheids zu verpflichten, ist Gegenstand des Berufungsverfahrens 10 A 669/19. 9Die Klägerin hat am 12. Mai 2017 Klage erhoben und beantragt, 10die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 6. April 2017 (63/23-VL-0035/17) zu verpflichten, die Geltungsdauer des Vorbescheids vom 21. April 2015 (63-BV-0123/13) zu verlängern. 11Die Beklagte hat beantragt, 12die Klage abzuweisen. 13Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 18. Januar 2019 abgewiesen. Der begehrten Verlängerung des Vorbescheids stehe die Veränderungssperre als öffentlich-rechtliche Vorschrift entgegen. 14Zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung trägt die Klägerin vor, dass sowohl der inzwischen als Satzung beschlossene Bebauungsplan als auch der Vorgängerplan unwirksam seien, sodass das Vorhaben, auf das die Regelvermutung des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO nicht zutreffe und das daher atypisch im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO sei, weil vorhabenbedingte negative Auswirkungen trotz seiner Geschossfläche von mehr als 1.200 qm nicht zu erwarten seien, nach § 34 Abs. 2 BauGB in Verbindung mit § 8 BauNVO auf dem Vorhabengrundstück bauplanungsrechtlich zulässig sei. Das im Aufstellungsverfahren von der Beklagten eingeholte Einzelhandelsgutachten habe gezeigt, dass die Umsatzumlenkungen, die mit einer Erweiterung des auf dem Vorhabengrundstück betriebenen Lebensmitteldiscountmarktes hin zu einem großflächigen Einzelhandelsbetrieb verbunden wären, keine städtebauliche Relevanz hätten. 15Der Vorgängerplan sei ebenfalls unwirksam, wie der Senat bereits in der mündlichen Verhandlung im Normenkontrollverfahren 10 D 61/08.NE herausgestellt habe. 16Selbst wenn der Bebauungsplan wirksam wäre, sei die Klage gleichwohl begründet, denn der Vorbescheid verhalte sich ausdrücklich nur zur Art der baulichen Nutzung. Als ein im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO atypischer Einzelhandelsbetrieb sei das Vorhaben im Plangebiet bauplanungsrechtlich zulässig. Jedenfalls unmittelbar vor Inkrafttreten des Bebauungsplans am 4. April 2020 habe der geltend gemachte Anspruch auf Verlängerung der Geltungsdauer des Vorbescheids bestanden. Die Veränderungssperre hätte damals einer solchen Verlängerung nicht entgegengestanden, da ihre Geltungsdauer mangels besonderer Umstände im Sinne von § 17 Abs. 2 BauGB nicht auf ein viertes Jahr hätte verlängert werden dürfen. Der Rat habe annähernd fünf Jahre gebraucht, um überhaupt einen Planentwurf für eine öffentliche Auslegung zu erstellen. Sie, die Klägerin, wolle Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte geltend machen, weil ihr wegen der rechtswidrigen Versagung der beantragten Verlängerung der Geltungsdauer des Vorbescheids erhebliche Mieteinnahmen entgangen seien. 17Wäre die Geltungsdauer des Vorbescheids antragsgemäß verlängert worden, hätte sie einen entsprechenden Bauantrag gestellt und das Vorhaben umgesetzt. In den Jahren 2016 und 2017 habe die Erbbauberechtigte mit der Firma O. einen Mietvertrag verhandelt, der einen indexierten Mietzins von 12,83 Euro/qm für eine Gesamtfläche von 1.403 qm bei einer Verkaufsfläche von 1.200 qm vorgesehen habe. Nachdem die Beklagte eine Verlängerung der Geltungsdauer des Vorbescheids abgelehnt habe, hätten die Gesellschafter der Erbbauberechtigten vereinbart, dass die weitere Besorgung des Baurechts durch sie, die Klägerin, und auf ihren Namen betrieben werden solle. Für den Fall, dass die Geltungsdauer des Vorbescheids verlängert werden sollte, hätten die Gesellschafter vereinbart, dass sie ihr die Erweiterung beziehungsweise den Neubau des auf dem Vorhabengrundstück aufstehenden Gebäudes auf eigene Kosten und den Abschluss eines neuen Mietvertrages mit der Firma O. gestatten würden. Der Erbbauberechtigten sollte sie im Gegenzug den Restwert des Gebäudes und der Außenanlage zum Buchwert erstatten und die Zahlung des Erbbauzinses sowie aller Abgaben in Verbindung mit der Liegenschaft übernehmen. Die Gesellschafter der Erbbauberechtigten hätten schon im Zeitpunkt der besagten Vereinbarung einer Neubelastung des Erbbaubuches mit gegebenenfalls erforderlichen Grundschulden im Zusammenhang mit den notwendigen Investitionen und einer möglichen Verlängerung des Erbbaurechts zugestimmt. Die Firma O. habe gegenüber ihr, der Klägerin, jüngst noch einmal bestätigt, dass sie bereit gewesen wäre, einen neuen Mietvertrag mit dem vorstehenden Inhalt abzuschließen, und hierzu auch weiterhin bereit sei. Sie, die Klägerin, hätte die notwendigen Investitionen für die Umsetzung des Vorhabens gegebenenfalls mit eigenen Mitteln finanziert, was den durch die Versagung der Verlängerung der Geltungsdauer des Vorbescheids verursachten Schaden angesichts des Gewinns, den sie in einem solchen Fall hätte erwarten dürfen, erhöhen würde. Als Mindestschaden sei jedenfalls anzunehmen, dass die Umsetzung des Vorhabens durch einen Bankkredit finanziert worden wäre. Dann hätte sich bei Abzug der Einstandskosten, der Kreditkosten, des Erbbauzinses und der Abschreibung der Baukosten unter Berücksichtigung einer realistischen Indexentwicklung bei fünfzehn Jahren Laufzeit nach Abzug von Steuern ein Gewinn von 515.100 Euro ergeben. Rechne man die Wertsteigerung der Immobilie hinzu, wäre nach Abzug von Steuern mit einem Gewinn von 887.100 Euro in fünfzehn Jahren zu rechnen gewesen. 18Die Klägerin beantragt schriftsätzlich, 19das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 6. April 2017 (63/23-VL-0035/17) zu verpflichten, die Geltungsdauer des Vorbescheids vom 21. April 2015 (63-BV-0123/13) zu verlängern, 20hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte im Zeitpunkt unmittelbar vor Inkrafttreten des Bebauungsplans Nr. „W./N.-straße“ verpflichtet war, die Geltungsdauer des Vorbescheids vom 21. April 2015 (63-BV-0123/13) zu verlängern. 21Die Beklagte beantragt schriftsätzlich, 22die Berufung zurückzuweisen. 23Sie hält das Vorhaben für bauplanungsrechtlich unzulässig. Der Bebauungsplan sei wirksam. Die Klägerin habe nicht hinreichend nachgewiesen, dass das Vorhaben atypisch im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO sei. Bei zwei Lebensmitteldiscountmärkten und einem türkischen Supermarkt im Plangebiet gebe es keine sortimentsbezogene Unterversorgung in dem zentralen Versorgungsbereich, in dem das Vorhabengrundstück liege. 24Auch wenn der Bebauungsplan unwirksam sein sollte, sei das Vorhaben in der Gemengelage, in die das Vorhabengrundstück eingebettet sei, als großflächiger Einzelhandelsbetrieb mangels eines Vorbildes unzulässig. Die Nutzung auf dem Grundstück W. 55 durch die Firma J. (Nutzfahrzeugniederlassung; Werkstatt; Ausstellungsflächen) sei kein solches Vorbild. Die Ausstellungsflächen der Firma bestünden größtenteils aus befestigten Freiflächen, auf denen vor allem gebrauchte Nutzfahrzeuge ausgestellt würden. Bei diesen Ausstellungsflächen handele es sich mithin nur um Nebenanlagen von untergeordneter Bedeutung, aus denen im Hinblick auf die Großflächigkeit keine Vorbildwirkung für das Vorhaben hergeleitet werden könne. Auch wichen die betrieblichen Begleiterscheinungen der beiden in Rede stehenden Nutzungen, insbesondere der betriebsbedingte Verkehr, wesentlich voneinander ab. Das Vorhaben hätte sich daher seiner Art nach auch dann nicht in die Eigenart der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks eingefügt, wenn die zweite Verlängerung der Veränderungssperre unwirksam gewesen sein sollte. Überdies hätten dem Vorhaben damals möglicherweise auch die Vorgaben des § 34 Abs. 3 BauGB entgegengestanden. 25Der Hilfsantrag sei unbegründet. Die zweite Verlängerung der Veränderungssperre sei wirksam gewesen, denn damals hätten besondere Umstände vorgelegen, die die Planung außergewöhnlich schwierig gemacht hätten und weder von der Verwaltung noch vom Rat zu verantworten gewesen seien. Vom Sommer 2016 bis zum März 2017 sei ein Gutachterverfahren in Form eines Wettbewerbs durchgeführt worden, um ein innovatives Nutzungskonzept, nämlich die verträgliche Verbindung von Wohnnutzungen mit den im künftigen Plangebiet vorhandenen Gewerbebetrieben, zu entwickeln. Am 13. Mai 2017 sei die Baunutzungsverordnung durch Einführung des Urbanen Gebiets mit § 6a BauNVO geändert worden. Dieser neue Baugebietstyp habe den mit dem Aufstellungsbeschluss verfolgten Planungszielen mehr entsprochen als etwa ein Mischgebiet. Die Planung sei daher im Aufstellungsverfahren dahingehend konkretisiert worden. Dass der neue Baugebietstyp erst nach mehr als einem Jahr nach dem Beschluss über die Veränderungssperre eingeführt worden sei, müsse bei der Zulässigkeit der zweiten Verlängerung der Veränderungssperre berücksichtigt werden. Von Mai bis November 2017 sei das Ergebnis des angesprochenen Wettbewerbs überarbeitet worden und der Rat habe beschlossen, das ursprünglich vorgesehene Plangebiet zu verkleinern. In der Zeit von Dezember 2017 bis Oktober 2018 habe die Verwaltung intensive Abstimmungsgespräche mit allen Eigentümern von Grundstücken im künftigen Plangebiet geführt, deren Ergebnisse mehrfache Anpassungen des Planentwurfs erforderlich gemacht hätten. 26Das mit dem Aufstellungsbeschluss verfolgte Ziel der Einzelhandelssteuerung hätte eine darauf bezogene Untersuchung erfordert, die ein Bedürfnis für eine Änderung des Rahmenplans Einzelhandel gezeigt habe. Wegen der gewerblichen Vorprägung des künftigen Plangebiets hätte es auch der Prüfung und Berücksichtigung diverser umweltrechtlicher Belange, insbesondere hinsichtlich des Lärms, bedurft. 27Davon abgesehen, sei nicht mit hinreichender Sicherheit zu erwarten, dass die Klägerin zivilrechtlich Schadensersatzansprüche gegen sie, die Beklagte, geltend machen werde. Die Klägerin habe keine hinreichend substanziierten Angaben zu der Art des ihr angeblich entstandenen Schadens und zu dessen ungefährer Höhe gemacht. Sie trage vor, dass ihr durch die Versagung der Verlängerung der Geltungsdauer des Vorbescheids erhebliche Mieteinnahmen entgangen seien. An einem das Gebäude auf dem Vorhabengrundstück betreffenden Mietverhältnis, aus dem sie solche Mieteinnahmen hätte erwarten dürfen, sei sie aber nicht beteiligt. Sie behaupte nur, dass die Erbbauberechtigte in den Jahren 2016 und 2017 Verhandlungen mit der Firma O. unter anderem auch über den Abschluss eines neuen Mietvertrags geführt habe. Auf den notwendigen Mindestinhalt eines künftigen Mietvertrags hätten sich die künftigen Vertragspartner nach dem Vortrag der Klägerin damals nicht geeinigt. Danach seien die Gesellschafter der Erbbauberechtigten über die Höhe des Mietzinses, den die Firma O. hätte zahlen sollen, uneins gewesen. Die angeblichen Verhandlungen zwischen der Erbbauberechtigten und der Firma O. sowie die angeblichen Vereinbarungen der Gesellschafter der Erbbauberechtigten unter anderem zur künftigen Rolle der Klägerin habe diese erstmals in ihrem Schriftsatz vom 10. März 2022 erwähnt. Sie, die Beklagte, bestreite, dass es diese angeblichen Verhandlungen und Vereinbarungen in den Jahren 2016 und 2017 überhaupt gegeben habe. Zudem hätte die von der Klägerin behauptete vorgesehene Neubelastung des für das Vorhabengrundstück eingetragenen Erbbaurechts die Zustimmung der Grundstückseigentümerin erfordert. In einem Vergleich vom 4. Juni 2012 habe sich die Grundstückseigentümerin verpflichtet, keine Anträge zu stellen, die auf die bauaufsichtliche Genehmigung „weiterer, den planungsrechtlichen Zielvorstellungen der Stadt im Bebauungsplan Nr. widersprechenden Einzelhandelsvorhaben“ auf den Grundstücken Gemarkung N1., Flur 3, Flurstücke 341, 342 und 343, (N.-straße 398) sowie Flur 3, Flurstück 344 (W. 33) gerichtet seien, beziehungsweise keine solchen Anträge durch Dritte stellen zu lassen. Ebenso habe sie sich verpflichtet, keine weiteren Einzelhandelsvorhaben auf diesen Grundstücken zu betreiben oder durch Dritte betreiben zu lassen. Vor diesem Hintergrund sei die Klägerin gar nicht berechtigt, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Schließlich sei ernsthaft zu bezweifeln, dass der Vorbescheid im Falle der Verlängerung seiner Geltungsdauer überhaupt ausgenutzt worden wäre, denn die in der Vergangenheit immer wieder eröffneten Möglichkeiten zur Erweiterung der Verkaufsfläche des auf dem Vorhabengrundstück betriebenen Lebensmitteldiscountmarktes seien niemals ins Werk gesetzt worden. 28Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten 10 D 246/21.NE, 10 A 668/19 und 10 A 669/19 sowie der beigezogenen Aufstellungsvorgänge (Beiakten Hefte 1 bis 11 des Verfahrens 10 D 246/21.NE) und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Beiakten Heft 1 bis 24) Bezug genommen. 29Entscheidungsgründe: 30Der Vorsitzende entscheidet im Einverständnis der Beteiligten anstelle des Senats ohne mündliche Verhandlung (§§ 87a Abs. 2, 101 Abs. 2 VwGO). 31Die Berufung hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. 32Die Klage ist mit dem Hauptantrag unbegründet. 33Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Verlängerung der Geltungsdauer des Vorbescheids. 34Sie hatte in ihrem undatierten, der Bauvoranfrage beigefügten Schreiben unter „Erläuterung und genaue Fragestellung“ formuliert: 35„Ist auf dem Baugrundstück entsprechend dem beiliegenden Lageplan eine Erweiterung des bestehenden Lebensmittel-Discounters auf ca. 1.200m² Verkaufsfläche nach der Art der baulichen Nutzung bauplanungsrechtlich zulässig?“ 36Der Klägerin fehlt für diese Bauvoranfrage das Sachbescheidungsinteresse, das, wenn die Verlängerung der Geltungsdauer eines vormals erteilten Vorbescheids begehrt wird, erneut zu prüfen ist. 37Die Baugenehmigungsbehörde darf einen Bauantrag mangels Sachbescheidungsinteresses ablehnen, wenn die beantragte Baugenehmigung für den Bauherrn ersichtlich nutzlos ist. Das ist dann der Fall, wenn feststeht, dass dieser aus tatsächlichen oder aus rechtlichen Gründen an einer Verwertung der Baugenehmigung gehindert ist. Voraussetzung für die Ablehnung des Bauantrags ist in solchen Fällen ein schlechthin nicht ausräumbares Hindernis. 38Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Januar 1980 – 4 C 3.78 –, juris, Rn. 16; Bay. VGH, Urteil vom 25. November 2014 – 9 B 13.1401 –, juris, Rn. 25. 39Nichts anderes gilt, wenn der Bauherr lediglich einen baurechtlichen Vorbescheid – oder wie hier – die Verlängerung der Geltungsdauer eines solchen Vorbescheids beantragt. 40Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. November 2020 41– 10 A 1230/19 –, juris, Rn. 17. 42Nach diesen Grundsätzen fehlt der Klägerin nach Inkrafttreten des Bebauungsplans das Sachbescheidungsinteresse für die begehrte Verlängerung der Geltungsdauer des Vorbescheids. 43Das Vorhaben, das Gegenstand der Bauvoranfrage und damit des Antrags auf Verlängerung der Geltungsdauer des aufgrund der Bauvoranfrage erteilten Vorbescheids ist, widerspricht den Festsetzungen des Bebauungsplans, sodass der Vorbescheid für die Klägerin nutzlos wäre, weil ihr eine entsprechende Baugenehmigung nicht erteilt werden könnte. 44Die Bauvoranfrage bezieht sich auf die Erweiterung der Verkaufsfläche des auf dem Vorhabengrundstück betriebenen Lebensmitteldiscountmarktes. In dem darin ausdrücklich in Bezug genommenen Lageplan hat die Klägerin das vorhandene Betriebsgebäude des Marktes und die mit der beabsichtigten Erweiterung erforderlich werdenden baulichen Veränderungen dieses Gebäudes eingetragen. 45Gegenstand der bauplanungsrechtlichen Beurteilung eines Bauvorhabens ist, wenn es dabei um die Änderung einer baulichen Anlage geht, grundsätzlich die gesamte Anlage in ihrer geänderten Gestalt, das heißt, das vom Bauherrn angestrebte Ergebnis der Baumaßnahme muss den maßgeblichen bauplanungsrechtlichen Vorschriften entsprechen. Nur wenn die in Form einer Erweiterung vorgesehene Änderung des Bestandes als die Errichtung einer weiteren eigenständigen baulichen Anlage zu verstehen ist, weil sie sich selbstständig nutzen und von dem Bestand abtrennen lässt, kann es geboten sein, die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Erweiterung isoliert zu betrachten. Hier fehlt es an der Abtrennbarkeit der gewollten Erweiterung der Verkaufsfläche, sodass im Baugenehmigungsverfahren mit der geplanten Erweiterung auch der bereits vorhandene Teil des Lebensmitteldiscountmarktes zur Disposition steht, der in der neuen Gesamtanlage aufgehen soll. Immer dann, wenn eine Erweiterung zugleich den Bestand baulich oder in seiner Qualität verändert oder sich die mit der Erweiterung einhergehende Nutzung nicht nur unwesentlich auf die Immissionslage in der Umgebung auswirkt, ist eine isolierte Beurteilung der Erweiterung nicht möglich. Ebenso wie bei einer Nutzungsänderung, bei der die bauliche Anlage in ihrer geänderten Funktion als Einheit zu prüfen ist, muss bei der Erweiterung einer baulichen Anlage diese in ihrer durch die Erweiterung geänderten Gestalt geprüft werden. 46Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 1993 – 4 C 17.91 –, juris, Rn. 16; OVG NRW, Urteil vom 15. März 2018 47– 10 A 3042/15 –; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11. Februar 2016 – 5 S 1389/14 –, juris, Rn. 53. 48Der Lebensmitteldiscountmarkt auf dem Vorhabengrundstück und damit auch die Erweiterung seiner Verkaufsfläche widersprechen jedenfalls der textlichen Festsetzung Nr. 2 des Bebauungsplans, wonach Garagen und Stellplätze mit Ausnahme von Stellplätzen für Fahrräder ausschließlich in Gebäuden zulässig sind. Der Lebensmitteldiscountmarkt auf dem Vorhabengrundstück und die Erweiterung seiner Verkaufsfläche sind somit heute bauplanungsrechtlich unzulässig. Dies entspricht auch den Vorstellungen des Rates im Aufstellungsverfahren und dem Vortrag der Antragstellerin in dem gegen den Bebauungsplan angestrengten Normenkontrollverfahren, wonach der Lebensmitteldiscountmarkt mit den Festsetzungen des Bebauungsplans auf den Bestand gesetzt worden sei. Vor diesem Hintergrund spielt es letztlich keine Rolle, dass die Bauvoranfrage auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens seiner Art nach beschränkt war. 49Die Festsetzungen des Bebauungsplans sind auch wirksam, wie sich aus dem auch der Klägerin bekannten Urteil des Senats vom 15. März 2022 im Verfahren 10 D 246/21.NE ergibt, auf dessen Begründung insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird. 50Die Klage hat jedoch mit dem Hilfsantrag Erfolg. 51Sie ist insoweit zulässig. 52Bei einer Fortsetzungsfeststellungklage, die der Vorbereitung einer zivilrechtlichen Klage auf Schadensersatz oder Entschädigung dienen soll, ist das Feststellungsinteresse zu bejahen, wenn ein solcher Prozess bereits anhängig, mit Sicherheit zu erwarten oder ernsthaft beabsichtigt ist, die begehrte Feststellung in diesem Verfahren erheblich und die Rechtsverfolgung nicht offensichtlich aussichtslos ist. Insoweit bedarf es hinreichender Darlegungen seitens des die Feststellung begehrenden Klägers. Hierzu gehört insbesondere, dass er die Behauptung eines eingetretenen Schadens durch Angaben zur Art des Schadens und zur annähernden Schadenshöhe substanziiert. 53Vgl. etwa OVG NRW, Urteile vom 25. März 2014 – 2 A 2679/12 –, juris, Rn 42, und vom 19. April 2013 – 10 A 2596/11 –, juris, Rn. 53, jeweils mit weiteren Nachweisen. 54Diese Anforderungen sind hier erfüllt. Die Klägerin trägt insoweit vor, ihr Fortsetzungsfeststellungsinteresse bestehe, weil sie beabsichtige, einen Schadensersatzanspruch gegenüber der Beklagten geltend zu machen. Diese habe die Geltungsdauer des ihr erteilten Vorbescheids in dem Zeitraum zwischen dem Auslaufen der Veränderungssperre und dem Inkrafttreten des Bebauungsplans rechtswidrig nicht verlängert. Hätte die Beklagte die Geltungsdauer des Vorbescheids antragsgemäß verlängert, hätte sie, die Klägerin, zeitnah eine Baugenehmigung für die dem Vorbescheid entsprechende Erweiterung der Verkaufsfläche des auf dem Vorhabengrundstück betriebenen Lebensmitteldiscountmarktes beantragt und die Erweiterung der Verkaufsfläche nach Erteilung der Baugenehmigung auch umgesetzt. 55In den Jahren 2016 und 2017 hätten die Gesellschafter der Erbbauberechtigten vereinbart, dass die weitere Besorgung des Baurechts durch sie, die Klägerin, und auf ihren Namen betrieben werden solle. Die Firma O. sei damals einverstanden gewesen, einen neuen Mietvertrag zu einen indexierten Mietzins von 12,83 Euro/qm für ein neues oder ein erweitertes Gebäude mit einer Gesamtfläche von 1.403 qm einschließlich einer Verkaufsfläche von 1.200 qm abzuschließen. Dazu sei die Firma O. auch heute noch bereit. Die Gesellschafter hätten außerdem vereinbart, dass sie ihr, der Klägerin, die Erweiterung beziehungsweise den Neubau des auf dem Vorhabengrundstück aufstehenden Gebäudes auf eigene Kosten und den Abschluss eines neuen Mietvertrages mit der Firma O. gestatten würden. Hätte sie die Umsetzung des Vorhabens durch einen Bankkredit finanziert, hätte sich bei Abzug der Einstandskosten, der Kreditkosten, des Erbbauzinses und der Abschreibung der Baukosten unter Berücksichtigung einer realistischen Indexentwicklung bei fünfzehn Jahren Laufzeit nach Abzug von Steuern ein Gewinn von 515.100 Euro ergeben. Rechne man die Wertsteigerung der Immobilie hinzu, hätte sie nach Abzug von Steuern einen Gewinn von 887.100 Euro in fünfzehn Jahren erwarten können. Diesen entgangenen Gewinn wolle sie als den ihr entstandenen Schaden geltend machen. 56Dieser Vortrag reicht für eine Substanziierung des behaupteten Schadens nach Art und Höhe aus. 57Aus dem diesbezüglichen Vortrag der Beklagten ergibt sich nichts Gegenteiliges. Soweit sie bestreitet, dass es die von der Klägerin behaupteten Verhandlungen mit der Firma O. und die Vereinbarungen der Gesellschafter der Erbbauberechtigten überhaupt gegeben habe, schlussfolgert sie dies allein daraus, dass die Klägerin diese Verhandlungen und Vereinbarungen erstmals in ihrem Schriftsatz vom 10. März 2022 erwähnt habe. Die Klägerin hatte jedoch bis zur Erörterung der Sach- und Rechtslage durch den Vorsitzenden in dem Erörterungstermin am 28. Januar 2022 keine gesteigerte Veranlassung, die besagten Interna offenzulegen, weil sie bis dahin in erster Linie die begehrte Verlängerung der Geltungsdauer des Vorbescheids erstreiten wollte. Überdies hatte die Klägerin den Vorbescheid tatsächlich beantragt und erhalten, sodass ihr Vortrag, die Gesellschafter der Erbbauberechtigten hätten ihr die weitere Besorgung des Baurechts auf eigene Kosten überlassen, durchaus plausibel ist. Dass sowohl die Erbbauberechtigte als auch die Firma O. grundsätzlich mit einer Erweiterung der Verkaufsfläche des auf dem Vorhabengrundstück betriebenen Lebensmitteldiscountmarktes zu bestimmten Konditionen einverstanden gewesen sind, darf in diesem Zusammenhang unterstellt werden, weil ansonsten der von der Klägerin jahrelang betriebene Aufwand keinen Sinn gemacht hätte. Inwieweit es für die erfolgreiche Geltendmachung eines entgangenen Gewinns erforderlich ist, dass bereits in den Jahren 2016 und 2017 die wesentlichen Inhalte eines künftigen Mietvertrages mit der Firma O. verbindlich festgelegt worden sind, mag in dem von der Klägerin beabsichtigten Schadensersatzprozess geklärt werden. Nichts anderes gilt für die Beantwortung der Frage, ob es für die Umsetzung des Vorhabens zwingend der Zustimmung der Grundstückeigentümerin bedurft hätte und ob diese durch den Vergleich vom 4. Juni 2012 rechtlich gehindert wäre, eine solche Zustimmung zu erteilen. Insoweit weist der Senat nochmals darauf hin, dass die Beklagte der Klägerin den Vorbescheid in Ansehung dieses Vergleichs erteilt hat. Im Übrigen wäre nach dem Vortrag der Klägerin eine Neubelastung des Erbbaurechts nicht unbedingt notwendig gewesen. Dass der Vorbescheid während seiner regulären Geltungsdauer nicht ausgenutzt worden ist, sagt nichts darüber aus, dass seine Ausnutzung auch nach der Verlängerung seiner Geltungsdauer nicht beabsichtigt gewesen wäre. 58Die Klage ist mit dem Hilfsantrag begründet. Die Beklagte war unmittelbar vor Inkrafttreten des Bebauungsplans verpflichtet, die Geltungsdauer des Vorbescheids, wie von der Klägerin beantragt, zu verlängern. 59Zu dem im Antrag genannten Zeitpunkt unmittelbar vor Inkrafttreten des Bebauungsplans am 4. April 2020, nämlich der Bekanntmachung des Dringlichkeitsbeschlusses, hatte die Klägerin einen Anspruch auf die Verlängerung der Geltungsdauer des Vorbescheids. 60Die Veränderungssperre stand dem Vorhaben, das Gegenstand des Vorbescheids war, nicht entgegen. 61Die Veränderungssperre war ausgelaufen. Deren zweite Verlängerung war unwirksam. 62Die nochmalige Verlängerung einer Veränderungssperre nach § 17 Abs. 2 BauGB setzt voraus, dass besondere Umstände diese erfordern. Solche besonderen Umstände liegen vor, wenn sich das Aufstellungsverfahren wegen seines Umfangs, wegen besonderer Schwierigkeiten bei der Planung oder wegen gewichtiger Probleme im Verfahrensablauf als atypisch erweist. 63Vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Oktober 1992 – 4 NB 44.92 –, juris, Rn. 13. 64Die zweite Verlängerung einer Veränderungssperre kommt also nur in Betracht, wenn sich das Aufstellungsverfahren, ohne dass die planende Gemeinde dies zu vertreten hat, von der üblichen städtebaulichen Planungstätigkeit wesentlich abhebt. Notwendig ist überdies ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Besonderheiten des Aufstellungsverfahrens und dessen ungewöhnlich langer Dauer. Da grundsätzlich davon auszugehen ist, dass das Aufstellungsverfahren für einen Bebauungsplan innerhalb von drei Jahren, für die das Gesetz eine Veränderungssperre als Sicherungsinstrument regelmäßig zur Verfügung stellt, abgeschlossen sein kann, muss die Gemeinde, will sie ihre Planung über diesen Zeitraum hinaus durch eine weitere Verlängerung der Veränderungssperre sichern, darlegen, dass objektive Gründe einen Abschluss des Aufstellungsverfahrens bis dahin verhindert haben. Es muss also erkennbar sein, dass sich die Gemeinde nach Kräften bemüht hat, das Aufstellungsverfahren voranzutreiben, um es innerhalb der drei Jahre abzuschließen, und die Überschreitung dieser Frist nicht etwa auf einer bloßen Entscheidungsschwäche bei der politischen Willensbildung oder auf einer Einstufung der Planung als gegenüber anderen Aufgaben nachrangig beruht. 65Vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 24. Februar 2021 66– 1 MN 174/20 –, juris, Rn. 17. 67Auf besondere Umstände im Sinne des § 17 Abs. 2 BauGB konnte sich der Rat bei dem Beschluss über die zweite Verlängerung der Veränderungssperre danach nicht berufen. Soweit die Beklagte als vermeintlich besonderen Umstand die Dauer eines vom Sommer 2016 bis zum März 2017 durchgeführten Gutachterverfahrens anführt, mit dem im Zuge eines Wettbewerbs Vorschläge zur Entwicklung eines innovativen Nutzungskonzeptes in Form einer verträglichen Verbindung von künftigen Wohnnutzungen mit den im Plangebiet vorhandenen Gewerbebetrieben erarbeitet werden sollten, fällt die damit verbundene Verzögerung des Aufstellungsverfahrens in ihren eigenen Verantwortungsbereich. Sie muss sich fragen lassen, weshalb sie das Gutachterverfahren erst nach mehr als einem Jahr nach dem Aufstellungsbeschluss in die Wege geleitet hat, als die Veränderungssperre bereits zu laufen begonnen hatte. Die daraus folgende Verzögerung des Aufstellungsverfahrens ist der Beklagten erst recht deshalb vorzuhalten, weil – wie es in der Begründung der zweiten Verlängerung der Veränderungssperre heißt – mögliche Investoren und die örtliche Politik schon seit einigen Jahren das Ziel verfolgt hätten, am W. neue Wohnbauflächen zu schaffen. Soweit die Beklagte ihren Vortrag so verstanden wissen will, dass die Fortführung des Aufstellungsverfahrens erst nach dem Abschluss des Gutachterverfahrens Sinn gemacht hätte, wären wesentliche Schritte im Aufstellungsverfahren tatsächlich erst zwei Jahre nach dem Aufstellungsbeschluss ausgeführt worden. Auch wenn es der Beklagten als der für das Aufstellungsverfahren Verantwortlichen unbenommen war, ein Gutachterverfahren erst geraume Zeit nach dessen Einleitung durchzuführen statt damit zügig nach dem Aufstellungsbeschluss zu beginnen, bedingt diese Verfahrensführung keine von dem Üblichen abweichende Atypik des Aufstellungsverfahrens, auf die sich die Beklagte berufen könnte, um eine nochmalige Verlängerung der Veränderungssperre zu rechtfertigen. Dies umso weniger, als es in der Begründung der zweiten Verlängerung der Veränderungssperre nur heißt, dass nach dem Ergebnis des Gutachterverfahrens insbesondere an der Herausbildung der städtebaulichen Kanten sowie an der vorgeschlagenen mäandrierenden Gebäudestruktur gearbeitet worden sei. 68Wenn die Beklagte zudem vorträgt, dass die Planung nach Einführung des Urbanen Gebiets in § 6a BauNVO am 13. Mai 2017 konkretisiert worden sei, zeigt sie weder auf noch ist sonst ersichtlich, welche wesentliche zeitliche Verzögerung des Aufstellungsverfahrens mit der Umstellung der Planung von dem ursprünglich geplanten Mischgebiet auf ein Urbanes Gebiet verbunden gewesen ist. 69Soweit die Beklagte nach dem Abschluss des Gutachterverfahrens intensive Abstimmungsgespräche mit allen Eigentümern von Grundstücken im künftigen Plangebiet geführt hat und infolge dieser Gespräche mehrfache Anpassungen des Planentwurfs erforderlich geworden sind, lassen sich solche Gespräche und die daraus folgenden Anpassungen ebenfalls nicht als außergewöhnliche Umstände begreifen, die eine nochmalige Verlängerung der Veränderungssperre erfordert hätten, zumal nach der Begründung der zweiten Verlängerung der Veränderungssperre bereits vor der Einleitung des Gutachterverfahrens Gespräche mit den Grundstückseigentümern geführt worden waren, um die mögliche Verfügbarkeit von Flächen und die Bereitschaft der Eigentümer zur Realisierung der planerischen Ziele abschätzen zu können. 70Die mit dem Bebauungsplan beabsichtigte Steuerung des Einzelhandels und die dazu erforderliche Änderung des Rahmenplans Einzelhandel beschäftigen die Beklagte seit Jahrzehnten. Außergewöhnliche Umstände, mit denen die Dauer eines Aufstellungsverfahrens für einen Bebauungsplan über die dafür regelmäßig vorgesehenen drei Jahre hinaus zu erklären wäre, stellen die Untersuchungen, Überlegungen und Abstimmungen zu der gewollten Einzelhandelssteuerung nicht dar. Auch die Prüfung und die Berücksichtigung diverser umweltrechtlicher Auswirkungen der Planung auf öffentliche und private Belange sind Teil der gewöhnlichen Planungstätigkeit und lassen hier weder für sich genommen noch im Zusammenspiel mit den sonst genannten Aspekten, die das Aufstellungsverfahren mit bestimmt haben, auf einen von der Beklagten in zeitlicher Hinsicht nicht zu beeinflussenden atypischen Verfahrensablauf schließen. 71Dem Vorhaben standen auch nicht die Festsetzungen des Vorgängerplans – Bebauungsplan Nr. - Nördlich W. – entgegen. Unabhängig davon, ob nach der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts an den Ausführungen des Senats in der mündlichen Verhandlung im Verfahren 10 D 61/08.NE zur Unwirksamkeit der Festsetzungen des Vorgängerplans zum Einzelhandelsausschluss festzuhalten ist, folgt die Unwirksamkeit des Vorgängerplans jedenfalls daraus, dass die Bekanntmachung der öffentlichen Auslegung des Planentwurfs hinsichtlich der Angaben zu den verfügbaren Arten umweltbezogener Informationen nicht den Anforderungen des § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BauGB genügt hat. 72Nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verlangt § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BauGB die Angabe der Arten der Informationen, nicht die der Informationen selbst. Die Gemeinde muss die in den vorhandenen Stellungnahmen und Unterlagen behandelten Umweltthemen grundsätzlich nach Themenblöcken zusammenfassen und diese in der ortsüblichen Bekanntmachung der öffentlichen Auslegung des Planentwurfs schlagwortartig charakterisieren. Dem Ziel der Vorschrift entsprechend muss bei der Angabe als strukturierendes Merkmal der jeweilige Inhalt der Informationen gewählt werden, denn die Bekanntmachung nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BauGB soll eine Anstoßwirkung haben, indem sie den interessierten Bürger dazu ermuntert, sich über die konkreten Planungsabsichten der Gemeinde zu informieren und gegebenenfalls mit Anregungen und Bedenken zu der jeweiligen Planung beizutragen. 73Die Gemeinde darf nicht zwischen den von ihr für wesentlich oder für unwesentlich gehaltenen Informationen unterscheiden. Bei der Wahl der Schlagwörter kann sie sich im Grundsatz an der Bezeichnung orientieren, die der jeweilige Ersteller einer Information selbst für zutreffend gehalten hat. Eine nähere Beschreibung der verfügbaren Arten umweltbezogener Informationen etwa als Sachverständigengutachten, als Stellungnahme einer Behörde oder eines sonstigen Trägers öffentlicher Belange oder als Einwendung eines privaten Dritten schreibt § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BauGB nicht vor. 74Vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Juni 2019 – 4 CN 7.18 –, juris, Rn. 12 ff.; OVG NRW, Urteil vom 16. November 2020 – 10 D 8/18.NE –, juris, Rn. 55 ff. 75Diesen Grundsätzen entsprach die Bekanntmachung der öffentlichen Auslegung des Entwurfs des Vorgängerplans, in der allein auf die Stellungnahme des Staatlichen Umweltamtes hingewiesen worden war, nicht. 76Die Anstoßfunktion ist zwar auch dann gewahrt, wenn bei einer relativ geringen Anzahl von Stellungnahmen diese lediglich aufgelistet und im Ergebnis sämtliche behandelten Umweltthemen benannt werden, ohne dass diese nach Themenblöcken geordnet worden sind, solange der Adressat den gemachten Angaben mühelos entnehmen kann, zu welchen konkreten Umweltthemen Unterlagen vorhanden sind. 77Vgl. OVG NRW Urteil vom 16. November 2020 – 10 D 8/18.NE –, juris, Rn. 63. 78In der Bekanntmachung der öffentlichen Auslegung des Entwurfs des Vorgängerplans waren jedoch gar keine Umweltthemen genannt. Diesen Mangel hat die Antragstellerin in dem Verfahren 10 D 61/08.NE damals auch rechtzeitig gegenüber der Beklagten gerügt. 79Dem Vorhaben stand auch die Festsetzung „E1-Mittelgewerbegebiet“ in den Durchführungsplänen 5580/06 und 5580/07, selbst wenn es sich bei diesen Durchführungsplänen um nach § 173 Abs. 3 BBauG 1960 übergeleitete Bebauungspläne gehandelt hätte, nicht entgegen. 80Es kann offen bleiben, ob die Festsetzung des Mittelgewerbegebiets überhaupt wirksam gewesen ist. Nicht abschließend geklärt ist insoweit, ob der Plangeber bei der Darstellung der Nutzungsart der Baufläche an die Baugebietstypen des § 7 I B 3 der Bauordnung für den Regierungsbezirk E. vom 1. April 1939 (Baupolizeiverordnung – BPVO), zu denen das Mittelgewerbegebiet nicht zählte, gebunden war. 81Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. März 2002 – 10 B 201/02 –, juris, Rn. 23; Ernst-Friede, Kommentar zum Aufbaugesetz von Nordrhein-Westfalen, 4. Auflage 1958, § 10 Anm. 1, Seite 120. 82Nach den textlichen Festsetzungen der Durchführungspläne waren in dem zeichnerisch festgesetzten Mittelgewerbegebiet alle Anlagen zulässig, die in § 7 I B 3 e) BPVO genannt sind mit Ausnahme derjenigen Betriebe, die unter § 16 der Gewerbeordnung a.F. fielen. § 7 I B 3 e) BPVO betraf Großgewerbegebiete, in denen nur gewerbliche Anlagen und Gebäude für die industrielle Nutzung (Abs. 1 Satz 1) zulässig waren. Gestattet waren dort alle für den Betrieb erforderlichen Nebenanlagen, wie Arbeiteraufenthaltsräume, Büros, Lagerräume, Verkehrsgebäude und Wohnungen für das zur Bewachung erforderliche Aufsichtspersonal. 83Nach § 7 I B Nr. 2 BPVO durften in den Baugebieten mit Ausnahme des Großgewerbegebiets keine Anlagen errichtet oder genutzt werden, die bei ihrem Betrieb erhebliche Nachteile oder Belästigungen für die Bewohner oder die Allgemeinheit zur Folge haben konnten. 84Auch waren Einzelhandelsbetriebe keine gewerblich beziehungsweise industriell genutzte Anlagen im Sinne des § 7 B I 3 e) BPVO. Die Begriffspaare der gewerblichen Anlagen und gewerblichen Betriebe wurden in den baurechtlichen Vorschriften, die vor Inkrafttreten der Baunutzungsverordnung galten, eng verstanden. So unterschied § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Regelung der Bebauung vom 15. Februar 1936 (Bauregelungsverordnung, RGBl. I S. 104), die in der Einleitung zur Baupolizeiverordnung, auf die die Durchführungspläne ausdrücklich verweisen, genannt ist, zwischen Gewerbe- und Geschäftsgebieten. Nur in letzteren sollten Einzelhandelsgeschäfte und Einzelhandelsbetriebe zulässig sein. In Geschäftsgebieten waren „gewerbliche Anlagen“ nur eingeschränkt zugelassen, in Gewerbegebieten waren Einzelhandelsbetriebe weder in Form von Waren- oder Kaufhäusern noch in Form von Läden zulässig. Diese Differenzierung in der Bauregelungsverordnung hat auch die Baupolizeiverordnung aufgegriffen, indem sie in § 7 B I 3 c) Geschäftsgebiete vorsah, in denen vorzugsweise Geschäftshäuser und Läden zulässig waren. Dies verdeutlicht, dass es dem damaligen städtebaulichen Grundverständnis widersprach, Waren-, Geschäfts- oder Kaufhäuser in Gewerbegebieten zuzulassen. 85Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 9. Oktober 2008 – 9 K 2185/05 –, juris, Rn. 72. 86Dies zugrunde gelegt, war die Festsetzung des Mittelgewerbegebiets im Sinne eines eingeschränkten Großgewerbegebiets jedenfalls funktionslos geworden. 87Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Festsetzung eines Bebauungsplans nur dann funktionslos, wenn die Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, in ihrer tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der die Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt, und dies in einem Grad erkennbar ist, der einem etwa dennoch in die Fortgeltung der Festsetzung gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nimmt. 88Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. April 1977 – IV C 39.75 –, juris, Rn. 35; OVG NRW, Urteil vom 29. April 2019 89– 10 D 8/17.NE –, juris, Rn. 52 ff. 90Bloße Zweifel an der Verwirklichungsfähigkeit einer Festsetzung reichen dafür nicht aus. Sie tritt wegen nachträglicher Funktionslosigkeit nur dann außer Kraft, wenn offenkundig ist, dass sie als Instrument für die Steuerung der städtebaulichen Entwicklung nicht mehr taugt. 91Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 1997 – 4 B 16.97 –, juris, Rn. 4. 92Hier hatte sich der tatsächliche Zustand im Bereich des in den Durchführungsplänen festgesetzten Mittelgewerbegebiets dahin entwickelt, dass eine Verwirklichung der dort allein zulässigen gewerblicher Nutzung in dem oben dargelegten Sinne auf unabsehbare Zeit ausgeschlossen erschien. Wie sich unter anderem aus der Begründung des Bebauungsplans ergibt, sind die in Rede stehenden Flächen durch Wohnnutzungen entlang der N.-straße, durch Einzelhandelsnutzungen und durch sonstige gewerbliche Nutzungen geprägt. Anhaltspunkte dafür oder gar Erwartungen, dass sich diese Flächen künftig zu einem ausschließlich gewerblich genutzten Bereich ohne Wohn- und Einzelhandelsnutzungen hätten entwickeln können, bestanden zum Zeitpunkt unmittelbar vor Inkrafttreten des Bebauungsplans offenkundig nicht, sodass die Durchführungspläne ihre Steuerungsfähigkeit jedenfalls im Hinblick auf die Art der Nutzungen, die sich in ihrem Geltungsbereich etabliert hatten und deren weitere Entwicklung erkennbar verloren hatten. 93Sind die für das Vorhabengrundstück geltenden Festsetzungen der Durchführungspläne zur Art der baulichen Nutzung mithin funktionslos geworden, war der dort betriebene Lebensmitteldiscountmarkt mit einer entsprechend dem dafür erteilten Vorbescheid erweiterten Verkaufsfläche unmittelbar vor Inkrafttreten des Bebauungsplans seiner Art nach bauplanungsrechtlich zulässig und hatte die Klägerin einen Anspruch auf Verlängerung der Geltungsdauer des Vorbescheids. 94Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit war damals nach § 34 BauGB zu beurteilen. Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ein Bauvorhaben nach der Art der baulichen Nutzung zulässig, wenn es sich insoweit in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. 95Der Lebensmitteldiscountmarkt mit der erweiterten Verkaufsfläche erfüllte diese Voraussetzungen. 96Die nähere Umgebung ist für jedes der in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB genannten Merkmale gesondert zu ermitteln, weil diese jeweils eine Prägung mit ganz unterschiedlicher Reichweite und Gewichtung entfalten können. Für das hier in Rede stehenden Merkmal der Art der baulichen Nutzung ist die nähere Umgebung im Regelfall weiter zu bemessen als beispielsweise hinsichtlich des Merkmals der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, und der Bauweise. Sie erstreckt sich so weit, wie sie den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst und sich die Ausführung des Bauvorhabens auf sie auswirken kann. 97Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1978 – 4 C 9.77 –, BRS 33 Nr. 36; OVG NRW, Urteil vom 25. Februar 2000 – 10 A 5152/97 –. 98Bei der Eingrenzung der näheren Umgebung kann die Rechtsprechung zur Abgrenzung des Innenbereichs vom Außenbereich sinngemäß angewendet werden. 99Nach den vorgelegten Verwaltungsvorgängen, dem verfügbaren Kartenmaterial und den verfügbaren Luftbildern gehört zur näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks jedenfalls das Plangebiet des Vorgängerplans. 100Die in dieser Umgebung vorhandene Bebauung lässt sich nach der Art der baulichen Nutzung keinem faktischen Baugebiet im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB in Verbindung mit den §§ 2 bis 9 BauNVO zuordnen, sodass die Umgebung als eine sogenannte Gemengelage zu betrachten ist. 101Der Annahme eines faktischen Mischgebiets (§ 6 BauNVO) steht entgegen, dass die fragliche Umgebung keine hinreichende Durchmischung der beiden Hauptnutzungsarten Wohnen und Gewerbe aufweist. Vielmehr findet sich Wohnnutzung allein entlang der N.-straße, während sich die gewerblich genutzten Grundstücke und Gebäude ganz überwiegend nördlich beziehungsweise nordwestlich davon befinden. Wegen der besagten Wohnnutzung ist die Umgebung auch nicht als ein faktisches Gewerbegebiet (§ 8 BauNVO) zu betrachten. 102Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung hier also keinem der in der Baunutzungsverordnung bezeichneten Baugebiete und war die Zulässigkeit der Errichtung oder Änderung eines großflächigen Einzelhandelsbetriebs deshalb nach § 34 Abs. 1 und 3 BauGB zu beurteilen, galt die Vermutungsregel des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO weder unmittelbar noch kraft gesetzlicher Verweisung. 103Gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO sind großflächige Einzelhandelsbetriebe, die sich nach Art, Lage oder Umfang auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken können, außer in Kerngebieten nur in für sie festgesetzten Sondergebieten zulässig. Diese Vorschrift gilt unmittelbar – ebenso wie die sie ergänzende Vermutungsregel des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO – nur im Geltungsbereich eines Bebauungsplans. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der in der Baunutzungsverordnung bezeichneten Baugebiete, bestimmt § 34 Abs. 2 BauGB, dass sich die Zulässigkeit eines Vorhabens nach seiner Art allein danach richtet, ob es in einem solchen Baugebiet nach der Baunutzungsverordnung allgemein zulässig ist. Auch in den Fällen des § 34 Abs. 2 BauGB ist die Zulässigkeit großflächiger Einzelhandelsbetriebe mithin nach § 11 Abs. 3 BauNVO zu beurteilen, im Übrigen jedoch nicht. 104Vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Februar 2009 – 4 B 3.09 –, juris, Rn. 9. 105Der Lebensmitteldiscountmarkt auf dem Vorhabengrundstück hätte sich mit der entsprechend dem Vorbescheid erweiterten Verkaufsfläche als großflächiger Einzelhandelsbetrieb nach der Art seiner Nutzung in die als Gemengelage zu qualifizierende nähere Umgebung eingefügt. Er hätte innerhalb des durch die vorhandene Bebauung und Nutzung vorgegebenen Rahmens gelegen. 106Als Vorbild für eine derartige Nutzung hätte die im Plangebiet des Vorgängerplans ansässige J. Niederlassung am W. 55 gedient. Der Betrieb ist als Nutzfahrzeugniederlassung mit Werkstatt und Ausstellungsflächen genehmigt. Nach den Angaben der Firma J. auf ihrer Website ist die J. Nutzfahrzeuge GmbH der größte deutsche Vertragshändler der J. N. AG mit acht Vertriebs- und Servicestandorten. Die weiteren Angaben auf der Website und auch die verfügbaren Luftbilder belegen, dass auf dem Grundstück am W. 55 großflächiger Einzelhandel betrieben wird. Auf den Freiflächen des Betriebs werden zahlreiche Fahrzeuge zum Verkauf angeboten. Laut Auskunft der Firma J. werden auf dem Außengelände ihres Betriebsgrundstück Gebraucht- und Neufahrzeuge auf etwa 2.000 qm ausgestellt. 107Freiflächen gehören zwar in der Regel nicht zur Verkaufsfläche eines Einzelhandelsbetriebs, doch gilt insbesondere dann etwas anderes, wenn – wie im Falle der Firma J. – solche Flächen in erheblichem zeitlichen Umfang unmittelbar dem Verkauf dienen, also auf ihnen Waren angeboten oder präsentiert werden. In diesen Fällen wiegt die eindeutige Einbeziehung der Fläche in den Verkaufsvorgang schwerer als die fehlende räumlichen Zuordnung zu der Verkaufsfläche im Inneren des Betriebsgebäudes. 108Vgl. Külpmann, jurisPR-BVerwG 9/2017 Anm. 1. 109Dies gilt erst recht, wenn es – wie hier – neben diesen Verkaufsflächen unter freiem Himmel gar keine oder nur kleine Verkaufsflächen innerhalb von Gebäuden gibt. 110Um Nebenanlagen untergeordneter Natur, die die Umgebung nicht im Sinne einer bestimmten Nutzungsart prägen können, handelt es sich bei den beschriebenen Ausstellungsflächen – anders als die Beklagte meint – folglich nicht. 111Angesichts der Größe des J. -Vertriebs steht zudem außer Frage, dass er zur Prägung des baulichen Charakters der näheren Umgebung, zu der er gehört, wesentlich beiträgt. Aus demselben Grund ist auszuschließen, dass er als Solitär die Eigenart seiner Umgebung nicht beeinflusst, zumal er durch den mit dem Verkauf und durch den mit dem Betrieb der Werkstatt verbundenen Verkehr von zum Teil großen Nutzfahrzeugen deutlich nach außen in Erscheinung tritt. Auf die Unterschiede bei den betrieblichen Begleiterscheinungen, namentlich auf die Unterschiede bei dem betriebsbedingten Verkehr zwischen dem Betrieb der Firma J. und dem Vorhaben, kommt es – wenn es wie hier allein um die Einordnung der Art eines Einzelhandelsbetriebs als großflächiger Einzelhandelsbetrieb geht – nicht an, denn für die Großflächigkeit ist allein die Größe der Verkaufsfläche maßgeblich. 112Wegen der Beschränkung der Bauvoranfrage auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens seiner Art nach ist es hier ohne Belang, ob von ihm schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche zu erwarten sind. 113Vgl. OVG NRW, Urteile vom 29. Juni 2016 – 10 A 1574/14 –, juris, Rn. 96 und vom 31. Oktober 2012 114– 10 A 912/11 –, juris, Rn. 55. 115Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 VwGO. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Streitwertanteil des erfolglosen Verpflichtungsantrags, hinsichtlich dessen die Klägerin die Kosten trägt, doppelt so hoch anzusetzen ist wie der Streitwertanteil des Fortsetzungsfeststellungsantrags, hinsichtlich dessen die Beklagte die Kosten trägt (vgl. Nr. 15 des Streitwertkatalogs der Bausenate des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. Januar 2019, BauR 2019, 619). 116Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO. 117Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
das angefochtene urteil wird geändert. es wird festgestellt, dass die beklagte unmittelbar vor inkrafttreten des bebauungsplans nr. „w./n.-straße“ verpflichtet war, die geltungsdauer des vorbescheids vom 21. april 2015 (63-bv-0123/13) zu verlängern. im übrigen wird die berufung zurückgewiesen. die kosten des verfahrens in beiden rechtszügen tragen die klägerin zu zwei dritteln und die beklagte zu einem drittel. das urteil ist hinsichtlich der kosten vorläufig vollstreckbar. die jeweilige vollstreckungsschuldnerin darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 von hundert des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige vollstreckungsgläubigerin vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 von hundert des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. die revision wird nicht zugelassen. 1
2die klägerin begehrt die verlängerung der geltungsdauer eines ihr für das grundstück n.-straße 396 in e., gemarkung n1., flur 3, flurstücke 341 und 343 (im folgenden: vorhabengrundstück) erteilten bauplanungsrechtlichen vorbescheids. eigentümerin des vorhabengrundstücks, auf dem von der firma o. ein lebensmitteldiscountmarkt mit einer verkaufsfläche von circa 699 qm betrieben wird, ist die grundbesitz n.‑straße 398 gmbh & co. kg (im folgenden: grundstückseigentümerin). zugunsten der aus den gesellschaftern k. t. und u. i. bestehenden e. n.-straße gbr (im folgenden: erbbauberechtigte) ist für das vorhabengrundstück ein erbbaurecht bis zum jahr 2054 im erbbaugrundbuch eingetragen. 3das vorhabengrundstück liegt im geltungsbereich des im jahre 2020 als satzung beschlossenen bebauungsplans nr. „w./n.-straße“ der beklagten (im folgenden: bebauungsplan), der gegenstand des von der erbbauberechtigten anhängig gemachten normenkontrollverfahrens 10 d 246/21.ne war. der senat hat den normenkontrollantrag mit urteil vom 15. märz 2022 abgelehnt. 4der ausschuss für planung und stadtentwicklung (im folgenden: ausschuss) hatte am 25. märz 2015 für den bereich nördlich/nordöstlich des w. etwa zwischen der p.‑straße, der kleingartenanlage an der t1.-straße und der n.-straße die aufstellung des bebauungsplans beschlossen. ziel der planung sei die steuerung des einzelhandels und die ermöglichung einer wohnnutzung. vorrangig sei die verhinderung einer einzelhandelsnutzung gewollt, die den zielen des rahmenplans einzelhandel entgegenstehe. unter dem 8. april 2015 ordnete der oberbürgermeister die bekanntmachung des aufstellungsbeschlusses an, die am 18. april 2015 im amtsblatt erfolgte. mit beschluss vom 24. februar 2016 änderte der ausschuss den aufstellungsbeschluss. er erweiterte das plangebiet auf einen bereich westlich des w. und konkretisierte die planungsziele. die bekanntmachung des von der amtsleiterin des planungsamtes am 26. februar 2016 unterzeichneten geänderten aufstellungsbeschlusses erfolgte am 5. märz 2016 im amtsblatt. 5am 10. märz 2016 beschloss der rat eine veränderungssperre für das plangebiet. am 21. märz 2016 unterzeichnete der oberbürgermeister die bekanntmachungsanordnung für den die veränderungssperre betreffenden satzungsbeschluss, der am 9. april 2016 im amtsblatt bekanntgemacht wurde. 6am 1. februar 2018 beschloss der rat, die geltungsdauer der veränderungssperre um ein jahr zu verlängern. am 28. februar 2018 unterzeichnete der oberbürgermeister die bekanntmachungsanordnung für den satzungsbeschluss, dessen bekanntmachung am 10. märz 2018 im amtsblatt erfolgte. 7bereits im jahre 2013 hatte die klägerin einen bauplanungsrechtlichen vorbescheid für die erweiterung der verkaufsfläche des auf dem vorhabengrundstück betriebenen lebensmitteldiscountmarktes beantragt. nachdem die beklagte die erteilung eines entsprechenden vorbescheids zunächst versagt hatte, schlossen die beteiligten im klageverfahren 4 k 1164/14 vor dem verwaltungsgericht düsseldorf im jahre 2014 einen vergleich, mit dem sich die beklagte zur erteilung eines vorbescheids für die erweiterung der verkaufsfläche des lebensmitteldiscountmarktes verpflichtete. auf der grundlage dieses vergleichs erteilte die beklagte der klägerin unter dem 21. april 2015 für die „erweiterung des lebensmittelmarktes mit pkw-stellplätzen auf 1.200 qm (reine) verkaufsfläche“ (im folgenden: vorhaben) einen bauplanungsrechtlichen vorbescheid (im folgenden: vorbescheid). am 17. februar 2017 beantragte die klägerin die verlängerung der geltungsdauer des vorbescheids, die die beklagte mit bescheid vom 6. april 2017 ablehnte. die zwischenzeitlich beschlossene veränderungssperre stehe der gewollten erweiterung der verkaufsfläche entgegen. eine ausnahme komme nicht in betracht. 8mit bauvoranfrage vom 9. april 2018 beantragte die klägerin die erteilung eines weiteren bauplanungsrechtlichen vorbescheids für die erweiterung der verkaufsfläche des lebensmitteldiscountmarktes auf dem vorhabengrundstück auf 1.135 qm. mit bescheid vom 19. juni 2018 lehnte die beklagte auch diesen antrag unter verweis auf die veränderungssperre ab. der antrag der klägerin, die beklagte zur erteilung des unter dem 9. april 2018 beantragten vorbescheids zu verpflichten, ist gegenstand des berufungsverfahrens 10 a 669/19. 9die klägerin hat am 12. mai 2017 klage erhoben und beantragt, 10die beklagte unter aufhebung des ablehnungsbescheids vom 6. april 2017 (63/23-vl-0035/17) zu verpflichten, die geltungsdauer des vorbescheids vom 21. april 2015 (63-bv-0123/13) zu verlängern. 11die beklagte hat beantragt, 12die klage abzuweisen. 13das verwaltungsgericht hat die klage mit urteil vom 18. januar 2019 abgewiesen. der begehrten verlängerung des vorbescheids stehe die veränderungssperre als öffentlich-rechtliche vorschrift entgegen. 14zur begründung der vom senat zugelassenen berufung trägt die klägerin vor, dass sowohl der inzwischen als satzung beschlossene bebauungsplan als auch der vorgängerplan unwirksam seien, sodass das vorhaben, auf das die regelvermutung des § 11 abs. 3 satz 3 baunvo nicht zutreffe und das daher atypisch im sinne des § 11 abs. 3 satz 4 baunvo sei, weil vorhabenbedingte negative auswirkungen trotz seiner geschossfläche von mehr als 1.200 qm nicht zu erwarten seien, nach § 34 abs. 2 baugb in verbindung mit § 8 baunvo auf dem vorhabengrundstück bauplanungsrechtlich zulässig sei. das im aufstellungsverfahren von der beklagten eingeholte einzelhandelsgutachten habe gezeigt, dass die umsatzumlenkungen, die mit einer erweiterung des auf dem vorhabengrundstück betriebenen lebensmitteldiscountmarktes hin zu einem großflächigen einzelhandelsbetrieb verbunden wären, keine städtebauliche relevanz hätten. 15der vorgängerplan sei ebenfalls unwirksam, wie der senat bereits in der mündlichen verhandlung im normenkontrollverfahren 10 d 61/08.ne herausgestellt habe. 16selbst wenn der bebauungsplan wirksam wäre, sei die klage gleichwohl begründet, denn der vorbescheid verhalte sich ausdrücklich nur zur art der baulichen nutzung. als ein im sinne von § 11 abs. 3 satz 4 baunvo atypischer einzelhandelsbetrieb sei das vorhaben im plangebiet bauplanungsrechtlich zulässig. jedenfalls unmittelbar vor inkrafttreten des bebauungsplans am 4. april 2020 habe der geltend gemachte anspruch auf verlängerung der geltungsdauer des vorbescheids bestanden. die veränderungssperre hätte damals einer solchen verlängerung nicht entgegengestanden, da ihre geltungsdauer mangels besonderer umstände im sinne von § 17 abs. 2 baugb nicht auf ein viertes jahr hätte verlängert werden dürfen. der rat habe annähernd fünf jahre gebraucht, um überhaupt einen planentwurf für eine öffentliche auslegung zu erstellen. sie, die klägerin, wolle schadensersatzansprüche gegen die beklagte geltend machen, weil ihr wegen der rechtswidrigen versagung der beantragten verlängerung der geltungsdauer des vorbescheids erhebliche mieteinnahmen entgangen seien. 17wäre die geltungsdauer des vorbescheids antragsgemäß verlängert worden, hätte sie einen entsprechenden bauantrag gestellt und das vorhaben umgesetzt. in den jahren 2016 und 2017 habe die erbbauberechtigte mit der firma o. einen mietvertrag verhandelt, der einen indexierten mietzins von 12,83 euro/qm für eine gesamtfläche von 1.403 qm bei einer verkaufsfläche von 1.200 qm vorgesehen habe. nachdem die beklagte eine verlängerung der geltungsdauer des vorbescheids abgelehnt habe, hätten die gesellschafter der erbbauberechtigten vereinbart, dass die weitere besorgung des baurechts durch sie, die klägerin, und auf ihren namen betrieben werden solle. für den fall, dass die geltungsdauer des vorbescheids verlängert werden sollte, hätten die gesellschafter vereinbart, dass sie ihr die erweiterung beziehungsweise den neubau des auf dem vorhabengrundstück aufstehenden gebäudes auf eigene kosten und den abschluss eines neuen mietvertrages mit der firma o. gestatten würden. der erbbauberechtigten sollte sie im gegenzug den restwert des gebäudes und der außenanlage zum buchwert erstatten und die zahlung des erbbauzinses sowie aller abgaben in verbindung mit der liegenschaft übernehmen. die gesellschafter der erbbauberechtigten hätten schon im zeitpunkt der besagten vereinbarung einer neubelastung des erbbaubuches mit gegebenenfalls erforderlichen grundschulden im zusammenhang mit den notwendigen investitionen und einer möglichen verlängerung des erbbaurechts zugestimmt. die firma o. habe gegenüber ihr, der klägerin, jüngst noch einmal bestätigt, dass sie bereit gewesen wäre, einen neuen mietvertrag mit dem vorstehenden inhalt abzuschließen, und hierzu auch weiterhin bereit sei. sie, die klägerin, hätte die notwendigen investitionen für die umsetzung des vorhabens gegebenenfalls mit eigenen mitteln finanziert, was den durch die versagung der verlängerung der geltungsdauer des vorbescheids verursachten schaden angesichts des gewinns, den sie in einem solchen fall hätte erwarten dürfen, erhöhen würde. als mindestschaden sei jedenfalls anzunehmen, dass die umsetzung des vorhabens durch einen bankkredit finanziert worden wäre. dann hätte sich bei abzug der einstandskosten, der kreditkosten, des erbbauzinses und der abschreibung der baukosten unter berücksichtigung einer realistischen indexentwicklung bei fünfzehn jahren laufzeit nach abzug von steuern ein gewinn von 515.100 euro ergeben. rechne man die wertsteigerung der immobilie hinzu, wäre nach abzug von steuern mit einem gewinn von 887.100 euro in fünfzehn jahren zu rechnen gewesen. 18die klägerin beantragt schriftsätzlich, 19das angefochtene urteil zu ändern und die beklagte unter aufhebung des ablehnungsbescheids vom 6. april 2017 (63/23-vl-0035/17) zu verpflichten, die geltungsdauer des vorbescheids vom 21. april 2015 (63-bv-0123/13) zu verlängern, 20hilfsweise festzustellen, dass die beklagte im zeitpunkt unmittelbar vor inkrafttreten des bebauungsplans nr. „w./n.-straße“ verpflichtet war, die geltungsdauer des vorbescheids vom 21. april 2015 (63-bv-0123/13) zu verlängern. 21die beklagte beantragt schriftsätzlich, 22die berufung zurückzuweisen. 23sie hält das vorhaben für bauplanungsrechtlich unzulässig. der bebauungsplan sei wirksam. die klägerin habe nicht hinreichend nachgewiesen, dass das vorhaben atypisch im sinne des § 11 abs. 3 satz 4 baunvo sei. bei zwei lebensmitteldiscountmärkten und einem türkischen supermarkt im plangebiet gebe es keine sortimentsbezogene unterversorgung in dem zentralen versorgungsbereich, in dem das vorhabengrundstück liege. 24auch wenn der bebauungsplan unwirksam sein sollte, sei das vorhaben in der gemengelage, in die das vorhabengrundstück eingebettet sei, als großflächiger einzelhandelsbetrieb mangels eines vorbildes unzulässig. die nutzung auf dem grundstück w. 55 durch die firma j. (nutzfahrzeugniederlassung; werkstatt; ausstellungsflächen) sei kein solches vorbild. die ausstellungsflächen der firma bestünden größtenteils aus befestigten freiflächen, auf denen vor allem gebrauchte nutzfahrzeuge ausgestellt würden. bei diesen ausstellungsflächen handele es sich mithin nur um nebenanlagen von untergeordneter bedeutung, aus denen im hinblick auf die großflächigkeit keine vorbildwirkung für das vorhaben hergeleitet werden könne. auch wichen die betrieblichen begleiterscheinungen der beiden in rede stehenden nutzungen, insbesondere der betriebsbedingte verkehr, wesentlich voneinander ab. das vorhaben hätte sich daher seiner art nach auch dann nicht in die eigenart der näheren umgebung des vorhabengrundstücks eingefügt, wenn die zweite verlängerung der veränderungssperre unwirksam gewesen sein sollte. überdies hätten dem vorhaben damals möglicherweise auch die vorgaben des § 34 abs. 3 baugb entgegengestanden. 25der hilfsantrag sei unbegründet. die zweite verlängerung der veränderungssperre sei wirksam gewesen, denn damals hätten besondere umstände vorgelegen, die die planung außergewöhnlich schwierig gemacht hätten und weder von der verwaltung noch vom rat zu verantworten gewesen seien. vom sommer 2016 bis zum märz 2017 sei ein gutachterverfahren in form eines wettbewerbs durchgeführt worden, um ein innovatives nutzungskonzept, nämlich die verträgliche verbindung von wohnnutzungen mit den im künftigen plangebiet vorhandenen gewerbebetrieben, zu entwickeln. am 13. mai 2017 sei die baunutzungsverordnung durch einführung des urbanen gebiets mit § 6a baunvo geändert worden. dieser neue baugebietstyp habe den mit dem aufstellungsbeschluss verfolgten planungszielen mehr entsprochen als etwa ein mischgebiet. die planung sei daher im aufstellungsverfahren dahingehend konkretisiert worden. dass der neue baugebietstyp erst nach mehr als einem jahr nach dem beschluss über die veränderungssperre eingeführt worden sei, müsse bei der zulässigkeit der zweiten verlängerung der veränderungssperre berücksichtigt werden. von mai bis november 2017 sei das ergebnis des angesprochenen wettbewerbs überarbeitet worden und der rat habe beschlossen, das ursprünglich vorgesehene plangebiet zu verkleinern. in der zeit von dezember 2017 bis oktober 2018 habe die verwaltung intensive abstimmungsgespräche mit allen eigentümern von grundstücken im künftigen plangebiet geführt, deren ergebnisse mehrfache anpassungen des planentwurfs erforderlich gemacht hätten. 26das mit dem aufstellungsbeschluss verfolgte ziel der einzelhandelssteuerung hätte eine darauf bezogene untersuchung erfordert, die ein bedürfnis für eine änderung des rahmenplans einzelhandel gezeigt habe. wegen der gewerblichen vorprägung des künftigen plangebiets hätte es auch der prüfung und berücksichtigung diverser umweltrechtlicher belange, insbesondere hinsichtlich des lärms, bedurft. 27davon abgesehen, sei nicht mit hinreichender sicherheit zu erwarten, dass die klägerin zivilrechtlich schadensersatzansprüche gegen sie, die beklagte, geltend machen werde. die klägerin habe keine hinreichend substanziierten angaben zu der art des ihr angeblich entstandenen schadens und zu dessen ungefährer höhe gemacht. sie trage vor, dass ihr durch die versagung der verlängerung der geltungsdauer des vorbescheids erhebliche mieteinnahmen entgangen seien. an einem das gebäude auf dem vorhabengrundstück betreffenden mietverhältnis, aus dem sie solche mieteinnahmen hätte erwarten dürfen, sei sie aber nicht beteiligt. sie behaupte nur, dass die erbbauberechtigte in den jahren 2016 und 2017 verhandlungen mit der firma o. unter anderem auch über den abschluss eines neuen mietvertrags geführt habe. auf den notwendigen mindestinhalt eines künftigen mietvertrags hätten sich die künftigen vertragspartner nach dem vortrag der klägerin damals nicht geeinigt. danach seien die gesellschafter der erbbauberechtigten über die höhe des mietzinses, den die firma o. hätte zahlen sollen, uneins gewesen. die angeblichen verhandlungen zwischen der erbbauberechtigten und der firma o. sowie die angeblichen vereinbarungen der gesellschafter der erbbauberechtigten unter anderem zur künftigen rolle der klägerin habe diese erstmals in ihrem schriftsatz vom 10. märz 2022 erwähnt. sie, die beklagte, bestreite, dass es diese angeblichen verhandlungen und vereinbarungen in den jahren 2016 und 2017 überhaupt gegeben habe. zudem hätte die von der klägerin behauptete vorgesehene neubelastung des für das vorhabengrundstück eingetragenen erbbaurechts die zustimmung der grundstückseigentümerin erfordert. in einem vergleich vom 4. juni 2012 habe sich die grundstückseigentümerin verpflichtet, keine anträge zu stellen, die auf die bauaufsichtliche genehmigung „weiterer, den planungsrechtlichen zielvorstellungen der stadt im bebauungsplan nr. widersprechenden einzelhandelsvorhaben“ auf den grundstücken gemarkung n1., flur 3, flurstücke 341, 342 und 343, (n.-straße 398) sowie flur 3, flurstück 344 (w. 33) gerichtet seien, beziehungsweise keine solchen anträge durch dritte stellen zu lassen. ebenso habe sie sich verpflichtet, keine weiteren einzelhandelsvorhaben auf diesen grundstücken zu betreiben oder durch dritte betreiben zu lassen. vor diesem hintergrund sei die klägerin gar nicht berechtigt, einen entsprechenden antrag zu stellen. schließlich sei ernsthaft zu bezweifeln, dass der vorbescheid im falle der verlängerung seiner geltungsdauer überhaupt ausgenutzt worden wäre, denn die in der vergangenheit immer wieder eröffneten möglichkeiten zur erweiterung der verkaufsfläche des auf dem vorhabengrundstück betriebenen lebensmitteldiscountmarktes seien niemals ins werk gesetzt worden. 28wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakten 10 d 246/21.ne, 10 a 668/19 und 10 a 669/19 sowie der beigezogenen aufstellungsvorgänge (beiakten hefte 1 bis 11 des verfahrens 10 d 246/21.ne) und der verwaltungsvorgänge der beklagten (beiakten heft 1 bis 24) bezug genommen. 29
30der vorsitzende entscheidet im einverständnis der beteiligten anstelle des senats ohne mündliche verhandlung (§§ 87a abs. 2, 101 abs. 2 vwgo). 31die berufung hat nur in dem aus dem tenor ersichtlichen umfang erfolg. 32die klage ist mit dem hauptantrag unbegründet. 33die klägerin hat keinen anspruch auf eine verlängerung der geltungsdauer des vorbescheids. 34sie hatte in ihrem undatierten, der bauvoranfrage beigefügten schreiben unter „erläuterung und genaue fragestellung“ formuliert: 35„ist auf dem baugrundstück entsprechend dem beiliegenden lageplan eine erweiterung des bestehenden lebensmittel-discounters auf ca. 1.200m² verkaufsfläche nach der art der baulichen nutzung bauplanungsrechtlich zulässig?“ 36der klägerin fehlt für diese bauvoranfrage das sachbescheidungsinteresse, das, wenn die verlängerung der geltungsdauer eines vormals erteilten vorbescheids begehrt wird, erneut zu prüfen ist. 37die baugenehmigungsbehörde darf einen bauantrag mangels sachbescheidungsinteresses ablehnen, wenn die beantragte baugenehmigung für den bauherrn ersichtlich nutzlos ist. das ist dann der fall, wenn feststeht, dass dieser aus tatsächlichen oder aus rechtlichen gründen an einer verwertung der baugenehmigung gehindert ist. voraussetzung für die ablehnung des bauantrags ist in solchen fällen ein schlechthin nicht ausräumbares hindernis. 38vgl. bverwg, urteil vom 24. januar 1980 – 4 c 3.78 –, juris, rn. 16; bay. vgh, urteil vom 25. november 2014 – 9 b 13.1401 –, juris, rn. 25. 39nichts anderes gilt, wenn der bauherr lediglich einen baurechtlichen vorbescheid – oder wie hier – die verlängerung der geltungsdauer eines solchen vorbescheids beantragt. 40vgl. ovg nrw, beschluss vom 25. november 2020 41– 10 a 1230/19 –, juris, rn. 17. 42nach diesen grundsätzen fehlt der klägerin nach inkrafttreten des bebauungsplans das sachbescheidungsinteresse für die begehrte verlängerung der geltungsdauer des vorbescheids. 43das vorhaben, das gegenstand der bauvoranfrage und damit des antrags auf verlängerung der geltungsdauer des aufgrund der bauvoranfrage erteilten vorbescheids ist, widerspricht den festsetzungen des bebauungsplans, sodass der vorbescheid für die klägerin nutzlos wäre, weil ihr eine entsprechende baugenehmigung nicht erteilt werden könnte. 44die bauvoranfrage bezieht sich auf die erweiterung der verkaufsfläche des auf dem vorhabengrundstück betriebenen lebensmitteldiscountmarktes. in dem darin ausdrücklich in bezug genommenen lageplan hat die klägerin das vorhandene betriebsgebäude des marktes und die mit der beabsichtigten erweiterung erforderlich werdenden baulichen veränderungen dieses gebäudes eingetragen. 45gegenstand der bauplanungsrechtlichen beurteilung eines bauvorhabens ist, wenn es dabei um die änderung einer baulichen anlage geht, grundsätzlich die gesamte anlage in ihrer geänderten gestalt, das heißt, das vom bauherrn angestrebte ergebnis der baumaßnahme muss den maßgeblichen bauplanungsrechtlichen vorschriften entsprechen. nur wenn die in form einer erweiterung vorgesehene änderung des bestandes als die errichtung einer weiteren eigenständigen baulichen anlage zu verstehen ist, weil sie sich selbstständig nutzen und von dem bestand abtrennen lässt, kann es geboten sein, die bauplanungsrechtliche zulässigkeit der erweiterung isoliert zu betrachten. hier fehlt es an der abtrennbarkeit der gewollten erweiterung der verkaufsfläche, sodass im baugenehmigungsverfahren mit der geplanten erweiterung auch der bereits vorhandene teil des lebensmitteldiscountmarktes zur disposition steht, der in der neuen gesamtanlage aufgehen soll. immer dann, wenn eine erweiterung zugleich den bestand baulich oder in seiner qualität verändert oder sich die mit der erweiterung einhergehende nutzung nicht nur unwesentlich auf die immissionslage in der umgebung auswirkt, ist eine isolierte beurteilung der erweiterung nicht möglich. ebenso wie bei einer nutzungsänderung, bei der die bauliche anlage in ihrer geänderten funktion als einheit zu prüfen ist, muss bei der erweiterung einer baulichen anlage diese in ihrer durch die erweiterung geänderten gestalt geprüft werden. 46vgl. bverwg, urteil vom 17. juni 1993 – 4 c 17.91 –, juris, rn. 16; ovg nrw, urteil vom 15. märz 2018 47– 10 a 3042/15 –; vgh bad.-württ., urteil vom 11. februar 2016 – 5 s 1389/14 –, juris, rn. 53. 48der lebensmitteldiscountmarkt auf dem vorhabengrundstück und damit auch die erweiterung seiner verkaufsfläche widersprechen jedenfalls der textlichen festsetzung nr. 2 des bebauungsplans, wonach garagen und stellplätze mit ausnahme von stellplätzen für fahrräder ausschließlich in gebäuden zulässig sind. der lebensmitteldiscountmarkt auf dem vorhabengrundstück und die erweiterung seiner verkaufsfläche sind somit heute bauplanungsrechtlich unzulässig. dies entspricht auch den vorstellungen des rates im aufstellungsverfahren und dem vortrag der antragstellerin in dem gegen den bebauungsplan angestrengten normenkontrollverfahren, wonach der lebensmitteldiscountmarkt mit den festsetzungen des bebauungsplans auf den bestand gesetzt worden sei. vor diesem hintergrund spielt es letztlich keine rolle, dass die bauvoranfrage auf die bauplanungsrechtliche zulässigkeit des vorhabens seiner art nach beschränkt war. 49die festsetzungen des bebauungsplans sind auch wirksam, wie sich aus dem auch der klägerin bekannten urteil des senats vom 15. märz 2022 im verfahren 10 d 246/21.ne ergibt, auf dessen begründung insoweit zur vermeidung von wiederholungen bezug genommen wird. 50die klage hat jedoch mit dem hilfsantrag erfolg. 51sie ist insoweit zulässig. 52bei einer fortsetzungsfeststellungklage, die der vorbereitung einer zivilrechtlichen klage auf schadensersatz oder entschädigung dienen soll, ist das feststellungsinteresse zu bejahen, wenn ein solcher prozess bereits anhängig, mit sicherheit zu erwarten oder ernsthaft beabsichtigt ist, die begehrte feststellung in diesem verfahren erheblich und die rechtsverfolgung nicht offensichtlich aussichtslos ist. insoweit bedarf es hinreichender darlegungen seitens des die feststellung begehrenden klägers. hierzu gehört insbesondere, dass er die behauptung eines eingetretenen schadens durch angaben zur art des schadens und zur annähernden schadenshöhe substanziiert. 53vgl. etwa ovg nrw, urteile vom 25. märz 2014 – 2 a 2679/12 –, juris, rn 42, und vom 19. april 2013 – 10 a 2596/11 –, juris, rn. 53, jeweils mit weiteren nachweisen. 54diese anforderungen sind hier erfüllt. die klägerin trägt insoweit vor, ihr fortsetzungsfeststellungsinteresse bestehe, weil sie beabsichtige, einen schadensersatzanspruch gegenüber der beklagten geltend zu machen. diese habe die geltungsdauer des ihr erteilten vorbescheids in dem zeitraum zwischen dem auslaufen der veränderungssperre und dem inkrafttreten des bebauungsplans rechtswidrig nicht verlängert. hätte die beklagte die geltungsdauer des vorbescheids antragsgemäß verlängert, hätte sie, die klägerin, zeitnah eine baugenehmigung für die dem vorbescheid entsprechende erweiterung der verkaufsfläche des auf dem vorhabengrundstück betriebenen lebensmitteldiscountmarktes beantragt und die erweiterung der verkaufsfläche nach erteilung der baugenehmigung auch umgesetzt. 55in den jahren 2016 und 2017 hätten die gesellschafter der erbbauberechtigten vereinbart, dass die weitere besorgung des baurechts durch sie, die klägerin, und auf ihren namen betrieben werden solle. die firma o. sei damals einverstanden gewesen, einen neuen mietvertrag zu einen indexierten mietzins von 12,83 euro/qm für ein neues oder ein erweitertes gebäude mit einer gesamtfläche von 1.403 qm einschließlich einer verkaufsfläche von 1.200 qm abzuschließen. dazu sei die firma o. auch heute noch bereit. die gesellschafter hätten außerdem vereinbart, dass sie ihr, der klägerin, die erweiterung beziehungsweise den neubau des auf dem vorhabengrundstück aufstehenden gebäudes auf eigene kosten und den abschluss eines neuen mietvertrages mit der firma o. gestatten würden. hätte sie die umsetzung des vorhabens durch einen bankkredit finanziert, hätte sich bei abzug der einstandskosten, der kreditkosten, des erbbauzinses und der abschreibung der baukosten unter berücksichtigung einer realistischen indexentwicklung bei fünfzehn jahren laufzeit nach abzug von steuern ein gewinn von 515.100 euro ergeben. rechne man die wertsteigerung der immobilie hinzu, hätte sie nach abzug von steuern einen gewinn von 887.100 euro in fünfzehn jahren erwarten können. diesen entgangenen gewinn wolle sie als den ihr entstandenen schaden geltend machen. 56dieser vortrag reicht für eine substanziierung des behaupteten schadens nach art und höhe aus. 57aus dem diesbezüglichen vortrag der beklagten ergibt sich nichts gegenteiliges. soweit sie bestreitet, dass es die von der klägerin behaupteten verhandlungen mit der firma o. und die vereinbarungen der gesellschafter der erbbauberechtigten überhaupt gegeben habe, schlussfolgert sie dies allein daraus, dass die klägerin diese verhandlungen und vereinbarungen erstmals in ihrem schriftsatz vom 10. märz 2022 erwähnt habe. die klägerin hatte jedoch bis zur erörterung der sach- und rechtslage durch den vorsitzenden in dem erörterungstermin am 28. januar 2022 keine gesteigerte veranlassung, die besagten interna offenzulegen, weil sie bis dahin in erster linie die begehrte verlängerung der geltungsdauer des vorbescheids erstreiten wollte. überdies hatte die klägerin den vorbescheid tatsächlich beantragt und erhalten, sodass ihr vortrag, die gesellschafter der erbbauberechtigten hätten ihr die weitere besorgung des baurechts auf eigene kosten überlassen, durchaus plausibel ist. dass sowohl die erbbauberechtigte als auch die firma o. grundsätzlich mit einer erweiterung der verkaufsfläche des auf dem vorhabengrundstück betriebenen lebensmitteldiscountmarktes zu bestimmten konditionen einverstanden gewesen sind, darf in diesem zusammenhang unterstellt werden, weil ansonsten der von der klägerin jahrelang betriebene aufwand keinen sinn gemacht hätte. inwieweit es für die erfolgreiche geltendmachung eines entgangenen gewinns erforderlich ist, dass bereits in den jahren 2016 und 2017 die wesentlichen inhalte eines künftigen mietvertrages mit der firma o. verbindlich festgelegt worden sind, mag in dem von der klägerin beabsichtigten schadensersatzprozess geklärt werden. nichts anderes gilt für die beantwortung der frage, ob es für die umsetzung des vorhabens zwingend der zustimmung der grundstückeigentümerin bedurft hätte und ob diese durch den vergleich vom 4. juni 2012 rechtlich gehindert wäre, eine solche zustimmung zu erteilen. insoweit weist der senat nochmals darauf hin, dass die beklagte der klägerin den vorbescheid in ansehung dieses vergleichs erteilt hat. im übrigen wäre nach dem vortrag der klägerin eine neubelastung des erbbaurechts nicht unbedingt notwendig gewesen. dass der vorbescheid während seiner regulären geltungsdauer nicht ausgenutzt worden ist, sagt nichts darüber aus, dass seine ausnutzung auch nach der verlängerung seiner geltungsdauer nicht beabsichtigt gewesen wäre. 58die klage ist mit dem hilfsantrag begründet. die beklagte war unmittelbar vor inkrafttreten des bebauungsplans verpflichtet, die geltungsdauer des vorbescheids, wie von der klägerin beantragt, zu verlängern. 59zu dem im antrag genannten zeitpunkt unmittelbar vor inkrafttreten des bebauungsplans am 4. april 2020, nämlich der bekanntmachung des dringlichkeitsbeschlusses, hatte die klägerin einen anspruch auf die verlängerung der geltungsdauer des vorbescheids. 60die veränderungssperre stand dem vorhaben, das gegenstand des vorbescheids war, nicht entgegen. 61die veränderungssperre war ausgelaufen. deren zweite verlängerung war unwirksam. 62die nochmalige verlängerung einer veränderungssperre nach § 17 abs. 2 baugb setzt voraus, dass besondere umstände diese erfordern. solche besonderen umstände liegen vor, wenn sich das aufstellungsverfahren wegen seines umfangs, wegen besonderer schwierigkeiten bei der planung oder wegen gewichtiger probleme im verfahrensablauf als atypisch erweist. 63vgl. bverwg, beschluss vom 30. oktober 1992 – 4 nb 44.92 –, juris, rn. 13. 64die zweite verlängerung einer veränderungssperre kommt also nur in betracht, wenn sich das aufstellungsverfahren, ohne dass die planende gemeinde dies zu vertreten hat, von der üblichen städtebaulichen planungstätigkeit wesentlich abhebt. notwendig ist überdies ein ursächlicher zusammenhang zwischen den besonderheiten des aufstellungsverfahrens und dessen ungewöhnlich langer dauer. da grundsätzlich davon auszugehen ist, dass das aufstellungsverfahren für einen bebauungsplan innerhalb von drei jahren, für die das gesetz eine veränderungssperre als sicherungsinstrument regelmäßig zur verfügung stellt, abgeschlossen sein kann, muss die gemeinde, will sie ihre planung über diesen zeitraum hinaus durch eine weitere verlängerung der veränderungssperre sichern, darlegen, dass objektive gründe einen abschluss des aufstellungsverfahrens bis dahin verhindert haben. es muss also erkennbar sein, dass sich die gemeinde nach kräften bemüht hat, das aufstellungsverfahren voranzutreiben, um es innerhalb der drei jahre abzuschließen, und die überschreitung dieser frist nicht etwa auf einer bloßen entscheidungsschwäche bei der politischen willensbildung oder auf einer einstufung der planung als gegenüber anderen aufgaben nachrangig beruht. 65vgl. nds. ovg, beschluss vom 24. februar 2021 66– 1 mn 174/20 –, juris, rn. 17. 67auf besondere umstände im sinne des § 17 abs. 2 baugb konnte sich der rat bei dem beschluss über die zweite verlängerung der veränderungssperre danach nicht berufen. soweit die beklagte als vermeintlich besonderen umstand die dauer eines vom sommer 2016 bis zum märz 2017 durchgeführten gutachterverfahrens anführt, mit dem im zuge eines wettbewerbs vorschläge zur entwicklung eines innovativen nutzungskonzeptes in form einer verträglichen verbindung von künftigen wohnnutzungen mit den im plangebiet vorhandenen gewerbebetrieben erarbeitet werden sollten, fällt die damit verbundene verzögerung des aufstellungsverfahrens in ihren eigenen verantwortungsbereich. sie muss sich fragen lassen, weshalb sie das gutachterverfahren erst nach mehr als einem jahr nach dem aufstellungsbeschluss in die wege geleitet hat, als die veränderungssperre bereits zu laufen begonnen hatte. die daraus folgende verzögerung des aufstellungsverfahrens ist der beklagten erst recht deshalb vorzuhalten, weil – wie es in der begründung der zweiten verlängerung der veränderungssperre heißt – mögliche investoren und die örtliche politik schon seit einigen jahren das ziel verfolgt hätten, am w. neue wohnbauflächen zu schaffen. soweit die beklagte ihren vortrag so verstanden wissen will, dass die fortführung des aufstellungsverfahrens erst nach dem abschluss des gutachterverfahrens sinn gemacht hätte, wären wesentliche schritte im aufstellungsverfahren tatsächlich erst zwei jahre nach dem aufstellungsbeschluss ausgeführt worden. auch wenn es der beklagten als der für das aufstellungsverfahren verantwortlichen unbenommen war, ein gutachterverfahren erst geraume zeit nach dessen einleitung durchzuführen statt damit zügig nach dem aufstellungsbeschluss zu beginnen, bedingt diese verfahrensführung keine von dem üblichen abweichende atypik des aufstellungsverfahrens, auf die sich die beklagte berufen könnte, um eine nochmalige verlängerung der veränderungssperre zu rechtfertigen. dies umso weniger, als es in der begründung der zweiten verlängerung der veränderungssperre nur heißt, dass nach dem ergebnis des gutachterverfahrens insbesondere an der herausbildung der städtebaulichen kanten sowie an der vorgeschlagenen mäandrierenden gebäudestruktur gearbeitet worden sei. 68wenn die beklagte zudem vorträgt, dass die planung nach einführung des urbanen gebiets in § 6a baunvo am 13. mai 2017 konkretisiert worden sei, zeigt sie weder auf noch ist sonst ersichtlich, welche wesentliche zeitliche verzögerung des aufstellungsverfahrens mit der umstellung der planung von dem ursprünglich geplanten mischgebiet auf ein urbanes gebiet verbunden gewesen ist. 69soweit die beklagte nach dem abschluss des gutachterverfahrens intensive abstimmungsgespräche mit allen eigentümern von grundstücken im künftigen plangebiet geführt hat und infolge dieser gespräche mehrfache anpassungen des planentwurfs erforderlich geworden sind, lassen sich solche gespräche und die daraus folgenden anpassungen ebenfalls nicht als außergewöhnliche umstände begreifen, die eine nochmalige verlängerung der veränderungssperre erfordert hätten, zumal nach der begründung der zweiten verlängerung der veränderungssperre bereits vor der einleitung des gutachterverfahrens gespräche mit den grundstückseigentümern geführt worden waren, um die mögliche verfügbarkeit von flächen und die bereitschaft der eigentümer zur realisierung der planerischen ziele abschätzen zu können. 70die mit dem bebauungsplan beabsichtigte steuerung des einzelhandels und die dazu erforderliche änderung des rahmenplans einzelhandel beschäftigen die beklagte seit jahrzehnten. außergewöhnliche umstände, mit denen die dauer eines aufstellungsverfahrens für einen bebauungsplan über die dafür regelmäßig vorgesehenen drei jahre hinaus zu erklären wäre, stellen die untersuchungen, überlegungen und abstimmungen zu der gewollten einzelhandelssteuerung nicht dar. auch die prüfung und die berücksichtigung diverser umweltrechtlicher auswirkungen der planung auf öffentliche und private belange sind teil der gewöhnlichen planungstätigkeit und lassen hier weder für sich genommen noch im zusammenspiel mit den sonst genannten aspekten, die das aufstellungsverfahren mit bestimmt haben, auf einen von der beklagten in zeitlicher hinsicht nicht zu beeinflussenden atypischen verfahrensablauf schließen. 71dem vorhaben standen auch nicht die festsetzungen des vorgängerplans – bebauungsplan nr. - nördlich w. – entgegen. unabhängig davon, ob nach der zwischenzeitlich ergangenen rechtsprechung des bundesverwaltungsgerichts an den ausführungen des senats in der mündlichen verhandlung im verfahren 10 d 61/08.ne zur unwirksamkeit der festsetzungen des vorgängerplans zum einzelhandelsausschluss festzuhalten ist, folgt die unwirksamkeit des vorgängerplans jedenfalls daraus, dass die bekanntmachung der öffentlichen auslegung des planentwurfs hinsichtlich der angaben zu den verfügbaren arten umweltbezogener informationen nicht den anforderungen des § 3 abs. 2 satz 2 halbsatz 1 baugb genügt hat. 72nach der jüngsten rechtsprechung des bundesverwaltungsgerichts verlangt § 3 abs. 2 satz 2 halbsatz 1 baugb die angabe der arten der informationen, nicht die der informationen selbst. die gemeinde muss die in den vorhandenen stellungnahmen und unterlagen behandelten umweltthemen grundsätzlich nach themenblöcken zusammenfassen und diese in der ortsüblichen bekanntmachung der öffentlichen auslegung des planentwurfs schlagwortartig charakterisieren. dem ziel der vorschrift entsprechend muss bei der angabe als strukturierendes merkmal der jeweilige inhalt der informationen gewählt werden, denn die bekanntmachung nach § 3 abs. 2 satz 2 halbsatz 1 baugb soll eine anstoßwirkung haben, indem sie den interessierten bürger dazu ermuntert, sich über die konkreten planungsabsichten der gemeinde zu informieren und gegebenenfalls mit anregungen und bedenken zu der jeweiligen planung beizutragen. 73die gemeinde darf nicht zwischen den von ihr für wesentlich oder für unwesentlich gehaltenen informationen unterscheiden. bei der wahl der schlagwörter kann sie sich im grundsatz an der bezeichnung orientieren, die der jeweilige ersteller einer information selbst für zutreffend gehalten hat. eine nähere beschreibung der verfügbaren arten umweltbezogener informationen etwa als sachverständigengutachten, als stellungnahme einer behörde oder eines sonstigen trägers öffentlicher belange oder als einwendung eines privaten dritten schreibt § 3 abs. 2 satz 2 halbsatz 1 baugb nicht vor. 74vgl. bverwg, urteil vom 6. juni 2019 – 4 cn 7.18 –, juris, rn. 12 ff.; ovg nrw, urteil vom 16. november 2020 – 10 d 8/18.ne –, juris, rn. 55 ff. 75diesen grundsätzen entsprach die bekanntmachung der öffentlichen auslegung des entwurfs des vorgängerplans, in der allein auf die stellungnahme des staatlichen umweltamtes hingewiesen worden war, nicht. 76die anstoßfunktion ist zwar auch dann gewahrt, wenn bei einer relativ geringen anzahl von stellungnahmen diese lediglich aufgelistet und im ergebnis sämtliche behandelten umweltthemen benannt werden, ohne dass diese nach themenblöcken geordnet worden sind, solange der adressat den gemachten angaben mühelos entnehmen kann, zu welchen konkreten umweltthemen unterlagen vorhanden sind. 77vgl. ovg nrw urteil vom 16. november 2020 – 10 d 8/18.ne –, juris, rn. 63. 78in der bekanntmachung der öffentlichen auslegung des entwurfs des vorgängerplans waren jedoch gar keine umweltthemen genannt. diesen mangel hat die antragstellerin in dem verfahren 10 d 61/08.ne damals auch rechtzeitig gegenüber der beklagten gerügt. 79dem vorhaben stand auch die festsetzung „e1-mittelgewerbegebiet“ in den durchführungsplänen 5580/06 und 5580/07, selbst wenn es sich bei diesen durchführungsplänen um nach § 173 abs. 3 bbaug 1960 übergeleitete bebauungspläne gehandelt hätte, nicht entgegen. 80es kann offen bleiben, ob die festsetzung des mittelgewerbegebiets überhaupt wirksam gewesen ist. nicht abschließend geklärt ist insoweit, ob der plangeber bei der darstellung der nutzungsart der baufläche an die baugebietstypen des § 7 i b 3 der bauordnung für den regierungsbezirk e. vom 1. april 1939 (baupolizeiverordnung – bpvo), zu denen das mittelgewerbegebiet nicht zählte, gebunden war. 81vgl. ovg nrw, beschluss vom 22. märz 2002 – 10 b 201/02 –, juris, rn. 23; ernst-friede, kommentar zum aufbaugesetz von nordrhein-westfalen, 4. auflage 1958, § 10 anm. 1, seite 120. 82nach den textlichen festsetzungen der durchführungspläne waren in dem zeichnerisch festgesetzten mittelgewerbegebiet alle anlagen zulässig, die in § 7 i b 3 e) bpvo genannt sind mit ausnahme derjenigen betriebe, die unter § 16 der gewerbeordnung a.f. fielen. § 7 i b 3 e) bpvo betraf großgewerbegebiete, in denen nur gewerbliche anlagen und gebäude für die industrielle nutzung (abs. 1 satz 1) zulässig waren. gestattet waren dort alle für den betrieb erforderlichen nebenanlagen, wie arbeiteraufenthaltsräume, büros, lagerräume, verkehrsgebäude und wohnungen für das zur bewachung erforderliche aufsichtspersonal. 83nach § 7 i b nr. 2 bpvo durften in den baugebieten mit ausnahme des großgewerbegebiets keine anlagen errichtet oder genutzt werden, die bei ihrem betrieb erhebliche nachteile oder belästigungen für die bewohner oder die allgemeinheit zur folge haben konnten. 84auch waren einzelhandelsbetriebe keine gewerblich beziehungsweise industriell genutzte anlagen im sinne des § 7 b i 3 e) bpvo. die begriffspaare der gewerblichen anlagen und gewerblichen betriebe wurden in den baurechtlichen vorschriften, die vor inkrafttreten der baunutzungsverordnung galten, eng verstanden. so unterschied § 1 abs. 1 der verordnung über die regelung der bebauung vom 15. februar 1936 (bauregelungsverordnung, rgbl. i s. 104), die in der einleitung zur baupolizeiverordnung, auf die die durchführungspläne ausdrücklich verweisen, genannt ist, zwischen gewerbe- und geschäftsgebieten. nur in letzteren sollten einzelhandelsgeschäfte und einzelhandelsbetriebe zulässig sein. in geschäftsgebieten waren „gewerbliche anlagen“ nur eingeschränkt zugelassen, in gewerbegebieten waren einzelhandelsbetriebe weder in form von waren- oder kaufhäusern noch in form von läden zulässig. diese differenzierung in der bauregelungsverordnung hat auch die baupolizeiverordnung aufgegriffen, indem sie in § 7 b i 3 c) geschäftsgebiete vorsah, in denen vorzugsweise geschäftshäuser und läden zulässig waren. dies verdeutlicht, dass es dem damaligen städtebaulichen grundverständnis widersprach, waren-, geschäfts- oder kaufhäuser in gewerbegebieten zuzulassen. 85vgl. vg düsseldorf, urteil vom 9. oktober 2008 – 9 k 2185/05 –, juris, rn. 72. 86dies zugrunde gelegt, war die festsetzung des mittelgewerbegebiets im sinne eines eingeschränkten großgewerbegebiets jedenfalls funktionslos geworden. 87nach ständiger rechtsprechung ist eine festsetzung eines bebauungsplans nur dann funktionslos, wenn die verhältnisse, auf die sie sich bezieht, in ihrer tatsächlichen entwicklung einen zustand erreicht haben, der die verwirklichung der festsetzung auf unabsehbare zeit ausschließt, und dies in einem grad erkennbar ist, der einem etwa dennoch in die fortgeltung der festsetzung gesetzten vertrauen die schutzwürdigkeit nimmt. 88vgl. bverwg, urteil vom 29. april 1977 – iv c 39.75 –, juris, rn. 35; ovg nrw, urteil vom 29. april 2019 89– 10 d 8/17.ne –, juris, rn. 52 ff. 90bloße zweifel an der verwirklichungsfähigkeit einer festsetzung reichen dafür nicht aus. sie tritt wegen nachträglicher funktionslosigkeit nur dann außer kraft, wenn offenkundig ist, dass sie als instrument für die steuerung der städtebaulichen entwicklung nicht mehr taugt. 91vgl. bverwg, beschluss vom 17. februar 1997 – 4 b 16.97 –, juris, rn. 4. 92hier hatte sich der tatsächliche zustand im bereich des in den durchführungsplänen festgesetzten mittelgewerbegebiets dahin entwickelt, dass eine verwirklichung der dort allein zulässigen gewerblicher nutzung in dem oben dargelegten sinne auf unabsehbare zeit ausgeschlossen erschien. wie sich unter anderem aus der begründung des bebauungsplans ergibt, sind die in rede stehenden flächen durch wohnnutzungen entlang der n.-straße, durch einzelhandelsnutzungen und durch sonstige gewerbliche nutzungen geprägt. anhaltspunkte dafür oder gar erwartungen, dass sich diese flächen künftig zu einem ausschließlich gewerblich genutzten bereich ohne wohn- und einzelhandelsnutzungen hätten entwickeln können, bestanden zum zeitpunkt unmittelbar vor inkrafttreten des bebauungsplans offenkundig nicht, sodass die durchführungspläne ihre steuerungsfähigkeit jedenfalls im hinblick auf die art der nutzungen, die sich in ihrem geltungsbereich etabliert hatten und deren weitere entwicklung erkennbar verloren hatten. 93sind die für das vorhabengrundstück geltenden festsetzungen der durchführungspläne zur art der baulichen nutzung mithin funktionslos geworden, war der dort betriebene lebensmitteldiscountmarkt mit einer entsprechend dem dafür erteilten vorbescheid erweiterten verkaufsfläche unmittelbar vor inkrafttreten des bebauungsplans seiner art nach bauplanungsrechtlich zulässig und hatte die klägerin einen anspruch auf verlängerung der geltungsdauer des vorbescheids. 94die bauplanungsrechtliche zulässigkeit war damals nach § 34 baugb zu beurteilen. gemäß § 34 abs. 1 satz 1 baugb ist ein bauvorhaben nach der art der baulichen nutzung zulässig, wenn es sich insoweit in die eigenart der näheren umgebung einfügt. 95der lebensmitteldiscountmarkt mit der erweiterten verkaufsfläche erfüllte diese voraussetzungen. 96die nähere umgebung ist für jedes der in § 34 abs. 1 satz 1 baugb genannten merkmale gesondert zu ermitteln, weil diese jeweils eine prägung mit ganz unterschiedlicher reichweite und gewichtung entfalten können. für das hier in rede stehenden merkmal der art der baulichen nutzung ist die nähere umgebung im regelfall weiter zu bemessen als beispielsweise hinsichtlich des merkmals der grundstücksfläche, die überbaut werden soll, und der bauweise. sie erstreckt sich so weit, wie sie den bodenrechtlichen charakter des baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst und sich die ausführung des bauvorhabens auf sie auswirken kann. 97vgl. bverwg, urteil vom 26. mai 1978 – 4 c 9.77 –, brs 33 nr. 36; ovg nrw, urteil vom 25. februar 2000 – 10 a 5152/97 –. 98bei der eingrenzung der näheren umgebung kann die rechtsprechung zur abgrenzung des innenbereichs vom außenbereich sinngemäß angewendet werden. 99nach den vorgelegten verwaltungsvorgängen, dem verfügbaren kartenmaterial und den verfügbaren luftbildern gehört zur näheren umgebung des vorhabengrundstücks jedenfalls das plangebiet des vorgängerplans. 100die in dieser umgebung vorhandene bebauung lässt sich nach der art der baulichen nutzung keinem faktischen baugebiet im sinne des § 34 abs. 2 baugb in verbindung mit den §§ 2 bis 9 baunvo zuordnen, sodass die umgebung als eine sogenannte gemengelage zu betrachten ist. 101der annahme eines faktischen mischgebiets (§ 6 baunvo) steht entgegen, dass die fragliche umgebung keine hinreichende durchmischung der beiden hauptnutzungsarten wohnen und gewerbe aufweist. vielmehr findet sich wohnnutzung allein entlang der n.-straße, während sich die gewerblich genutzten grundstücke und gebäude ganz überwiegend nördlich beziehungsweise nordwestlich davon befinden. wegen der besagten wohnnutzung ist die umgebung auch nicht als ein faktisches gewerbegebiet (§ 8 baunvo) zu betrachten. 102entspricht die eigenart der näheren umgebung hier also keinem der in der baunutzungsverordnung bezeichneten baugebiete und war die zulässigkeit der errichtung oder änderung eines großflächigen einzelhandelsbetriebs deshalb nach § 34 abs. 1 und 3 baugb zu beurteilen, galt die vermutungsregel des § 11 abs. 3 satz 3 baunvo weder unmittelbar noch kraft gesetzlicher verweisung. 103gemäß § 11 abs. 3 satz 1 nr. 2 baunvo sind großflächige einzelhandelsbetriebe, die sich nach art, lage oder umfang auf die verwirklichung der ziele der raumordnung und landesplanung oder auf die städtebauliche entwicklung und ordnung nicht nur unwesentlich auswirken können, außer in kerngebieten nur in für sie festgesetzten sondergebieten zulässig. diese vorschrift gilt unmittelbar – ebenso wie die sie ergänzende vermutungsregel des § 11 abs. 3 satz 3 baunvo – nur im geltungsbereich eines bebauungsplans. entspricht die eigenart der näheren umgebung einem der in der baunutzungsverordnung bezeichneten baugebiete, bestimmt § 34 abs. 2 baugb, dass sich die zulässigkeit eines vorhabens nach seiner art allein danach richtet, ob es in einem solchen baugebiet nach der baunutzungsverordnung allgemein zulässig ist. auch in den fällen des § 34 abs. 2 baugb ist die zulässigkeit großflächiger einzelhandelsbetriebe mithin nach § 11 abs. 3 baunvo zu beurteilen, im übrigen jedoch nicht. 104vgl. bverwg, beschluss vom 12. februar 2009 – 4 b 3.09 –, juris, rn. 9. 105der lebensmitteldiscountmarkt auf dem vorhabengrundstück hätte sich mit der entsprechend dem vorbescheid erweiterten verkaufsfläche als großflächiger einzelhandelsbetrieb nach der art seiner nutzung in die als gemengelage zu qualifizierende nähere umgebung eingefügt. er hätte innerhalb des durch die vorhandene bebauung und nutzung vorgegebenen rahmens gelegen. 106als vorbild für eine derartige nutzung hätte die im plangebiet des vorgängerplans ansässige j. niederlassung am w. 55 gedient. der betrieb ist als nutzfahrzeugniederlassung mit werkstatt und ausstellungsflächen genehmigt. nach den angaben der firma j. auf ihrer website ist die j. nutzfahrzeuge gmbh der größte deutsche vertragshändler der j. n. ag mit acht vertriebs- und servicestandorten. die weiteren angaben auf der website und auch die verfügbaren luftbilder belegen, dass auf dem grundstück am w. 55 großflächiger einzelhandel betrieben wird. auf den freiflächen des betriebs werden zahlreiche fahrzeuge zum verkauf angeboten. laut auskunft der firma j. werden auf dem außengelände ihres betriebsgrundstück gebraucht- und neufahrzeuge auf etwa 2.000 qm ausgestellt. 107freiflächen gehören zwar in der regel nicht zur verkaufsfläche eines einzelhandelsbetriebs, doch gilt insbesondere dann etwas anderes, wenn – wie im falle der firma j. – solche flächen in erheblichem zeitlichen umfang unmittelbar dem verkauf dienen, also auf ihnen waren angeboten oder präsentiert werden. in diesen fällen wiegt die eindeutige einbeziehung der fläche in den verkaufsvorgang schwerer als die fehlende räumlichen zuordnung zu der verkaufsfläche im inneren des betriebsgebäudes. 108vgl. külpmann, jurispr-bverwg 9/2017 anm. 1. 109dies gilt erst recht, wenn es – wie hier – neben diesen verkaufsflächen unter freiem himmel gar keine oder nur kleine verkaufsflächen innerhalb von gebäuden gibt. 110um nebenanlagen untergeordneter natur, die die umgebung nicht im sinne einer bestimmten nutzungsart prägen können, handelt es sich bei den beschriebenen ausstellungsflächen – anders als die beklagte meint – folglich nicht. 111angesichts der größe des j. -vertriebs steht zudem außer frage, dass er zur prägung des baulichen charakters der näheren umgebung, zu der er gehört, wesentlich beiträgt. aus demselben grund ist auszuschließen, dass er als solitär die eigenart seiner umgebung nicht beeinflusst, zumal er durch den mit dem verkauf und durch den mit dem betrieb der werkstatt verbundenen verkehr von zum teil großen nutzfahrzeugen deutlich nach außen in erscheinung tritt. auf die unterschiede bei den betrieblichen begleiterscheinungen, namentlich auf die unterschiede bei dem betriebsbedingten verkehr zwischen dem betrieb der firma j. und dem vorhaben, kommt es – wenn es wie hier allein um die einordnung der art eines einzelhandelsbetriebs als großflächiger einzelhandelsbetrieb geht – nicht an, denn für die großflächigkeit ist allein die größe der verkaufsfläche maßgeblich. 112wegen der beschränkung der bauvoranfrage auf die bauplanungsrechtliche zulässigkeit des vorhabens seiner art nach ist es hier ohne belang, ob von ihm schädliche auswirkungen auf zentrale versorgungsbereiche zu erwarten sind. 113vgl. ovg nrw, urteile vom 29. juni 2016 – 10 a 1574/14 –, juris, rn. 96 und vom 31. oktober 2012 114– 10 a 912/11 –, juris, rn. 55. 115die kostenentscheidung folgt aus § 155 abs. 1 satz 1 alternative 2 vwgo. dabei ist zu berücksichtigen, dass der streitwertanteil des erfolglosen verpflichtungsantrags, hinsichtlich dessen die klägerin die kosten trägt, doppelt so hoch anzusetzen ist wie der streitwertanteil des fortsetzungsfeststellungsantrags, hinsichtlich dessen die beklagte die kosten trägt (vgl. nr. 15 des streitwertkatalogs der bausenate des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen vom 22. januar 2019, baur 2019, 619). 116die entscheidung zur vorläufigen vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 vwgo in verbindung mit § 708 nr. 10 und § 711 zpo. 117die revision ist nicht zuzulassen, da die voraussetzungen des § 132 abs. 2 vwgo nicht vorliegen.
344,951
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18 Ca 6830/21
2022-03-23T00:00:00
Urteil
Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. 3. Der Streitwert beträgt 15.224,58 €. 1Tatbestand: 2Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte und die Weiterbeschäftigung der Klägerin. 3Die ….-jährige Klägerin war seit dem 01.10.2016 als Fachbearbeiterin bei der Beklagten zu einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 5.074,86 EUR beschäftigt. Die vertragliche Kündigungsfrist betrug sechs Wochen zum Quartalsende. Im Beschäftigungsbetrieb waren mehr als zehn Mitarbeiter in Vollzeit beschäftigt. Die beklagte Arbeitgeberin erbringt Leistungen der betrieblichen Gesundheitsförderung in Form von individueller Beratung von Unternehmen und auf sie zugeschnittenen Maßnahmen. Die Klägerin betreute solche Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung bei Kundenunternehmen, insbesondere auch in Pflegeeinrichtungen. Hierzu suchte sie die Unternehmen auf und stand im unmittelbaren Kontakt mit deren Mitarbeitern. Sie war einem achtköpfigen Team unter Leitung des Teamleiters …… zugeordnet. Bereits in Februar 2020 war die Beklagte durch die Infektion eines Mitarbeiters massiv von der Corona-Pandemie betroffen und musste daraufhin mit Homeoffice für die Mitarbeiter reagieren. Es wurden digitale Formate mit Kunden entwickelt. Seit Mitte 2021 durften ihre Beschäftigten wieder die Einrichtungen der Pflegebranche besuchen. Allen Mitarbeitern und ihren Familienangehörigen eröffnete die Beklagte frühzeitig Impfangebote. 4Am 04.10.2021 wurden alle Mitarbeiter – darunter auch die Klägerin – im Rahmen einer Institutskonferenz darüber informiert, dass ab dem 01.11.2021 nur noch vollständig geimpfte Mitarbeiter Kundentermine vor Ort wahrnehmen dürften. Die Beklagte bat darum, dass die Teamleiter im vertrauensvollen Austausch mit ihren Teammitgliedern erkunden, welche Mitarbeiter die Voraussetzungen erfüllen. Am 04. oder 05.10.2021 erklärte die Klägerin gegenüber ihrem Teamleiter, ,,,,,,, sie sei „mittlerweile geimpft“ und zum Thema Einsatz beim Kunden in Präsenz wörtlich: „Alles safe“. Die Klägerin setzte danach ihre Präsenzbesuche in den Kundenunternehmen - darunter auch Pflegeeinrichtungen für Senioren - fort. Nach dem 01.11.2021 absolvierte die Klägerin neun Außentermine, davon vier in Seniorenheimen. Nach Veröffentlichung einer Änderung des Infektionsschutzgesetzes, wonach ab dem 24.11.2021 der Zutritt zum Betrieb nur noch mit gültigem 3-G-Nachweis zulässig war, informierte die Beklagte mit Email vom 22.11.2021 (Anlage …...) die Belegschaft über die entsprechende Handhabe im Betrieb. Ein etwaiger Impfnachweis könne durch Screenshot des digitalen Nachweises oder durch Vorlage des Impfausweises erfolgen. Es wurde darauf hingewiesen, dass eine Kopie für die Dokumentation gefertigt werden würde. 5Die Klägerin legte am 03.12.2021 ihren Impfausweis bei der Personalabteilung der Beklagten zur Erstellung einer Kopie vor. Auf Nachfrage der Personalreferentin, ob sie auch einen QR-Impfcode habe, erklärte sie, dass sie ein digitales Impfzertifikat nur auf ihrem privaten Mobiltelefon gespeichert habe, welches sie aktuell nicht dabei habe. Da der Beklagten mangels QR-Code eine Gültigkeitsüberprüfung des Impfnachweises mittels der App CovPassCheck nicht möglich war, unterzog die Personalreferentin die Impfausweise von acht Mitarbeitern, die (nur) ihren Impfpass vorgelegt hatten, einer Chargenabfrage. 6Am 09.12.2021 lud die Beklagte die Klägerin für den 10.12.2021 zu einem Personalgespräch zum Thema „Klärung von Fragen/Unstimmigkeiten zu den Impfeinträgen der Covid-19-Impfung in dem von dir […] vorgelegten Impfausweis“ (vgl. Anlage …...). Im Gespräch vom 10.12.2021, welches im Beisein des Betriebsratsvorsitzenden stattfand, lehnte die Klägerin es zunächst ab, sich allgemein zum Thema nicht schlüssiger Impfeintragungen zu äußern. Auf die Frage, wie es zu der ersten Impfung schon am 05.03.2021 gekommen sei, als noch die Priorisierung älterer Menschen bestand, antwortete die Klägerin, es sei nicht schwierig gewesen, online die beiden Termine im Impfzentrum in Köln Messe zu buchen. Nach weiteren Nachfragen wurde der Klägerin unter Verweis auf die Chargennummern der Verdacht eröffnet, dass beide Impfeintragungen gefälscht seien. Die Klägerin antwortete, dass sie sich das nicht erklären könne. Sie müsse sich auf die Eintragungen der Impfstelle verlassen. Hinsichtlich des QR-Codes auf ihrem Mobiltelefon erklärte die Klägerin nunmehr, dass sie solche zwar vom Impfzentrum auf A4-Blättern erhalten, diese jedoch aus Datenschutzgründen nicht hochgeladen habe. Sie wisse nicht, ob sie die QR-Codes noch habe. Auf den Vorhalt, dass sie gegen die Weisung, ab dem 01.11.2021 Kundentermine vor Ort nur noch unter Beachtung der 2G-Voraussetzung wahrzunehmen, mehrfach verstoßen habe, beteuerte die Klägerin, geimpft zu sein. Das Gespräch wurde daraufhin unterbrochen. Die Geschäftsführer baten den Betriebsratsvorsitzenden, das Gespräch mit der Klägerin zu suchen. Der gegenüber der Klägerin bestehende Verdacht sei nicht ausgeräumt. Sollte sie ihr Fehlverhalten einräumen, wolle man ihr einen Aufhebungsvertrag und ein gutes Zeugnis anbieten. Nach einer Unterredung zwischen der Klägerin und dem Betriebsratsvorsitzenden blieb die Klägerin bei ihren Aussagen und wollte sich nicht weiter äußern. Sie wurde daraufhin von der Beklagten freigestellt. Die Personalreferentin informierte die Klägerin, dass der Betriebsrat zur fristlosen, hilfsweise fristgerechten Verdachtskündigung angehört und Strafanzeige gestellt werden würde. Im Anschluss informierte die Beklagte den Betriebsratsvorsitzenden, dass sie den Betriebsrat zur Kündigung noch am gleichen Tag anhören werde. Am frühen Abend informierte sie den Betriebsrat telefonisch und stellte ihm ihre Erkenntnisse und Überlegungen einschließlich der Interessenabwägung dar. Der Zugang einer schriftlichen Anhörung ist streitig. Am 13.12.2021 gab der Betriebsrat gegenüber der Beklagten eine Stellungnahme zur beabsichtigten Kündigung ab. Mit Schreiben vom 13.12.2021, der Klägerin am 15.12.2021 zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zur Klägerin fristlos, hilfsweise fristgerecht. 7Mit ihrer am 17.12.2021 bei Gericht eingegangenen Klage setzt sich die Klägerin gegen die Kündigung zur Wehr. 8Sie behauptet, sie habe sich vor jedem Betriebsbesuch durch das hierfür geschulte Personal der Beklagten testen lassen und sich auch vor jedem Außentermin selbst – jeweils mit negativem Ergebnis – auf eine COVID-19-Infektion getestet. 9Sie ist der Auffassung, dass es für die Kündigung an einem Kündigungsgrund fehle. Aus Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten sei – auch angesichts der bis dahin störungs- und abmahnungsfreien Zusammenarbeit - eine Abmahnung vorrangig vor einer Kündigung auszusprechen gewesen. Die Beklagte habe unklare und diffuse Weisungen erteilt, weil sie z.B. in der Email vom 22.11.2021 nur vom Arbeitsplatz gesprochen und offen gelassen habe, ob es sich hierbei nur um Arbeitsplätze im Innendienst oder auch um solche im Außendienst gehandelt habe. Es sei zu ihren Gunsten davon auszugehen, dass sie sich bei Vorlage ihres Impfausweises am 03.12.2021 der Strafbarkeit der Vorlage eines Gesundheitszeugnisses mit gefälschten Eintragungen nicht bewusst gewesen sei. Dann ermangele es auch an jeglichem Vorsatz hinsichtlich einer strafbaren Handlung. Da die Beklagte ihr gelegentlich der Anhörung noch ein gutes Zeugnis im Falle eines Geständnisses angeboten habe, verstoße es gegen das Maßregelungsverbot, stattdessen nunmehr nichtmals die Kündigungsfrist einzuhalten. Sowohl die Aufforderung der Beklagten, den Impfausweis vorzulegen, als auch die Verwertung der dort enthaltenen Daten sei zudem unzulässig gewesen. Da die Aufforderung zur Vorlage eines 2G-Nachweises am 23.11.2021, und somit einen Tag vor Inkrafttreten der Neufassung des § 28b Abs. 3 IfSG erfolgt sei, erweise sich sowohl die Aufforderung zur Vorlage des Nachweises als auch die Verarbeitung der enthaltenen Daten als unberechtigt. Danach habe die Beklagte ohne konkreten Verdacht ins Blaue hinein durch die Chargenabfrage Daten verwertet und erhoben. Hierzu sei sie nicht berechtigt gewesen, weshalb die eingeholten Auskünfte einem Beweisverwertungsverbot unterlägen. Die für eine Verdachtskündigung notwendige Anhörung habe die Beklagte nicht ordnungsgemäß durchgeführt, da sie ihr nicht vorab sämtliche Verdachtsmomente mitgeteilt habe. Auch sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden. 10Die Klägerin beantragt: 111. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 13. Dezember 2021 nicht aufgelöst worden ist und nicht aufgelöst wird. 122. Die Beklagte wird verurteilt, die klägerische Partei zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Fachberaterin am Standort K bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen. 13Die Beklagte beantragt, 14die Klage abzuweisen. 15Sie behauptet, den Mitarbeitern sei in der Institutskonferenz am 04.10.2021 auch mitgeteilt worden, dass Mitarbeiter ohne vollständigen Impfschutz ab dem 01.11.2021 ihre Kunden nicht mehr vor Ort besuchen, sondern stattdessen auf virtuelle Kommunikationsformen ausweichen sollten. Den Mitarbeitern sei hinsichtlich der Durchführung von Präsenzveranstaltungen die eigenverantwortliche Entscheidung eröffnet worden. Mitarbeiter, die keine Angaben zu ihrem Impfstatus machen wollten, hätten ebenso wie Mitarbeiter die angaben, noch nicht vollständig geimpft zu sein, ab dem 01.11.2021 ihre Beratertätigkeit telefonisch oder per virtueller Konferenz durchführen sollen. Ihr Teamleiter, ……., habe die Klägerin im Gespräch am 04. oder 05.11.2021 gefragt, ob sie die 2-G-Voraussetzung erfülle oder ab dem 01.11.2021 auf virtuelle Formate ausweichen werde. 16Die angeblich frühe Erstimpfung der Klägerin sei ihr nicht schlüssig erschienen, da zu diesem Zeitpunkt noch ältere Menschen bei Impfungen priorisiert worden seien. Durch die eigens für die Überprüfung von Impfnachweisen eingerichtete Hotline der Bundespolizei sei die Personalreferentin an die Kriminalpolizei Köln verwiesen worden, welche ihr telefonisch mitteilt habe, dass die für die Erst-Impfung der Klägerin am 05.03.2021 im Impfausweis ausgewiesene Impfstoff-Charge erst im Zeitraum 10.05.2021 bis 23.09.2021 verimpft worden sei. Die für die zweite Impfung am 28.05.2021 angegebene Impfstoff-Charge sei erst ab dem 31.05.2021 verimpft worden. Am 10.12.2021 gegen 20 Uhr habe sie dem Betriebsratsvorsitzenden die als Anlage …..vorgelegte schriftliche Betriebsratsanhörung zur beabsichtigten außerordentlichen Verdachtskündigung, hilfsweise ordentlichen Kündigung per Email übersandt. 17Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Kündigung als außerordentliche, hilfsweise ordentliche (Verdachts-) Kündigung gerechtfertigt sei. Aufgrund der ermittelten Tatsachen sei davon auszugehen, dass die Klägerin ihr einen Impfausweis mit gefälschten Eintragungen vorgelegt habe. Damit habe die Klägerin sich nicht nur des Gebrauchs unrichtiger Gesundheitszeugnisse gemäß § 279 StGB strafbar gemacht, sondern auch gegen ihre vertraglichen Pflichten verstoßen. Sie habe weisungswidrig Kundenbetriebe aufgesucht, ohne geimpft gewesen zu sein, und habe ihren Vorgesetzten gegenüber wahrheitswidrig erklärt, geimpft zu sein. 18Im Übrigen wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze sowie der Terminsprotokolle Bezug genommen. 19Entscheidungsgründe: 20I. Die - rechtzeitig im Sinne der §§ 4, 7, 13 KSchG - erhobene Kündigungsschutzklage ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die schriftliche Kündigung der Beklagten vom 13.12.2021 mit Zugang am 15.12.2021 aufgelöst worden. 211. Die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 13.12.2021 ist durch einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt. 22a) Nach dieser Norm kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist (nur) dann gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (vgl. nur BAG, Urteil vom 16. Juli 2015 – 2 AZR 85/15 –, Rn. 21, juris). 23b) Diese Voraussetzungen für die Rechtfertigung der streitgegenständlichen Kündigung sind erfüllt. 24aa) Die Klägerin hat in schwerwiegender Weise ihre gegenüber ihrer Arbeitgeberin bestehenden vertraglichen Nebenpflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) verletzt und damit einen „an sich“ als Grund für eine außerordentliche Kündigung geeignete Pflichtverletzung begangen. 25(1) Die Klägerin war im Zeitraum ihrer Kundenbesuche zwischen dem 05.11. und dem 08.12.2021 und bei Vorlage ihres Impfausweises bei der Beklagten am 03.12.2021 nicht gegen COVID-19 geimpft. Die Eintragungen in ihrem der Beklagten am 03.12.2021 vorgelegten Impfpass zu den beiden COVID-19-Impfungen am 05.03.2021 und 28.05.2021 (vgl. Anlage …….) waren inhaltlich unzutreffend. Den entsprechenden Vorwurf hat die Klägerin nicht prozessual wirksam bestritten (§ 46 Abs. 2 ArbGG iVm. § 138 Abs. 3 ZPO). Die Kammer hat ihr im Termin vom 23.03.2022 hierzu ausreichend Gelegenheit gegeben. 26(2) Der Zugrundelegung des entsprechenden Tatsachenvortrags der Beklagten als unstreitig steht – entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht entgegen, dass die Beklagte das maßgebliche Indiz für die Täuschung der Klägerin widerrechtlich – unter Verletzung des ihr gebührenden Datenschutzes – erlangt hätte. 27(a) Allerdings können Verstöße gegen das Recht auf den durch Art. 8 Abs. 1 GRCh gebotenen Schutz der personenbezogenen Daten bzw. das aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 1 GG abzuleitende Recht auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. November 2010 – 1 BvF 2/05 –, BVerfGE 128, 1-90, Rn. 150 ff. mwN) zu prozessualen Verwertungsverboten führen: 28Für die Rechtslage bis zum Inkrafttreten der unionsrechtlichen Datenschutz-Grundverordnung hat das Bundesarbeitsgericht die Frage prozessualer Verwertungsverbote rein an verfassungsrechtlichen Maßstäben bemessen und – verkürzt - wie folgt beantwortet: 29In Fällen, in denen die dem Sachvortrag einer Partei zugrunde liegende Informations- oder Beweisbeschaffung das allgemeine Persönlichkeitsrecht der anderen Partei verletzt, ohne dass dies durch überwiegende Belange gerechtfertigt ist, kommt ein „verfassungsrechtliches Verwertungsverbot“ in Betracht. Obwohl der Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG es im Zivilprozess grundsätzlich gebietet, den Sachvortrag der Parteien und die von ihnen angebotenen Beweise zu berücksichtigen, kann dann eine Verwertung durch das Gericht unzulässig sein, wenn dies wegen einer grundrechtlich geschützten Position einer Prozesspartei zwingend geboten ist. Dies ist dann der Fall, wenn die prozessuale Verwertung der Erkenntnis oder des Beweismittels selbst einen Grundrechtsverstoß darstellen würde und das nach Art. 1 Abs. 3 GG unmittelbar an die Grundrechte gebundene Gericht ohne Rechtfertigung in eine verfassungsrechtlich geschützte Position einer Prozesspartei eingriffe, indem es eine Persönlichkeitsrechtsverletzung durch einen Privaten perpetuierte oder vertiefte. Insofern kommt die Funktion der Grundrechte als Abwehrrechte gegen den Staat zum Tragen. Auf eine nicht gerechtfertigte Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts durch einen Privaten darf kein verfassungswidriger Grundrechtseingriff durch ein Staatsorgan „aufgesattelt“ werden (st. Rspr., vgl. nur BAG, Urteil vom 28. März 2019 – 8 AZR 421/17 –, Rn. 28, juris mwN). 30Ein verfassungsrechtlich gebotenes Verbot der Verwertung von Sachvortrag und Beweismitteln hat Auswirkungen auf die Geständnisfiktion des § 138 Abs. 3 ZPO und damit auf die Einordung eines Sachvortrags als streitig oder unstreitig. Sieht eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer von einem - ggf. wahrheitswidrigen - Bestreiten des gegnerischen Sachvortrags ab, bewirkt ein Sachvortragsverwertungsverbot, dass das inkriminierte Vorbringen des Arbeitgebers gleichwohl als bestritten zu behandeln ist (BAG, Urteil vom 23. August 2018 – 2 AZR 133/18 –, BAGE 163, 239-256, Rn. 16). 31Ob eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Gestalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung vorlag oder nicht, hat das Bundesarbeitsgericht danach beurteilt, ob die zu verwertenden Daten unter Verstoß gegen die einfachgesetzlichen Datenschutzvorschriften erlangt wurden oder nicht. Diese Bestimmungen (des BDSG aF) konkretisierten und aktualisierten für den Einzelnen den Schutz seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Sei die betreffende Maßnahme nach den Vorschriften des BDSG aF zulässig gewesen, läge keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Gestalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung vor. Ein Verwertungsverbot scheide von vornherein aus. Nur dann, wenn die fragliche Maßnahme nach diesen Bestimmungen nicht erlaubt gewesen sei, müsse gesondert geprüft werden, ob die Verwertung gewonnener Erkenntnisse im Prozess einen Grundrechtsverstoß durch das Gericht darstellen würde (vgl. BAG, Urteil vom 23. August 2018 – 2 AZR 133/18 –, BAGE 163, 239-256, Rn. 15 mwN). 32(b) An diesen Bewertungsmaßstäben hat sich durch das Inkrafttreten der unmittelbar geltenden Datenschutzgrundverordnung (Art. 288 Abs. 2 AEUV) am 25.05.2018 keine wesentliche Änderung ergeben. Die Frage der Verwertbarkeit datenschutzwidrig erlangter Informationen richtet sich nach den Bestimmungen der Verordnung. Dabei enthält die DS-GVO kein vorbehaltloses Verbot der gerichtlichen Verwertung unrechtmäßig erlangter Daten (Arg. e Art. 17 Abs. 3 lit. e DS-GVO). Die Datenverarbeitung hat dem einschlägigen Erlaubnistatbestand nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. e, Abs. 3 S. 1 lit. b DS-GVO iVm. § 3 BDSG zu genügen. Danach ist die Verwertung des Sachvortrags durch das Gericht zulässig, wenn dies zur Erfüllung seiner hoheitlichen Aufgaben erforderlich ist. Im Rahmen der danach vorzunehmenden umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung unter Abwägung der aus Art. 7 und Art. 8 GRCh bzw. Art. 2 Abs. 1 iVm. 1 Abs. 1 GG folgenden Rechte besteht Raum und Relevanz für die auch nach der bisherigen Rechtsprechung vorgenommene datenschutzrechtliche Vorprüfung der außerprozessualen Erkenntnisgewinnung (vgl. BAG, Urteil vom 23. August 2018 – 2 AZR 133/18 –, BAGE 163, 239-256, Rn. 47; Schindler DRiZ 2021, 370, 373; Frank/Heine, BB 2021, 884, 885; Tiedemann, ZD 2019, 230, 231). 33(c) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze erweist sich der Vortrag der Beklagten als verwertbar. Die von der Beklagten vorgenommene Verarbeitung der Gesundheitsdaten der Klägerin war durch Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. c DS-GVO iVm. § 28b Abs. 3 Satz 3 IfSG in der vom 24.11. bis 11.12.2021 geltenden Fassung (aF) gedeckt und damit rechtmäßig. 34Unabhängig vom Vorliegen einer Einwilligung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. a DS-GVO war die Beklagte am 03.12.2021 berechtigt, den Impfstatus der Klägerin zu dokumentieren. Denn nach § 28b Abs. 3 Satz 1 IfSG aF war sie ab dem 24.11.2021 - das Datum der Mitarbeiterinformation hierzu (22.11.2021) ist insoweit ebenso irrelevant wie die von der Klägerin beklagte Uneindeutigkeit des entsprechenden Rund-Schreibens -gesetzlich verpflichtet, die Einhaltung der nach § 28b Abs. 1 Satz 1 IfSG aF geltenden 3-G-Zutrittsbeschränkung zum Betrieb zu überwachen und zu dokumentieren. Nach § 28b Abs. 3 Satz 3 IfSG aF war ihr zu diesem Zweck die Verarbeitung der personenbezogene Daten der Mitarbeiter einschließlich der Daten zum Impfstatus erlaubt. Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin den Impfausweis nicht zum Nachweis der Zutrittsvoraussetzungen nach § 28b Abs. 1 Satz 1 IfSG aF vorgelegt hätte. Jedenfalls konnte die Beklagte nicht davon ausgehen, dass sie trotz ihres positiven Impfstatus die Einhaltung der 3-G-Regel durch eine Testung (über-) erfüllen wollte. Dass die Nachweis-Vorlage auch der Kontrolle der Einhaltung der 2-G-Vorgabe für die von der Klägerin weiterhin durchgeführten Kunden-Präsenztermine dienen konnte, würde zusätzlich eine Rechtfertigung nach § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG bedeuten. 35In Erfüllung der aus § 28b Abs. 3 Satz 1 IfSG aF folgenden Kontroll-Verpflichtung war die Beklagte nach Abs. 3 Satz 3 auch zur Verarbeitung durch Abgleich mit den öffentlich erhältlichen Daten der Chargenabfrage – welche selbst keine personenbezogenen Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DS-GVO bzw. des BDSG § 46 Nr. 1 BDSG enthielt - berechtigt. Nur so konnte die Beklagte mangels Vorlage des QR-Codes sicherstellen, dass tatsächlich der behauptete Impfstatus gegeben war. 36Es kann dahinstehen, ob aufgrund des frühen Erst-Impftermins der Klägerin eine Rechtfertigung der Datenverarbeitung auch nach § 26 Abs. 1 Satz 2 BDSG bestand. 37(d) Selbst wenn man den Abgleich der Daten aus dem Impfausweis der Klägerin mit den Daten aus der Chargenabfrage als nicht von den datenschutzrechtlichen Bestimmungen gedeckt ansehen wollte, wäre die Verwertung des darauf basierenden Sachvortrags im vorliegenden Kündigungsschutzverfahren nach Auffassung der Kammer zulässig: 38Die Beeinträchtigung des Rechts der Klägerin auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten tritt angesichts der hohen Bedeutung der Verpflichtung ihrer Arbeitgeberin auf Kontrolle der gesetzlichen Infektionsschutzvorgaben zurück: Ein Arbeitnehmer, der seinem Arbeitgeber zum Nachweis der Einhaltung gesetzlicher oder auch vertraglich verbindlich gesetzter Infektionsschutzregeln eine unrichtige Urkunde vorlegt, ist bezogen auf die darin enthaltenen - unzutreffenden – personenbezogenen Daten nicht derart schutzwürdig, dass die staatlichen Gerichte an der Verwertung der durch die Datenverarbeitung gewonnenen Erkenntnisse gehindert wären. Das folgt aus der Wertung des Gesetzgebers, der im Zeitpunkt der Datenverarbeitung bereits die Vorlage unrichtiger Gesundheitszeugnisse in § 279 StGB unter Strafe gestellt und diesen Straftatbestand als Offizialdelikt ausgestaltet hatte. Mit Blick auf die durch den Gebrauch des unrichtigen Impfpasses folgende Gefährdung der Allgemeinheit und die geringe Eingriffsintensität in Bezug auf unrichtige Gesundheitsdaten wäre ein prozessuales Verwertungsverbot nicht gerechtfertigt. 39(3) Die Handlungen der Klägerin stellen sich als schwerwiegende vertragliche (Neben-) Pflichtverletzungen (§ 241 Abs. 2 BGB) dar. 40(a) Entgegen der legitimen Weisung der Beklagten hat sie zwischen dem 05.11. und dem 08.12.2021 in neun Fällen ohne 2-G-Schutz Außentermine bei Kunden in Präsenz wahrgenommen. Damit hat die Klägerin pflichtwidrig einerseits die dortigen Beschäftigten, mit denen sie in Kontakt getreten ist, wie auch sich selbst einem vermeidbaren Gesundheitsrisiko ausgesetzt und andererseits die Geschäftsinteressen der Beklagten dadurch verletzt, dass sie ihre Arbeitgeberin dem Risiko eines massiven Vertrauensverlusts bei den Kunden ausgesetzt hat. 41Unabhängig von den jeweiligen zwingenden gesetzlichen Vorgaben zum Infektionsschutz stand es in der freien Entscheidung der Beklagten, zum Schutz der eigenen Mitarbeiter und von dritten Personen in den Kundenunternehmen für Präsenztermine eine 2-G-Anordnung zu treffen. Diese Unternehmerentscheidung ist durch Art. 14 Abs. 1 GG gedeckt, angesichts der bestehenden Infektionsrisiken insbesondere weder willkürlich noch diskriminierend. Das Persönlichkeits- und Beschäftigungsinteresse der Klägerin (Artt. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG) ist dadurch nicht in unverhältnismäßiger Weise betroffen: Es lag alleine in ihrer Entscheidungsgewalt, ob sie sich impfen lassen wollte oder nicht. Unverhältnismäßige Auswirkungen auf ihr Interesse an einer vertragsgemäßen Beschäftigung sind nicht erkennbar, da sie ohne weiteres auch weiterhin über Telekommunikation mit den Kunden in Verbindung treten konnte, wie es für den Großteil der Arbeitswelt zu diesem Zeitpunkt selbstverständlich war. Die Beklagte hatte die Durchführung von Präsenzveranstaltungen in die Eigenverantwortung der Mitarbeiter gestellt. Mitarbeiter, die keine Angaben zu ihrem Impfstatus machen wollten, konnten ebenso wie Mitarbeiter, die angaben, noch nicht vollständig geimpft zu sein, ab dem 01.11.2021 ihre Beratertätigkeit telefonisch oder per virtueller Konferenz durchführen. Die Erklärung der Klägerin zu dem entsprechenden Vortrag der Beklagten mit Nichtwissen war unbeachtlich (§ 46 Abs. 2 ArbGG iVm. § 138 Abs. 4 ZPO), da diese Verlautbarungen der Beklagten in der Institutskonferenz vom 04.10.2021 Gegenstand der eigenen Wahrnehmung der anwesenden Klägerin gewesen sein müssen. 42Die Missachtung der 2-G-Regel im Präsenzkontakt zu Kunden erfolgte nicht nur weisungswidrig, sondern stellte auch eine erhebliche Verletzung der Verpflichtung der Klägerin zur Wahrung der Interessen der Beklagten dar. Der Arbeitnehmer hat seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben billigerweise verlangt werden kann (vgl. BAG, Urteil vom 25. April 2018 – 2 AZR 611/17 –, Rn. 44, juris). Aus dieser Interessenwahrungspflicht folgt insbesondere die Pflicht des Arbeitnehmers, in den Grenzen seiner Möglichkeiten und der Zumutbarkeit einen dem Betrieb oder den anderen Arbeitnehmern des Betriebs drohenden Schaden zu verhindern. Dies gilt in gesteigertem Maße bei erheblichen Gesundheitsgefahren (ArbG Düsseldorf, Urteil vom 18. Februar 2022 – 11 Ca 5388/21 –, Rn. 24, juris mwN). Insbesondere durch die Wahrnehmung von Präsenzterminen auch in Pflegeeinrichtungen unter Vorspiegelung eines nicht vorhandenen Impfschutzes hat die Klägerin schwerwiegend gegen die ihr zumutbare Verpflichtung zur bestmöglichen Bewahrung der Kunden der Beklagten vor einer Infektion verstoßen (vgl. die Wertung bei ArbG Düsseldorf, Urteil vom 18. Februar 2022 – 11 Ca 5388/21 –, Rn. 28 unter Hinweis auf die Bußgeldvorschrift des § 73 Abs. 1a Nr. 11d IfSG aF). 43(b) Schließlich hat die Klägerin dadurch flagrant pflichtwidrig gehandelt, dass sie der Beklagten am 03.12.2021 einen Impfnachweis in dem Wissen vorlegte, dass die darin enthaltenen Angaben unzutreffend sind (vgl. wiederum die Wertung bei: ArbG Düsseldorf, Urteil vom 18. Februar 2022 – 11 Ca 5388/21 –, Rn. 20, juris). Damit hat sie ihre Arbeitgeberin in einem die Durchführung des Arbeitsverhältnisses betreffenden, wesentlichen Punkt zu täuschen versucht. Der Umstand, dass sie entgegen der Angaben in ihrem Impfpass keine COVID-19-Impfung erhalten hat, kann ihr nach Auffassung der Kammer nicht verborgen geblieben sein. Versucht eine Arbeitnehmerin, gefälschte Nachweise zu nutzen, belegt sie damit, dass sie bereit ist, alle Arbeitnehmer, mit denen sie in Kontakt kommt, vorsätzlich in ihrer Gesundheit zu gefährden (Kleinebrink, DB 2022, 392, 397). 44Entgegen der Auffassung der Klägerin entfällt die Pflichtwidrigkeit der Täuschung nicht deshalb, weil sie am 03.12.2021 aufgrund des im Hause der Beklagten von ihr durchgeführten Corona-Tests nicht zu einer Vorlage eines Impfnachweises verpflichtet war. Denn einerseits ist schon nicht ersichtlich, dass die Vorlage nicht in Erfüllung der aus § 241 Abs. 2 BGB iVm. § 28b Abs. 1 Satz 1 IfSG aF folgenden Nachweis-Verpflichtung erfolgte und andererseits bestand angesichts ihrer zuvor gegenüber ihrem Teamleiter ……..getätigten Versicherung, sie habe vollen Impfschutz, so dass sie Kundenbesuche auch in Präsenz absolvieren könne, ein legitimes Interesse der Beklagten an der Kontrolle dieser Angabe. Auch insoweit war die Klägerin gemäß § 241 Abs. 2 BGB zum Nachweis verpflichtet. 45bb) Aufgrund der unter aa) dargestellten schweren Pflichtverletzungen der Klägerin war der Beklagten bei Kündigungsausspruch ein weiteres Festhalten am Arbeitsverhältnis – auch nur bis zum Auslaufen der ordentlichen Kündigungsfrist – unzumutbar. 46Dadurch, dass die Klägerin ihre unwahre Behauptung vollständigen Impfschutzes gegenüber der Personalreferentin am 03.12.2021 durch Vorlage eines falschen Impfnachweises zu belegen versucht hat, hat sie das für eine auch nur befristete Fortführung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen verwirkt. Ihr war bekannt, dass angesichts des Geschäftsfeldes der Beklagten und der besonderen Vulnerabilität von Pflegeeinrichtungen (vgl. nur Gesetzesbegründung in BT-Drs. 20/188 S. 1) der Anordnung des 2-G-Schutzes für Präsenzkontakte überragende Bedeutung zukam. Ins Gewicht fallende persönliche Nachteile hatte sie selbst bei Beachtung des Infektionsschutzkonzepts der Beklagten dagegen nicht zu besorgen. Ungeachtet der gesetzlichen Neuregelung in §§ 277 ff. StGB hat sie zudem durch die Vorlage einer zum Nachweis des Imfpstatus geeigneten Urkunde gezeigt, dass sie vor einer Täuschung im Rechtsverkehr nicht zurückschreckt. Aus der besonderen Gewichtigkeit des Vertrauensbruchs folgt, dass der Ausspruch einer Abmahnung der Beklagten keine ausreichende Gewähr für die zukünftige Rechts- und Pflichtentreue der Klägerin geboten hätte (vgl. zum grds. Vorrang einer Abmahnung nur: BAG, Urteil vom 13. Dezember 2018 – 2 AZR 370/18 –, Rn. 30, juris). 47Dabei hat die Kammer durchaus bedacht, dass es sich bei der Frage der Impfung um eine – freie - persönliche Entscheidung und um eine Thematik handelt, welche nicht unmaßgebliche Teile der Gesellschaft derzeit erkennbar subjektiv und teilweise auch objektiv in große Bedrängnis bringt. Allerdings handelt es sich bei dem fortgesetzten Täuschungsverhalten der Klägerin nicht um ein Augenblicksversagen. Ein unter verständigen Parteien erwartbares Einlenken und Bedauern hat die Klägerin auch anlässlich ihrer Anhörung vor Kündigungsausspruch nicht gezeigt. Aus Sicht eines verständigen Arbeitgebers konnte im Kündigungszeitpunkt auch nicht mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden, dass sich die fehlende Vertrauenswürdigkeit der Klägerin punktuell nur auf die Frage des Impfstatus‘ beschränkte und anderweitige Fehlverhalten bzw. Vertrauensbrüche nicht zu erwarten waren. Dass die Klägerin aus einer subjektiv verzweifelten und aufgrund der pandemischen Situation einzigartigen Notlage heraus gehandelt hätte, war (und ist) schon nicht ersichtlich. 48Eine besondere Schutzbedürftigkeit der Klägerin folgt weder aus ihrem Alter noch aus einer besonders langen Dauer des Arbeitsverhältnisses. Ihre bis dahin guten Leistungen für die Beklagte vermögen kein Gegengewicht zu dem erfolgten Vertrauensverlust zu bieten. 49Angesichts der hohen kriminelle Energie, welche die Klägerin bei der Vorlage des falschen Impfnachweises gezeigt hat einerseits und der Rücksichtlosigkeit gegenüber den wirtschaftlichen und moralischen Interessen des Arbeitgebers sowie den besonders gewichtigen gesundheitlichen Interessen auf Kundenseite andererseits konnte aus Sicht eines verständigen Arbeitgebers nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die Klägerin seinen berechtigten Interessen in Zukunft auch für die nur befristete Vertragsfortführung bis zum Auslauf der Kündigungsfrist - zumindest in allen wesentlichen Punkten - Beachtung schenken würde. 50cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist nicht entscheidend, dass die Beklagte sich zur Rechtfertigung der Kündigung (auch) auf den entsprechenden Verdacht gestützt hat. Selbst wenn sie als Kündigungsgrund ausschließlich auf den Verdacht der vorsätzlichen Täuschung abgestellt hätte – was die Kammer so nicht verstanden hat – stünde dies einer Bewertung der Kündigung als gerechtfertigt im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB aufgrund der erwiesenen Tat nicht entgegen (st. Rspr. – vgl. nur BAG, Urteil vom 21. November 2013 – 2 AZR 797/11 –, BAGE 146, 303-322, Rn. 39 mwN; LAG Hamm [Westfalen], Urteil vom 24. Oktober 2019 – 17 Sa 1038/18 –, Rn. 63, juris). 51dd) Auf die Rechtfertigung der Kündigung (auch) als Verdachtskündigung kommt es nach alledem nicht an. 522. Die Beklagte hat mit ihrer der Klägerin am 15.12.2021 zugestellten Kündigung die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Kenntnis von den zur Rechtfertigung herangezogenen Pflichtverletzungen hat sie am 03.12.2021 erlangt. 533. Dem Anhörungserfordernis nach § 102 Abs. 1 BetrVG hat die Beklagte vor Ausspruch der Kündigung genügt. Die Kammer konnte dahinstehen lassen, ob dem Betriebsratsvorsitzenden am 03.12.2021 die als Anlage ….. zur Klageerwiderung (Bl. 106 ff. d.A.) vorgelegte schriftliche Anhörung per Email zugegangen ist. Jedenfalls hat die Beklagte den Vorsitzenden nach ihrem unwidersprochenen Vortrag entsprechend ihrer Ankündigung zur Anhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG mündlich am 10.12.2021 über ihre Kündigungsabsicht und den Kündigungssachverhalt einschließlich ihrer Interessenabwägung informiert. Dieser war zudem aufgrund seiner Teilnahme an der Anhörung der Klägerin mit dem Sachverhalt vertraut. 544. Ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot (§ 612a BGB) ist nicht ersichtlich. Die Beklagte hat die Kündigung offensichtlich nicht wegen der klägerischen Ablehnung des Angebots auf Aufhebung des Arbeitsvertrags, sondern wegen der beschriebenen flagranten Pflichtverletzungen gekündigt. 55II. Der Weiterbeschäftigungsantrag ist nicht zur Entscheidung angefallen. Der Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung während eines Kündigungsschutzverfahrens ist regelmäßig als unechter Hilfsantrag für den Fall des Obsiegens mit dem Bestandsschutzantrag zu verstehen (BAG, Urteil vom 07. Mai 2020 – 2 AZR 692/19 –, Rn. 62, juris). Die Ausführungen der Klägerin im vorliegenden Fall geben keinen Anlass zu einem anderen Verständnis. 56III. Die Klägerin hat nach § 46 Abs. 2 ArbGG iVm. § 91 Abs. 1 ZPO als unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 57IV. Der Streitwert war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen und ist mit einem Bruttoquartalsgehalt der Klägerin bemessen (vgl. § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG).
1. die klage wird abgewiesen. 2. die klägerin trägt die kosten des rechtsstreits. 3. der streitwert beträgt 15.224,58 €. 1
2die parteien streiten über die wirksamkeit einer fristlosen kündigung ihres arbeitsverhältnisses durch die beklagte und die weiterbeschäftigung der klägerin. 3die ….-jährige klägerin war seit dem 01.10.2016 als fachbearbeiterin bei der beklagten zu einem monatlichen bruttoarbeitsentgelt in höhe von 5.074,86 eur beschäftigt. die vertragliche kündigungsfrist betrug sechs wochen zum quartalsende. im beschäftigungsbetrieb waren mehr als zehn mitarbeiter in vollzeit beschäftigt. die beklagte arbeitgeberin erbringt leistungen der betrieblichen gesundheitsförderung in form von individueller beratung von unternehmen und auf sie zugeschnittenen maßnahmen. die klägerin betreute solche maßnahmen der betrieblichen gesundheitsförderung bei kundenunternehmen, insbesondere auch in pflegeeinrichtungen. hierzu suchte sie die unternehmen auf und stand im unmittelbaren kontakt mit deren mitarbeitern. sie war einem achtköpfigen team unter leitung des teamleiters …… zugeordnet. bereits in februar 2020 war die beklagte durch die infektion eines mitarbeiters massiv von der corona-pandemie betroffen und musste daraufhin mit homeoffice für die mitarbeiter reagieren. es wurden digitale formate mit kunden entwickelt. seit mitte 2021 durften ihre beschäftigten wieder die einrichtungen der pflegebranche besuchen. allen mitarbeitern und ihren familienangehörigen eröffnete die beklagte frühzeitig impfangebote. 4am 04.10.2021 wurden alle mitarbeiter – darunter auch die klägerin – im rahmen einer institutskonferenz darüber informiert, dass ab dem 01.11.2021 nur noch vollständig geimpfte mitarbeiter kundentermine vor ort wahrnehmen dürften. die beklagte bat darum, dass die teamleiter im vertrauensvollen austausch mit ihren teammitgliedern erkunden, welche mitarbeiter die voraussetzungen erfüllen. am 04. oder 05.10.2021 erklärte die klägerin gegenüber ihrem teamleiter, ,,,,,,, sie sei „mittlerweile geimpft“ und zum thema einsatz beim kunden in präsenz wörtlich: „alles safe“. die klägerin setzte danach ihre präsenzbesuche in den kundenunternehmen - darunter auch pflegeeinrichtungen für senioren - fort. nach dem 01.11.2021 absolvierte die klägerin neun außentermine, davon vier in seniorenheimen. nach veröffentlichung einer änderung des infektionsschutzgesetzes, wonach ab dem 24.11.2021 der zutritt zum betrieb nur noch mit gültigem 3-g-nachweis zulässig war, informierte die beklagte mit email vom 22.11.2021 (anlage …...) die belegschaft über die entsprechende handhabe im betrieb. ein etwaiger impfnachweis könne durch screenshot des digitalen nachweises oder durch vorlage des impfausweises erfolgen. es wurde darauf hingewiesen, dass eine kopie für die dokumentation gefertigt werden würde. 5die klägerin legte am 03.12.2021 ihren impfausweis bei der personalabteilung der beklagten zur erstellung einer kopie vor. auf nachfrage der personalreferentin, ob sie auch einen qr-impfcode habe, erklärte sie, dass sie ein digitales impfzertifikat nur auf ihrem privaten mobiltelefon gespeichert habe, welches sie aktuell nicht dabei habe. da der beklagten mangels qr-code eine gültigkeitsüberprüfung des impfnachweises mittels der app covpasscheck nicht möglich war, unterzog die personalreferentin die impfausweise von acht mitarbeitern, die (nur) ihren impfpass vorgelegt hatten, einer chargenabfrage. 6am 09.12.2021 lud die beklagte die klägerin für den 10.12.2021 zu einem personalgespräch zum thema „klärung von fragen/unstimmigkeiten zu den impfeinträgen der covid-19-impfung in dem von dir […] vorgelegten impfausweis“ (vgl. anlage …...). im gespräch vom 10.12.2021, welches im beisein des betriebsratsvorsitzenden stattfand, lehnte die klägerin es zunächst ab, sich allgemein zum thema nicht schlüssiger impfeintragungen zu äußern. auf die frage, wie es zu der ersten impfung schon am 05.03.2021 gekommen sei, als noch die priorisierung älterer menschen bestand, antwortete die klägerin, es sei nicht schwierig gewesen, online die beiden termine im impfzentrum in köln messe zu buchen. nach weiteren nachfragen wurde der klägerin unter verweis auf die chargennummern der verdacht eröffnet, dass beide impfeintragungen gefälscht seien. die klägerin antwortete, dass sie sich das nicht erklären könne. sie müsse sich auf die eintragungen der impfstelle verlassen. hinsichtlich des qr-codes auf ihrem mobiltelefon erklärte die klägerin nunmehr, dass sie solche zwar vom impfzentrum auf a4-blättern erhalten, diese jedoch aus datenschutzgründen nicht hochgeladen habe. sie wisse nicht, ob sie die qr-codes noch habe. auf den vorhalt, dass sie gegen die weisung, ab dem 01.11.2021 kundentermine vor ort nur noch unter beachtung der 2g-voraussetzung wahrzunehmen, mehrfach verstoßen habe, beteuerte die klägerin, geimpft zu sein. das gespräch wurde daraufhin unterbrochen. die geschäftsführer baten den betriebsratsvorsitzenden, das gespräch mit der klägerin zu suchen. der gegenüber der klägerin bestehende verdacht sei nicht ausgeräumt. sollte sie ihr fehlverhalten einräumen, wolle man ihr einen aufhebungsvertrag und ein gutes zeugnis anbieten. nach einer unterredung zwischen der klägerin und dem betriebsratsvorsitzenden blieb die klägerin bei ihren aussagen und wollte sich nicht weiter äußern. sie wurde daraufhin von der beklagten freigestellt. die personalreferentin informierte die klägerin, dass der betriebsrat zur fristlosen, hilfsweise fristgerechten verdachtskündigung angehört und strafanzeige gestellt werden würde. im anschluss informierte die beklagte den betriebsratsvorsitzenden, dass sie den betriebsrat zur kündigung noch am gleichen tag anhören werde. am frühen abend informierte sie den betriebsrat telefonisch und stellte ihm ihre erkenntnisse und überlegungen einschließlich der interessenabwägung dar. der zugang einer schriftlichen anhörung ist streitig. am 13.12.2021 gab der betriebsrat gegenüber der beklagten eine stellungnahme zur beabsichtigten kündigung ab. mit schreiben vom 13.12.2021, der klägerin am 15.12.2021 zugegangen, kündigte die beklagte das arbeitsverhältnis zur klägerin fristlos, hilfsweise fristgerecht. 7mit ihrer am 17.12.2021 bei gericht eingegangenen klage setzt sich die klägerin gegen die kündigung zur wehr. 8sie behauptet, sie habe sich vor jedem betriebsbesuch durch das hierfür geschulte personal der beklagten testen lassen und sich auch vor jedem außentermin selbst – jeweils mit negativem ergebnis – auf eine covid-19-infektion getestet. 9sie ist der auffassung, dass es für die kündigung an einem kündigungsgrund fehle. aus verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten sei – auch angesichts der bis dahin störungs- und abmahnungsfreien zusammenarbeit - eine abmahnung vorrangig vor einer kündigung auszusprechen gewesen. die beklagte habe unklare und diffuse weisungen erteilt, weil sie z.b. in der email vom 22.11.2021 nur vom arbeitsplatz gesprochen und offen gelassen habe, ob es sich hierbei nur um arbeitsplätze im innendienst oder auch um solche im außendienst gehandelt habe. es sei zu ihren gunsten davon auszugehen, dass sie sich bei vorlage ihres impfausweises am 03.12.2021 der strafbarkeit der vorlage eines gesundheitszeugnisses mit gefälschten eintragungen nicht bewusst gewesen sei. dann ermangele es auch an jeglichem vorsatz hinsichtlich einer strafbaren handlung. da die beklagte ihr gelegentlich der anhörung noch ein gutes zeugnis im falle eines geständnisses angeboten habe, verstoße es gegen das maßregelungsverbot, stattdessen nunmehr nichtmals die kündigungsfrist einzuhalten. sowohl die aufforderung der beklagten, den impfausweis vorzulegen, als auch die verwertung der dort enthaltenen daten sei zudem unzulässig gewesen. da die aufforderung zur vorlage eines 2g-nachweises am 23.11.2021, und somit einen tag vor inkrafttreten der neufassung des § 28b abs. 3 ifsg erfolgt sei, erweise sich sowohl die aufforderung zur vorlage des nachweises als auch die verarbeitung der enthaltenen daten als unberechtigt. danach habe die beklagte ohne konkreten verdacht ins blaue hinein durch die chargenabfrage daten verwertet und erhoben. hierzu sei sie nicht berechtigt gewesen, weshalb die eingeholten auskünfte einem beweisverwertungsverbot unterlägen. die für eine verdachtskündigung notwendige anhörung habe die beklagte nicht ordnungsgemäß durchgeführt, da sie ihr nicht vorab sämtliche verdachtsmomente mitgeteilt habe. auch sei der betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden. 10die klägerin beantragt: 111. es wird festgestellt, dass das zwischen den parteien bestehende arbeitsverhältnis durch die kündigung der beklagten vom 13. dezember 2021 nicht aufgelöst worden ist und nicht aufgelöst wird. 122. die beklagte wird verurteilt, die klägerische partei zu den bisherigen arbeitsbedingungen als fachberaterin am standort k bis zu einer rechtskräftigen entscheidung über den feststellungsantrag weiter zu beschäftigen. 13die beklagte beantragt, 14die klage abzuweisen. 15sie behauptet, den mitarbeitern sei in der institutskonferenz am 04.10.2021 auch mitgeteilt worden, dass mitarbeiter ohne vollständigen impfschutz ab dem 01.11.2021 ihre kunden nicht mehr vor ort besuchen, sondern stattdessen auf virtuelle kommunikationsformen ausweichen sollten. den mitarbeitern sei hinsichtlich der durchführung von präsenzveranstaltungen die eigenverantwortliche entscheidung eröffnet worden. mitarbeiter, die keine angaben zu ihrem impfstatus machen wollten, hätten ebenso wie mitarbeiter die angaben, noch nicht vollständig geimpft zu sein, ab dem 01.11.2021 ihre beratertätigkeit telefonisch oder per virtueller konferenz durchführen sollen. ihr teamleiter, ……., habe die klägerin im gespräch am 04. oder 05.11.2021 gefragt, ob sie die 2-g-voraussetzung erfülle oder ab dem 01.11.2021 auf virtuelle formate ausweichen werde. 16die angeblich frühe erstimpfung der klägerin sei ihr nicht schlüssig erschienen, da zu diesem zeitpunkt noch ältere menschen bei impfungen priorisiert worden seien. durch die eigens für die überprüfung von impfnachweisen eingerichtete hotline der bundespolizei sei die personalreferentin an die kriminalpolizei köln verwiesen worden, welche ihr telefonisch mitteilt habe, dass die für die erst-impfung der klägerin am 05.03.2021 im impfausweis ausgewiesene impfstoff-charge erst im zeitraum 10.05.2021 bis 23.09.2021 verimpft worden sei. die für die zweite impfung am 28.05.2021 angegebene impfstoff-charge sei erst ab dem 31.05.2021 verimpft worden. am 10.12.2021 gegen 20 uhr habe sie dem betriebsratsvorsitzenden die als anlage …..vorgelegte schriftliche betriebsratsanhörung zur beabsichtigten außerordentlichen verdachtskündigung, hilfsweise ordentlichen kündigung per email übersandt. 17die beklagte ist der auffassung, dass die kündigung als außerordentliche, hilfsweise ordentliche (verdachts-) kündigung gerechtfertigt sei. aufgrund der ermittelten tatsachen sei davon auszugehen, dass die klägerin ihr einen impfausweis mit gefälschten eintragungen vorgelegt habe. damit habe die klägerin sich nicht nur des gebrauchs unrichtiger gesundheitszeugnisse gemäß § 279 stgb strafbar gemacht, sondern auch gegen ihre vertraglichen pflichten verstoßen. sie habe weisungswidrig kundenbetriebe aufgesucht, ohne geimpft gewesen zu sein, und habe ihren vorgesetzten gegenüber wahrheitswidrig erklärt, geimpft zu sein. 18im übrigen wird auf den inhalt der wechselseitigen schriftsätze sowie der terminsprotokolle bezug genommen. 19
20i. die - rechtzeitig im sinne der §§ 4, 7, 13 kschg - erhobene kündigungsschutzklage ist unbegründet. das arbeitsverhältnis der parteien ist durch die schriftliche kündigung der beklagten vom 13.12.2021 mit zugang am 15.12.2021 aufgelöst worden. 211. die außerordentliche fristlose kündigung der beklagten vom 13.12.2021 ist durch einen wichtigen grund im sinne von § 626 abs. 1 bgb gerechtfertigt. 22a) nach dieser norm kann das arbeitsverhältnis aus wichtigem grund ohne einhaltung einer kündigungsfrist (nur) dann gekündigt werden, wenn tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem kündigenden unter berücksichtigung aller umstände des einzelfalls und unter abwägung der interessen beider vertragsteile die fortsetzung des arbeitsverhältnisses selbst bis zum ablauf der kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. dabei ist zunächst zu prüfen, ob der sachverhalt ohne seine besonderen umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger grund geeignet ist. alsdann bedarf es der weiteren prüfung, ob dem kündigenden die fortsetzung des arbeitsverhältnisses unter berücksichtigung der konkreten umstände des falls und unter abwägung der interessen beider vertragsteile - jedenfalls bis zum ablauf der kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (vgl. nur bag, urteil vom 16. juli 2015 – 2 azr 85/15 –, rn. 21, juris). 23b) diese voraussetzungen für die rechtfertigung der streitgegenständlichen kündigung sind erfüllt. 24aa) die klägerin hat in schwerwiegender weise ihre gegenüber ihrer arbeitgeberin bestehenden vertraglichen nebenpflichten (§ 241 abs. 2 bgb) verletzt und damit einen „an sich“ als grund für eine außerordentliche kündigung geeignete pflichtverletzung begangen. 25(1) die klägerin war im zeitraum ihrer kundenbesuche zwischen dem 05.11. und dem 08.12.2021 und bei vorlage ihres impfausweises bei der beklagten am 03.12.2021 nicht gegen covid-19 geimpft. die eintragungen in ihrem der beklagten am 03.12.2021 vorgelegten impfpass zu den beiden covid-19-impfungen am 05.03.2021 und 28.05.2021 (vgl. anlage …….) waren inhaltlich unzutreffend. den entsprechenden vorwurf hat die klägerin nicht prozessual wirksam bestritten (§ 46 abs. 2 arbgg ivm. § 138 abs. 3 zpo). die kammer hat ihr im termin vom 23.03.2022 hierzu ausreichend gelegenheit gegeben. 26(2) der zugrundelegung des entsprechenden tatsachenvortrags der beklagten als unstreitig steht – entgegen der auffassung der klägerin - nicht entgegen, dass die beklagte das maßgebliche indiz für die täuschung der klägerin widerrechtlich – unter verletzung des ihr gebührenden datenschutzes – erlangt hätte. 27(a) allerdings können verstöße gegen das recht auf den durch art. 8 abs. 1 grch gebotenen schutz der personenbezogenen daten bzw. das aus art. 2 abs. 1 i. v. m. 1 abs. 1 gg abzuleitende recht auf informationelle selbstbestimmung (vgl. bverfg, urteil vom 24. november 2010 – 1 bvf 2/05 –, bverfge 128, 1-90, rn. 150 ff. mwn) zu prozessualen verwertungsverboten führen: 28für die rechtslage bis zum inkrafttreten der unionsrechtlichen datenschutz-grundverordnung hat das bundesarbeitsgericht die frage prozessualer verwertungsverbote rein an verfassungsrechtlichen maßstäben bemessen und – verkürzt - wie folgt beantwortet: 29in fällen, in denen die dem sachvortrag einer partei zugrunde liegende informations- oder beweisbeschaffung das allgemeine persönlichkeitsrecht der anderen partei verletzt, ohne dass dies durch überwiegende belange gerechtfertigt ist, kommt ein „verfassungsrechtliches verwertungsverbot“ in betracht. obwohl der anspruch auf rechtliches gehör aus art. 103 abs. 1 gg es im zivilprozess grundsätzlich gebietet, den sachvortrag der parteien und die von ihnen angebotenen beweise zu berücksichtigen, kann dann eine verwertung durch das gericht unzulässig sein, wenn dies wegen einer grundrechtlich geschützten position einer prozesspartei zwingend geboten ist. dies ist dann der fall, wenn die prozessuale verwertung der erkenntnis oder des beweismittels selbst einen grundrechtsverstoß darstellen würde und das nach art. 1 abs. 3 gg unmittelbar an die grundrechte gebundene gericht ohne rechtfertigung in eine verfassungsrechtlich geschützte position einer prozesspartei eingriffe, indem es eine persönlichkeitsrechtsverletzung durch einen privaten perpetuierte oder vertiefte. insofern kommt die funktion der grundrechte als abwehrrechte gegen den staat zum tragen. auf eine nicht gerechtfertigte beeinträchtigung des persönlichkeitsrechts durch einen privaten darf kein verfassungswidriger grundrechtseingriff durch ein staatsorgan „aufgesattelt“ werden (st. rspr., vgl. nur bag, urteil vom 28. märz 2019 – 8 azr 421/17 –, rn. 28, juris mwn). 30ein verfassungsrechtlich gebotenes verbot der verwertung von sachvortrag und beweismitteln hat auswirkungen auf die geständnisfiktion des § 138 abs. 3 zpo und damit auf die einordung eines sachvortrags als streitig oder unstreitig. sieht eine arbeitnehmerin oder ein arbeitnehmer von einem - ggf. wahrheitswidrigen - bestreiten des gegnerischen sachvortrags ab, bewirkt ein sachvortragsverwertungsverbot, dass das inkriminierte vorbringen des arbeitgebers gleichwohl als bestritten zu behandeln ist (bag, urteil vom 23. august 2018 – 2 azr 133/18 –, bage 163, 239-256, rn. 16). 31ob eine verletzung des allgemeinen persönlichkeitsrechts in gestalt des rechts auf informationelle selbstbestimmung vorlag oder nicht, hat das bundesarbeitsgericht danach beurteilt, ob die zu verwertenden daten unter verstoß gegen die einfachgesetzlichen datenschutzvorschriften erlangt wurden oder nicht. diese bestimmungen (des bdsg af) konkretisierten und aktualisierten für den einzelnen den schutz seines rechts auf informationelle selbstbestimmung. sei die betreffende maßnahme nach den vorschriften des bdsg af zulässig gewesen, läge keine verletzung des allgemeinen persönlichkeitsrechts in gestalt des rechts auf informationelle selbstbestimmung vor. ein verwertungsverbot scheide von vornherein aus. nur dann, wenn die fragliche maßnahme nach diesen bestimmungen nicht erlaubt gewesen sei, müsse gesondert geprüft werden, ob die verwertung gewonnener erkenntnisse im prozess einen grundrechtsverstoß durch das gericht darstellen würde (vgl. bag, urteil vom 23. august 2018 – 2 azr 133/18 –, bage 163, 239-256, rn. 15 mwn). 32(b) an diesen bewertungsmaßstäben hat sich durch das inkrafttreten der unmittelbar geltenden datenschutzgrundverordnung (art. 288 abs. 2 aeuv) am 25.05.2018 keine wesentliche änderung ergeben. die frage der verwertbarkeit datenschutzwidrig erlangter informationen richtet sich nach den bestimmungen der verordnung. dabei enthält die ds-gvo kein vorbehaltloses verbot der gerichtlichen verwertung unrechtmäßig erlangter daten (arg. e art. 17 abs. 3 lit. e ds-gvo). die datenverarbeitung hat dem einschlägigen erlaubnistatbestand nach art. 6 abs. 1 s. 1 lit. e, abs. 3 s. 1 lit. b ds-gvo ivm. § 3 bdsg zu genügen. danach ist die verwertung des sachvortrags durch das gericht zulässig, wenn dies zur erfüllung seiner hoheitlichen aufgaben erforderlich ist. im rahmen der danach vorzunehmenden umfassenden verhältnismäßigkeitsprüfung unter abwägung der aus art. 7 und art. 8 grch bzw. art. 2 abs. 1 ivm. 1 abs. 1 gg folgenden rechte besteht raum und relevanz für die auch nach der bisherigen rechtsprechung vorgenommene datenschutzrechtliche vorprüfung der außerprozessualen erkenntnisgewinnung (vgl. bag, urteil vom 23. august 2018 – 2 azr 133/18 –, bage 163, 239-256, rn. 47; schindler driz 2021, 370, 373; frank/heine, bb 2021, 884, 885; tiedemann, zd 2019, 230, 231). 33(c) unter zugrundelegung dieser grundsätze erweist sich der vortrag der beklagten als verwertbar. die von der beklagten vorgenommene verarbeitung der gesundheitsdaten der klägerin war durch art. 6 abs. 1 satz 1 lit. c ds-gvo ivm. § 28b abs. 3 satz 3 ifsg in der vom 24.11. bis 11.12.2021 geltenden fassung (af) gedeckt und damit rechtmäßig. 34unabhängig vom vorliegen einer einwilligung im sinne von art. 6 abs. 1 satz 1 lit. a ds-gvo war die beklagte am 03.12.2021 berechtigt, den impfstatus der klägerin zu dokumentieren. denn nach § 28b abs. 3 satz 1 ifsg af war sie ab dem 24.11.2021 - das datum der mitarbeiterinformation hierzu (22.11.2021) ist insoweit ebenso irrelevant wie die von der klägerin beklagte uneindeutigkeit des entsprechenden rund-schreibens -gesetzlich verpflichtet, die einhaltung der nach § 28b abs. 1 satz 1 ifsg af geltenden 3-g-zutrittsbeschränkung zum betrieb zu überwachen und zu dokumentieren. nach § 28b abs. 3 satz 3 ifsg af war ihr zu diesem zweck die verarbeitung der personenbezogene daten der mitarbeiter einschließlich der daten zum impfstatus erlaubt. es ist nicht ersichtlich, dass die klägerin den impfausweis nicht zum nachweis der zutrittsvoraussetzungen nach § 28b abs. 1 satz 1 ifsg af vorgelegt hätte. jedenfalls konnte die beklagte nicht davon ausgehen, dass sie trotz ihres positiven impfstatus die einhaltung der 3-g-regel durch eine testung (über-) erfüllen wollte. dass die nachweis-vorlage auch der kontrolle der einhaltung der 2-g-vorgabe für die von der klägerin weiterhin durchgeführten kunden-präsenztermine dienen konnte, würde zusätzlich eine rechtfertigung nach § 26 abs. 1 satz 1 bdsg bedeuten. 35in erfüllung der aus § 28b abs. 3 satz 1 ifsg af folgenden kontroll-verpflichtung war die beklagte nach abs. 3 satz 3 auch zur verarbeitung durch abgleich mit den öffentlich erhältlichen daten der chargenabfrage – welche selbst keine personenbezogenen daten im sinne von art. 4 nr. 1 ds-gvo bzw. des bdsg § 46 nr. 1 bdsg enthielt - berechtigt. nur so konnte die beklagte mangels vorlage des qr-codes sicherstellen, dass tatsächlich der behauptete impfstatus gegeben war. 36es kann dahinstehen, ob aufgrund des frühen erst-impftermins der klägerin eine rechtfertigung der datenverarbeitung auch nach § 26 abs. 1 satz 2 bdsg bestand. 37(d) selbst wenn man den abgleich der daten aus dem impfausweis der klägerin mit den daten aus der chargenabfrage als nicht von den datenschutzrechtlichen bestimmungen gedeckt ansehen wollte, wäre die verwertung des darauf basierenden sachvortrags im vorliegenden kündigungsschutzverfahren nach auffassung der kammer zulässig: 38die beeinträchtigung des rechts der klägerin auf schutz ihrer personenbezogenen daten tritt angesichts der hohen bedeutung der verpflichtung ihrer arbeitgeberin auf kontrolle der gesetzlichen infektionsschutzvorgaben zurück: ein arbeitnehmer, der seinem arbeitgeber zum nachweis der einhaltung gesetzlicher oder auch vertraglich verbindlich gesetzter infektionsschutzregeln eine unrichtige urkunde vorlegt, ist bezogen auf die darin enthaltenen - unzutreffenden – personenbezogenen daten nicht derart schutzwürdig, dass die staatlichen gerichte an der verwertung der durch die datenverarbeitung gewonnenen erkenntnisse gehindert wären. das folgt aus der wertung des gesetzgebers, der im zeitpunkt der datenverarbeitung bereits die vorlage unrichtiger gesundheitszeugnisse in § 279 stgb unter strafe gestellt und diesen straftatbestand als offizialdelikt ausgestaltet hatte. mit blick auf die durch den gebrauch des unrichtigen impfpasses folgende gefährdung der allgemeinheit und die geringe eingriffsintensität in bezug auf unrichtige gesundheitsdaten wäre ein prozessuales verwertungsverbot nicht gerechtfertigt. 39(3) die handlungen der klägerin stellen sich als schwerwiegende vertragliche (neben-) pflichtverletzungen (§ 241 abs. 2 bgb) dar. 40(a) entgegen der legitimen weisung der beklagten hat sie zwischen dem 05.11. und dem 08.12.2021 in neun fällen ohne 2-g-schutz außentermine bei kunden in präsenz wahrgenommen. damit hat die klägerin pflichtwidrig einerseits die dortigen beschäftigten, mit denen sie in kontakt getreten ist, wie auch sich selbst einem vermeidbaren gesundheitsrisiko ausgesetzt und andererseits die geschäftsinteressen der beklagten dadurch verletzt, dass sie ihre arbeitgeberin dem risiko eines massiven vertrauensverlusts bei den kunden ausgesetzt hat. 41unabhängig von den jeweiligen zwingenden gesetzlichen vorgaben zum infektionsschutz stand es in der freien entscheidung der beklagten, zum schutz der eigenen mitarbeiter und von dritten personen in den kundenunternehmen für präsenztermine eine 2-g-anordnung zu treffen. diese unternehmerentscheidung ist durch art. 14 abs. 1 gg gedeckt, angesichts der bestehenden infektionsrisiken insbesondere weder willkürlich noch diskriminierend. das persönlichkeits- und beschäftigungsinteresse der klägerin (artt. 2 abs. 1, 12 abs. 1 gg) ist dadurch nicht in unverhältnismäßiger weise betroffen: es lag alleine in ihrer entscheidungsgewalt, ob sie sich impfen lassen wollte oder nicht. unverhältnismäßige auswirkungen auf ihr interesse an einer vertragsgemäßen beschäftigung sind nicht erkennbar, da sie ohne weiteres auch weiterhin über telekommunikation mit den kunden in verbindung treten konnte, wie es für den großteil der arbeitswelt zu diesem zeitpunkt selbstverständlich war. die beklagte hatte die durchführung von präsenzveranstaltungen in die eigenverantwortung der mitarbeiter gestellt. mitarbeiter, die keine angaben zu ihrem impfstatus machen wollten, konnten ebenso wie mitarbeiter, die angaben, noch nicht vollständig geimpft zu sein, ab dem 01.11.2021 ihre beratertätigkeit telefonisch oder per virtueller konferenz durchführen. die erklärung der klägerin zu dem entsprechenden vortrag der beklagten mit nichtwissen war unbeachtlich (§ 46 abs. 2 arbgg ivm. § 138 abs. 4 zpo), da diese verlautbarungen der beklagten in der institutskonferenz vom 04.10.2021 gegenstand der eigenen wahrnehmung der anwesenden klägerin gewesen sein müssen. 42die missachtung der 2-g-regel im präsenzkontakt zu kunden erfolgte nicht nur weisungswidrig, sondern stellte auch eine erhebliche verletzung der verpflichtung der klägerin zur wahrung der interessen der beklagten dar. der arbeitnehmer hat seine verpflichtungen aus dem arbeitsverhältnis so zu erfüllen und die im zusammenhang mit dem arbeitsverhältnis stehenden interessen des arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter berücksichtigung seiner stellung und tätigkeit im betrieb, seiner eigenen interessen und der interessen der anderen arbeitnehmer des betriebs nach treu und glauben billigerweise verlangt werden kann (vgl. bag, urteil vom 25. april 2018 – 2 azr 611/17 –, rn. 44, juris). aus dieser interessenwahrungspflicht folgt insbesondere die pflicht des arbeitnehmers, in den grenzen seiner möglichkeiten und der zumutbarkeit einen dem betrieb oder den anderen arbeitnehmern des betriebs drohenden schaden zu verhindern. dies gilt in gesteigertem maße bei erheblichen gesundheitsgefahren (arbg düsseldorf, urteil vom 18. februar 2022 – 11 ca 5388/21 –, rn. 24, juris mwn). insbesondere durch die wahrnehmung von präsenzterminen auch in pflegeeinrichtungen unter vorspiegelung eines nicht vorhandenen impfschutzes hat die klägerin schwerwiegend gegen die ihr zumutbare verpflichtung zur bestmöglichen bewahrung der kunden der beklagten vor einer infektion verstoßen (vgl. die wertung bei arbg düsseldorf, urteil vom 18. februar 2022 – 11 ca 5388/21 –, rn. 28 unter hinweis auf die bußgeldvorschrift des § 73 abs. 1a nr. 11d ifsg af). 43(b) schließlich hat die klägerin dadurch flagrant pflichtwidrig gehandelt, dass sie der beklagten am 03.12.2021 einen impfnachweis in dem wissen vorlegte, dass die darin enthaltenen angaben unzutreffend sind (vgl. wiederum die wertung bei: arbg düsseldorf, urteil vom 18. februar 2022 – 11 ca 5388/21 –, rn. 20, juris). damit hat sie ihre arbeitgeberin in einem die durchführung des arbeitsverhältnisses betreffenden, wesentlichen punkt zu täuschen versucht. der umstand, dass sie entgegen der angaben in ihrem impfpass keine covid-19-impfung erhalten hat, kann ihr nach auffassung der kammer nicht verborgen geblieben sein. versucht eine arbeitnehmerin, gefälschte nachweise zu nutzen, belegt sie damit, dass sie bereit ist, alle arbeitnehmer, mit denen sie in kontakt kommt, vorsätzlich in ihrer gesundheit zu gefährden (kleinebrink, db 2022, 392, 397). 44entgegen der auffassung der klägerin entfällt die pflichtwidrigkeit der täuschung nicht deshalb, weil sie am 03.12.2021 aufgrund des im hause der beklagten von ihr durchgeführten corona-tests nicht zu einer vorlage eines impfnachweises verpflichtet war. denn einerseits ist schon nicht ersichtlich, dass die vorlage nicht in erfüllung der aus § 241 abs. 2 bgb ivm. § 28b abs. 1 satz 1 ifsg af folgenden nachweis-verpflichtung erfolgte und andererseits bestand angesichts ihrer zuvor gegenüber ihrem teamleiter ……..getätigten versicherung, sie habe vollen impfschutz, so dass sie kundenbesuche auch in präsenz absolvieren könne, ein legitimes interesse der beklagten an der kontrolle dieser angabe. auch insoweit war die klägerin gemäß § 241 abs. 2 bgb zum nachweis verpflichtet. 45bb) aufgrund der unter aa) dargestellten schweren pflichtverletzungen der klägerin war der beklagten bei kündigungsausspruch ein weiteres festhalten am arbeitsverhältnis – auch nur bis zum auslaufen der ordentlichen kündigungsfrist – unzumutbar. 46dadurch, dass die klägerin ihre unwahre behauptung vollständigen impfschutzes gegenüber der personalreferentin am 03.12.2021 durch vorlage eines falschen impfnachweises zu belegen versucht hat, hat sie das für eine auch nur befristete fortführung des arbeitsverhältnisses notwendige vertrauen verwirkt. ihr war bekannt, dass angesichts des geschäftsfeldes der beklagten und der besonderen vulnerabilität von pflegeeinrichtungen (vgl. nur gesetzesbegründung in bt-drs. 20/188 s. 1) der anordnung des 2-g-schutzes für präsenzkontakte überragende bedeutung zukam. ins gewicht fallende persönliche nachteile hatte sie selbst bei beachtung des infektionsschutzkonzepts der beklagten dagegen nicht zu besorgen. ungeachtet der gesetzlichen neuregelung in §§ 277 ff. stgb hat sie zudem durch die vorlage einer zum nachweis des imfpstatus geeigneten urkunde gezeigt, dass sie vor einer täuschung im rechtsverkehr nicht zurückschreckt. aus der besonderen gewichtigkeit des vertrauensbruchs folgt, dass der ausspruch einer abmahnung der beklagten keine ausreichende gewähr für die zukünftige rechts- und pflichtentreue der klägerin geboten hätte (vgl. zum grds. vorrang einer abmahnung nur: bag, urteil vom 13. dezember 2018 – 2 azr 370/18 –, rn. 30, juris). 47dabei hat die kammer durchaus bedacht, dass es sich bei der frage der impfung um eine – freie - persönliche entscheidung und um eine thematik handelt, welche nicht unmaßgebliche teile der gesellschaft derzeit erkennbar subjektiv und teilweise auch objektiv in große bedrängnis bringt. allerdings handelt es sich bei dem fortgesetzten täuschungsverhalten der klägerin nicht um ein augenblicksversagen. ein unter verständigen parteien erwartbares einlenken und bedauern hat die klägerin auch anlässlich ihrer anhörung vor kündigungsausspruch nicht gezeigt. aus sicht eines verständigen arbeitgebers konnte im kündigungszeitpunkt auch nicht mit hinreichender sicherheit davon ausgegangen werden, dass sich die fehlende vertrauenswürdigkeit der klägerin punktuell nur auf die frage des impfstatus‘ beschränkte und anderweitige fehlverhalten bzw. vertrauensbrüche nicht zu erwarten waren. dass die klägerin aus einer subjektiv verzweifelten und aufgrund der pandemischen situation einzigartigen notlage heraus gehandelt hätte, war (und ist) schon nicht ersichtlich. 48eine besondere schutzbedürftigkeit der klägerin folgt weder aus ihrem alter noch aus einer besonders langen dauer des arbeitsverhältnisses. ihre bis dahin guten leistungen für die beklagte vermögen kein gegengewicht zu dem erfolgten vertrauensverlust zu bieten. 49angesichts der hohen kriminelle energie, welche die klägerin bei der vorlage des falschen impfnachweises gezeigt hat einerseits und der rücksichtlosigkeit gegenüber den wirtschaftlichen und moralischen interessen des arbeitgebers sowie den besonders gewichtigen gesundheitlichen interessen auf kundenseite andererseits konnte aus sicht eines verständigen arbeitgebers nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die klägerin seinen berechtigten interessen in zukunft auch für die nur befristete vertragsfortführung bis zum auslauf der kündigungsfrist - zumindest in allen wesentlichen punkten - beachtung schenken würde. 50cc) entgegen der auffassung der klägerin ist nicht entscheidend, dass die beklagte sich zur rechtfertigung der kündigung (auch) auf den entsprechenden verdacht gestützt hat. selbst wenn sie als kündigungsgrund ausschließlich auf den verdacht der vorsätzlichen täuschung abgestellt hätte – was die kammer so nicht verstanden hat – stünde dies einer bewertung der kündigung als gerechtfertigt im sinne von § 626 abs. 1 bgb aufgrund der erwiesenen tat nicht entgegen (st. rspr. – vgl. nur bag, urteil vom 21. november 2013 – 2 azr 797/11 –, bage 146, 303-322, rn. 39 mwn; lag hamm [westfalen], urteil vom 24. oktober 2019 – 17 sa 1038/18 –, rn. 63, juris). 51dd) auf die rechtfertigung der kündigung (auch) als verdachtskündigung kommt es nach alledem nicht an. 522. die beklagte hat mit ihrer der klägerin am 15.12.2021 zugestellten kündigung die zweiwöchige kündigungserklärungsfrist des § 626 abs. 2 bgb gewahrt. kenntnis von den zur rechtfertigung herangezogenen pflichtverletzungen hat sie am 03.12.2021 erlangt. 533. dem anhörungserfordernis nach § 102 abs. 1 betrvg hat die beklagte vor ausspruch der kündigung genügt. die kammer konnte dahinstehen lassen, ob dem betriebsratsvorsitzenden am 03.12.2021 die als anlage ….. zur klageerwiderung (bl. 106 ff. d.a.) vorgelegte schriftliche anhörung per email zugegangen ist. jedenfalls hat die beklagte den vorsitzenden nach ihrem unwidersprochenen vortrag entsprechend ihrer ankündigung zur anhörung nach § 102 abs. 1 betrvg mündlich am 10.12.2021 über ihre kündigungsabsicht und den kündigungssachverhalt einschließlich ihrer interessenabwägung informiert. dieser war zudem aufgrund seiner teilnahme an der anhörung der klägerin mit dem sachverhalt vertraut. 544. ein verstoß gegen das maßregelungsverbot (§ 612a bgb) ist nicht ersichtlich. die beklagte hat die kündigung offensichtlich nicht wegen der klägerischen ablehnung des angebots auf aufhebung des arbeitsvertrags, sondern wegen der beschriebenen flagranten pflichtverletzungen gekündigt. 55ii. der weiterbeschäftigungsantrag ist nicht zur entscheidung angefallen. der antrag auf vorläufige weiterbeschäftigung während eines kündigungsschutzverfahrens ist regelmäßig als unechter hilfsantrag für den fall des obsiegens mit dem bestandsschutzantrag zu verstehen (bag, urteil vom 07. mai 2020 – 2 azr 692/19 –, rn. 62, juris). die ausführungen der klägerin im vorliegenden fall geben keinen anlass zu einem anderen verständnis. 56iii. die klägerin hat nach § 46 abs. 2 arbgg ivm. § 91 abs. 1 zpo als unterliegende partei die kosten des rechtsstreits zu tragen. 57iv. der streitwert war gemäß § 61 abs. 1 arbgg im urteil festzusetzen und ist mit einem bruttoquartalsgehalt der klägerin bemessen (vgl. § 42 abs. 2 satz 1 gkg).
344,745
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8 K 1199/19
2022-03-23T00:00:00
Urteil
Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar, für die Beigeladene allerdings nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Die Klägerin wendet sich gegen die - unter Ersetzung ihres gemeindlichen Einvernehmens - der vormals beigeladenen N. erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die - mittlerweile erfolgte - Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage des Typs ENERCON E-138 EP3 mit einer Nabenhöhe von 131 m und einem Rotordurchmesser von 138,6 m auf dem Grundstück Gemarkung H1. , Flur 00, Flurstück 000 (N1. ). 3Bei dem Vorhabengrundstück handelt es sich um eine Bergehalde, die im Rahmen der bergbaulichen Tätigkeiten im nördlichen Ruhrgebiet aufgeschüttet wurde. Es liegt im räumlichen Geltungsbereich des Landschaftsschutzgebiets Nr. 10 „C. “ des am 7. März 2001 öffentlich bekannt gemachten Landschaftsplans Nr. 4 „H1. “ des Beklagten. Der konkrete Standort der Windenergieanlage befindet sich nach den Angaben, die über das Internetangebot des Landes Nordrhein-Westfalen für amtliche Karten und sonstige amtliche Daten (TIM-online) abgerufen werden können, etwa 98,5 m über Normalnull. 4Die vormals beigeladene N. beantragte bereits im Jahr 2011 eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb von zwei Windenergieanlagen des Typs Repower (nunmehr Senvion) 3.2M114 auf der Halde N1. . Diesen Antrag stellte der Beklagte zunächst aufgrund des in Aufstellung befindlichen Sachlichen Teilflächennutzungsplans „Konzentrationszonen für Windenergieanlagen“ der Klägerin durch Bescheid vom 23. Mai 2012 bis zum 23. November 2012 zurück. Nachdem der Rat der Klägerin den Sachlichen Teilflächennutzungsplan am 6. Dezember 2012 beschlossen und ihn der Bezirksregierung N2. zur Genehmigung vorgelegt hatte, versagte die Klägerin ihr gemeindliches Einvernehmen zu dem vorgenannten Genehmigungsantrag. Unter Verweis hierauf und die damit einhergehende bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit des Vorhabens lehnte der Beklagte die Erteilung der beantragten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung durch Bescheid vom 17. Juni 2013 ab. Nach Versagung der Genehmigung zum vorgenannten Sachlichen Teilflächennutzungsplan durch die Bezirksregierung N2. fasste der Stadtplanungs- und Bauausschuss der Klägerin am 13. März 2014 den Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan Nr. 000, Gebiet: „N1. “, der am 16. April 2014 im Amtsblatt der Klägerin bekanntgemacht wurde. Am 4. Mai 2016 erließ der Rat der Klägerin die Satzung über die Anordnung einer Veränderungssperre für den Bereich des Bebauungsplanes Nr. 000, Gebiet: „N1. “ (im Folgenden: Veränderungssperre), die am 13. Juni 2016 im Amtsblatt der Klägerin veröffentlicht wurde. 5Auf die gegen den Ablehnungsbescheid vom 17. Juni 2013 erhobene Klage der vormals beigeladenen N. verpflichtete die erkennende Kammer den Beklagten durch Urteil vom 11. Mai 2017 ‑ 8 K 2788/14 - den vorgenannten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Zur Begründung verwies die Kammer unter anderem darauf, dass dem Vorhaben die von der Klägerin erlassene Veränderungssperre nicht entgegenstehe. Sie sei bereits unwirksam, weil im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt ihres Erlasses keine hinreichende Konkretisierung der Planungsabsichten durch die Klägerin vorgelegen habe. Unabhängig davon sei im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung der maximal zulässige Geltungszeitraum von drei Jahren gegenüber der vormals beigeladenen N. (faktisch) ausgeschöpft. Gegen dieses Urteil beantragte die Klägerin die Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (8 A 1617/17). Am 9. Mai 2018 beschloss der Rat der Klägerin die Verlängerung der Geltungsdauer der Veränderungssperre um ein Jahr. Die entsprechende Satzung wurde am 8. Juni 2018 im Amtsblatt der Klägerin veröffentlicht. 6Abweichend von ihrem ursprünglichen Genehmigungsantrag beantragte die vormals beigeladene N. unter dem 19. Juli 2018 die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb (nur noch) einer Windenergieanlage des Typs ENERCON E-138 EP3 mit einer Nabenhöhe von 131 m und einem Rotordurchmesser von 138,6 m auf der Halde N1. . Daraufhin erklärten die vormals beigeladene N. als Klägerin im Verfahren 8 K 2788/14 und der Beklagte das Berufungszulassungsverfahren 8 A 1617/17 in der Hauptsache für erledigt. 7Den Antrag der vormals beigeladenen N. übersandte der Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 9. August 2018 unter anderem mit der Bitte um Prüfung, ob das gemeindliche Einvernehmen erteilt werden könne. Er bat ferner um schriftliche Mitteilung, ob die beigefügten Antragsunterlagen aus der Sicht der Klägerin als vollständig anzusehen seien, sowie um Beteiligung der Unteren Denkmalschutzbehörde der Klägerin. Der Beklagte machte ferner darauf aufmerksam, dass den Antragsunterlagen noch keine Sichtbeziehungsstudie zur Beurteilung der optisch bedrängenden Wirkung der Windenergieanlage beigefügt sei. Diese Studie werde derzeit erstellt und übersandt, sobald sie vorliege. 8Mit Schreiben vom 23. August 2018 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass die Antragsunterlagen offensichtlich unvollständig seien. Es fehlten eine Sichtbeziehungsstudie zur Beurteilung der optisch bedrängenden Wirkung, ein avifaunistisches Gutachten und ein geprüfter Standsicherheitsnachweis. Angesichts der Unvollständigkeit der Unterlagen habe die Frist des § 36 Abs. 2 BauGB nicht zu laufen begonnen. Ungeachtet der Unvollständigkeit der Bauvorlagen werde bereits zu diesem Zeitpunkt darauf hingewiesen, dass das gemeindliche Einvernehmen durch die Klägerin nicht erteilt werden könne. Es bestehe eine rechtskräftige Veränderungssperre zur Sicherung der Bauleitplanung; dies sei auch vom Beklagten zu beachten. 9Mit Schreiben vom 30. August 2018, bei der Klägerin eingegangen am 31. August 2018, und vom 17. September 2018, bei der Klägerin eingegangen am 19. September 2018, übersandte der Beklagte der Klägerin die „Artenschutzprüfung“, den „Ordner 2 (Register 15) komplett“ sowie die „Sichtbeziehungsstudie optisch bedrängende Wirkung vom 11.09.2018“. Unter Hinweis darauf, dass mit den am 17. September 2018 übersandten zusätzlichen Unterlagen der Genehmigungsantrag als vollständig anzusehen sei, erinnerte der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 7. November 2018 an die erbetene Stellungnahme und setzte eine Frist bis zum 30. November 2018. 10Mit Schreiben vom 29. November 2018, das inhaltlich identisch ist mit dem Schreiben vom 6. Dezember 2018, wies die Klägerin zunächst darauf hin, dass die Sichtbeziehungsstudie vom 11. September 2018 aus ihrer Sicht fehlerhaft bzw. unvollständig sei, weshalb der Nachweis nicht erbracht sei, dass von dem Vorhaben keine optisch bedrängende Wirkung aus ginge. Zudem führte sie unter Bezugnahme auf die Veränderungssperre (erneut) aus, dass das gemeindliche Einvernehmen nicht erteilt werden könne. 11Die von der Klägerin im Zusammenhang mit der Sichtbeziehungsstudie vom 11. September 2018 vorgebrachten Einwände nahm der Beklagte zum Anlass, am 7. Dezember 2018 eine Ortsbesichtigung durchzuführen, an der neben dem Gutachter auch Vertreter der Klägerin und des Beklagten anwesend waren. Die diesbezügliche schriftliche Stellungnahme der S. vom 14. Dezember 2018 wurde als Nachtrag zur Sichtbeziehungsstudie vom 11. September 2018 zu den Antragsunterlagen gereicht. 12Ausweislich des Gesprächsvermerks des Beklagten vom 25. Januar 2019 war der Genehmigungsantrag der vormals beigeladenen N. Gegenstand einer am 24. Januar 2019 durchgeführten Erörterung zwischen der Klägerin und dem Beklagten, an der unter anderem der seinerzeitige Bürgermeister der Klägerin und der seinerzeitige Landrat des Beklagten teilnahmen. Dabei habe der Beklagte darauf hingewiesen, dass die Klägerin ihr gemeindliches Einvernehmen zu Unrecht verweigert habe und er daher die Ersetzung beabsichtige. Da die diesbezüglichen Argumente „bereits umfangreich ausgetauscht“ seien, werde „nur eine sehr kurze Frist“ zur Anhörung der Klägerin gesetzt. Die Vertreter der Klägerin „signalisierten insoweit Verständnis“. Im Nachgang zu diesem Gespräch hörte der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 24. Januar 2019 zur beabsichtigten Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens an und gab ihr Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 4. Februar 2019. Mit anwaltlichem Schreiben vom 1. Februar 2019 erklärte die Klägerin, sie wolle von ihrem Anhörungsrecht Gebrauch machen, benötige hierfür jedoch noch weitere (im Einzelnen konkret benannte) Unterlagen. Außerdem bat sie um eine angemessene Verlängerung der Frist zur Stellungnahme, da die gesetzte Frist von sieben Werktagen deutlich zu knapp und auch unüblich sei. Mit E-Mail vom 1. Februar 2019 übersandte der Beklagte der Klägerin die von ihr gewünschten Unterlagen und gewährte eine Fristverlängerung bis zum 7. Februar 2019. Die Argumente seien in der Sache erschöpfend ausgetauscht, zudem sei die Länge der Frist bereits mündlich angekündigt worden. Darauf erwiderte die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 6. Februar 2019, dass die gesetzte Frist für eine abgestimmte Stellungnahme zu knapp sei. Ferner wies sie darauf hin, dass der Landschaftsverband X. im Rahmen der Benehmensherstellung mit der Unteren Denkmalbehörde empfohlen habe, in Bezug auf die Siedlung C. eine Sichtbarkeitsanalyse einzuholen und zu prüfen, ob die Nutzung der denkmalgeschützten Bauten der Siedlung durch die Wirkung einer Windenergieanlage auf Dauer eingeschränkt werde. 13Durch Bescheid vom 11. Februar 2019, der Klägerin zugestellt am 19. Februar 2019, erteilte der Beklagte der vormals beigeladenen N. unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Zur Begründung führte er unter anderem aus: Das durch die Klägerin mit Schreiben vom 6. Dezember 2018 versagte gemeindliche Einvernehmen sei zu ersetzen gewesen. Die von der Klägerin angeordnete Veränderungssperre entfalte gegenüber der vormals beigeladenen N. keine Wirkung mehr. Unter Berücksichtigung des durch den Bescheid vom 23. Mai 2012 zurückgestellten Zeitraums von sechs Monaten sowie der seit Inkrafttreten der Veränderungssperre verstrichenen Zeit von zwei Jahren und sieben Monaten sei die maximale Geltungsdauer von drei Jahren ab dem 17. Dezember 2018 überschritten. Unabhängig davon bestünden Zweifel an der organmäßigen Zuständigkeit des Bürgermeisters der Klägerin für die ausgesprochene Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens. Auf der Grundlage der Sichtbeziehungsstudie vom 11. September 2018 sowie des Nachtrags vom 14. Dezember 2018 gehe eine optisch bedrängende Wirkung von der Windenergieanlage auch unter Berücksichtigung der von Klägerin vorgetragenen Bedenken nicht aus. Eine Einschränkung der denkmalgeschützten Bauten der Siedlung C. durch die Wirkung der Windenergieanlage könne ebenfalls ausgeschlossen werden. Eine gegebenenfalls erforderliche denkmalrechtliche Erlaubnis werde von der Konzentrationswirkung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung erfasst. Auf der Grundlage der Schallimmissionsprognose der S. GmbH & Co. KG vom 11. Juli 2018 in der überarbeiteten Fassung vom 31. Januar 2019 (nachfolgend: Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019) gingen von der Windenergieanlage keine unzumutbaren Schallimmissionen aus. Für die Errichtung und den Betrieb der Windenergieanlage werde eine Befreiung gemäß § 67 BNatSchG von den Festsetzungen des Landschaftsschutzgebiets Nr. 10 „C. “ des Landschaftsplans Nr. 4 „H1. “ erteilt. Der Ausbau der Windenergie stelle ein überwiegendes öffentliches Interesse dar. Bei dem Vorhabenstandort handele es sich nicht um einen Teilbereich eines Landschaftsschutzgebietes, dem besondere oder herausragende Funktionen zugeordnet würden, die der beantragten Befreiung entgegen zu halten wären. Auf der Grundlage der im Genehmigungsverfahren vorgelegten artenschutzrechtlichen Gutachten und der diesbezüglichen Nebenbestimmungen in dem Genehmigungsbescheid verstoße das Vorhaben auch nicht gegen artenschutzrechtliche Zugriffsverbote. 14Mit Schreiben vom 25. Februar 2019 zeigte die vormals beigeladene N. dem Beklagten entsprechend Ziffer IV. 1.7 des Genehmigungsbescheides an, dass nunmehr die Beigeladene Betreiber der Windenergieanlage sei. 15Die Klägerin hat am 12. März 2019 Klage erhoben und am 20. November 2020 einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt, den die Kammer durch Beschluss vom 22. Februar 2021 - 8 L 1615/20 - abgelehnt hat. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen durch Beschluss vom 2. Juli 2021 - 7 B 286/21 - zurückgewiesen. 16Auf entsprechende Anträge der Beigeladenen hat der Beklagte durch Bescheid vom 28. Januar 2021 die Nebenbestimmung IV. 6.1.2 (zum Schutz des Uhus) des angefochtenen Genehmigungsbescheides aufgehoben und durch Bescheid vom 9. November 2021 festgestellt, dass die beklagte Windenergieanlage entsprechend der Nebenbestimmung IV. 3.1.6 des Genehmigungsbescheides vom 11. Februar 2019 zur Nachtzeit (22:00 bis 06:00 Uhr) im Betriebsmodus 100dB mit einer Leistung von 2350 kW betrieben werden darf. Zur Begründung ist ausgeführt, dass nach dem Vermessungsbericht der E. vom 20. August 2020 die in Ziffer IV. 3.1.5 des Genehmigungsbescheides vom 11. Februar 2019 festgelegten Oktavschallleistungspegel für 1000, 2000, 4000 und 8000 Hertz Lo,Okt zwar überschritten seien, der Nachweis für die Aufnahme des Nachtbetriebs aber durch eine erneute Ausbreitungsberechnung in der Schallimmissionsprognose der S. vom 27. Oktober 2021 erbracht worden sei. In der am 23. März 2022 durchgeführten mündlichen Verhandlung hat die Beigeladene auf die Ausnutzung des in der Nebenbestimmung IV. 6.1.5 des Genehmigungsbescheides vom 11. Februar 2019 aufgeführten Parameters „kein Niederschlag“ verzichtet. 17Zur Begründung ihrer Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend: Die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens durch den Beklagten sei rechtswidrig. Im Zusammenhang mit der Abfrage und Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens sei sie nicht ordnungsgemäß beteiligt worden, weshalb sie in ihrem absoluten Verfahrensrecht aus § 36 BauGB verletzt sei. Zahlreiche Antragsunterlagen seien nicht Gegenstand der Abfrage durch den Beklagten gewesen. Die Unvollständigkeit der Antragsunterlagen habe sie mit Schreiben vom 16. August 2018 und vom 23. August 2018 gerügt und darauf hingewiesen, dass die Zwei-Monatsfrist des § 36 Abs. 2 BauGB nicht zu laufen begonnen habe. Auch in der Folgezeit seien ihr zu keinem Zeitpunkt vollständige Antragsunterlagen zur Verfügung gestellt worden. Der Beklagte gehe zu Unrecht davon aus, dass die Veränderungssperre dem Vorhaben nicht entgegengehalten werden könne. Diese sei im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der Genehmigungserteilung wirksam gewesen, insbesondere sei das erforderliche Mindestmaß an positiver Plankonzeption im entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Beschlusses über die Veränderungssperre am 4. Mai 2016 ohne weiteres erkennbar gewesen. Die erkennende Kammer habe in ihrem Urteil vom 11. Mai 2017 ‑ 8 K 2788/14 - nicht hinreichend bewertet, dass die Planung bis zu diesem Beschluss entscheidend fortentwickelt worden sei. Erklärtes positives Planungsziel sei eine zusammenhängende Freiraumentwicklung im Bereich der Halden N4. 1/11, N1. , I. 19 sowie I. 22 gewesen. Für den oberen Haldenkörper der N1. sei es von vornherein um eine Freiflächenplanung gegangen, die im Wesentlichen öffentliche Grünflächen beinhaltete. Angesichts seines Detaillierungsgrades (einschließlich der Verortung einzelner Nutzungen) habe das Plankonzept den für eine Veränderungssperre erforderlichen Konkretisierungsgrad erfüllt. Die Veränderungssperre sei auch unter dem Aspekt ihrer Geltungsdauer im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung wirksam gewesen. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei der Zeitraum der sechsmonatigen Zurückstellung durch Bescheid vom 23. Mai 2012 nicht anrechnungsfähig, da die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB nicht vorlägen. Anrechnungsfähige Zeiten einer faktischen Zurückstellung lägen ebenfalls nicht vor, weil der im Jahr 2011 gestellte Genehmigungsantrag zu keinem Zeitpunkt vollständig gewesen sei, worauf sie, die Klägerin, und auch der Beklagte wiederholt hingewiesen hätten. Zudem hätten die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Veränderungssperre in das vierte Jahr vorgelegen. Ferner sei weder die wegemäßige Erschließung noch die Löschwasserversorgung ausreichend gesichert. Der Genehmigung stünden auch öffentliche Belange entgegen. Es sei nicht sichergestellt, dass von dem Vorhaben keine schädlichen Umwelteinwirkungen in Form von Schallimmissionen ausgingen. Die überarbeitete Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019 sei bereits nicht Gegenstand der Genehmigung geworden und weise zudem zahlreiche methodische Mängel auf. Die gutachterlichen Befunde ließen erhebliche Immissionsrichtwertüberschreitungen erwarten, dies gelte exemplarisch für den im reinen Wohngebiet gelegenen Immissionsort S1.-------straße 69. Es sei zudem nicht plausibel, warum der IP 26, an dem eine Richtwertüberschreitung um 1 dB(A) festgestellt worden sei, nicht unter dem Gesichtspunkt der Reflexionen betrachtet worden sei. Die Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019 greife auch zu kurz, soweit sie auf eine Untersuchung des Tagbetriebs von vornherein verzichte. Das Vorhaben verletze in der durch den Genehmigungsbescheid zugelassenen Form das artenschutzrechtliche Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG in Bezug auf Fledermäuse und die Kreuzkröte. Der Beklagte habe darüber hinaus zu Unrecht eine Befreiung von den Festsetzungen des Landschaftsschutzgebiets Nr. 10 „C. “ des Landschaftsplans Nr. 4 „H1. “ erteilt. Die Genehmigung stelle nicht sicher, dass es zu keiner erheblichen Beeinträchtigung der Siedlung „C. “ durch die Windenergieanlage komme. Ohne die vom Landschaftsverband X. angemahnte Sichtbarkeitsanalyse habe sich der Beklagte keinen Eindruck vom Grad der Überprägung des Denkmalbereichs der Siedlung „C. “ verschaffen können. Des Weiteren stehe der Genehmigung das Orts- und Landschaftsbild als öffentlicher Belang entgegen, weil der Ersatz für den Eingriff in das Landschaftsbild in Form eines Ersatzgeldes aufgrund einer veralteten Fassung des Windenergieerlasses berechnet worden sei. Die Begutachtungen zur optisch bedrängenden Wirkung vom 11. September 2018 sowie der Nachtrag vom 14. Dezember 2018 wiesen methodische Fehler auf, weswegen die optisch bedrängende Wirkung der Windenergieanlage gegenüber mehreren Wohnnutzungen verkannt worden sei. Die Genehmigung verstoße schließlich gegen § 12 LuftVG und das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme. Die luftfahrtrechtliche Zustimmung der Bezirksregierung N2. sei rechtswidrig erteilt worden. Die Belange des B. , der in 1800 m Entfernung einen Ballonstartplatz betreibe, seien nicht gewürdigt worden. Der B. habe für den Betrieb des Startplatzes - dem weltweit größten für Gasballone - im März 2000 eine unbegrenzte Genehmigung erhalten. Durch die Höhe der Windenergieanlage wären Starts bei bestimmten Windbedingungen lebensgefährlich. Bei der durch die Bescheide vom 28. Januar 2021 und vom 9. November 2021 erstmalig bewirkten Zulassung des Nachtbetriebs der Windenergieanlage handele es sich um eine Nutzungsänderung und damit um ein Vorhaben im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB. Diese Nutzungsänderung sei nicht genehmigungsfähig, weil der am 15. April 2019 in Kraft gesetzte Bebauungsplan Nr. 000 am Vorhabenstandort Windenergieanlagen ausschließe. Im Übrigen habe der Beklagte sie insoweit auch nicht um ihr gemeindliches Einvernehmen ersucht. 18Die Klägerin beantragt, 19den immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid vom 11. Februar 2019 in der Fassung der Bescheide vom 28. Januar 2021 und vom 9. November 2021 sowie der in der mündlichen Verhandlung am 23. März 2022 zu Protokoll erklärten Verzichtserklärung der Beigeladenen aufzuheben, 20hilfsweise, 21den vorgenannten Bescheid für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären. 22Der Beklagte beantragt, 23die Klage abzuweisen. 24Zur Begründung wiederholt bzw. vertieft er seine Ausführungen in dem angefochtenen Genehmigungsbescheid und führt ergänzend aus: Eine Verletzung der Klägerin in ihrem formellen Beteiligungsrecht liege nicht vor. Die von der Klägerin bemängelte unterlassene Übersendung bestimmter Unterlagen werde bestritten und wäre im Übrigen schadlos, da diese Unterlagen für die entsprechende Willensbildung der Klägerin keine Relevanz aufwiesen und die fehlende Übersendung nicht gerügt worden sei. Ab dem 17. September 2018 seien die Antragsunterlagen in planungsrechtlicher Sicht vollständig und eine Entscheidung über das gemeindliche Einvernehmen möglich gewesen. Zudem sei es widersprüchlich, am 23. August 2018 unter bewusstem Verzicht auf das Abwarten des Eingangs der Sichtbeziehungsstudie das Einvernehmen erstmalig zu verweigern, dies am 6. Dezember 2018 zu wiederholen, und nunmehr die Verletzung von Beteiligungsrechten durch fehlende Unterlagen zu rügen. Die Windenergieanlage stehe auch den Planungen der Klägerin nicht entgegen. Die Gesamtoberfläche der N1. sei weiterhin bis auf etwa 110 m² im Top-Bereich begehbar und für andere Zwecke nutzbar. Daher seien die Ausführungen der Klägerin, aufgrund der genehmigten Windenergieanlage könne kein zusammenhängender Freizeit- und Erlebnisraum entwickelt werden bzw. die Gartenausstellung (IGA 2027) gegebenenfalls nicht stattfinden, nicht nachvollziehbar. Die wegemäßige Erschließung des Vorhabengrundstücks sei ebenso gesichert wie der Brandschutz. Der Aufbau und das Bergematerial der N1. unterschieden sich erheblich vom Aufbau und dem Schüttmaterial der Halde H2. . Die Gefahr eines Haldenbrandes sei daher praktisch ausgeschlossen. Der Genehmigung der Windenergieanlage stünden auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Klägerin öffentliche Belange nicht entgegen. Die Einhaltung der nächtlichen Immissionsrichtwerte an allen lmmissionspunkten sei auf der Grundlage der Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019 sicher gewährleistet. Die dortigen Ergebnisse seien durch die auf Veranlassung des Beklagten erfolgten Berechnungen der L. bestätigt worden. Die artenschutzrechtlichen Nebenbestimmungen in der Genehmigung vom 11. Februar 2019 zum Schutz der Fledermäuse und der Kreuzkröte seien ausreichend, um das Tötungsrisiko unter der Signifikanzschwelle zu halten. Seine Annahme, die Windenergieanlage beeinträchtige Belange des Denkmalschutzes nicht, ergebe sich auch aus der zwischenzeitlich vorliegenden Analyse der denkmalschutzrelevanten Betroffenheit des denkmalgeschützten Siedlungsbereichs C. des Büros für Landschaftsplanung C1. von September 2019. Eine Gefährdung des Luftverkehrs liege auch unter Berücksichtigung der Belange des in der Nähe des Vorhabenstandorts gelegenen Ballonstartplatzes nicht vor. Dies ergebe sich aus der aus Anlass des Widerspruchs des B. eingeholten Stellungnahme der Bezirksregierung N2. vom 19. Juni 2019. 25Die Beigeladene beantragt, 26die Klage abzuweisen. 27Zur Begründung bezieht sie sich auf den Vortrag des Beklagten bzw. vertieft diesen und führt ergänzend aus: Die Klägerin sei vom Beklagten unstreitig beteiligt worden. Einer Ersetzung des Einvernehmens durch den Beklagten habe es nicht bedurft, da die Einvernehmensfiktion eingetreten sei. Die Klägerin habe auf das Schreiben des Beklagten vom 17. September 2018, mit dem die Frist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB in Gang gesetzt worden sei, über zwei Monate nicht reagiert. Jedenfalls sei aber die Ersetzung des Einvernehmens in einem ordnungsgemäßen Verfahren erfolgt. Im Übrigen wäre nach Maßgabe des § 46 VwVfG NRW von der Unbeachtlichkeit des von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensfehlers auszugehen. 28Die Kammer hat den Rechtstreit durch Beschluss vom 6. Dezember 2021 auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen. 29Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens und des Verfahrens 8 L 1615/20 sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und die Gerichtsakte 8 K 2788/14 Bezug genommen. 30Entscheidungsgründe: 31Die Klage, über die der nach § 6 Abs. 1 VwGO zuständige Einzelrichter entscheidet, hat keinen Erfolg. 32Die Bescheide vom 28. Januar 2021 und vom 9. November 2021 sowie die in der mündlichen Verhandlung am 23. März 2022 zu Protokoll erklärte Verzichtserklärung der Beigeladenen konnten noch in das laufende Klageverfahren einbezogen werden (dazu A.). Die von der Klägerin in der nunmehrigen Form fortgeführte Klage ist zwar zulässig (dazu B.), aber unbegründet (dazu C.). 33A. Die Klägerin konnte die Bescheide 28. Januar 2021 und vom 9. November 2021 sowie die in der mündlichen Verhandlung am 23. März 2022 zu Protokoll erklärte Verzichtserklärung der Beigeladenen in das laufende Klageverfahren einbeziehen. Durch den Bescheid vom 9. November 2021 hat der Beklagte verbindlich festgestellt, dass der durch den Genehmigungsbescheid vom 11. Februar 2019 (vgl. Ziffer IV. 3.1.6 i. V. m. 3.1.5) zunächst aufschiebend bedingt zugelassene schallreduzierte Nachtbetrieb im Betriebsmodus 100 dB mit einer Leistung von 2350 kW nunmehr aufgenommen werden darf, weil die Beigeladene den Eintritt der aufschiebenden Bedingung nachgewiesen habe. Damit bilden dieser Bescheid und der Genehmigungsbescheid ‑ ebenso wie die dem Genehmigungsbescheid zur Sicherstellung der Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen (vgl. § 12 Abs. 1 BImSchG) nachträglich beigefügten Nebenbestimmungen -, 34vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 22. November 2021 - 8 A 973/15 -, juris Rn. 49 ff., m. w. N., 35einen unteilbaren Regelungsgegenstand und stellt dessen Einbeziehung schon keine Klageänderung dar. 36Eine Änderung des Streitgegenstands liegt mithin im Rechtssinne nicht vor, sondern lediglich eine nach § 173 VwGO i. V. m. § 264 Nr. 3 ZPO ohne Weiteres zulässige Anpassung des Klageantrags aufgrund einer nachträglichen Veränderung. Selbst wenn man die Einbeziehung des Bescheides vom 9. November 2021 als Klageänderung im Sinne von § 91 VwGO ansieht, ist diese Klageänderung aber aus Gründen der Prozessökonomie jedenfalls als sachdienlich einzustufen. Im Ergebnis nichts anderes gilt in Bezug auf den Bescheid vom 28. Januar 2021, durch den die im Genehmigungsbescheid vom 11. Februar 2019 zum Schutz des Uhus enthaltene Nebenbestimmung IV. 6.1.2 aufgehoben wurde, sowie die in der mündlichen Verhandlung am 23. März 2022 zu Protokoll erklärte Verzichtserklärung der Beigeladenen. 37B. Die von der Klägerin in der nunmehrigen Form fortgeführte und als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthafte Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Klägerin nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Sie kann geltend machen, durch die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 11. Februar 2019 in der Fassung der Bescheide vom 28. Januar 2021 und vom 9. November 2021 sowie der in der mündlichen Verhandlung am 23. März 2022 zu Protokoll erklärten Verzichtserklärung der Beigeladenen in eigenen Rechten verletzt zu sein. Für die Klagebefugnis genügt es, wenn die geltend gemachte Rechtsverletzung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen möglich ist. Daran fehlt es nur, wenn die vom Kläger geltend gemachte Rechtsposition offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise bestehen oder ihm zustehen kann. 38Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. April 2020 - 7 C 29.18 -, juris Rn. 15. 39Letzteres ist hier nicht der Fall. Die Klägerin macht geltend, dass sie durch den Genehmigungsbescheid vom 11. Februar 2019 in der Fassung der Bescheide vom 28. Januar 2021 und vom 9. November 2021 in ihrem formellen Beteiligungsrecht bzw. materiellen Mitentscheidungsrecht aus § 36 BauGB verletzt ist. 40I. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts führt allein die Missachtung oder Verletzung des gesetzlich gewährleisteten, dem Schutz der Planungshoheit dienenden Rechts der Gemeinde auf Einvernehmen zur Aufhebung der Genehmigung; eine materiell-rechtliche Überprüfung der Rechtslage findet in diesen Fällen nicht statt. 41Vgl. nur BVerwG, Urteil vom 26. März 2015 - 4 C 1.14 -, juris Rn. 17, m. w. N. 42Eine solche Verletzung erscheint auf der Grundlage des Vortrags der Klägerin jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen und zwar sowohl in Bezug auf den Genehmigungsbescheid vom 11. Februar 2019 als auch die Bescheide vom 28. Januar 2021 und vom 9. November 2021. 43II. Desgleichen erscheint es möglich, dass die Klägerin durch die Ersetzung ihres gemeindlichen Einvernehmens in dem Genehmigungsbescheid vom 11. Februar 2019 in der Fassung der Bescheide vom 28. Januar 2021 und vom 9. November 2021 in ihrer gemeindlichen Planungshoheit verletzt wird. 44Die Einvernehmensregelung des § 36 BauGB sichert die verfassungsrechtlich gewährleistete Planungshoheit der Gemeinden. Bei einem Außenbereichsvorhaben darf die Gemeinde ihr Einvernehmen nur aus den sich aus § 35 BauGB ergebenden Gründen versagen (§ 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB). Hieraus folgt, dass die Voraussetzungen des § 35 BauGB auf das Rechtsmittel der Gemeinde hin in vollem Umfang nachzuprüfen sind. 45Vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juli 2010 - 4 C 4.08 -, juris Rn. 32, m. w. N. 46Die Gemeinde kann also insbesondere geltend machen, dass ein Vorhaben öffentliche Belange im Sinne von § 35 Abs. 3 BauGB beeinträchtige; sie kann sich auch auf eine Verletzung ihrer Planungshoheit berufen, weil die ausreichende Erschließung des Vorhabens im Sinne von § 35 Abs. 1 BauGB nicht gesichert sei. 47Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Oktober 1990 - 4 C 45.88 -, juris Rn. 12. 48Für die Frage des „Drittschutzes“ der geltend gemachten Belange nach § 35 Abs. 3 BauGB ist in derartigen Fällen kein Raum. 49Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. Juli 2009 - 8 A 2357/08 -, juris Rn. 40 ff., m. w. N., speziell zu Belangen des Naturschutzes gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB, sowie Beschluss vom 28. Oktober 2021 - 7 B 782/21.AK -, juris Rn. 2 ff., zur Vereinbarkeit einer Windenergieanlage mit einer Landschaftsschutzgebietsausweisung, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 bzw. 5 BauGB, zum Gebot der Rücksichtnahme unter dem Blickwinkel einer optisch bedrängenden Wirkung sowie zur Verunstaltung des Landschaftsbildes im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB; ferner OVG S.‑A., Urteil vom 24. März 2021 - 2 L 79/17 -, juris Rn. 138, zu schädlichen Umwelteinwirkungen gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB in Form unzumutbarer Geruchsbelästigungen; Hess. VGH, Beschluss vom 14. Mai 2019 ‑ 9 B 2016/18 -, juris Rn. 10, zu den Belangen des Natur- und Artenschutzes, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB, und der Funktionsfähigkeit von Radaranlagen, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB. 50Darüber hinaus ist - auch ohne ausdrückliche Nennung in § 36 BauGB - aufgrund der Sicherungsfunktion dieser Vorschrift anerkannt, dass die Gemeinde ihr Einvernehmen auch wegen einer (wirksamen) Veränderungssperre nach § 14 BauGB verweigern kann. 51Vgl. nur Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, § 36 BauGB Rn. 43a (Stand der Kommentierung: Mai 2021). 52Ausgehend vom Vorbringen der Klägerin besteht die Möglichkeit, dass die durch den Beklagten vorgenommene Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens zu Unrecht erfolgte, weil dem Vorhaben die Veränderungssperre für den Bebauungsplan Nr. 000, Gebiet: „N1. “ entgegenstand bzw. die Voraussetzungen des § 35 BauGB nicht vorlagen, weil eine (ausreichende) Erschließung nicht gesichert war bzw. dem Vorhaben öffentliche Belange im Sinne von § 35 Abs. 3 BauGB entgegenstanden. 53C. Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Genehmigungsbescheid vom 11. Februar 2019 in der Fassung der Bescheide vom 28. Januar 2021 und vom 9. November 2021 sowie der in der mündlichen Verhandlung am 23. März 2022 zu Protokoll erklärten Verzichtserklärung der Beigeladenen verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Eine solche Verletzung folgt weder aus einer Missachtung bzw. Verletzung ihres gemeindlichen Beteiligungsrechts aus § 36 BauGB (dazu I.) noch aus einem Verstoß gegen materielles Recht, auf das die Klägerin sich berufen kann (dazu II.). 54I. Eine Missachtung bzw. Verletzung des gemeindlichen Beteiligungsrechts der Klägerin aus § 36 Abs. 1 BauGB durch den Beklagten liegt nicht vor. Der Beklagte hat die Klägerin vor Erlass des Genehmigungsbescheides vom 11. Februar 2019 in rechtlich nicht zu beanstandender Weise beteiligt mit der Folge, dass die in § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB geregelte Einvernehmensfrist am 20. September 2018 in Gang gesetzt wurde und am 19. November 2018 abgelaufen war, ohne dass eine rechtlich wirksame und fristgerechte Verweigerung des Einvernehmens durch die Klägerin erfolgt war (dazu 1.). Infolge des Eintritts der Einvernehmensfiktion ist der von der Klägerin geltend gemachte Verstoß gegen § 73 Abs. 4 BauO NRW rechtlich unerheblich, liegt aber auch im Übrigen nicht vor (dazu 2.). Einer erneuten Beteiligung der Klägerin gemäß § 36 BauGB vor Erlass der Bescheide vom 28. Januar 2021 bzw. vom 9. November 2021 bedurfte es nicht (dazu 3.). 551. Der Beklagte hat die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 11. Februar 2019 nicht unter Verstoß gegen das formelle Beteiligungsrecht der Klägerin aus § 36 BauGB erteilt. 56Nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist über die Zulässigkeit von Vorhaben nach den §§ 31, 33 bis 35 BauGB von der Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde zu entscheiden. Das Einvernehmen der Gemeinde ist auch erforderlich, wenn in einem anderen Verfahren über die Zulässigkeit nach diesen Vorschriften entschieden wird (§ 36 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 BauGB). Das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren ist ein anderes Verfahren in diesem Sinne. 57Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. August 2020 - 4 C 1.19 -, juris Rn. 12, m. w. N. 58Dieses Beteiligungsrecht hat der Beklagte vor Erlass des Genehmigungsbescheides vom 11. Februar 2019 nicht missachtet bzw. verletzt. Die Annahme einer Missachtung bzw. Verletzung des gemeindlichen Beteiligungsrechts scheidet jedenfalls dann aus, wenn das Einvernehmen gemäß § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB als erteilt gilt. Dies ist hier der Fall. 59a) Die Zwei-Monatsfrist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB ist durch das Schreiben des Beklagten vom 9. August 2018 in Verbindung mit den mit Schreiben vom 30. August 2018 und vom 17. September 2018 nachgereichten Unterlagen in Gang gesetzt worden. 60aa) Ein ordnungsgemäßes Ersuchen im Sinne von § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB setzt zunächst voraus, dass es eindeutig formuliert ist; die Gemeinde muss erkennen können, dass und in welcher Hinsicht die Frist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB ausgelöst wird. Ob dieses Erfordernis gewahrt ist, hängt maßgeblich davon ab, wie das Schreiben nach dem Empfängerhorizont der Gemeinde verstanden werden musste. 61Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. Dezember 2010 ‑ 8 B 1426/10 -, juris Rn. 7 ff.; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 15. Mai 2018 - 1 A 11903/17 -, juris Rn. 44, m. w. N.; Bay. VGH, Beschluss vom 25. August 2015 ‑ 22 CS 15.1683 -, juris Rn. 25. 62Die Einvernehmensfrist wird ferner nur ausgelöst, wenn und sobald das Ersuchen der Genehmigungsbehörde der Gemeinde eine hinreichende und abschließende planungsrechtliche Beurteilung des Bauvorhabens ermöglicht. Vor der Entscheidung über das gemeindliche Einvernehmen im bauaufsichtlichen Verfahren (§ 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB) hat die Gemeinde zu prüfen, ob die bei ihr eingereichten Bauvorlagen eine sachgerechte Prüfung in bauplanungsrechtlicher Hinsicht zulassen. Das Recht auf Beteiligung im Baugenehmigungsverfahren, das der Gesetzgeber der Gemeinde zum Schutz ihrer Planungshoheit einräumt, ist mit der Obliegenheit verbunden, im Rahmen der Möglichkeiten, die ihr das Landesrecht eröffnet, gegenüber dem Bauherrn oder der Baugenehmigungsbehörde auf die Vervollständigung des Bauantrages hinzuwirken. Kommt die Gemeinde dieser Mitwirkungslast nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Einreichung des Antrags bei ihr nach, gilt ihr Einvernehmen nach § 36 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 BauGB als erteilt. Die Gemeinde ist aufgrund ihres Beteiligungsrechts im bauaufsichtlichen Verfahren indes berechtigt, ihre Entscheidung über das Einvernehmen bis zum Eingang der in bauplanungsrechtlicher Hinsicht erforderlichen Unterlagen zurückzustellen. Die zweimonatige Einvernehmensfrist beginnt dann mit dem Eingang dieser Unterlagen bei der Gemeinde. Diese zur Einvernehmenserteilung im Baugenehmigungsverfahren aufgestellten Rechtssätze sind auf das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren übertragbar. 63Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. August 2020 - 4 C 1.19 -, juris Rn. 16 f., m. w. N. 64Das Spektrum der Unterlagen, die eine Gemeinde als Entscheidungsgrundlage nachfordern darf, ist begrenzt. § 36 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 BauGB ist dahin auszulegen, dass die Gemeinde ihre Entscheidung über das Einvernehmen auf der Grundlage der Antragsunterlagen (Bauantrag und Bauvorlagen) zu treffen hat. Der Gesetzgeber macht dies deutlich, indem er den Beginn der Einvernehmensfrist an die Einreichung des Antrags bei der Gemeinde knüpft. Die Gemeinde ist deshalb darauf beschränkt, gegenüber dem Bauherrn oder der Baugenehmigungsbehörde auf das Nachreichen solcher Unterlagen hinzuwirken, die mit dem Bauantrag hätten eingereicht werden müssen, um ihr die bauplanungsrechtliche Beurteilung des Bauvorhabens zu ermöglichen. Zum Kreis dieser Unterlagen gehören die von der Baugenehmigungsbehörde (nach Landesrecht) einzuholenden Stellungnahmen der Fachbehörden, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird, nicht. Der Gemeinde ist es hingegen nicht verwehrt, gegenüber der Baugenehmigungsbehörde geltend zu machen, dass der Bauantrag ohne die Vorlage einer bestimmten fachtechnischen Untersuchung in bauplanungsrechtlicher Hinsicht nicht beurteilungsreif und insoweit ergänzungsbedürftig sei. 65Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. September 2004 - 4 C 7.03 -, juris Rn. 26. 66bb) Hiervon ausgehend ist die Zwei-Monatsfrist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB durch das Schreiben des Beklagten vom 9. August 2018 in Verbindung mit den mit Schreiben vom 30. August 2018 und vom 17. September 2018 nachgereichten Unterlagen in Gang gesetzt worden. Mit dem erstgenannten Schreiben hat der Beklagte die Klägerin unter Beifügung der bis zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Unterlagen ausdrücklich um Prüfung gebeten, „ob das gemeindliche Einvernehmen nach § 36 BauGB erteilt werden kann“. Für die Klägerin war auch eindeutig ersichtlich, dass sich dieses Ersuchen des Beklagten auf das hier streitgegenständliche und nicht auf das im Jahr 2013 abschlägig beschiedene Vorhaben (Errichtung und Betrieb von zwei Windenergieanlagen des Typs Repower 3.2M114) bezog. Dies folgt ungeachtet der vom Beklagten gewählten Formulierung „Wiederaufnahme des immissionsschutzrechtlichen Zulassungsverfahrens“ sowohl aus der Betreffzeile des Schreibens vom 9. August 2018, in der ausdrücklich das neue Vorhaben „Errichtung und Betrieb von einer Windenergieanlage Typ Enercon E-138 EP3, NH 130,53 m, RD 138,59 m, mit einer Leistung 3.500 kW“ in Bezug genommen wird, als auch aus den beigefügten Antragsunterlagen. Nichts anderes hat die Klägerin in ihrem Schreiben vom 23. August 2018 zum Ausdruck gebracht. 67Zudem hat der Beklagte in dem Schreiben vom 9. August 2018 um schriftliche Mitteilung gebeten, ob die zur Verfügung gestellten Antragsunterlagen aus Sicht der Klägerin als vollständig anzusehen seien. Ferner hat er bereits selbst darauf hingewiesen, dass keine Sichtbeziehungsstudie zur Beurteilung der optisch bedrängenden Wirkung der Windenergieanlage beigefügt sei. Diese werde zurzeit noch erstellt und übersandt, sobald sie vorliege. Auf das Fehlen einer Sichtbeziehungsstudie hat auch die Klägerin mit E-Mail vom 16. August 2018 sowie Schreiben vom 23. August 2018 und in letzterem darüber hinaus darauf hingewiesen, dass ohne ein avifaunistisches Gutachten eine Prüfung gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB im Rahmen der Einvernehmensentscheidung derzeit nicht möglich sei. Angesichts der Unvollständigkeit gehe die Klägerin davon aus, dass die Zwei-Monatsfrist des § 36 Abs. 2 BauGB nicht zu laufen begonnen habe. Es lägen bisher auch keine geprüften Standsicherheitsnachweise vor. 68Die Klägerin und der Beklagte gehen daher im Ausgangspunkt zutreffend davon aus, dass das Schreiben vom 9. August 2018 für sich genommen die Einvernehmensfrist nicht ausgelöst hat. In einem solchen Fall beginnt die Einvernehmensfrist - wie ausgeführt - ab dem Eingang der angeforderten Unterlagen bei der Gemeinde. Hier hat der Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 30. August 2018 die „Artenschutzprüfung“ (von August 2018 = avifaunistisches Gutachten) - sowie eine nicht näher bezeichnete Sichtbeziehungsstudie (offenbar vom 22. August 2018; eine solche findet sich jedenfalls im beigezogenen Verwaltungsvorgang der Klägerin) - und mit Schreiben vom 17. September 2018 die „Sichtbeziehungsstudie optisch bedrängende Wirkung vom 11.09.2018“ übersandt. Den Eingang beider Schreiben nebst den vorgenannten Antragsunterlagen hat die Klägerin nicht in Abrede gestellt. Ausweislich der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Klägerin sind das Schreiben vom 30. August 2018 am 31. August 2018 und das Schreiben vom 17. September 2018 am 19. September 2018 bei der Klägerin eingegangen. Damit lagen der Klägerin die von ihr als fehlend angesehenen Antragsunterlagen - Sichtbeziehungsstudie, avifaunistisches Gutachten - spätestens am 19. September 2018 vor. Soweit sie in der E-Mail vom 16. August 2018 bzw. dem Schreiben vom 23. August 2018 auf die fehlenden Standsicherheitsnachweise hingewiesen hatte, kann dahinstehen, ob sie überhaupt selbst davon ausgegangen ist, diese Nachweise für ihre bauplanungsrechtliche Prüfung des Vorhabens im Rahmen des § 36 BauGB zu benötigen. Denn es handelt sich hierbei nicht um einen im Rahmen des § 35 BauGB zu berücksichtigenden bauleitplanerischen Belang. Vielmehr ist damit ein Gesichtspunkt angesprochen, der bauordnungsrechtlich von Bedeutung ist (§ 12 BauO NRW). 69Vgl. dazu, dass das Einvernehmen nicht wegen bauordnungsrechtlicher Vorschriften verweigert werden kann, OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 18. Januar 2018 ‑ 8 A 11373/17 -, juris Rn. 29. 70Entgegen der Auffassung der Klägerin bedurfte es im Zusammenhang mit der Übersendung der nachgereichten Antragsunterlagen keines erneuten Hinweises auf § 36 BauGB und auch keiner erneuten Abfrage nach dieser Vorschrift durch den Beklagten. Für die Klägerin war nämlich ohne weiteres erkennbar, dass die nachgereichten Unterlagen sich auf das Ersuchen des Beklagten vom 9. August 2018 bezogen haben, ob sie ihr gemeindliches Einvernehmen nach § 36 BauGB zu dem hier streitgegenständlichen Vorhaben erteile. Dies folgt aus den jeweiligen Betreffzeilen der Schreiben vom 30. August 2018 und vom 17. September 2018, die identisch sind mit der Betreffzeile im Schreiben vom 9. August 2018 sowie der einleitenden Formulierung im Anschluss an die Anrede „anbei die weiteren Ergänzungen zum o. g. Genehmigungsantrag“. 71Bei dem mit Schreiben vom 9. August 2018 formulierten Ersuchen um Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens handelte es sich auch nicht um eine „Abfrage auf Vorrat“, deren Zulässigkeit die Klägerin in Frage stellt. Zwar ging (auch) der Beklagte zu diesem Zeitpunkt von der Unvollständigkeit der Antragsunterlagen aus. Diesen Umstand hat er indes in dem Schreiben vom 9. August 2018 ausdrücklich - und zudem durch Fettdruck optisch hervorgehoben - offenbart und eine Nachreichung der Sichtbeziehungsstudie in Aussicht gestellt, sobald ihm diese selbst vorliege. Ferner hat er die Klägerin um Mitteilung gebeten, ob aus ihrer Sicht die Antragsunterlagen im Übrigen vollständig seien. In einer solchen von Transparenz getragenen Vorgehensweise vermag die Kammer eine unbillige Risikoverlagerung auf die Klägerin nicht zu erblicken. Es ist auch unter Berücksichtigung ihres Vortrags nicht erkennbar, welche zusätzlichen, über die bereits benannte Mitwirkungsobliegenheit hinausgehenden und ihr billigerweise nicht mehr zumutbaren Prüfungserfordernisse von der Klägerin abverlangt worden wären. Ebenso wenig besteht in Konstellationen - wie der vorliegenden - die von der Klägerin angesprochene Unklarheit bezüglich des Fristbeginns. Beginnt die Einvernehmensfrist nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in den Fällen, in denen die Gemeinde entsprechend ihrer Mitwirkungsobliegenheit vor Ablauf von zwei Monaten zu Recht auf die Unvollständigkeit der Antragsunterlagen hinweist, erst mit Eingang der nachgereichten Unterlagen bei der Gemeinde zu laufen, gilt nichts anderes in der hier gegebenen Konstellation, in der die Genehmigungsbehörde bereits selbst im Rahmen ihres Ersuchens nach § 36 Abs. 2 BauGB darauf hinweist, die Antragsunterlagen seien ihrer Auffassung nach unvollständig. 72Auch das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass es nicht in allen Fällen, in denen die Zwei-Monatsfrist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB unterbrochen wird (im dortigen Fall durch eine Zurückstellung nach § 15 Abs. 3 BauGB), eines erneuten Ersuchens der Genehmigungsbehörde bedarf. 73Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. März 2015 - 4 C 1.14 -, juris Rn. 16. 74b) Da die Klägerin in der Folge, d. h. innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Schreibens vom 17. September 2018 am 19. September 2018, weder die Unvollständigkeit der Antragsunterlagen (erneut) moniert noch ihr Einvernehmen verweigert hat, ist die Einvernehmensfiktion des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB mit Ablauf des 19. November 2018 eingetreten. 75Vgl. dazu, dass sich die Dauer der Frist nach den §§ 187 ff. BGB beurteilt, Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielen-berg/Krautzberger, Baugesetzbuch, § 36 BauGB Rn. 38a (Stand der Kommentierung: Mai 2021). 76aa) Diese Frist ist nicht durch das Schreiben des Beklagten vom 7. November 2018 und die dortige Setzung einer Frist zur Stellungnahme bis zum 30. November 2018 verlängert worden. Abgesehen davon, dass sich diese Fristsetzung offensichtlich auf die Stellungnahme nach § 11 der 9. BImSchV und gerade nicht auf die Einvernehmensfrist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB bezog, steht letztere nicht zur Disposition der Beteiligten und ist eine Verlängerung rechtlich nicht zulässig. 77Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. August 2020 - 4 C 1.19 -, juris Rn. 21, m. w. N. 78bb) Die Zwei-Monatsfrist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB ist ferner nicht durch die weiteren Schreiben der Klägerin vom 29. November 2018, vom 6. Dezember 2018, vom 1. Februar 2019 und vom 6. Februar 2019 über den 19. November 2018 hinaus verlängert bzw. unterbrochen worden. Denn sämtliche der vorgenannten Schreiben sind bei dem Beklagten erst nach dem 19. November 2018 und damit nach Ablauf der Zwei-Monatsfrist eingegangen. Ebenso wenig kann der Eintritt der Fiktion durch eine Anhörung und Ersetzung des Einvernehmens überwunden werden. 79Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. August 2020 - 4 C 1.19 -, juris Rn. 21. 80cc) Die Klägerin hat ihr gemeindliches Einvernehmen auch mit dem Schreiben vom 23. August 2018 nicht in rechtlich erheblicher Weise verweigert. Maßgeblich hierfür sind folgende Erwägungen: 81Zunächst ist festzustellen, dass sowohl der Beklagte als auch die Klägerin übereinstimmend davon ausgingen, dass die Klägerin ihr Einvernehmen (erst) mit Schreiben vom 6. Dezember 2018 versagt hat (vgl. einerseits Seite 30 des Genehmigungsbescheides vom 11. Februar 2019: „Die Stadt H1. hat mit Stellungnahme vom 06.12.2018 ihr Einvernehmen gemäß § 36 BauGB im Rahmen des Antrags der N. zur Errichtung und zum Betrieb einer Windenergieanlage auf der N1. in H1. versagt.“; andererseits Seite 6 der Klagebegründungsschrift vom 17. Juli 2019: „Mit Schreiben vom 06.12.2018 verweigerte die Klägerin die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens.“). Demgegenüber haben beide den Ausführungen auf Seite 2 des Schreibens der Klägerin vom 23. August 2018 eine rechtlich erhebliche Qualität in Bezug auf die Verweigerung des Einvernehmens nicht beigemessen. Die Richtigkeit dieser Einschätzung wird durch den Umstand bestätigt, dass auf Seite 2 des vorgenannten Schreibens zunächst ausdrücklich herausgestellt wird, dass angesichts der Unvollständigkeit der Unterlagen nach Auffassung der Klägerin die Zwei-Monatsfrist des § 36 Abs. 2 BauGB nicht zu laufen begonnen habe. Im Anschluss hieran leitet sie ihre im Zusammenhang mit dem gemeindlichen Einvernehmen stehenden Ausführungen mit der Formulierung ein „Bereits zu diesem Zeitpunkt weise ich ungeachtet der Unvollständigkeit der Bauvorlagen darauf hin, dass das gemeindliche Einvernehmen nach § 36 BauGB durch die Stadt H1. nicht erteilt werden kann“. Geht man vom insoweit maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont aus, durfte und musste der Beklagte auf der Grundlage dieser Ausführungen den Schluss ziehen, dass die Klägerin eine verbindliche Erklärung über das Einvernehmen (noch) nicht abgeben wollte, sondern es sich (zunächst) lediglich um einen rechtlich unverbindlichen Hinweis auf die im Jahr 2016 erlassene und im Jahr 2018 um ein weiteres Jahr verlängerte Veränderungssperre handeln sollte, die der Erteilung eines Einvernehmens durch die Klägerin (ihrer Auffassung nach) entgegensteht. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin ihr gemeindliches Einvernehmen in dem Schreiben vom 23. August 2018 hilfsweise für den Fall, dass ihre Auffassung hinsichtlich des Fristbeginns unzutreffend sein sollte, versagt haben könnte, sind dem vorgenannten Schreiben nicht zu entnehmen. Solche hat auch die Klägerin nicht konkret benannt. 822. a) Ist die Einvernehmensfiktion nach den vorstehenden Ausführungen eingetreten und die Klägerin damit so zu behandeln, als habe sie ihr gemeindliches Einvernehmen erteilt, bedurfte es keiner Ersetzungsentscheidung durch den Beklagten gemäß § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB. Daher ist es rechtlich nicht erheblich, ob der von der Klägerin gerügte Verstoß gegen § 73 Abs. 4 BauO NRW vorliegt. 83b) Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Klägerin ihr gemeindliches Einvernehmen bereits mit dem Schreiben vom 23. August 2018 rechtlich wirksam versagt hatte, kann eine Verletzung des Mitwirkungsrechts der Klägerin nach § 36 BauGB nicht festgestellt werden. Denn die Klägerin hätte sich dann in der Lage gesehen, ihr Einvernehmen aus Sachgründen zu versagen. Damit wäre dem Zweck des Einvernehmenserfordernisses Genüge getan. 84Die in § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB vorgesehene Mitwirkung der Gemeinde ist auf die Sicherung der gemeindlichen Planungshoheit ausgerichtet. Die Gemeinde soll dort, wo sie noch nicht geplant hat, oder dann, wenn ein Bauvorhaben von ihrer Planung abweicht, im Genehmigungsverfahren an der Beurteilung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Bauvorhabens mitentscheidend beteiligt werden. Darüber hinaus soll sie in den Fällen, in denen ein nach den §§ 31, 33 bis 35 BauGB zulässiges Vorhaben ihren planerischen Vorstellungen nicht entspricht, von ihrer planungsrechtlichen Möglichkeit Gebrauch machen können, durch Aufstellung eines Bauleitplans die planungsrechtlichen Grundlagen für die Zulässigkeit eines Vorhabens zu ändern und zur Sicherung der Planung das Mittel der Veränderungssperre zu ergreifen oder das Baugesuch zurückstellen zu lassen. 85Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. März 2015 - 4 C 1.14 -, juris Rn. 11, m. w. N. 86Die Klägerin hat in dem Schreiben vom 23. August 2018 auf die im Jahr 2016 erlassene und im Jahr 2018 verlängerte Veränderungssperre zur Sicherung ihrer Planung für den Bereich des zum damaligen Zeitpunkt in Aufstellung befindlichen Bebauungsplan Nr. 000, mithin auf ihre schon eingeleitete Bauleitplanung verwiesen, durch die die planungsrechtlichen Grundlagen für die Zulässigkeit des hier streitgegenständlichen Vorhabens geändert werden sollten. Damit hat sie zugleich zum Ausdruck gebracht, dass sie bereits auf der Basis der ihr bis dahin vorliegenden Unterlagen die (abschließende) Entscheidung treffen konnte, dass das Vorhaben ihre Planung behindert und die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens nicht in Betracht kommt. Schon deshalb geht ihr Einwand, ihr hätten nicht alle für die Entscheidung relevanten Unterlagen vorgelegen, ins Leere. 87Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. August 2020 - 4 C 1.19 -, juris Rn. 17. 88Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass die Klägerin in dem Schreiben vom 23. August 2018 zugleich die Unvollständigkeit der Antragsunterlagen gerügt hat. Zum einen hat der Beklagte - wie bereits ausgeführt - die in dem vorgenannten Schreiben konkret benannten Unterlagen (Sichtbeziehungsstudie, avifaunistisches Gutachten = Artenschutzprüfung von August 2018) der Klägerin mit Schreiben vom 30. August 2018 und vom 17. September 2018 zur Verfügung gestellt. Zum anderen ist festzustellen, dass es sich bei den von der Klägerin auf Seite 11 f. des Klagebegründungsschriftsatzes vom 17. Juli 2019 aufgeführten Unterlagen - Avifaunistisches Gutachten (= Artenschutzprüfung) von Oktober 2018; Nachtrag zum Landschaftspflegerischen Begleitplan von November 2018; Nachtrag der S. zum Gutachten zur optisch bedrängenden Wirkung vom 14. Dezember 2018; Überarbeitung der Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019 - (lediglich) um Ergänzungen bereits zuvor von der vormals beigeladenen N. vorgelegter und der Klägerin vom Beklagten unstreitig zur Verfügung gestellter Gutachten handelt, namentlich: Artenschutzprüfung von August 2018; Landschaftspflegerischer Begleitplan von Juni 2018; Sichtbeziehungsuntersuchung zur Beurteilung der optisch bedrängenden Wirkung vom 11. September 2018; Schallimmissionsprognose vom 11. Juli 2018. Dass diese Gutachten eine fundierte bauplanungsrechtliche Beurteilung des Vorhabens nicht ermöglichten, hat die Klägerin im Rahmen ihrer Beteiligung in Bezug auf die Artenschutzprüfung von August 2018, den Landschaftspflegerischen Begleitplan von Juni 2018 sowie die Schallimmissionsprognose vom 11. Juli 2018 nicht geltend gemacht. Insoweit reicht alleine die allgemein gehaltene Bitte in dem Schreiben vom 1. Februar 2019, ihr „eventuell weiter nachträglich eingegangene Unterlagen zugänglich [zu] machen“, mangels einer hinreichenden Konkretisierung nicht aus. 89Soweit die Klägerin in dem Schreiben vom 29. November 2018 (bzw. vom 6. Dezember 2018) darauf hingewiesen hatte, dass die Sichtbeziehungsuntersuchung vom 11. September 2018 „teils fehlerhaft bzw. unvollständig“ sei, wurden diese Bedenken im Rahmen eines am 7. Dezember 2018 durchgeführten Ortstermins überprüft, an dem neben dem Gutachter von der S. und Vertretern des Beklagten auch Vertreter der Klägerin teilgenommen haben. Im Nachgang an diesen Ortstermin hat die S. ihre schriftliche Stellungnahme vom 14. Dezember 2018 verfasst. Auf die im Zusammenhang mit der Sichtbeziehungsuntersuchung erfolgten Nachprüfungen durch den Gutachter und deren Ergebnis hat der Beklagte die Klägerin zudem in dem Anhörungsschreiben vom 24. Januar 2019 ausdrücklich hingewiesen. Eine Anforderung speziell dieser Unterlagen durch die Klägerin vor Erlass des Genehmigungsbescheides vom 11. Februar 2019 ist weder vorgetragen noch den dem Gericht zur Verfügung gestellten Verwaltungsvorgängen des Beklagten bzw. der Klägerin zu entnehmen. Vor diesem Hintergrund kann das Verhalten der Klägerin nur dahingehend gewertet werden, dass sie die Stellungnahme der S. vom 14. Dezember 2018 für ihre bauplanungsrechtliche Beurteilung nicht für erforderlich gehalten hat, jedenfalls insoweit aber ihrer Rügeobliegenheit nicht nachgekommen ist. 90Ausgehend von der - hier unterstellten - Annahme, dass die Klägerin ihr gemeindliches Einvernehmen bereits mit Schreiben vom 23. August 2018 rechtlich wirksam versagt hat, war die ihr gewährte Frist gemäß § 73 Abs. 4 BauO NRW zu der von dem Beklagten beabsichtigten Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens auch unter Berücksichtigung der hiergegen gerichteten Einwände der Klägerin mit Blick auf die vorliegenden Einzelfallumstände (noch) angemessen. Auf die diesbezüglichen Ausführungen in dem Beschluss der Kammer vom 22. Februar 2021 ‑ 8 L 1615/20 -, Seite 13 f. des Beschlussabdrucks = juris Rn. 52, und in dem nachfolgenden Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 2. Juli 2021 im Beschwerdeverfahren ‑ 7 B 286/21 -, Seite 4 f. des Beschlussabdrucks = juris Rn. 11 ff., wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. 913. Einer erneuten Beteiligung der Klägerin gemäß § 36 BauGB vor Erlass der Bescheide vom 28. Januar 2021 bzw. vom 9. November 2021 bedurfte es nicht. 92Durch den erstgenannten Bescheid hat der Beklagte die dem Schutz des Uhus dienende Nebenbestimmung IV. 6.1.2 des Genehmigungsbescheides vom 11. Februar 2019 aufgehoben, nachdem die Beigeladene entsprechend der Nebenbestimmung IV. 7.2 gegenüber dem Beklagten nachgewiesen hatte, dass das bisher nur im Jahr 2017 bestätigte Brutrevier des Uhus (auch) im Jahr 2019 nicht mehr besetzt war. 93Durch den Bescheid vom 9. November 2021 hat der Beklagte festgestellt, dass die beklagte Windenergieanlage entsprechend der Nebenbestimmung IV. 3.1.6 des Genehmigungsbescheides vom 11. Februar 2019 zur Nachtzeit (22:00 bis 06:00 Uhr) im Betriebsmodus 100dB mit einer Leistung von 2350 kW betrieben werden darf. Der Sache nach handelt es sich dabei (lediglich) um die rechtsverbindliche Feststellung, dass die in der vorgenannten Nebenbestimmung formulierten Voraussetzungen für die Aufnahme des schallreduzierten Nachtbetriebs eingetreten sind. In diesem Zusammenhang hat der Beklagte in dem Genehmigungsbescheid vom 11. Februar 2019 (dort Seite 36) darauf verwiesen, dass die Schallimmissionsprognose (vom 31. Januar 2019) zwar die Einhaltung der nächtlichen Immissionsrichtwerte in der schallreduzierten Betriebsweise an allen Immissionspunkten nachweise. Da das Schallverhalten der Windenergieanlage für den schallreduzierten Betrieb in der Nachtzeit aber nicht durch einen FGW-konformen Vermessungsbericht belegt werde, dürfe der Nachtbetrieb derzeit nicht erfolgen. Eine verlässliche Prognose sei auf Basis der berücksichtigten Garantiewerte des Herstellers nicht möglich. Mit dieser Vorgehensweise hat sich der Beklagte eng an die Empfehlung der durch Erlass des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 29. November 2017 eingeführten LAI-Hinweise zum Schallimmissionsschutz bei Windkraftanlagen in der überarbeiteten Fassung vom 23. Juni 2016 angelehnt. 94Mit den in den Bescheiden vom 28. Januar 2021 bzw. vom 9. November 2021 enthaltenen Regelungen geht entgegen der Auffassung der Klägerin keine Nutzungsänderung im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB einher. Dementsprechend war eine erneute Abfrage des gemeindlichen Einvernehmens nach § 36 BauGB nicht erforderlich. 95a) Zu den Vorhaben im Sinne des § 36 Abs. 1 Satz 1 bzw. 2 BauGB gehören gemäß § 29 Abs. 1 BauGB die Errichtung, Änderung und Nutzungsänderung von baulichen Anlagen sowie Aufschüttungen und Abgrabungen größeren Umfangs, Ablagerungen einschließlich Lagerstätten. Eine - im vorliegenden Fall allein in Betracht kommende - Nutzungsänderung liegt vor, wenn durch die Verwirklichung eines Vorhabens die einer genehmigten Nutzung eigene Variationsbreite verlassen wird und durch die Aufnahme dieser veränderten Nutzung bodenrechtliche Belange neu berührt werden können, so dass sich die Genehmigungsfrage unter bodenrechtlichem Aspekt neu stellt. 96Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. November 2010 - 4 C 10.09 -, juris Rn. 12, m. w. N. 97Hingegen stellt eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, die dazu führt, dass eine Anlage nunmehr bebauungsrechtlich anders zu beurteilen ist als bisher, als solche keine Nutzungsänderung dar. Das gilt auch dann, wenn der Betrieb der Anlage intensiviert wird, ohne dass der Betreiber etwas an den für die Bestimmung der Nutzungsart maßgebenden Merkmalen ändert. 98Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 1998 - 4 C 9.97 -, juris Rn. 14; OVG Bremen, Beschluss vom 30. März 2021 ‑ 1 LA 180/18 -, juris Rn. 36. 99b) Nach diesen Maßgaben handelt es sich bei den Bescheiden vom 28. Januar 2021 und vom 9. November 2021 bei wertender Betrachtung nicht um eine Nutzungsänderung im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB. Zunächst besteht kein Zweifel daran, dass der Genehmigungsantrag vom 19. Juli 2018 der vormals beigeladenen N. auch den Nachtbetrieb umfasste, wie sich insbesondere aus der im Genehmigungsverfahren vorgelegten Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019 und mangels einer entsprechenden Einschränkung des Anlagenbetriebs ergibt. Demgemäß wurde der - schallreduzierte - Nachtbetrieb nicht erst durch die vorgenannten Bescheide, sondern dem Grunde nach bereits durch den Genehmigungsbescheid vom 11. Februar 2019 zugelassen, vor dessen Erlass eine ordnungsgemäße Beteiligung der Klägerin ‑ wie ausgeführt - nach § 36 BauGB erfolgt war. Diese Feststellung folgt aus zahlreichen Nebenbestimmungen des Genehmigungsbescheides, die unter artenschutzrechtlichen Gesichtspunkten (vgl. Ziffer IV. 6.1.2 und 6.1.7) bzw. unter Lärmschutzaspekten (vgl. Ziffer IV. 3.1.1, 3.1.4 bis 3.1.7) Beschränkungen (teilweise in zeitlicher Hinsicht) des nächtlichen Betriebs vorsehen. Die Aufhebung dieser Beschränkungen durch die Bescheide vom 28. Januar 2021 und vom 9. November 2021 erweist sich daher allenfalls als eine Nutzungsintensivierung und nicht als eine Nutzungsänderung. 100Im Zusammenhang mit dem Bescheid vom 28. Januar 2021 weist die Klägerin zwar zutreffend darauf hin, dass es sich bei der aufgehobenen Nebenbestimmung IV. 6.1.2 des Genehmigungsbescheides vom 11. Februar 2019 nicht um eine aufschiebende Bedingung handelt. Abgesehen davon, dass der Nachtbetrieb durch die vorgenannte Nebenbestimmung (nur) vom 15. Januar bis zum 15. August eines jeden Jahres und daher bereits nicht ganzjährig eingeschränkt war, begründet der Beklagte die Aufhebung der Nebenbestimmung IV. 6.1.2 allein mit einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, nämlich dass im Rahmen der erfolgten Nachkartierungen durch das Kölner Büro für Faunistik (auch) im Jahr 2019 keine Hinweise für die Anwesenheit eines Uhus im Wirkbereich der Windenergieanlage gefunden wurden (vgl. den entsprechenden Bericht vom 17. Mai 2019) und insoweit artenschutzrechtliche Konflikte nicht bestehen. Die mit der Aufhebung der Nebenbestimmung IV. 6.1.2 einhergehende Nutzungsintensivierung beruht somit gerade nicht auf einer Änderung des Betriebs der Windenergieanlage durch den Betreiber, sondern auf äußeren, seinem Einflussbereich entzogenen Umständen. 101Im Ergebnis nichts anderes gilt in Bezug auf den Bescheid vom 9. November 2021. In der Nebenbestimmung IV. 3.1.6 des Genehmigungsbescheides vom 11. Februar 2019 hat der Beklagte die Inbetriebnahme der Windenergieanlage während der Nachtzeit von der Vorlage eines FGW-konformen Vermessungsberichts abhängig gemacht, der den Nachweis erbringt, dass die im Wind-BIN des höchsten gemessenen Summenschallleistungspegels vermessenen Oktavschallleistungspegel zuzüglich des 90%-Konfidenz-intervalls der Gesamtunsicherheit aus Vermessung, Serienstreuung und Prognosemodell (L0, Okt, Vermessung) die in Nebenbestimmung IV. 3.1.5 des Genehmigungsbescheides genannten Werte der oberen Vertrauensbereichsgrenze (L0, Okt) nicht überschreiten. Werden nicht alle Werte L0, Okt eingehalten, kann der Nachweis für die Aufnahme des Nachtbetriebs über die Durchführung einer erneuten Ausbreitungsrechnung für die Windenergieanlage erbracht werden. Diese Kontrollrechnung ist mit dem identischen Ausbreitungsmodell einschließlich der Immissionsaufpunktmodellierung durchzuführen, wie es in der Schallimmissionsprognose vom 11. Juli 2018 abgebildet ist. Als Eingangsdaten sind die oberen Vertrauensbereichsgrenzen der vermessenen Oktavschalleistungspegel L0, Okt, Vermessung des Wind-BINs mit dem höchsten gemessenen Summenschallleistungspegel anzusetzen. Der Nachweis für die Aufnahme des Nachtbetriebs gilt dann als erbracht, wenn die so ermittelten Teilimmissionswerte der Windenergieanlage die für sie in der Schallimmissionsprognose vom 11. Juli 2018 ermittelten und in Anhang I zum Genehmigungsbescheid aufgelisteten Teilimmissionspegel nicht überschreiten. Der Nachtbetrieb ist nach positivem Nachweis und Freigabe durch die Untere Immissionsschutzbehörde des Beklagten in dem Betriebsmodus mit der zugehörigen maximalen Leistung und Drehzahl zulässig, der dem vorgelegten schalltechnischen Nachweis zu Grunde liegt. 102An der vorstehend wiedergegebenen Nebenbestimmung IV. 3.1.6 des Genehmigungsbescheides vom 11. Februar 2019 wird deutlich, dass der Beklagte die Aufnahme des Nachtbetriebs der Windenergieanlage an die Vorlage eines (in der Nebenbestimmung näher beschriebenen) Nachweises knüpft, dass die maßgeblichen Immissionsrichtwerte im Einwirkungsbereich der Windenergieanlage während der Nachtzeit eingehalten werden. Diese vom Beklagten gewählte Vorgehensweise erfolgte - wie bereits ausgeführt - vor dem Hintergrund, dass für den hier genehmigten Anlagentyp ENERCON E-138 EP3 eine FGW-konforme Vermessung des Schallverhaltens in der erforderlichen schallreduzierten Betriebsweise (Betriebsmodus 100 dB mit einer Leistung von 2350 kW) noch nicht vorlag. Hat der Beklagte die Zulässigkeit des Nachtbetriebs damit vom Eintritt eines zukünftigen ungewissen Ereignisses abhängig gemacht, handelt es sich bei der vorgenannten Nebenbestimmung rechtstechnisch um eine aufschiebende Bedingung im Sinne von § 12 Abs. 1 BImSchG, § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG NRW. Die Beifügung einer Bedingung ist ohne Einfluss auf die Wirksamkeit der Genehmigung. Diese ist mit ihrer Bekanntgabe (vgl. § 43 Abs. 1 VwVfG NRW) für Behörde und Adressat im Sinne einer „äußeren Wirksamkeit“ hinsichtlich der später eintretenden Rechtswirkungen verbindlich (§ 43 Abs. 2 VwVfG NRW). Die „innere Wirksamkeit“, die Regelungswirkung der Genehmigung, tritt erst ein, wenn auch die Bedingung eintritt (vgl. § 158 Abs. 1 BGB). 103Vgl. Mann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 12 BImSchG Rn. 58 (Stand der Kommentierung: Januar 2014); Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2018, § 36 Rn. 75. 104Damit erschöpft sich der Regelungsgehalt des Bescheides vom 9. November 2021 in der rechtsverbindlichen Feststellung, dass nach Auffassung des Beklagten die in der Nebenbestimmung IV. 3.1.6 des Genehmigungsbescheides vom 11. Februar 2019 geregelte aufschiebende Bedingung eingetreten ist. 105Der Klägerin mag zuzugestehen sein, dass in den Fällen, in denen der Vorhabenträger zunächst die Genehmigung allein für den Tagbetrieb beantragt, auf dieser Basis das gemeindliche Einvernehmen abgefragt und nachfolgend die Genehmigung nur für den Tagbetrieb erteilt wird, hinsichtlich der späteren Beantragung des Nachtbetriebs von einer bodenrechtlich relevanten Nutzungsänderung auszugehen sein könnte. 106Vgl. zu einer solchen Konstellation im Zusammenhang mit der Erteilung eines Vorbescheids: VG Minden, Urteil vom 8. Juni 2011 - 11 K 744/11 -, juris Rn. 27 ff. 107Eine derartige Konstellation liegt hier nach den vorstehenden Ausführungen indes nicht vor. Entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung der Klägerin musste der Beklagte sie vor Erlass des Bescheides vom 9. November 2021 auch nicht um das gemeindliche Einvernehmen hinsichtlich der Frage ersuchen, ob die in der Nebenbestimmung IV. 3.1.6 des Genehmigungsbescheides vom 11. Februar 2019 geregelte aufschiebende Bedingung eingetreten ist. Denn es handelt sich bei dieser Entscheidung - wie bereits ausgeführt - nicht um eine Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens im Sinne von §§ 36 Abs. 1, 29 Abs. 1 BauGB. Damit ist der Anwendungsbereich des § 36 BauGB insoweit bereits nicht eröffnet und ist das Einvernehmen der Gemeinde nicht erforderlich. 108II. Mit Eintritt der Einvernehmensfiktion ist es der Klägerin verwehrt, die - ihrer Ansicht nach - in der Erteilung der angefochtenen Genehmigung für das streitgegenständliche Vorhaben liegende Verletzung der vom Einvernehmenserfordernis umfassten Rechte geltend zu machen. Das gilt jedenfalls für solche Umstände, die bereits zu diesem Zeitpunkt die Verweigerung des Einvernehmens nach Auffassung der Gemeinde gerechtfertigt hätten. Insofern verletzt die Genehmigung die Gemeinde nicht in eigenen Rechten. 109Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. August 2020 - 4 C 1.19 -, juris Rn. 22 ff.; OVG NRW, Urteil vom 28. November 2007 ‑ 8 A 2325/06 -, juris Rn. 71 ff., m. w. N. 110Dies gilt indes nicht für Umstände, die nach Eintritt der Fiktion und vor Erteilung der Genehmigung entstanden sind und die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens betreffen; hierauf kann sich die Gemeinde berufen. 111Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. August 2020 - 4 C 1.19 -, juris Rn. 25 ff. 112Hiervon ausgehend ist festzustellen, dass sämtliche von der Klägerin gegen die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der beklagten Windenergieanlage vorgebrachten Einwände bereits zum Zeitpunkt des Eintritts der Einvernehmensfiktion existierten, weshalb sie sich hierauf im gerichtlichen Verfahren nicht berufen kann. 113Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen zum Rügeverlust - und damit die Abweisung der Klage selbstständig tragend - greifen die vorgebrachten Einwände der Klägerin aber auch in der Sache nicht durch. Die Klägerin hätte ihr Einvernehmen weder mit Verweis auf die im Jahr 2016 erlassene und im Jahr 2018 verlängerte Veränderungssperre für den Bebauungsplan Nr. 000, Gebiet: „N1. “ (dazu 1.) noch wegen einer nicht gesicherten Erschließung des Vorhabens (dazu 2.) noch mit Verweis auf der Windenergieanlage entgegenstehende öffentliche Belange im Sinne von § 35 Abs. 3 BauGB (dazu 3.) verweigern dürfen, weshalb die Erteilung der angefochtenen Genehmigung vom 11. Februar 2019 unter Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens, wobei es insoweit einer Betätigung des Ermessens durch den Beklagten nicht bedurfte (dazu 4.), keinen rechtlichen Bedenken begegnet. Die Bescheide vom 28. Januar 2021 bzw. vom 9. November 2021 sind nicht wegen des geltend gemachten Verstoßes gegen den Bebauungsplan Nr. 000 rechtswidrig (dazu 5.). 1141. Die Klägerin macht ohne Erfolg geltend, dem genehmigten Vorhaben habe die im Jahr 2016 erlassene und im Jahr 2018 um ein Jahr verlängerte Veränderungssperre für den Bereich des Bebauungsplans Nr. 000 entgegengestanden. 115Die vom Rat der Klägerin am 4. Mai 2016 beschlossene und am 13. Juni 2016 bekannt gegebene Veränderungssperre litt an einem zu ihrer Unwirksamkeit führenden materiellen Mangel. Die Voraussetzungen für den Erlass einer Veränderungssperre nach § 14 BauGB lagen zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses nicht vor. 116a) Nach § 14 BauGB kann die Gemeinde, wenn ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans (wirksam) gefasst ist, zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich eine Veränderungssperre mit dem Inhalt beschließen, dass Vorhaben im Sinne des § 29 BauGB nicht durchgeführt oder bauliche Anlagen nicht beseitigt werden dürfen. 117Eine Veränderungssperre kann nur verhängt werden, wenn die Planung einen Stand erreicht hat, der ein Mindestmaß dessen erkennen lässt, was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans sein soll. Hierzu gehören regelmäßig insbesondere konkretisierte Vorstellungen zur angestrebten Art der zulässigen baulichen Nutzungen. Nur dann kann die Veränderungssperre ihren Sinn erfüllen, vorhandene planerische Ziele zu sichern und deren weitere Entwicklung zu ermöglichen. Unzulässig ist eine Veränderungssperre hingegen, wenn zur Zeit ihres Erlasses der Inhalt der beabsichtigten Planung noch in keiner Weise abzusehen ist. Demgemäß muss im Zeitpunkt des Erlasses der Veränderungssperre über den bloßen Aufstellungsbeschluss hinaus auch eine hinreichende Konkretisierung der positiven Planungsabsichten vorliegen, die insbesondere eine Entscheidung über Ausnahmen nach § 14 Abs. 2 BauGB rechtssicher und vorhersehbar ermöglicht. Der der Veränderungssperre zugrunde liegende Beschluss, einen Bebauungsplan aufzustellen, muss über den Inhalt der angestrebten Planung aber keinen abschließenden Aufschluss geben. Eine strikte Akzessorietät zwischen konkreten Planungsabsichten der Gemeinde und der Rechtmäßigkeit der Veränderungssperre besteht nicht. Es ist gerade deren Sinn, vorhandene planerische Ziele zu sichern und deren weitere Entwicklung zu ermöglichen. Wesentlich ist aber, dass die Gemeinde bereits positive Vorstellungen über den Inhalt des Bebauungsplans entwickelt hat. Eine Negativplanung, die sich darin erschöpft, einzelne Vorhaben auszuschließen, reicht grundsätzlich nicht aus. 118Dabei gilt der Grundsatz, dass eine die Veränderungssperre hinreichend tragende Planung regelmäßig erst dann den erforderlichen Konkretisierungsgehalt hat, wenn der Plangeber sie auf einen bestimmten Gebietstyp ausgerichtet hat. Zielt der Bebauungsplan nicht auf die Festsetzung eines bestimmten Gebietstyps nach der Baunutzungsverordnung, sondern soll er sich auf sonstige Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 BauGB beschränken, ist ein hinreichender Konkretisierungsgrad mit Blick auf § 14 Abs. 2 BauGB erst dann erreicht, wenn sich den Planungsvorstellungen ein hinreichend konkreter Gebietsbezug dergestalt entnehmen lässt, für welche Teile des Plangebietes welche dieser Festsetzungen in Betracht gezogen wird. Nimmt der Plangeber im Wesentlichen Festsetzungen in den Blick, die eine bauliche Nutzung weitgehend ausschließen (etwa nach § 9 Abs. 1 Nr. 10, 15, 18, 20, 24 und 25 BauGB), bedarf es zudem der Feststellung, dass solche Festsetzungen, die für eine Außenbereichsfläche von vornherein fast ohne positive Bedeutung sind, im konkreten Fall gleichwohl städtebaulich erforderlich sind und das mit ihnen verbundene weitgehende Verbot einer nicht in dem zugleich festgesetzten bzw. hier noch geplanten Sinne qualifizierten Bebauung (nur) eine legitime Nebenwirkung ist, die voraussetzt, dass die Festsetzung auch in ihrer eigentlichen und gleichsam positiven Zielsetzung - hier und heute - gewollt und erforderlich ist. Wo die Nebenwirkung indes zum eigentlichen Zweck wird und allenfalls sie es ist, die gewünscht wird und „erforderlich“ sein könnte, scheiden etwa § 9 Abs. 1 Nr. 10, 18 BauGB als geeignete Grundlagen aus. 119Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Dezember 2020 ‑ 2 D 50/20.NE -, juris Rn. 27 ff., m. w. N. 120b) Hieran gemessen lag das für den Erlass einer Veränderungssperre im maßgeblichen Zeitpunkt erforderliche Mindestmaß an positiven bauleitplanerischen Vorstellungen im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB nicht vor. Diesbezüglich hat die Kammer bereits im Urteil vom 11. Mai 2017 - 8 K 2788/14 -, Seite 10 ff. des Urteilsabdrucks, ausgeführt: 121„Zunächst lassen sich dem Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan Nr. 000 und dem Beschluss über die Veränderungssperre keine nennenswerten Anhaltspunkte über die Planungsabsichten entnehmen. Bezeichnenderweise ist in den mit dem bekannt gemachten Aufstellungsbeschluss und mit der bekannt gemachten Veränderungssperrensatzung veröffentlichen Planzeichnungen für das Plangebiet keine Festsetzungsabsicht enthalten, sondern vielmehr allein der damalige „status-quo“ nachgezeichnet. Ferner hat der Stadtplanungs- und Bauausschuss mit Blick auf den Aufstellungsbeschluss lediglich beschlossen, dass ein weiteres Aufstellungsziel nicht die „Nutzung des Haldenkörpers als Standort zur Erzeugung erneuerbarer Energien“ sein soll. 122Sofern zusätzlich die Ausschuss- und Ratsvorlagen der Beigeladenen berücksichtigt werden, lassen sich daraus – auch bei einer Gesamtbetrachtung – ebenfalls keine hinreichend konkretisierten Planungsabsichten der Beigeladenen im dafür maßgeblichen Zeitpunkt entnehmen. Dies gilt insbesondere für die Ausschussvorlage Nr. 14.0124 für die Sitzung des Ausschusses am 13. März 2014 (Aufstellungsbeschluss), für die Rats- und Ausschussvorlage Nr. 16/0114 für die Sitzungen am 14. April und 4. Mai 2016 (Veränderungssperre) und der Ausschussvorlage Nr. 16/0147 für die Ausschusssitzung am 14. April 2016. Den beiden erstgenannten Ratsvorlagen zufolge soll der Bebauungsplan zur Steuerung der städtebaulichen Entwicklung der Haldenlandschaft dienen und die freiraumplanerische Entwicklung des Bereichs unterstützen. Dazu würden „insbesondere“ folgende Ziele zählen: ordnungsgemäße Erschließung (Zugänge/Zufahrten sowie Parkmöglichkeiten), Vernetzung/Wegesystem, Erholungs- und Freizeitnutzung inklusive Sportnutzung, Prüfung und Regelung baulicher Nutzungsmöglichkeiten im Haldenbereich, Gewässerbau. Aus dieser allgemein gehaltenen Aufzählung ergibt sich, dass letztlich eine Eingrenzung der Planungsabsicht nicht erfolgt ist, sondern vielmehr eine „Ideensammlung“ zu potentiellen Nutzungsmöglichkeiten vorgenommen wurde, zumal die Aufzählung der Ziele nicht enumerativ gemeint ist, wie durch das die Aufzählung vorangestellte Wort „insbesondere“ zum Ausdruck kommt. Deutlich wird die mangelnde Konkretisierung hier namentlich auch durch das in der Aufzählung nicht weiter eingeschränkte Ziel der Prüfung baulicher Nutzungsmöglichkeiten, da die Art und der Umfang baulicher Nutzung ganz erheblichen Einfluss auf die Einordnung und Ausgestaltung eines Plangebiets haben. Dies gilt auch vor dem Hintergrund der hier beabsichtigten Freiraumüberplanung des Außenbereichs. Da eine Negativplanung keine hinreichend konkreten (positiven) Planungsvorstellungen ersetzt, ergibt sich vorliegend auch aus der in der Ausschussvorlage Nr. 16/0114 ausdrücklich genannten Absicht, anderweitig bestehende Nutzungsabsichten, die sich nicht mit den städtischen Vorstellungen der Beigeladenen decken, namentlich die Errichtung von WEA auszuschließen, keine andere Bewertung der Umstände. Dass im maßgeblichen damaligen Zeitpunkt im Übrigen noch keinerlei planerische Konkretisierung ersichtlich war, lässt sich exemplarisch daran sehen, dass in der Ratsvorlage zum Aufstellungsbeschluss mit Blick auf die Prüfung baulicher Nutzungsmöglichkeiten noch der Klammerzusatz „z.B. Jugendhotel“ vorhanden war, der in der Ratsvorlage zur Veränderungssperre ca. zwei Jahre später nicht mehr enthalten ist. Ferner geht aus der Ratsvorlage zur Veränderungssperre hervor, dass ein „zu erstellende[s] Nutzungskonzept“ „zukünftig“ die Grundlage für das Bebauungsplanverfahren Nr. 000 bilden soll. Mithin geht die Beigeladene selbst davon aus, dass ein solches noch nicht vorliegt. In der Ausschussvorlage Nr. 16/0147 werden vorrangig die Ergebnisse des Werkstattverfahrens vorgestellt. In einem nächsten Schritt solle ein „Rahmenkonzept“ entwickelt werden, dass insbesondere Grundlage für das weitere Aufstellungsverfahren des Baubauungsplans 000 „N1. “ sei. Mithin lässt sich wiederum aus der Vorlage selbst ableiten, dass nicht einmal ein Rahmenkonzept besteht, sondern vielmehr einige „Ideen“ gesammelt wurden. Schließlich ergibt sich aus den beiden letztgenannten Vorlagen, dass das Werkstattverfahren vom 11. bis 13. November 2015 lediglich eine Grundlage für ein Nachnutzungskonzept bilden soll; in welchem Umfang die Ergebnisse des Werkstattverfahrens jedoch übernommen werden, ist gerade nicht ersichtlich.“ 123Diesen Ausführungen tritt die Klägerin rechtlich nicht durchgreifend entgegen, zumal sich die Kammer wie vorstehend ersichtlich - entgegen dem Vortrag der Klägerin - eingehend mit dem Aufstellungsbeschluss zum Bebauungsplan Nr. 000, dem Beschluss über die Veränderungssperre, den zugehörigen Ausschuss- und Ratsvorlagen und den Planungsunterlagen der Klägerin auseinandergesetzt hat. Auch die weiteren Ausführungen der Klägerin bieten keinen Anlass, die Wirksamkeit der Veränderungssperre im maßgeblichen Zeitpunkt der Genehmigungserteilung nachträglich rechtlich abweichend zu bewerten. Insofern wird zur Vermeidung von Wiederholungen zusätzlich auf die diesbezüglichen Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen in dem Beschluss vom 2. Juli 2021 - 7 B 286/21 -, Seite 6 f. des Beschlussabdrucks = juris Rn. 17 ff., im zugehörigen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes Bezug genommen. 124Daher kann dahinstehen, ob - wie der Beklagte in dem angefochtenen Bescheid annimmt und die Klägerin in Zweifel zieht - die Veränderungssperre dem Vorhaben der Beigeladenen (auch) deswegen nicht (mehr) entgegengehalten werden kann, weil ihre dreijährige Geltungsdauer ab dem 17. Dezember 2018 überschritten war. 1252. Die Klägerin hätte ihr gemeindliches Einvernehmen auch nicht aufgrund einer mangelnden Erschließung des Anlagengrundstücks im Sinne von § 35 Abs. 1 BauGB verweigern dürfen. 126Anders als die Erschließungsanforderung in Gebieten mit qualifizierten Bebauungsplänen sowie im nicht beplanten Innenbereich verlangt § 35 Abs. 1 BauGB nur eine ausreichende Erschließung. An die gesicherte Erschließung sind damit geringere Anforderungen zu stellen. Die ausreichende Erschließung richtet sich nach den jeweiligen Vorhaben, den sich daraus ergebenden Anforderungen an die Erschließung und den örtlichen Gegebenheiten. Mit dem Erfordernis einer ausreichenden Erschließung soll insgesamt berücksichtigt werden, dass ein Mindestmaß an Zugänglichkeit der Grundstücke für Kraftfahrzeuge, und zwar nicht nur des Nutzers des privilegierten Betriebes, sondern auch für öffentlichen Zwecken dienende Fahrzeuge, wie z. B. der Feuerwehr und der Entsorgung erfüllt wird, und weiter, dass der Gemeinde nicht als Folge der Genehmigung von Vorhaben unangemessene Erschließungsmaßnahmen aufgedrängt werden. Andererseits muss berücksichtigt werden, dass die Zulassung von privilegierten Vorhaben nicht an übertriebenen Anforderungen an die Erschließung scheitern darf. 127Vgl. OVG Rh.-Pf., Urteil vom 22. November 2007 ‑ 1 A 10253/07 -, juris Rn. 45; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, § 35 BauGB Rn. 69, m. w. N. (Stand der Kommentierung: Oktober 2019). 128Gesichert im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB ist die Erschließung, wenn damit gerechnet werden kann, dass sie bis zur Herstellung des Bauwerks (spätestens bis zur Gebrauchsabnahme) funktionsfähig angelegt und wenn ferner damit zu rechnen ist, dass sie auf Dauer zur Verfügung stehen wird. 129Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. August 1985 - 4 C 48.81 -, juris Rn. 20. 130Ausgehend hiervon ist sowohl die wegemäßige Erschließung des Anlagengrundstücks (dazu a)) als auch die Löschwasserversorgung (dazu b)) ausreichend gesichert. 131a) Die wegemäßige Erschließung des Anlagengrundstücks ist ausreichend gesichert. Nach den von der Klägerin nicht substantiiert in Zweifel gezogenen Angaben des Beklagten (vgl. Seite 21 des Schriftsatzes vom 18. Oktober 2019) sind die Betriebswege auf der Halde N1. schon für den Schwerverkehr während der Aufschüttungsphase ausgelegt gewesen. Auch ist die Benutzung dieser Wege für die Anlieferung der Windenergieanlage sowie für spätere Kontroll- und Wartungsarbeiten vertraglich zwischen der Beigeladenen und der S1. abgesichert. Für das Flurstück 000 der F. wiederum besteht ein Nutzungsvertrag zwischen der S1. und der F. . Im Vertrag über das Vorhabengrundstück zwischen der S1. und der Beigeladenen ist weiter geregelt, dass auch die Beigeladene für die Erschließung ihres Anlagengrundstücks von diesen Nutzungsrechten Gebrauch machen darf. 132b) Die Erschließung des Vorhabens ist auch mit Blick auf die Verfügbarkeit von Löschwasser ausreichend gesichert. 133In dem von der Beigeladenen im Genehmigungsverfahren vorgelegten Brandschutzkonzept, das Bestandteil der Genehmigung vom 11. Februar 2019 geworden ist (vgl. Anhang II Ziffer 12), ist im Einzelnen ausgeführt, dass aufgrund der besonderen Konstruktionsart der Windenergieanlagen der Firma ENERCON keine erhöhte Brandlast oder Brandgefährdung bestehe und im Falle eines Brandes keine größere Anzahl von Menschen, Tieren oder erheblichen Sachwerten gefährdet sei. Deswegen sei eine örtliche Löschwasserbereitstellung (Hydranten, Löschwasserbehälter usw.) nicht notwendig. Zur Erfüllung des abwehrenden Brandschutzes hätten die Gemeinden die notwendige Löschwasserversorgung bereitzustellen und zu unterhalten. Dies werde - so der Beklagte (vgl. Seite 22 des Schriftsatzes vom 18. Oktober 2019) - auch durch die Feuerwehr der Klägerin durch entsprechende Wassermengen in den Löschfahrzeugen gewährleistet. Bei einem Brand der Gondel sei zunächst die Sicherung der Umgebung notwendig. Löschwasser werde erst benötigt, wenn brennende Teile herabstürzten. Bei einem Brand im Turmfuß müsse zunächst die Abschaltung der Anlage bestätigt werden bis Löschwasser benötigt werde. Da die Feuerwehr keine Möglichkeit zum Löschen eines Brandes in großen Höhen habe, konzentriere sich der Brandschutz bei Windenergieanlagen auf die Vermeidung und Früherkennung von Bränden sowie bereits vorgeschaltet auf die Vermeidung und Erkennung von kritischen Zuständen, die zu einem Brand führen könnten. Dieser Schwerpunkt sei auch im Brandschutzleitfaden des Verbandes der deutschen Sachversicherer (VdS 3523) verankert. Dort würden Blitzeinschlag, elektrische Störungen und heiße Oberflächen als die häufigsten Brandursachen genannt und dementsprechend ein Blitzschutzsystem, ein elektrisches Schutzkonzept, die Zustandsüberwachung und Meldung an eine ständig besetzte Stelle über die Fernüberwachung sowie eine regelmäßige fachkundige Wartung als zentrale Elemente des Brandschutzes aufgezeigt. Diese Elemente seien heute Standard bei modernen Windenergieanlagen und bei der beklagten Windenergieanlage vorhanden. Verglichen mit anderen gewerblich-industriellen Anlagen bewerteten Brandschutzingenieure die Brandlasten in Windenergieanlagen als gering. 134Diesen eingehend begründeten und plausiblen Ausführungen hat die Klägerin nichts Substanzielles entgegengesetzt und daher keine begründeten Zweifel an dem Vorbringen des Beklagten geweckt. Dem Hinweis der Klägerin auf die Gefahr eines Haldenbrandes und der hierdurch bedingten Gefährdung der umliegenden Wohnhäuser hält der Beklagte entgegen (vgl. Seite 23 f. des Schriftsatzes vom 18. Oktober 2019), dass es sich bei der Bergehalde N1. um Gesteinsmassen handele, die beim Abbau der zu gewinnenden Kohle mit abgebaut worden seien. Bei dem Bergematerial, das seit etwa 1950 auf die Halden des Bergbaus aufgeschüttet worden sei, habe sich der Restkohlegehalt gegenüber der Zeit davor stark verringert, d. h. die brennbaren Bestandteile des aufgeschütteten Materials seien wesentlich weniger geworden. Weiter sei seit diesem Zeitpunkt darauf geachtet worden, die Aufschüttung so durchzuführen, dass möglichst keine Hohlräume entstünden. So sei insbesondere im Topbereich der HaIde N1. und auch bei der Gestaltung der zwei geschlungenen, aufsteigenden Tropfen nur Bergematerial verwendet worden, dass bei der Gewinnung von Kohle nach dem neusten Stand der Technik angefallen sei. Der Restkohlegehalt sei daher denkbar klein. Weiter sei - schon aus Gründen der Standsicherheit - ein Standort gewählt worden, an dem die Schüttdichte nachweislich besonders gut sei. Der Aufbau und das Bergematerial der Bergehalde N1. unterschieden sich erheblich vom Aufbau und dem Schüttmaterial der HaIde H2. und somit auch in der potenziellen Brandgefahr. Daher sei die Gefahr einer Entzündung durch eine äußere Quelle praktisch ausgeschlossen. Auch aus der langjährigen Genehmigungspraxis des Beklagten für Windenergieanlagen könne gesagt werden, dass in keinem Fall eine Löschwasserbereitstellung (Hydranten, Löschwasserbehälter usw.) am Standort einer Windenergieanlage notwendig gewesen sei. Unter den Standorten für Windenergieanlagen im Zuständigkeitsbereich des Beklagten befänden sich mehrere Standorte auf Halden, im Waldrandbereich und auch direkt im Wald. Auch diesen nachvollziehbaren und einzelfallbezogenen Ausführungen des Beklagten ist die Klägerin nicht substantiiert entgegengetreten. Ihr Verweis auf die Situation an der angrenzend gelegenen Halde H2. , die sich seit vielen Jahren in einem Schwelbrand befinde, ist bereits deswegen nicht zielführend, weil dieser Schwelbrand auf eine Selbstentzündung des Bergematerials im Inneren der Halde H2. und nicht auf eine Entzündung durch eine äußere Quelle zurückgeht. Demgemäß hätte ein entsprechender Schwelbrand im Inneren der Halde N1. seine Ursache gerade nicht im Betrieb der beklagten Windenergieanlage. 135Die im Zuge der Realisierung des Landschaftsparks geplanten Übernachtungsmöglichkeiten („Basislager“) sind hier schon deshalb nicht relevant, weil sie zum Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Genehmigung vom 11. Februar 2019 ihrerseits noch nicht genehmigt waren. 136Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2. Juli 2021 ‑ 7 B 286/21 -, juris Rn. 23. 1373. Die Versagung des gemeindlichen Einvernehmens durfte die Kläger ferner nicht auf dem Vorhaben entgegenstehende öffentliche Belange stützen. 138Inwieweit einem durch § 35 Abs. 1 BauGB privilegierten Vorhaben - wie hier der Windenergieanlage nach Nr. 5 der vorgenannten Vorschrift - öffentliche Belange im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB entgegenstehen, ist grundsätzlich im Wege einer „nachvollziehenden“ Abwägung zu ermitteln. Dabei sind die öffentlichen Belange je nach ihrem Gewicht und dem Grad ihrer nachteiligen Betroffenheit einerseits und das kraft der gesetzlichen Privilegierung gesteigert durchsetzungsfähige Privatinteresse an der Verwirklichung des Vorhabens andererseits einander gegenüberzustellen. Privilegierte Vorhaben sind nicht an jedem beliebigen Standort im Außenbereich zulässig. Auch für privilegierte Anlagen gilt das Gebot der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs. Mit § 35 Abs. 1 BauGB hat der Gesetzgeber den Außenbereich insbesondere nicht generell als Baubereich für privilegierte Vorhaben freigegeben, sondern ihre Zulässigkeit vielmehr von der Einzelfallprüfung abhängig gemacht, ob ihnen an einem konkreten Standort öffentliche Belange entgegenstehen. Im Einzelnen bestimmt sich das Gewicht sowohl der Privilegierung als auch das der öffentlichen Belange anhand einer Bewertung des Einzelfalls. 139Vgl. OVG NRW, Urteil vom 1. März 2018 - 8 A 2478/15 -, juris Rn. 66 ff., m. w. N. 140Hiervon ausgehend stehen dem streitgegenständlichen Vorhaben die von der Klägerin geltend gemachten öffentliche Belange in Gestalt des Landschaftsschutzes (dazu a)), von schädlichen Umwelteinwirkungen in Form von Lärm (dazu b)), des Naturschutzes (dazu c)), des Denkmalschutzes (dazu d)), des Orts- und Landschaftsbildes (dazu e)) sowie des Rücksichtnahmegebots (dazu f)) nicht entgegen. 141a) Die Windenergieanlage widerspricht nicht den Darstellungen eines Landschaftsplans gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauGB. 142Der Vorhabenstandort liegt im räumlichen Geltungsbereich des Landschaftsschutzgebiets Nr. 10 „C. “ des am 7. März 2001 öffentlich bekannt gemachten Landschaftsplans Nr. 4 „H1. “ des Beklagten. Innerhalb dieses Landschaftsschutzgebiets ist die Errichtung einer baulichen Anlage im Sinne der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, von der auch Windenergieanlagen erfasst werden, nach Maßgabe von § 26 BNatSchG grundsätzlich verboten, wobei die Errichtung von Windenergieanlagen in planungsrechtlich abgesicherten Konzentrationszonen ausdrücklich unberührt bleibt (vgl. Abschnitt C.1.2.1, Verbot Nr. 1, Seite 114 des Landschaftsplans). Von diesem Bauverbot hat der Beklagte in dem Genehmigungsbescheid vom 11. Februar 2019 eine Befreiung auf der Grundlage des § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG erteilt (vgl. dort Seite 3 und 37). Diese Entscheidung ist rechtmäßig. 143Die Erteilung einer Befreiung nach § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG setzt voraus, dass diese aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art, notwendig ist. Durch Gründe des Wohls der Allgemeinheit gedeckt sind alle Maßnahmen, an denen ein öffentliches Interesse besteht. Liegt ein solches vor, ist zu prüfen, ob es die Befreiung erfordert. Eine Befreiung ist nicht erst dann erforderlich, wenn den Belangen der Allgemeinheit auf keine andere Weise als durch die Befreiung entsprochen werden könnte, sondern schon dann, wenn es zur Wahrnehmung des jeweiligen öffentlichen Interesses vernünftigerweise geboten ist, mit Hilfe der Befreiung das Vorhaben an der vorgesehenen Stelle zu verwirklichen. Es genügt nicht, wenn die Befreiung dem allgemeinen Wohl nur irgendwie nützlich oder dienlich ist. 144Vgl. OVG NRW, Urteil vom 1. März 2021 - 8 A 1183/18 -, juris Rn. 340 f., m. w. N. 145Nach diesen allgemeinen Grundsätzen konnte für das dem grundsätzlichen Bauverbot des Landschaftsplans widersprechende Vorhaben der Beigeladenen, das von den im Landschaftsplan vorgesehenen Ausnahmeregelungen nicht erfasst wird, eine rechtmäßige Befreiung nach § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG erteilt werden. Ausgehend von dem Schutzzweck des Landschaftsschutzgebietes (dazu aa)) besteht die allgemeine Möglichkeit einer Befreiung (dazu bb)) und überwiegt das öffentliche Interesse an der Windenergienutzung den Landschaftsschutz im vorliegenden Einzelfall (dazu cc)). Ermessensfehler liegen nicht vor (dazu dd)). 146aa) Für das Landschaftsschutzgebiet Nr. 10 „C. “ ist der Schutzzweck in Abschnitt C.1.2.2 des Landschaftsplans Nr. 4 des Beklagten (dort Seite 143) wie folgt bestimmt: 147„Die Festsetzung erfolgt gem. § 21 a) LG 1481. zur Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes. 149Die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes in diesem Gebiet wird im Wesentlichen bestimmt durch: 150- die ca. 80 jährige M1.-----allee , ca. 450 m entlang der „L1. “, westlich und östlich der F1. Straße (B 224), 151- den Gehölzkomplex auf den Haldenfüßen am Südwestende des C2.--straßentales zwischen der N3. und der I. 22“. 152In den zugehörigen Erläuterungen heißt es: 153„Der von der bergbaulichen Nutzung stark überformte Landschaftsraum zeigt nur noch wenige naturnahe Lebensräume und gliedernde und belebende Landschaftselemente auf. Durch die Schüttprozesse bzw. durch die noch zu erwartenden Haldenschüttungen ist der Raum in seinem Wirkungsgefüge, Erscheinungsbild und für die Erholungsnutzung stark beeinträchtigt. Die Festsetzung des Raumes als Landschaftsschutzgebiet ist zur Wiederherstellung naturnaher Lebensstätten und Lebensgemeinschaften und ihrer Wirkungsgefüge entsprechend der veränderten spezifischen Standortbedingungen als auch zur Wiederherstellung eines befriedigenden Landschaftsbildes mit einem entsprechenden Wegeangebot für die wohnungsbezogene und gesamtstädtische Erholungsnutzung erforderlich.“ 154bb) Die Erteilung der Befreiung nach § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG scheidet hier nicht von vornherein deshalb aus, weil der Landschaftsplan Nr. 4 (Abschnitt C.1.2.1, Ausnahme Nr. 1 Buchstabe b) eine Ausnahme insbesondere nur für solche Vorhaben vorsieht, die § 35 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BauGB in der bei Erlass des Landschaftsplans geltenden Fassung unterfielen. Die Voraussetzungen für Ausnahmen, die im Landschaftsplan selbst vorgesehen sind, und einer Befreiung nach § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG sind verschieden. Wäre bei allen Fallgestaltungen, die im Landschaftsplan nicht ausdrücklich als Ausnahme genannt sind, ein atypischer Fall als ungeschriebene Voraussetzung für eine Befreiung ausgeschlossen, bliebe für den Befreiungstatbestand kein Anwendungsfall mehr. Dies ist gesetzlich nicht gewollt. 155Vgl. OVG NRW, Urteil vom 1. März 2021 - 8 A 1183/18 -, juris Rn. 346 f., m. w. N., und Beschluss vom 2. Juli 2021 ‑ 7 B 286/21 -, juris Rn. 26. 156Abgesehen davon geht der Landschaftsplan Nr. 4 selbst von einem Nebeneinander der dort ausdrücklich genannten Ausnahmen und einer gesetzlich geregelten Befreiung aus. Dies folgt unzweifelhaft aus der die Ausnahmetatbestände einleitenden Formulierung „Über die Befreiungsmöglichkeit gem. § 69 LG von den Ge- und Verboten […] hinaus“. In § 69 des Gesetzes zur Sicherung des Naturhaushalts und zur Entwicklung der Landschaft (Landschaftsgesetz - LG) war eine allgemeine Befreiungsmöglichkeit geregelt, deren Voraussetzungen im Wesentlichen denjenigen in § 67 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG entsprechen. Mit der Neufassung durch Artikel 1 des Gesetzes vom 15. November 2016 (GV.NRW. S. 934) wurde das Landschaftsgesetz als Gesetz zum Schutz der Natur in Nordrhein-Westfalen (Landesnaturschutzgesetz - LNatSchG NRW) verkündet. Eine allgemeine Befreiungsvorschrift sieht das Landesnaturschutzgesetz nicht mehr vor, sondern verweist in § 75 auf die Befreiungsvorschrift des § 67 BNatSchG. 157cc) Der Beklagte hat ohne Rechtsfehler darauf abgestellt, dass am konkreten Standort ein überwiegendes öffentliches Interesse zugunsten der Windenergie im Sinne des § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG anzunehmen ist. 158Eine Befreiung setzt eine Abwägungsentscheidung im Einzelfall voraus, bei der zu prüfen ist, ob die Gründe des Allgemeinwohls so gewichtig sind, dass sie sich gegenüber den Belangen des Landschaftsschutzes durchsetzen. Das allgemeine Interesse am Ausbau regenerativer Energien stellt ein besonderes öffentliches Interesse im Sinne von § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG dar, begründet jedoch keinen allgemeinen Vorrang vor dem Landschaftsschutz. Insbesondere ist es nicht geeignet, Landschaftsschutzgebietsfestsetzungen bzw. -verordnungen und die mit ihnen verfolgten Ziele im Wege der Befreiung generell zu Gunsten von energiepolitischen Zwecken zu relativieren. Umgekehrt ist es nicht ausgeschlossen, dass sich die Windenergie in besonders gelagerten Einzelfällen gegenüber den Belangen des Landschaftsschutzes durchsetzt, wenn die Landschaft am vorgesehenen Standort weniger schutzwürdig, die Beeinträchtigung geringfügig ist und das durch die Landschaftsschutzfestsetzung unter besonderen Schutz gestellte Ziel der dauerhaften Sicherung der Vielfalt, Eigenart und Schönheit wie des Erholungswerts der Landschaft nicht beeinträchtigt wird. 159Vgl. OVG NRW, Urteil vom 1. März 2021 - 8 A 1183/18 -, juris Rn. 349 f., m. w. N., und Beschluss vom 2. Juli 2021 ‑ 7 B 286/21 -, juris Rn. 30. 160Das kommt insbesondere in Betracht, wenn der Landschaftsplan - wie hier - weite Teile des Außenbereichs einer Gemeinde unter Schutz stellt. 161Vgl. OVG NRW, Urteil vom 1. März 2021 - 8 A 1183/18 -, juris Rn. 351, m. w. N., und Beschluss vom 2. Juli 2021 ‑ 7 B 286/21 -, juris Rn. 30. 162Dies zugrunde gelegt, überwiegt am geplanten Anlagenstandort das öffentliche Interesse an der Windenergienutzung die Belange des Landschaftsschutzes. Zur Begründung seiner Entscheidung verweist der Beklagte in dem Genehmigungsbescheid vom 11. Februar 2019 (im Anschluss an die Stellungnahme seiner Unteren Naturschutzbehörde vom 12. Dezember 2018) darauf, dass der Vorhabenstandort kein Teilbereich des Landschaftsschutzgebietes sei, dem eine besondere oder herausragende Funktion zugeordnet werden könne. Für das Landschaftsschutzgebiet „C. “ seien im Landschaftsplan keine über die allgemeinen Festsetzungen hinausgehenden Ge- und Verbote formuliert. Ferner spricht für ein überwiegendes Interesse an der Windenergienutzung am vorliegenden Standort, dass - wie bereits der Landschaftsplan selbst erläuternd feststellt - eine unberührte bzw. intakte Naturlandschaft aufgrund der langjährigen bergbaulichen Nutzung und den damit einhergehenden erheblichen Schüttprozessen ohnehin nicht besteht und das betroffene Gebiet nur über einen stark eingeschränkten Erholungswert verfügt. Zudem ist eine allenfalls geringfügige Beeinträchtigung der Landschaft durch die Windenergieanlage zu erwarten, zumal diese eine vergleichsweise geringe Bodenfläche von 110m² einnimmt. Dem widerspricht auch nicht die optische Gestaltung des Tops der Halde N1. in Gestalt zweier ineinander verschlungener Tropfen (die ursprünglich geplante Gestaltung als Vulkankegel musste mangels vorhandener Erdmassen verworfen werden), zumal dies vom Standpunkt eines am Fuße oder auf der Halde stehenden Betrachters ohnehin nicht sichtbar sein dürfte. 163Die Errichtung und der Betrieb einer Windenergieanlage am Vorhabenstandort beeinträchtigen auch nicht den in den vorstehend zitierten Erläuterungen des Landschaftsplans genannten Schutzzweck des Landschaftsschutzgebiets, wonach die Festsetzung zur Wiederherstellung naturnaher Lebensstätten und Lebensgemeinschaften sowie eines befriedigenden Landschaftsbildes mit einem entsprechenden Wegeangebot für die wohnungsbezogene und gesamtstädtische Erholungsnutzung erforderlich sei. Abgesehen davon, dass der Landschaftsplan selbst von der Wiederherstellung eines (lediglich) „befriedigenden“ Landschaftsbildes spricht, kann eine nicht mehr hinzunehmende Beeinträchtigung der genannten Ziele durch die Windenergieanlage nicht festgestellt werden. Im Gegenteil verweist der Regionalverband Ruhr (RVR) z. B. im Zusammenhang mit der auf der Halde Hoppenbruch (Stadt Herten), die ebenfalls in einem Landschaftsschutzgebiet liegt (vgl. Landschaftsschutzgebiet Nr. 3 „Haldenlandschaft Hoppenbruch“ des Landschaftsplans Nr. 5 „F2. “ des Beklagten vom 3. Dezember 2008) errichteten Windenergieanlage ausdrücklich auf das gut ausgebaute Wegesystem für Spaziergänger sowie die rund 4,4 km lange Mountainbikestrecke, 164vgl. https://www.rvr.ruhr/themen/tourismus-freizeit/halden-landmarken/orte-halden/orte-detailseite-halden/news/halde-hoppenbruch-kreis-recklinghausen/, 165und damit auf Gesichtspunkte, die unter den Begriff der Naherholung fallen. Auch ausweislich der Darstellungen der Stadt Herten auf ihrer Internetpräsenz stellt die Halde Hoppenbruch beliebtes Ausflugsziel u. a. für sportliche Aktivitäten dar. 166Vgl. https://www.herten.de/kultur-und-freizeit/naherholung-erholung-im-gruenen/halde-hoppenbruch.html. 167Der RVR als zwischenzeitlicher Eigentümer u. a. der N1. sieht diese ‑ sowie weitere bereits mit Windenergieanlagen bebaute Halden - in seiner Pressemitteilung vom 22. Januar 2021, 168im Internet abrufbar unter https://www.rvr.ruhr/service/presse/pressemitteilung-detailseite/news/gruene-infrastruktur-der-metropole-ruhr-wird-weiter-ausgebaut-acht-halden-der-rag-jetzt-im-besitz-des-rvr/, 169als für touristische Angebote relevant an und stellt zudem heraus, dass auch die Bebauung von Halden mit Windenergieanlagen zum Zweck der Gewinnung von Energie aus regenerativen Quellen seiner beabsichtigen Nutzung entspreche. Auf sechs Halden seien, so der RVR, bereits Anlagen zur Energieerzeugung installiert; weitere kämen potenziell als zusätzliche Standorte für Windkraft- oder Solaranlagen in Betracht. Vor diesem Hintergrund vermag die Kammer der Annahme der Klägerin, die Windenergieanlage beeinträchtige die Entwicklung bzw. Nutzung der N1. zu einem bzw. als Naherholungsgebiet in einer nicht mehr hinzunehmenden Art und Weise nicht zu folgen, zumal der Anblick von Windenergieanlagen im Außenbereich aufgrund ihrer mittlerweile vorkommenden Häufigkeit - nach den im Internet verfügbaren Zahlen ist die Anzahl von Windenergieanlagen an Land in Deutschland von etwa 9.300 im Jahr 2000 auf etwa 29.600 im Jahr 2020 angestiegen, die überwiegend in Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein errichtet sind -, 170vgl. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/20116/umfrage/anzahl-der-windkraftanlagen-in-deutschland-seit-1993/#professional, 171eine Alltäglichkeit geworden sein dürfte, was eher für eine das Erscheinungsbild der Landschaft mitgestaltende und keine beeinträchtigende Wirkung sprechen könnte. 172dd) Ermessensfehler nach § 40 VwVfG NRW, § 114 Satz 1 VwGO sind weder vorgetragen noch ersichtlich. 173Die zur Entscheidung berufene Behörde „kann“ nach § 67 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG eine Befreiung erteilen. Ihr steht ein Befreiungsermessen zu. Sie ist daher grundsätzlich berechtigt, unter Wahrung der gesetzlichen Ermessensgrenzen eine beantragte Befreiung aus Gründen der Zweckmäßigkeit zu versagen. Da die für die Ermessensausübung entscheidungsrelevanten Aspekte in der Regel bereits im Rahmen der Prüfung der tatbestandlichen Befreiungsvoraussetzungen zu berücksichtigen sind, verbleiben auf der nachgelagerten Ebene der Ermessenausübung allerdings nur noch „Ermessensreste“. 174Vgl. OVG NRW, Urteil vom 1. März 2021 - 8 A 1183/18 -, juris Rn. 354 f., m. w. N. 175Dies zugrunde gelegt, sind hier keine über das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen hinausgehenden (und damit nicht bereits berücksichtigten) ermessensrelevanten Gesichtspunkte ersichtlich, aus denen eine Befreiung hätte versagt werden können. 176b) Von der genehmigten Windenergieanlage gehen keine schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB in Form von Lärm aus. 177Ausgehend von den Immissionsrichtwerten der TA Lärm (dazu aa)) sind die im Einwirkungsbereich der Windenergieanlage liegenden maßgeblichen Immissionsorte keinen unzumutbaren Lärmimmissionen ausgesetzt (dazu bb)). 178aa) Im Einwirkungsbereich der Windenergieanlage gelten unterschiedliche Immissionsrichtwerte. Es befinden sich dort durch den Bebauungsplan Nr. 001, I3. -, C2. -, S1.-------straße („C. A“) der Klägerin ausgewiesene reine Wohngebiete, in denen grundsätzlich (vgl. aber die nachfolgenden Ausführungen unter Gliederungspunkt C. II. 3. b) bb) aaa) (1)) die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6.1 Satz 1 Buchstabe f TA Lärm maßgeblich sind. Ferner befinden sich dort Wohnhäuser, die durch den Bebauungsplan Nr. 001 und Nr. 002, Gebiet: Gewerbepark H1. , der Klägerin als allgemeine Wohngebiete ausgewiesen sind. Allerdings wird in der Begründung zum Bebauungsplan Nr. 002 (dort Seite 23) ausgeführt, dass es sich bei der städtebaulichen Situation des Plangebietes überwiegend um Gemengelagen handele, die im Laufe der Zeit gewachsen seien. Deshalb sei bei der Betrachtung der immissionsrechtlichen Situation unter Berücksichtigung der vorhandenen Betriebe (gemeint sind Gewerbebetriebe) und der hierdurch bedingten Immissionsvorbelastung für die Baugebiete im Bebauungsplangebiet das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme anzuwenden. Daher werde den angrenzenden allgemeinen Wohngebieten immissionsschutzrechtlich der Störgrad von Mischgebieten zugewiesen, weshalb hier Buchstabe d und nicht e von Nr. 6.1 Satz 1 TA Lärm Anwendung findet. Diese immissionsschutzrechtliche Einordnung des zulässigen Störgrades wird durch die Klägerin nicht (substantiiert) in Zweifel gezogen. 179Den im bauplanungsrechtlichen Außenbereich gelegenen Wohnhäusern sind ebenfalls die für Dorf- und Mischgebiete nach Nr. 6.1 Satz 1 Buchstabe d TA Lärm festgelegten Grenzwerte zuzumuten. 180Ständige Rechtsprechung, vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 22. November 2021 - 8 A 973/15 -, juris Rn. 119 f., m. w. N. 181Für die im Einwirkungsbereich ausgewiesenen Gewerbegebiete (Bebauungsplan Nr. 002) gelten die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6.1 Buchstabe b TA Lärm. 182bb) Die hiernach maßgeblichen Immissionsrichtwerte werden durch den Betrieb der streitgegenständlichen Windenergieanlage hinreichend sicher eingehalten. Dies folgt aus den auf der Grundlage des Interimsverfahrens durchgeführten Berechnungen in den Schallimmissionsprognosen vom 31. Januar 2019 bzw. 27. Oktober 2021. Danach werden die zulässigen Immissionsrichtwerte an den maßgeblichen Immissionsorten im Einwirkungsbereich der Windenergieanlage weder während des nunmehr zugelassenen Nachtbetriebs (dazu aaa)) noch des Tagbetriebs (dazu bbb)) überschritten. 183aaa) Der Beklagte hat - wie bereits ausgeführt - durch Bescheid vom 9. November 2021 verbindlich festgestellt, dass der durch den Genehmigungsbescheid vom 11. Februar 2019 (vgl. Ziffer IV. 3.1.6 i. V. m. 3.1.5) zunächst aufschiebend bedingt zugelassene schallreduzierte Nachtbetrieb im Betriebsmodus 100 dB mit einer Leistung von 2350 kW ab sofort aufgenommen werden darf, weil die Beigeladene den Eintritt der aufschiebenden Bedingung nachgewiesen habe. In diesem Betriebsmodus werden die rechtlich zulässigen Immissionsrichtwerte während des Nachtbetriebs hinreichend verlässlich eingehalten. 184(1) In der Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019, die entgegen der Behauptung der Klägerin ausdrücklich in der angefochtenen Genehmigung aufgeführt (vgl. dort Seite 3 sowie Anhang II Nr. 15) und damit zum Bestandteil selbiger geworden ist und bei der für die Ausbreitungsrechnung - mangels eines zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Vermessungsberichts des hier genehmigten Anlagentyps - der höchste vom Hersteller für den Betriebsmodus 100 dB angegebene Schallleistungspegel von 100 dB(A) zuzüglich eines Sicherheitszuschlags in Höhe von 2,1 dB(A) für den oberen Vertrauensbereich (wegen der Unsicherheit des Prognosemodells, der Unsicherheit durch Serienstreuung, der Unsicherheit der Herstellerangaben sowie einer angenommenen Irrtumswahrscheinlichkeit von 10 %, vgl. Seite 36 f. der Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019) zugrunde gelegt wurde, wurde ausweislich der Ergebnistabelle (dort Seite 46 f.) an keinem dort betrachteten Immissionsort der jeweils rechtlich zulässige Immissionsrichtwert überschritten. 185Diese Feststellung gilt insbesondere in Bezug auf das Wohnhaus S1.-------straße 71 (= IP 70 WR), das in einem durch den Bebauungsplan Nr. 001 ausgewiesenen reinen Wohngebiet liegt und für das unter Berücksichtigung der Vorbelastung durch die TH Food GmbH eine Gesamtbelastung von 36,0 dB(A) berechnet wurde. Ungeachtet der Ausweisung als reines Wohngebiet ist die Annahme des Beklagten in dem angefochtenen Bescheid, am Immissionspunkt S1.-------straße 71 gelte ein Immissionsrichtwert von 40 dB(A) nachts und von 55 dB(A) tags, keinen rechtlichen Bedenken ausgesetzt. 186Zwar betragen die Immissionsrichtwerte in reinen Wohngebieten gemäß Nr. 6.1 Satz 1 Buchstabe f TA Lärm 35 dB(A) nachts und 50 dB(A) tags. Grenzen gewerblich, industriell oder hinsichtlich ihrer Geräuschauswirkungen vergleichbar genutzte und zum Wohnen dienende Gebiete aneinandergrenzen (Gemengelage), können allerdings gemäß Nr. 6.7 Abs. 1 Satz 1 TA Lärm die für die zum Wohnen dienenden Gebiete geltenden Immissionsrichtwerte auf einen geeigneten Zwischenwert der für die aneinandergrenzenden Gebietskategorien geltenden Werte erhöht werden, soweit dies nach der gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme erforderlich ist. Dabei sollen nach Satz 2 der vorgenannten Vorschrift die Immissionsrichtwerte für Kern-, Dorf- und Mischgebiete nicht überschritten werden. Nach Nr. 6.7 Abs. 2 Satz 1 TA Lärm ist für die Höhe des Zwischenwertes die konkrete Schutzwürdigkeit des betroffenen Gebietes maßgeblich. Als wesentliche Kriterien nennt Nr. 6.7 Abs. 2 Satz 2 TA Lärm die Prägung des Einwirkungsgebiets durch den Umfang der Wohnbebauung einerseits und durch Gewerbe- und Industriebtriebe andererseits, die Ortsüblichkeit eines Geräusches und die Frage, welche der unverträglichen Nutzungen zuerst verwirklicht wurde. 187Die Annahme einer Gemengelage in diesem Sinne setzt nicht ein unmittelbares Aneinandergrenzen der Gebiete voraus. Da die Rechtsprechung vor der erstmaligen Einführung von Regelungen zu Gemengelagen in der TA Lärm die besonderen Rechtsgrundsätze für Gemengelagen aus dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme abgeleitet hat, 188vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1975 - IV C 71.73 -, juris Rn. 23, m. w. N., 189und die TA Lärm in Nr. 6.7 Abs. 1 Satz 1 hierauf ausdrücklich Bezug nimmt, kommt es letztlich darauf an, wie weit dieses Gebot reicht. Das ist in dem gesamten räumlichen Bereich der Fall, in dem die Nutzung des einen Gebiets noch prägend auf das andere Gebiet einwirkt. 190Vgl. Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Nr. 6 TA Lärm Rn. 25 (Stand der Kommentierung: Dezember 2006); Feldhaus/Tegeder, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, B 3.6, Nr. 6 TA Lärm Rn. 60 (Stand der Kommentierung: 1. November 2010). 191Nach diesen Grundsätzen ist die durch den Beklagten vorgenommene Erhöhung der für ein reines Wohngebiet geltenden Immissionsrichtwerte um 5 dB(A) für die auf der östlichen Seite der S1.-------straße gelegenen Wohnhäuser (ungerade Hausnummern) nicht zu beanstanden. Ausweislich der erläuternden Ausführungen im Schriftsatz vom 18. Oktober 2019 (dort Seite 25) hat sich der Beklagte bei der Zwischenwertbildung von der Erwägung leiten lassen, dass die Wohnhäuser auf der gegenüberliegenden (westlichen) Straßenseite der S1.-------straße zwar - wie bereits ausgeführt - in einem durch den Bebauungsplan Nr. 002 der Klägerin ausgewiesenen allgemeinen Wohngebiet liegen, wegen ihrer Nähe zu gewerblichen Nutzungen aufgrund des Gebotes der gegenseitigen Rücksichtnahme immissionsschutzrechtlich aber lediglich den Schutzanspruch eines Mischgebietes geltend machen können. Daher sei - so der Beklagte - für die Wohnhäuser auf der östlichen Seite der S1.-------straße (ungerade Hausnummern) ein Zwischenwert von 40 dB(A) für den Schutzanspruch zur Nachtzeit zu bilden, der dem angrenzenden Planbereich - gemeint ist der Bebauungsplan Nr. 002 - und dem folgenden Gewerbegebiet Rechnung trage. 192Die Unbedenklichkeit dieser, von der Klägerin im Übrigen nicht (substantiiert) gerügten Vorgehensweise wird zudem dadurch bestätigt, dass die hier in Rede stehende Bebauung entlang der östlichen Seite der S1.-------straße nicht in verstärktem Maße schutzbedürftig ist. Ausweislich der Begründung zum Bebauungsplan Nr. 001 würden an den straßenzugewandten Fassaden der bestehenden Wohnhäuser u. a. an der S1.-------straße die Orientierungswerte der DIN 18005 in Höhe von 50 dB(A) tags, 40 dB(A) nachts bei reinen Wohngebieten um bis zu 8 dB(A) überschritten. Daher wurden in die textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 001 Maßnahmen des passiven Schallschutzes aufgenommen. Gemäß Ziffer 5.1 der textlichen Festsetzung sind auf den überbaubaren Grundstücksflächen entlang u. a. der S1.-------straße (Häuser 23 bis 83, ungerade Ziffern) für Aufenthaltsräume gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes erforderlich. Demnach sind an allen Außenbauteilen Bauschalldämmmaße (R'w,res) in Höhe von 45 dB(A) gemäß DIN 4109 (1990) Tabelle 8 einzuhalten. Zusätzlich sieht Ziffer 5.2 der textlichen Festsetzung vor, dass auf den überbaubaren Grundstücksflächen entlang u. a. der S1.-------straße an den straßenzugewandten Fassaden in allen Schlaf- und Kinderzimmern sämtlicher Geschosse schalldämmende bzw. fensterunabhängige Lüftungseinrichtungen vorzusehen sind. 193Entspricht der immissionsschutzrechtliche Schutzanspruch für das Wohnhaus S1.-------straße 71 demnach demjenigen eines allgemeinen Wohngebiets, bleibt die in der Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019 prognostizierte nächtliche Gesamtbelastung an diesem Immissionspunkt mit 36,0 dB(A) deutlich hinter dem rechtlich zulässigen Immissionsrichtwert von 40 dB(A). Die vorstehenden Ausführungen gelten für den IP 71 WR S1.-------straße 51 in gleicher Weise. 194Im Ergebnis nichts anderes gilt in Bezug auf das von der Klägerin ebenfalls ausdrücklich angesprochene Wohnhaus S1.-------straße 69, das in der Immissionsprognose vom 31. Januar 2019 nicht als eigener Immissionspunkt betrachtet wurde. Zwar dürfte ihr Hinweis darauf, dass der Häuserreihe auf der westlichen Seite der S1.-------straße eine schallabschirmende Wirkung von mindestens 5 dB(A) im Hinblick auf den nachts vom Betrieb U. ausgehenden Gewerbelärm - wie sie in der Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019 für das Wohnhaus S1.-------straße 71 angenommen wurde (dort Seite 32/33) - in Bezug auf das Wohnhaus S1.-------straße 69 nicht zukomme, nicht von vornherein von der Hand zu weisen sein. Dieser Einwand bedarf allerdings keiner weiteren Vertiefung bzw. Aufklärung. Denn selbst wenn man eine solche Abschirmungswirkung außer Ansatz ließe und von einer nächtlichen Vorbelastung durch den Betrieb der U. von 34,0 dB(A) ‑ und nicht von 29,0 dB(A) - ausginge, wäre der ausgehend von den vorstehenden Ausführungen zum Vorliegen einer Gemengelage im Sinne von Nr. 6.7 TA Lärm auch für das Wohnhaus S1.-------straße 69 maßgebliche Immissionsrichtwert von 40 dB(A) nachts nicht ansatzweise erreicht und erst recht nicht überschritten. Diese Annahme folgt aus der Berechnung der Gesamtbelastung für das Wohnhaus S1.-------straße 78 in der Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019 (dort Seite 31). An diesem Immissionspunkt beträgt die berechnete Gesamtbelastung 37,8 dB(A), wobei als von der Windenergieanlage ausgehende Zusatzbelastung ein Wert von 35,5 dB(A) und als Vorbelastung durch den Betrieb der U. ein Wert von 34,0 dB(A) in Ansatz gebracht wurde. Da die Zusatzbelastung durch die Windenergieanlage an dem Wohnhaus S1.-------straße 69 jedenfalls nicht mehr als 35,5 dB(A) betragen dürfte (vgl. insoweit die Berechnung der L. vom 19. September 2019, wonach die Zusatzbelastung am Immissionsort S1.-------straße 69 = IO-25 35,0 dB(A) beträgt), kann auch die Gesamtbelastung höchstens 37,8 dB(A) betragen. 195Der weitere Hinweis der Klägerin, der Immissionspunkt S1.-------straße 69 sei unter Reflexionsgesichtspunkten offensichtlich problematischer als der hieraufhin untersuchte Immissionsort S1.-------straße 71, führt desgleichen nicht zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Genehmigung (in Bezug auf den Nachtbetrieb). Selbst wenn man für den Immissionspunkt S1.-------straße 69 - entsprechend den vorstehenden Ausführungen - eine Gesamtbelastung von 37,8 dB(A) zugrunde legt zuzüglich einer theoretisch maximal möglichen Pegelerhöhung von 3 dB(A) durch Reflexionen (vgl. hierzu die von der Klägerin nicht in Frage gestellte Annahme auf Seite 38 der Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019) und somit von einer Gesamtbelastung von 40,8 dB(A) ausgeht, hätte die Genehmigung (für den Nachtbetrieb im Betriebsmodus 100 dB und einer Leistung von 2350 kW) in Anwendung von Nr. 3.2.1 Abs. 3 Satz 1 TA Lärm nicht versagt werden dürfen. Danach soll für die zu beurteilende Anlage die Genehmigung wegen einer Überschreitung der Immissionsrichtwerte nach Nummer 6 aufgrund der Vorbelastung auch dann nicht versagt werden, wenn dauerhaft sichergestellt ist, dass diese Überschreitung nicht mehr als 1 dB(A) beträgt. Diese Voraussetzungen liegen hier in Bezug auf den Immissionsort S1.-------straße 69 vor. Vor diesem Hintergrund kommt es auf die von der Klägerin aufgeworfene Frage der Zulässigkeit von Abrundungen im Anwendungsbereich der TA Lärm, 196vgl. hierzu zuletzt OVG NRW, Urteil vom 22. November 2021 - 8 A 973/15 -, juris Rn. 124 f., unter Hinweis auf die bisherige Rechtsprechung des 8. Senats in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes einerseits, aber auch auf die „erwägenswerten Argumente“ bei Agatz, Windenergie-Handbuch, 17. Ausgabe, Dez. 2020, S. 118 f., andererseits, die eine Abrundung auch im Anwendungsbereich der TA Lärm als zulässig erachtet; vgl. auch die LAI-Hinweise zur Auslegung der TA Lärm vom 22./23. März 2017 (dort „Anhang allgemein“), 197ebenso wenig an wie auf die Frage, ob es sich bei den zur Straße ausgerichteten Fenstern der östlich der S1.-------straße gelegenen Wohnhäusern mit Blick auf die im Bebauungsplan Nr. 001 vorgeschriebenen passiven Lärmschutzmaßnahmen überhaupt um maßgebliche Immissionsorte im Sinne von Nr. 2.2 Abs. 1 TA Lärm handelt. 198Schließlich ist der Vortrag der Klägerin, am IP 26 WA = S1.-------straße 78 sei in der Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019 eine Richtwertüberschreitung von 1 dB(A) festgestellt worden, nicht nachvollziehbar bzw. trifft nicht zu. Dieser Immissionspunkt liegt zwar in einem durch den Bebauungsplan Nr. 002 ausgewiesenen allgemeinen Wohngebiet, kann - wie bereits ausgeführt - aber immissionsschutzrechtlich (lediglich) den Schutzanspruch eines Mischgebiets geltend machen. Gemäß Nr. 6.1 Abs. 1 Buchstabe d TA Lärm gilt daher ein nächtlicher Immissionsrichtwert von 45 dB(A). Die berechnete Gesamtbelastung am IP 26 WA beträgt 37,8 dB(A). Selbst unter Berücksichtigung einer Pegelerhöhung von 3 dB(A) wegen etwaiger Reflexionen wäre der nächtliche Grenzwert nicht ansatzweise erreicht und erst recht nicht überschritten. 199(2) Dass die Windenergieanlage im Betriebsmodus 100 dB mit einer Leistung von 2350 kW die maßgeblichen Immissionsrichtwerte während des Nachtbetriebs hinreichend sicher einhält, wird bestätigt durch die Schallimmissionsprognose vom 27. Oktober 2021. Diese Ausbreitungsberechnung beruht nicht auf den Herstellerangaben, sondern auf dem Vermessungsbericht der E. vom 20. August 2020, dessen Emissionsansätze auf einer unter anderem nach Maßgabe der FGW-Richtlinie (Fördergesellschaft Windenergie e. V.: Technische Richtlinie zur Bestimmung der Leistungskurve, des Schallleistungspegels und der elektrischen Eigenschaften von Windenergieanlagen - Teil 1: Bestimmung der Schallemissionswerte, Rev. 18 vom 1. Februar 2008) erfolgten Einfachvermessung des hier in Rede stehenden Anlagentyps ENERCON E‑138 EP3 basieren. Danach wurde im Betriebsmodus 100 dB und einer Leistung von 2350 kW ein maximaler Schallleistungspegel von 100,4 dB(A) ermittelt (vgl. Seite 6 und 29 des Vermessungsberichts der E. vom 20. August 2020). Unter Zugrundelegung dieses höchsten Summenschallleistungspegels einschließlich eines Sicherheitszuschlags für den oberen Vertrauensbereich von 2,3 dB(A) - wegen der Unsicherheit des Prognosemodells, der Unsicherheit durch Serienstreuung, der Unsicherheit der Typenvermessung bei einfach vermessenen Anlagen sowie einer angenommenen Irrtumswahrscheinlichkeit von 10 % (vgl. Seite 36 f. der Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019 und Seite 2 der Schallimmissionsprognose vom 27. Oktober 2021) - wurde in der Schallimmissionsprognose vom 27. Oktober 2021 eine von der Windenergieanlage ausgehende Zusatzbelastung ermittelt, welche mit derjenigen aus der Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019 identisch ist bzw. diese geringfügig unterschreitet. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen zur Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019 ergeben sich demnach ebenfalls keine Überschreitungen der rechtlich zulässigen Immissionsrichtwerte während des schallreduzierten Nachtbetriebs. 200bbb) Es ist zudem hinreichend verlässlich sichergestellt, dass die jeweils maßgeblichen Immissionsrichtwerte während des Tagbetriebs der Windenergieanlage eingehalten werden. Diese Feststellung kann entgegen der Auffassung der Klägerin auch ohne entsprechende Schallimmissionsprognose für die Tagzeit getroffen werden und ergibt sich aus folgenden Erwägungen: 201Ausweislich der Herstellerangaben erhöht sich der von der Windenergieanlage des hier in Rede stehenden Typs ausgehende Schallleistungspegel im (leistungsoptimierten) Volllastbetrieb im Betriebsmodus 0 s mit der Nennleistung von 3500 kW im Vergleich zum schallreduzierten Betrieb im Betriebsmodus 100 dB mit einer Leistung von 2350 kW, der den Berechnungen in den Schallimmissionsprognosen vom 31. Januar 2019 und vom 27. Oktober 2021 zugrunde gelegt wurde, um (lediglich) 6 dB(A). Demgegenüber erhöhen sich die rechtlich zulässigen Immissionsrichtwerte für die Tagzeit um jeweils 15 dB(A) im Vergleich zu den entsprechenden Richtwerten zur Nachtzeit. Der - zutreffende - Hinweis der Klägerin darauf, dass nicht alle im Umfeld der Windenergieanlage befindlichen schutzbedürftigen Nutzungen im Tagbetrieb außerhalb des Einwirkbereiches der Anlage im Sinne von Nr. 2.2 Buchstabe a TA Lärm lägen, führt auch unter Berücksichtigung etwaiger Vorbelastungen nicht zu der Annahme, dass eine separate Betrachtung des Tagbetriebs im Rahmen einer Schallimmissionsprognose erforderlich war/ist. Gemäß Nr. 3.2.1 Abs. 2 Satz 1 TA Lärm darf die Genehmigung für die zu beurteilende Anlage ‑ hier die beklagte Windenergieanlage - auch bei einer Überschreitung der Immissionsrichtwerte aufgrund der Vorbelastung aus Gründen des Lärmschutzes nicht versagt werden, wenn der von der Anlage verursachte Immissionsbeitrag im Hinblick auf den Gesetzeszweck als nicht relevant anzusehen ist. Das ist nach Satz 2 der vorgenannten Vorschrift in der Regel der Fall, wenn die von der zu beurteilenden Anlage ausgehende Zusatzbelastung die Immissionsrichtwerte nach Nummer 6 am maßgeblichen Immissionsort um mindestens 6 dB(A) unterschreitet. Dies ist hier in Bezug auf den Tagbetrieb - wie aufgezeigt - der Fall. Darüber hinaus käme im Falle einer geringfügigen Überschreitung des rechtlich zulässigen Immissionsrichtwertes um bis zu 1 dB(A) während des Tagbetriebs aufgrund der Vorbelastung (wiederum) Nr. 3.2.1 Abs. 3 TA Lärm zur Anwendung. 202c. Das Vorhaben verstößt auch nicht gegen das artenschutzrechtliche Zugriffsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG (vgl. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB) hinsichtlich der Fledermäuse, der Kreuzkröte und des Uhus. 203aa) Nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ist es verboten, wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören. Das Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ist individuenbezogen und bereits dann erfüllt, wenn sich die Tötung als unausweichliche Konsequenz eines im Übrigen rechtmäßigen Verwaltungshandelns erweist. Mit Blick auf die bei einer Windenergieanlage nie völlig auszuschließende Gefahr von Kollisionen geschützter Tiere sind diese Voraussetzungen nur dann erfüllt, wenn das Vorhaben dieses Risiko in einer für die betroffene Tierart signifikanten Weise erhöht (vgl. nunmehr, den Signifikanzansatz der Rechtsprechung aufgreifend: § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BNatSchG i. d. F. des Gesetzes vom 15. September 2017, BGBl. I S. 3434). Ein Nullrisiko ist nicht zu fordern. Das anhand einer wertenden Betrachtung auszufüllende Kriterium der Signifikanz trägt dem Umstand Rechnung, dass für Tiere bereits vorhabenunabhängig ein allgemeines Tötungs- und Verletzungsrisiko besteht, welches sich nicht nur aus dem allgemeinen Naturgeschehen ergibt, sondern auch dann sozialadäquat sein kann und deshalb hinzunehmen ist, wenn es zwar vom Menschen verursacht ist, aber nur einzelne Individuen betrifft. Denn tierisches Leben existiert nicht in einer unberührten, sondern in einer von Menschen gestalteten Landschaft. Nur innerhalb dieses Rahmens greift der Schutz des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG. Umstände, die für die Beurteilung der Signifikanz eine Rolle spielen, sind insbesondere artspezifische Verhaltensweisen, häufige Frequentierung des durchschnittenen Raums und die Wirksamkeit vorgesehener Schutzmaßnahmen, darüber hinaus gegebenenfalls auch weitere Kriterien im Zusammenhang mit der Biologie der Art. Eine signifikante Steigerung des Tötungsrisikos erfordert Anhaltspunkte dafür, dass sich dieses Risiko durch den Betrieb der Anlage deutlich steigert. Dafür genügt es weder, dass einzelne Exemplare etwa durch Kollisionen zu Schaden kommen, noch, dass im Eingriffsbereich überhaupt Exemplare betroffener Arten angetroffen worden sind. 204Zum Umfang der gerichtlichen Kontrolle von naturschutzrechtlichen Bewertungsfragen und damit auch der Beurteilung, ob das Tötungsrisiko signifikant erhöht ist, gilt Folgendes: Wenn und solange es für die Erfassung und Bewertung vorhabenbedingter Einwirkungen an gesetzlichen Vorgaben oder einer untergesetzlichen Maßstabsbildung durch verbindliche Festlegungen etwa mittels Durchführungsverordnungen oder Verwaltungsvorschriften fehlt, muss die Behörde auf außerrechtliche naturschutzfachliche Maßgaben zurückgreifen, zu denen vor allem Fachkonventionen und Leitfäden gehören. Fehlt es in den einschlägigen Fachkreisen und der einschlägigen Wissenschaft an allgemein anerkannten Maßstäben und Methoden für die fachliche Beurteilung, kann die gerichtliche Kontrolle des behördlichen Entscheidungsergebnisses mangels besserer Erkenntnis der Gerichte an objektive Grenzen stoßen. Sofern eine außerrechtliche Frage durch Fachkreise und Wissenschaft bislang nicht eindeutig beantwortet ist, lässt sich objektiv nicht abschließend feststellen, ob die behördliche Antwort auf diese Fachfrage richtig oder falsch ist. Dem Gericht ist durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht auferlegt, das außerrechtliche tatsächliche Erkenntnisdefizit aufzulösen. Es ist aber Aufgabe der Gerichte zu überprüfen, ob die vorliegenden Untersuchungen den aktuell besten wissenschaftlichen Erkenntnisstand widerspiegeln oder sich für die Bestandserfassung von betroffenen Arten oder für die Ermittlung des Risikos bestimmte Maßstäbe und Methoden durchgesetzt haben und andere Vorgehensweisen nicht mehr als vertretbar angesehen werden können. Fehlen diesbezügliche vereinheitlichende Vorgaben, muss das Gericht auf die konkrete Kritik hin überprüfen, ob die vorliegenden Untersuchungen sowohl in ihrem methodischen Vorgehen als auch in ihrer Ermittlungstiefe ausreichten, um die Behörde in die Lage zu versetzen, die Voraussetzungen der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände sachgerecht zu prüfen. Ebenso kann und muss ein Gericht dann, wenn keine allgemein anerkannte fachliche Meinung existiert, kontrollieren, ob die von der Behörde verwendeten fachlichen Maßstäbe und Methoden vertretbar sind und die Behörde insofern im Ergebnis zu einer plausiblen Einschätzung der fachlichen Tatbestandsmerkmale einer Norm gelangt ist. In einem solchen Fall wird geprüft, ob der Behörde bei der Ermittlung und der Anwendung der von ihr aus dem Spektrum des Vertretbaren gewählten fachlichen Methode Verfahrensfehler unterlaufen, ob sie anzuwendendes Recht verkennt, von einem im Übrigen unrichtigen oder nicht hinreichend tiefgehend aufgeklärten Sachverhalt ausgeht, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzt oder sich von sachfremden Erwägungen leiten lässt. 205Bei naturschutzfachlichen Bewertungsfragen hat das Gericht typischerweise zwei-schrittig zu prüfen. Es muss zunächst feststellen, ob es eine anerkannte Fachmeinung zu Methode oder Inhalt der aufgeworfenen Frage gibt; das ist eine Tatsachenfeststellung, die notfalls mit sachverständiger Hilfe erfolgen kann. Gibt es einen solchen „Standard“, dann prüft das Gericht dessen Befolgung bzw. die Gründe für eine Abweichung. Gibt es ihn nicht, sondern stattdessen ein wissenschaftliches „Erkenntnisvakuum“ im Sinne einer Grenze der tatbestandsbezogenen Erkenntnis- und Sachaufklärungsmöglichkeiten, gilt der Plausibilitätsmaßstab. 206Vgl. zum Ganzen OVG NRW, Urteil vom 1. März 2021 ‑ 8 A 1183/18 -, juris Rn. 149 ff., m. w. N. zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts. 207bb) Ausgehend von diesen Maßgaben verstößt das Vorhaben insbesondere unter Berücksichtigung der im Genehmigungsbescheid vom 11. Februar 2019 enthaltenen Nebenbestimmungen weder hinsichtlich der Fledermäuse (dazu aaa)) noch der Kreuzkröte (dazu bbb)) noch des Uhus (dazu ccc)) gegen das artenschutzrechtliche Zugriffsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG. 208aaa) Der Beklagte hat hinreichend sichergestellt, dass das Tötungs-/Verletzungsrisiko in Bezug auf Fledermäuse unter der Signifikanzschwelle verbleibt. Die insoweit unverändert geltende Genehmigung vom 11. Februar 2019 sieht nach ihren Nebenbestimmungen in Ziffer IV. 6.1.5 bis 6.1.7 vom 1. April bis zum 31. Oktober eines jeden Jahres Abschaltalgorithmen mit anschließendem Monitoring vor. Dabei sind die Nebenbestimmungen insgesamt - insbesondere mit Blick auf die Bedingungen der Abschaltung (Windgeschwindigkeiten im 10‑Minutenmittel unter 6 m/s, Temperaturen über 10° C und kein Niederschlag) - eng an den Leitfaden „Umsetzung des Arten- und Habitatschutzes bei der Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen in Nordrhein-Westfalen“ vom 10. November 2017 (im Folgenden: Artenschutzleitfaden NRW 2017; dort Seiten 33, 36 f. und 59) sowie den vorhergehenden Leitfaden vom 12. November 2013 (dort Seiten 26, 29 f. und 47 f.) angelehnt. 209Dies ist naturschutzfachlich nicht zu beanstanden. Diese Feststellung gilt zunächst hinsichtlich der geregelten Windgeschwindigkeit (im 10‑Minutenmittel unter 6 m/s), 210vgl. hierzu ausführlich OVG NRW, Urteil vom 1. März 2021 - 8 A 1183/18 -, juris Rn. 244 ff., 211gegen die auch die Klägerin keine Bedenken geltend gemacht hat. 212Ihr Einwand, die vom Beklagten gewählte Formulierung einer Abschaltung der Windenergieanlage bei Temperaturen „über“ 10° Celsius widerspreche den Vorgaben im Artenschutzleitfaden NRW 2017, greift nicht durch. Der Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass im vorgenannten Leitfaden im Zusammenhang mit dem Parameter Temperatur das mathematische (Vergleichs-)Zeichen „>“ verwendet wird, dem die Bedeutung „größer als" zukommt. Damit werden entgegen der Annahme der Klägerin nicht Temperaturen „ab“ 10°C, sondern alle über 10°C liegenden Temperaturwerte erfasst. Wäre auch die Temperatur von genau 10°C erfasst, wäre das mathematische Vergleichszeichen „≥“ (größer als oder gleich) verwendet worden, so wie z. B. in Thüringen. 213Vgl. Institut für Tierökologie und Naturbildung, Arbeitshilfe zur Berücksichtigung des Fledermausschutzes bei der Genehmigung von Windenergieanlagen (WEA), Dezember 2015, Seite 44. 214Hinsichtlich des weiteren in der Nebenbestimmung IV. 6.1.5 aufgeführten Parameters „kein Niederschlag“ weist die Klägerin zwar zutreffend auf die Fußnote 10 auf Seite 33 des Artenschutzleitfadens NRW 2017 hin, wonach dieser Parameter bis auf Weiteres noch nicht verwendet werden könne, da diesbezüglich noch keine Erkenntnisse über konkrete Schwellenwerte vorlägen und außerdem keine Möglichkeiten zur Berücksichtigung in ProBat bestünde. Ob der vom Beklagten geregelte Parameter „kein Niederschlag“, zu dem das Vorliegen einer allgemein anerkannten Fachmeinung nach Auswertung der in den verschiedenen Leitfäden empfohlenen Abschaltalgorithmen nicht festgestellt werden kann, 215vgl. insoweit: Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg, Beachtung naturschutzfachlicher Belange bei der Ausweisung von Windeignungsgebieten und bei der Genehmigung von Windenergieanlagen vom 1. Januar 2011, Anlage 3 (Handlungsempfehlung zum Umgang mit Fledermäusen bei der Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen in Brandenburg), Stand: 13. Dezember 2010, Seite 5: kein Niederschlag; Verwaltungsvorschrift „Naturschutz/Windenergie“ Hessen vom 17. Dezember 2020, Anlage 6, Tabelle 7: Niederschlag < 0,2 mm/h, wobei der Betreiber in den Antragsunterlagen nachzuweisen habe, dass er den Niederschlagsgrenzwert von 0,2 mm/h exakt messen könne; artenschutzrechtliche Vorgaben Schleswig-Holstein vom 22. August 2017, Seite 16: „Als zusätzlicher Parameter kann die Niederschlagsfreiheit, die mit einer Niederschlagsintensität von weniger als 0,5 mm/h definiert wird, in die Inhaltsbestimmung aufgenommen werden. Dies gilt jedoch nur unter der Voraussetzung, dass seitens des Antragsstellers ein akzeptabler Niederschlagssensor beantragt wird. Dazu ist darzustellen, dass regelmäßige und dauerhafte Niederschlagsmessungen nachweislich verlässlich möglich sind (dauerhafte Funktionalität)“; Bayerisches Landesamt für Umwelt, Arbeitshilfe Fledermausschutz und Windkraft, Teil 1, Stand: März 2017, Seite 13: Niederschlag 0,2 mm/Stunde, sofern dieser Parameter gemessen und diese Messungen bei der Steuerung der Anlage berücksichtigt werden können; Leitfaden Niedersachsen vom 24. Februar 2016, Nr. 7.3: kein Regen; Institut für Tierökologie und Naturbildung, Arbeitshilfe zur Berücksichtigung des Fledermausschutzes bei der Genehmigung von Windenergieanlagen (WEA) in Thüringen, Dezember 2015: keine Angabe bezüglich Niederschlag; Naturschutzfachlicher Rahmen Rheinland-Pfalz vom 13. September 2012: keine Angabe bezüglich Niederschlag; Leitfaden Artenschutz Sachsen-Anhalt vom 17. September 2018, Seite 24: „Die Abschaltung kann entfallen bei Starkniederschlag (mehr als 5 mm Niederschlag in 5 Minuten) und bei Dauerregen. Dauerregen ist gegeben, wenn über einen Zeitraum von 6 Stunden ununterbrochen mehr als 0,5 mm Niederschlag je Stunde gefallen sind“; Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie Mecklenburg-Vorpommern, Artenschutzrechtliche Arbeits- und Beurteilungshilfe für die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen (AAB-WEA), Teil Fledermäuse, Stand: 1. August 2016, Seite 19: Niederschlag < 2 mm/h; Hinweise zur Untersuchung von Fledermausarten bei Bauleitplanung und Genehmigung für Windenergieanlagen Baden-Württemberg, Stand: 1. April 2014: keine Angabe bezüglich Niederschlag, 216gleichwohl als vertretbar angesehen werden kann, um sicherzustellen, dass ein etwaiges Tötungsrisiko unterhalb der Signifikanzschwelle bleibt, kann im vorliegenden Fall dahinstehen. Denn die Beigeladene hat in der mündlichen Verhandlung am 23. März 2022 erklärt, dass sie auf die Ausnutzung des in Nebenbestimmung IV. 6.1.5 des Genehmigungsbescheides vom 11. Februar 2019 geregelten Parameters „kein Niederschlag“ verzichtet. 217Ohne Erfolg bleibt schließlich der Einwand der Klägerin im Zusammenhang mit dem in Ziffer IV. 6.1.7 des Genehmigungsbescheides vom 11. Februar 2019 geregelten Fledermaus-Monitoring. Damit wird dem Betreiber lediglich die Möglichkeit eröffnet, das in Ziffer IV. 6.1.5 angeordnete umfassende Abschaltszenario gegebenenfalls nachträglich „betriebsfreundlich“ zu optimieren. Ob ein solches Fledermaus-Monitoring tatsächlich durchgeführt wird und zu welchem Ergebnis es gelangt, beeinflusst nicht die Rechtmäßigkeit der Genehmigung, sondern ist eine Frage der Anlagenüberwachung. 218Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14. Oktober 2019 ‑ 8 A 2172/16 -, n. v., Seite 4 des Beschlussabdrucks. 219bbb) Ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko kann auch in Bezug auf die Kreuzkröte (Bufo calamita), einer streng geschützten Art im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 14 Buchstabe b BNatSchG, nicht festgestellt werden. 220Eine Gefährdung der Kreuzkröte durch den Betrieb der Windenergieanlage kann aufgrund ihres bodennahen Lebensraums offensichtlich ausgeschlossen werden. Der danach allenfalls während der Errichtungsphase bestehenden Gefährdung der Kreuzkröte hat der Beklagte durch die Nebenbestimmung IV. 6.1.3 des Genehmigungsbescheides vom 11. Februar 2019 in ausreichender Weise Rechnung getragen. Danach sind zum Schutz der Kreuzkröte die in der Artenschutzprüfung beschriebenen Maßnahmen von der ökologischen Baubegleitung zu koordinieren, anzuordnen und zu überwachen. Eingriffs- oder Lagerbereiche, die potenziell durch die Kreuzkröte genutzt oder besiedelt werden können, sind gegen einwandernde Kreuzkröten zu schützen (Amphibienschutzzaun). Innerhalb der eingezäunten Bereiche sind möglicherweise vorhandene Tiere abzusammeln und aus dem Gefahrenbereich auszusiedeln. 221Der Einwand der Klägerin, die vorstehend beschriebene Vorgehensweise sei nur während der Aktivitätsphasen der Kreuzkröten (April bis September) praktikabel, während der Ruhephase vergrüben sich die Tiere im Erdboden, weshalb das in der Nebenbestimmung vorgesehene Absammeln nicht möglich sei, Individuen innerhalb des eingezäunten Bereichs würden bei Erdarbeiten und Befahren mit schwerem Gerät zwangsläufig getötet, führt nicht zur Annahme eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos. Zum einen ist darauf hinzuweisen, dass ein Nullrisiko nicht verlangt wird und die Gefährdung sich hier auf die Errichtungsphase der Windenergieanlage und damit auf einen vergleichsweise kurzen Zeitraum beschränkt. Zum anderen hat der Beklagte unwidersprochen vorgetragen (vgl. Seite 33 des Schriftsatzes vom 18. Oktober 2019), dass es Aufgabe der in der Nebenbestimmung IV. 6.1.3 angeordneten ökologischen Baubegleitung sei, Maßnahmen des Artenschutzes so rechtzeitig zu initiieren, dass keine Verbotstatbestände ausgelöst werden könnten. Sollten im Baufeld potentielle Überwinterungslebensräume sein, habe die ökologische Baubegleitung die Abzäunung früh genug anzuordnen oder eine Verschiebung des Baustarts zu bestimmen. 222ccc) Es kann ferner nicht festgestellt werden, dass das Vorhaben in Bezug auf den Uhu (Bubo bubo), einer streng geschützten Art im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 14 Buchstabe a BNatSchG, gegen das artenschutzrechtliche Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG verstößt. 223Zwar hat der Beklagte die im Genehmigungsbescheid vom 11. Februar 2019 zum Schutz des Uhus geregelte Nebenbestimmung IV. 6.1.2 - Abschaltung der Windenergieanlage vom 15. Januar bis zum 15. August eines jeden Jahres jeweils in der Zeit von einer halben Stunde vor Sonnenuntergang bis eine halbe Stunde nach Sonnenaufgang - durch den von der Klägerin in das Klageverfahren einbezogenen Bescheid vom 28. Januar 2021 aufgehoben. Dass eine solche Abschaltung rechtlich erforderlich ist, um ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko für den Uhu zu vermeiden, hat die Klägerin indes nicht (substantiiert) geltend gemacht. Hierfür bestehen vor dem Hintergrund, dass ein Uhu-Revier im 1000 m-Radius um den Vorhabenstandort weder im Jahr 2018 noch im Jahr 2019 gefunden wurde (vgl. hierzu den Bericht des Kölner Büros für Faunistik vom 17. Mai 2019), auch im Übrigen keine begründeten Anhaltspunkte. 224d) Dem Vorhaben stehen Belange des Denkmalschutzes (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB) im Hinblick auf die benachbarte denkmalrechtlich geschützte Bergarbeitersiedlung „C. “ nicht entgegen. 225Diese Feststellung folgt bereits daraus, dass das Vorhaben weder unmittelbar im Sinne des § 9 Abs. 1 Buchstabe a DSchG NRW in dieses Denkmal eingreift noch liegt diesbezüglich eine Beeinträchtigung gemäß Buchstabe b der vorgenannten Vorschrift vor. Es bedurfte daher schon keiner denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis gemäß § 9 Abs. 2 DSchG NRW, um die Belange des Denkmalschutzes zu überwinden. 226§ 9 Abs. 1 DSchG NRW unterscheidet in den Buchstaben a und b zwischen Eingriffen in die Substanz/das Erscheinungsbild des Denkmals bzw. der Änderung seiner örtlichen Lage oder der bisherigen Nutzung einerseits (Buchstabe a) und Eingriffen in der engeren Umgebung eines Denkmals andererseits, wobei insoweit zusätzlich eine Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes des Denkmals vorliegen muss (Buchstabe b). 227Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Oktober 2021 ‑ 8 A 2790/18 -, juris Rn. 68. 228Eine Beeinträchtigung des denkmalrechtlich geschützten Erscheinungsbildes eines Denkmals im Sinne von § 9 Abs. 1 Buchstabe b DSchG NRW liegt vor, wenn der mit dem Erscheinungsbild angesprochene Denkmalwert durch das Vorhaben wesentlich herabgesetzt wird. Zur Ermittlung des individuellen Denkmalwerts eines Denkmals ist in erster Linie auf die Eintragung in der Denkmalliste und die ihr beigefügte Begründung abzustellen, denn nach nordrhein-westfälischem Recht ist die Eintragung für die Denkmaleigenschaft konstitutiv (§ 3 Abs. 1 Satz 2 DSchG NRW). Dabei ist zu berücksichtigen, dass das hier in Rede stehende denkmalrechtliche Erscheinungsbild nicht zu verwechseln ist mit dem bloßen - ungestörten - Anblick des Denkmals als Objekt. Das denkmalrechtliche Erscheinungsbild ist vielmehr als der von außen sichtbare Teil eines Denkmals zu verstehen, an dem jedenfalls der sachkundige Betrachter den Denkmalwert, der dem Denkmal innewohnt, abzulesen vermag. Da das Erscheinungsbild des Denkmals mit Blick auf Maßnahmen in seiner Umgebung geschützt wird, muss die Beziehung des Denkmals zu seiner Umgebung außerdem für den Denkmalwert von Bedeutung sein. Bei der Beurteilung des Denkmalwerts eines Denkmals und der Erheblichkeit eines Eingriffs in diesen ist das Gericht nicht an die Stellungnahmen der Denkmalpflegeämter gebunden. Diese dienen vielmehr lediglich der Beratung und Unterstützung der Denkmalbehörden und der Gerichte. 229Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. Oktober 2014 ‑ 7 A 1739/13 -, juris Rn. 34 ff., und Urteil vom 8. März 2012 - 10 A 2037/11 -, juris Rn. 68 ff.; hierauf bezugnehmend auch OVG NRW, Beschluss vom 18. Oktober 2021 ‑ 8 A 2790/18 -, juris Rn. 65 f. 230Nach diesen Maßgaben liegt der hier allein in Betracht kommende Eingriff in die unter Denkmalschutz gestellte Siedlung „C. “ im Sinne des § 9 Abs. 1 Buchstabe b DSchG NRW nicht vor. Ausweislich der zusammenfassenden Betrachtung der nach Genehmigungserteilung vorgelegten „Analyse der denkmalrechtlichen Betroffenheit des denkmalgeschützten Siedlungsbereichs C. in H1. im Zusammenhang mit der Errichtung einer Windenergieanlage“ des Büros für Landschaftsplanung C1. von September 2019 erfolgte die Unterschutzstellung des Denkmals zur Sicherung oder Wiederherstellung der Geschlossenheit des Siedlungsbilds sowie seiner prägenden Gestaltungselemente für die Zukunft. Die Siedlung C. sei zwischen 1912 und 1925 errichtet worden und sei eine Bergarbeitersiedlung mit vom Gartenstadtgedanken geprägten Wohnungsbau. Die klassische Gartenstadt stelle sich als eine von Grünflächen durchzogene, aufgelockerte und durch Radialstraßen gegliederte Stadt mit räumlicher Trennung wichtiger Funktionen dar. Umgeben sei die Gartenstadt von einem nicht bebaubaren öffentlichen Grüngürtel. Die räumliche Trennung öffentlicher und privater Räume erfolge durch unterschiedliche Fluchtlinien der Gebäude, womit zusätzlich abwechslungsreiche Straßenräume geschaffen würden. Auch die Siedlung C. werde von den typischen, vielfältigen Haustypen mit vorindustriellen agrarisch-dörflichen Architekturdetails, individuellen und abwechslungsreichen Straßenräumen sowie einer starken Durchgrünung mit privaten Nutzgärten und öffentlichen Grünflächen geprägt. Innerhalb des bereits 1912 zu Baubeginn vorhandenen Straßendreiecks S1.-------straße , C2.--straße und I3. Straße sei ein Straßennetz mit platzartigen Aufweitungen entstanden. Diese innere Erschließung verlaufe weitestgehend radial, überlange Perspektiven würden somit vermieden und es gebe keine klassischen Sichtachsen. Der kulturlandschaftliche Fachbeitrag zum Regionalplan Ruhr (LVR/LWL 2014) betone, dass „bei aller Vielfalt in der äußeren Erscheinung der Siedlung [wurde] (sic!) durch die Gleichartigkeit bestimmter, prägender Gestaltungsmerkmale eine heute selten gewordene gestalterische Geschlossenheit erreicht [wurde]“. Diese für den Gartenstadtgedanken typische, gestalterische Geschlossenheit führe dazu, dass die Siedlung C. keine besondere Lagebeziehung zu seiner unmittelbaren Umgebung besitze. Aufgrund der radial angelegten inneren Erschließung fänden sich keine Sichtachsen zu den baulichen Strukturen der benachbarten Siedlungseinheiten. Die „Gartenstadt C. " sei ein in sich geschlossenes bauliches Ensemble ohne Raumwirkung in die Umgebung. Bei einem durch Gestaltung und Erschließung in sich geschlossenen baulichen Ensemble wie der Siedlung C. sei ein potenzieller negativer Einfluss der Umgebung auf die denkmalgeschützten Aspekte dieses Ensembles nicht gegeben. Darüber hinaus sei die Siedlung C. in ihrer denkmalschutzrelevanten Bedeutung nicht von der Gestaltung der Umgebung abhängig. Eine Veränderung in der Umgebung habe demnach keinen Einfluss auf die denkmalpflegerischen Belange innerhalb der Siedlung C. In diesem Zusammenhang führe auch die Errichtung einer Windenergieanlage auf der Halde N1. nicht zu einer denkmalschutzrelevanten Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes der Siedlung C. . 231Diesen für das Gericht plausiblen und nachvollziehbaren Ausführungen, die sich der Beklagte zu Eigen gemacht hat, hat die Klägerin, die selbst die zuständige Untere Denkmalschutzbehörde ist, nichts von Substanz entgegengebracht. 232e) Der Belang des Orts- und Landschaftsbildes aus § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB steht der Erteilung der Genehmigung ebenfalls nicht entgegen. 233In diesem Zusammenhang hat die Klägerin bereits nicht nachvollziehbar dargelegt, wie sich der gerügte Umstand, dass der Landschaftspflegerische Begleitplan des Büros für Landschaftsplanung C1. von Juni 2018 mit Nachtrag von November 2018 möglicherweise auf der Grundlage des Windenergie-Erlasses aus dem Jahr 2015 anstelle des Windenergie-Erlasses aus dem Jahr 2018 erstellt worden sei, auf die Richtigkeit seines Ergebnisses, insbesondere den Wert des ermittelten Ersatzgeldes, ausgewirkt haben soll. Denn die in Ziffer 8.2.2.1 (Windenergie-Erlasses aus dem Jahr 2015) bzw. dem entsprechenden Anhang (Windenergie-Erlasses aus dem Jahr 2018) tabellarisch aufgeführten Wertstufen zur Ermittlung des Ersatzgeldes sind identisch. Anderweitige, inhaltliche Fehler der Berechnung sind weder hinreichend substantiiert vorgetragen noch sonst erkennbar. 234f) Die Errichtung und der Betrieb der Windenergieanlage verstößt auch nicht gegen das in § 35 Abs. 3 BauGB verankerte Rücksichtnahmegebot. Von ihr geht weder eine unzumutbare optisch bedrängende Wirkung auf die umliegenden Wohnhäuser aus (dazu aa)) noch beeinträchtigt sie den in etwa 1800 m entfernten Freiballonaufstiegsplatz H1. in unzumutbarer Weise (dazu bb)). 235aa) Die Klägerin hat nicht aufgezeigt, dass von der genehmigten Windenergieanlage eine unzumutbare optisch bedrängende Wirkung auf die umliegenden Wohngrundstücke ausgeht. 236Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen bedarf es einer Einzelfallprüfung, um beurteilen zu können, ob Windenergieanlagen optisch bedrängend auf die Umgebung wirken. Dabei sind insbesondere die folgend genannten Aspekte zu berücksichtigen, und zwar für die Anlage: Gesamthöhe, Standort mit topographischer Situation, Größe des Rotordurchmessers; für das Grundstück: Lage, Ausrichtung bestimmter Räumlichkeiten und deren Fenster und Terrassen zur Windenergieanlage, etwaige Abschirmung zur Anlage, Blickwinkel auf die Anlage, Hauptwindrichtung. Unter Berücksichtigung (insbesondere) der vorstehenden Kriterien lassen sich für die Ergebnisse der Einzelfallprüfungen grobe Anhaltswerte prognostizieren: Beträgt der Abstand zwischen einem Wohngebäude und einer Windenergieanlage mindestens das Dreifache der Gesamthöhe der geplanten Anlage, dürfte die Einzelfallprüfung überwiegend zu dem Ergebnis kommen, dass von dieser Anlage keine optisch bedrängende Wirkung zu Lasten der Wohnnutzung ausgeht. Ist der Abstand geringer als das Zweifache der Gesamthöhe der Anlage, dürfte die Einzelfallprüfung überwiegend zu einer dominanten und optisch bedrängenden Wirkung der Anlage gelangen. Beträgt der Abstand zwischen dem Wohnhaus und der Windenergieanlage das Zwei- bis Dreifache der Gesamthöhe der Anlage, bedarf es regelmäßig einer besonders intensiven Prüfung des Einzelfalls. Diesem groben Raster liegt die Überlegung zu Grunde, dass die optisch bedrängende Wirkung einer Windenergieanlage mit zunehmendem Abstand regelmäßig abnimmt. Diese Grundsätze gelten auch für moderne Typen von Windenergieanlagen, die durch einen höheren Turm und einen größeren Rotordurchmesser gekennzeichnet sind. 237Vgl. zum Ganzen mit ausführlicher Begründung OVG NRW, Urteil vom 20. Dezember 2018 - 8 A 2971/17 -, juris Rn. 195 ff., m. w. N. 238Dass der genehmigte Standort der Windenergieanlage sich etwa 60 bis 70 m oberhalb der umliegenden Wohnhäuser befindet, bewirkt - entgegen der Annahme der Klägerin - nicht, dass diese Höhendifferenz bei der Abstandsbewertung zu der Gesamthöhe der Anlage zu addieren wäre. Denn eine auf höherem Gelände stehende Windenergieanlage wirkt weniger bedrängend als eine Windenergieanlage, die sich auf der gleichen Ebene wie ein Wohngebäude befindet, aber eine Höhe aufweist, die der Summe aus der Höhendifferenz und der Höhe der erstgenannten Anlage entspricht. Zudem berücksichtigt der grobe, pauschalierende Anhaltswert mittelbar auch, dass der Rotor der Anlage tendenziell umso größer ist, je höher die Anlage ist. Ein Geländeunterschied vergrößert jedoch nicht den Rotorumfang, sondern hat auf diesen keinen Einfluss. Der Höhenunterschied ist daher (nur) im Rahmen der Einzelfallprüfung zu berücksichtigen, weil er die optischen Wirkungen der Windenergieanlage verstärken kann. 239Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Oktober 2021 ‑ 8 A 2790/18 -, juris Rn. 54 f., m. w. N. 240Um von einer optisch bedrängenden Wirkung zu sprechen, reicht es für sich gesehen nicht aus, dass die Windenergieanlage von den Wohnräumen aus überhaupt wahrnehmbar ist. Das Gebot der Rücksichtnahme vermittelt dem Nachbarn keinen Anspruch auf eine von technischen Bauwerken freie Sicht. Die optisch bedrängende Wirkung einer Windenergieanlage entfällt daher nicht erst dann, wenn die Sicht auf die Windenergieanlage durch Abschirm- oder Ausweichmaßnahmen völlig gehindert wird. Ausreichend ist vielmehr, dass die Anlage in ihrer Wirkung durch eine vorhandene Abschirmung optisch abgemildert wird oder dass eine solche Abschirmung in zumutbarer Weise hergestellt werden kann. Dies gilt insbesondere für Außenbereichsgrundstücke oder für unmittelbar an den Außenbereich angrenzende Wohngrundstücke. Denn in diesen Fällen sind dem Betroffenen wegen des verminderten Schutzanspruchs eher Maßnahmen zuzumuten, durch die er den Wirkungen der Windenergieanlage ausweicht oder sich vor ihnen schützt. 241Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. Oktober 2021 ‑ 8 A 2790/18 -, juris Rn. 56 f., m. w. N. 242Ausgehend von diesen Maßgaben hat die Klägerin nicht (substantiiert) aufgezeigt, dass von der Windenergieanlage entgegen der Annahme des Beklagten eine optisch bedrängende Wirkung zu Lasten der umliegenden Wohngrundstücke ausgeht. Der Beklagte stützt sich dabei maßgeblich auf die Sichtbeziehungsuntersuchung zur Beurteilung der optisch bedrängenden Wirkung der Windenergieanlage der S. vom 11. September 2018 einschließlich des Nachtrags vom 14. Dezember 2018. Dass die dortigen Ausführungen methodische Mängel aufweisen oder maßgebliche Einzelfallumstände verkennen und der Beklagte daher zu unvertretbaren Ergebnissen gekommen sein könnte, hat die Klägerin mit ihrem pauschalen Vortrag nicht aufzeigen können. 243Mangels konkreter Angaben bleibt unklar, hinsichtlich welcher „mehrerer Wohnnutzungen“ bzw. in welchen „betreffenden Einzelfällen“ der Gutachter aufgrund der vorgetragenen schematisch fehlerhaften Bewertung der topografischen Lage zu unvertretbaren Ergebnissen gelangt sein soll. Nicht erkennbar ist ferner, dass und warum der Gutachter im Rahmen der Einzelfallbetrachtung des Wohnhauses X3. Straße 165 die Topografie - wie die Klägerin meint - „pauschal zugunsten einer weniger belastenden Topografie gewertet“ hätte und dass aufgrund dessen das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme verletzt wäre. Im Gegenteil berücksichtigt die bemängelte Stelle des Gutachtens insbesondere die Lage, Ausrichtung und bauliche Beschaffenheit des Wohngebäudes, namentlich der Fenster sowie die konkret sichtverschattende Wirkung des mit Dachpfannen bzw. lichtundurchlässigem Material abgedeckten Wintergartens, und setzt diese mit der Positionierung der Windenergieanlage unter Beachtung der Hauptwindrichtung konkret in Beziehung. Hinsichtlich der von der Klägerin angesprochenen Sichtbeziehungen von Außenwohnbereichen ‑ gemeint sein dürften Terrassen- bzw. Gartenflächen - ist darauf hinzuweisen, dass Nutzungen im Freien, die im Regelfall ohnehin nur in den Sommermonaten stattfinden, im Hinblick auf ihre Schutzwürdigkeit hinter derjenigen von Wohngebäuden zurücktreten. 244Vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 3. November 2016 ‑ 12 ME 131/16 -, juris Rn. 21. 245Angemerkt wird in diesem Zusammenhang, dass der Einzelrichter am 16. Februar 2022 in drei Parallelverfahren (8 K 3255/18, 8 K 3274/18 und 8 K 3366/18) - u. a. am benachbarten Wohngrundstück X3. Straße 171 - eine Inaugenscheinnahme durchgeführt hat und auch ohne Berücksichtigung der hier gegebenen topographischen (Sonder-)Situation eine optisch bedrängende Wirkung nicht feststellen konnte. 246Desgleichen unsubstantiiert ist der weitere Vortrag der Klägerin, wonach der teilweisen Sichtverschattung „einiger Immissionsorte“ durch Laubbäume eine zu große Bedeutung zugemessen worden sei. Die Klägerin hat schließlich auch nicht in nachvollziehbarer Weise dargelegt, dass und warum die gutachterlichen Ausführungen nicht auf die in den Grundrissplänen abgebildete Möblierung Bezug nehmen durften, zumal die überwiegende Anzahl der Grundrisspläne dem Gutachter von der Klägerin selbst zur Verfügung gestellt und durch die Anwohner zum Teil keine Möglichkeit der Inaugenscheinnahme der konkreten Begebenheiten gegeben wurde. Im Hinblick auf die von der Klägerin konkret gerügte gutachterliche Einzelfallbetrachtung hinsichtlich der Betriebsleiterwohnung C6. Straße 67 ist ebenfalls kein Fehler feststellbar, da der Gutachter während des Ortstermins am 5. September 2018 die tatsächliche Anordnung der Möblierung in Augenschein nehmen konnte und zu dem Ergebnis gekommen ist, dass diese annähernd den Darstellungen auf dem vorgelegten Grundriss entsprochen habe. 247bb) Ein Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot liegt auch in Bezug auf den in etwa 1800 m entfernten Freiballonaufstiegsplatz H1. nicht vor. 248Die Klägerin macht insoweit geltend, dass durch die Höhe der Windenergieanlage Starts bei bestimmten Windbedingungen lebensgefährlich seien. Sie legt indes nicht im Einzelnen dar, um welche „Windbedingungen“ es sich dabei handelt sowie deren Verteilungshäufigkeiten bezogen auf das Kalenderjahr. Auch führt die Klägerin nicht ansatzweise aus, aus welchen konkreten Gründen sie eine „Lebensgefahr“ herleitet. Zudem setzt sie sich nicht mit den Ausführungen der Bezirksregierung N2. als der zuständigen Luftfahrtbehörde auseinander. Diese stellt in ihrem Schreiben an den Beklagten vom 19. Juni 2019 (eingereicht als Anlage 7 zum Klageerwiderungsschriftsatz vom 18. Oktober 2019) zusammenfassend fest, dass das Vorliegen einer konkreten Gefahr für den Luftverkehr nur unter ganz bestimmten, seltenen Gegebenheiten vorliege, der Betrieb des Gasballonplatzes im Übrigen aber nicht durch den Bau und den Betrieb der Windenergieanlage eingeschränkt werde. Dies reiche nicht aus, um die Zustimmung (nach § 14 Abs. 1 LuftVG) insgesamt versagen zu können. Gegen eine unzumutbare Beeinträchtigung des Freiballonaufstiegsplatzes H1. durch die beklagte Windenergieanlage spricht darüber hinaus der Umstand, dass der B. als Inhaber der entsprechenden Betriebsgenehmigung seine (zusammen mit dem O. ) gegen den Genehmigungsbescheid vom 11. Februar 2019 erhobene Klage 8 K 763/20 in der mündlichen Verhandlung am 23. März 2022 in der Hauptsache für erledigt erklärt hat, nachdem sich die Kläger im vorgenannten Verfahren mit der Beigeladenen auf einen außergerichtlichen Vergleich verständigt hatten. Danach kann der B. bzw. der O. für bis zu drei Veranstaltungen im Kalenderjahr verlangen, dass der Betrieb der Windenergieanlage bei Windrichtungen zwischen 290° und 335° eingestellt wird (Trudelbetrieb). Aus welchen Gründen gleichwohl der von der Klägerin geltend gemachte Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot vorliegen soll, ist nicht ersichtlich und wird von ihr auch nicht substantiiert dargelegt. 2494. Die Klägerin wendet ferner ohne Erfolg ein, die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens nach § 36 BauGB sei deshalb rechtswidrig, weil sich der Beklagte offensichtlich zur Ersetzung des Einvernehmens verpflichtet gesehen und keinerlei Ermessenserwägungen hierzu angestellt habe. 250Die Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde bzw. zuständigen Behörde im Rahmen der Ersetzung des Einvernehmens ist gesetzlich gebunden. Ermessen ist ihr nicht eingeräumt. 251Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2. Juli 2021 - 7 B 286/21 -, juris Rn. 35; Hess. VGH, Beschluss vom 14. Mai 2019 ‑ 9 B 2016/18 -, juris Rn. 10; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, § 36 BauGB Rn. 41, m. w. N. (Stand der Kommentierung: Mai 2021). 2525. Die Bescheide vom 28. Januar 2021 bzw. vom 9. November 2021 sind nicht wegen des geltend gemachten Verstoßes gegen den Bebauungsplan Nr. 000 rechtswidrig. 253Ausgehend davon, dass durch diese Bescheid kein Vorhaben im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB zugelassen wurde (vgl. hierzu die Ausführungen unter Gliederungspunkt C. I. 3.), ist deren Rechtmäßigkeit auch nicht an den Vorgaben des Bebauungsplanes Nr. 000 zu messen. 254Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, entspricht der Billigkeit, weil sie einen (Ablehnungs-)Antrag gestellt und sich damit selbst einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). 255Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 709 ZPO (hinsichtlich der Beigeladenen) bzw. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO (hinsichtlich des Beklagten). 256Rechtsmittelbelehrung: 257Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn 2581. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 2592. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 2603. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 2614. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 2625. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. 263Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, zu beantragen. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich einzureichen. 264Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung ‑ ERVV ‑) wird hingewiesen. 265Im Berufungsverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO.
die klage wird abgewiesen. die klägerin trägt die kosten des verfahrens einschließlich der außergerichtlichen kosten der beigeladenen. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar, für die beigeladene allerdings nur gegen sicherheitsleistung in höhe des jeweils zu vollstreckenden betrages. die klägerin darf die vollstreckung durch den beklagten durch sicherheitsleistung in höhe des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht der beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1
2die klägerin wendet sich gegen die - unter ersetzung ihres gemeindlichen einvernehmens - der vormals beigeladenen n. erteilte immissionsschutzrechtliche genehmigung für die - mittlerweile erfolgte - errichtung und den betrieb einer windenergieanlage des typs enercon e-138 ep3 mit einer nabenhöhe von 131 m und einem rotordurchmesser von 138,6 m auf dem grundstück gemarkung h1. , flur 00, flurstück 000 (n1. ). 3bei dem vorhabengrundstück handelt es sich um eine bergehalde, die im rahmen der bergbaulichen tätigkeiten im nördlichen ruhrgebiet aufgeschüttet wurde. es liegt im räumlichen geltungsbereich des landschaftsschutzgebiets nr. 10 „c. “ des am 7. märz 2001 öffentlich bekannt gemachten landschaftsplans nr. 4 „h1. “ des beklagten. der konkrete standort der windenergieanlage befindet sich nach den angaben, die über das internetangebot des landes nordrhein-westfalen für amtliche karten und sonstige amtliche daten (tim-online) abgerufen werden können, etwa 98,5 m über normalnull. 4die vormals beigeladene n. beantragte bereits im jahr 2011 eine immissionsschutzrechtliche genehmigung für die errichtung und den betrieb von zwei windenergieanlagen des typs repower (nunmehr senvion) 3.2m114 auf der halde n1. . diesen antrag stellte der beklagte zunächst aufgrund des in aufstellung befindlichen sachlichen teilflächennutzungsplans „konzentrationszonen für windenergieanlagen“ der klägerin durch bescheid vom 23. mai 2012 bis zum 23. november 2012 zurück. nachdem der rat der klägerin den sachlichen teilflächennutzungsplan am 6. dezember 2012 beschlossen und ihn der bezirksregierung n2. zur genehmigung vorgelegt hatte, versagte die klägerin ihr gemeindliches einvernehmen zu dem vorgenannten genehmigungsantrag. unter verweis hierauf und die damit einhergehende bauplanungsrechtliche unzulässigkeit des vorhabens lehnte der beklagte die erteilung der beantragten immissionsschutzrechtlichen genehmigung durch bescheid vom 17. juni 2013 ab. nach versagung der genehmigung zum vorgenannten sachlichen teilflächennutzungsplan durch die bezirksregierung n2. fasste der stadtplanungs- und bauausschuss der klägerin am 13. märz 2014 den aufstellungsbeschluss für den bebauungsplan nr. 000, gebiet: „n1. “, der am 16. april 2014 im amtsblatt der klägerin bekanntgemacht wurde. am 4. mai 2016 erließ der rat der klägerin die satzung über die anordnung einer veränderungssperre für den bereich des bebauungsplanes nr. 000, gebiet: „n1. “ (im folgenden: veränderungssperre), die am 13. juni 2016 im amtsblatt der klägerin veröffentlicht wurde. 5auf die gegen den ablehnungsbescheid vom 17. juni 2013 erhobene klage der vormals beigeladenen n. verpflichtete die erkennende kammer den beklagten durch urteil vom 11. mai 2017 ‑ 8 k 2788/14 - den vorgenannten immissionsschutzrechtlichen genehmigungsantrag unter beachtung der rechtsauffassung des gerichts neu zu bescheiden. zur begründung verwies die kammer unter anderem darauf, dass dem vorhaben die von der klägerin erlassene veränderungssperre nicht entgegenstehe. sie sei bereits unwirksam, weil im insoweit maßgeblichen zeitpunkt ihres erlasses keine hinreichende konkretisierung der planungsabsichten durch die klägerin vorgelegen habe. unabhängig davon sei im zeitpunkt der gerichtlichen entscheidung der maximal zulässige geltungszeitraum von drei jahren gegenüber der vormals beigeladenen n. (faktisch) ausgeschöpft. gegen dieses urteil beantragte die klägerin die zulassung der berufung beim oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen (8 a 1617/17). am 9. mai 2018 beschloss der rat der klägerin die verlängerung der geltungsdauer der veränderungssperre um ein jahr. die entsprechende satzung wurde am 8. juni 2018 im amtsblatt der klägerin veröffentlicht. 6abweichend von ihrem ursprünglichen genehmigungsantrag beantragte die vormals beigeladene n. unter dem 19. juli 2018 die erteilung einer immissionsschutzrechtlichen genehmigung für die errichtung und den betrieb (nur noch) einer windenergieanlage des typs enercon e-138 ep3 mit einer nabenhöhe von 131 m und einem rotordurchmesser von 138,6 m auf der halde n1. . daraufhin erklärten die vormals beigeladene n. als klägerin im verfahren 8 k 2788/14 und der beklagte das berufungszulassungsverfahren 8 a 1617/17 in der hauptsache für erledigt. 7den antrag der vormals beigeladenen n. übersandte der beklagte der klägerin mit schreiben vom 9. august 2018 unter anderem mit der bitte um prüfung, ob das gemeindliche einvernehmen erteilt werden könne. er bat ferner um schriftliche mitteilung, ob die beigefügten antragsunterlagen aus der sicht der klägerin als vollständig anzusehen seien, sowie um beteiligung der unteren denkmalschutzbehörde der klägerin. der beklagte machte ferner darauf aufmerksam, dass den antragsunterlagen noch keine sichtbeziehungsstudie zur beurteilung der optisch bedrängenden wirkung der windenergieanlage beigefügt sei. diese studie werde derzeit erstellt und übersandt, sobald sie vorliege. 8mit schreiben vom 23. august 2018 teilte die klägerin dem beklagten mit, dass die antragsunterlagen offensichtlich unvollständig seien. es fehlten eine sichtbeziehungsstudie zur beurteilung der optisch bedrängenden wirkung, ein avifaunistisches gutachten und ein geprüfter standsicherheitsnachweis. angesichts der unvollständigkeit der unterlagen habe die frist des § 36 abs. 2 baugb nicht zu laufen begonnen. ungeachtet der unvollständigkeit der bauvorlagen werde bereits zu diesem zeitpunkt darauf hingewiesen, dass das gemeindliche einvernehmen durch die klägerin nicht erteilt werden könne. es bestehe eine rechtskräftige veränderungssperre zur sicherung der bauleitplanung; dies sei auch vom beklagten zu beachten. 9mit schreiben vom 30. august 2018, bei der klägerin eingegangen am 31. august 2018, und vom 17. september 2018, bei der klägerin eingegangen am 19. september 2018, übersandte der beklagte der klägerin die „artenschutzprüfung“, den „ordner 2 (register 15) komplett“ sowie die „sichtbeziehungsstudie optisch bedrängende wirkung vom 11.09.2018“. unter hinweis darauf, dass mit den am 17. september 2018 übersandten zusätzlichen unterlagen der genehmigungsantrag als vollständig anzusehen sei, erinnerte der beklagte die klägerin mit schreiben vom 7. november 2018 an die erbetene stellungnahme und setzte eine frist bis zum 30. november 2018. 10mit schreiben vom 29. november 2018, das inhaltlich identisch ist mit dem schreiben vom 6. dezember 2018, wies die klägerin zunächst darauf hin, dass die sichtbeziehungsstudie vom 11. september 2018 aus ihrer sicht fehlerhaft bzw. unvollständig sei, weshalb der nachweis nicht erbracht sei, dass von dem vorhaben keine optisch bedrängende wirkung aus ginge. zudem führte sie unter bezugnahme auf die veränderungssperre (erneut) aus, dass das gemeindliche einvernehmen nicht erteilt werden könne. 11die von der klägerin im zusammenhang mit der sichtbeziehungsstudie vom 11. september 2018 vorgebrachten einwände nahm der beklagte zum anlass, am 7. dezember 2018 eine ortsbesichtigung durchzuführen, an der neben dem gutachter auch vertreter der klägerin und des beklagten anwesend waren. die diesbezügliche schriftliche stellungnahme der s. vom 14. dezember 2018 wurde als nachtrag zur sichtbeziehungsstudie vom 11. september 2018 zu den antragsunterlagen gereicht. 12ausweislich des gesprächsvermerks des beklagten vom 25. januar 2019 war der genehmigungsantrag der vormals beigeladenen n. gegenstand einer am 24. januar 2019 durchgeführten erörterung zwischen der klägerin und dem beklagten, an der unter anderem der seinerzeitige bürgermeister der klägerin und der seinerzeitige landrat des beklagten teilnahmen. dabei habe der beklagte darauf hingewiesen, dass die klägerin ihr gemeindliches einvernehmen zu unrecht verweigert habe und er daher die ersetzung beabsichtige. da die diesbezüglichen argumente „bereits umfangreich ausgetauscht“ seien, werde „nur eine sehr kurze frist“ zur anhörung der klägerin gesetzt. die vertreter der klägerin „signalisierten insoweit verständnis“. im nachgang zu diesem gespräch hörte der beklagte die klägerin mit schreiben vom 24. januar 2019 zur beabsichtigten ersetzung des gemeindlichen einvernehmens an und gab ihr gelegenheit zur stellungnahme bis zum 4. februar 2019. mit anwaltlichem schreiben vom 1. februar 2019 erklärte die klägerin, sie wolle von ihrem anhörungsrecht gebrauch machen, benötige hierfür jedoch noch weitere (im einzelnen konkret benannte) unterlagen. außerdem bat sie um eine angemessene verlängerung der frist zur stellungnahme, da die gesetzte frist von sieben werktagen deutlich zu knapp und auch unüblich sei. mit e-mail vom 1. februar 2019 übersandte der beklagte der klägerin die von ihr gewünschten unterlagen und gewährte eine fristverlängerung bis zum 7. februar 2019. die argumente seien in der sache erschöpfend ausgetauscht, zudem sei die länge der frist bereits mündlich angekündigt worden. darauf erwiderte die klägerin mit anwaltlichem schreiben vom 6. februar 2019, dass die gesetzte frist für eine abgestimmte stellungnahme zu knapp sei. ferner wies sie darauf hin, dass der landschaftsverband x. im rahmen der benehmensherstellung mit der unteren denkmalbehörde empfohlen habe, in bezug auf die siedlung c. eine sichtbarkeitsanalyse einzuholen und zu prüfen, ob die nutzung der denkmalgeschützten bauten der siedlung durch die wirkung einer windenergieanlage auf dauer eingeschränkt werde. 13durch bescheid vom 11. februar 2019, der klägerin zugestellt am 19. februar 2019, erteilte der beklagte der vormals beigeladenen n. unter anordnung der sofortigen vollziehung die beantragte immissionsschutzrechtliche genehmigung. zur begründung führte er unter anderem aus: das durch die klägerin mit schreiben vom 6. dezember 2018 versagte gemeindliche einvernehmen sei zu ersetzen gewesen. die von der klägerin angeordnete veränderungssperre entfalte gegenüber der vormals beigeladenen n. keine wirkung mehr. unter berücksichtigung des durch den bescheid vom 23. mai 2012 zurückgestellten zeitraums von sechs monaten sowie der seit inkrafttreten der veränderungssperre verstrichenen zeit von zwei jahren und sieben monaten sei die maximale geltungsdauer von drei jahren ab dem 17. dezember 2018 überschritten. unabhängig davon bestünden zweifel an der organmäßigen zuständigkeit des bürgermeisters der klägerin für die ausgesprochene verweigerung des gemeindlichen einvernehmens. auf der grundlage der sichtbeziehungsstudie vom 11. september 2018 sowie des nachtrags vom 14. dezember 2018 gehe eine optisch bedrängende wirkung von der windenergieanlage auch unter berücksichtigung der von klägerin vorgetragenen bedenken nicht aus. eine einschränkung der denkmalgeschützten bauten der siedlung c. durch die wirkung der windenergieanlage könne ebenfalls ausgeschlossen werden. eine gegebenenfalls erforderliche denkmalrechtliche erlaubnis werde von der konzentrationswirkung der immissionsschutzrechtlichen genehmigung erfasst. auf der grundlage der schallimmissionsprognose der s. gmbh & co. kg vom 11. juli 2018 in der überarbeiteten fassung vom 31. januar 2019 (nachfolgend: schallimmissionsprognose vom 31. januar 2019) gingen von der windenergieanlage keine unzumutbaren schallimmissionen aus. für die errichtung und den betrieb der windenergieanlage werde eine befreiung gemäß § 67 bnatschg von den festsetzungen des landschaftsschutzgebiets nr. 10 „c. “ des landschaftsplans nr. 4 „h1. “ erteilt. der ausbau der windenergie stelle ein überwiegendes öffentliches interesse dar. bei dem vorhabenstandort handele es sich nicht um einen teilbereich eines landschaftsschutzgebietes, dem besondere oder herausragende funktionen zugeordnet würden, die der beantragten befreiung entgegen zu halten wären. auf der grundlage der im genehmigungsverfahren vorgelegten artenschutzrechtlichen gutachten und der diesbezüglichen nebenbestimmungen in dem genehmigungsbescheid verstoße das vorhaben auch nicht gegen artenschutzrechtliche zugriffsverbote. 14mit schreiben vom 25. februar 2019 zeigte die vormals beigeladene n. dem beklagten entsprechend ziffer iv. 1.7 des genehmigungsbescheides an, dass nunmehr die beigeladene betreiber der windenergieanlage sei. 15die klägerin hat am 12. märz 2019 klage erhoben und am 20. november 2020 einen antrag auf gewährung vorläufigen rechtsschutzes gestellt, den die kammer durch beschluss vom 22. februar 2021 - 8 l 1615/20 - abgelehnt hat. die hiergegen gerichtete beschwerde hat das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen durch beschluss vom 2. juli 2021 - 7 b 286/21 - zurückgewiesen. 16auf entsprechende anträge der beigeladenen hat der beklagte durch bescheid vom 28. januar 2021 die nebenbestimmung iv. 6.1.2 (zum schutz des uhus) des angefochtenen genehmigungsbescheides aufgehoben und durch bescheid vom 9. november 2021 festgestellt, dass die beklagte windenergieanlage entsprechend der nebenbestimmung iv. 3.1.6 des genehmigungsbescheides vom 11. februar 2019 zur nachtzeit (22:00 bis 06:00 uhr) im betriebsmodus 100db mit einer leistung von 2350 kw betrieben werden darf. zur begründung ist ausgeführt, dass nach dem vermessungsbericht der e. vom 20. august 2020 die in ziffer iv. 3.1.5 des genehmigungsbescheides vom 11. februar 2019 festgelegten oktavschallleistungspegel für 1000, 2000, 4000 und 8000 hertz lo,okt zwar überschritten seien, der nachweis für die aufnahme des nachtbetriebs aber durch eine erneute ausbreitungsberechnung in der schallimmissionsprognose der s. vom 27. oktober 2021 erbracht worden sei. in der am 23. märz 2022 durchgeführten mündlichen verhandlung hat die beigeladene auf die ausnutzung des in der nebenbestimmung iv. 6.1.5 des genehmigungsbescheides vom 11. februar 2019 aufgeführten parameters „kein niederschlag“ verzichtet. 17zur begründung ihrer klage macht die klägerin im wesentlichen geltend: die ersetzung des gemeindlichen einvernehmens durch den beklagten sei rechtswidrig. im zusammenhang mit der abfrage und ersetzung des gemeindlichen einvernehmens sei sie nicht ordnungsgemäß beteiligt worden, weshalb sie in ihrem absoluten verfahrensrecht aus § 36 baugb verletzt sei. zahlreiche antragsunterlagen seien nicht gegenstand der abfrage durch den beklagten gewesen. die unvollständigkeit der antragsunterlagen habe sie mit schreiben vom 16. august 2018 und vom 23. august 2018 gerügt und darauf hingewiesen, dass die zwei-monatsfrist des § 36 abs. 2 baugb nicht zu laufen begonnen habe. auch in der folgezeit seien ihr zu keinem zeitpunkt vollständige antragsunterlagen zur verfügung gestellt worden. der beklagte gehe zu unrecht davon aus, dass die veränderungssperre dem vorhaben nicht entgegengehalten werden könne. diese sei im entscheidungserheblichen zeitpunkt der genehmigungserteilung wirksam gewesen, insbesondere sei das erforderliche mindestmaß an positiver plankonzeption im entscheidungserheblichen zeitpunkt des beschlusses über die veränderungssperre am 4. mai 2016 ohne weiteres erkennbar gewesen. die erkennende kammer habe in ihrem urteil vom 11. mai 2017 ‑ 8 k 2788/14 - nicht hinreichend bewertet, dass die planung bis zu diesem beschluss entscheidend fortentwickelt worden sei. erklärtes positives planungsziel sei eine zusammenhängende freiraumentwicklung im bereich der halden n4. 1/11, n1. , i. 19 sowie i. 22 gewesen. für den oberen haldenkörper der n1. sei es von vornherein um eine freiflächenplanung gegangen, die im wesentlichen öffentliche grünflächen beinhaltete. angesichts seines detaillierungsgrades (einschließlich der verortung einzelner nutzungen) habe das plankonzept den für eine veränderungssperre erforderlichen konkretisierungsgrad erfüllt. die veränderungssperre sei auch unter dem aspekt ihrer geltungsdauer im zeitpunkt der genehmigungserteilung wirksam gewesen. entgegen der auffassung des beklagten sei der zeitraum der sechsmonatigen zurückstellung durch bescheid vom 23. mai 2012 nicht anrechnungsfähig, da die voraussetzungen für eine analoge anwendung des § 17 abs. 1 satz 2 baugb nicht vorlägen. anrechnungsfähige zeiten einer faktischen zurückstellung lägen ebenfalls nicht vor, weil der im jahr 2011 gestellte genehmigungsantrag zu keinem zeitpunkt vollständig gewesen sei, worauf sie, die klägerin, und auch der beklagte wiederholt hingewiesen hätten. zudem hätten die voraussetzungen für eine verlängerung der veränderungssperre in das vierte jahr vorgelegen. ferner sei weder die wegemäßige erschließung noch die löschwasserversorgung ausreichend gesichert. der genehmigung stünden auch öffentliche belange entgegen. es sei nicht sichergestellt, dass von dem vorhaben keine schädlichen umwelteinwirkungen in form von schallimmissionen ausgingen. die überarbeitete schallimmissionsprognose vom 31. januar 2019 sei bereits nicht gegenstand der genehmigung geworden und weise zudem zahlreiche methodische mängel auf. die gutachterlichen befunde ließen erhebliche immissionsrichtwertüberschreitungen erwarten, dies gelte exemplarisch für den im reinen wohngebiet gelegenen immissionsort s1.-------straße 69. es sei zudem nicht plausibel, warum der ip 26, an dem eine richtwertüberschreitung um 1 db(a) festgestellt worden sei, nicht unter dem gesichtspunkt der reflexionen betrachtet worden sei. die schallimmissionsprognose vom 31. januar 2019 greife auch zu kurz, soweit sie auf eine untersuchung des tagbetriebs von vornherein verzichte. das vorhaben verletze in der durch den genehmigungsbescheid zugelassenen form das artenschutzrechtliche tötungsverbot des § 44 abs. 1 nr. 1 bnatschg in bezug auf fledermäuse und die kreuzkröte. der beklagte habe darüber hinaus zu unrecht eine befreiung von den festsetzungen des landschaftsschutzgebiets nr. 10 „c. “ des landschaftsplans nr. 4 „h1. “ erteilt. die genehmigung stelle nicht sicher, dass es zu keiner erheblichen beeinträchtigung der siedlung „c. “ durch die windenergieanlage komme. ohne die vom landschaftsverband x. angemahnte sichtbarkeitsanalyse habe sich der beklagte keinen eindruck vom grad der überprägung des denkmalbereichs der siedlung „c. “ verschaffen können. des weiteren stehe der genehmigung das orts- und landschaftsbild als öffentlicher belang entgegen, weil der ersatz für den eingriff in das landschaftsbild in form eines ersatzgeldes aufgrund einer veralteten fassung des windenergieerlasses berechnet worden sei. die begutachtungen zur optisch bedrängenden wirkung vom 11. september 2018 sowie der nachtrag vom 14. dezember 2018 wiesen methodische fehler auf, weswegen die optisch bedrängende wirkung der windenergieanlage gegenüber mehreren wohnnutzungen verkannt worden sei. die genehmigung verstoße schließlich gegen § 12 luftvg und das bauplanungsrechtliche gebot der rücksichtnahme. die luftfahrtrechtliche zustimmung der bezirksregierung n2. sei rechtswidrig erteilt worden. die belange des b. , der in 1800 m entfernung einen ballonstartplatz betreibe, seien nicht gewürdigt worden. der b. habe für den betrieb des startplatzes - dem weltweit größten für gasballone - im märz 2000 eine unbegrenzte genehmigung erhalten. durch die höhe der windenergieanlage wären starts bei bestimmten windbedingungen lebensgefährlich. bei der durch die bescheide vom 28. januar 2021 und vom 9. november 2021 erstmalig bewirkten zulassung des nachtbetriebs der windenergieanlage handele es sich um eine nutzungsänderung und damit um ein vorhaben im sinne des § 29 abs. 1 baugb. diese nutzungsänderung sei nicht genehmigungsfähig, weil der am 15. april 2019 in kraft gesetzte bebauungsplan nr. 000 am vorhabenstandort windenergieanlagen ausschließe. im übrigen habe der beklagte sie insoweit auch nicht um ihr gemeindliches einvernehmen ersucht. 18die klägerin beantragt, 19den immissionsschutzrechtlichen genehmigungsbescheid vom 11. februar 2019 in der fassung der bescheide vom 28. januar 2021 und vom 9. november 2021 sowie der in der mündlichen verhandlung am 23. märz 2022 zu protokoll erklärten verzichtserklärung der beigeladenen aufzuheben, 20hilfsweise, 21den vorgenannten bescheid für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären. 22der beklagte beantragt, 23die klage abzuweisen. 24zur begründung wiederholt bzw. vertieft er seine ausführungen in dem angefochtenen genehmigungsbescheid und führt ergänzend aus: eine verletzung der klägerin in ihrem formellen beteiligungsrecht liege nicht vor. die von der klägerin bemängelte unterlassene übersendung bestimmter unterlagen werde bestritten und wäre im übrigen schadlos, da diese unterlagen für die entsprechende willensbildung der klägerin keine relevanz aufwiesen und die fehlende übersendung nicht gerügt worden sei. ab dem 17. september 2018 seien die antragsunterlagen in planungsrechtlicher sicht vollständig und eine entscheidung über das gemeindliche einvernehmen möglich gewesen. zudem sei es widersprüchlich, am 23. august 2018 unter bewusstem verzicht auf das abwarten des eingangs der sichtbeziehungsstudie das einvernehmen erstmalig zu verweigern, dies am 6. dezember 2018 zu wiederholen, und nunmehr die verletzung von beteiligungsrechten durch fehlende unterlagen zu rügen. die windenergieanlage stehe auch den planungen der klägerin nicht entgegen. die gesamtoberfläche der n1. sei weiterhin bis auf etwa 110 m² im top-bereich begehbar und für andere zwecke nutzbar. daher seien die ausführungen der klägerin, aufgrund der genehmigten windenergieanlage könne kein zusammenhängender freizeit- und erlebnisraum entwickelt werden bzw. die gartenausstellung (iga 2027) gegebenenfalls nicht stattfinden, nicht nachvollziehbar. die wegemäßige erschließung des vorhabengrundstücks sei ebenso gesichert wie der brandschutz. der aufbau und das bergematerial der n1. unterschieden sich erheblich vom aufbau und dem schüttmaterial der halde h2. . die gefahr eines haldenbrandes sei daher praktisch ausgeschlossen. der genehmigung der windenergieanlage stünden auch unter berücksichtigung des vortrags der klägerin öffentliche belange nicht entgegen. die einhaltung der nächtlichen immissionsrichtwerte an allen lmmissionspunkten sei auf der grundlage der schallimmissionsprognose vom 31. januar 2019 sicher gewährleistet. die dortigen ergebnisse seien durch die auf veranlassung des beklagten erfolgten berechnungen der l. bestätigt worden. die artenschutzrechtlichen nebenbestimmungen in der genehmigung vom 11. februar 2019 zum schutz der fledermäuse und der kreuzkröte seien ausreichend, um das tötungsrisiko unter der signifikanzschwelle zu halten. seine annahme, die windenergieanlage beeinträchtige belange des denkmalschutzes nicht, ergebe sich auch aus der zwischenzeitlich vorliegenden analyse der denkmalschutzrelevanten betroffenheit des denkmalgeschützten siedlungsbereichs c. des büros für landschaftsplanung c1. von september 2019. eine gefährdung des luftverkehrs liege auch unter berücksichtigung der belange des in der nähe des vorhabenstandorts gelegenen ballonstartplatzes nicht vor. dies ergebe sich aus der aus anlass des widerspruchs des b. eingeholten stellungnahme der bezirksregierung n2. vom 19. juni 2019. 25die beigeladene beantragt, 26die klage abzuweisen. 27zur begründung bezieht sie sich auf den vortrag des beklagten bzw. vertieft diesen und führt ergänzend aus: die klägerin sei vom beklagten unstreitig beteiligt worden. einer ersetzung des einvernehmens durch den beklagten habe es nicht bedurft, da die einvernehmensfiktion eingetreten sei. die klägerin habe auf das schreiben des beklagten vom 17. september 2018, mit dem die frist des § 36 abs. 2 satz 2 baugb in gang gesetzt worden sei, über zwei monate nicht reagiert. jedenfalls sei aber die ersetzung des einvernehmens in einem ordnungsgemäßen verfahren erfolgt. im übrigen wäre nach maßgabe des § 46 vwvfg nrw von der unbeachtlichkeit des von der klägerin geltend gemachten verfahrensfehlers auszugehen. 28die kammer hat den rechtstreit durch beschluss vom 6. dezember 2021 auf den berichterstatter als einzelrichter übertragen. 29hinsichtlich des weiteren sach- und streitstandes wird auf die gerichtsakte dieses verfahrens und des verfahrens 8 l 1615/20 sowie die beigezogenen verwaltungsvorgänge und die gerichtsakte 8 k 2788/14 bezug genommen. 30
31die klage, über die der nach § 6 abs. 1 vwgo zuständige einzelrichter entscheidet, hat keinen erfolg. 32die bescheide vom 28. januar 2021 und vom 9. november 2021 sowie die in der mündlichen verhandlung am 23. märz 2022 zu protokoll erklärte verzichtserklärung der beigeladenen konnten noch in das laufende klageverfahren einbezogen werden (dazu a.). die von der klägerin in der nunmehrigen form fortgeführte klage ist zwar zulässig (dazu b.), aber unbegründet (dazu c.). 33a. die klägerin konnte die bescheide 28. januar 2021 und vom 9. november 2021 sowie die in der mündlichen verhandlung am 23. märz 2022 zu protokoll erklärte verzichtserklärung der beigeladenen in das laufende klageverfahren einbeziehen. durch den bescheid vom 9. november 2021 hat der beklagte verbindlich festgestellt, dass der durch den genehmigungsbescheid vom 11. februar 2019 (vgl. ziffer iv. 3.1.6 i. v. m. 3.1.5) zunächst aufschiebend bedingt zugelassene schallreduzierte nachtbetrieb im betriebsmodus 100 db mit einer leistung von 2350 kw nunmehr aufgenommen werden darf, weil die beigeladene den eintritt der aufschiebenden bedingung nachgewiesen habe. damit bilden dieser bescheid und der genehmigungsbescheid ‑ ebenso wie die dem genehmigungsbescheid zur sicherstellung der erfüllung der genehmigungsvoraussetzungen (vgl. § 12 abs. 1 bimschg) nachträglich beigefügten nebenbestimmungen -, 34vgl. hierzu ovg nrw, urteil vom 22. november 2021 - 8 a 973/15 -, juris rn. 49 ff., m. w. n., 35einen unteilbaren regelungsgegenstand und stellt dessen einbeziehung schon keine klageänderung dar. 36eine änderung des streitgegenstands liegt mithin im rechtssinne nicht vor, sondern lediglich eine nach § 173 vwgo i. v. m. § 264 nr. 3 zpo ohne weiteres zulässige anpassung des klageantrags aufgrund einer nachträglichen veränderung. selbst wenn man die einbeziehung des bescheides vom 9. november 2021 als klageänderung im sinne von § 91 vwgo ansieht, ist diese klageänderung aber aus gründen der prozessökonomie jedenfalls als sachdienlich einzustufen. im ergebnis nichts anderes gilt in bezug auf den bescheid vom 28. januar 2021, durch den die im genehmigungsbescheid vom 11. februar 2019 zum schutz des uhus enthaltene nebenbestimmung iv. 6.1.2 aufgehoben wurde, sowie die in der mündlichen verhandlung am 23. märz 2022 zu protokoll erklärte verzichtserklärung der beigeladenen. 37b. die von der klägerin in der nunmehrigen form fortgeführte und als anfechtungsklage nach § 42 abs. 1 alt. 1 vwgo statthafte klage ist zulässig. insbesondere ist die klägerin nach § 42 abs. 2 vwgo klagebefugt. sie kann geltend machen, durch die immissionsschutzrechtliche genehmigung vom 11. februar 2019 in der fassung der bescheide vom 28. januar 2021 und vom 9. november 2021 sowie der in der mündlichen verhandlung am 23. märz 2022 zu protokoll erklärten verzichtserklärung der beigeladenen in eigenen rechten verletzt zu sein. für die klagebefugnis genügt es, wenn die geltend gemachte rechtsverletzung aus rechtlichen oder tatsächlichen gründen möglich ist. daran fehlt es nur, wenn die vom kläger geltend gemachte rechtsposition offensichtlich und eindeutig nach keiner betrachtungsweise bestehen oder ihm zustehen kann. 38vgl. bverwg, urteil vom 29. april 2020 - 7 c 29.18 -, juris rn. 15. 39letzteres ist hier nicht der fall. die klägerin macht geltend, dass sie durch den genehmigungsbescheid vom 11. februar 2019 in der fassung der bescheide vom 28. januar 2021 und vom 9. november 2021 in ihrem formellen beteiligungsrecht bzw. materiellen mitentscheidungsrecht aus § 36 baugb verletzt ist. 40i. nach der ständigen rechtsprechung des bundesverwaltungsgerichts führt allein die missachtung oder verletzung des gesetzlich gewährleisteten, dem schutz der planungshoheit dienenden rechts der gemeinde auf einvernehmen zur aufhebung der genehmigung; eine materiell-rechtliche überprüfung der rechtslage findet in diesen fällen nicht statt. 41vgl. nur bverwg, urteil vom 26. märz 2015 - 4 c 1.14 -, juris rn. 17, m. w. n. 42eine solche verletzung erscheint auf der grundlage des vortrags der klägerin jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen und zwar sowohl in bezug auf den genehmigungsbescheid vom 11. februar 2019 als auch die bescheide vom 28. januar 2021 und vom 9. november 2021. 43ii. desgleichen erscheint es möglich, dass die klägerin durch die ersetzung ihres gemeindlichen einvernehmens in dem genehmigungsbescheid vom 11. februar 2019 in der fassung der bescheide vom 28. januar 2021 und vom 9. november 2021 in ihrer gemeindlichen planungshoheit verletzt wird. 44die einvernehmensregelung des § 36 baugb sichert die verfassungsrechtlich gewährleistete planungshoheit der gemeinden. bei einem außenbereichsvorhaben darf die gemeinde ihr einvernehmen nur aus den sich aus § 35 baugb ergebenden gründen versagen (§ 36 abs. 2 satz 1 baugb). hieraus folgt, dass die voraussetzungen des § 35 baugb auf das rechtsmittel der gemeinde hin in vollem umfang nachzuprüfen sind. 45vgl. bverwg, urteil vom 1. juli 2010 - 4 c 4.08 -, juris rn. 32, m. w. n. 46die gemeinde kann also insbesondere geltend machen, dass ein vorhaben öffentliche belange im sinne von § 35 abs. 3 baugb beeinträchtige; sie kann sich auch auf eine verletzung ihrer planungshoheit berufen, weil die ausreichende erschließung des vorhabens im sinne von § 35 abs. 1 baugb nicht gesichert sei. 47vgl. bverwg, urteil vom 31. oktober 1990 - 4 c 45.88 -, juris rn. 12. 48für die frage des „drittschutzes“ der geltend gemachten belange nach § 35 abs. 3 baugb ist in derartigen fällen kein raum. 49vgl. ovg nrw, urteil vom 30. juli 2009 - 8 a 2357/08 -, juris rn. 40 ff., m. w. n., speziell zu belangen des naturschutzes gemäß § 35 abs. 3 satz 1 nr. 5 baugb, sowie beschluss vom 28. oktober 2021 - 7 b 782/21.ak -, juris rn. 2 ff., zur vereinbarkeit einer windenergieanlage mit einer landschaftsschutzgebietsausweisung, § 35 abs. 3 satz 1 nr. 2 bzw. 5 baugb, zum gebot der rücksichtnahme unter dem blickwinkel einer optisch bedrängenden wirkung sowie zur verunstaltung des landschaftsbildes im sinne des § 35 abs. 3 satz 1 nr. 5 baugb; ferner ovg s.‑a., urteil vom 24. märz 2021 - 2 l 79/17 -, juris rn. 138, zu schädlichen umwelteinwirkungen gemäß § 35 abs. 3 satz 1 nr. 3 baugb in form unzumutbarer geruchsbelästigungen; hess. vgh, beschluss vom 14. mai 2019 ‑ 9 b 2016/18 -, juris rn. 10, zu den belangen des natur- und artenschutzes, § 35 abs. 3 satz 1 nr. 5 baugb, und der funktionsfähigkeit von radaranlagen, § 35 abs. 3 satz 1 nr. 8 baugb. 50darüber hinaus ist - auch ohne ausdrückliche nennung in § 36 baugb - aufgrund der sicherungsfunktion dieser vorschrift anerkannt, dass die gemeinde ihr einvernehmen auch wegen einer (wirksamen) veränderungssperre nach § 14 baugb verweigern kann. 51vgl. nur söfker, in: ernst/zinkahn/bielenberg/krautzberger, baugesetzbuch, § 36 baugb rn. 43a (stand der kommentierung: mai 2021). 52ausgehend vom vorbringen der klägerin besteht die möglichkeit, dass die durch den beklagten vorgenommene ersetzung des gemeindlichen einvernehmens zu unrecht erfolgte, weil dem vorhaben die veränderungssperre für den bebauungsplan nr. 000, gebiet: „n1. “ entgegenstand bzw. die voraussetzungen des § 35 baugb nicht vorlagen, weil eine (ausreichende) erschließung nicht gesichert war bzw. dem vorhaben öffentliche belange im sinne von § 35 abs. 3 baugb entgegenstanden. 53c. die klage ist unbegründet. der angefochtene genehmigungsbescheid vom 11. februar 2019 in der fassung der bescheide vom 28. januar 2021 und vom 9. november 2021 sowie der in der mündlichen verhandlung am 23. märz 2022 zu protokoll erklärten verzichtserklärung der beigeladenen verletzt die klägerin nicht in ihren rechten, § 113 abs. 1 satz 1 vwgo. eine solche verletzung folgt weder aus einer missachtung bzw. verletzung ihres gemeindlichen beteiligungsrechts aus § 36 baugb (dazu i.) noch aus einem verstoß gegen materielles recht, auf das die klägerin sich berufen kann (dazu ii.). 54i. eine missachtung bzw. verletzung des gemeindlichen beteiligungsrechts der klägerin aus § 36 abs. 1 baugb durch den beklagten liegt nicht vor. der beklagte hat die klägerin vor erlass des genehmigungsbescheides vom 11. februar 2019 in rechtlich nicht zu beanstandender weise beteiligt mit der folge, dass die in § 36 abs. 2 satz 2 baugb geregelte einvernehmensfrist am 20. september 2018 in gang gesetzt wurde und am 19. november 2018 abgelaufen war, ohne dass eine rechtlich wirksame und fristgerechte verweigerung des einvernehmens durch die klägerin erfolgt war (dazu 1.). infolge des eintritts der einvernehmensfiktion ist der von der klägerin geltend gemachte verstoß gegen § 73 abs. 4 bauo nrw rechtlich unerheblich, liegt aber auch im übrigen nicht vor (dazu 2.). einer erneuten beteiligung der klägerin gemäß § 36 baugb vor erlass der bescheide vom 28. januar 2021 bzw. vom 9. november 2021 bedurfte es nicht (dazu 3.). 551. der beklagte hat die immissionsschutzrechtliche genehmigung vom 11. februar 2019 nicht unter verstoß gegen das formelle beteiligungsrecht der klägerin aus § 36 baugb erteilt. 56nach § 36 abs. 1 satz 1 baugb ist über die zulässigkeit von vorhaben nach den §§ 31, 33 bis 35 baugb von der baugenehmigungsbehörde im einvernehmen mit der gemeinde zu entscheiden. das einvernehmen der gemeinde ist auch erforderlich, wenn in einem anderen verfahren über die zulässigkeit nach diesen vorschriften entschieden wird (§ 36 abs. 1 satz 2 hs. 1 baugb). das immissionsschutzrechtliche genehmigungsverfahren ist ein anderes verfahren in diesem sinne. 57vgl. bverwg, urteil vom 27. august 2020 - 4 c 1.19 -, juris rn. 12, m. w. n. 58dieses beteiligungsrecht hat der beklagte vor erlass des genehmigungsbescheides vom 11. februar 2019 nicht missachtet bzw. verletzt. die annahme einer missachtung bzw. verletzung des gemeindlichen beteiligungsrechts scheidet jedenfalls dann aus, wenn das einvernehmen gemäß § 36 abs. 2 satz 2 baugb als erteilt gilt. dies ist hier der fall. 59a) die zwei-monatsfrist des § 36 abs. 2 satz 2 baugb ist durch das schreiben des beklagten vom 9. august 2018 in verbindung mit den mit schreiben vom 30. august 2018 und vom 17. september 2018 nachgereichten unterlagen in gang gesetzt worden. 60aa) ein ordnungsgemäßes ersuchen im sinne von § 36 abs. 2 satz 2 baugb setzt zunächst voraus, dass es eindeutig formuliert ist; die gemeinde muss erkennen können, dass und in welcher hinsicht die frist des § 36 abs. 2 satz 2 baugb ausgelöst wird. ob dieses erfordernis gewahrt ist, hängt maßgeblich davon ab, wie das schreiben nach dem empfängerhorizont der gemeinde verstanden werden musste. 61vgl. ovg nrw, beschluss vom 21. dezember 2010 ‑ 8 b 1426/10 -, juris rn. 7 ff.; ovg rh.-pf., urteil vom 15. mai 2018 - 1 a 11903/17 -, juris rn. 44, m. w. n.; bay. vgh, beschluss vom 25. august 2015 ‑ 22 cs 15.1683 -, juris rn. 25. 62die einvernehmensfrist wird ferner nur ausgelöst, wenn und sobald das ersuchen der genehmigungsbehörde der gemeinde eine hinreichende und abschließende planungsrechtliche beurteilung des bauvorhabens ermöglicht. vor der entscheidung über das gemeindliche einvernehmen im bauaufsichtlichen verfahren (§ 36 abs. 1 satz 1 baugb) hat die gemeinde zu prüfen, ob die bei ihr eingereichten bauvorlagen eine sachgerechte prüfung in bauplanungsrechtlicher hinsicht zulassen. das recht auf beteiligung im baugenehmigungsverfahren, das der gesetzgeber der gemeinde zum schutz ihrer planungshoheit einräumt, ist mit der obliegenheit verbunden, im rahmen der möglichkeiten, die ihr das landesrecht eröffnet, gegenüber dem bauherrn oder der baugenehmigungsbehörde auf die vervollständigung des bauantrages hinzuwirken. kommt die gemeinde dieser mitwirkungslast nicht innerhalb von zwei monaten nach der einreichung des antrags bei ihr nach, gilt ihr einvernehmen nach § 36 abs. 2 satz 2 hs. 1 baugb als erteilt. die gemeinde ist aufgrund ihres beteiligungsrechts im bauaufsichtlichen verfahren indes berechtigt, ihre entscheidung über das einvernehmen bis zum eingang der in bauplanungsrechtlicher hinsicht erforderlichen unterlagen zurückzustellen. die zweimonatige einvernehmensfrist beginnt dann mit dem eingang dieser unterlagen bei der gemeinde. diese zur einvernehmenserteilung im baugenehmigungsverfahren aufgestellten rechtssätze sind auf das immissionsschutzrechtliche genehmigungsverfahren übertragbar. 63vgl. bverwg, urteil vom 27. august 2020 - 4 c 1.19 -, juris rn. 16 f., m. w. n. 64das spektrum der unterlagen, die eine gemeinde als entscheidungsgrundlage nachfordern darf, ist begrenzt. § 36 abs. 2 satz 2 hs. 2 baugb ist dahin auszulegen, dass die gemeinde ihre entscheidung über das einvernehmen auf der grundlage der antragsunterlagen (bauantrag und bauvorlagen) zu treffen hat. der gesetzgeber macht dies deutlich, indem er den beginn der einvernehmensfrist an die einreichung des antrags bei der gemeinde knüpft. die gemeinde ist deshalb darauf beschränkt, gegenüber dem bauherrn oder der baugenehmigungsbehörde auf das nachreichen solcher unterlagen hinzuwirken, die mit dem bauantrag hätten eingereicht werden müssen, um ihr die bauplanungsrechtliche beurteilung des bauvorhabens zu ermöglichen. zum kreis dieser unterlagen gehören die von der baugenehmigungsbehörde (nach landesrecht) einzuholenden stellungnahmen der fachbehörden, deren aufgabenbereich durch das vorhaben berührt wird, nicht. der gemeinde ist es hingegen nicht verwehrt, gegenüber der baugenehmigungsbehörde geltend zu machen, dass der bauantrag ohne die vorlage einer bestimmten fachtechnischen untersuchung in bauplanungsrechtlicher hinsicht nicht beurteilungsreif und insoweit ergänzungsbedürftig sei. 65vgl. bverwg, urteil vom 16. september 2004 - 4 c 7.03 -, juris rn. 26. 66bb) hiervon ausgehend ist die zwei-monatsfrist des § 36 abs. 2 satz 2 baugb durch das schreiben des beklagten vom 9. august 2018 in verbindung mit den mit schreiben vom 30. august 2018 und vom 17. september 2018 nachgereichten unterlagen in gang gesetzt worden. mit dem erstgenannten schreiben hat der beklagte die klägerin unter beifügung der bis zu diesem zeitpunkt vorliegenden unterlagen ausdrücklich um prüfung gebeten, „ob das gemeindliche einvernehmen nach § 36 baugb erteilt werden kann“. für die klägerin war auch eindeutig ersichtlich, dass sich dieses ersuchen des beklagten auf das hier streitgegenständliche und nicht auf das im jahr 2013 abschlägig beschiedene vorhaben (errichtung und betrieb von zwei windenergieanlagen des typs repower 3.2m114) bezog. dies folgt ungeachtet der vom beklagten gewählten formulierung „wiederaufnahme des immissionsschutzrechtlichen zulassungsverfahrens“ sowohl aus der betreffzeile des schreibens vom 9. august 2018, in der ausdrücklich das neue vorhaben „errichtung und betrieb von einer windenergieanlage typ enercon e-138 ep3, nh 130,53 m, rd 138,59 m, mit einer leistung 3.500 kw“ in bezug genommen wird, als auch aus den beigefügten antragsunterlagen. nichts anderes hat die klägerin in ihrem schreiben vom 23. august 2018 zum ausdruck gebracht. 67zudem hat der beklagte in dem schreiben vom 9. august 2018 um schriftliche mitteilung gebeten, ob die zur verfügung gestellten antragsunterlagen aus sicht der klägerin als vollständig anzusehen seien. ferner hat er bereits selbst darauf hingewiesen, dass keine sichtbeziehungsstudie zur beurteilung der optisch bedrängenden wirkung der windenergieanlage beigefügt sei. diese werde zurzeit noch erstellt und übersandt, sobald sie vorliege. auf das fehlen einer sichtbeziehungsstudie hat auch die klägerin mit e-mail vom 16. august 2018 sowie schreiben vom 23. august 2018 und in letzterem darüber hinaus darauf hingewiesen, dass ohne ein avifaunistisches gutachten eine prüfung gemäß § 35 abs. 3 satz 1 nr. 5 baugb im rahmen der einvernehmensentscheidung derzeit nicht möglich sei. angesichts der unvollständigkeit gehe die klägerin davon aus, dass die zwei-monatsfrist des § 36 abs. 2 baugb nicht zu laufen begonnen habe. es lägen bisher auch keine geprüften standsicherheitsnachweise vor. 68die klägerin und der beklagte gehen daher im ausgangspunkt zutreffend davon aus, dass das schreiben vom 9. august 2018 für sich genommen die einvernehmensfrist nicht ausgelöst hat. in einem solchen fall beginnt die einvernehmensfrist - wie ausgeführt - ab dem eingang der angeforderten unterlagen bei der gemeinde. hier hat der beklagte der klägerin mit schreiben vom 30. august 2018 die „artenschutzprüfung“ (von august 2018 = avifaunistisches gutachten) - sowie eine nicht näher bezeichnete sichtbeziehungsstudie (offenbar vom 22. august 2018; eine solche findet sich jedenfalls im beigezogenen verwaltungsvorgang der klägerin) - und mit schreiben vom 17. september 2018 die „sichtbeziehungsstudie optisch bedrängende wirkung vom 11.09.2018“ übersandt. den eingang beider schreiben nebst den vorgenannten antragsunterlagen hat die klägerin nicht in abrede gestellt. ausweislich der beigezogenen verwaltungsvorgänge der klägerin sind das schreiben vom 30. august 2018 am 31. august 2018 und das schreiben vom 17. september 2018 am 19. september 2018 bei der klägerin eingegangen. damit lagen der klägerin die von ihr als fehlend angesehenen antragsunterlagen - sichtbeziehungsstudie, avifaunistisches gutachten - spätestens am 19. september 2018 vor. soweit sie in der e-mail vom 16. august 2018 bzw. dem schreiben vom 23. august 2018 auf die fehlenden standsicherheitsnachweise hingewiesen hatte, kann dahinstehen, ob sie überhaupt selbst davon ausgegangen ist, diese nachweise für ihre bauplanungsrechtliche prüfung des vorhabens im rahmen des § 36 baugb zu benötigen. denn es handelt sich hierbei nicht um einen im rahmen des § 35 baugb zu berücksichtigenden bauleitplanerischen belang. vielmehr ist damit ein gesichtspunkt angesprochen, der bauordnungsrechtlich von bedeutung ist (§ 12 bauo nrw). 69vgl. dazu, dass das einvernehmen nicht wegen bauordnungsrechtlicher vorschriften verweigert werden kann, ovg rh.-pf., beschluss vom 18. januar 2018 ‑ 8 a 11373/17 -, juris rn. 29. 70entgegen der auffassung der klägerin bedurfte es im zusammenhang mit der übersendung der nachgereichten antragsunterlagen keines erneuten hinweises auf § 36 baugb und auch keiner erneuten abfrage nach dieser vorschrift durch den beklagten. für die klägerin war nämlich ohne weiteres erkennbar, dass die nachgereichten unterlagen sich auf das ersuchen des beklagten vom 9. august 2018 bezogen haben, ob sie ihr gemeindliches einvernehmen nach § 36 baugb zu dem hier streitgegenständlichen vorhaben erteile. dies folgt aus den jeweiligen betreffzeilen der schreiben vom 30. august 2018 und vom 17. september 2018, die identisch sind mit der betreffzeile im schreiben vom 9. august 2018 sowie der einleitenden formulierung im anschluss an die anrede „anbei die weiteren ergänzungen zum o. g. genehmigungsantrag“. 71bei dem mit schreiben vom 9. august 2018 formulierten ersuchen um erteilung des gemeindlichen einvernehmens handelte es sich auch nicht um eine „abfrage auf vorrat“, deren zulässigkeit die klägerin in frage stellt. zwar ging (auch) der beklagte zu diesem zeitpunkt von der unvollständigkeit der antragsunterlagen aus. diesen umstand hat er indes in dem schreiben vom 9. august 2018 ausdrücklich - und zudem durch fettdruck optisch hervorgehoben - offenbart und eine nachreichung der sichtbeziehungsstudie in aussicht gestellt, sobald ihm diese selbst vorliege. ferner hat er die klägerin um mitteilung gebeten, ob aus ihrer sicht die antragsunterlagen im übrigen vollständig seien. in einer solchen von transparenz getragenen vorgehensweise vermag die kammer eine unbillige risikoverlagerung auf die klägerin nicht zu erblicken. es ist auch unter berücksichtigung ihres vortrags nicht erkennbar, welche zusätzlichen, über die bereits benannte mitwirkungsobliegenheit hinausgehenden und ihr billigerweise nicht mehr zumutbaren prüfungserfordernisse von der klägerin abverlangt worden wären. ebenso wenig besteht in konstellationen - wie der vorliegenden - die von der klägerin angesprochene unklarheit bezüglich des fristbeginns. beginnt die einvernehmensfrist nach der zitierten rechtsprechung des bundesverwaltungsgerichts in den fällen, in denen die gemeinde entsprechend ihrer mitwirkungsobliegenheit vor ablauf von zwei monaten zu recht auf die unvollständigkeit der antragsunterlagen hinweist, erst mit eingang der nachgereichten unterlagen bei der gemeinde zu laufen, gilt nichts anderes in der hier gegebenen konstellation, in der die genehmigungsbehörde bereits selbst im rahmen ihres ersuchens nach § 36 abs. 2 baugb darauf hinweist, die antragsunterlagen seien ihrer auffassung nach unvollständig. 72auch das bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass es nicht in allen fällen, in denen die zwei-monatsfrist des § 36 abs. 2 satz 2 baugb unterbrochen wird (im dortigen fall durch eine zurückstellung nach § 15 abs. 3 baugb), eines erneuten ersuchens der genehmigungsbehörde bedarf. 73vgl. bverwg, urteil vom 26. märz 2015 - 4 c 1.14 -, juris rn. 16. 74b) da die klägerin in der folge, d. h. innerhalb von zwei monaten nach eingang des schreibens vom 17. september 2018 am 19. september 2018, weder die unvollständigkeit der antragsunterlagen (erneut) moniert noch ihr einvernehmen verweigert hat, ist die einvernehmensfiktion des § 36 abs. 2 satz 2 baugb mit ablauf des 19. november 2018 eingetreten. 75vgl. dazu, dass sich die dauer der frist nach den §§ 187 ff. bgb beurteilt, söfker, in: ernst/zinkahn/bielen-berg/krautzberger, baugesetzbuch, § 36 baugb rn. 38a (stand der kommentierung: mai 2021). 76aa) diese frist ist nicht durch das schreiben des beklagten vom 7. november 2018 und die dortige setzung einer frist zur stellungnahme bis zum 30. november 2018 verlängert worden. abgesehen davon, dass sich diese fristsetzung offensichtlich auf die stellungnahme nach § 11 der 9. bimschv und gerade nicht auf die einvernehmensfrist des § 36 abs. 2 satz 2 baugb bezog, steht letztere nicht zur disposition der beteiligten und ist eine verlängerung rechtlich nicht zulässig. 77vgl. bverwg, urteil vom 27. august 2020 - 4 c 1.19 -, juris rn. 21, m. w. n. 78bb) die zwei-monatsfrist des § 36 abs. 2 satz 2 baugb ist ferner nicht durch die weiteren schreiben der klägerin vom 29. november 2018, vom 6. dezember 2018, vom 1. februar 2019 und vom 6. februar 2019 über den 19. november 2018 hinaus verlängert bzw. unterbrochen worden. denn sämtliche der vorgenannten schreiben sind bei dem beklagten erst nach dem 19. november 2018 und damit nach ablauf der zwei-monatsfrist eingegangen. ebenso wenig kann der eintritt der fiktion durch eine anhörung und ersetzung des einvernehmens überwunden werden. 79vgl. bverwg, urteil vom 27. august 2020 - 4 c 1.19 -, juris rn. 21. 80cc) die klägerin hat ihr gemeindliches einvernehmen auch mit dem schreiben vom 23. august 2018 nicht in rechtlich erheblicher weise verweigert. maßgeblich hierfür sind folgende erwägungen: 81zunächst ist festzustellen, dass sowohl der beklagte als auch die klägerin übereinstimmend davon ausgingen, dass die klägerin ihr einvernehmen (erst) mit schreiben vom 6. dezember 2018 versagt hat (vgl. einerseits seite 30 des genehmigungsbescheides vom 11. februar 2019: „die stadt h1. hat mit stellungnahme vom 06.12.2018 ihr einvernehmen gemäß § 36 baugb im rahmen des antrags der n. zur errichtung und zum betrieb einer windenergieanlage auf der n1. in h1. versagt.“; andererseits seite 6 der klagebegründungsschrift vom 17. juli 2019: „mit schreiben vom 06.12.2018 verweigerte die klägerin die erteilung des gemeindlichen einvernehmens.“). demgegenüber haben beide den ausführungen auf seite 2 des schreibens der klägerin vom 23. august 2018 eine rechtlich erhebliche qualität in bezug auf die verweigerung des einvernehmens nicht beigemessen. die richtigkeit dieser einschätzung wird durch den umstand bestätigt, dass auf seite 2 des vorgenannten schreibens zunächst ausdrücklich herausgestellt wird, dass angesichts der unvollständigkeit der unterlagen nach auffassung der klägerin die zwei-monatsfrist des § 36 abs. 2 baugb nicht zu laufen begonnen habe. im anschluss hieran leitet sie ihre im zusammenhang mit dem gemeindlichen einvernehmen stehenden ausführungen mit der formulierung ein „bereits zu diesem zeitpunkt weise ich ungeachtet der unvollständigkeit der bauvorlagen darauf hin, dass das gemeindliche einvernehmen nach § 36 baugb durch die stadt h1. nicht erteilt werden kann“. geht man vom insoweit maßgeblichen objektiven empfängerhorizont aus, durfte und musste der beklagte auf der grundlage dieser ausführungen den schluss ziehen, dass die klägerin eine verbindliche erklärung über das einvernehmen (noch) nicht abgeben wollte, sondern es sich (zunächst) lediglich um einen rechtlich unverbindlichen hinweis auf die im jahr 2016 erlassene und im jahr 2018 um ein weiteres jahr verlängerte veränderungssperre handeln sollte, die der erteilung eines einvernehmens durch die klägerin (ihrer auffassung nach) entgegensteht. anhaltspunkte dafür, dass die klägerin ihr gemeindliches einvernehmen in dem schreiben vom 23. august 2018 hilfsweise für den fall, dass ihre auffassung hinsichtlich des fristbeginns unzutreffend sein sollte, versagt haben könnte, sind dem vorgenannten schreiben nicht zu entnehmen. solche hat auch die klägerin nicht konkret benannt. 822. a) ist die einvernehmensfiktion nach den vorstehenden ausführungen eingetreten und die klägerin damit so zu behandeln, als habe sie ihr gemeindliches einvernehmen erteilt, bedurfte es keiner ersetzungsentscheidung durch den beklagten gemäß § 36 abs. 2 satz 3 baugb. daher ist es rechtlich nicht erheblich, ob der von der klägerin gerügte verstoß gegen § 73 abs. 4 bauo nrw vorliegt. 83b) selbst wenn man davon ausgeht, dass die klägerin ihr gemeindliches einvernehmen bereits mit dem schreiben vom 23. august 2018 rechtlich wirksam versagt hatte, kann eine verletzung des mitwirkungsrechts der klägerin nach § 36 baugb nicht festgestellt werden. denn die klägerin hätte sich dann in der lage gesehen, ihr einvernehmen aus sachgründen zu versagen. damit wäre dem zweck des einvernehmenserfordernisses genüge getan. 84die in § 36 abs. 1 satz 1 baugb vorgesehene mitwirkung der gemeinde ist auf die sicherung der gemeindlichen planungshoheit ausgerichtet. die gemeinde soll dort, wo sie noch nicht geplant hat, oder dann, wenn ein bauvorhaben von ihrer planung abweicht, im genehmigungsverfahren an der beurteilung der bauplanungsrechtlichen zulässigkeit des bauvorhabens mitentscheidend beteiligt werden. darüber hinaus soll sie in den fällen, in denen ein nach den §§ 31, 33 bis 35 baugb zulässiges vorhaben ihren planerischen vorstellungen nicht entspricht, von ihrer planungsrechtlichen möglichkeit gebrauch machen können, durch aufstellung eines bauleitplans die planungsrechtlichen grundlagen für die zulässigkeit eines vorhabens zu ändern und zur sicherung der planung das mittel der veränderungssperre zu ergreifen oder das baugesuch zurückstellen zu lassen. 85vgl. bverwg, urteil vom 26. märz 2015 - 4 c 1.14 -, juris rn. 11, m. w. n. 86die klägerin hat in dem schreiben vom 23. august 2018 auf die im jahr 2016 erlassene und im jahr 2018 verlängerte veränderungssperre zur sicherung ihrer planung für den bereich des zum damaligen zeitpunkt in aufstellung befindlichen bebauungsplan nr. 000, mithin auf ihre schon eingeleitete bauleitplanung verwiesen, durch die die planungsrechtlichen grundlagen für die zulässigkeit des hier streitgegenständlichen vorhabens geändert werden sollten. damit hat sie zugleich zum ausdruck gebracht, dass sie bereits auf der basis der ihr bis dahin vorliegenden unterlagen die (abschließende) entscheidung treffen konnte, dass das vorhaben ihre planung behindert und die erteilung des gemeindlichen einvernehmens nicht in betracht kommt. schon deshalb geht ihr einwand, ihr hätten nicht alle für die entscheidung relevanten unterlagen vorgelegen, ins leere. 87vgl. bverwg, urteil vom 27. august 2020 - 4 c 1.19 -, juris rn. 17. 88hieran ändert auch der umstand nichts, dass die klägerin in dem schreiben vom 23. august 2018 zugleich die unvollständigkeit der antragsunterlagen gerügt hat. zum einen hat der beklagte - wie bereits ausgeführt - die in dem vorgenannten schreiben konkret benannten unterlagen (sichtbeziehungsstudie, avifaunistisches gutachten = artenschutzprüfung von august 2018) der klägerin mit schreiben vom 30. august 2018 und vom 17. september 2018 zur verfügung gestellt. zum anderen ist festzustellen, dass es sich bei den von der klägerin auf seite 11 f. des klagebegründungsschriftsatzes vom 17. juli 2019 aufgeführten unterlagen - avifaunistisches gutachten (= artenschutzprüfung) von oktober 2018; nachtrag zum landschaftspflegerischen begleitplan von november 2018; nachtrag der s. zum gutachten zur optisch bedrängenden wirkung vom 14. dezember 2018; überarbeitung der schallimmissionsprognose vom 31. januar 2019 - (lediglich) um ergänzungen bereits zuvor von der vormals beigeladenen n. vorgelegter und der klägerin vom beklagten unstreitig zur verfügung gestellter gutachten handelt, namentlich: artenschutzprüfung von august 2018; landschaftspflegerischer begleitplan von juni 2018; sichtbeziehungsuntersuchung zur beurteilung der optisch bedrängenden wirkung vom 11. september 2018; schallimmissionsprognose vom 11. juli 2018. dass diese gutachten eine fundierte bauplanungsrechtliche beurteilung des vorhabens nicht ermöglichten, hat die klägerin im rahmen ihrer beteiligung in bezug auf die artenschutzprüfung von august 2018, den landschaftspflegerischen begleitplan von juni 2018 sowie die schallimmissionsprognose vom 11. juli 2018 nicht geltend gemacht. insoweit reicht alleine die allgemein gehaltene bitte in dem schreiben vom 1. februar 2019, ihr „eventuell weiter nachträglich eingegangene unterlagen zugänglich [zu] machen“, mangels einer hinreichenden konkretisierung nicht aus. 89soweit die klägerin in dem schreiben vom 29. november 2018 (bzw. vom 6. dezember 2018) darauf hingewiesen hatte, dass die sichtbeziehungsuntersuchung vom 11. september 2018 „teils fehlerhaft bzw. unvollständig“ sei, wurden diese bedenken im rahmen eines am 7. dezember 2018 durchgeführten ortstermins überprüft, an dem neben dem gutachter von der s. und vertretern des beklagten auch vertreter der klägerin teilgenommen haben. im nachgang an diesen ortstermin hat die s. ihre schriftliche stellungnahme vom 14. dezember 2018 verfasst. auf die im zusammenhang mit der sichtbeziehungsuntersuchung erfolgten nachprüfungen durch den gutachter und deren ergebnis hat der beklagte die klägerin zudem in dem anhörungsschreiben vom 24. januar 2019 ausdrücklich hingewiesen. eine anforderung speziell dieser unterlagen durch die klägerin vor erlass des genehmigungsbescheides vom 11. februar 2019 ist weder vorgetragen noch den dem gericht zur verfügung gestellten verwaltungsvorgängen des beklagten bzw. der klägerin zu entnehmen. vor diesem hintergrund kann das verhalten der klägerin nur dahingehend gewertet werden, dass sie die stellungnahme der s. vom 14. dezember 2018 für ihre bauplanungsrechtliche beurteilung nicht für erforderlich gehalten hat, jedenfalls insoweit aber ihrer rügeobliegenheit nicht nachgekommen ist. 90ausgehend von der - hier unterstellten - annahme, dass die klägerin ihr gemeindliches einvernehmen bereits mit schreiben vom 23. august 2018 rechtlich wirksam versagt hat, war die ihr gewährte frist gemäß § 73 abs. 4 bauo nrw zu der von dem beklagten beabsichtigten ersetzung des gemeindlichen einvernehmens auch unter berücksichtigung der hiergegen gerichteten einwände der klägerin mit blick auf die vorliegenden einzelfallumstände (noch) angemessen. auf die diesbezüglichen ausführungen in dem beschluss der kammer vom 22. februar 2021 ‑ 8 l 1615/20 -, seite 13 f. des beschlussabdrucks = juris rn. 52, und in dem nachfolgenden beschluss des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen vom 2. juli 2021 im beschwerdeverfahren ‑ 7 b 286/21 -, seite 4 f. des beschlussabdrucks = juris rn. 11 ff., wird zur vermeidung von wiederholungen bezug genommen. 913. einer erneuten beteiligung der klägerin gemäß § 36 baugb vor erlass der bescheide vom 28. januar 2021 bzw. vom 9. november 2021 bedurfte es nicht. 92durch den erstgenannten bescheid hat der beklagte die dem schutz des uhus dienende nebenbestimmung iv. 6.1.2 des genehmigungsbescheides vom 11. februar 2019 aufgehoben, nachdem die beigeladene entsprechend der nebenbestimmung iv. 7.2 gegenüber dem beklagten nachgewiesen hatte, dass das bisher nur im jahr 2017 bestätigte brutrevier des uhus (auch) im jahr 2019 nicht mehr besetzt war. 93durch den bescheid vom 9. november 2021 hat der beklagte festgestellt, dass die beklagte windenergieanlage entsprechend der nebenbestimmung iv. 3.1.6 des genehmigungsbescheides vom 11. februar 2019 zur nachtzeit (22:00 bis 06:00 uhr) im betriebsmodus 100db mit einer leistung von 2350 kw betrieben werden darf. der sache nach handelt es sich dabei (lediglich) um die rechtsverbindliche feststellung, dass die in der vorgenannten nebenbestimmung formulierten voraussetzungen für die aufnahme des schallreduzierten nachtbetriebs eingetreten sind. in diesem zusammenhang hat der beklagte in dem genehmigungsbescheid vom 11. februar 2019 (dort seite 36) darauf verwiesen, dass die schallimmissionsprognose (vom 31. januar 2019) zwar die einhaltung der nächtlichen immissionsrichtwerte in der schallreduzierten betriebsweise an allen immissionspunkten nachweise. da das schallverhalten der windenergieanlage für den schallreduzierten betrieb in der nachtzeit aber nicht durch einen fgw-konformen vermessungsbericht belegt werde, dürfe der nachtbetrieb derzeit nicht erfolgen. eine verlässliche prognose sei auf basis der berücksichtigten garantiewerte des herstellers nicht möglich. mit dieser vorgehensweise hat sich der beklagte eng an die empfehlung der durch erlass des ministeriums für umwelt, landwirtschaft, natur- und verbraucherschutz des landes nordrhein-westfalen vom 29. november 2017 eingeführten lai-hinweise zum schallimmissionsschutz bei windkraftanlagen in der überarbeiteten fassung vom 23. juni 2016 angelehnt. 94mit den in den bescheiden vom 28. januar 2021 bzw. vom 9. november 2021 enthaltenen regelungen geht entgegen der auffassung der klägerin keine nutzungsänderung im sinne des § 29 abs. 1 baugb einher. dementsprechend war eine erneute abfrage des gemeindlichen einvernehmens nach § 36 baugb nicht erforderlich. 95a) zu den vorhaben im sinne des § 36 abs. 1 satz 1 bzw. 2 baugb gehören gemäß § 29 abs. 1 baugb die errichtung, änderung und nutzungsänderung von baulichen anlagen sowie aufschüttungen und abgrabungen größeren umfangs, ablagerungen einschließlich lagerstätten. eine - im vorliegenden fall allein in betracht kommende - nutzungsänderung liegt vor, wenn durch die verwirklichung eines vorhabens die einer genehmigten nutzung eigene variationsbreite verlassen wird und durch die aufnahme dieser veränderten nutzung bodenrechtliche belange neu berührt werden können, so dass sich die genehmigungsfrage unter bodenrechtlichem aspekt neu stellt. 96vgl. bverwg, urteil vom 18. november 2010 - 4 c 10.09 -, juris rn. 12, m. w. n. 97hingegen stellt eine änderung der tatsächlichen verhältnisse, die dazu führt, dass eine anlage nunmehr bebauungsrechtlich anders zu beurteilen ist als bisher, als solche keine nutzungsänderung dar. das gilt auch dann, wenn der betrieb der anlage intensiviert wird, ohne dass der betreiber etwas an den für die bestimmung der nutzungsart maßgebenden merkmalen ändert. 98vgl. bverwg, urteil vom 29. oktober 1998 - 4 c 9.97 -, juris rn. 14; ovg bremen, beschluss vom 30. märz 2021 ‑ 1 la 180/18 -, juris rn. 36. 99b) nach diesen maßgaben handelt es sich bei den bescheiden vom 28. januar 2021 und vom 9. november 2021 bei wertender betrachtung nicht um eine nutzungsänderung im sinne des § 29 abs. 1 baugb. zunächst besteht kein zweifel daran, dass der genehmigungsantrag vom 19. juli 2018 der vormals beigeladenen n. auch den nachtbetrieb umfasste, wie sich insbesondere aus der im genehmigungsverfahren vorgelegten schallimmissionsprognose vom 31. januar 2019 und mangels einer entsprechenden einschränkung des anlagenbetriebs ergibt. demgemäß wurde der - schallreduzierte - nachtbetrieb nicht erst durch die vorgenannten bescheide, sondern dem grunde nach bereits durch den genehmigungsbescheid vom 11. februar 2019 zugelassen, vor dessen erlass eine ordnungsgemäße beteiligung der klägerin ‑ wie ausgeführt - nach § 36 baugb erfolgt war. diese feststellung folgt aus zahlreichen nebenbestimmungen des genehmigungsbescheides, die unter artenschutzrechtlichen gesichtspunkten (vgl. ziffer iv. 6.1.2 und 6.1.7) bzw. unter lärmschutzaspekten (vgl. ziffer iv. 3.1.1, 3.1.4 bis 3.1.7) beschränkungen (teilweise in zeitlicher hinsicht) des nächtlichen betriebs vorsehen. die aufhebung dieser beschränkungen durch die bescheide vom 28. januar 2021 und vom 9. november 2021 erweist sich daher allenfalls als eine nutzungsintensivierung und nicht als eine nutzungsänderung. 100im zusammenhang mit dem bescheid vom 28. januar 2021 weist die klägerin zwar zutreffend darauf hin, dass es sich bei der aufgehobenen nebenbestimmung iv. 6.1.2 des genehmigungsbescheides vom 11. februar 2019 nicht um eine aufschiebende bedingung handelt. abgesehen davon, dass der nachtbetrieb durch die vorgenannte nebenbestimmung (nur) vom 15. januar bis zum 15. august eines jeden jahres und daher bereits nicht ganzjährig eingeschränkt war, begründet der beklagte die aufhebung der nebenbestimmung iv. 6.1.2 allein mit einer änderung der tatsächlichen verhältnisse, nämlich dass im rahmen der erfolgten nachkartierungen durch das kölner büro für faunistik (auch) im jahr 2019 keine hinweise für die anwesenheit eines uhus im wirkbereich der windenergieanlage gefunden wurden (vgl. den entsprechenden bericht vom 17. mai 2019) und insoweit artenschutzrechtliche konflikte nicht bestehen. die mit der aufhebung der nebenbestimmung iv. 6.1.2 einhergehende nutzungsintensivierung beruht somit gerade nicht auf einer änderung des betriebs der windenergieanlage durch den betreiber, sondern auf äußeren, seinem einflussbereich entzogenen umständen. 101im ergebnis nichts anderes gilt in bezug auf den bescheid vom 9. november 2021. in der nebenbestimmung iv. 3.1.6 des genehmigungsbescheides vom 11. februar 2019 hat der beklagte die inbetriebnahme der windenergieanlage während der nachtzeit von der vorlage eines fgw-konformen vermessungsberichts abhängig gemacht, der den nachweis erbringt, dass die im wind-bin des höchsten gemessenen summenschallleistungspegels vermessenen oktavschallleistungspegel zuzüglich des 90%-konfidenz-intervalls der gesamtunsicherheit aus vermessung, serienstreuung und prognosemodell (l0, okt, vermessung) die in nebenbestimmung iv. 3.1.5 des genehmigungsbescheides genannten werte der oberen vertrauensbereichsgrenze (l0, okt) nicht überschreiten. werden nicht alle werte l0, okt eingehalten, kann der nachweis für die aufnahme des nachtbetriebs über die durchführung einer erneuten ausbreitungsrechnung für die windenergieanlage erbracht werden. diese kontrollrechnung ist mit dem identischen ausbreitungsmodell einschließlich der immissionsaufpunktmodellierung durchzuführen, wie es in der schallimmissionsprognose vom 11. juli 2018 abgebildet ist. als eingangsdaten sind die oberen vertrauensbereichsgrenzen der vermessenen oktavschalleistungspegel l0, okt, vermessung des wind-bins mit dem höchsten gemessenen summenschallleistungspegel anzusetzen. der nachweis für die aufnahme des nachtbetriebs gilt dann als erbracht, wenn die so ermittelten teilimmissionswerte der windenergieanlage die für sie in der schallimmissionsprognose vom 11. juli 2018 ermittelten und in anhang i zum genehmigungsbescheid aufgelisteten teilimmissionspegel nicht überschreiten. der nachtbetrieb ist nach positivem nachweis und freigabe durch die untere immissionsschutzbehörde des beklagten in dem betriebsmodus mit der zugehörigen maximalen leistung und drehzahl zulässig, der dem vorgelegten schalltechnischen nachweis zu grunde liegt. 102an der vorstehend wiedergegebenen nebenbestimmung iv. 3.1.6 des genehmigungsbescheides vom 11. februar 2019 wird deutlich, dass der beklagte die aufnahme des nachtbetriebs der windenergieanlage an die vorlage eines (in der nebenbestimmung näher beschriebenen) nachweises knüpft, dass die maßgeblichen immissionsrichtwerte im einwirkungsbereich der windenergieanlage während der nachtzeit eingehalten werden. diese vom beklagten gewählte vorgehensweise erfolgte - wie bereits ausgeführt - vor dem hintergrund, dass für den hier genehmigten anlagentyp enercon e-138 ep3 eine fgw-konforme vermessung des schallverhaltens in der erforderlichen schallreduzierten betriebsweise (betriebsmodus 100 db mit einer leistung von 2350 kw) noch nicht vorlag. hat der beklagte die zulässigkeit des nachtbetriebs damit vom eintritt eines zukünftigen ungewissen ereignisses abhängig gemacht, handelt es sich bei der vorgenannten nebenbestimmung rechtstechnisch um eine aufschiebende bedingung im sinne von § 12 abs. 1 bimschg, § 36 abs. 2 nr. 2 vwvfg nrw. die beifügung einer bedingung ist ohne einfluss auf die wirksamkeit der genehmigung. diese ist mit ihrer bekanntgabe (vgl. § 43 abs. 1 vwvfg nrw) für behörde und adressat im sinne einer „äußeren wirksamkeit“ hinsichtlich der später eintretenden rechtswirkungen verbindlich (§ 43 abs. 2 vwvfg nrw). die „innere wirksamkeit“, die regelungswirkung der genehmigung, tritt erst ein, wenn auch die bedingung eintritt (vgl. § 158 abs. 1 bgb). 103vgl. mann, in: landmann/rohmer, umweltrecht, § 12 bimschg rn. 58 (stand der kommentierung: januar 2014); stelkens, in: stelkens/bonk/sachs, verwaltungsverfahrensgesetz, 9. aufl. 2018, § 36 rn. 75. 104damit erschöpft sich der regelungsgehalt des bescheides vom 9. november 2021 in der rechtsverbindlichen feststellung, dass nach auffassung des beklagten die in der nebenbestimmung iv. 3.1.6 des genehmigungsbescheides vom 11. februar 2019 geregelte aufschiebende bedingung eingetreten ist. 105der klägerin mag zuzugestehen sein, dass in den fällen, in denen der vorhabenträger zunächst die genehmigung allein für den tagbetrieb beantragt, auf dieser basis das gemeindliche einvernehmen abgefragt und nachfolgend die genehmigung nur für den tagbetrieb erteilt wird, hinsichtlich der späteren beantragung des nachtbetriebs von einer bodenrechtlich relevanten nutzungsänderung auszugehen sein könnte. 106vgl. zu einer solchen konstellation im zusammenhang mit der erteilung eines vorbescheids: vg minden, urteil vom 8. juni 2011 - 11 k 744/11 -, juris rn. 27 ff. 107eine derartige konstellation liegt hier nach den vorstehenden ausführungen indes nicht vor. entgegen der in der mündlichen verhandlung geäußerten auffassung der klägerin musste der beklagte sie vor erlass des bescheides vom 9. november 2021 auch nicht um das gemeindliche einvernehmen hinsichtlich der frage ersuchen, ob die in der nebenbestimmung iv. 3.1.6 des genehmigungsbescheides vom 11. februar 2019 geregelte aufschiebende bedingung eingetreten ist. denn es handelt sich bei dieser entscheidung - wie bereits ausgeführt - nicht um eine entscheidung über die zulässigkeit eines vorhabens im sinne von §§ 36 abs. 1, 29 abs. 1 baugb. damit ist der anwendungsbereich des § 36 baugb insoweit bereits nicht eröffnet und ist das einvernehmen der gemeinde nicht erforderlich. 108ii. mit eintritt der einvernehmensfiktion ist es der klägerin verwehrt, die - ihrer ansicht nach - in der erteilung der angefochtenen genehmigung für das streitgegenständliche vorhaben liegende verletzung der vom einvernehmenserfordernis umfassten rechte geltend zu machen. das gilt jedenfalls für solche umstände, die bereits zu diesem zeitpunkt die verweigerung des einvernehmens nach auffassung der gemeinde gerechtfertigt hätten. insofern verletzt die genehmigung die gemeinde nicht in eigenen rechten. 109vgl. bverwg, urteil vom 27. august 2020 - 4 c 1.19 -, juris rn. 22 ff.; ovg nrw, urteil vom 28. november 2007 ‑ 8 a 2325/06 -, juris rn. 71 ff., m. w. n. 110dies gilt indes nicht für umstände, die nach eintritt der fiktion und vor erteilung der genehmigung entstanden sind und die bauplanungsrechtliche zulässigkeit des vorhabens betreffen; hierauf kann sich die gemeinde berufen. 111vgl. bverwg, urteil vom 27. august 2020 - 4 c 1.19 -, juris rn. 25 ff. 112hiervon ausgehend ist festzustellen, dass sämtliche von der klägerin gegen die bauplanungsrechtliche zulässigkeit der beklagten windenergieanlage vorgebrachten einwände bereits zum zeitpunkt des eintritts der einvernehmensfiktion existierten, weshalb sie sich hierauf im gerichtlichen verfahren nicht berufen kann. 113unabhängig von den vorstehenden ausführungen zum rügeverlust - und damit die abweisung der klage selbstständig tragend - greifen die vorgebrachten einwände der klägerin aber auch in der sache nicht durch. die klägerin hätte ihr einvernehmen weder mit verweis auf die im jahr 2016 erlassene und im jahr 2018 verlängerte veränderungssperre für den bebauungsplan nr. 000, gebiet: „n1. “ (dazu 1.) noch wegen einer nicht gesicherten erschließung des vorhabens (dazu 2.) noch mit verweis auf der windenergieanlage entgegenstehende öffentliche belange im sinne von § 35 abs. 3 baugb (dazu 3.) verweigern dürfen, weshalb die erteilung der angefochtenen genehmigung vom 11. februar 2019 unter ersetzung des gemeindlichen einvernehmens, wobei es insoweit einer betätigung des ermessens durch den beklagten nicht bedurfte (dazu 4.), keinen rechtlichen bedenken begegnet. die bescheide vom 28. januar 2021 bzw. vom 9. november 2021 sind nicht wegen des geltend gemachten verstoßes gegen den bebauungsplan nr. 000 rechtswidrig (dazu 5.). 1141. die klägerin macht ohne erfolg geltend, dem genehmigten vorhaben habe die im jahr 2016 erlassene und im jahr 2018 um ein jahr verlängerte veränderungssperre für den bereich des bebauungsplans nr. 000 entgegengestanden. 115die vom rat der klägerin am 4. mai 2016 beschlossene und am 13. juni 2016 bekannt gegebene veränderungssperre litt an einem zu ihrer unwirksamkeit führenden materiellen mangel. die voraussetzungen für den erlass einer veränderungssperre nach § 14 baugb lagen zum zeitpunkt des satzungsbeschlusses nicht vor. 116a) nach § 14 baugb kann die gemeinde, wenn ein beschluss über die aufstellung eines bebauungsplans (wirksam) gefasst ist, zur sicherung der planung für den künftigen planbereich eine veränderungssperre mit dem inhalt beschließen, dass vorhaben im sinne des § 29 baugb nicht durchgeführt oder bauliche anlagen nicht beseitigt werden dürfen. 117eine veränderungssperre kann nur verhängt werden, wenn die planung einen stand erreicht hat, der ein mindestmaß dessen erkennen lässt, was inhalt des zu erwartenden bebauungsplans sein soll. hierzu gehören regelmäßig insbesondere konkretisierte vorstellungen zur angestrebten art der zulässigen baulichen nutzungen. nur dann kann die veränderungssperre ihren sinn erfüllen, vorhandene planerische ziele zu sichern und deren weitere entwicklung zu ermöglichen. unzulässig ist eine veränderungssperre hingegen, wenn zur zeit ihres erlasses der inhalt der beabsichtigten planung noch in keiner weise abzusehen ist. demgemäß muss im zeitpunkt des erlasses der veränderungssperre über den bloßen aufstellungsbeschluss hinaus auch eine hinreichende konkretisierung der positiven planungsabsichten vorliegen, die insbesondere eine entscheidung über ausnahmen nach § 14 abs. 2 baugb rechtssicher und vorhersehbar ermöglicht. der der veränderungssperre zugrunde liegende beschluss, einen bebauungsplan aufzustellen, muss über den inhalt der angestrebten planung aber keinen abschließenden aufschluss geben. eine strikte akzessorietät zwischen konkreten planungsabsichten der gemeinde und der rechtmäßigkeit der veränderungssperre besteht nicht. es ist gerade deren sinn, vorhandene planerische ziele zu sichern und deren weitere entwicklung zu ermöglichen. wesentlich ist aber, dass die gemeinde bereits positive vorstellungen über den inhalt des bebauungsplans entwickelt hat. eine negativplanung, die sich darin erschöpft, einzelne vorhaben auszuschließen, reicht grundsätzlich nicht aus. 118dabei gilt der grundsatz, dass eine die veränderungssperre hinreichend tragende planung regelmäßig erst dann den erforderlichen konkretisierungsgehalt hat, wenn der plangeber sie auf einen bestimmten gebietstyp ausgerichtet hat. zielt der bebauungsplan nicht auf die festsetzung eines bestimmten gebietstyps nach der baunutzungsverordnung, sondern soll er sich auf sonstige festsetzungen nach § 9 abs. 1 baugb beschränken, ist ein hinreichender konkretisierungsgrad mit blick auf § 14 abs. 2 baugb erst dann erreicht, wenn sich den planungsvorstellungen ein hinreichend konkreter gebietsbezug dergestalt entnehmen lässt, für welche teile des plangebietes welche dieser festsetzungen in betracht gezogen wird. nimmt der plangeber im wesentlichen festsetzungen in den blick, die eine bauliche nutzung weitgehend ausschließen (etwa nach § 9 abs. 1 nr. 10, 15, 18, 20, 24 und 25 baugb), bedarf es zudem der feststellung, dass solche festsetzungen, die für eine außenbereichsfläche von vornherein fast ohne positive bedeutung sind, im konkreten fall gleichwohl städtebaulich erforderlich sind und das mit ihnen verbundene weitgehende verbot einer nicht in dem zugleich festgesetzten bzw. hier noch geplanten sinne qualifizierten bebauung (nur) eine legitime nebenwirkung ist, die voraussetzt, dass die festsetzung auch in ihrer eigentlichen und gleichsam positiven zielsetzung - hier und heute - gewollt und erforderlich ist. wo die nebenwirkung indes zum eigentlichen zweck wird und allenfalls sie es ist, die gewünscht wird und „erforderlich“ sein könnte, scheiden etwa § 9 abs. 1 nr. 10, 18 baugb als geeignete grundlagen aus. 119vgl. ovg nrw, urteil vom 4. dezember 2020 ‑ 2 d 50/20.ne -, juris rn. 27 ff., m. w. n. 120b) hieran gemessen lag das für den erlass einer veränderungssperre im maßgeblichen zeitpunkt erforderliche mindestmaß an positiven bauleitplanerischen vorstellungen im sinne des § 1 abs. 3 baugb nicht vor. diesbezüglich hat die kammer bereits im urteil vom 11. mai 2017 - 8 k 2788/14 -, seite 10 ff. des urteilsabdrucks, ausgeführt: 121„zunächst lassen sich dem aufstellungsbeschluss für den bebauungsplan nr. 000 und dem beschluss über die veränderungssperre keine nennenswerten anhaltspunkte über die planungsabsichten entnehmen. bezeichnenderweise ist in den mit dem bekannt gemachten aufstellungsbeschluss und mit der bekannt gemachten veränderungssperrensatzung veröffentlichen planzeichnungen für das plangebiet keine festsetzungsabsicht enthalten, sondern vielmehr allein der damalige „status-quo“ nachgezeichnet. ferner hat der stadtplanungs- und bauausschuss mit blick auf den aufstellungsbeschluss lediglich beschlossen, dass ein weiteres aufstellungsziel nicht die „nutzung des haldenkörpers als standort zur erzeugung erneuerbarer energien“ sein soll. 122sofern zusätzlich die ausschuss- und ratsvorlagen der beigeladenen berücksichtigt werden, lassen sich daraus – auch bei einer gesamtbetrachtung – ebenfalls keine hinreichend konkretisierten planungsabsichten der beigeladenen im dafür maßgeblichen zeitpunkt entnehmen. dies gilt insbesondere für die ausschussvorlage nr. 14.0124 für die sitzung des ausschusses am 13. märz 2014 (aufstellungsbeschluss), für die rats- und ausschussvorlage nr. 16/0114 für die sitzungen am 14. april und 4. mai 2016 (veränderungssperre) und der ausschussvorlage nr. 16/0147 für die ausschusssitzung am 14. april 2016. den beiden erstgenannten ratsvorlagen zufolge soll der bebauungsplan zur steuerung der städtebaulichen entwicklung der haldenlandschaft dienen und die freiraumplanerische entwicklung des bereichs unterstützen. dazu würden „insbesondere“ folgende ziele zählen: ordnungsgemäße erschließung (zugänge/zufahrten sowie parkmöglichkeiten), vernetzung/wegesystem, erholungs- und freizeitnutzung inklusive sportnutzung, prüfung und regelung baulicher nutzungsmöglichkeiten im haldenbereich, gewässerbau. aus dieser allgemein gehaltenen aufzählung ergibt sich, dass letztlich eine eingrenzung der planungsabsicht nicht erfolgt ist, sondern vielmehr eine „ideensammlung“ zu potentiellen nutzungsmöglichkeiten vorgenommen wurde, zumal die aufzählung der ziele nicht enumerativ gemeint ist, wie durch das die aufzählung vorangestellte wort „insbesondere“ zum ausdruck kommt. deutlich wird die mangelnde konkretisierung hier namentlich auch durch das in der aufzählung nicht weiter eingeschränkte ziel der prüfung baulicher nutzungsmöglichkeiten, da die art und der umfang baulicher nutzung ganz erheblichen einfluss auf die einordnung und ausgestaltung eines plangebiets haben. dies gilt auch vor dem hintergrund der hier beabsichtigten freiraumüberplanung des außenbereichs. da eine negativplanung keine hinreichend konkreten (positiven) planungsvorstellungen ersetzt, ergibt sich vorliegend auch aus der in der ausschussvorlage nr. 16/0114 ausdrücklich genannten absicht, anderweitig bestehende nutzungsabsichten, die sich nicht mit den städtischen vorstellungen der beigeladenen decken, namentlich die errichtung von wea auszuschließen, keine andere bewertung der umstände. dass im maßgeblichen damaligen zeitpunkt im übrigen noch keinerlei planerische konkretisierung ersichtlich war, lässt sich exemplarisch daran sehen, dass in der ratsvorlage zum aufstellungsbeschluss mit blick auf die prüfung baulicher nutzungsmöglichkeiten noch der klammerzusatz „z.b. jugendhotel“ vorhanden war, der in der ratsvorlage zur veränderungssperre ca. zwei jahre später nicht mehr enthalten ist. ferner geht aus der ratsvorlage zur veränderungssperre hervor, dass ein „zu erstellende[s] nutzungskonzept“ „zukünftig“ die grundlage für das bebauungsplanverfahren nr. 000 bilden soll. mithin geht die beigeladene selbst davon aus, dass ein solches noch nicht vorliegt. in der ausschussvorlage nr. 16/0147 werden vorrangig die ergebnisse des werkstattverfahrens vorgestellt. in einem nächsten schritt solle ein „rahmenkonzept“ entwickelt werden, dass insbesondere grundlage für das weitere aufstellungsverfahren des baubauungsplans 000 „n1. “ sei. mithin lässt sich wiederum aus der vorlage selbst ableiten, dass nicht einmal ein rahmenkonzept besteht, sondern vielmehr einige „ideen“ gesammelt wurden. schließlich ergibt sich aus den beiden letztgenannten vorlagen, dass das werkstattverfahren vom 11. bis 13. november 2015 lediglich eine grundlage für ein nachnutzungskonzept bilden soll; in welchem umfang die ergebnisse des werkstattverfahrens jedoch übernommen werden, ist gerade nicht ersichtlich.“ 123diesen ausführungen tritt die klägerin rechtlich nicht durchgreifend entgegen, zumal sich die kammer wie vorstehend ersichtlich - entgegen dem vortrag der klägerin - eingehend mit dem aufstellungsbeschluss zum bebauungsplan nr. 000, dem beschluss über die veränderungssperre, den zugehörigen ausschuss- und ratsvorlagen und den planungsunterlagen der klägerin auseinandergesetzt hat. auch die weiteren ausführungen der klägerin bieten keinen anlass, die wirksamkeit der veränderungssperre im maßgeblichen zeitpunkt der genehmigungserteilung nachträglich rechtlich abweichend zu bewerten. insofern wird zur vermeidung von wiederholungen zusätzlich auf die diesbezüglichen ausführungen des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen in dem beschluss vom 2. juli 2021 - 7 b 286/21 -, seite 6 f. des beschlussabdrucks = juris rn. 17 ff., im zugehörigen verfahren des vorläufigen rechtsschutzes bezug genommen. 124daher kann dahinstehen, ob - wie der beklagte in dem angefochtenen bescheid annimmt und die klägerin in zweifel zieht - die veränderungssperre dem vorhaben der beigeladenen (auch) deswegen nicht (mehr) entgegengehalten werden kann, weil ihre dreijährige geltungsdauer ab dem 17. dezember 2018 überschritten war. 1252. die klägerin hätte ihr gemeindliches einvernehmen auch nicht aufgrund einer mangelnden erschließung des anlagengrundstücks im sinne von § 35 abs. 1 baugb verweigern dürfen. 126anders als die erschließungsanforderung in gebieten mit qualifizierten bebauungsplänen sowie im nicht beplanten innenbereich verlangt § 35 abs. 1 baugb nur eine ausreichende erschließung. an die gesicherte erschließung sind damit geringere anforderungen zu stellen. die ausreichende erschließung richtet sich nach den jeweiligen vorhaben, den sich daraus ergebenden anforderungen an die erschließung und den örtlichen gegebenheiten. mit dem erfordernis einer ausreichenden erschließung soll insgesamt berücksichtigt werden, dass ein mindestmaß an zugänglichkeit der grundstücke für kraftfahrzeuge, und zwar nicht nur des nutzers des privilegierten betriebes, sondern auch für öffentlichen zwecken dienende fahrzeuge, wie z. b. der feuerwehr und der entsorgung erfüllt wird, und weiter, dass der gemeinde nicht als folge der genehmigung von vorhaben unangemessene erschließungsmaßnahmen aufgedrängt werden. andererseits muss berücksichtigt werden, dass die zulassung von privilegierten vorhaben nicht an übertriebenen anforderungen an die erschließung scheitern darf. 127vgl. ovg rh.-pf., urteil vom 22. november 2007 ‑ 1 a 10253/07 -, juris rn. 45; söfker, in: ernst/zinkahn/ bielenberg/krautzberger, baugesetzbuch, § 35 baugb rn. 69, m. w. n. (stand der kommentierung: oktober 2019). 128gesichert im sinne des § 35 abs. 1 baugb ist die erschließung, wenn damit gerechnet werden kann, dass sie bis zur herstellung des bauwerks (spätestens bis zur gebrauchsabnahme) funktionsfähig angelegt und wenn ferner damit zu rechnen ist, dass sie auf dauer zur verfügung stehen wird. 129vgl. bverwg, urteil vom 30. august 1985 - 4 c 48.81 -, juris rn. 20. 130ausgehend hiervon ist sowohl die wegemäßige erschließung des anlagengrundstücks (dazu a)) als auch die löschwasserversorgung (dazu b)) ausreichend gesichert. 131a) die wegemäßige erschließung des anlagengrundstücks ist ausreichend gesichert. nach den von der klägerin nicht substantiiert in zweifel gezogenen angaben des beklagten (vgl. seite 21 des schriftsatzes vom 18. oktober 2019) sind die betriebswege auf der halde n1. schon für den schwerverkehr während der aufschüttungsphase ausgelegt gewesen. auch ist die benutzung dieser wege für die anlieferung der windenergieanlage sowie für spätere kontroll- und wartungsarbeiten vertraglich zwischen der beigeladenen und der s1. abgesichert. für das flurstück 000 der f. wiederum besteht ein nutzungsvertrag zwischen der s1. und der f. . im vertrag über das vorhabengrundstück zwischen der s1. und der beigeladenen ist weiter geregelt, dass auch die beigeladene für die erschließung ihres anlagengrundstücks von diesen nutzungsrechten gebrauch machen darf. 132b) die erschließung des vorhabens ist auch mit blick auf die verfügbarkeit von löschwasser ausreichend gesichert. 133in dem von der beigeladenen im genehmigungsverfahren vorgelegten brandschutzkonzept, das bestandteil der genehmigung vom 11. februar 2019 geworden ist (vgl. anhang ii ziffer 12), ist im einzelnen ausgeführt, dass aufgrund der besonderen konstruktionsart der windenergieanlagen der firma enercon keine erhöhte brandlast oder brandgefährdung bestehe und im falle eines brandes keine größere anzahl von menschen, tieren oder erheblichen sachwerten gefährdet sei. deswegen sei eine örtliche löschwasserbereitstellung (hydranten, löschwasserbehälter usw.) nicht notwendig. zur erfüllung des abwehrenden brandschutzes hätten die gemeinden die notwendige löschwasserversorgung bereitzustellen und zu unterhalten. dies werde - so der beklagte (vgl. seite 22 des schriftsatzes vom 18. oktober 2019) - auch durch die feuerwehr der klägerin durch entsprechende wassermengen in den löschfahrzeugen gewährleistet. bei einem brand der gondel sei zunächst die sicherung der umgebung notwendig. löschwasser werde erst benötigt, wenn brennende teile herabstürzten. bei einem brand im turmfuß müsse zunächst die abschaltung der anlage bestätigt werden bis löschwasser benötigt werde. da die feuerwehr keine möglichkeit zum löschen eines brandes in großen höhen habe, konzentriere sich der brandschutz bei windenergieanlagen auf die vermeidung und früherkennung von bränden sowie bereits vorgeschaltet auf die vermeidung und erkennung von kritischen zuständen, die zu einem brand führen könnten. dieser schwerpunkt sei auch im brandschutzleitfaden des verbandes der deutschen sachversicherer (vds 3523) verankert. dort würden blitzeinschlag, elektrische störungen und heiße oberflächen als die häufigsten brandursachen genannt und dementsprechend ein blitzschutzsystem, ein elektrisches schutzkonzept, die zustandsüberwachung und meldung an eine ständig besetzte stelle über die fernüberwachung sowie eine regelmäßige fachkundige wartung als zentrale elemente des brandschutzes aufgezeigt. diese elemente seien heute standard bei modernen windenergieanlagen und bei der beklagten windenergieanlage vorhanden. verglichen mit anderen gewerblich-industriellen anlagen bewerteten brandschutzingenieure die brandlasten in windenergieanlagen als gering. 134diesen eingehend begründeten und plausiblen ausführungen hat die klägerin nichts substanzielles entgegengesetzt und daher keine begründeten zweifel an dem vorbringen des beklagten geweckt. dem hinweis der klägerin auf die gefahr eines haldenbrandes und der hierdurch bedingten gefährdung der umliegenden wohnhäuser hält der beklagte entgegen (vgl. seite 23 f. des schriftsatzes vom 18. oktober 2019), dass es sich bei der bergehalde n1. um gesteinsmassen handele, die beim abbau der zu gewinnenden kohle mit abgebaut worden seien. bei dem bergematerial, das seit etwa 1950 auf die halden des bergbaus aufgeschüttet worden sei, habe sich der restkohlegehalt gegenüber der zeit davor stark verringert, d. h. die brennbaren bestandteile des aufgeschütteten materials seien wesentlich weniger geworden. weiter sei seit diesem zeitpunkt darauf geachtet worden, die aufschüttung so durchzuführen, dass möglichst keine hohlräume entstünden. so sei insbesondere im topbereich der haide n1. und auch bei der gestaltung der zwei geschlungenen, aufsteigenden tropfen nur bergematerial verwendet worden, dass bei der gewinnung von kohle nach dem neusten stand der technik angefallen sei. der restkohlegehalt sei daher denkbar klein. weiter sei - schon aus gründen der standsicherheit - ein standort gewählt worden, an dem die schüttdichte nachweislich besonders gut sei. der aufbau und das bergematerial der bergehalde n1. unterschieden sich erheblich vom aufbau und dem schüttmaterial der haide h2. und somit auch in der potenziellen brandgefahr. daher sei die gefahr einer entzündung durch eine äußere quelle praktisch ausgeschlossen. auch aus der langjährigen genehmigungspraxis des beklagten für windenergieanlagen könne gesagt werden, dass in keinem fall eine löschwasserbereitstellung (hydranten, löschwasserbehälter usw.) am standort einer windenergieanlage notwendig gewesen sei. unter den standorten für windenergieanlagen im zuständigkeitsbereich des beklagten befänden sich mehrere standorte auf halden, im waldrandbereich und auch direkt im wald. auch diesen nachvollziehbaren und einzelfallbezogenen ausführungen des beklagten ist die klägerin nicht substantiiert entgegengetreten. ihr verweis auf die situation an der angrenzend gelegenen halde h2. , die sich seit vielen jahren in einem schwelbrand befinde, ist bereits deswegen nicht zielführend, weil dieser schwelbrand auf eine selbstentzündung des bergematerials im inneren der halde h2. und nicht auf eine entzündung durch eine äußere quelle zurückgeht. demgemäß hätte ein entsprechender schwelbrand im inneren der halde n1. seine ursache gerade nicht im betrieb der beklagten windenergieanlage. 135die im zuge der realisierung des landschaftsparks geplanten übernachtungsmöglichkeiten („basislager“) sind hier schon deshalb nicht relevant, weil sie zum zeitpunkt des erlasses der streitgegenständlichen genehmigung vom 11. februar 2019 ihrerseits noch nicht genehmigt waren. 136vgl. ovg nrw, beschluss vom 2. juli 2021 ‑ 7 b 286/21 -, juris rn. 23. 1373. die versagung des gemeindlichen einvernehmens durfte die kläger ferner nicht auf dem vorhaben entgegenstehende öffentliche belange stützen. 138inwieweit einem durch § 35 abs. 1 baugb privilegierten vorhaben - wie hier der windenergieanlage nach nr. 5 der vorgenannten vorschrift - öffentliche belange im sinne von § 35 abs. 3 satz 1 baugb entgegenstehen, ist grundsätzlich im wege einer „nachvollziehenden“ abwägung zu ermitteln. dabei sind die öffentlichen belange je nach ihrem gewicht und dem grad ihrer nachteiligen betroffenheit einerseits und das kraft der gesetzlichen privilegierung gesteigert durchsetzungsfähige privatinteresse an der verwirklichung des vorhabens andererseits einander gegenüberzustellen. privilegierte vorhaben sind nicht an jedem beliebigen standort im außenbereich zulässig. auch für privilegierte anlagen gilt das gebot der größtmöglichen schonung des außenbereichs. mit § 35 abs. 1 baugb hat der gesetzgeber den außenbereich insbesondere nicht generell als baubereich für privilegierte vorhaben freigegeben, sondern ihre zulässigkeit vielmehr von der einzelfallprüfung abhängig gemacht, ob ihnen an einem konkreten standort öffentliche belange entgegenstehen. im einzelnen bestimmt sich das gewicht sowohl der privilegierung als auch das der öffentlichen belange anhand einer bewertung des einzelfalls. 139vgl. ovg nrw, urteil vom 1. märz 2018 - 8 a 2478/15 -, juris rn. 66 ff., m. w. n. 140hiervon ausgehend stehen dem streitgegenständlichen vorhaben die von der klägerin geltend gemachten öffentliche belange in gestalt des landschaftsschutzes (dazu a)), von schädlichen umwelteinwirkungen in form von lärm (dazu b)), des naturschutzes (dazu c)), des denkmalschutzes (dazu d)), des orts- und landschaftsbildes (dazu e)) sowie des rücksichtnahmegebots (dazu f)) nicht entgegen. 141a) die windenergieanlage widerspricht nicht den darstellungen eines landschaftsplans gemäß § 35 abs. 3 satz 1 nr. 2 baugb. 142der vorhabenstandort liegt im räumlichen geltungsbereich des landschaftsschutzgebiets nr. 10 „c. “ des am 7. märz 2001 öffentlich bekannt gemachten landschaftsplans nr. 4 „h1. “ des beklagten. innerhalb dieses landschaftsschutzgebiets ist die errichtung einer baulichen anlage im sinne der bauordnung für das land nordrhein-westfalen, von der auch windenergieanlagen erfasst werden, nach maßgabe von § 26 bnatschg grundsätzlich verboten, wobei die errichtung von windenergieanlagen in planungsrechtlich abgesicherten konzentrationszonen ausdrücklich unberührt bleibt (vgl. abschnitt c.1.2.1, verbot nr. 1, seite 114 des landschaftsplans). von diesem bauverbot hat der beklagte in dem genehmigungsbescheid vom 11. februar 2019 eine befreiung auf der grundlage des § 67 abs. 1 satz 1 nr. 1 bnatschg erteilt (vgl. dort seite 3 und 37). diese entscheidung ist rechtmäßig. 143die erteilung einer befreiung nach § 67 abs. 1 satz 1 nr. 1 bnatschg setzt voraus, dass diese aus gründen des überwiegenden öffentlichen interesses, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher art, notwendig ist. durch gründe des wohls der allgemeinheit gedeckt sind alle maßnahmen, an denen ein öffentliches interesse besteht. liegt ein solches vor, ist zu prüfen, ob es die befreiung erfordert. eine befreiung ist nicht erst dann erforderlich, wenn den belangen der allgemeinheit auf keine andere weise als durch die befreiung entsprochen werden könnte, sondern schon dann, wenn es zur wahrnehmung des jeweiligen öffentlichen interesses vernünftigerweise geboten ist, mit hilfe der befreiung das vorhaben an der vorgesehenen stelle zu verwirklichen. es genügt nicht, wenn die befreiung dem allgemeinen wohl nur irgendwie nützlich oder dienlich ist. 144vgl. ovg nrw, urteil vom 1. märz 2021 - 8 a 1183/18 -, juris rn. 340 f., m. w. n. 145nach diesen allgemeinen grundsätzen konnte für das dem grundsätzlichen bauverbot des landschaftsplans widersprechende vorhaben der beigeladenen, das von den im landschaftsplan vorgesehenen ausnahmeregelungen nicht erfasst wird, eine rechtmäßige befreiung nach § 67 abs. 1 satz 1 nr. 1 bnatschg erteilt werden. ausgehend von dem schutzzweck des landschaftsschutzgebietes (dazu aa)) besteht die allgemeine möglichkeit einer befreiung (dazu bb)) und überwiegt das öffentliche interesse an der windenergienutzung den landschaftsschutz im vorliegenden einzelfall (dazu cc)). ermessensfehler liegen nicht vor (dazu dd)). 146aa) für das landschaftsschutzgebiet nr. 10 „c. “ ist der schutzzweck in abschnitt c.1.2.2 des landschaftsplans nr. 4 des beklagten (dort seite 143) wie folgt bestimmt: 147„die festsetzung erfolgt gem. § 21 a) lg 1481. zur wiederherstellung der leistungsfähigkeit des naturhaushaltes. 149die leistungsfähigkeit des naturhaushaltes in diesem gebiet wird im wesentlichen bestimmt durch: 150- die ca. 80 jährige m1.-----allee , ca. 450 m entlang der „l1. “, westlich und östlich der f1. straße (b 224), 151- den gehölzkomplex auf den haldenfüßen am südwestende des c2.--straßentales zwischen der n3. und der i. 22“. 152in den zugehörigen erläuterungen heißt es: 153„der von der bergbaulichen nutzung stark überformte landschaftsraum zeigt nur noch wenige naturnahe lebensräume und gliedernde und belebende landschaftselemente auf. durch die schüttprozesse bzw. durch die noch zu erwartenden haldenschüttungen ist der raum in seinem wirkungsgefüge, erscheinungsbild und für die erholungsnutzung stark beeinträchtigt. die festsetzung des raumes als landschaftsschutzgebiet ist zur wiederherstellung naturnaher lebensstätten und lebensgemeinschaften und ihrer wirkungsgefüge entsprechend der veränderten spezifischen standortbedingungen als auch zur wiederherstellung eines befriedigenden landschaftsbildes mit einem entsprechenden wegeangebot für die wohnungsbezogene und gesamtstädtische erholungsnutzung erforderlich.“ 154bb) die erteilung der befreiung nach § 67 abs. 1 satz 1 nr. 1 bnatschg scheidet hier nicht von vornherein deshalb aus, weil der landschaftsplan nr. 4 (abschnitt c.1.2.1, ausnahme nr. 1 buchstabe b) eine ausnahme insbesondere nur für solche vorhaben vorsieht, die § 35 abs. 1 nr. 1 bis 4 baugb in der bei erlass des landschaftsplans geltenden fassung unterfielen. die voraussetzungen für ausnahmen, die im landschaftsplan selbst vorgesehen sind, und einer befreiung nach § 67 abs. 1 satz 1 nr. 1 bnatschg sind verschieden. wäre bei allen fallgestaltungen, die im landschaftsplan nicht ausdrücklich als ausnahme genannt sind, ein atypischer fall als ungeschriebene voraussetzung für eine befreiung ausgeschlossen, bliebe für den befreiungstatbestand kein anwendungsfall mehr. dies ist gesetzlich nicht gewollt. 155vgl. ovg nrw, urteil vom 1. märz 2021 - 8 a 1183/18 -, juris rn. 346 f., m. w. n., und beschluss vom 2. juli 2021 ‑ 7 b 286/21 -, juris rn. 26. 156abgesehen davon geht der landschaftsplan nr. 4 selbst von einem nebeneinander der dort ausdrücklich genannten ausnahmen und einer gesetzlich geregelten befreiung aus. dies folgt unzweifelhaft aus der die ausnahmetatbestände einleitenden formulierung „über die befreiungsmöglichkeit gem. § 69 lg von den ge- und verboten […] hinaus“. in § 69 des gesetzes zur sicherung des naturhaushalts und zur entwicklung der landschaft (landschaftsgesetz - lg) war eine allgemeine befreiungsmöglichkeit geregelt, deren voraussetzungen im wesentlichen denjenigen in § 67 abs. 1 satz 1 bnatschg entsprechen. mit der neufassung durch artikel 1 des gesetzes vom 15. november 2016 (gv.nrw. s. 934) wurde das landschaftsgesetz als gesetz zum schutz der natur in nordrhein-westfalen (landesnaturschutzgesetz - lnatschg nrw) verkündet. eine allgemeine befreiungsvorschrift sieht das landesnaturschutzgesetz nicht mehr vor, sondern verweist in § 75 auf die befreiungsvorschrift des § 67 bnatschg. 157cc) der beklagte hat ohne rechtsfehler darauf abgestellt, dass am konkreten standort ein überwiegendes öffentliches interesse zugunsten der windenergie im sinne des § 67 abs. 1 satz 1 nr. 1 bnatschg anzunehmen ist. 158eine befreiung setzt eine abwägungsentscheidung im einzelfall voraus, bei der zu prüfen ist, ob die gründe des allgemeinwohls so gewichtig sind, dass sie sich gegenüber den belangen des landschaftsschutzes durchsetzen. das allgemeine interesse am ausbau regenerativer energien stellt ein besonderes öffentliches interesse im sinne von § 67 abs. 1 satz 1 nr. 1 bnatschg dar, begründet jedoch keinen allgemeinen vorrang vor dem landschaftsschutz. insbesondere ist es nicht geeignet, landschaftsschutzgebietsfestsetzungen bzw. -verordnungen und die mit ihnen verfolgten ziele im wege der befreiung generell zu gunsten von energiepolitischen zwecken zu relativieren. umgekehrt ist es nicht ausgeschlossen, dass sich die windenergie in besonders gelagerten einzelfällen gegenüber den belangen des landschaftsschutzes durchsetzt, wenn die landschaft am vorgesehenen standort weniger schutzwürdig, die beeinträchtigung geringfügig ist und das durch die landschaftsschutzfestsetzung unter besonderen schutz gestellte ziel der dauerhaften sicherung der vielfalt, eigenart und schönheit wie des erholungswerts der landschaft nicht beeinträchtigt wird. 159vgl. ovg nrw, urteil vom 1. märz 2021 - 8 a 1183/18 -, juris rn. 349 f., m. w. n., und beschluss vom 2. juli 2021 ‑ 7 b 286/21 -, juris rn. 30. 160das kommt insbesondere in betracht, wenn der landschaftsplan - wie hier - weite teile des außenbereichs einer gemeinde unter schutz stellt. 161vgl. ovg nrw, urteil vom 1. märz 2021 - 8 a 1183/18 -, juris rn. 351, m. w. n., und beschluss vom 2. juli 2021 ‑ 7 b 286/21 -, juris rn. 30. 162dies zugrunde gelegt, überwiegt am geplanten anlagenstandort das öffentliche interesse an der windenergienutzung die belange des landschaftsschutzes. zur begründung seiner entscheidung verweist der beklagte in dem genehmigungsbescheid vom 11. februar 2019 (im anschluss an die stellungnahme seiner unteren naturschutzbehörde vom 12. dezember 2018) darauf, dass der vorhabenstandort kein teilbereich des landschaftsschutzgebietes sei, dem eine besondere oder herausragende funktion zugeordnet werden könne. für das landschaftsschutzgebiet „c. “ seien im landschaftsplan keine über die allgemeinen festsetzungen hinausgehenden ge- und verbote formuliert. ferner spricht für ein überwiegendes interesse an der windenergienutzung am vorliegenden standort, dass - wie bereits der landschaftsplan selbst erläuternd feststellt - eine unberührte bzw. intakte naturlandschaft aufgrund der langjährigen bergbaulichen nutzung und den damit einhergehenden erheblichen schüttprozessen ohnehin nicht besteht und das betroffene gebiet nur über einen stark eingeschränkten erholungswert verfügt. zudem ist eine allenfalls geringfügige beeinträchtigung der landschaft durch die windenergieanlage zu erwarten, zumal diese eine vergleichsweise geringe bodenfläche von 110m² einnimmt. dem widerspricht auch nicht die optische gestaltung des tops der halde n1. in gestalt zweier ineinander verschlungener tropfen (die ursprünglich geplante gestaltung als vulkankegel musste mangels vorhandener erdmassen verworfen werden), zumal dies vom standpunkt eines am fuße oder auf der halde stehenden betrachters ohnehin nicht sichtbar sein dürfte. 163die errichtung und der betrieb einer windenergieanlage am vorhabenstandort beeinträchtigen auch nicht den in den vorstehend zitierten erläuterungen des landschaftsplans genannten schutzzweck des landschaftsschutzgebiets, wonach die festsetzung zur wiederherstellung naturnaher lebensstätten und lebensgemeinschaften sowie eines befriedigenden landschaftsbildes mit einem entsprechenden wegeangebot für die wohnungsbezogene und gesamtstädtische erholungsnutzung erforderlich sei. abgesehen davon, dass der landschaftsplan selbst von der wiederherstellung eines (lediglich) „befriedigenden“ landschaftsbildes spricht, kann eine nicht mehr hinzunehmende beeinträchtigung der genannten ziele durch die windenergieanlage nicht festgestellt werden. im gegenteil verweist der regionalverband ruhr (rvr) z. b. im zusammenhang mit der auf der halde hoppenbruch (stadt herten), die ebenfalls in einem landschaftsschutzgebiet liegt (vgl. landschaftsschutzgebiet nr. 3 „haldenlandschaft hoppenbruch“ des landschaftsplans nr. 5 „f2. “ des beklagten vom 3. dezember 2008) errichteten windenergieanlage ausdrücklich auf das gut ausgebaute wegesystem für spaziergänger sowie die rund 4,4 km lange mountainbikestrecke, 164vgl. https://www.rvr.ruhr/themen/tourismus-freizeit/halden-landmarken/orte-halden/orte-detailseite-halden/news/halde-hoppenbruch-kreis-recklinghausen/, 165und damit auf gesichtspunkte, die unter den begriff der naherholung fallen. auch ausweislich der darstellungen der stadt herten auf ihrer internetpräsenz stellt die halde hoppenbruch beliebtes ausflugsziel u. a. für sportliche aktivitäten dar. 166vgl. https://www.herten.de/kultur-und-freizeit/naherholung-erholung-im-gruenen/halde-hoppenbruch.html. 167der rvr als zwischenzeitlicher eigentümer u. a. der n1. sieht diese ‑ sowie weitere bereits mit windenergieanlagen bebaute halden - in seiner pressemitteilung vom 22. januar 2021, 168im internet abrufbar unter https://www.rvr.ruhr/service/presse/pressemitteilung-detailseite/news/gruene-infrastruktur-der-metropole-ruhr-wird-weiter-ausgebaut-acht-halden-der-rag-jetzt-im-besitz-des-rvr/, 169als für touristische angebote relevant an und stellt zudem heraus, dass auch die bebauung von halden mit windenergieanlagen zum zweck der gewinnung von energie aus regenerativen quellen seiner beabsichtigen nutzung entspreche. auf sechs halden seien, so der rvr, bereits anlagen zur energieerzeugung installiert; weitere kämen potenziell als zusätzliche standorte für windkraft- oder solaranlagen in betracht. vor diesem hintergrund vermag die kammer der annahme der klägerin, die windenergieanlage beeinträchtige die entwicklung bzw. nutzung der n1. zu einem bzw. als naherholungsgebiet in einer nicht mehr hinzunehmenden art und weise nicht zu folgen, zumal der anblick von windenergieanlagen im außenbereich aufgrund ihrer mittlerweile vorkommenden häufigkeit - nach den im internet verfügbaren zahlen ist die anzahl von windenergieanlagen an land in deutschland von etwa 9.300 im jahr 2000 auf etwa 29.600 im jahr 2020 angestiegen, die überwiegend in brandenburg, niedersachsen, nordrhein-westfalen und schleswig-holstein errichtet sind -, 170vgl. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/20116/umfrage/anzahl-der-windkraftanlagen-in-deutschland-seit-1993/#professional, 171eine alltäglichkeit geworden sein dürfte, was eher für eine das erscheinungsbild der landschaft mitgestaltende und keine beeinträchtigende wirkung sprechen könnte. 172dd) ermessensfehler nach § 40 vwvfg nrw, § 114 satz 1 vwgo sind weder vorgetragen noch ersichtlich. 173die zur entscheidung berufene behörde „kann“ nach § 67 abs. 1 satz 1 bnatschg eine befreiung erteilen. ihr steht ein befreiungsermessen zu. sie ist daher grundsätzlich berechtigt, unter wahrung der gesetzlichen ermessensgrenzen eine beantragte befreiung aus gründen der zweckmäßigkeit zu versagen. da die für die ermessensausübung entscheidungsrelevanten aspekte in der regel bereits im rahmen der prüfung der tatbestandlichen befreiungsvoraussetzungen zu berücksichtigen sind, verbleiben auf der nachgelagerten ebene der ermessenausübung allerdings nur noch „ermessensreste“. 174vgl. ovg nrw, urteil vom 1. märz 2021 - 8 a 1183/18 -, juris rn. 354 f., m. w. n. 175dies zugrunde gelegt, sind hier keine über das vorliegen der tatbestandlichen voraussetzungen hinausgehenden (und damit nicht bereits berücksichtigten) ermessensrelevanten gesichtspunkte ersichtlich, aus denen eine befreiung hätte versagt werden können. 176b) von der genehmigten windenergieanlage gehen keine schädlichen umwelteinwirkungen im sinne von § 35 abs. 3 satz 1 nr. 3 baugb in form von lärm aus. 177ausgehend von den immissionsrichtwerten der ta lärm (dazu aa)) sind die im einwirkungsbereich der windenergieanlage liegenden maßgeblichen immissionsorte keinen unzumutbaren lärmimmissionen ausgesetzt (dazu bb)). 178aa) im einwirkungsbereich der windenergieanlage gelten unterschiedliche immissionsrichtwerte. es befinden sich dort durch den bebauungsplan nr. 001, i3. -, c2. -, s1.-------straße („c. a“) der klägerin ausgewiesene reine wohngebiete, in denen grundsätzlich (vgl. aber die nachfolgenden ausführungen unter gliederungspunkt c. ii. 3. b) bb) aaa) (1)) die immissionsrichtwerte nach nr. 6.1 satz 1 buchstabe f ta lärm maßgeblich sind. ferner befinden sich dort wohnhäuser, die durch den bebauungsplan nr. 001 und nr. 002, gebiet: gewerbepark h1. , der klägerin als allgemeine wohngebiete ausgewiesen sind. allerdings wird in der begründung zum bebauungsplan nr. 002 (dort seite 23) ausgeführt, dass es sich bei der städtebaulichen situation des plangebietes überwiegend um gemengelagen handele, die im laufe der zeit gewachsen seien. deshalb sei bei der betrachtung der immissionsrechtlichen situation unter berücksichtigung der vorhandenen betriebe (gemeint sind gewerbebetriebe) und der hierdurch bedingten immissionsvorbelastung für die baugebiete im bebauungsplangebiet das gebot gegenseitiger rücksichtnahme anzuwenden. daher werde den angrenzenden allgemeinen wohngebieten immissionsschutzrechtlich der störgrad von mischgebieten zugewiesen, weshalb hier buchstabe d und nicht e von nr. 6.1 satz 1 ta lärm anwendung findet. diese immissionsschutzrechtliche einordnung des zulässigen störgrades wird durch die klägerin nicht (substantiiert) in zweifel gezogen. 179den im bauplanungsrechtlichen außenbereich gelegenen wohnhäusern sind ebenfalls die für dorf- und mischgebiete nach nr. 6.1 satz 1 buchstabe d ta lärm festgelegten grenzwerte zuzumuten. 180ständige rechtsprechung, vgl. etwa ovg nrw, urteil vom 22. november 2021 - 8 a 973/15 -, juris rn. 119 f., m. w. n. 181für die im einwirkungsbereich ausgewiesenen gewerbegebiete (bebauungsplan nr. 002) gelten die immissionsrichtwerte nach nr. 6.1 buchstabe b ta lärm. 182bb) die hiernach maßgeblichen immissionsrichtwerte werden durch den betrieb der streitgegenständlichen windenergieanlage hinreichend sicher eingehalten. dies folgt aus den auf der grundlage des interimsverfahrens durchgeführten berechnungen in den schallimmissionsprognosen vom 31. januar 2019 bzw. 27. oktober 2021. danach werden die zulässigen immissionsrichtwerte an den maßgeblichen immissionsorten im einwirkungsbereich der windenergieanlage weder während des nunmehr zugelassenen nachtbetriebs (dazu aaa)) noch des tagbetriebs (dazu bbb)) überschritten. 183aaa) der beklagte hat - wie bereits ausgeführt - durch bescheid vom 9. november 2021 verbindlich festgestellt, dass der durch den genehmigungsbescheid vom 11. februar 2019 (vgl. ziffer iv. 3.1.6 i. v. m. 3.1.5) zunächst aufschiebend bedingt zugelassene schallreduzierte nachtbetrieb im betriebsmodus 100 db mit einer leistung von 2350 kw ab sofort aufgenommen werden darf, weil die beigeladene den eintritt der aufschiebenden bedingung nachgewiesen habe. in diesem betriebsmodus werden die rechtlich zulässigen immissionsrichtwerte während des nachtbetriebs hinreichend verlässlich eingehalten. 184(1) in der schallimmissionsprognose vom 31. januar 2019, die entgegen der behauptung der klägerin ausdrücklich in der angefochtenen genehmigung aufgeführt (vgl. dort seite 3 sowie anhang ii nr. 15) und damit zum bestandteil selbiger geworden ist und bei der für die ausbreitungsrechnung - mangels eines zu diesem zeitpunkt vorliegenden vermessungsberichts des hier genehmigten anlagentyps - der höchste vom hersteller für den betriebsmodus 100 db angegebene schallleistungspegel von 100 db(a) zuzüglich eines sicherheitszuschlags in höhe von 2,1 db(a) für den oberen vertrauensbereich (wegen der unsicherheit des prognosemodells, der unsicherheit durch serienstreuung, der unsicherheit der herstellerangaben sowie einer angenommenen irrtumswahrscheinlichkeit von 10 %, vgl. seite 36 f. der schallimmissionsprognose vom 31. januar 2019) zugrunde gelegt wurde, wurde ausweislich der ergebnistabelle (dort seite 46 f.) an keinem dort betrachteten immissionsort der jeweils rechtlich zulässige immissionsrichtwert überschritten. 185diese feststellung gilt insbesondere in bezug auf das wohnhaus s1.-------straße 71 (= ip 70 wr), das in einem durch den bebauungsplan nr. 001 ausgewiesenen reinen wohngebiet liegt und für das unter berücksichtigung der vorbelastung durch die th food gmbh eine gesamtbelastung von 36,0 db(a) berechnet wurde. ungeachtet der ausweisung als reines wohngebiet ist die annahme des beklagten in dem angefochtenen bescheid, am immissionspunkt s1.-------straße 71 gelte ein immissionsrichtwert von 40 db(a) nachts und von 55 db(a) tags, keinen rechtlichen bedenken ausgesetzt. 186zwar betragen die immissionsrichtwerte in reinen wohngebieten gemäß nr. 6.1 satz 1 buchstabe f ta lärm 35 db(a) nachts und 50 db(a) tags. grenzen gewerblich, industriell oder hinsichtlich ihrer geräuschauswirkungen vergleichbar genutzte und zum wohnen dienende gebiete aneinandergrenzen (gemengelage), können allerdings gemäß nr. 6.7 abs. 1 satz 1 ta lärm die für die zum wohnen dienenden gebiete geltenden immissionsrichtwerte auf einen geeigneten zwischenwert der für die aneinandergrenzenden gebietskategorien geltenden werte erhöht werden, soweit dies nach der gegenseitigen pflicht zur rücksichtnahme erforderlich ist. dabei sollen nach satz 2 der vorgenannten vorschrift die immissionsrichtwerte für kern-, dorf- und mischgebiete nicht überschritten werden. nach nr. 6.7 abs. 2 satz 1 ta lärm ist für die höhe des zwischenwertes die konkrete schutzwürdigkeit des betroffenen gebietes maßgeblich. als wesentliche kriterien nennt nr. 6.7 abs. 2 satz 2 ta lärm die prägung des einwirkungsgebiets durch den umfang der wohnbebauung einerseits und durch gewerbe- und industriebtriebe andererseits, die ortsüblichkeit eines geräusches und die frage, welche der unverträglichen nutzungen zuerst verwirklicht wurde. 187die annahme einer gemengelage in diesem sinne setzt nicht ein unmittelbares aneinandergrenzen der gebiete voraus. da die rechtsprechung vor der erstmaligen einführung von regelungen zu gemengelagen in der ta lärm die besonderen rechtsgrundsätze für gemengelagen aus dem gebot der gegenseitigen rücksichtnahme abgeleitet hat, 188vgl. bverwg, urteil vom 12. dezember 1975 - iv c 71.73 -, juris rn. 23, m. w. n., 189und die ta lärm in nr. 6.7 abs. 1 satz 1 hierauf ausdrücklich bezug nimmt, kommt es letztlich darauf an, wie weit dieses gebot reicht. das ist in dem gesamten räumlichen bereich der fall, in dem die nutzung des einen gebiets noch prägend auf das andere gebiet einwirkt. 190vgl. hansmann, in: landmann/rohmer, umweltrecht, nr. 6 ta lärm rn. 25 (stand der kommentierung: dezember 2006); feldhaus/tegeder, in: feldhaus, bundesimmissionsschutzrecht, b 3.6, nr. 6 ta lärm rn. 60 (stand der kommentierung: 1. november 2010). 191nach diesen grundsätzen ist die durch den beklagten vorgenommene erhöhung der für ein reines wohngebiet geltenden immissionsrichtwerte um 5 db(a) für die auf der östlichen seite der s1.-------straße gelegenen wohnhäuser (ungerade hausnummern) nicht zu beanstanden. ausweislich der erläuternden ausführungen im schriftsatz vom 18. oktober 2019 (dort seite 25) hat sich der beklagte bei der zwischenwertbildung von der erwägung leiten lassen, dass die wohnhäuser auf der gegenüberliegenden (westlichen) straßenseite der s1.-------straße zwar - wie bereits ausgeführt - in einem durch den bebauungsplan nr. 002 der klägerin ausgewiesenen allgemeinen wohngebiet liegen, wegen ihrer nähe zu gewerblichen nutzungen aufgrund des gebotes der gegenseitigen rücksichtnahme immissionsschutzrechtlich aber lediglich den schutzanspruch eines mischgebietes geltend machen können. daher sei - so der beklagte - für die wohnhäuser auf der östlichen seite der s1.-------straße (ungerade hausnummern) ein zwischenwert von 40 db(a) für den schutzanspruch zur nachtzeit zu bilden, der dem angrenzenden planbereich - gemeint ist der bebauungsplan nr. 002 - und dem folgenden gewerbegebiet rechnung trage. 192die unbedenklichkeit dieser, von der klägerin im übrigen nicht (substantiiert) gerügten vorgehensweise wird zudem dadurch bestätigt, dass die hier in rede stehende bebauung entlang der östlichen seite der s1.-------straße nicht in verstärktem maße schutzbedürftig ist. ausweislich der begründung zum bebauungsplan nr. 001 würden an den straßenzugewandten fassaden der bestehenden wohnhäuser u. a. an der s1.-------straße die orientierungswerte der din 18005 in höhe von 50 db(a) tags, 40 db(a) nachts bei reinen wohngebieten um bis zu 8 db(a) überschritten. daher wurden in die textlichen festsetzungen des bebauungsplans nr. 001 maßnahmen des passiven schallschutzes aufgenommen. gemäß ziffer 5.1 der textlichen festsetzung sind auf den überbaubaren grundstücksflächen entlang u. a. der s1.-------straße (häuser 23 bis 83, ungerade ziffern) für aufenthaltsräume gemäß § 9 abs. 1 nr. 24 baugb vorkehrungen zum schutz vor schädlichen umwelteinwirkungen im sinne des bundesimmissionsschutzgesetzes erforderlich. demnach sind an allen außenbauteilen bauschalldämmmaße (r'w,res) in höhe von 45 db(a) gemäß din 4109 (1990) tabelle 8 einzuhalten. zusätzlich sieht ziffer 5.2 der textlichen festsetzung vor, dass auf den überbaubaren grundstücksflächen entlang u. a. der s1.-------straße an den straßenzugewandten fassaden in allen schlaf- und kinderzimmern sämtlicher geschosse schalldämmende bzw. fensterunabhängige lüftungseinrichtungen vorzusehen sind. 193entspricht der immissionsschutzrechtliche schutzanspruch für das wohnhaus s1.-------straße 71 demnach demjenigen eines allgemeinen wohngebiets, bleibt die in der schallimmissionsprognose vom 31. januar 2019 prognostizierte nächtliche gesamtbelastung an diesem immissionspunkt mit 36,0 db(a) deutlich hinter dem rechtlich zulässigen immissionsrichtwert von 40 db(a). die vorstehenden ausführungen gelten für den ip 71 wr s1.-------straße 51 in gleicher weise. 194im ergebnis nichts anderes gilt in bezug auf das von der klägerin ebenfalls ausdrücklich angesprochene wohnhaus s1.-------straße 69, das in der immissionsprognose vom 31. januar 2019 nicht als eigener immissionspunkt betrachtet wurde. zwar dürfte ihr hinweis darauf, dass der häuserreihe auf der westlichen seite der s1.-------straße eine schallabschirmende wirkung von mindestens 5 db(a) im hinblick auf den nachts vom betrieb u. ausgehenden gewerbelärm - wie sie in der schallimmissionsprognose vom 31. januar 2019 für das wohnhaus s1.-------straße 71 angenommen wurde (dort seite 32/33) - in bezug auf das wohnhaus s1.-------straße 69 nicht zukomme, nicht von vornherein von der hand zu weisen sein. dieser einwand bedarf allerdings keiner weiteren vertiefung bzw. aufklärung. denn selbst wenn man eine solche abschirmungswirkung außer ansatz ließe und von einer nächtlichen vorbelastung durch den betrieb der u. von 34,0 db(a) ‑ und nicht von 29,0 db(a) - ausginge, wäre der ausgehend von den vorstehenden ausführungen zum vorliegen einer gemengelage im sinne von nr. 6.7 ta lärm auch für das wohnhaus s1.-------straße 69 maßgebliche immissionsrichtwert von 40 db(a) nachts nicht ansatzweise erreicht und erst recht nicht überschritten. diese annahme folgt aus der berechnung der gesamtbelastung für das wohnhaus s1.-------straße 78 in der schallimmissionsprognose vom 31. januar 2019 (dort seite 31). an diesem immissionspunkt beträgt die berechnete gesamtbelastung 37,8 db(a), wobei als von der windenergieanlage ausgehende zusatzbelastung ein wert von 35,5 db(a) und als vorbelastung durch den betrieb der u. ein wert von 34,0 db(a) in ansatz gebracht wurde. da die zusatzbelastung durch die windenergieanlage an dem wohnhaus s1.-------straße 69 jedenfalls nicht mehr als 35,5 db(a) betragen dürfte (vgl. insoweit die berechnung der l. vom 19. september 2019, wonach die zusatzbelastung am immissionsort s1.-------straße 69 = io-25 35,0 db(a) beträgt), kann auch die gesamtbelastung höchstens 37,8 db(a) betragen. 195der weitere hinweis der klägerin, der immissionspunkt s1.-------straße 69 sei unter reflexionsgesichtspunkten offensichtlich problematischer als der hieraufhin untersuchte immissionsort s1.-------straße 71, führt desgleichen nicht zur rechtswidrigkeit der angefochtenen genehmigung (in bezug auf den nachtbetrieb). selbst wenn man für den immissionspunkt s1.-------straße 69 - entsprechend den vorstehenden ausführungen - eine gesamtbelastung von 37,8 db(a) zugrunde legt zuzüglich einer theoretisch maximal möglichen pegelerhöhung von 3 db(a) durch reflexionen (vgl. hierzu die von der klägerin nicht in frage gestellte annahme auf seite 38 der schallimmissionsprognose vom 31. januar 2019) und somit von einer gesamtbelastung von 40,8 db(a) ausgeht, hätte die genehmigung (für den nachtbetrieb im betriebsmodus 100 db und einer leistung von 2350 kw) in anwendung von nr. 3.2.1 abs. 3 satz 1 ta lärm nicht versagt werden dürfen. danach soll für die zu beurteilende anlage die genehmigung wegen einer überschreitung der immissionsrichtwerte nach nummer 6 aufgrund der vorbelastung auch dann nicht versagt werden, wenn dauerhaft sichergestellt ist, dass diese überschreitung nicht mehr als 1 db(a) beträgt. diese voraussetzungen liegen hier in bezug auf den immissionsort s1.-------straße 69 vor. vor diesem hintergrund kommt es auf die von der klägerin aufgeworfene frage der zulässigkeit von abrundungen im anwendungsbereich der ta lärm, 196vgl. hierzu zuletzt ovg nrw, urteil vom 22. november 2021 - 8 a 973/15 -, juris rn. 124 f., unter hinweis auf die bisherige rechtsprechung des 8. senats in verfahren des vorläufigen rechtsschutzes einerseits, aber auch auf die „erwägenswerten argumente“ bei agatz, windenergie-handbuch, 17. ausgabe, dez. 2020, s. 118 f., andererseits, die eine abrundung auch im anwendungsbereich der ta lärm als zulässig erachtet; vgl. auch die lai-hinweise zur auslegung der ta lärm vom 22./23. märz 2017 (dort „anhang allgemein“), 197ebenso wenig an wie auf die frage, ob es sich bei den zur straße ausgerichteten fenstern der östlich der s1.-------straße gelegenen wohnhäusern mit blick auf die im bebauungsplan nr. 001 vorgeschriebenen passiven lärmschutzmaßnahmen überhaupt um maßgebliche immissionsorte im sinne von nr. 2.2 abs. 1 ta lärm handelt. 198schließlich ist der vortrag der klägerin, am ip 26 wa = s1.-------straße 78 sei in der schallimmissionsprognose vom 31. januar 2019 eine richtwertüberschreitung von 1 db(a) festgestellt worden, nicht nachvollziehbar bzw. trifft nicht zu. dieser immissionspunkt liegt zwar in einem durch den bebauungsplan nr. 002 ausgewiesenen allgemeinen wohngebiet, kann - wie bereits ausgeführt - aber immissionsschutzrechtlich (lediglich) den schutzanspruch eines mischgebiets geltend machen. gemäß nr. 6.1 abs. 1 buchstabe d ta lärm gilt daher ein nächtlicher immissionsrichtwert von 45 db(a). die berechnete gesamtbelastung am ip 26 wa beträgt 37,8 db(a). selbst unter berücksichtigung einer pegelerhöhung von 3 db(a) wegen etwaiger reflexionen wäre der nächtliche grenzwert nicht ansatzweise erreicht und erst recht nicht überschritten. 199(2) dass die windenergieanlage im betriebsmodus 100 db mit einer leistung von 2350 kw die maßgeblichen immissionsrichtwerte während des nachtbetriebs hinreichend sicher einhält, wird bestätigt durch die schallimmissionsprognose vom 27. oktober 2021. diese ausbreitungsberechnung beruht nicht auf den herstellerangaben, sondern auf dem vermessungsbericht der e. vom 20. august 2020, dessen emissionsansätze auf einer unter anderem nach maßgabe der fgw-richtlinie (fördergesellschaft windenergie e. v.: technische richtlinie zur bestimmung der leistungskurve, des schallleistungspegels und der elektrischen eigenschaften von windenergieanlagen - teil 1: bestimmung der schallemissionswerte, rev. 18 vom 1. februar 2008) erfolgten einfachvermessung des hier in rede stehenden anlagentyps enercon e‑138 ep3 basieren. danach wurde im betriebsmodus 100 db und einer leistung von 2350 kw ein maximaler schallleistungspegel von 100,4 db(a) ermittelt (vgl. seite 6 und 29 des vermessungsberichts der e. vom 20. august 2020). unter zugrundelegung dieses höchsten summenschallleistungspegels einschließlich eines sicherheitszuschlags für den oberen vertrauensbereich von 2,3 db(a) - wegen der unsicherheit des prognosemodells, der unsicherheit durch serienstreuung, der unsicherheit der typenvermessung bei einfach vermessenen anlagen sowie einer angenommenen irrtumswahrscheinlichkeit von 10 % (vgl. seite 36 f. der schallimmissionsprognose vom 31. januar 2019 und seite 2 der schallimmissionsprognose vom 27. oktober 2021) - wurde in der schallimmissionsprognose vom 27. oktober 2021 eine von der windenergieanlage ausgehende zusatzbelastung ermittelt, welche mit derjenigen aus der schallimmissionsprognose vom 31. januar 2019 identisch ist bzw. diese geringfügig unterschreitet. unter berücksichtigung der vorstehenden ausführungen zur schallimmissionsprognose vom 31. januar 2019 ergeben sich demnach ebenfalls keine überschreitungen der rechtlich zulässigen immissionsrichtwerte während des schallreduzierten nachtbetriebs. 200bbb) es ist zudem hinreichend verlässlich sichergestellt, dass die jeweils maßgeblichen immissionsrichtwerte während des tagbetriebs der windenergieanlage eingehalten werden. diese feststellung kann entgegen der auffassung der klägerin auch ohne entsprechende schallimmissionsprognose für die tagzeit getroffen werden und ergibt sich aus folgenden erwägungen: 201ausweislich der herstellerangaben erhöht sich der von der windenergieanlage des hier in rede stehenden typs ausgehende schallleistungspegel im (leistungsoptimierten) volllastbetrieb im betriebsmodus 0 s mit der nennleistung von 3500 kw im vergleich zum schallreduzierten betrieb im betriebsmodus 100 db mit einer leistung von 2350 kw, der den berechnungen in den schallimmissionsprognosen vom 31. januar 2019 und vom 27. oktober 2021 zugrunde gelegt wurde, um (lediglich) 6 db(a). demgegenüber erhöhen sich die rechtlich zulässigen immissionsrichtwerte für die tagzeit um jeweils 15 db(a) im vergleich zu den entsprechenden richtwerten zur nachtzeit. der - zutreffende - hinweis der klägerin darauf, dass nicht alle im umfeld der windenergieanlage befindlichen schutzbedürftigen nutzungen im tagbetrieb außerhalb des einwirkbereiches der anlage im sinne von nr. 2.2 buchstabe a ta lärm lägen, führt auch unter berücksichtigung etwaiger vorbelastungen nicht zu der annahme, dass eine separate betrachtung des tagbetriebs im rahmen einer schallimmissionsprognose erforderlich war/ist. gemäß nr. 3.2.1 abs. 2 satz 1 ta lärm darf die genehmigung für die zu beurteilende anlage ‑ hier die beklagte windenergieanlage - auch bei einer überschreitung der immissionsrichtwerte aufgrund der vorbelastung aus gründen des lärmschutzes nicht versagt werden, wenn der von der anlage verursachte immissionsbeitrag im hinblick auf den gesetzeszweck als nicht relevant anzusehen ist. das ist nach satz 2 der vorgenannten vorschrift in der regel der fall, wenn die von der zu beurteilenden anlage ausgehende zusatzbelastung die immissionsrichtwerte nach nummer 6 am maßgeblichen immissionsort um mindestens 6 db(a) unterschreitet. dies ist hier in bezug auf den tagbetrieb - wie aufgezeigt - der fall. darüber hinaus käme im falle einer geringfügigen überschreitung des rechtlich zulässigen immissionsrichtwertes um bis zu 1 db(a) während des tagbetriebs aufgrund der vorbelastung (wiederum) nr. 3.2.1 abs. 3 ta lärm zur anwendung. 202c. das vorhaben verstößt auch nicht gegen das artenschutzrechtliche zugriffsverbot des § 44 abs. 1 nr. 1 bnatschg (vgl. § 35 abs. 3 satz 1 nr. 5 baugb) hinsichtlich der fledermäuse, der kreuzkröte und des uhus. 203aa) nach § 44 abs. 1 nr. 1 bnatschg ist es verboten, wild lebenden tieren der besonders geschützten arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre entwicklungsformen aus der natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören. das tötungsverbot des § 44 abs. 1 nr. 1 bnatschg ist individuenbezogen und bereits dann erfüllt, wenn sich die tötung als unausweichliche konsequenz eines im übrigen rechtmäßigen verwaltungshandelns erweist. mit blick auf die bei einer windenergieanlage nie völlig auszuschließende gefahr von kollisionen geschützter tiere sind diese voraussetzungen nur dann erfüllt, wenn das vorhaben dieses risiko in einer für die betroffene tierart signifikanten weise erhöht (vgl. nunmehr, den signifikanzansatz der rechtsprechung aufgreifend: § 44 abs. 5 satz 2 nr. 1 bnatschg i. d. f. des gesetzes vom 15. september 2017, bgbl. i s. 3434). ein nullrisiko ist nicht zu fordern. das anhand einer wertenden betrachtung auszufüllende kriterium der signifikanz trägt dem umstand rechnung, dass für tiere bereits vorhabenunabhängig ein allgemeines tötungs- und verletzungsrisiko besteht, welches sich nicht nur aus dem allgemeinen naturgeschehen ergibt, sondern auch dann sozialadäquat sein kann und deshalb hinzunehmen ist, wenn es zwar vom menschen verursacht ist, aber nur einzelne individuen betrifft. denn tierisches leben existiert nicht in einer unberührten, sondern in einer von menschen gestalteten landschaft. nur innerhalb dieses rahmens greift der schutz des § 44 abs. 1 nr. 1 bnatschg. umstände, die für die beurteilung der signifikanz eine rolle spielen, sind insbesondere artspezifische verhaltensweisen, häufige frequentierung des durchschnittenen raums und die wirksamkeit vorgesehener schutzmaßnahmen, darüber hinaus gegebenenfalls auch weitere kriterien im zusammenhang mit der biologie der art. eine signifikante steigerung des tötungsrisikos erfordert anhaltspunkte dafür, dass sich dieses risiko durch den betrieb der anlage deutlich steigert. dafür genügt es weder, dass einzelne exemplare etwa durch kollisionen zu schaden kommen, noch, dass im eingriffsbereich überhaupt exemplare betroffener arten angetroffen worden sind. 204zum umfang der gerichtlichen kontrolle von naturschutzrechtlichen bewertungsfragen und damit auch der beurteilung, ob das tötungsrisiko signifikant erhöht ist, gilt folgendes: wenn und solange es für die erfassung und bewertung vorhabenbedingter einwirkungen an gesetzlichen vorgaben oder einer untergesetzlichen maßstabsbildung durch verbindliche festlegungen etwa mittels durchführungsverordnungen oder verwaltungsvorschriften fehlt, muss die behörde auf außerrechtliche naturschutzfachliche maßgaben zurückgreifen, zu denen vor allem fachkonventionen und leitfäden gehören. fehlt es in den einschlägigen fachkreisen und der einschlägigen wissenschaft an allgemein anerkannten maßstäben und methoden für die fachliche beurteilung, kann die gerichtliche kontrolle des behördlichen entscheidungsergebnisses mangels besserer erkenntnis der gerichte an objektive grenzen stoßen. sofern eine außerrechtliche frage durch fachkreise und wissenschaft bislang nicht eindeutig beantwortet ist, lässt sich objektiv nicht abschließend feststellen, ob die behördliche antwort auf diese fachfrage richtig oder falsch ist. dem gericht ist durch art. 19 abs. 4 satz 1 gg nicht auferlegt, das außerrechtliche tatsächliche erkenntnisdefizit aufzulösen. es ist aber aufgabe der gerichte zu überprüfen, ob die vorliegenden untersuchungen den aktuell besten wissenschaftlichen erkenntnisstand widerspiegeln oder sich für die bestandserfassung von betroffenen arten oder für die ermittlung des risikos bestimmte maßstäbe und methoden durchgesetzt haben und andere vorgehensweisen nicht mehr als vertretbar angesehen werden können. fehlen diesbezügliche vereinheitlichende vorgaben, muss das gericht auf die konkrete kritik hin überprüfen, ob die vorliegenden untersuchungen sowohl in ihrem methodischen vorgehen als auch in ihrer ermittlungstiefe ausreichten, um die behörde in die lage zu versetzen, die voraussetzungen der artenschutzrechtlichen verbotstatbestände sachgerecht zu prüfen. ebenso kann und muss ein gericht dann, wenn keine allgemein anerkannte fachliche meinung existiert, kontrollieren, ob die von der behörde verwendeten fachlichen maßstäbe und methoden vertretbar sind und die behörde insofern im ergebnis zu einer plausiblen einschätzung der fachlichen tatbestandsmerkmale einer norm gelangt ist. in einem solchen fall wird geprüft, ob der behörde bei der ermittlung und der anwendung der von ihr aus dem spektrum des vertretbaren gewählten fachlichen methode verfahrensfehler unterlaufen, ob sie anzuwendendes recht verkennt, von einem im übrigen unrichtigen oder nicht hinreichend tiefgehend aufgeklärten sachverhalt ausgeht, allgemeingültige bewertungsmaßstäbe verletzt oder sich von sachfremden erwägungen leiten lässt. 205bei naturschutzfachlichen bewertungsfragen hat das gericht typischerweise zwei-schrittig zu prüfen. es muss zunächst feststellen, ob es eine anerkannte fachmeinung zu methode oder inhalt der aufgeworfenen frage gibt; das ist eine tatsachenfeststellung, die notfalls mit sachverständiger hilfe erfolgen kann. gibt es einen solchen „standard“, dann prüft das gericht dessen befolgung bzw. die gründe für eine abweichung. gibt es ihn nicht, sondern stattdessen ein wissenschaftliches „erkenntnisvakuum“ im sinne einer grenze der tatbestandsbezogenen erkenntnis- und sachaufklärungsmöglichkeiten, gilt der plausibilitätsmaßstab. 206vgl. zum ganzen ovg nrw, urteil vom 1. märz 2021 ‑ 8 a 1183/18 -, juris rn. 149 ff., m. w. n. zur rechtsprechung des bundesverfassungsgerichts und des bundesverwaltungsgerichts. 207bb) ausgehend von diesen maßgaben verstößt das vorhaben insbesondere unter berücksichtigung der im genehmigungsbescheid vom 11. februar 2019 enthaltenen nebenbestimmungen weder hinsichtlich der fledermäuse (dazu aaa)) noch der kreuzkröte (dazu bbb)) noch des uhus (dazu ccc)) gegen das artenschutzrechtliche zugriffsverbot des § 44 abs. 1 nr. 1 bnatschg. 208aaa) der beklagte hat hinreichend sichergestellt, dass das tötungs-/verletzungsrisiko in bezug auf fledermäuse unter der signifikanzschwelle verbleibt. die insoweit unverändert geltende genehmigung vom 11. februar 2019 sieht nach ihren nebenbestimmungen in ziffer iv. 6.1.5 bis 6.1.7 vom 1. april bis zum 31. oktober eines jeden jahres abschaltalgorithmen mit anschließendem monitoring vor. dabei sind die nebenbestimmungen insgesamt - insbesondere mit blick auf die bedingungen der abschaltung (windgeschwindigkeiten im 10‑minutenmittel unter 6 m/s, temperaturen über 10° c und kein niederschlag) - eng an den leitfaden „umsetzung des arten- und habitatschutzes bei der planung und genehmigung von windenergieanlagen in nordrhein-westfalen“ vom 10. november 2017 (im folgenden: artenschutzleitfaden nrw 2017; dort seiten 33, 36 f. und 59) sowie den vorhergehenden leitfaden vom 12. november 2013 (dort seiten 26, 29 f. und 47 f.) angelehnt. 209dies ist naturschutzfachlich nicht zu beanstanden. diese feststellung gilt zunächst hinsichtlich der geregelten windgeschwindigkeit (im 10‑minutenmittel unter 6 m/s), 210vgl. hierzu ausführlich ovg nrw, urteil vom 1. märz 2021 - 8 a 1183/18 -, juris rn. 244 ff., 211gegen die auch die klägerin keine bedenken geltend gemacht hat. 212ihr einwand, die vom beklagten gewählte formulierung einer abschaltung der windenergieanlage bei temperaturen „über“ 10° celsius widerspreche den vorgaben im artenschutzleitfaden nrw 2017, greift nicht durch. der beklagte weist zutreffend darauf hin, dass im vorgenannten leitfaden im zusammenhang mit dem parameter temperatur das mathematische (vergleichs-)zeichen „>“ verwendet wird, dem die bedeutung „größer als" zukommt. damit werden entgegen der annahme der klägerin nicht temperaturen „ab“ 10°c, sondern alle über 10°c liegenden temperaturwerte erfasst. wäre auch die temperatur von genau 10°c erfasst, wäre das mathematische vergleichszeichen „≥“ (größer als oder gleich) verwendet worden, so wie z. b. in thüringen. 213vgl. institut für tierökologie und naturbildung, arbeitshilfe zur berücksichtigung des fledermausschutzes bei der genehmigung von windenergieanlagen (wea), dezember 2015, seite 44. 214hinsichtlich des weiteren in der nebenbestimmung iv. 6.1.5 aufgeführten parameters „kein niederschlag“ weist die klägerin zwar zutreffend auf die fußnote 10 auf seite 33 des artenschutzleitfadens nrw 2017 hin, wonach dieser parameter bis auf weiteres noch nicht verwendet werden könne, da diesbezüglich noch keine erkenntnisse über konkrete schwellenwerte vorlägen und außerdem keine möglichkeiten zur berücksichtigung in probat bestünde. ob der vom beklagten geregelte parameter „kein niederschlag“, zu dem das vorliegen einer allgemein anerkannten fachmeinung nach auswertung der in den verschiedenen leitfäden empfohlenen abschaltalgorithmen nicht festgestellt werden kann, 215vgl. insoweit: ministerium für umwelt, gesundheit und verbraucherschutz des landes brandenburg, beachtung naturschutzfachlicher belange bei der ausweisung von windeignungsgebieten und bei der genehmigung von windenergieanlagen vom 1. januar 2011, anlage 3 (handlungsempfehlung zum umgang mit fledermäusen bei der planung und genehmigung von windenergieanlagen in brandenburg), stand: 13. dezember 2010, seite 5: kein niederschlag; verwaltungsvorschrift „naturschutz/windenergie“ hessen vom 17. dezember 2020, anlage 6, tabelle 7: niederschlag < 0,2 mm/h, wobei der betreiber in den antragsunterlagen nachzuweisen habe, dass er den niederschlagsgrenzwert von 0,2 mm/h exakt messen könne; artenschutzrechtliche vorgaben schleswig-holstein vom 22. august 2017, seite 16: „als zusätzlicher parameter kann die niederschlagsfreiheit, die mit einer niederschlagsintensität von weniger als 0,5 mm/h definiert wird, in die inhaltsbestimmung aufgenommen werden. dies gilt jedoch nur unter der voraussetzung, dass seitens des antragsstellers ein akzeptabler niederschlagssensor beantragt wird. dazu ist darzustellen, dass regelmäßige und dauerhafte niederschlagsmessungen nachweislich verlässlich möglich sind (dauerhafte funktionalität)“; bayerisches landesamt für umwelt, arbeitshilfe fledermausschutz und windkraft, teil 1, stand: märz 2017, seite 13: niederschlag 0,2 mm/stunde, sofern dieser parameter gemessen und diese messungen bei der steuerung der anlage berücksichtigt werden können; leitfaden niedersachsen vom 24. februar 2016, nr. 7.3: kein regen; institut für tierökologie und naturbildung, arbeitshilfe zur berücksichtigung des fledermausschutzes bei der genehmigung von windenergieanlagen (wea) in thüringen, dezember 2015: keine angabe bezüglich niederschlag; naturschutzfachlicher rahmen rheinland-pfalz vom 13. september 2012: keine angabe bezüglich niederschlag; leitfaden artenschutz sachsen-anhalt vom 17. september 2018, seite 24: „die abschaltung kann entfallen bei starkniederschlag (mehr als 5 mm niederschlag in 5 minuten) und bei dauerregen. dauerregen ist gegeben, wenn über einen zeitraum von 6 stunden ununterbrochen mehr als 0,5 mm niederschlag je stunde gefallen sind“; landesamt für umwelt, naturschutz und geologie mecklenburg-vorpommern, artenschutzrechtliche arbeits- und beurteilungshilfe für die errichtung und den betrieb von windenergieanlagen (aab-wea), teil fledermäuse, stand: 1. august 2016, seite 19: niederschlag < 2 mm/h; hinweise zur untersuchung von fledermausarten bei bauleitplanung und genehmigung für windenergieanlagen baden-württemberg, stand: 1. april 2014: keine angabe bezüglich niederschlag, 216gleichwohl als vertretbar angesehen werden kann, um sicherzustellen, dass ein etwaiges tötungsrisiko unterhalb der signifikanzschwelle bleibt, kann im vorliegenden fall dahinstehen. denn die beigeladene hat in der mündlichen verhandlung am 23. märz 2022 erklärt, dass sie auf die ausnutzung des in nebenbestimmung iv. 6.1.5 des genehmigungsbescheides vom 11. februar 2019 geregelten parameters „kein niederschlag“ verzichtet. 217ohne erfolg bleibt schließlich der einwand der klägerin im zusammenhang mit dem in ziffer iv. 6.1.7 des genehmigungsbescheides vom 11. februar 2019 geregelten fledermaus-monitoring. damit wird dem betreiber lediglich die möglichkeit eröffnet, das in ziffer iv. 6.1.5 angeordnete umfassende abschaltszenario gegebenenfalls nachträglich „betriebsfreundlich“ zu optimieren. ob ein solches fledermaus-monitoring tatsächlich durchgeführt wird und zu welchem ergebnis es gelangt, beeinflusst nicht die rechtmäßigkeit der genehmigung, sondern ist eine frage der anlagenüberwachung. 218vgl. ovg nrw, beschluss vom 14. oktober 2019 ‑ 8 a 2172/16 -, n. v., seite 4 des beschlussabdrucks. 219bbb) ein signifikant erhöhtes tötungsrisiko kann auch in bezug auf die kreuzkröte (bufo calamita), einer streng geschützten art im sinne des § 7 abs. 2 nr. 14 buchstabe b bnatschg, nicht festgestellt werden. 220eine gefährdung der kreuzkröte durch den betrieb der windenergieanlage kann aufgrund ihres bodennahen lebensraums offensichtlich ausgeschlossen werden. der danach allenfalls während der errichtungsphase bestehenden gefährdung der kreuzkröte hat der beklagte durch die nebenbestimmung iv. 6.1.3 des genehmigungsbescheides vom 11. februar 2019 in ausreichender weise rechnung getragen. danach sind zum schutz der kreuzkröte die in der artenschutzprüfung beschriebenen maßnahmen von der ökologischen baubegleitung zu koordinieren, anzuordnen und zu überwachen. eingriffs- oder lagerbereiche, die potenziell durch die kreuzkröte genutzt oder besiedelt werden können, sind gegen einwandernde kreuzkröten zu schützen (amphibienschutzzaun). innerhalb der eingezäunten bereiche sind möglicherweise vorhandene tiere abzusammeln und aus dem gefahrenbereich auszusiedeln. 221der einwand der klägerin, die vorstehend beschriebene vorgehensweise sei nur während der aktivitätsphasen der kreuzkröten (april bis september) praktikabel, während der ruhephase vergrüben sich die tiere im erdboden, weshalb das in der nebenbestimmung vorgesehene absammeln nicht möglich sei, individuen innerhalb des eingezäunten bereichs würden bei erdarbeiten und befahren mit schwerem gerät zwangsläufig getötet, führt nicht zur annahme eines signifikant erhöhten tötungsrisikos. zum einen ist darauf hinzuweisen, dass ein nullrisiko nicht verlangt wird und die gefährdung sich hier auf die errichtungsphase der windenergieanlage und damit auf einen vergleichsweise kurzen zeitraum beschränkt. zum anderen hat der beklagte unwidersprochen vorgetragen (vgl. seite 33 des schriftsatzes vom 18. oktober 2019), dass es aufgabe der in der nebenbestimmung iv. 6.1.3 angeordneten ökologischen baubegleitung sei, maßnahmen des artenschutzes so rechtzeitig zu initiieren, dass keine verbotstatbestände ausgelöst werden könnten. sollten im baufeld potentielle überwinterungslebensräume sein, habe die ökologische baubegleitung die abzäunung früh genug anzuordnen oder eine verschiebung des baustarts zu bestimmen. 222ccc) es kann ferner nicht festgestellt werden, dass das vorhaben in bezug auf den uhu (bubo bubo), einer streng geschützten art im sinne des § 7 abs. 2 nr. 14 buchstabe a bnatschg, gegen das artenschutzrechtliche tötungsverbot des § 44 abs. 1 nr. 1 bnatschg verstößt. 223zwar hat der beklagte die im genehmigungsbescheid vom 11. februar 2019 zum schutz des uhus geregelte nebenbestimmung iv. 6.1.2 - abschaltung der windenergieanlage vom 15. januar bis zum 15. august eines jeden jahres jeweils in der zeit von einer halben stunde vor sonnenuntergang bis eine halbe stunde nach sonnenaufgang - durch den von der klägerin in das klageverfahren einbezogenen bescheid vom 28. januar 2021 aufgehoben. dass eine solche abschaltung rechtlich erforderlich ist, um ein signifikant erhöhtes tötungsrisiko für den uhu zu vermeiden, hat die klägerin indes nicht (substantiiert) geltend gemacht. hierfür bestehen vor dem hintergrund, dass ein uhu-revier im 1000 m-radius um den vorhabenstandort weder im jahr 2018 noch im jahr 2019 gefunden wurde (vgl. hierzu den bericht des kölner büros für faunistik vom 17. mai 2019), auch im übrigen keine begründeten anhaltspunkte. 224d) dem vorhaben stehen belange des denkmalschutzes (§ 35 abs. 3 satz 1 nr. 5 baugb) im hinblick auf die benachbarte denkmalrechtlich geschützte bergarbeitersiedlung „c. “ nicht entgegen. 225diese feststellung folgt bereits daraus, dass das vorhaben weder unmittelbar im sinne des § 9 abs. 1 buchstabe a dschg nrw in dieses denkmal eingreift noch liegt diesbezüglich eine beeinträchtigung gemäß buchstabe b der vorgenannten vorschrift vor. es bedurfte daher schon keiner denkmalschutzrechtlichen erlaubnis gemäß § 9 abs. 2 dschg nrw, um die belange des denkmalschutzes zu überwinden. 226§ 9 abs. 1 dschg nrw unterscheidet in den buchstaben a und b zwischen eingriffen in die substanz/das erscheinungsbild des denkmals bzw. der änderung seiner örtlichen lage oder der bisherigen nutzung einerseits (buchstabe a) und eingriffen in der engeren umgebung eines denkmals andererseits, wobei insoweit zusätzlich eine beeinträchtigung des erscheinungsbildes des denkmals vorliegen muss (buchstabe b). 227vgl. ovg nrw, beschluss vom 18. oktober 2021 ‑ 8 a 2790/18 -, juris rn. 68. 228eine beeinträchtigung des denkmalrechtlich geschützten erscheinungsbildes eines denkmals im sinne von § 9 abs. 1 buchstabe b dschg nrw liegt vor, wenn der mit dem erscheinungsbild angesprochene denkmalwert durch das vorhaben wesentlich herabgesetzt wird. zur ermittlung des individuellen denkmalwerts eines denkmals ist in erster linie auf die eintragung in der denkmalliste und die ihr beigefügte begründung abzustellen, denn nach nordrhein-westfälischem recht ist die eintragung für die denkmaleigenschaft konstitutiv (§ 3 abs. 1 satz 2 dschg nrw). dabei ist zu berücksichtigen, dass das hier in rede stehende denkmalrechtliche erscheinungsbild nicht zu verwechseln ist mit dem bloßen - ungestörten - anblick des denkmals als objekt. das denkmalrechtliche erscheinungsbild ist vielmehr als der von außen sichtbare teil eines denkmals zu verstehen, an dem jedenfalls der sachkundige betrachter den denkmalwert, der dem denkmal innewohnt, abzulesen vermag. da das erscheinungsbild des denkmals mit blick auf maßnahmen in seiner umgebung geschützt wird, muss die beziehung des denkmals zu seiner umgebung außerdem für den denkmalwert von bedeutung sein. bei der beurteilung des denkmalwerts eines denkmals und der erheblichkeit eines eingriffs in diesen ist das gericht nicht an die stellungnahmen der denkmalpflegeämter gebunden. diese dienen vielmehr lediglich der beratung und unterstützung der denkmalbehörden und der gerichte. 229vgl. ovg nrw, beschluss vom 30. oktober 2014 ‑ 7 a 1739/13 -, juris rn. 34 ff., und urteil vom 8. märz 2012 - 10 a 2037/11 -, juris rn. 68 ff.; hierauf bezugnehmend auch ovg nrw, beschluss vom 18. oktober 2021 ‑ 8 a 2790/18 -, juris rn. 65 f. 230nach diesen maßgaben liegt der hier allein in betracht kommende eingriff in die unter denkmalschutz gestellte siedlung „c. “ im sinne des § 9 abs. 1 buchstabe b dschg nrw nicht vor. ausweislich der zusammenfassenden betrachtung der nach genehmigungserteilung vorgelegten „analyse der denkmalrechtlichen betroffenheit des denkmalgeschützten siedlungsbereichs c. in h1. im zusammenhang mit der errichtung einer windenergieanlage“ des büros für landschaftsplanung c1. von september 2019 erfolgte die unterschutzstellung des denkmals zur sicherung oder wiederherstellung der geschlossenheit des siedlungsbilds sowie seiner prägenden gestaltungselemente für die zukunft. die siedlung c. sei zwischen 1912 und 1925 errichtet worden und sei eine bergarbeitersiedlung mit vom gartenstadtgedanken geprägten wohnungsbau. die klassische gartenstadt stelle sich als eine von grünflächen durchzogene, aufgelockerte und durch radialstraßen gegliederte stadt mit räumlicher trennung wichtiger funktionen dar. umgeben sei die gartenstadt von einem nicht bebaubaren öffentlichen grüngürtel. die räumliche trennung öffentlicher und privater räume erfolge durch unterschiedliche fluchtlinien der gebäude, womit zusätzlich abwechslungsreiche straßenräume geschaffen würden. auch die siedlung c. werde von den typischen, vielfältigen haustypen mit vorindustriellen agrarisch-dörflichen architekturdetails, individuellen und abwechslungsreichen straßenräumen sowie einer starken durchgrünung mit privaten nutzgärten und öffentlichen grünflächen geprägt. innerhalb des bereits 1912 zu baubeginn vorhandenen straßendreiecks s1.-------straße , c2.--straße und i3. straße sei ein straßennetz mit platzartigen aufweitungen entstanden. diese innere erschließung verlaufe weitestgehend radial, überlange perspektiven würden somit vermieden und es gebe keine klassischen sichtachsen. der kulturlandschaftliche fachbeitrag zum regionalplan ruhr (lvr/lwl 2014) betone, dass „bei aller vielfalt in der äußeren erscheinung der siedlung [wurde] (sic!) durch die gleichartigkeit bestimmter, prägender gestaltungsmerkmale eine heute selten gewordene gestalterische geschlossenheit erreicht [wurde]“. diese für den gartenstadtgedanken typische, gestalterische geschlossenheit führe dazu, dass die siedlung c. keine besondere lagebeziehung zu seiner unmittelbaren umgebung besitze. aufgrund der radial angelegten inneren erschließung fänden sich keine sichtachsen zu den baulichen strukturen der benachbarten siedlungseinheiten. die „gartenstadt c. " sei ein in sich geschlossenes bauliches ensemble ohne raumwirkung in die umgebung. bei einem durch gestaltung und erschließung in sich geschlossenen baulichen ensemble wie der siedlung c. sei ein potenzieller negativer einfluss der umgebung auf die denkmalgeschützten aspekte dieses ensembles nicht gegeben. darüber hinaus sei die siedlung c. in ihrer denkmalschutzrelevanten bedeutung nicht von der gestaltung der umgebung abhängig. eine veränderung in der umgebung habe demnach keinen einfluss auf die denkmalpflegerischen belange innerhalb der siedlung c. in diesem zusammenhang führe auch die errichtung einer windenergieanlage auf der halde n1. nicht zu einer denkmalschutzrelevanten beeinträchtigung des erscheinungsbildes der siedlung c. . 231diesen für das gericht plausiblen und nachvollziehbaren ausführungen, die sich der beklagte zu eigen gemacht hat, hat die klägerin, die selbst die zuständige untere denkmalschutzbehörde ist, nichts von substanz entgegengebracht. 232e) der belang des orts- und landschaftsbildes aus § 35 abs. 3 satz 1 nr. 5 baugb steht der erteilung der genehmigung ebenfalls nicht entgegen. 233in diesem zusammenhang hat die klägerin bereits nicht nachvollziehbar dargelegt, wie sich der gerügte umstand, dass der landschaftspflegerische begleitplan des büros für landschaftsplanung c1. von juni 2018 mit nachtrag von november 2018 möglicherweise auf der grundlage des windenergie-erlasses aus dem jahr 2015 anstelle des windenergie-erlasses aus dem jahr 2018 erstellt worden sei, auf die richtigkeit seines ergebnisses, insbesondere den wert des ermittelten ersatzgeldes, ausgewirkt haben soll. denn die in ziffer 8.2.2.1 (windenergie-erlasses aus dem jahr 2015) bzw. dem entsprechenden anhang (windenergie-erlasses aus dem jahr 2018) tabellarisch aufgeführten wertstufen zur ermittlung des ersatzgeldes sind identisch. anderweitige, inhaltliche fehler der berechnung sind weder hinreichend substantiiert vorgetragen noch sonst erkennbar. 234f) die errichtung und der betrieb der windenergieanlage verstößt auch nicht gegen das in § 35 abs. 3 baugb verankerte rücksichtnahmegebot. von ihr geht weder eine unzumutbare optisch bedrängende wirkung auf die umliegenden wohnhäuser aus (dazu aa)) noch beeinträchtigt sie den in etwa 1800 m entfernten freiballonaufstiegsplatz h1. in unzumutbarer weise (dazu bb)). 235aa) die klägerin hat nicht aufgezeigt, dass von der genehmigten windenergieanlage eine unzumutbare optisch bedrängende wirkung auf die umliegenden wohngrundstücke ausgeht. 236nach der rechtsprechung des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen bedarf es einer einzelfallprüfung, um beurteilen zu können, ob windenergieanlagen optisch bedrängend auf die umgebung wirken. dabei sind insbesondere die folgend genannten aspekte zu berücksichtigen, und zwar für die anlage: gesamthöhe, standort mit topographischer situation, größe des rotordurchmessers; für das grundstück: lage, ausrichtung bestimmter räumlichkeiten und deren fenster und terrassen zur windenergieanlage, etwaige abschirmung zur anlage, blickwinkel auf die anlage, hauptwindrichtung. unter berücksichtigung (insbesondere) der vorstehenden kriterien lassen sich für die ergebnisse der einzelfallprüfungen grobe anhaltswerte prognostizieren: beträgt der abstand zwischen einem wohngebäude und einer windenergieanlage mindestens das dreifache der gesamthöhe der geplanten anlage, dürfte die einzelfallprüfung überwiegend zu dem ergebnis kommen, dass von dieser anlage keine optisch bedrängende wirkung zu lasten der wohnnutzung ausgeht. ist der abstand geringer als das zweifache der gesamthöhe der anlage, dürfte die einzelfallprüfung überwiegend zu einer dominanten und optisch bedrängenden wirkung der anlage gelangen. beträgt der abstand zwischen dem wohnhaus und der windenergieanlage das zwei- bis dreifache der gesamthöhe der anlage, bedarf es regelmäßig einer besonders intensiven prüfung des einzelfalls. diesem groben raster liegt die überlegung zu grunde, dass die optisch bedrängende wirkung einer windenergieanlage mit zunehmendem abstand regelmäßig abnimmt. diese grundsätze gelten auch für moderne typen von windenergieanlagen, die durch einen höheren turm und einen größeren rotordurchmesser gekennzeichnet sind. 237vgl. zum ganzen mit ausführlicher begründung ovg nrw, urteil vom 20. dezember 2018 - 8 a 2971/17 -, juris rn. 195 ff., m. w. n. 238dass der genehmigte standort der windenergieanlage sich etwa 60 bis 70 m oberhalb der umliegenden wohnhäuser befindet, bewirkt - entgegen der annahme der klägerin - nicht, dass diese höhendifferenz bei der abstandsbewertung zu der gesamthöhe der anlage zu addieren wäre. denn eine auf höherem gelände stehende windenergieanlage wirkt weniger bedrängend als eine windenergieanlage, die sich auf der gleichen ebene wie ein wohngebäude befindet, aber eine höhe aufweist, die der summe aus der höhendifferenz und der höhe der erstgenannten anlage entspricht. zudem berücksichtigt der grobe, pauschalierende anhaltswert mittelbar auch, dass der rotor der anlage tendenziell umso größer ist, je höher die anlage ist. ein geländeunterschied vergrößert jedoch nicht den rotorumfang, sondern hat auf diesen keinen einfluss. der höhenunterschied ist daher (nur) im rahmen der einzelfallprüfung zu berücksichtigen, weil er die optischen wirkungen der windenergieanlage verstärken kann. 239vgl. ovg nrw, beschluss vom 18. oktober 2021 ‑ 8 a 2790/18 -, juris rn. 54 f., m. w. n. 240um von einer optisch bedrängenden wirkung zu sprechen, reicht es für sich gesehen nicht aus, dass die windenergieanlage von den wohnräumen aus überhaupt wahrnehmbar ist. das gebot der rücksichtnahme vermittelt dem nachbarn keinen anspruch auf eine von technischen bauwerken freie sicht. die optisch bedrängende wirkung einer windenergieanlage entfällt daher nicht erst dann, wenn die sicht auf die windenergieanlage durch abschirm- oder ausweichmaßnahmen völlig gehindert wird. ausreichend ist vielmehr, dass die anlage in ihrer wirkung durch eine vorhandene abschirmung optisch abgemildert wird oder dass eine solche abschirmung in zumutbarer weise hergestellt werden kann. dies gilt insbesondere für außenbereichsgrundstücke oder für unmittelbar an den außenbereich angrenzende wohngrundstücke. denn in diesen fällen sind dem betroffenen wegen des verminderten schutzanspruchs eher maßnahmen zuzumuten, durch die er den wirkungen der windenergieanlage ausweicht oder sich vor ihnen schützt. 241vgl. ovg nrw, beschluss vom 28. oktober 2021 ‑ 8 a 2790/18 -, juris rn. 56 f., m. w. n. 242ausgehend von diesen maßgaben hat die klägerin nicht (substantiiert) aufgezeigt, dass von der windenergieanlage entgegen der annahme des beklagten eine optisch bedrängende wirkung zu lasten der umliegenden wohngrundstücke ausgeht. der beklagte stützt sich dabei maßgeblich auf die sichtbeziehungsuntersuchung zur beurteilung der optisch bedrängenden wirkung der windenergieanlage der s. vom 11. september 2018 einschließlich des nachtrags vom 14. dezember 2018. dass die dortigen ausführungen methodische mängel aufweisen oder maßgebliche einzelfallumstände verkennen und der beklagte daher zu unvertretbaren ergebnissen gekommen sein könnte, hat die klägerin mit ihrem pauschalen vortrag nicht aufzeigen können. 243mangels konkreter angaben bleibt unklar, hinsichtlich welcher „mehrerer wohnnutzungen“ bzw. in welchen „betreffenden einzelfällen“ der gutachter aufgrund der vorgetragenen schematisch fehlerhaften bewertung der topografischen lage zu unvertretbaren ergebnissen gelangt sein soll. nicht erkennbar ist ferner, dass und warum der gutachter im rahmen der einzelfallbetrachtung des wohnhauses x3. straße 165 die topografie - wie die klägerin meint - „pauschal zugunsten einer weniger belastenden topografie gewertet“ hätte und dass aufgrund dessen das gebot der gegenseitigen rücksichtnahme verletzt wäre. im gegenteil berücksichtigt die bemängelte stelle des gutachtens insbesondere die lage, ausrichtung und bauliche beschaffenheit des wohngebäudes, namentlich der fenster sowie die konkret sichtverschattende wirkung des mit dachpfannen bzw. lichtundurchlässigem material abgedeckten wintergartens, und setzt diese mit der positionierung der windenergieanlage unter beachtung der hauptwindrichtung konkret in beziehung. hinsichtlich der von der klägerin angesprochenen sichtbeziehungen von außenwohnbereichen ‑ gemeint sein dürften terrassen- bzw. gartenflächen - ist darauf hinzuweisen, dass nutzungen im freien, die im regelfall ohnehin nur in den sommermonaten stattfinden, im hinblick auf ihre schutzwürdigkeit hinter derjenigen von wohngebäuden zurücktreten. 244vgl. nds. ovg, beschluss vom 3. november 2016 ‑ 12 me 131/16 -, juris rn. 21. 245angemerkt wird in diesem zusammenhang, dass der einzelrichter am 16. februar 2022 in drei parallelverfahren (8 k 3255/18, 8 k 3274/18 und 8 k 3366/18) - u. a. am benachbarten wohngrundstück x3. straße 171 - eine inaugenscheinnahme durchgeführt hat und auch ohne berücksichtigung der hier gegebenen topographischen (sonder-)situation eine optisch bedrängende wirkung nicht feststellen konnte. 246desgleichen unsubstantiiert ist der weitere vortrag der klägerin, wonach der teilweisen sichtverschattung „einiger immissionsorte“ durch laubbäume eine zu große bedeutung zugemessen worden sei. die klägerin hat schließlich auch nicht in nachvollziehbarer weise dargelegt, dass und warum die gutachterlichen ausführungen nicht auf die in den grundrissplänen abgebildete möblierung bezug nehmen durften, zumal die überwiegende anzahl der grundrisspläne dem gutachter von der klägerin selbst zur verfügung gestellt und durch die anwohner zum teil keine möglichkeit der inaugenscheinnahme der konkreten begebenheiten gegeben wurde. im hinblick auf die von der klägerin konkret gerügte gutachterliche einzelfallbetrachtung hinsichtlich der betriebsleiterwohnung c6. straße 67 ist ebenfalls kein fehler feststellbar, da der gutachter während des ortstermins am 5. september 2018 die tatsächliche anordnung der möblierung in augenschein nehmen konnte und zu dem ergebnis gekommen ist, dass diese annähernd den darstellungen auf dem vorgelegten grundriss entsprochen habe. 247bb) ein verstoß gegen das bauplanungsrechtliche rücksichtnahmegebot liegt auch in bezug auf den in etwa 1800 m entfernten freiballonaufstiegsplatz h1. nicht vor. 248die klägerin macht insoweit geltend, dass durch die höhe der windenergieanlage starts bei bestimmten windbedingungen lebensgefährlich seien. sie legt indes nicht im einzelnen dar, um welche „windbedingungen“ es sich dabei handelt sowie deren verteilungshäufigkeiten bezogen auf das kalenderjahr. auch führt die klägerin nicht ansatzweise aus, aus welchen konkreten gründen sie eine „lebensgefahr“ herleitet. zudem setzt sie sich nicht mit den ausführungen der bezirksregierung n2. als der zuständigen luftfahrtbehörde auseinander. diese stellt in ihrem schreiben an den beklagten vom 19. juni 2019 (eingereicht als anlage 7 zum klageerwiderungsschriftsatz vom 18. oktober 2019) zusammenfassend fest, dass das vorliegen einer konkreten gefahr für den luftverkehr nur unter ganz bestimmten, seltenen gegebenheiten vorliege, der betrieb des gasballonplatzes im übrigen aber nicht durch den bau und den betrieb der windenergieanlage eingeschränkt werde. dies reiche nicht aus, um die zustimmung (nach § 14 abs. 1 luftvg) insgesamt versagen zu können. gegen eine unzumutbare beeinträchtigung des freiballonaufstiegsplatzes h1. durch die beklagte windenergieanlage spricht darüber hinaus der umstand, dass der b. als inhaber der entsprechenden betriebsgenehmigung seine (zusammen mit dem o. ) gegen den genehmigungsbescheid vom 11. februar 2019 erhobene klage 8 k 763/20 in der mündlichen verhandlung am 23. märz 2022 in der hauptsache für erledigt erklärt hat, nachdem sich die kläger im vorgenannten verfahren mit der beigeladenen auf einen außergerichtlichen vergleich verständigt hatten. danach kann der b. bzw. der o. für bis zu drei veranstaltungen im kalenderjahr verlangen, dass der betrieb der windenergieanlage bei windrichtungen zwischen 290° und 335° eingestellt wird (trudelbetrieb). aus welchen gründen gleichwohl der von der klägerin geltend gemachte verstoß gegen das bauplanungsrechtliche rücksichtnahmegebot vorliegen soll, ist nicht ersichtlich und wird von ihr auch nicht substantiiert dargelegt. 2494. die klägerin wendet ferner ohne erfolg ein, die ersetzung des gemeindlichen einvernehmens nach § 36 baugb sei deshalb rechtswidrig, weil sich der beklagte offensichtlich zur ersetzung des einvernehmens verpflichtet gesehen und keinerlei ermessenserwägungen hierzu angestellt habe. 250die entscheidung der bauaufsichtsbehörde bzw. zuständigen behörde im rahmen der ersetzung des einvernehmens ist gesetzlich gebunden. ermessen ist ihr nicht eingeräumt. 251vgl. ovg nrw, beschluss vom 2. juli 2021 - 7 b 286/21 -, juris rn. 35; hess. vgh, beschluss vom 14. mai 2019 ‑ 9 b 2016/18 -, juris rn. 10; söfker, in: ernst/zinkahn/ bielenberg/krautzberger, baugesetzbuch, § 36 baugb rn. 41, m. w. n. (stand der kommentierung: mai 2021). 2525. die bescheide vom 28. januar 2021 bzw. vom 9. november 2021 sind nicht wegen des geltend gemachten verstoßes gegen den bebauungsplan nr. 000 rechtswidrig. 253ausgehend davon, dass durch diese bescheid kein vorhaben im sinne des § 29 abs. 1 baugb zugelassen wurde (vgl. hierzu die ausführungen unter gliederungspunkt c. i. 3.), ist deren rechtmäßigkeit auch nicht an den vorgaben des bebauungsplanes nr. 000 zu messen. 254die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 1, § 162 abs. 3 vwgo. die außergerichtlichen kosten der beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, entspricht der billigkeit, weil sie einen (ablehnungs-)antrag gestellt und sich damit selbst einem kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 abs. 3 vwgo). 255die entscheidung zur vorläufigen vollstreckbarkeit beruht auf § 167 vwgo i. v. m. § 709 zpo (hinsichtlich der beigeladenen) bzw. §§ 708 nr. 11, 711 zpo (hinsichtlich des beklagten). 256rechtsmittelbelehrung: 257gegen dieses urteil steht den beteiligten die berufung an das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. die berufung ist nur zuzulassen, wenn 2581. ernstliche zweifel an der richtigkeit des urteils bestehen, 2592. die rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche schwierigkeiten aufweist, 2603. die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat, 2614. das urteil von einer entscheidung des oberverwaltungsgerichts, des bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen senats der obersten gerichtshöfe des bundes oder des bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser abweichung beruht oder 2625. ein der beurteilung des berufungsgerichts unterliegender verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die entscheidung beruhen kann. 263die zulassung der berufung ist innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils schriftlich bei dem verwaltungsgericht gelsenkirchen, bahnhofsvorplatz 3, 45879 gelsenkirchen, zu beantragen. der antrag muss das angefochtene urteil bezeichnen. innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils sind die gründe darzulegen, aus denen die berufung zuzulassen ist. die begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem antrag vorgelegt worden ist, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen, aegidiikirchplatz 5, 48143 münster, schriftlich einzureichen. 264auf die unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung von schriftstücken als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung - vwgo - und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung ‑ ervv ‑) wird hingewiesen. 265im berufungsverfahren muss sich jeder beteiligte durch einen prozessbevollmächtigten vertreten lassen. dies gilt auch für den antrag auf zulassung der berufung. der kreis der als prozessbevollmächtigte zugelassenen personen und organisationen bestimmt sich nach § 67 abs. 4 vwgo.
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5 K 2025/20
2022-03-23T00:00:00
Urteil
Tenor Soweit die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird es eingestellt. Im Übrigen wird der Bescheid der Beklagten vom 16.03.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2020 und in der Fassung vom heutigen Tage aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar. 1Tatbestand: 2Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Heranziehung des Klägers zu einem Straßenbaubeitrag für Baumaßnahmen an einer Teilstrecke der C.-----straße in I. . 3Die Klägerin ist Eigentümerin des 1.076 m² großen Grundstücks Gemarkung I. Flur 8 Flurstück 375 mit der Lagebezeichnung C.-----straße 12. 4Die C.-----straße ist im Jahre 1975 in eine Fußgängerzone umgewandelt und mit einer Pflasterdecke ausgebaut worden. Im Jahre 1983 ist eine Beleuchtungsanlage errichtet worden. 5Nachdem die Beklagte ein Gestaltungskonzept hatte erarbeiten lassen, beschloss der Bau- und Umweltausschuss am 2. Juni 2015 das „von der Verwaltung vorgesehene Ausbauprogramm der C.-----straße “. In der Beschlussvorlage heißt es unter u.a., Zielsetzung sei die Grunderneuerung und Umgestaltung der Fußgängergeschäftsstraße. Sie solle wieder ein zeitgemäßes Erscheinungsbild erhalten. Die Oberflächengestaltung und die Ausstattung seien zu großen Teilen beschädigt. Im Innenstadtkonzept (ISEK) sei der Erneuerung/Umgestaltung daher eine sehr hohe Priorität eingeräumt worden. In der technischen Beschreibung wird nach längeren Ausführungen zu Gestaltungselementen und zur Materialauswahl der Gesamtaufbau einschließlich Tragschichten mit 56 cm angegeben und die Straßenbeleuchtung als erneuerungsbedürftig bezeichnet. Konkrete Feststellungen zur Verschlissenheit werden nicht getroffen. In einem vor Ausbaubeginn gefertigten Aktenvermerk heißt es dazu, „Beleuchtungsanlage z.Zt. nicht verschlissen – Keine Beitragsfähigkeit“. In einem weiteren Aktenvermerk vom 26.08.2019 ist festgehalten, Auftragsjahr für die alte Beleuchtungsanlage sei 1983 gewesen. Die Leuchten seien auf Grund des Alters verschlissen, teilweise seien die Leuchtkugeln defekt, ein Nachliefern der Leuchtkörper sei nicht mehr möglich. 6Die räumlich auf die Teilstrecke zwischen „B. N. “ und S. Brücke beschränkte Straßenbaumaßnahme, für die mit Zuwendungsbescheid vom 25.11.2013 nach der Förderrichtlinie Stadterneuerung 2008 Aktives Stadtzentrum „Aktive Innenstadt I. “ Landesmittel bewilligt worden sind, wurde im Zeitraum August 2015 bis Januar 2016 verwirklicht und am 17.02.2016 von der Beklagten nach VOB abgenommen. 7Mit Bescheid vom 16.03.2020 zog die Beklagte die Klägerin „für die Ausbauverbesserung / Grunderneuerung der Straße“ zu einem Straßenbaubeitrag in Höhe von 33.182,46 € heran. 8Nach erfolglos durchgeführtem Vorverfahren hat die Klägerin am 05.08.2020 Klage erhoben. 9Zur Begründung trägt sie vor, die Beitragspflicht sei schon dem Grunde nach nicht entstanden. Zum Zeitpunkt der Abnahme habe es an einer wirksamen Einzelfallsatzung gefehlt. Die nachträglich erlassene Satzung erfülle die beitragsrechtlichen Kriterien nicht. Die Rückwirkung auf den 01.01.2016 sei willkürlich. Die Festsetzung sei auch der Höhe nach rechtswidrig. 10Nachdem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung den Beitrag auf 32.919,03 € verringert und die Beteiligten das Verfahren insoweit für erledigt erklärt haben, beantragt die Klägerin nunmehr, 11den Bescheid der Beklagten vom 16.03.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2020 und in der Fassung vom heutigen Tage aufzuheben. 12Die Beklagte beantragt, 13die Klage abzuweisen. 14Zur Begründung trägt sie vor, der Beitragsbescheid sei dem Grunde und der Höhe nach rechtmäßig. Insbesondere sei hinsichtlich der Geschäftsstraße und der Beleuchtungsanlage das Tatbestandsmerkmal der Erneuerung erfüllt. Die übliche Nutzungsdauer sei im maßgeblichen Zeitpunkt jeweils überschritten, deren Erneuerungsbedürftigkeit sei durch die gefertigten Vermerke und die zu den Akten gereichten Lichtbilder hinreichend dokumentiert. 15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie auf die beigezogenen Pläne, Lichtbilder und Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. 16Entscheidungsgründe: 17Soweit die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird es in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO eingestellt. 18Im Übrigen ist die zulässige, insbesondere innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheides am 06.07.2020 fristgerecht erhobene Anfechtungsklage begründet. Der Straßenbaubeitragsbescheid der Beklagten vom 16.03.2020 in der für die Beurteilung nunmehr maßgeblichen Fassung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, weil er sich nicht auf § 8 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (KAG NRW) als hier allein in Betracht zu ziehender Ermächtigungsgrundlage stützen lässt. 19Nach § 8 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 KAG NRW sollen bei den dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straßen Beiträge erhoben werden zum Ersatz des Aufwandes für die Herstellung der Straßen oder deren Verbesserung, jedoch ohne die laufende Unterhaltung und Instandsetzung. Daran fehlt es. 20Eine Erneuerung im Sinne von § 8 Abs. 2 KAG NRW liegt vor, wenn eine Straße, die infolge bestimmungsgemäßer Nutzung nach Ablauf der üblichen Nutzungszeit trotz ordnungsgemäßer Unterhaltung und Instandsetzung verschlissen ist, ihrem ursprünglichen Zustand im Wesentlichen vergleichbar wieder hergestellt wird. Erforderlich ist also, dass die Anlage erneuerungsbedürftig und die übliche Nutzungszeit abgelaufen ist. Für die Dauer der üblichen Nutzungszeit gibt es keine allgemein gültige Zeitspanne, weil sie von der Qualität des früheren Ausbaus und der Funktion der Straße abhängt. Die übliche Lebensdauer gewöhnlicher Straßen liegt nach der Rechtsprechung des OVG NRW aber bei mindestens 25 bis 27 Jahren, bei Beleuchtungsanlagen regelmäßig bei mindestens 30 Jahre. 21Vgl. Beschluss vom 28.01.2011 - 15 A 1764/10 - (Straße), vom 09.06.2000 – 15 A 4756/96 – (Beleuchtung), jeweils juris. 22Da die C.-----straße den nicht näher belegten Angaben der Beklagten zufolge im Jahre 1975 in eine Fußgängerzone umgewandelt und die Beleuchtungsanlage im Jahre 1983 errichtet worden sein soll, mag zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass die übliche Lebensdauer der Teilanlagen im Zeitpunkt der Baumaßnahme (knapp) abgelaufen war. Denn wenn der letzte Ausbau weniger als 50 Jahre zurück liegt, kann nicht aus dem bloßen B. der Anlage deren Verschlissenheit abgeleitet werden. Es bedarf dann vielmehr einer ins Einzelne gehenden Dokumentation der Verschlissenheit der Anlage, an der es vorliegend fehlt. Die Voraussetzungen für die Erneuerungsbedürftigkeit sind Tatsachen, die mit herkömmlichen Mitteln zu belegen und ggf. zu beweisen sind. Die (materielle) Beweislast trägt die Gemeinde. Erforderlich ist gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO, dass das Gericht die Überzeugung von den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen gewinnt und keine vernünftigen Zweifel verbleiben. 23Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26.03.2009 - 15 A 939/06 -, NWVBl 2009, 366 und bei juris. 24Auf der Grundlage der der Kammer vorgelegten Verwaltungsvorgänge und der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung verbleiben hier derartige Zweifel sowohl hinsichtlich der Anlage selbst als auch der Beleuchtungsanlage. 25Die Besonderheit einer Pflaster- oder Plattendecke besteht darin, dass sie als solche in ihrer Gesamtheit bei ordnungsgemäßer Unterhaltung nicht verschleißt. Denn im Gegensatz zu einer bituminösen Decke, die sich verformt und nur durch Eingriff in ihre Substanz unterhalten und instandgesetzt werden kann, ist eine Pflaster- oder Plattendecke darauf angelegt, dass das einzelne beschädigte oder sonstwie abgenutzte Pflaster- oder Plattenstück im Wege der Unterhaltung ausgetauscht wird. Es findet also insoweit im Laufe der Zeit eine "schleichende Erneuerung" statt, die - weil ein abgenutzter Gesamtzustand nicht entsteht - als Kette von Unterhaltungsmaßnahmen insgesamt nicht beitragsfähig ist. Eine beitragsfähige Erneuerung kommt deshalb bei einer Straße mit Pflaster- oder Plattendecke nur in Betracht, wenn auch darunter liegende Schichten, etwa die Trag- oder Frostschutzschicht, von der Ausbaumaßnahme betroffen sind. 26Eine Baugrunduntersuchung, die den Zustand des Unterbaus zweifelsfrei hätte belegen können, ist nicht durchgeführt. Auch aus sonstigen Erkenntnissen lässt sich eine belastbare Aussage zur Verschlissenheit nicht treffen. Es wird zwar in der Sitzungsvorlage zur Ausschusssitzung vom 02.06.2015 ein Gesamtaufbau einschließlich Tragschichten von 56 cm erwähnt und ausweislich der Schlussrechnung vom 14.09.2016 ist eine Frostschutzschicht von 15 cm sowie eine Schottertragschicht von 25 cm eingebaut worden. Diese Unterlagen belegen jedoch nicht die Verschlissenheit des früheren Unterbaus. Im Gegenteil lassen die eingereichten Lichtbilder vom Zustand der Straße vor Durchführung der streitigen Ausbaumaßnahme auf einer Länge von 178 m weder Frostaufbrüche noch Absackungen oder Fahrspuren als typische Anzeichen einer Verschlissenheit erkennen. Die wenigen Stellen, an denen sich wegen einer geringfügigen Absackung des Pflasters anscheinend bei Regenwetter Pfützen bilden, belegen allenfalls einen Unterhaltungs- und Instandsetzungsbedarf, dem möglicherweise durch Neuverlegung des Pflasters auf einer wiederherzustellenden Bettung hätte Rechnung getragen werden können. Dass mehr als nur Pflaster und Bettung von diesen Verschleißerscheinungen betroffen waren, lässt sich anhand der Lichtbilder jedenfalls nicht feststellen. Es ist auch nichts dafür erkennbar, dass die Häufigkeit solcher Reparaturmaßnahmen ein derart unzumutbares Ausmaß erreicht hätte, dass die Instandsetzung nicht mehr wirtschaftlich sinnvoll gewesen wäre, was auf die Verschlissenheit der Fläche hätte schließen lassen. Die bloße Senkung der Kosten für laufende Unterhaltung und Instandsetzung durch Erneuerung rechtfertigt keine nachmalige Herstellung. 27Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26.03.2009 - 15 A 939/06 -, juris. 28Dasselbe gilt für die Beleuchtungsanlage, deren übliche Nutzungszeit nur knapp abgelaufen sein dürfte. Die Beklagte ist ausweislich der Akten noch kurz vor der Baumaßnahme selbst davon ausgegangen, dass die Maßnahme mangels Verschlissenheit nicht beitragsfähig ist. Dem Vermerk vom 26.08.2019, in dem eine gegenteilige Auffassung vertreten wird, kommt schon wegen des Zeitablaufs mehrere Jahre nach Abschluss der Maßnahme kaum Aussagekraft zu. Zudem ist dessen Beweiswert allenfalls gering, weil er sich in einer bloßen Behauptung erschöpft und die Lichtbilder, auf die dort Bezug genommen wird und die Gegenstand der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung waren, Funktionsstörungen oder größere Beschädigungen der Beleuchtungskörper nicht belegen. 29Schließlich erfüllt die abgerechnete Baumaßnahme auch nicht die Voraussetzungen für eine Verbesserung der Anlage. Eine Verbesserung liegt vor, wenn durch die Ausbaumaßnahme die Ausstattung der Anlage entsprechend ihrer bisherigen verkehrstechnischen Konzeption hinsichtlich der räumlichen Ausdehnung (Erweiterung), hinsichtlich der funktionalen Aufteilung der Gesamtfläche oder hinsichtlich der Art der Befestigung vorteilhaft verändert wird. Diese vorteilhafte Veränderung ist unter verkehrstechnischen Gesichtspunkten zu beurteilen. Maßgebend ist also, ob der Verkehr bei Zugrundelegung der bisherigen verkehrstechnischen Konzeption auf der neu gestalteten Anlage zügiger, geordneter, unbehinderter oder reibungsloser abgewickelt wird. 30Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26.03.2009 - 15 A 939/06 -, juris. 31Eine Verbesserung in diesem Sinne hat die Beklagte weder vorgetragen, geschweige denn dargelegt. Die Kammer vermag eine solche auch auf der Grundlage der ihr von der auch insoweit beweispflichtigen Beklagten vorgelegten Unterlagen nicht festzustellen. Die Straße ist augenscheinlich nicht nach verkehrstechnischen, sondern städtebaulichen Gesichtspunkten umgestaltet worden ist. 32Die Kostentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
soweit die beteiligten das verfahren in der hauptsache für erledigt erklärt haben, wird es eingestellt. im übrigen wird der bescheid der beklagten vom 16.03.2020 in der gestalt des widerspruchsbescheides vom 02.07.2020 und in der fassung vom heutigen tage aufgehoben. die beklagte trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten gegen sicherheitsleistung in höhe des beizutreibenden betrages vorläufig vollstreckbar. 1
2die beteiligten streiten um die rechtmäßigkeit der heranziehung des klägers zu einem straßenbaubeitrag für baumaßnahmen an einer teilstrecke der c.-----straße in i. . 3die klägerin ist eigentümerin des 1.076 m² großen grundstücks gemarkung i. flur 8 flurstück 375 mit der lagebezeichnung c.-----straße 12. 4die c.-----straße ist im jahre 1975 in eine fußgängerzone umgewandelt und mit einer pflasterdecke ausgebaut worden. im jahre 1983 ist eine beleuchtungsanlage errichtet worden. 5nachdem die beklagte ein gestaltungskonzept hatte erarbeiten lassen, beschloss der bau- und umweltausschuss am 2. juni 2015 das „von der verwaltung vorgesehene ausbauprogramm der c.-----straße “. in der beschlussvorlage heißt es unter u.a., zielsetzung sei die grunderneuerung und umgestaltung der fußgängergeschäftsstraße. sie solle wieder ein zeitgemäßes erscheinungsbild erhalten. die oberflächengestaltung und die ausstattung seien zu großen teilen beschädigt. im innenstadtkonzept (isek) sei der erneuerung/umgestaltung daher eine sehr hohe priorität eingeräumt worden. in der technischen beschreibung wird nach längeren ausführungen zu gestaltungselementen und zur materialauswahl der gesamtaufbau einschließlich tragschichten mit 56 cm angegeben und die straßenbeleuchtung als erneuerungsbedürftig bezeichnet. konkrete feststellungen zur verschlissenheit werden nicht getroffen. in einem vor ausbaubeginn gefertigten aktenvermerk heißt es dazu, „beleuchtungsanlage z.zt. nicht verschlissen – keine beitragsfähigkeit“. in einem weiteren aktenvermerk vom 26.08.2019 ist festgehalten, auftragsjahr für die alte beleuchtungsanlage sei 1983 gewesen. die leuchten seien auf grund des alters verschlissen, teilweise seien die leuchtkugeln defekt, ein nachliefern der leuchtkörper sei nicht mehr möglich. 6die räumlich auf die teilstrecke zwischen „b. n. “ und s. brücke beschränkte straßenbaumaßnahme, für die mit zuwendungsbescheid vom 25.11.2013 nach der förderrichtlinie stadterneuerung 2008 aktives stadtzentrum „aktive innenstadt i. “ landesmittel bewilligt worden sind, wurde im zeitraum august 2015 bis januar 2016 verwirklicht und am 17.02.2016 von der beklagten nach vob abgenommen. 7mit bescheid vom 16.03.2020 zog die beklagte die klägerin „für die ausbauverbesserung / grunderneuerung der straße“ zu einem straßenbaubeitrag in höhe von 33.182,46 € heran. 8nach erfolglos durchgeführtem vorverfahren hat die klägerin am 05.08.2020 klage erhoben. 9zur begründung trägt sie vor, die beitragspflicht sei schon dem grunde nach nicht entstanden. zum zeitpunkt der abnahme habe es an einer wirksamen einzelfallsatzung gefehlt. die nachträglich erlassene satzung erfülle die beitragsrechtlichen kriterien nicht. die rückwirkung auf den 01.01.2016 sei willkürlich. die festsetzung sei auch der höhe nach rechtswidrig. 10nachdem die beklagte in der mündlichen verhandlung den beitrag auf 32.919,03 € verringert und die beteiligten das verfahren insoweit für erledigt erklärt haben, beantragt die klägerin nunmehr, 11den bescheid der beklagten vom 16.03.2020 in der gestalt des widerspruchsbescheides vom 02.07.2020 und in der fassung vom heutigen tage aufzuheben. 12die beklagte beantragt, 13die klage abzuweisen. 14zur begründung trägt sie vor, der beitragsbescheid sei dem grunde und der höhe nach rechtmäßig. insbesondere sei hinsichtlich der geschäftsstraße und der beleuchtungsanlage das tatbestandsmerkmal der erneuerung erfüllt. die übliche nutzungsdauer sei im maßgeblichen zeitpunkt jeweils überschritten, deren erneuerungsbedürftigkeit sei durch die gefertigten vermerke und die zu den akten gereichten lichtbilder hinreichend dokumentiert. 15wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf die gerichtsakten sowie auf die beigezogenen pläne, lichtbilder und verwaltungsvorgänge der beklagten bezug genommen. 16
17soweit die beteiligten das verfahren übereinstimmend in der hauptsache für erledigt erklärt haben, wird es in entsprechender anwendung des § 92 abs. 3 vwgo eingestellt. 18im übrigen ist die zulässige, insbesondere innerhalb eines monats nach zustellung des widerspruchsbescheides am 06.07.2020 fristgerecht erhobene anfechtungsklage begründet. der straßenbaubeitragsbescheid der beklagten vom 16.03.2020 in der für die beurteilung nunmehr maßgeblichen fassung ist rechtswidrig und verletzt die klägerin in ihren rechten, vgl. § 113 abs. 1 satz 1 vwgo, weil er sich nicht auf § 8 des kommunalabgabengesetzes für das land nordrhein-westfalen (kag nrw) als hier allein in betracht zu ziehender ermächtigungsgrundlage stützen lässt. 19nach § 8 abs. 1 satz 2, abs. 2 satz 1 kag nrw sollen bei den dem öffentlichen verkehr gewidmeten straßen beiträge erhoben werden zum ersatz des aufwandes für die herstellung der straßen oder deren verbesserung, jedoch ohne die laufende unterhaltung und instandsetzung. daran fehlt es. 20eine erneuerung im sinne von § 8 abs. 2 kag nrw liegt vor, wenn eine straße, die infolge bestimmungsgemäßer nutzung nach ablauf der üblichen nutzungszeit trotz ordnungsgemäßer unterhaltung und instandsetzung verschlissen ist, ihrem ursprünglichen zustand im wesentlichen vergleichbar wieder hergestellt wird. erforderlich ist also, dass die anlage erneuerungsbedürftig und die übliche nutzungszeit abgelaufen ist. für die dauer der üblichen nutzungszeit gibt es keine allgemein gültige zeitspanne, weil sie von der qualität des früheren ausbaus und der funktion der straße abhängt. die übliche lebensdauer gewöhnlicher straßen liegt nach der rechtsprechung des ovg nrw aber bei mindestens 25 bis 27 jahren, bei beleuchtungsanlagen regelmäßig bei mindestens 30 jahre. 21vgl. beschluss vom 28.01.2011 - 15 a 1764/10 - (straße), vom 09.06.2000 – 15 a 4756/96 – (beleuchtung), jeweils juris. 22da die c.-----straße den nicht näher belegten angaben der beklagten zufolge im jahre 1975 in eine fußgängerzone umgewandelt und die beleuchtungsanlage im jahre 1983 errichtet worden sein soll, mag zugunsten der beklagten unterstellt werden, dass die übliche lebensdauer der teilanlagen im zeitpunkt der baumaßnahme (knapp) abgelaufen war. denn wenn der letzte ausbau weniger als 50 jahre zurück liegt, kann nicht aus dem bloßen b. der anlage deren verschlissenheit abgeleitet werden. es bedarf dann vielmehr einer ins einzelne gehenden dokumentation der verschlissenheit der anlage, an der es vorliegend fehlt. die voraussetzungen für die erneuerungsbedürftigkeit sind tatsachen, die mit herkömmlichen mitteln zu belegen und ggf. zu beweisen sind. die (materielle) beweislast trägt die gemeinde. erforderlich ist gemäß § 108 abs. 1 satz 1 vwgo, dass das gericht die überzeugung von den für die entscheidung erheblichen tatsachen gewinnt und keine vernünftigen zweifel verbleiben. 23vgl. ovg nrw, beschluss vom 26.03.2009 - 15 a 939/06 -, nwvbl 2009, 366 und bei juris. 24auf der grundlage der der kammer vorgelegten verwaltungsvorgänge und der erörterungen in der mündlichen verhandlung verbleiben hier derartige zweifel sowohl hinsichtlich der anlage selbst als auch der beleuchtungsanlage. 25die besonderheit einer pflaster- oder plattendecke besteht darin, dass sie als solche in ihrer gesamtheit bei ordnungsgemäßer unterhaltung nicht verschleißt. denn im gegensatz zu einer bituminösen decke, die sich verformt und nur durch eingriff in ihre substanz unterhalten und instandgesetzt werden kann, ist eine pflaster- oder plattendecke darauf angelegt, dass das einzelne beschädigte oder sonstwie abgenutzte pflaster- oder plattenstück im wege der unterhaltung ausgetauscht wird. es findet also insoweit im laufe der zeit eine "schleichende erneuerung" statt, die - weil ein abgenutzter gesamtzustand nicht entsteht - als kette von unterhaltungsmaßnahmen insgesamt nicht beitragsfähig ist. eine beitragsfähige erneuerung kommt deshalb bei einer straße mit pflaster- oder plattendecke nur in betracht, wenn auch darunter liegende schichten, etwa die trag- oder frostschutzschicht, von der ausbaumaßnahme betroffen sind. 26eine baugrunduntersuchung, die den zustand des unterbaus zweifelsfrei hätte belegen können, ist nicht durchgeführt. auch aus sonstigen erkenntnissen lässt sich eine belastbare aussage zur verschlissenheit nicht treffen. es wird zwar in der sitzungsvorlage zur ausschusssitzung vom 02.06.2015 ein gesamtaufbau einschließlich tragschichten von 56 cm erwähnt und ausweislich der schlussrechnung vom 14.09.2016 ist eine frostschutzschicht von 15 cm sowie eine schottertragschicht von 25 cm eingebaut worden. diese unterlagen belegen jedoch nicht die verschlissenheit des früheren unterbaus. im gegenteil lassen die eingereichten lichtbilder vom zustand der straße vor durchführung der streitigen ausbaumaßnahme auf einer länge von 178 m weder frostaufbrüche noch absackungen oder fahrspuren als typische anzeichen einer verschlissenheit erkennen. die wenigen stellen, an denen sich wegen einer geringfügigen absackung des pflasters anscheinend bei regenwetter pfützen bilden, belegen allenfalls einen unterhaltungs- und instandsetzungsbedarf, dem möglicherweise durch neuverlegung des pflasters auf einer wiederherzustellenden bettung hätte rechnung getragen werden können. dass mehr als nur pflaster und bettung von diesen verschleißerscheinungen betroffen waren, lässt sich anhand der lichtbilder jedenfalls nicht feststellen. es ist auch nichts dafür erkennbar, dass die häufigkeit solcher reparaturmaßnahmen ein derart unzumutbares ausmaß erreicht hätte, dass die instandsetzung nicht mehr wirtschaftlich sinnvoll gewesen wäre, was auf die verschlissenheit der fläche hätte schließen lassen. die bloße senkung der kosten für laufende unterhaltung und instandsetzung durch erneuerung rechtfertigt keine nachmalige herstellung. 27vgl. ovg nrw, beschluss vom 26.03.2009 - 15 a 939/06 -, juris. 28dasselbe gilt für die beleuchtungsanlage, deren übliche nutzungszeit nur knapp abgelaufen sein dürfte. die beklagte ist ausweislich der akten noch kurz vor der baumaßnahme selbst davon ausgegangen, dass die maßnahme mangels verschlissenheit nicht beitragsfähig ist. dem vermerk vom 26.08.2019, in dem eine gegenteilige auffassung vertreten wird, kommt schon wegen des zeitablaufs mehrere jahre nach abschluss der maßnahme kaum aussagekraft zu. zudem ist dessen beweiswert allenfalls gering, weil er sich in einer bloßen behauptung erschöpft und die lichtbilder, auf die dort bezug genommen wird und die gegenstand der erörterungen in der mündlichen verhandlung waren, funktionsstörungen oder größere beschädigungen der beleuchtungskörper nicht belegen. 29schließlich erfüllt die abgerechnete baumaßnahme auch nicht die voraussetzungen für eine verbesserung der anlage. eine verbesserung liegt vor, wenn durch die ausbaumaßnahme die ausstattung der anlage entsprechend ihrer bisherigen verkehrstechnischen konzeption hinsichtlich der räumlichen ausdehnung (erweiterung), hinsichtlich der funktionalen aufteilung der gesamtfläche oder hinsichtlich der art der befestigung vorteilhaft verändert wird. diese vorteilhafte veränderung ist unter verkehrstechnischen gesichtspunkten zu beurteilen. maßgebend ist also, ob der verkehr bei zugrundelegung der bisherigen verkehrstechnischen konzeption auf der neu gestalteten anlage zügiger, geordneter, unbehinderter oder reibungsloser abgewickelt wird. 30vgl. ovg nrw, beschluss vom 26.03.2009 - 15 a 939/06 -, juris. 31eine verbesserung in diesem sinne hat die beklagte weder vorgetragen, geschweige denn dargelegt. die kammer vermag eine solche auch auf der grundlage der ihr von der auch insoweit beweispflichtigen beklagten vorgelegten unterlagen nicht festzustellen. die straße ist augenscheinlich nicht nach verkehrstechnischen, sondern städtebaulichen gesichtspunkten umgestaltet worden ist. 32die kostentscheidung folgt aus den §§ 154 abs. 1, 161 abs. 2 vwgo, der ausspruch zur vorläufigen vollstreckbarkeit beruht auf § 167 abs. 1 satz 1 vwgo i.v.m. § 709 zpo.