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200 | 80 I 60 | Sachverhalt ab Seite 60
A.- Im Handelsregister des Kantons Zürich ist seit 1937 die "A.-G. für Immobilien- und Hypothekarbesitz" (AGIH) eingetragen, mit einem Grundkapital von Fr. 600'000.--, eingeteilt in 1200 voll einbezahlte Inhaberaktien zu Fr. 500.--. Als Zweck der Gesellschaft ist angegeben der An- und Verkauf, sowie die Überbauung und Verwaltung von Liegenschaften für eigene oder fremde Rechnung, der An- und Verkauf und die Verwaltung von Schuldbriefen und die Beteiligung an Liegenschaften. Einziger Verwaltungsrat ist Amsler, in dessen Besitz sich sämtliche Aktien befinden.
Über die Gesellschaft wurde am 5. August 1949 der Konkurs eröffnet. In der Folge geriet auch Amsler in Konkurs, in dessen Masse die sämtlichen Aktien der AGIH einbezogen wurden. Am 12. Mai 1953 wurde der Konkurs über die Gesellschaft infolge Rückzugs sämtlicher Konkurseingaben widerrufen.
B.- Mit Schreiben vom 28. Mai 1953 forderte das Handelsregisteramt Zürich Amsler als einzigen Verwaltungsrat der AGIH unter Hinweis auf Art. 60 HRV auf, innerhalb von 10 Tagen die Löschung der Gesellschaft wegen tatsächlicher Auflösung und Durchführung der Liquidation zur Eintragung anzumelden oder schriftlich nachzuweisen, dass die Gesellschaft nicht aufgelöst oder ihr Vermögen nicht liquidiert sei.
Dieser Aufforderung leistete Amsler keine Folge. Erst am 11. Juni 1953, nach Ablauf der angesetzten Frist, teilte er dem Handelsregisteramt mit, er sei nicht gewillt und nicht verpflichtet, die Löschung der Gesellschaft zu veranlassen. Er bestritt, dass die Gesellschaft tatsächlich aufgelöst sei. Seit dem Konkurswiderruf habe sie zwar noch keine Geschäfte abgeschlossen, aber es bestehe die Absicht, auf ihren Namen eine Liegenschaft zu kaufen. Die Gesellschaft sei auch noch nicht liquidiert, da noch eine im Konkurs nicht eingegebene, aber nachträglich geltend gemachte Wechselforderung gegen sie bestehe.
C.- Die Justizdirektion Zürich als kantonale Aufsichtsbehörde, der das Handelsregisteramt nach Art. 60 Abs. 2 HRV die Angelegenheit überwies, trat mit Verfügung vom 24. Juli 1953 auf die Eingabe Amslers vom 11. Juni 1953 wegen Verspätung nicht ein und ermächtigte das Handelsregisteramt, die AGIH im Handelsregister als tatsächlich aufgelöst zu löschen.
D.- Mit der vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Beschwerde beantragt Amsler im eigenen Namen und in demjenigen der Gesellschaft die Aufhebung der Verfügung der Justizdirektion. Er beanstandet das vom Handelsregisteramt eingeschlagene Verfahren, da nicht nach Art. 60, sondern nach Art. 89 HRV vorzugehen gewesen wäre. In der Sache selbst hält er daran fest, dass die Voraussetzungen für die Löschung der A.-G. nicht gegeben seien.
E. - Die Justizdirektion Zürich und das Eidgen. Justiz- und Polizeidepartement beantragen Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Es kann offen bleiben, ob an Stelle des Verfahrens gemäss Art. 60 HRV dasjenige gemäss Art. 89 hätte eingeschlagen werden sollen. Denn im einen wie im andern Falle erweist sich die Beschwerde materiell als begründet.
2. a) Nach ständiger Rechtsprechung muss eine A.-G. trotz dem Fehlen eines formellen Auflösungsbeschlusses der Generalversammlung im Sinne von Art. 736 Ziffer 2 OR im Handelsregister gelöscht werden, wenn sie tatsächlich aufgelöst, vollständig liquidiert und von den Beteiligten aufgegeben ist (BGE 67 I 36,BGE 65 I 145und dort erwähnte Entscheide).
Die Vorinstanz erachtet diese Voraussetzungen als erfüllt, weil gemäss den Mitteilungen der eidgen. Steuerverwaltung und des Konkursamtes Riesbach-Zürich die Gesellschaft seit vielen Jahren keine Tätigkeit mehr ausgeübt habe, praktisch über keine Aktiven mehr verfüge und mit Rücksicht darauf, dass der einzige Aktionär im Konkurs sei, jedenfalls für längere Zeit nicht erwarten könne, von Aktionären neue Mittel zu bekommen.
b) Wie aus der angeführten Rechtsprechung hervorgeht, haben jedoch die Untätigkeit während längerer Dauer und das Fehlen von Mitteln lediglich die Bedeutung von Indizien für den entscheidenden Umstand, dass die Gesellschaft von den Beteiligten endgültig aufgegeben worden ist. Nur beim Feststehen dieser Tatsache ist es am Platze, im Interesse der Wahrheit des Handelsregisters die Löschung einer Gesellschaft zu veranlassen. Es muss daher den am Weiterbestehen des Gesellschaftseintrags Interessierten Gelegenheit geboten werden, die zunächst für eine Aufgabe der Gesellschaft sprechenden Anhaltspunkte zu widerlegen, die Untätigkeit mit stichhaltigen Gründen zu erklären und den ernstlichen Willen der Gesellschaft zum Weiterbestehen darzutun. Gelingt dieser Nachweis, so vermag selbst ein Ruhen der Tätigkeit von längerer Dauer das Bestehen der Gesellschaft nicht zu beeinträchtigen. Massgebend ist, dass dieses dann als bloss vorübergehender Zustand anzusehen ist (BGE 55 I 351, bestätigt durch den nicht veröffentlichten Entscheid vom 2. März 1943 i.S. Eidgen. Justiz- und Polizeidepartement gegen Eglantine S. A.).
c) Im vorliegenden Fall erklärt sich das Fehlen einer Geschäftstätigkeit seit mehreren Jahren ohne weiteres daraus, dass sich die Gesellschaft vom 5. August 1949 bis zum 12. Mai 1953 im Konkurs befand. Während der Hängigkeit des Konkursverfahren konnte aber die Gesellschaft selbstverständlich eine andere als auf blosse Liquidation gerichtete Tätigkeit nicht entfalten. Sie war insbesondere ausser Stande, irgendwelche neuen Geschäfte anzubahnen. Es geht deshalb nicht an, aus der ihr durch die Umstände aufgezwungenen Untätigkeit den Schluss zu ziehen, die Gesellschaft sei von den Beteiligten endgültig aufgegeben. Die Abfindung sämtlicher Gläubiger zwecks Erreichung des Konkurswiderrufs, die doch die Aufbringung nicht unerheblicher Gelder erforderte, weist gegenteils auf die Absicht hin, die Gesellschaft zu neuem Leben zu erwecken. Die Zeitspanne von nur 14 Tagen zwischen dem Konkurswiderruf und der Aufforderung des Handelsregisteramtes, das tatsächliche Weiterbestehen der Gesellschaft nachzuweisen, und zwar innert der Frist von nur 10 Tagen, ist zu kurz, als dass aus ihr irgendwelche Schlüsse gezogen werden könnten. Da die Gesellschaft nach der eigenen Darstellung des Handelsregisteramts praktisch über keine Aktiven mehr verfügt, muss sie vorerst neue Mittel beschaffen, um ihre Tätigkeit wieder aufnehmen zu können. Nach den Ausführungen der Beschwerde besteht denn auch die Absicht, mit Hilfe dritter Geldgeber der Gesellschaft unter Herabsetzung des Aktienkapitals auf Fr. 50'000.-- neue Gelder zur Verfügung zu stellen. Zur erfolgreichen Durchführung dieses Vorhabens bedarf die Gesellschaft aber selbstverständlich einer gewissen Zeit. Es muss ihr daher eine angemessene Frist eingeräumt und so Gelegenheit geboten werden, die Ernsthaftigkeit ihrer Bestrebungen und deren Erfolg unter Beweis zu stellen. Angemessen ist hier eine Frist, die mindestens 6 Monate von der Zustellung dieses Urteils an beträgt. Erst wenn nach Ablauf dieser Frist die Gesellschaft nicht in der Lage ist, die tatsächliche Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit oder wenigstens ernsthafte, im Gang befindliche Bemühungen um Beschaffung neuer Betriebsmittel nachzuweisen, darf angenommen werden, die Gesellschaft sei von den Beteiligten aufgegeben und daher zu löschen.
3. Wie aus dem Schreiben der eidgen. Steuerverwaltung vom 20. April 1953 an Amsler hervorgeht, besteht bei der genannten Verwaltung und beim Handelsregisteramt offenbar die Befürchtung, es sei beabsichtigt, den Aktienmantel zu verkaufen, und um einem solchen unzulässigen Vorgehen vorzubeugen, hat das Amt den unverzüglichen Nachweis einer tatsächlichen Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit gefordert. Allein die blosse Gefahr eines Mantelverkaufes vermag ein solches Vorgehen der Handelsregisterbehörden noch nicht zu rechtfertigen, da auf diese Weise auch eine ernstlich beabsichtigte und darum zulässige Weiterführung der Gesellschaft zum vorneherein verunmöglicht wäre und die Beteiligten gezwungen würden, zu einer Neugründung zu schreiten und die mit einer solchen verbundenen Kosten und Umtriebe auf sich zu nehmen. Sie haben aber ein schutzwürdiges Interesse daran, dass ihnen die vom Zivilrecht eingeräumte Möglichkeit, die bestehende Gesellschaft unter Aufbringung neuer Mittel weiterzuführen, gewahrt bleibt. Den Behörden stehen andere, ausreichende Rechtsbehelfe zu Gebote, um gegen einen blossen Mantelverkauf einzuschreiten. Da ein solcher als rechtsmissbräuchliche Missachtung und Vereitelung des Zwecks der Löschungspflicht anzusehen ist, der die Nichtigkeit des Geschäfts zur Folge hat (BGE 64 II 363), könnten die Registerbehörden bei Feststellung eines solchen Sachverhalts in gegebenem Zeitpunkt die Konsequenzen ziehen. Die Steuerbehörde sodann hat in Art. 21 Abs. 2 StG eine Handhabe zur nachträglichen Erhebung der hinterzogenen Steuern; ferner kann sie gemäss Art. 53 lit. c StG gegen den Mantelverkäufer strafrechtlich vorgehen. Auf diese Folgen hat denn auch die Steuerverwaltung den Beschwerdeführer Amsler schon mit ihrem Schreiben vom 20. April 1953 ausdrücklich hingewiesen.
Für das tatsächliche Bestehen der Absicht eines unzulässigen Mantelverkaufs liegen aber zur Zeit keine ausreichenden Anhaltspunkte vor. Der Umstand, dass der Anwalt Amslers dessen Konkursverwaltung für die Überlassung der 1200 Aktien der AGIH den Betrag von Fr. 1200.-- angeboten hat, zwingt nicht zum Schluss auf das Vorliegen einer solchen Absicht. Die Aufbringung neuer Mittel für die Gesellschaft setzt voraus, dass der Alleinaktionär Amsler und damit die Gesellschaft über die Aktien verfügen kann. Da diese aber infolge des Beschlagsrechts der Konkursmasse Amsler dessen Verfügungsmacht entzogen sind, lag für ihn der Versuch nahe, sich diese auf dem genannten Wege zu verschaffen. Da ihm die erforderlichen Mittel für dieses Angebot an die Masse nach seiner Darstellung von der Geiag, also einer bereits bestehenden Gesellschaft, zur Verfügung gestellt werden sollten, ist auch kein Raum für die Vermutung, der Geldgeber bezwecke, sich auf diese Weise den Aktienmantel zur Umgehung der Gründungsvorschriften für eine A.-G. zu verschaffen.
4. War somit die wenige Tage nach dem Konkurswiderruf ergangene Aufforderung des Handelsregisteramtes, den Nachweis für eine tatsächliche Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit zu erbringen, verfrüht, so ist die gegen die verfügte Löschung des Handelsregistereintrags gerichtete Beschwerde begründet und daher im Sinne der vorstehenden Erwägungen gutzuheissen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen geschützt und die Verfügung der Direktion der Justiz des Kantons Zürich vom 24. Juli 1953 wird aufgehoben. | de | Registro di commercio, cancellazione d'una società anonima sciolta in fatto. Quando è soddisfatta quest'ultima condizione? (consid. 2). Quid quando si sospetta che gli azionisti hanno l'intenzione di vendere la "cornice" giuridica della società? (consid. 3). Art. 938 CO; 60 e 89 ORC. | it | constitutional law and administrative law and public international law | 1,954 | I | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-I-60%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
201 | 80 I 66 | Sachverhalt ab Seite 66
A.- Das BG betreffend Beaufsichtigung von Privatunternehmungen im Gebiete des Versicherungswesens, vom 25.6.85 (VAG), enthält u.a. folgende Bestimmungen über die Vorlage der sog. Materialien:
Art. 2: "Um in der Schweiz Geschäfte betreiben zu können, haben die privaten Versicherungsunternehmungen folgende Erfordernisse zu erfüllen:
1. Es sind dem Bundesrate diejenigen öffentlich ausgegebenen Dokumente einzureichen, aus welchen die Grundbestimmungen und die allgemeinen Versicherungsbedingungen der Unternehmung entnommen werden können, und überdies, sofern diese schon vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes Versicherungsgeschäfte betrieben hat, diejenigen Vorlagen zu machen, aus welchen der bisherige Stand der Unternehmung in den durch Art. 5 bis 8 bezeichneten Richtungen zu erkennen ist (Statuten, Prospekte, Tarife, Rechenschaftsberichte, Jahresrechnungen usw.).
...
Art. 4: "Treten später Veränderungen in den unter Art. 2, Ziff. 1 bis 3, bezeichneten Verhältnissen ein, so ist von denselben dem Bundesrate sofort Kenntnis zu geben."
In Art. 20 des BRB vom 17.11.14 betreffend die Zuständigkeit der Departemente und der ihnen unterstellten Amtsstellen zur selbständigen Erledigung von Geschäften ermächtigte der Bundesrat das eidg. Versicherungsamt (EVA) u.a. zum Entscheid über den Umfang der von privaten Versicherungsunternehmungen zur Erlangung der Konzession zu erbringenden Ausweise sowie über die Zulassung der allgemeinen Versicherungsbedingungen, Antrags- und Policenformulare und anderer für deren Geschäftsbetrieb bestimmten Materialien. Gestützt hierauf erliess das EVA an die in der Schweiz konzessionierten Versicherungsgesellschaften gerichtete Weisungen über "Vorlage der Materialien". Die letzte derselben datiert vom 27.7.44; sie umschreibt in Z. 1 die vorlagepflichtigen Materialien und enthält u.a. folgende Bestimmungen:
"3. Die vorlagepflichtigen Materialien sind vor ihrer Einführung in den Geschäftsbetrieb dem Versicherungsamt im Entwurf rechtzeitig in einem Exemplar zu unterbreiten. .....
4. Nach erteilter Genehmigung sind dem Versicherungsamt 3 Definitivexemplare der neuen Materialien einzureichen. ....."
Seit 1951 entstanden zwischen dem EVA und der Schweiz. Lebensversicherungsgesellschaft PAX in Basel (Pax) Differenzen über Umfang und Tragweite der Vorlagepflicht. So sandte die Pax dem EVA ihre mit Wirkung auf den 1.1.54 geänderten Statuten ausdrücklich nur zur Kenntnisnahme ein und bestritt, dass sie einer Genehmigung bedürften. Am 18.9.53 erliess das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) folgenden Entscheid:
"Die von Ihrer Delegiertenversammlung am 30.5.53 geänderten Genossenschafts-Statuten werden genehmigt. .....
Im Schreiben vom 18.8.53 bestreiten Sie ohne nähere Begründung die Vorlagepflicht der Statuten. Wir bitten Sie, davon Kenntnis zu nehmen, dass gestützt auf Art. 2, 3, 4 und 9 des Aufsichtsgesetzes abgeänderte Statuten dem EJPD und die andern in Art. 2 des Aufsichtsgesetzes und in den Weisungen des EVA vom 27.7.44 erwähnten Drucksachen (wie Prospekte, Antragsformulare usw.), die materiell geändert werden, dem Versicherungsamt rechtzeitig vor deren Verwendung im Entwurf zur Genehmigung vorzulegen sind."
B.- Mit der verwaltungsgerichtlichen Beschwerde beantragt die Pax:
"1. Es sei der Entscheid des EJPD vom 18.9.53 insoweit aufzuheben, als er verfügt, dass neue bzw. abgeänderte Materialien dem Versicherungsamt im Entwurf zur Genehmigung vorzulegen sind.
2. Es sei festzustellen, a) dass die für den Geschäftsbetrieb einer konzessionierten schweizerischen Lebensversicherungsgesellschaft bestimmten Materialien dem Bundesrate bzw. dem EVA nicht zur Genehmigung unterbreitet werden müssen, sondern ..... lediglich sofort, d.h. bevor sie im Geschäftsbetrieb Verwendung finden, zur Kenntnis zu bringen sind; b) dass die Weisung des EVA vom 27.7.44, auf die sich das EJPD in seinem Entscheide vom 18.9.53 stützt, der gesetzlichen Grundlage entbehrt und daher ungültig ist, soweit sie Art. 4 des Aufsichtsgesetzes in seiner sub a) umschriebenen Bedeutung widerspricht."
C.- Das EJPD beantragt Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen
Erwägungen
in Erwägung:
3. Der Streit zwischen der Pax und dem EVA ist nicht frei von Prestige-Erwägungen und beruht z.T. auf einem Missverständnis über Sinn und Tragweite der Genehmigung der Materialien durch die Aufsichtsbehörden (EJPD bezüglich der Statuten und allgemeinen Geschäftspläne, EVA bezüglich aller andern vorlagepflichtigen Materialien).
Einerseits anerkennt die Beschwerdeführerin ihre "Ordnungspflicht" zur Vorlage der Materialien vor deren Verwendung im Geschäftsbetrieb; sie bestreitet nur das Recht der Aufsichtsbehörden zu deren "Genehmigung" mit konstitutiver Wirkung und macht geltend, jene hätten nur zu prüfen, ob die Materialien vom gewerbepolizeilichen Standpunkt aus zu beanstanden seien. Anderseits erklärt das EJPD mit Recht, die von ihm bzw. vom EVA auszusprechende Genehmigung habe keine konstitutive Wirkung, sondern sei lediglich eine gewerbepolizeiliche Erlaubnis, besage bloss, dass der Verwendung der Materialien vom Standpunkt der Versicherungsaufsicht aus nichts entgegenstehe. Damit entfällt die vermeintliche grundsätzliche Differenz über die Rechtsnatur und Tragweite des von jeher als Genehmigung bezeichneten Entscheids über die Zulassung der vorgelegten Materialien: Er ist eine blosse Polizeierlaubnis, die den Gesellschaften kein neues Recht erteilt, sondern lediglich feststellt, dass gegen die beabsichtigte Tätigkeit - die Verwendung der Materialien in ihrem Geschäftsbetrieb - keine polizeilichen Hindernisse vorliegen; wenn das zutrifft - d.h. wenn durch jene Verwendung die von den Aufsichtsbehörden zu wahrenden Interessen der Öffentlichkeit und der Versicherten nicht berührt werden -, muss die Genehmigung erteilt werden (vgl. FLEINER, Institutionen, 8. Aufl., § 25, insbesondere S. 408 und 410). Der ganze Streit zwischen den Parteien beschränkt sich so auf die Frage, ob die Beschwerdeführerin die Materialien, die sie anerkanntermassen dem EVA bzw. dem EJPD vorzulegen hat, schon vor der Genehmigung durch diese Behörden verwenden darf oder nicht.
Die Beschwerdeführerin wendet sich namentlich gegen die Vorschrift, wonach sie die Materialien "im Entwurf" vorzulegen habe. Hiezu erklärt das EJPD, diesem in der Weisung vom 27.7.44 und in der täglichen Praxis verwendeten Ausdruck komme nur untergeordnete Bedeutung zu; er stelle lediglich eine Empfehlung an die Gesellschaften dar, um ihnen unnütze Kosten und Umtriebe zu ersparen, falls die Materialien nicht in der vorgelegten Form genehmigt würden. Bei dieser Erklärung ist das EJPD zu behaften; sie enthält eine Einschränkung gegenüber dem Wortlaut der Weisung, die von dem EVA, einer dem Departement unterstehenden Amtsstelle, auf Grund einer Delegation erlassen wurde. Da die Beschwerdeführerin nun gar nicht verpflichtet wird, die Materialien schon im Entwurf vorzulegen, ist die Beschwerde in diesem Punkte gegenstandslos.
4. Die Vorlagepflicht für die Materialien ergibt sich aus den Art. 2 und 4 VAG.
Art. 2 ordnet die erstmalige Vorlage im Rahmen des Bewilligungsverfahrens für Versicherungsunternehmungen, die in der Schweiz Geschäfte betreiben wollen. Sie haben die dort aufgeführten Dokumente "dem Bundesrate einzureichen"; er entscheidet gemäss Art. 3 "auf Grund der vorgelegten Ausweise und allfällig anderer von ihm ermittelten tatsächlichen Verhältnisse" über die Bewilligung. Hieraus ergibt sich ohne weiteres, dass die in diesem Verfahren vorgelegten Materialien nicht vor der Genehmigung verwendet werden dürfen und können; die Genehmigung der Materialien fällt zusammen mit der Bewilligung des Geschäftsbetriebes überhaupt. Das in Art. 2 allein vorgeschriebene "Einreichen" erfolgt zu diesem Zwecke; aus ihm ergibt sich die Genehmigungspflicht, die hier auch von der Beschwerdeführerin anerkannt wird. Die Prüfung - der Bewilligungsfrage überhaupt wie auch der einzelnen Materialien - geschieht unter dem Gesichtspunkt der Versicherungsaufsicht, d.h. der Wahrung der mit dem Versicherungswesen zusammenhängenden öffentlichen Interessen sowie derjenigen der Versicherten selbst, die als Laien bei diesen komplizierten Verträgen der schwächere Partner sind, die in Frage kommenden technischen Unterlagen und Faktoren wie Prämientarife, allgemeine Versicherungsbedingungen usw. nicht zuverlässig beurteilen können und daher vor möglichen Täuschungen bewahrt werden sollen (BGE 76 I 240ff.).
Art. 4 verpflichtet die zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmungen, später eintretende Veränderungen in den in Art. 2 bezeichneten Verhältnissen dem Bundesrat sofort zur Kenntnis zu bringen. Die Bestimmung leuchtet ohne weiteres ein: Wenn sich die Verhältnisse, auf Grund deren die Bewilligung erteilt wurde, verändern, z.B. wenn die Gesellschaft die seinerzeit genehmigten Materialien abändern will, so wird die Berechtigung der Bewilligung in Frage gestellt und muss erneut unter dem gleichen Gesichtspunkt der Versicherungsaufsicht geprüft werden; es ist keine Veränderung zuzulassen, welche die Interessen der Öffentlichkeit oder der Versicherten verletzen würde. Das gilt sowohl für Abänderungen an den früher genehmigten Materialien als auch für die Einführung neuer Dokumente, die unter die Aufzählung in Art. 2 fallen, in den Geschäftsbetrieb. Ihre "sofortige Kenntnisgabe" nach Art. 4 wird zum gleichen Zwecke verlangt wie das "Einreichen" nach Art. 2, nämlich um sie vom Standpunkt der Versicherungsaufsicht aus zu prüfen. Hieraus ergibt sich gleich wie dort, dass sie der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde bedürfen und nicht vor deren Erteilung verwendet werden dürfen. Es liefe auf eine Umgehung des ursprünglichen Bewilligungsverfahrens hinaus und würde die darin enthaltene Garantie entwerten, wenn die genehmigten Materialien später abgeändert und so verwendet werden könnten, ohne in der neuen Form geprüft und genehmigt worden zu sein. Der Zweck der Versicherungsaufsicht wird nur erreicht, wenn die Verwendung von Materialien, welche die Interessen der Versicherten verletzen, von vornherein verhindert wird; ein nachträgliches Einschreiten genügt nicht, weil die Gültigkeit der auf Grund solcher Materialien bereits abgeschlossenen Versicherungsverträge dadurch nicht berührt wird. Die vorgängige Prüfung liegt übrigens auch im Interesse der Versicherungsgesellschaften selbst; ihnen wäre schlecht gedient, wenn solche Dokumente, die in grossen Auflagen hergestellt und dem Geschäftsbetrieb zugrunde gelegt werden, kurz nach der Einführung wieder zurückgezogen werden müssten, weil sie von der Aufsichtsbehörde gewerbepolizeilich beanstandet würden.
Art. 4 VAG wurde denn auch von Anfang an dahin ausgelegt, dass er eine Genehmigungspflicht aufstellt und dass die abgeänderten Materialien erst nach ihrer Genehmigung verwendet werden dürfen. Dahin ging nicht nur die Praxis der Aufsichtsbehörden während bald 70 Jahren, sondern auch die Auffassung der gesetzgebenden und richterlichen Behörden. So enthält die der Rechtsvorgängerin der Pax am 26.11.86 erteilte Bewilligung zum Geschäftsbetrieb u.a. folgende Bedingung: "Die in Art. 4 des Gesetzes vorgesehenen Veränderungen werden für die Schweiz erst wirksam nach ihrer Genehmigung durch den Bundesrat." Bei Erlass des Versicherungsvertragsgesetzes vom 2.4.08 ging der Gesetzgeber davon aus, dass das Aufsichtsgesetz die Prüfung und Genehmigung der allgemeinen Versicherungsbedingungen durch den Bundesrat vorsieht (s. Votum des Berichterstatters Scherrer im Ständerat, StenBull 1905 StR 312). Zu Unrecht wendet die Beschwerdeführerin ein, wenn die Genehmigungspflicht allgemein bestünde, so hätte ihre besondere Statuierung bezüglich der Abfindungswerte in Art. 91 Abs. 3 VVG keinen Sinn gehabt. In der Botschaft vom 2.2.04 erklärt der Bundesrat hiezu ausdrücklich, die allgemeinen Versicherungsbedingungen seien schon gemäss Aufsichtsgesetz dem Bundesrat zur Prüfung und Genehmigung vorzulegen; nun werde ihm noch die weitere Aufgabe zugewiesen, von Fall zu Fall über die Angemessenheit der vom Versicherer vorgesehenen Abfindungswerte zu entscheiden (BBl 1904 I 329). Bei der Ordnung der Zuständigkeiten im BRB vom 17.11.14 wurde die Genehmigungspflicht ebenfalls als feststehend angesehen und deshalb bestimmt, welche Materialien durch das EJPD (Art. 12, Z. 10) und welche durch das EVA (Art. 20, Z. 4, 5 und 8) zu genehmigen seien. Gestützt hierauf hat das EVA seine Weisungen über die Vorlage der Materialien jeweils nach Rücksprache mit den Gesellschaften und mit deren Zustimmung erlassen. Zwar vermöchte weder eine an die Betriebsbewilligung geknüpfte Bedingung noch die Zustimmung der Gesellschaften eine gesetzwidrige Genehmigungspflicht zu begründen; doch zeigen jene Umstände, wie das Gesetz auch von den zunächst Beteiligten verstanden wurde. Aus diesem selbst, nämlich aus Art. 4 in Verbindung mit Art. 2 VAG, ergibt sich die Genehmigungspflicht in dem Sinne, dass die abgeänderten Materialien erst nach der gewerbepolizeilichen Zulassung durch die Aufsichtsbehörde verwendet werden dürfen ("Polizeiverbot mit Erlaubnisvorbehalt", FLEINER a.a.O.). In diesem Sinne hat auch das Bundesgericht in BGE 76 I 242 von einer Genehmigungspflicht gesprochen. Ebenso ist in der Literatur immer wieder von Zulassung, Genehmigung und Genehmigungspflicht die Rede; alle diese Begriffe schliessen in sich, dass die Materialien nicht vorher verwendet werden dürfen. Ausdrücklich und eingehend vertritt diese Auffassung H. MEYER in Schweiz. Versicherungszeitschrift (SVZ) Jg. 19 S. 357 ff. Die von ihm zitierten Autoren sind mit einer Ausnahme der Ansicht, dass die Materialien der Aufsichtsbehörde zur Genehmigung und nicht nur zur Kenntnisnahme zu unterbreiten sind. Einzig F. REICHENBACH stellt in SVZ Jg. 18 S. 301 die umgekehrte These auf und erklärt, die Aufsichtsbehörde habe keine Genehmigung oder Zulassung auszusprechen, sondern könne lediglich die ihr zur Kenntnis gebrachten Materialien aus gewerbepolizeilichen Gründen verbieten. Das steht aber, wie bereits dargetan wurde, im Widerspruch zur präventiven Aufgabe der Versicherungsaufsicht und zu einer sinngemässen Auslegung von Art. 4 VAG.
5. Da sich die Genehmigungspflicht in dem vom EJPD geltend gemachten Sinne aus dem Versicherungsaufsichtsgesetze selbst ergibt, lässt sich die angefochtene Entscheidung direkt auf dieses stützen und braucht nicht untersucht zu werden, ob die Weisung des EVA vom 27.7.44 rechtsgültig ist. In dem hier allein noch streitigen Umfang - nämlich mit Bezug auf die Pflicht zur Vorlage der Materialien "vor ihrer Einführung", nicht aber "im Entwurf", und auf das Verbot der Verwendung vor der Genehmigung - geht übrigens aus dem Gesagten bereits hervor, dass sie sich im Rahmen des Gesetzes und der gestützt darauf vom Bundesrat dem EVA delegierten Befugnis hält.
Die Beschwerdeführerin hat zwar beiläufig auch die in der Weisung enthaltene Umschreibung der vorlagepflichtigen Materialien als "nicht über alle Zweifel erhaben" bezeichnet, aber nach dieser Richtung keinen Antrag gestellt. Gegenstand der vorliegenden Beschwerde bildet nicht der Umfang der Genehmigungspflicht, sondern nur ihr Inhalt, d.h. die Frage, ob die abgeänderten Materialien vor der Genehmigung im Geschäftsbetrieb verwendet werden dürfen oder nicht. | de | Versicherungsaufsicht: 1. Pflicht der Gesellschaften zur Vorlage der sog. Materialien und der späteren Abänderungen (Art. 2 und 4 VAG).
2. Rechtsnatur und Tragweite der behördlichen Genehmigung (Art. 3 VAG). | de | constitutional law and administrative law and public international law | 1,954 | I | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-I-66%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
202 | 80 I 66 | Sachverhalt ab Seite 66
A.- Das BG betreffend Beaufsichtigung von Privatunternehmungen im Gebiete des Versicherungswesens, vom 25.6.85 (VAG), enthält u.a. folgende Bestimmungen über die Vorlage der sog. Materialien:
Art. 2: "Um in der Schweiz Geschäfte betreiben zu können, haben die privaten Versicherungsunternehmungen folgende Erfordernisse zu erfüllen:
1. Es sind dem Bundesrate diejenigen öffentlich ausgegebenen Dokumente einzureichen, aus welchen die Grundbestimmungen und die allgemeinen Versicherungsbedingungen der Unternehmung entnommen werden können, und überdies, sofern diese schon vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes Versicherungsgeschäfte betrieben hat, diejenigen Vorlagen zu machen, aus welchen der bisherige Stand der Unternehmung in den durch Art. 5 bis 8 bezeichneten Richtungen zu erkennen ist (Statuten, Prospekte, Tarife, Rechenschaftsberichte, Jahresrechnungen usw.).
...
Art. 4: "Treten später Veränderungen in den unter Art. 2, Ziff. 1 bis 3, bezeichneten Verhältnissen ein, so ist von denselben dem Bundesrate sofort Kenntnis zu geben."
In Art. 20 des BRB vom 17.11.14 betreffend die Zuständigkeit der Departemente und der ihnen unterstellten Amtsstellen zur selbständigen Erledigung von Geschäften ermächtigte der Bundesrat das eidg. Versicherungsamt (EVA) u.a. zum Entscheid über den Umfang der von privaten Versicherungsunternehmungen zur Erlangung der Konzession zu erbringenden Ausweise sowie über die Zulassung der allgemeinen Versicherungsbedingungen, Antrags- und Policenformulare und anderer für deren Geschäftsbetrieb bestimmten Materialien. Gestützt hierauf erliess das EVA an die in der Schweiz konzessionierten Versicherungsgesellschaften gerichtete Weisungen über "Vorlage der Materialien". Die letzte derselben datiert vom 27.7.44; sie umschreibt in Z. 1 die vorlagepflichtigen Materialien und enthält u.a. folgende Bestimmungen:
"3. Die vorlagepflichtigen Materialien sind vor ihrer Einführung in den Geschäftsbetrieb dem Versicherungsamt im Entwurf rechtzeitig in einem Exemplar zu unterbreiten. .....
4. Nach erteilter Genehmigung sind dem Versicherungsamt 3 Definitivexemplare der neuen Materialien einzureichen. ....."
Seit 1951 entstanden zwischen dem EVA und der Schweiz. Lebensversicherungsgesellschaft PAX in Basel (Pax) Differenzen über Umfang und Tragweite der Vorlagepflicht. So sandte die Pax dem EVA ihre mit Wirkung auf den 1.1.54 geänderten Statuten ausdrücklich nur zur Kenntnisnahme ein und bestritt, dass sie einer Genehmigung bedürften. Am 18.9.53 erliess das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) folgenden Entscheid:
"Die von Ihrer Delegiertenversammlung am 30.5.53 geänderten Genossenschafts-Statuten werden genehmigt. .....
Im Schreiben vom 18.8.53 bestreiten Sie ohne nähere Begründung die Vorlagepflicht der Statuten. Wir bitten Sie, davon Kenntnis zu nehmen, dass gestützt auf Art. 2, 3, 4 und 9 des Aufsichtsgesetzes abgeänderte Statuten dem EJPD und die andern in Art. 2 des Aufsichtsgesetzes und in den Weisungen des EVA vom 27.7.44 erwähnten Drucksachen (wie Prospekte, Antragsformulare usw.), die materiell geändert werden, dem Versicherungsamt rechtzeitig vor deren Verwendung im Entwurf zur Genehmigung vorzulegen sind."
B.- Mit der verwaltungsgerichtlichen Beschwerde beantragt die Pax:
"1. Es sei der Entscheid des EJPD vom 18.9.53 insoweit aufzuheben, als er verfügt, dass neue bzw. abgeänderte Materialien dem Versicherungsamt im Entwurf zur Genehmigung vorzulegen sind.
2. Es sei festzustellen, a) dass die für den Geschäftsbetrieb einer konzessionierten schweizerischen Lebensversicherungsgesellschaft bestimmten Materialien dem Bundesrate bzw. dem EVA nicht zur Genehmigung unterbreitet werden müssen, sondern ..... lediglich sofort, d.h. bevor sie im Geschäftsbetrieb Verwendung finden, zur Kenntnis zu bringen sind; b) dass die Weisung des EVA vom 27.7.44, auf die sich das EJPD in seinem Entscheide vom 18.9.53 stützt, der gesetzlichen Grundlage entbehrt und daher ungültig ist, soweit sie Art. 4 des Aufsichtsgesetzes in seiner sub a) umschriebenen Bedeutung widerspricht."
C.- Das EJPD beantragt Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen
Erwägungen
in Erwägung:
3. Der Streit zwischen der Pax und dem EVA ist nicht frei von Prestige-Erwägungen und beruht z.T. auf einem Missverständnis über Sinn und Tragweite der Genehmigung der Materialien durch die Aufsichtsbehörden (EJPD bezüglich der Statuten und allgemeinen Geschäftspläne, EVA bezüglich aller andern vorlagepflichtigen Materialien).
Einerseits anerkennt die Beschwerdeführerin ihre "Ordnungspflicht" zur Vorlage der Materialien vor deren Verwendung im Geschäftsbetrieb; sie bestreitet nur das Recht der Aufsichtsbehörden zu deren "Genehmigung" mit konstitutiver Wirkung und macht geltend, jene hätten nur zu prüfen, ob die Materialien vom gewerbepolizeilichen Standpunkt aus zu beanstanden seien. Anderseits erklärt das EJPD mit Recht, die von ihm bzw. vom EVA auszusprechende Genehmigung habe keine konstitutive Wirkung, sondern sei lediglich eine gewerbepolizeiliche Erlaubnis, besage bloss, dass der Verwendung der Materialien vom Standpunkt der Versicherungsaufsicht aus nichts entgegenstehe. Damit entfällt die vermeintliche grundsätzliche Differenz über die Rechtsnatur und Tragweite des von jeher als Genehmigung bezeichneten Entscheids über die Zulassung der vorgelegten Materialien: Er ist eine blosse Polizeierlaubnis, die den Gesellschaften kein neues Recht erteilt, sondern lediglich feststellt, dass gegen die beabsichtigte Tätigkeit - die Verwendung der Materialien in ihrem Geschäftsbetrieb - keine polizeilichen Hindernisse vorliegen; wenn das zutrifft - d.h. wenn durch jene Verwendung die von den Aufsichtsbehörden zu wahrenden Interessen der Öffentlichkeit und der Versicherten nicht berührt werden -, muss die Genehmigung erteilt werden (vgl. FLEINER, Institutionen, 8. Aufl., § 25, insbesondere S. 408 und 410). Der ganze Streit zwischen den Parteien beschränkt sich so auf die Frage, ob die Beschwerdeführerin die Materialien, die sie anerkanntermassen dem EVA bzw. dem EJPD vorzulegen hat, schon vor der Genehmigung durch diese Behörden verwenden darf oder nicht.
Die Beschwerdeführerin wendet sich namentlich gegen die Vorschrift, wonach sie die Materialien "im Entwurf" vorzulegen habe. Hiezu erklärt das EJPD, diesem in der Weisung vom 27.7.44 und in der täglichen Praxis verwendeten Ausdruck komme nur untergeordnete Bedeutung zu; er stelle lediglich eine Empfehlung an die Gesellschaften dar, um ihnen unnütze Kosten und Umtriebe zu ersparen, falls die Materialien nicht in der vorgelegten Form genehmigt würden. Bei dieser Erklärung ist das EJPD zu behaften; sie enthält eine Einschränkung gegenüber dem Wortlaut der Weisung, die von dem EVA, einer dem Departement unterstehenden Amtsstelle, auf Grund einer Delegation erlassen wurde. Da die Beschwerdeführerin nun gar nicht verpflichtet wird, die Materialien schon im Entwurf vorzulegen, ist die Beschwerde in diesem Punkte gegenstandslos.
4. Die Vorlagepflicht für die Materialien ergibt sich aus den Art. 2 und 4 VAG.
Art. 2 ordnet die erstmalige Vorlage im Rahmen des Bewilligungsverfahrens für Versicherungsunternehmungen, die in der Schweiz Geschäfte betreiben wollen. Sie haben die dort aufgeführten Dokumente "dem Bundesrate einzureichen"; er entscheidet gemäss Art. 3 "auf Grund der vorgelegten Ausweise und allfällig anderer von ihm ermittelten tatsächlichen Verhältnisse" über die Bewilligung. Hieraus ergibt sich ohne weiteres, dass die in diesem Verfahren vorgelegten Materialien nicht vor der Genehmigung verwendet werden dürfen und können; die Genehmigung der Materialien fällt zusammen mit der Bewilligung des Geschäftsbetriebes überhaupt. Das in Art. 2 allein vorgeschriebene "Einreichen" erfolgt zu diesem Zwecke; aus ihm ergibt sich die Genehmigungspflicht, die hier auch von der Beschwerdeführerin anerkannt wird. Die Prüfung - der Bewilligungsfrage überhaupt wie auch der einzelnen Materialien - geschieht unter dem Gesichtspunkt der Versicherungsaufsicht, d.h. der Wahrung der mit dem Versicherungswesen zusammenhängenden öffentlichen Interessen sowie derjenigen der Versicherten selbst, die als Laien bei diesen komplizierten Verträgen der schwächere Partner sind, die in Frage kommenden technischen Unterlagen und Faktoren wie Prämientarife, allgemeine Versicherungsbedingungen usw. nicht zuverlässig beurteilen können und daher vor möglichen Täuschungen bewahrt werden sollen (BGE 76 I 240ff.).
Art. 4 verpflichtet die zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmungen, später eintretende Veränderungen in den in Art. 2 bezeichneten Verhältnissen dem Bundesrat sofort zur Kenntnis zu bringen. Die Bestimmung leuchtet ohne weiteres ein: Wenn sich die Verhältnisse, auf Grund deren die Bewilligung erteilt wurde, verändern, z.B. wenn die Gesellschaft die seinerzeit genehmigten Materialien abändern will, so wird die Berechtigung der Bewilligung in Frage gestellt und muss erneut unter dem gleichen Gesichtspunkt der Versicherungsaufsicht geprüft werden; es ist keine Veränderung zuzulassen, welche die Interessen der Öffentlichkeit oder der Versicherten verletzen würde. Das gilt sowohl für Abänderungen an den früher genehmigten Materialien als auch für die Einführung neuer Dokumente, die unter die Aufzählung in Art. 2 fallen, in den Geschäftsbetrieb. Ihre "sofortige Kenntnisgabe" nach Art. 4 wird zum gleichen Zwecke verlangt wie das "Einreichen" nach Art. 2, nämlich um sie vom Standpunkt der Versicherungsaufsicht aus zu prüfen. Hieraus ergibt sich gleich wie dort, dass sie der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde bedürfen und nicht vor deren Erteilung verwendet werden dürfen. Es liefe auf eine Umgehung des ursprünglichen Bewilligungsverfahrens hinaus und würde die darin enthaltene Garantie entwerten, wenn die genehmigten Materialien später abgeändert und so verwendet werden könnten, ohne in der neuen Form geprüft und genehmigt worden zu sein. Der Zweck der Versicherungsaufsicht wird nur erreicht, wenn die Verwendung von Materialien, welche die Interessen der Versicherten verletzen, von vornherein verhindert wird; ein nachträgliches Einschreiten genügt nicht, weil die Gültigkeit der auf Grund solcher Materialien bereits abgeschlossenen Versicherungsverträge dadurch nicht berührt wird. Die vorgängige Prüfung liegt übrigens auch im Interesse der Versicherungsgesellschaften selbst; ihnen wäre schlecht gedient, wenn solche Dokumente, die in grossen Auflagen hergestellt und dem Geschäftsbetrieb zugrunde gelegt werden, kurz nach der Einführung wieder zurückgezogen werden müssten, weil sie von der Aufsichtsbehörde gewerbepolizeilich beanstandet würden.
Art. 4 VAG wurde denn auch von Anfang an dahin ausgelegt, dass er eine Genehmigungspflicht aufstellt und dass die abgeänderten Materialien erst nach ihrer Genehmigung verwendet werden dürfen. Dahin ging nicht nur die Praxis der Aufsichtsbehörden während bald 70 Jahren, sondern auch die Auffassung der gesetzgebenden und richterlichen Behörden. So enthält die der Rechtsvorgängerin der Pax am 26.11.86 erteilte Bewilligung zum Geschäftsbetrieb u.a. folgende Bedingung: "Die in Art. 4 des Gesetzes vorgesehenen Veränderungen werden für die Schweiz erst wirksam nach ihrer Genehmigung durch den Bundesrat." Bei Erlass des Versicherungsvertragsgesetzes vom 2.4.08 ging der Gesetzgeber davon aus, dass das Aufsichtsgesetz die Prüfung und Genehmigung der allgemeinen Versicherungsbedingungen durch den Bundesrat vorsieht (s. Votum des Berichterstatters Scherrer im Ständerat, StenBull 1905 StR 312). Zu Unrecht wendet die Beschwerdeführerin ein, wenn die Genehmigungspflicht allgemein bestünde, so hätte ihre besondere Statuierung bezüglich der Abfindungswerte in Art. 91 Abs. 3 VVG keinen Sinn gehabt. In der Botschaft vom 2.2.04 erklärt der Bundesrat hiezu ausdrücklich, die allgemeinen Versicherungsbedingungen seien schon gemäss Aufsichtsgesetz dem Bundesrat zur Prüfung und Genehmigung vorzulegen; nun werde ihm noch die weitere Aufgabe zugewiesen, von Fall zu Fall über die Angemessenheit der vom Versicherer vorgesehenen Abfindungswerte zu entscheiden (BBl 1904 I 329). Bei der Ordnung der Zuständigkeiten im BRB vom 17.11.14 wurde die Genehmigungspflicht ebenfalls als feststehend angesehen und deshalb bestimmt, welche Materialien durch das EJPD (Art. 12, Z. 10) und welche durch das EVA (Art. 20, Z. 4, 5 und 8) zu genehmigen seien. Gestützt hierauf hat das EVA seine Weisungen über die Vorlage der Materialien jeweils nach Rücksprache mit den Gesellschaften und mit deren Zustimmung erlassen. Zwar vermöchte weder eine an die Betriebsbewilligung geknüpfte Bedingung noch die Zustimmung der Gesellschaften eine gesetzwidrige Genehmigungspflicht zu begründen; doch zeigen jene Umstände, wie das Gesetz auch von den zunächst Beteiligten verstanden wurde. Aus diesem selbst, nämlich aus Art. 4 in Verbindung mit Art. 2 VAG, ergibt sich die Genehmigungspflicht in dem Sinne, dass die abgeänderten Materialien erst nach der gewerbepolizeilichen Zulassung durch die Aufsichtsbehörde verwendet werden dürfen ("Polizeiverbot mit Erlaubnisvorbehalt", FLEINER a.a.O.). In diesem Sinne hat auch das Bundesgericht in BGE 76 I 242 von einer Genehmigungspflicht gesprochen. Ebenso ist in der Literatur immer wieder von Zulassung, Genehmigung und Genehmigungspflicht die Rede; alle diese Begriffe schliessen in sich, dass die Materialien nicht vorher verwendet werden dürfen. Ausdrücklich und eingehend vertritt diese Auffassung H. MEYER in Schweiz. Versicherungszeitschrift (SVZ) Jg. 19 S. 357 ff. Die von ihm zitierten Autoren sind mit einer Ausnahme der Ansicht, dass die Materialien der Aufsichtsbehörde zur Genehmigung und nicht nur zur Kenntnisnahme zu unterbreiten sind. Einzig F. REICHENBACH stellt in SVZ Jg. 18 S. 301 die umgekehrte These auf und erklärt, die Aufsichtsbehörde habe keine Genehmigung oder Zulassung auszusprechen, sondern könne lediglich die ihr zur Kenntnis gebrachten Materialien aus gewerbepolizeilichen Gründen verbieten. Das steht aber, wie bereits dargetan wurde, im Widerspruch zur präventiven Aufgabe der Versicherungsaufsicht und zu einer sinngemässen Auslegung von Art. 4 VAG.
5. Da sich die Genehmigungspflicht in dem vom EJPD geltend gemachten Sinne aus dem Versicherungsaufsichtsgesetze selbst ergibt, lässt sich die angefochtene Entscheidung direkt auf dieses stützen und braucht nicht untersucht zu werden, ob die Weisung des EVA vom 27.7.44 rechtsgültig ist. In dem hier allein noch streitigen Umfang - nämlich mit Bezug auf die Pflicht zur Vorlage der Materialien "vor ihrer Einführung", nicht aber "im Entwurf", und auf das Verbot der Verwendung vor der Genehmigung - geht übrigens aus dem Gesagten bereits hervor, dass sie sich im Rahmen des Gesetzes und der gestützt darauf vom Bundesrat dem EVA delegierten Befugnis hält.
Die Beschwerdeführerin hat zwar beiläufig auch die in der Weisung enthaltene Umschreibung der vorlagepflichtigen Materialien als "nicht über alle Zweifel erhaben" bezeichnet, aber nach dieser Richtung keinen Antrag gestellt. Gegenstand der vorliegenden Beschwerde bildet nicht der Umfang der Genehmigungspflicht, sondern nur ihr Inhalt, d.h. die Frage, ob die abgeänderten Materialien vor der Genehmigung im Geschäftsbetrieb verwendet werden dürfen oder nicht. | de | Surveillance des assurances privées: 1. Obligation des compagnies d'assurances de produire leurs documents officiels et les modifications qu'elles y apportent (art. 2 et 4 LSA).
2. Nature juridique et portée de l'autorisation officielle (art. 3 LSA). | fr | constitutional law and administrative law and public international law | 1,954 | I | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-I-66%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
203 | 80 I 66 | Sachverhalt ab Seite 66
A.- Das BG betreffend Beaufsichtigung von Privatunternehmungen im Gebiete des Versicherungswesens, vom 25.6.85 (VAG), enthält u.a. folgende Bestimmungen über die Vorlage der sog. Materialien:
Art. 2: "Um in der Schweiz Geschäfte betreiben zu können, haben die privaten Versicherungsunternehmungen folgende Erfordernisse zu erfüllen:
1. Es sind dem Bundesrate diejenigen öffentlich ausgegebenen Dokumente einzureichen, aus welchen die Grundbestimmungen und die allgemeinen Versicherungsbedingungen der Unternehmung entnommen werden können, und überdies, sofern diese schon vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes Versicherungsgeschäfte betrieben hat, diejenigen Vorlagen zu machen, aus welchen der bisherige Stand der Unternehmung in den durch Art. 5 bis 8 bezeichneten Richtungen zu erkennen ist (Statuten, Prospekte, Tarife, Rechenschaftsberichte, Jahresrechnungen usw.).
...
Art. 4: "Treten später Veränderungen in den unter Art. 2, Ziff. 1 bis 3, bezeichneten Verhältnissen ein, so ist von denselben dem Bundesrate sofort Kenntnis zu geben."
In Art. 20 des BRB vom 17.11.14 betreffend die Zuständigkeit der Departemente und der ihnen unterstellten Amtsstellen zur selbständigen Erledigung von Geschäften ermächtigte der Bundesrat das eidg. Versicherungsamt (EVA) u.a. zum Entscheid über den Umfang der von privaten Versicherungsunternehmungen zur Erlangung der Konzession zu erbringenden Ausweise sowie über die Zulassung der allgemeinen Versicherungsbedingungen, Antrags- und Policenformulare und anderer für deren Geschäftsbetrieb bestimmten Materialien. Gestützt hierauf erliess das EVA an die in der Schweiz konzessionierten Versicherungsgesellschaften gerichtete Weisungen über "Vorlage der Materialien". Die letzte derselben datiert vom 27.7.44; sie umschreibt in Z. 1 die vorlagepflichtigen Materialien und enthält u.a. folgende Bestimmungen:
"3. Die vorlagepflichtigen Materialien sind vor ihrer Einführung in den Geschäftsbetrieb dem Versicherungsamt im Entwurf rechtzeitig in einem Exemplar zu unterbreiten. .....
4. Nach erteilter Genehmigung sind dem Versicherungsamt 3 Definitivexemplare der neuen Materialien einzureichen. ....."
Seit 1951 entstanden zwischen dem EVA und der Schweiz. Lebensversicherungsgesellschaft PAX in Basel (Pax) Differenzen über Umfang und Tragweite der Vorlagepflicht. So sandte die Pax dem EVA ihre mit Wirkung auf den 1.1.54 geänderten Statuten ausdrücklich nur zur Kenntnisnahme ein und bestritt, dass sie einer Genehmigung bedürften. Am 18.9.53 erliess das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) folgenden Entscheid:
"Die von Ihrer Delegiertenversammlung am 30.5.53 geänderten Genossenschafts-Statuten werden genehmigt. .....
Im Schreiben vom 18.8.53 bestreiten Sie ohne nähere Begründung die Vorlagepflicht der Statuten. Wir bitten Sie, davon Kenntnis zu nehmen, dass gestützt auf Art. 2, 3, 4 und 9 des Aufsichtsgesetzes abgeänderte Statuten dem EJPD und die andern in Art. 2 des Aufsichtsgesetzes und in den Weisungen des EVA vom 27.7.44 erwähnten Drucksachen (wie Prospekte, Antragsformulare usw.), die materiell geändert werden, dem Versicherungsamt rechtzeitig vor deren Verwendung im Entwurf zur Genehmigung vorzulegen sind."
B.- Mit der verwaltungsgerichtlichen Beschwerde beantragt die Pax:
"1. Es sei der Entscheid des EJPD vom 18.9.53 insoweit aufzuheben, als er verfügt, dass neue bzw. abgeänderte Materialien dem Versicherungsamt im Entwurf zur Genehmigung vorzulegen sind.
2. Es sei festzustellen, a) dass die für den Geschäftsbetrieb einer konzessionierten schweizerischen Lebensversicherungsgesellschaft bestimmten Materialien dem Bundesrate bzw. dem EVA nicht zur Genehmigung unterbreitet werden müssen, sondern ..... lediglich sofort, d.h. bevor sie im Geschäftsbetrieb Verwendung finden, zur Kenntnis zu bringen sind; b) dass die Weisung des EVA vom 27.7.44, auf die sich das EJPD in seinem Entscheide vom 18.9.53 stützt, der gesetzlichen Grundlage entbehrt und daher ungültig ist, soweit sie Art. 4 des Aufsichtsgesetzes in seiner sub a) umschriebenen Bedeutung widerspricht."
C.- Das EJPD beantragt Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen
Erwägungen
in Erwägung:
3. Der Streit zwischen der Pax und dem EVA ist nicht frei von Prestige-Erwägungen und beruht z.T. auf einem Missverständnis über Sinn und Tragweite der Genehmigung der Materialien durch die Aufsichtsbehörden (EJPD bezüglich der Statuten und allgemeinen Geschäftspläne, EVA bezüglich aller andern vorlagepflichtigen Materialien).
Einerseits anerkennt die Beschwerdeführerin ihre "Ordnungspflicht" zur Vorlage der Materialien vor deren Verwendung im Geschäftsbetrieb; sie bestreitet nur das Recht der Aufsichtsbehörden zu deren "Genehmigung" mit konstitutiver Wirkung und macht geltend, jene hätten nur zu prüfen, ob die Materialien vom gewerbepolizeilichen Standpunkt aus zu beanstanden seien. Anderseits erklärt das EJPD mit Recht, die von ihm bzw. vom EVA auszusprechende Genehmigung habe keine konstitutive Wirkung, sondern sei lediglich eine gewerbepolizeiliche Erlaubnis, besage bloss, dass der Verwendung der Materialien vom Standpunkt der Versicherungsaufsicht aus nichts entgegenstehe. Damit entfällt die vermeintliche grundsätzliche Differenz über die Rechtsnatur und Tragweite des von jeher als Genehmigung bezeichneten Entscheids über die Zulassung der vorgelegten Materialien: Er ist eine blosse Polizeierlaubnis, die den Gesellschaften kein neues Recht erteilt, sondern lediglich feststellt, dass gegen die beabsichtigte Tätigkeit - die Verwendung der Materialien in ihrem Geschäftsbetrieb - keine polizeilichen Hindernisse vorliegen; wenn das zutrifft - d.h. wenn durch jene Verwendung die von den Aufsichtsbehörden zu wahrenden Interessen der Öffentlichkeit und der Versicherten nicht berührt werden -, muss die Genehmigung erteilt werden (vgl. FLEINER, Institutionen, 8. Aufl., § 25, insbesondere S. 408 und 410). Der ganze Streit zwischen den Parteien beschränkt sich so auf die Frage, ob die Beschwerdeführerin die Materialien, die sie anerkanntermassen dem EVA bzw. dem EJPD vorzulegen hat, schon vor der Genehmigung durch diese Behörden verwenden darf oder nicht.
Die Beschwerdeführerin wendet sich namentlich gegen die Vorschrift, wonach sie die Materialien "im Entwurf" vorzulegen habe. Hiezu erklärt das EJPD, diesem in der Weisung vom 27.7.44 und in der täglichen Praxis verwendeten Ausdruck komme nur untergeordnete Bedeutung zu; er stelle lediglich eine Empfehlung an die Gesellschaften dar, um ihnen unnütze Kosten und Umtriebe zu ersparen, falls die Materialien nicht in der vorgelegten Form genehmigt würden. Bei dieser Erklärung ist das EJPD zu behaften; sie enthält eine Einschränkung gegenüber dem Wortlaut der Weisung, die von dem EVA, einer dem Departement unterstehenden Amtsstelle, auf Grund einer Delegation erlassen wurde. Da die Beschwerdeführerin nun gar nicht verpflichtet wird, die Materialien schon im Entwurf vorzulegen, ist die Beschwerde in diesem Punkte gegenstandslos.
4. Die Vorlagepflicht für die Materialien ergibt sich aus den Art. 2 und 4 VAG.
Art. 2 ordnet die erstmalige Vorlage im Rahmen des Bewilligungsverfahrens für Versicherungsunternehmungen, die in der Schweiz Geschäfte betreiben wollen. Sie haben die dort aufgeführten Dokumente "dem Bundesrate einzureichen"; er entscheidet gemäss Art. 3 "auf Grund der vorgelegten Ausweise und allfällig anderer von ihm ermittelten tatsächlichen Verhältnisse" über die Bewilligung. Hieraus ergibt sich ohne weiteres, dass die in diesem Verfahren vorgelegten Materialien nicht vor der Genehmigung verwendet werden dürfen und können; die Genehmigung der Materialien fällt zusammen mit der Bewilligung des Geschäftsbetriebes überhaupt. Das in Art. 2 allein vorgeschriebene "Einreichen" erfolgt zu diesem Zwecke; aus ihm ergibt sich die Genehmigungspflicht, die hier auch von der Beschwerdeführerin anerkannt wird. Die Prüfung - der Bewilligungsfrage überhaupt wie auch der einzelnen Materialien - geschieht unter dem Gesichtspunkt der Versicherungsaufsicht, d.h. der Wahrung der mit dem Versicherungswesen zusammenhängenden öffentlichen Interessen sowie derjenigen der Versicherten selbst, die als Laien bei diesen komplizierten Verträgen der schwächere Partner sind, die in Frage kommenden technischen Unterlagen und Faktoren wie Prämientarife, allgemeine Versicherungsbedingungen usw. nicht zuverlässig beurteilen können und daher vor möglichen Täuschungen bewahrt werden sollen (BGE 76 I 240ff.).
Art. 4 verpflichtet die zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmungen, später eintretende Veränderungen in den in Art. 2 bezeichneten Verhältnissen dem Bundesrat sofort zur Kenntnis zu bringen. Die Bestimmung leuchtet ohne weiteres ein: Wenn sich die Verhältnisse, auf Grund deren die Bewilligung erteilt wurde, verändern, z.B. wenn die Gesellschaft die seinerzeit genehmigten Materialien abändern will, so wird die Berechtigung der Bewilligung in Frage gestellt und muss erneut unter dem gleichen Gesichtspunkt der Versicherungsaufsicht geprüft werden; es ist keine Veränderung zuzulassen, welche die Interessen der Öffentlichkeit oder der Versicherten verletzen würde. Das gilt sowohl für Abänderungen an den früher genehmigten Materialien als auch für die Einführung neuer Dokumente, die unter die Aufzählung in Art. 2 fallen, in den Geschäftsbetrieb. Ihre "sofortige Kenntnisgabe" nach Art. 4 wird zum gleichen Zwecke verlangt wie das "Einreichen" nach Art. 2, nämlich um sie vom Standpunkt der Versicherungsaufsicht aus zu prüfen. Hieraus ergibt sich gleich wie dort, dass sie der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde bedürfen und nicht vor deren Erteilung verwendet werden dürfen. Es liefe auf eine Umgehung des ursprünglichen Bewilligungsverfahrens hinaus und würde die darin enthaltene Garantie entwerten, wenn die genehmigten Materialien später abgeändert und so verwendet werden könnten, ohne in der neuen Form geprüft und genehmigt worden zu sein. Der Zweck der Versicherungsaufsicht wird nur erreicht, wenn die Verwendung von Materialien, welche die Interessen der Versicherten verletzen, von vornherein verhindert wird; ein nachträgliches Einschreiten genügt nicht, weil die Gültigkeit der auf Grund solcher Materialien bereits abgeschlossenen Versicherungsverträge dadurch nicht berührt wird. Die vorgängige Prüfung liegt übrigens auch im Interesse der Versicherungsgesellschaften selbst; ihnen wäre schlecht gedient, wenn solche Dokumente, die in grossen Auflagen hergestellt und dem Geschäftsbetrieb zugrunde gelegt werden, kurz nach der Einführung wieder zurückgezogen werden müssten, weil sie von der Aufsichtsbehörde gewerbepolizeilich beanstandet würden.
Art. 4 VAG wurde denn auch von Anfang an dahin ausgelegt, dass er eine Genehmigungspflicht aufstellt und dass die abgeänderten Materialien erst nach ihrer Genehmigung verwendet werden dürfen. Dahin ging nicht nur die Praxis der Aufsichtsbehörden während bald 70 Jahren, sondern auch die Auffassung der gesetzgebenden und richterlichen Behörden. So enthält die der Rechtsvorgängerin der Pax am 26.11.86 erteilte Bewilligung zum Geschäftsbetrieb u.a. folgende Bedingung: "Die in Art. 4 des Gesetzes vorgesehenen Veränderungen werden für die Schweiz erst wirksam nach ihrer Genehmigung durch den Bundesrat." Bei Erlass des Versicherungsvertragsgesetzes vom 2.4.08 ging der Gesetzgeber davon aus, dass das Aufsichtsgesetz die Prüfung und Genehmigung der allgemeinen Versicherungsbedingungen durch den Bundesrat vorsieht (s. Votum des Berichterstatters Scherrer im Ständerat, StenBull 1905 StR 312). Zu Unrecht wendet die Beschwerdeführerin ein, wenn die Genehmigungspflicht allgemein bestünde, so hätte ihre besondere Statuierung bezüglich der Abfindungswerte in Art. 91 Abs. 3 VVG keinen Sinn gehabt. In der Botschaft vom 2.2.04 erklärt der Bundesrat hiezu ausdrücklich, die allgemeinen Versicherungsbedingungen seien schon gemäss Aufsichtsgesetz dem Bundesrat zur Prüfung und Genehmigung vorzulegen; nun werde ihm noch die weitere Aufgabe zugewiesen, von Fall zu Fall über die Angemessenheit der vom Versicherer vorgesehenen Abfindungswerte zu entscheiden (BBl 1904 I 329). Bei der Ordnung der Zuständigkeiten im BRB vom 17.11.14 wurde die Genehmigungspflicht ebenfalls als feststehend angesehen und deshalb bestimmt, welche Materialien durch das EJPD (Art. 12, Z. 10) und welche durch das EVA (Art. 20, Z. 4, 5 und 8) zu genehmigen seien. Gestützt hierauf hat das EVA seine Weisungen über die Vorlage der Materialien jeweils nach Rücksprache mit den Gesellschaften und mit deren Zustimmung erlassen. Zwar vermöchte weder eine an die Betriebsbewilligung geknüpfte Bedingung noch die Zustimmung der Gesellschaften eine gesetzwidrige Genehmigungspflicht zu begründen; doch zeigen jene Umstände, wie das Gesetz auch von den zunächst Beteiligten verstanden wurde. Aus diesem selbst, nämlich aus Art. 4 in Verbindung mit Art. 2 VAG, ergibt sich die Genehmigungspflicht in dem Sinne, dass die abgeänderten Materialien erst nach der gewerbepolizeilichen Zulassung durch die Aufsichtsbehörde verwendet werden dürfen ("Polizeiverbot mit Erlaubnisvorbehalt", FLEINER a.a.O.). In diesem Sinne hat auch das Bundesgericht in BGE 76 I 242 von einer Genehmigungspflicht gesprochen. Ebenso ist in der Literatur immer wieder von Zulassung, Genehmigung und Genehmigungspflicht die Rede; alle diese Begriffe schliessen in sich, dass die Materialien nicht vorher verwendet werden dürfen. Ausdrücklich und eingehend vertritt diese Auffassung H. MEYER in Schweiz. Versicherungszeitschrift (SVZ) Jg. 19 S. 357 ff. Die von ihm zitierten Autoren sind mit einer Ausnahme der Ansicht, dass die Materialien der Aufsichtsbehörde zur Genehmigung und nicht nur zur Kenntnisnahme zu unterbreiten sind. Einzig F. REICHENBACH stellt in SVZ Jg. 18 S. 301 die umgekehrte These auf und erklärt, die Aufsichtsbehörde habe keine Genehmigung oder Zulassung auszusprechen, sondern könne lediglich die ihr zur Kenntnis gebrachten Materialien aus gewerbepolizeilichen Gründen verbieten. Das steht aber, wie bereits dargetan wurde, im Widerspruch zur präventiven Aufgabe der Versicherungsaufsicht und zu einer sinngemässen Auslegung von Art. 4 VAG.
5. Da sich die Genehmigungspflicht in dem vom EJPD geltend gemachten Sinne aus dem Versicherungsaufsichtsgesetze selbst ergibt, lässt sich die angefochtene Entscheidung direkt auf dieses stützen und braucht nicht untersucht zu werden, ob die Weisung des EVA vom 27.7.44 rechtsgültig ist. In dem hier allein noch streitigen Umfang - nämlich mit Bezug auf die Pflicht zur Vorlage der Materialien "vor ihrer Einführung", nicht aber "im Entwurf", und auf das Verbot der Verwendung vor der Genehmigung - geht übrigens aus dem Gesagten bereits hervor, dass sie sich im Rahmen des Gesetzes und der gestützt darauf vom Bundesrat dem EVA delegierten Befugnis hält.
Die Beschwerdeführerin hat zwar beiläufig auch die in der Weisung enthaltene Umschreibung der vorlagepflichtigen Materialien als "nicht über alle Zweifel erhaben" bezeichnet, aber nach dieser Richtung keinen Antrag gestellt. Gegenstand der vorliegenden Beschwerde bildet nicht der Umfang der Genehmigungspflicht, sondern nur ihr Inhalt, d.h. die Frage, ob die abgeänderten Materialien vor der Genehmigung im Geschäftsbetrieb verwendet werden dürfen oder nicht. | de | Sorveglianza delle imprese private di assicurazione: 1. Obbligo delle imprese di assicurazione di comunicare i documenti ufficiali e le successive modifiche apportatevi (art. 2 e 4 legge sulla sorveglianza delle imprese private in materia di assicurazione).
2. Natura giuridica e portata dell'autorizzazione ufficiale (art. 3 legge citata). | it | constitutional law and administrative law and public international law | 1,954 | I | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-I-66%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
204 | 80 I 74 | Sachverhalt ab Seite 75
A.- Der Vater des Beschwerdeführers, Johann Gottlieb Adolf Riegel, geboren am 2. Februar 1845 in Stettin, war preusischer Staatsangehöriger. Er wanderte im Jahre 1873 nach Grönland aus, um dort als Missionar der Herrnhuter Brüdergemeinde zu wirken. Die Mutter des Beschwerdeführers, Katharina Stamm, geboren am 27. November 1844 in Thayngen, war vor ihrer Verheiratung Schweizerin. Sie liessen sich am 17. Juni 1877 in Neu-Herrnhut bei Gotthaab in Grönland von einem Missionar der Herrnhuter Brüdergemeinde kirchlich trauen. Eine bürgerliche Eheschliessung hat unbestrittenermassen nicht stattgefunden. Dieser Ehe entspross der heutige Beschwerdeführer, der am 6. September 1878 in Umanak (Grönland) geboren wurde. Er verehelichte sich am 11. März 1919 mit Käthe Hermine Amalie Margarete Schrader. Aus dieser Ehe gingen 2 Kinder hervor: die am 28. Juli 1921 geborene Tochter Eva Renate und der am 18. August 1923 geborene Sohn Fritz Adolf.
B.- Der Beschwerdeführer macht geltend:
a) dass die von seinen Eltern eingegangene Ehe ungültig sei. Aus diesem Grunde habe er als aussereheliches Kind seiner Mutter zu gelten. Da seine Mutter infolge Ungültigkeit der Ehe Schweizerin geblieben sei, sei er gemäss Art. 1 lit. b des Bürgerrechtsgesetzes mit der Geburt Schweizerbürger geworden;
b) dass sein Vater im Zeitpunkt der Eingehung der Ehe staatenlos gewesen sei. Er habe daher weiterhin auch gemäss Art. 5 Abs. 1 des Bürgerrechtsgesetzes das Schweizerbürgerrecht seiner Mutter mit der Geburt erworben.
C.- Der Regierungsrat des Kantons Schaffhausen hat mit Entscheid vom 15. Mai 1953 festgestellt, dass der Beschwerdeführer nicht Bürger der Gemeinde Thayngen, des Kantons Schaffhausen und der schweizerischen Eidgenossenschaft sei. Die Voraussetzungen, unter denen der Beschwerdeführer das Schweizerbürgerrecht erworben haben will, träfen nicht zu.
D.- Gegen diesen Entscheid richtet sich die vorliegende rechtzeitig und formrichtig eingereichte Beschwerde mit dem Antrag:
Es sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und es sei von Amtes wegen festzustellen, dass der Gesuchsteller und Beschwerdeführer Schweizerbürger sei. Zur Begründung macht der Beschwerdeführer wie in der Vorinstanz geltend, dass die Ehe seiner Eltern ungültig sei und dass sein Vater im Zeitpunkt der Eheschliessung staatenlos gewesen sei. Auf Einzelheiten wird, soweit nötig, in den Erwägungen zurückgekommen.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen
Erwägungen
in Erwägung:
1. Mit der Beschwerde wird geltend gemacht, der angefochtene Entscheid des Regierungsrates von Schaffhausen verstosse gegen Art. 4 BV und verletze Art. 1, litt. b, ev. Art. 5, Abs. 1 des BG. vom 29. September 1952 über Erwerb und Verlust des Schweizerbürgerrechts (BRG).
Beschwerden gegen Entscheide über den Bestand oder Nichtbestand des Schweizerbürgerrechts sind vom Bundesgericht auf Grund freier Überprüfung zu beurteilen, nicht nur unter dem verfassungsrechtlichen Gesichtspunkte von Willkür und Verletzung klaren Rechtes. Der Berufung auf Art. 4 BV kommt daher in diesem Verfahren keine Bedeutung zu.
Art. 1 und 5 BRG können durch den Entscheid des Regierungsrates nicht verletzt sein, weil dem BRG keine rückwirkende Kraft zukommt. Erwerb und Verlust des Schweizerbürgerrechts richten sich nach dem bei Eintritt des massgebenden Tatbestandes geltenden Recht (Art. 57, Abs. 2 BRG). Hier handelt es sich um Tatbestände, die auf die Jahre 1873, 1877 und 1878 zurückgehen. Die Beschwerde ist daher als Rüge der Verletzung des für diese Tatbestände geltenden Bundesrechtes entgegenzunehmen.
2. Sachlich stimmen allerdings die in Art. 1, lit. b und Art. 5, Abs. 1 ausgesprochenen Grundsätze mit der früheren, ursprünglich auf Gewohnheitsrecht beruhenden Ordnung des Bürgerrechts der Kinder einer gebürtigen Schweizerin überein. Die Entscheidung hängt daher davon ab, ob die Ehe der Eltern des Beschwerdeführers tatsächlich - wie in der Beschwerde behauptet wird - ungültig war und ob der Vater des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Eheschliessung (1877) tatsächlich staatenlos war.
3. Für die Form der Eheschliessung gilt heute im internationalen Privatrecht und galt auch schon zur Zeit der Eheschliessung der Eltern des Beschwerdeführers (1877) der Grundsatz locus regit actum, d.h. die Eheschliessung wird auch im Heimatstaat als gültig anerkannt, wenn sie nach den Formen des Landes des tatsächlichen Eheabschlusses gültig vollzogen wurde. (Für das damalige preussische Recht: BAR: Internationales Privatrecht S. 324/25; für die Schweiz: Art. 25 Abs. 3 des BG betreffend Feststellung und Beurkundung des Zivilstandes und die Ehe, vom 24. Dezember 1874).
Die Ehe der Eltern des Beschwerdeführers wird daher von den deutschen und den schweizerischen Behörden als gültig anerkannt, wenn sie nach dem zur Zeit der Eheschliessung in Grönland geltenden Recht abgeschlossen worden ist. Unbestritten ist, dass die Eheschliessung in einem Gebiete Grönlands stattfand, das damals der dänischen Gebietshoheit unterstand. Die Ehe muss daher als gültig abgeschlossen angesehen werden, wenn sie den s. Zt. in Grönland geltenden Formen entsprach.
a) Der Regierungsrat hat im wesentlichen auf Auskünfte abgestellt, die beim dänischen Justizministerium eingezogen worden waren und aus denen unzweideutig hervorgeht, dass die in Grönland durch Geistliche der Herrnhuter Mission geschlossenen Ehen zwischen Angehörigen der Mission - um solche handelt es sich hier - zulässig und anerkannt waren und über diese Ehen besondere Register geführt wurden.
Die Feststellung findet ihre Bestätigung in der Literatur, aus der entnommen werden kann, dass nach skandinavischem Zivilrecht seit Jahrhunderten die Ehe im allgemeinen vor dem Pfarrer der Kirchgemeinde geschlossen wurde und die zivilrechtliche Gültigkeit der Ehe im wesentlichen von der Beachtung gewisser Formen abhing (LEHR: Elément de droit civil scandinave, Danemark, Norvège, Suède, Ausg. 1901, S. 293 f.; vgl. auch GLASSON, Mariage civil, II. Aufl. 1880, S. 433). Für Grönland speziell wird in BERGMANN: Intern. Ehe- und Kindschaftsrecht, II. Aufl. 1938, S. 83, festgestellt, dass auch nach Erlass des dänischen Gesetzes vom 30. Juni 1922 über die Eingehung und Auflösung der Ehe kein kodifiziertes Eherecht bestand; "in der Praxis werden die für die evangelischlutherische Kirche geltenden Vorschriften beachtet". Für die Zeit vor Erlass dieses Gesetzes ergibt sich sodann aus LESKE und LÖWENFELD: Rechtsverfolgung im internationalen Verkehr, Bd. IV, Eherecht, S. 441, ausserdem, dass Ausnahmen von den kirchlichen Formen (Aufgebot, Trauung in der Kirche) auf Grund königlicher Bewilligungen sehr leicht gemacht wurden, "sodass die Trauung ohne Aufgebot, zu Hause und durch einen beliebigen Pfarrer vorgenommen werden kann". Die kirchliche Trauung war die Regel. Die bürgerliche Ehe wurde nur als Nothilfe anerkannt in Fällen, in denen kein Pfarrer verpflichtet war, die Brautleute zu trauen, was etwa bei Verschiedenheit der Konfession vorkommen konnte (LESKE-LÖWENFELD, a.a.O. S. 440), hier aber gerade nicht zutraf.
b) Nach einer bei den Akten liegenden Bescheinigung der Brüder-Unität in Herrnhut, vom 22. Juni 1946, sind die Eheleute Riegel-Stamm am 17. Juni 1877 durch den Missionar der Brüder-Unität Carl Julius Spindler in dessen Wohnstube in Gegenwart mehrerer Zeugen kirchlich getraut worden. Die Trauung ist im Trauregister der Evangelischen Brüderkirche in Neu-Herrnhut (Grönland) (Missionskirchenbuch B. S. 21 Nr. 19) eingetragen. Der Eintrag ist durch einen von der Herrnhuter Missions- Direktion ausgefertigten Auszug aus dem Trauregister nachgewiesen.
Es besteht kein ersichtlicher Grund, der die Annahme rechtfertigen würde, ein dergestalt verurkundeter Eheschluss unter Angehörigen der nämlichen Konfession leide an einer Ordnungswidrigkeit, die den Eintritt der staatsrechtlichen Folgen verhindert hätte, die einer in Grönland unter dänischer Gebietshoheit stattfindenden kirchlichen Trauung regelmässig zukommen.
Die hievon abweichenden Äusserungen, auf die der Beschwerdeführer sein Begehren stützt, beruhen z.T. auf ungenügender Kenntnis der massgebenden Rechtsordnung, z.T. auch auf reinen Vermutungen. Dies gilt sowohl von den Erklärungen des Missionars i. R. Friedrich Gärtner, wie auch von den gutachtlichen Äusserungen von Oberregierungsrat Dr. Franz Massfeller. Sie wären übrigens auch kaum vereinbar mit der Haltung der dänischen Behörden, die gegen die Eheschliessungen vor den Geistlichen der Herrnhuter Mission nicht eingeschritten sind. Ob nicht auch die Missionsleitung der Brüdergemeinde gezwungen gewesen wäre, gegen Eheschliessungen einzuschreiten, die - wie jetzt behauptet wird - mit der staatlichen Ordnung unvereinbar gewesen sein sollen, mag dahingestellt bleiben.
c) Die nach dänischem Recht gültig abgeschlossene Ehe ist nach Art. 25, Abs. 3 des BG vom 24. Dezember 1874 betr. den Zivilstand und die Ehe in der Schweiz als Ehe anzuerkennen. Der Einwand, die am 17. Juni 1877 geschlossene Ehe der Eltern des Beschwerdeführers sei nach schweizerischem Rechte unwirksam, ist daher unbegründet.
4. Der Beschwerdeführer macht ferner geltend, seine Mutter habe trotz der Heirat das schweizerische Bürgerrecht beibehalten und dasselbe sei auch auf ihn übergegangen, weil sein Vater im Zeitpunkt der Eheschliessung staatenlos gewesen sei. Dieser habe vor seiner Ausreise nach Grönland im Jahre 1873 in verbindlicher Weise auf das deutsche Bürgerrecht verzichtet.
a) Nach § 13, Ziff. 1 und 3 des deutschen Gesetzes vom 1. Juni 1870 über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit (die anderen Gründe kommen hier nicht in Betracht) geht die Staatsangehörigkeit nur verloren:
"1.) durch Entlassung auf Antrag (§§ 14 ff.);
..........
3.) durch zehnjährigen Aufenthalt im Auslande (§ 21);
.........."
Die Entlassung wird durch eine von der höhern Verwaltungsbehörde des Heimatstaates ausgefertigte Entlassungsurkunde erteilt (§ 14). Die Entlassungsurkunde bewirkt mit dem Zeitpunkte der Aushändigung den Verlust der Staatsangehörigkeit (§ 18, Abs. 1). Nach § 15 muss die Entlassung gewährt werden, wenn der Gesuchsteller nachweist, dass er in einem andern deutschen Bundesstaat die Staatsangehörigkeit erworben hat. Trifft diese Voraussetzung nicht zu (z.B. bei Verlassen des Reichsgebietes), so wird die Entlassung von dem Vorliegen bestimmter Voraussetzungen hinsichtlich der Wehrpflicht abhängig gemacht (§ 15, Abs. 2). In der Wehrpflicht liegende Gründe, die hier einer Entlassung entgegengestanden hätten, sind nicht nachgewiesen.
Der Verlust der Staatsangehörigkeit durch Aufenthalt im Auslande tritt ein, wenn Deutsche das Reichsgebiet verlassen und sich 10 Jahre lang ununterbrochen im Auslande aufhalten. Die Frist wird vom Zeitpunkte des Austrittes aus dem Bundesgebiet oder, wenn der Austretende sich im Besitz eines Reisepapieres oder Heimatscheines befindet, von dem Zeitpunkte des Ablaufs dieser Papiere an gerechnet. Sie wird unterbrochen durch die Eintragung in die Matrikel eines Bundeskonsulates (§ 21, Abs. 1). Der Verlust der Staatsangehörigkeit erstreckt sich zugleich auf die Ehefrau und auf die unter väterlicher Gewalt stehenden minderjährigen Kinder, soweit sie sich beim Ehemann, beziehungsweise Vater befinden (§ 21, Abs. 2). Deutsche, welche ihre Staatsangehörigkeit durch zehnjährigen Aufenthalt im Auslande verloren haben und in das Reichsgebiet zurückkehren, erwerben die Staatsangehörigkeit in demjenigen Bundesstaate, in welchem sie sich niedergelassen haben, durch eine von der höheren Verwaltungsbehörde ausgefertigte Aufnahmeurkunde, welche auf Nachsuchen erteilt werden muss (§ 21, Abs. 5).
b) Eine Entlassung aus der deutschen Staatsangehörigkeit ist nicht nachgewiesen. Der Beschwerdeführer behauptet, sein Vater habe bei Verlassen des Landes auf seine deutsche Staatsangehörigkeit verzichtet, und er beruft sich dafür auf verschiedene Zeugnisse, besonders auf dasjenige des Missionars i. R. Gärtner, der von dem Verzicht gesprächsweise Kenntnis erhalten habe. Ein Verzicht auf die Staatsangehörigkeit war aber nach der massgebenden Gesetzgebung wirkunglos, solange die Entlassung aus dem Staatsverbande nicht verfügt und dem Gesuchsteller eröffnet worden war. Nur die Aushändigung der Entlassungsurkunde bewirkt den Verlust der Staatsangehörigkeit (§ 18, Abs. 1). Es liegen aber weder Anhaltspunkte dafür vor, dass der Vater des Beschwerdeführers je im Besitze einer Entlassungsurkunde gewesen wäre, noch führten von amteswegen vorgenommene Erhebungen zu Feststellungen, die die Annahme zu rechtfertigen vermöchten, der Vater des Beschwerdeführers sei bei seiner Ausreise nach Grönland aus seiner angestammten Staatsangehörigkeit entlassen worden.
Dass er bei seiner Rückkehr nach Deutschland um die Jahrhundertwende von den deutschen Behörden nicht als deutscher Staatsangehörige anerkannt wurde, lässt lediglich darauf schliessen, dass er in jenem Zeitpunkt nicht mehr Deutscher war. Es besagt aber nichts über den Zeitpunkt des Verlustes des angestammten Bürgerrechts; vor allem nicht, dass der Verlust der Staatsangehörigkeit schon bei der Ausreise nach Grönland eingetreten war. Der Verlust kann eine Folge zehnjähriger Landesabwesenheit (§ 21, Abs. 1) gewesen sein.
Die Aufnahme in die deutsche Staatsangehörigkeit fand in Sachsen statt, wo er sich damals niederliess, also so, wie es eine ausdrückliche Anordnung des Gesetzes (§ 21, Abs. 5) vorsieht für den Fall, dass die deutsche Staatsangehörigkeit durch Landesabwesenheit verloren ging.
Der Umstand, dass der Beschwerdeführer selbst von den deutschen Behörden um die Jahrhundertwende als Nichtdeutscher behandelt wurde, bedeutet nicht, dass er von Geburt Nichtdeutscher war. Denn wenn sein Vater - wie nach der heutigen Aktenlage anzunehmen ist - die angestammte Staatsangehörigkeit durch zehnjährige Landesabwesenheit, also im Jahre 1883 verlor, so erstreckte sich der Verlust auch auf den in jenem Zeitpunkte minderjährigen Sohn (§ 21, Abs. 2).
Da ein Nachweis dafür fehlt, dass der Vater des Beschwerdeführers bei seiner Ausreise nach Grönland die Entlassung aus der deutschen Staatsangehörigkeit erwirkt hat und daher schon im Jahre 1878 nicht mehr Deutscher war, kann nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer ohne Annahme des angestammten Bürgerrechtes seiner Mutter von Geburt staatenlos gewesen wäre und deswegen von Geburt Schweizerbürger ist. | de | Schweizerbürgerrecht: 1. Erwerb und Verlust des Schweizerbürgerrechts richten sich nach dem bei Eintritt des massgebenden Tatbestandes geltenden Recht.
2. Gültigkeit einer 1877 in Grönland vor einem Missionar der Herrnhuter Brüdergemeinde abgeschlossenen Ehe zwischen einem deutschen Staatsangehörigen und einer gebürtigen Schweizerin.
3. Bürgerrecht eines 1878 in Grönland geborenen Kindes aus dieser Ehe. | de | constitutional law and administrative law and public international law | 1,954 | I | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-I-74%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
205 | 80 I 74 | Sachverhalt ab Seite 75
A.- Der Vater des Beschwerdeführers, Johann Gottlieb Adolf Riegel, geboren am 2. Februar 1845 in Stettin, war preusischer Staatsangehöriger. Er wanderte im Jahre 1873 nach Grönland aus, um dort als Missionar der Herrnhuter Brüdergemeinde zu wirken. Die Mutter des Beschwerdeführers, Katharina Stamm, geboren am 27. November 1844 in Thayngen, war vor ihrer Verheiratung Schweizerin. Sie liessen sich am 17. Juni 1877 in Neu-Herrnhut bei Gotthaab in Grönland von einem Missionar der Herrnhuter Brüdergemeinde kirchlich trauen. Eine bürgerliche Eheschliessung hat unbestrittenermassen nicht stattgefunden. Dieser Ehe entspross der heutige Beschwerdeführer, der am 6. September 1878 in Umanak (Grönland) geboren wurde. Er verehelichte sich am 11. März 1919 mit Käthe Hermine Amalie Margarete Schrader. Aus dieser Ehe gingen 2 Kinder hervor: die am 28. Juli 1921 geborene Tochter Eva Renate und der am 18. August 1923 geborene Sohn Fritz Adolf.
B.- Der Beschwerdeführer macht geltend:
a) dass die von seinen Eltern eingegangene Ehe ungültig sei. Aus diesem Grunde habe er als aussereheliches Kind seiner Mutter zu gelten. Da seine Mutter infolge Ungültigkeit der Ehe Schweizerin geblieben sei, sei er gemäss Art. 1 lit. b des Bürgerrechtsgesetzes mit der Geburt Schweizerbürger geworden;
b) dass sein Vater im Zeitpunkt der Eingehung der Ehe staatenlos gewesen sei. Er habe daher weiterhin auch gemäss Art. 5 Abs. 1 des Bürgerrechtsgesetzes das Schweizerbürgerrecht seiner Mutter mit der Geburt erworben.
C.- Der Regierungsrat des Kantons Schaffhausen hat mit Entscheid vom 15. Mai 1953 festgestellt, dass der Beschwerdeführer nicht Bürger der Gemeinde Thayngen, des Kantons Schaffhausen und der schweizerischen Eidgenossenschaft sei. Die Voraussetzungen, unter denen der Beschwerdeführer das Schweizerbürgerrecht erworben haben will, träfen nicht zu.
D.- Gegen diesen Entscheid richtet sich die vorliegende rechtzeitig und formrichtig eingereichte Beschwerde mit dem Antrag:
Es sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und es sei von Amtes wegen festzustellen, dass der Gesuchsteller und Beschwerdeführer Schweizerbürger sei. Zur Begründung macht der Beschwerdeführer wie in der Vorinstanz geltend, dass die Ehe seiner Eltern ungültig sei und dass sein Vater im Zeitpunkt der Eheschliessung staatenlos gewesen sei. Auf Einzelheiten wird, soweit nötig, in den Erwägungen zurückgekommen.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen
Erwägungen
in Erwägung:
1. Mit der Beschwerde wird geltend gemacht, der angefochtene Entscheid des Regierungsrates von Schaffhausen verstosse gegen Art. 4 BV und verletze Art. 1, litt. b, ev. Art. 5, Abs. 1 des BG. vom 29. September 1952 über Erwerb und Verlust des Schweizerbürgerrechts (BRG).
Beschwerden gegen Entscheide über den Bestand oder Nichtbestand des Schweizerbürgerrechts sind vom Bundesgericht auf Grund freier Überprüfung zu beurteilen, nicht nur unter dem verfassungsrechtlichen Gesichtspunkte von Willkür und Verletzung klaren Rechtes. Der Berufung auf Art. 4 BV kommt daher in diesem Verfahren keine Bedeutung zu.
Art. 1 und 5 BRG können durch den Entscheid des Regierungsrates nicht verletzt sein, weil dem BRG keine rückwirkende Kraft zukommt. Erwerb und Verlust des Schweizerbürgerrechts richten sich nach dem bei Eintritt des massgebenden Tatbestandes geltenden Recht (Art. 57, Abs. 2 BRG). Hier handelt es sich um Tatbestände, die auf die Jahre 1873, 1877 und 1878 zurückgehen. Die Beschwerde ist daher als Rüge der Verletzung des für diese Tatbestände geltenden Bundesrechtes entgegenzunehmen.
2. Sachlich stimmen allerdings die in Art. 1, lit. b und Art. 5, Abs. 1 ausgesprochenen Grundsätze mit der früheren, ursprünglich auf Gewohnheitsrecht beruhenden Ordnung des Bürgerrechts der Kinder einer gebürtigen Schweizerin überein. Die Entscheidung hängt daher davon ab, ob die Ehe der Eltern des Beschwerdeführers tatsächlich - wie in der Beschwerde behauptet wird - ungültig war und ob der Vater des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Eheschliessung (1877) tatsächlich staatenlos war.
3. Für die Form der Eheschliessung gilt heute im internationalen Privatrecht und galt auch schon zur Zeit der Eheschliessung der Eltern des Beschwerdeführers (1877) der Grundsatz locus regit actum, d.h. die Eheschliessung wird auch im Heimatstaat als gültig anerkannt, wenn sie nach den Formen des Landes des tatsächlichen Eheabschlusses gültig vollzogen wurde. (Für das damalige preussische Recht: BAR: Internationales Privatrecht S. 324/25; für die Schweiz: Art. 25 Abs. 3 des BG betreffend Feststellung und Beurkundung des Zivilstandes und die Ehe, vom 24. Dezember 1874).
Die Ehe der Eltern des Beschwerdeführers wird daher von den deutschen und den schweizerischen Behörden als gültig anerkannt, wenn sie nach dem zur Zeit der Eheschliessung in Grönland geltenden Recht abgeschlossen worden ist. Unbestritten ist, dass die Eheschliessung in einem Gebiete Grönlands stattfand, das damals der dänischen Gebietshoheit unterstand. Die Ehe muss daher als gültig abgeschlossen angesehen werden, wenn sie den s. Zt. in Grönland geltenden Formen entsprach.
a) Der Regierungsrat hat im wesentlichen auf Auskünfte abgestellt, die beim dänischen Justizministerium eingezogen worden waren und aus denen unzweideutig hervorgeht, dass die in Grönland durch Geistliche der Herrnhuter Mission geschlossenen Ehen zwischen Angehörigen der Mission - um solche handelt es sich hier - zulässig und anerkannt waren und über diese Ehen besondere Register geführt wurden.
Die Feststellung findet ihre Bestätigung in der Literatur, aus der entnommen werden kann, dass nach skandinavischem Zivilrecht seit Jahrhunderten die Ehe im allgemeinen vor dem Pfarrer der Kirchgemeinde geschlossen wurde und die zivilrechtliche Gültigkeit der Ehe im wesentlichen von der Beachtung gewisser Formen abhing (LEHR: Elément de droit civil scandinave, Danemark, Norvège, Suède, Ausg. 1901, S. 293 f.; vgl. auch GLASSON, Mariage civil, II. Aufl. 1880, S. 433). Für Grönland speziell wird in BERGMANN: Intern. Ehe- und Kindschaftsrecht, II. Aufl. 1938, S. 83, festgestellt, dass auch nach Erlass des dänischen Gesetzes vom 30. Juni 1922 über die Eingehung und Auflösung der Ehe kein kodifiziertes Eherecht bestand; "in der Praxis werden die für die evangelischlutherische Kirche geltenden Vorschriften beachtet". Für die Zeit vor Erlass dieses Gesetzes ergibt sich sodann aus LESKE und LÖWENFELD: Rechtsverfolgung im internationalen Verkehr, Bd. IV, Eherecht, S. 441, ausserdem, dass Ausnahmen von den kirchlichen Formen (Aufgebot, Trauung in der Kirche) auf Grund königlicher Bewilligungen sehr leicht gemacht wurden, "sodass die Trauung ohne Aufgebot, zu Hause und durch einen beliebigen Pfarrer vorgenommen werden kann". Die kirchliche Trauung war die Regel. Die bürgerliche Ehe wurde nur als Nothilfe anerkannt in Fällen, in denen kein Pfarrer verpflichtet war, die Brautleute zu trauen, was etwa bei Verschiedenheit der Konfession vorkommen konnte (LESKE-LÖWENFELD, a.a.O. S. 440), hier aber gerade nicht zutraf.
b) Nach einer bei den Akten liegenden Bescheinigung der Brüder-Unität in Herrnhut, vom 22. Juni 1946, sind die Eheleute Riegel-Stamm am 17. Juni 1877 durch den Missionar der Brüder-Unität Carl Julius Spindler in dessen Wohnstube in Gegenwart mehrerer Zeugen kirchlich getraut worden. Die Trauung ist im Trauregister der Evangelischen Brüderkirche in Neu-Herrnhut (Grönland) (Missionskirchenbuch B. S. 21 Nr. 19) eingetragen. Der Eintrag ist durch einen von der Herrnhuter Missions- Direktion ausgefertigten Auszug aus dem Trauregister nachgewiesen.
Es besteht kein ersichtlicher Grund, der die Annahme rechtfertigen würde, ein dergestalt verurkundeter Eheschluss unter Angehörigen der nämlichen Konfession leide an einer Ordnungswidrigkeit, die den Eintritt der staatsrechtlichen Folgen verhindert hätte, die einer in Grönland unter dänischer Gebietshoheit stattfindenden kirchlichen Trauung regelmässig zukommen.
Die hievon abweichenden Äusserungen, auf die der Beschwerdeführer sein Begehren stützt, beruhen z.T. auf ungenügender Kenntnis der massgebenden Rechtsordnung, z.T. auch auf reinen Vermutungen. Dies gilt sowohl von den Erklärungen des Missionars i. R. Friedrich Gärtner, wie auch von den gutachtlichen Äusserungen von Oberregierungsrat Dr. Franz Massfeller. Sie wären übrigens auch kaum vereinbar mit der Haltung der dänischen Behörden, die gegen die Eheschliessungen vor den Geistlichen der Herrnhuter Mission nicht eingeschritten sind. Ob nicht auch die Missionsleitung der Brüdergemeinde gezwungen gewesen wäre, gegen Eheschliessungen einzuschreiten, die - wie jetzt behauptet wird - mit der staatlichen Ordnung unvereinbar gewesen sein sollen, mag dahingestellt bleiben.
c) Die nach dänischem Recht gültig abgeschlossene Ehe ist nach Art. 25, Abs. 3 des BG vom 24. Dezember 1874 betr. den Zivilstand und die Ehe in der Schweiz als Ehe anzuerkennen. Der Einwand, die am 17. Juni 1877 geschlossene Ehe der Eltern des Beschwerdeführers sei nach schweizerischem Rechte unwirksam, ist daher unbegründet.
4. Der Beschwerdeführer macht ferner geltend, seine Mutter habe trotz der Heirat das schweizerische Bürgerrecht beibehalten und dasselbe sei auch auf ihn übergegangen, weil sein Vater im Zeitpunkt der Eheschliessung staatenlos gewesen sei. Dieser habe vor seiner Ausreise nach Grönland im Jahre 1873 in verbindlicher Weise auf das deutsche Bürgerrecht verzichtet.
a) Nach § 13, Ziff. 1 und 3 des deutschen Gesetzes vom 1. Juni 1870 über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit (die anderen Gründe kommen hier nicht in Betracht) geht die Staatsangehörigkeit nur verloren:
"1.) durch Entlassung auf Antrag (§§ 14 ff.);
..........
3.) durch zehnjährigen Aufenthalt im Auslande (§ 21);
.........."
Die Entlassung wird durch eine von der höhern Verwaltungsbehörde des Heimatstaates ausgefertigte Entlassungsurkunde erteilt (§ 14). Die Entlassungsurkunde bewirkt mit dem Zeitpunkte der Aushändigung den Verlust der Staatsangehörigkeit (§ 18, Abs. 1). Nach § 15 muss die Entlassung gewährt werden, wenn der Gesuchsteller nachweist, dass er in einem andern deutschen Bundesstaat die Staatsangehörigkeit erworben hat. Trifft diese Voraussetzung nicht zu (z.B. bei Verlassen des Reichsgebietes), so wird die Entlassung von dem Vorliegen bestimmter Voraussetzungen hinsichtlich der Wehrpflicht abhängig gemacht (§ 15, Abs. 2). In der Wehrpflicht liegende Gründe, die hier einer Entlassung entgegengestanden hätten, sind nicht nachgewiesen.
Der Verlust der Staatsangehörigkeit durch Aufenthalt im Auslande tritt ein, wenn Deutsche das Reichsgebiet verlassen und sich 10 Jahre lang ununterbrochen im Auslande aufhalten. Die Frist wird vom Zeitpunkte des Austrittes aus dem Bundesgebiet oder, wenn der Austretende sich im Besitz eines Reisepapieres oder Heimatscheines befindet, von dem Zeitpunkte des Ablaufs dieser Papiere an gerechnet. Sie wird unterbrochen durch die Eintragung in die Matrikel eines Bundeskonsulates (§ 21, Abs. 1). Der Verlust der Staatsangehörigkeit erstreckt sich zugleich auf die Ehefrau und auf die unter väterlicher Gewalt stehenden minderjährigen Kinder, soweit sie sich beim Ehemann, beziehungsweise Vater befinden (§ 21, Abs. 2). Deutsche, welche ihre Staatsangehörigkeit durch zehnjährigen Aufenthalt im Auslande verloren haben und in das Reichsgebiet zurückkehren, erwerben die Staatsangehörigkeit in demjenigen Bundesstaate, in welchem sie sich niedergelassen haben, durch eine von der höheren Verwaltungsbehörde ausgefertigte Aufnahmeurkunde, welche auf Nachsuchen erteilt werden muss (§ 21, Abs. 5).
b) Eine Entlassung aus der deutschen Staatsangehörigkeit ist nicht nachgewiesen. Der Beschwerdeführer behauptet, sein Vater habe bei Verlassen des Landes auf seine deutsche Staatsangehörigkeit verzichtet, und er beruft sich dafür auf verschiedene Zeugnisse, besonders auf dasjenige des Missionars i. R. Gärtner, der von dem Verzicht gesprächsweise Kenntnis erhalten habe. Ein Verzicht auf die Staatsangehörigkeit war aber nach der massgebenden Gesetzgebung wirkunglos, solange die Entlassung aus dem Staatsverbande nicht verfügt und dem Gesuchsteller eröffnet worden war. Nur die Aushändigung der Entlassungsurkunde bewirkt den Verlust der Staatsangehörigkeit (§ 18, Abs. 1). Es liegen aber weder Anhaltspunkte dafür vor, dass der Vater des Beschwerdeführers je im Besitze einer Entlassungsurkunde gewesen wäre, noch führten von amteswegen vorgenommene Erhebungen zu Feststellungen, die die Annahme zu rechtfertigen vermöchten, der Vater des Beschwerdeführers sei bei seiner Ausreise nach Grönland aus seiner angestammten Staatsangehörigkeit entlassen worden.
Dass er bei seiner Rückkehr nach Deutschland um die Jahrhundertwende von den deutschen Behörden nicht als deutscher Staatsangehörige anerkannt wurde, lässt lediglich darauf schliessen, dass er in jenem Zeitpunkt nicht mehr Deutscher war. Es besagt aber nichts über den Zeitpunkt des Verlustes des angestammten Bürgerrechts; vor allem nicht, dass der Verlust der Staatsangehörigkeit schon bei der Ausreise nach Grönland eingetreten war. Der Verlust kann eine Folge zehnjähriger Landesabwesenheit (§ 21, Abs. 1) gewesen sein.
Die Aufnahme in die deutsche Staatsangehörigkeit fand in Sachsen statt, wo er sich damals niederliess, also so, wie es eine ausdrückliche Anordnung des Gesetzes (§ 21, Abs. 5) vorsieht für den Fall, dass die deutsche Staatsangehörigkeit durch Landesabwesenheit verloren ging.
Der Umstand, dass der Beschwerdeführer selbst von den deutschen Behörden um die Jahrhundertwende als Nichtdeutscher behandelt wurde, bedeutet nicht, dass er von Geburt Nichtdeutscher war. Denn wenn sein Vater - wie nach der heutigen Aktenlage anzunehmen ist - die angestammte Staatsangehörigkeit durch zehnjährige Landesabwesenheit, also im Jahre 1883 verlor, so erstreckte sich der Verlust auch auf den in jenem Zeitpunkte minderjährigen Sohn (§ 21, Abs. 2).
Da ein Nachweis dafür fehlt, dass der Vater des Beschwerdeführers bei seiner Ausreise nach Grönland die Entlassung aus der deutschen Staatsangehörigkeit erwirkt hat und daher schon im Jahre 1878 nicht mehr Deutscher war, kann nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer ohne Annahme des angestammten Bürgerrechtes seiner Mutter von Geburt staatenlos gewesen wäre und deswegen von Geburt Schweizerbürger ist. | de | Nationalité suisse: 1. L'acquisition et la perte de la nationalité suisse relèvent du droit en vigueur au moment où se produisent les faits déterminants.
2. Validité d'un mariage célébré en 1877, au Groenland, par un missionnaire appartenant à une communauté de frères moraves entre un ressortissant allemand et une Suissesse par droit de naissance.
3. Nationalité d'un enfant issu de ce mariage et né en 1878 au Groenland. | fr | constitutional law and administrative law and public international law | 1,954 | I | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-I-74%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
206 | 80 I 74 | Sachverhalt ab Seite 75
A.- Der Vater des Beschwerdeführers, Johann Gottlieb Adolf Riegel, geboren am 2. Februar 1845 in Stettin, war preusischer Staatsangehöriger. Er wanderte im Jahre 1873 nach Grönland aus, um dort als Missionar der Herrnhuter Brüdergemeinde zu wirken. Die Mutter des Beschwerdeführers, Katharina Stamm, geboren am 27. November 1844 in Thayngen, war vor ihrer Verheiratung Schweizerin. Sie liessen sich am 17. Juni 1877 in Neu-Herrnhut bei Gotthaab in Grönland von einem Missionar der Herrnhuter Brüdergemeinde kirchlich trauen. Eine bürgerliche Eheschliessung hat unbestrittenermassen nicht stattgefunden. Dieser Ehe entspross der heutige Beschwerdeführer, der am 6. September 1878 in Umanak (Grönland) geboren wurde. Er verehelichte sich am 11. März 1919 mit Käthe Hermine Amalie Margarete Schrader. Aus dieser Ehe gingen 2 Kinder hervor: die am 28. Juli 1921 geborene Tochter Eva Renate und der am 18. August 1923 geborene Sohn Fritz Adolf.
B.- Der Beschwerdeführer macht geltend:
a) dass die von seinen Eltern eingegangene Ehe ungültig sei. Aus diesem Grunde habe er als aussereheliches Kind seiner Mutter zu gelten. Da seine Mutter infolge Ungültigkeit der Ehe Schweizerin geblieben sei, sei er gemäss Art. 1 lit. b des Bürgerrechtsgesetzes mit der Geburt Schweizerbürger geworden;
b) dass sein Vater im Zeitpunkt der Eingehung der Ehe staatenlos gewesen sei. Er habe daher weiterhin auch gemäss Art. 5 Abs. 1 des Bürgerrechtsgesetzes das Schweizerbürgerrecht seiner Mutter mit der Geburt erworben.
C.- Der Regierungsrat des Kantons Schaffhausen hat mit Entscheid vom 15. Mai 1953 festgestellt, dass der Beschwerdeführer nicht Bürger der Gemeinde Thayngen, des Kantons Schaffhausen und der schweizerischen Eidgenossenschaft sei. Die Voraussetzungen, unter denen der Beschwerdeführer das Schweizerbürgerrecht erworben haben will, träfen nicht zu.
D.- Gegen diesen Entscheid richtet sich die vorliegende rechtzeitig und formrichtig eingereichte Beschwerde mit dem Antrag:
Es sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und es sei von Amtes wegen festzustellen, dass der Gesuchsteller und Beschwerdeführer Schweizerbürger sei. Zur Begründung macht der Beschwerdeführer wie in der Vorinstanz geltend, dass die Ehe seiner Eltern ungültig sei und dass sein Vater im Zeitpunkt der Eheschliessung staatenlos gewesen sei. Auf Einzelheiten wird, soweit nötig, in den Erwägungen zurückgekommen.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen
Erwägungen
in Erwägung:
1. Mit der Beschwerde wird geltend gemacht, der angefochtene Entscheid des Regierungsrates von Schaffhausen verstosse gegen Art. 4 BV und verletze Art. 1, litt. b, ev. Art. 5, Abs. 1 des BG. vom 29. September 1952 über Erwerb und Verlust des Schweizerbürgerrechts (BRG).
Beschwerden gegen Entscheide über den Bestand oder Nichtbestand des Schweizerbürgerrechts sind vom Bundesgericht auf Grund freier Überprüfung zu beurteilen, nicht nur unter dem verfassungsrechtlichen Gesichtspunkte von Willkür und Verletzung klaren Rechtes. Der Berufung auf Art. 4 BV kommt daher in diesem Verfahren keine Bedeutung zu.
Art. 1 und 5 BRG können durch den Entscheid des Regierungsrates nicht verletzt sein, weil dem BRG keine rückwirkende Kraft zukommt. Erwerb und Verlust des Schweizerbürgerrechts richten sich nach dem bei Eintritt des massgebenden Tatbestandes geltenden Recht (Art. 57, Abs. 2 BRG). Hier handelt es sich um Tatbestände, die auf die Jahre 1873, 1877 und 1878 zurückgehen. Die Beschwerde ist daher als Rüge der Verletzung des für diese Tatbestände geltenden Bundesrechtes entgegenzunehmen.
2. Sachlich stimmen allerdings die in Art. 1, lit. b und Art. 5, Abs. 1 ausgesprochenen Grundsätze mit der früheren, ursprünglich auf Gewohnheitsrecht beruhenden Ordnung des Bürgerrechts der Kinder einer gebürtigen Schweizerin überein. Die Entscheidung hängt daher davon ab, ob die Ehe der Eltern des Beschwerdeführers tatsächlich - wie in der Beschwerde behauptet wird - ungültig war und ob der Vater des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Eheschliessung (1877) tatsächlich staatenlos war.
3. Für die Form der Eheschliessung gilt heute im internationalen Privatrecht und galt auch schon zur Zeit der Eheschliessung der Eltern des Beschwerdeführers (1877) der Grundsatz locus regit actum, d.h. die Eheschliessung wird auch im Heimatstaat als gültig anerkannt, wenn sie nach den Formen des Landes des tatsächlichen Eheabschlusses gültig vollzogen wurde. (Für das damalige preussische Recht: BAR: Internationales Privatrecht S. 324/25; für die Schweiz: Art. 25 Abs. 3 des BG betreffend Feststellung und Beurkundung des Zivilstandes und die Ehe, vom 24. Dezember 1874).
Die Ehe der Eltern des Beschwerdeführers wird daher von den deutschen und den schweizerischen Behörden als gültig anerkannt, wenn sie nach dem zur Zeit der Eheschliessung in Grönland geltenden Recht abgeschlossen worden ist. Unbestritten ist, dass die Eheschliessung in einem Gebiete Grönlands stattfand, das damals der dänischen Gebietshoheit unterstand. Die Ehe muss daher als gültig abgeschlossen angesehen werden, wenn sie den s. Zt. in Grönland geltenden Formen entsprach.
a) Der Regierungsrat hat im wesentlichen auf Auskünfte abgestellt, die beim dänischen Justizministerium eingezogen worden waren und aus denen unzweideutig hervorgeht, dass die in Grönland durch Geistliche der Herrnhuter Mission geschlossenen Ehen zwischen Angehörigen der Mission - um solche handelt es sich hier - zulässig und anerkannt waren und über diese Ehen besondere Register geführt wurden.
Die Feststellung findet ihre Bestätigung in der Literatur, aus der entnommen werden kann, dass nach skandinavischem Zivilrecht seit Jahrhunderten die Ehe im allgemeinen vor dem Pfarrer der Kirchgemeinde geschlossen wurde und die zivilrechtliche Gültigkeit der Ehe im wesentlichen von der Beachtung gewisser Formen abhing (LEHR: Elément de droit civil scandinave, Danemark, Norvège, Suède, Ausg. 1901, S. 293 f.; vgl. auch GLASSON, Mariage civil, II. Aufl. 1880, S. 433). Für Grönland speziell wird in BERGMANN: Intern. Ehe- und Kindschaftsrecht, II. Aufl. 1938, S. 83, festgestellt, dass auch nach Erlass des dänischen Gesetzes vom 30. Juni 1922 über die Eingehung und Auflösung der Ehe kein kodifiziertes Eherecht bestand; "in der Praxis werden die für die evangelischlutherische Kirche geltenden Vorschriften beachtet". Für die Zeit vor Erlass dieses Gesetzes ergibt sich sodann aus LESKE und LÖWENFELD: Rechtsverfolgung im internationalen Verkehr, Bd. IV, Eherecht, S. 441, ausserdem, dass Ausnahmen von den kirchlichen Formen (Aufgebot, Trauung in der Kirche) auf Grund königlicher Bewilligungen sehr leicht gemacht wurden, "sodass die Trauung ohne Aufgebot, zu Hause und durch einen beliebigen Pfarrer vorgenommen werden kann". Die kirchliche Trauung war die Regel. Die bürgerliche Ehe wurde nur als Nothilfe anerkannt in Fällen, in denen kein Pfarrer verpflichtet war, die Brautleute zu trauen, was etwa bei Verschiedenheit der Konfession vorkommen konnte (LESKE-LÖWENFELD, a.a.O. S. 440), hier aber gerade nicht zutraf.
b) Nach einer bei den Akten liegenden Bescheinigung der Brüder-Unität in Herrnhut, vom 22. Juni 1946, sind die Eheleute Riegel-Stamm am 17. Juni 1877 durch den Missionar der Brüder-Unität Carl Julius Spindler in dessen Wohnstube in Gegenwart mehrerer Zeugen kirchlich getraut worden. Die Trauung ist im Trauregister der Evangelischen Brüderkirche in Neu-Herrnhut (Grönland) (Missionskirchenbuch B. S. 21 Nr. 19) eingetragen. Der Eintrag ist durch einen von der Herrnhuter Missions- Direktion ausgefertigten Auszug aus dem Trauregister nachgewiesen.
Es besteht kein ersichtlicher Grund, der die Annahme rechtfertigen würde, ein dergestalt verurkundeter Eheschluss unter Angehörigen der nämlichen Konfession leide an einer Ordnungswidrigkeit, die den Eintritt der staatsrechtlichen Folgen verhindert hätte, die einer in Grönland unter dänischer Gebietshoheit stattfindenden kirchlichen Trauung regelmässig zukommen.
Die hievon abweichenden Äusserungen, auf die der Beschwerdeführer sein Begehren stützt, beruhen z.T. auf ungenügender Kenntnis der massgebenden Rechtsordnung, z.T. auch auf reinen Vermutungen. Dies gilt sowohl von den Erklärungen des Missionars i. R. Friedrich Gärtner, wie auch von den gutachtlichen Äusserungen von Oberregierungsrat Dr. Franz Massfeller. Sie wären übrigens auch kaum vereinbar mit der Haltung der dänischen Behörden, die gegen die Eheschliessungen vor den Geistlichen der Herrnhuter Mission nicht eingeschritten sind. Ob nicht auch die Missionsleitung der Brüdergemeinde gezwungen gewesen wäre, gegen Eheschliessungen einzuschreiten, die - wie jetzt behauptet wird - mit der staatlichen Ordnung unvereinbar gewesen sein sollen, mag dahingestellt bleiben.
c) Die nach dänischem Recht gültig abgeschlossene Ehe ist nach Art. 25, Abs. 3 des BG vom 24. Dezember 1874 betr. den Zivilstand und die Ehe in der Schweiz als Ehe anzuerkennen. Der Einwand, die am 17. Juni 1877 geschlossene Ehe der Eltern des Beschwerdeführers sei nach schweizerischem Rechte unwirksam, ist daher unbegründet.
4. Der Beschwerdeführer macht ferner geltend, seine Mutter habe trotz der Heirat das schweizerische Bürgerrecht beibehalten und dasselbe sei auch auf ihn übergegangen, weil sein Vater im Zeitpunkt der Eheschliessung staatenlos gewesen sei. Dieser habe vor seiner Ausreise nach Grönland im Jahre 1873 in verbindlicher Weise auf das deutsche Bürgerrecht verzichtet.
a) Nach § 13, Ziff. 1 und 3 des deutschen Gesetzes vom 1. Juni 1870 über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit (die anderen Gründe kommen hier nicht in Betracht) geht die Staatsangehörigkeit nur verloren:
"1.) durch Entlassung auf Antrag (§§ 14 ff.);
..........
3.) durch zehnjährigen Aufenthalt im Auslande (§ 21);
.........."
Die Entlassung wird durch eine von der höhern Verwaltungsbehörde des Heimatstaates ausgefertigte Entlassungsurkunde erteilt (§ 14). Die Entlassungsurkunde bewirkt mit dem Zeitpunkte der Aushändigung den Verlust der Staatsangehörigkeit (§ 18, Abs. 1). Nach § 15 muss die Entlassung gewährt werden, wenn der Gesuchsteller nachweist, dass er in einem andern deutschen Bundesstaat die Staatsangehörigkeit erworben hat. Trifft diese Voraussetzung nicht zu (z.B. bei Verlassen des Reichsgebietes), so wird die Entlassung von dem Vorliegen bestimmter Voraussetzungen hinsichtlich der Wehrpflicht abhängig gemacht (§ 15, Abs. 2). In der Wehrpflicht liegende Gründe, die hier einer Entlassung entgegengestanden hätten, sind nicht nachgewiesen.
Der Verlust der Staatsangehörigkeit durch Aufenthalt im Auslande tritt ein, wenn Deutsche das Reichsgebiet verlassen und sich 10 Jahre lang ununterbrochen im Auslande aufhalten. Die Frist wird vom Zeitpunkte des Austrittes aus dem Bundesgebiet oder, wenn der Austretende sich im Besitz eines Reisepapieres oder Heimatscheines befindet, von dem Zeitpunkte des Ablaufs dieser Papiere an gerechnet. Sie wird unterbrochen durch die Eintragung in die Matrikel eines Bundeskonsulates (§ 21, Abs. 1). Der Verlust der Staatsangehörigkeit erstreckt sich zugleich auf die Ehefrau und auf die unter väterlicher Gewalt stehenden minderjährigen Kinder, soweit sie sich beim Ehemann, beziehungsweise Vater befinden (§ 21, Abs. 2). Deutsche, welche ihre Staatsangehörigkeit durch zehnjährigen Aufenthalt im Auslande verloren haben und in das Reichsgebiet zurückkehren, erwerben die Staatsangehörigkeit in demjenigen Bundesstaate, in welchem sie sich niedergelassen haben, durch eine von der höheren Verwaltungsbehörde ausgefertigte Aufnahmeurkunde, welche auf Nachsuchen erteilt werden muss (§ 21, Abs. 5).
b) Eine Entlassung aus der deutschen Staatsangehörigkeit ist nicht nachgewiesen. Der Beschwerdeführer behauptet, sein Vater habe bei Verlassen des Landes auf seine deutsche Staatsangehörigkeit verzichtet, und er beruft sich dafür auf verschiedene Zeugnisse, besonders auf dasjenige des Missionars i. R. Gärtner, der von dem Verzicht gesprächsweise Kenntnis erhalten habe. Ein Verzicht auf die Staatsangehörigkeit war aber nach der massgebenden Gesetzgebung wirkunglos, solange die Entlassung aus dem Staatsverbande nicht verfügt und dem Gesuchsteller eröffnet worden war. Nur die Aushändigung der Entlassungsurkunde bewirkt den Verlust der Staatsangehörigkeit (§ 18, Abs. 1). Es liegen aber weder Anhaltspunkte dafür vor, dass der Vater des Beschwerdeführers je im Besitze einer Entlassungsurkunde gewesen wäre, noch führten von amteswegen vorgenommene Erhebungen zu Feststellungen, die die Annahme zu rechtfertigen vermöchten, der Vater des Beschwerdeführers sei bei seiner Ausreise nach Grönland aus seiner angestammten Staatsangehörigkeit entlassen worden.
Dass er bei seiner Rückkehr nach Deutschland um die Jahrhundertwende von den deutschen Behörden nicht als deutscher Staatsangehörige anerkannt wurde, lässt lediglich darauf schliessen, dass er in jenem Zeitpunkt nicht mehr Deutscher war. Es besagt aber nichts über den Zeitpunkt des Verlustes des angestammten Bürgerrechts; vor allem nicht, dass der Verlust der Staatsangehörigkeit schon bei der Ausreise nach Grönland eingetreten war. Der Verlust kann eine Folge zehnjähriger Landesabwesenheit (§ 21, Abs. 1) gewesen sein.
Die Aufnahme in die deutsche Staatsangehörigkeit fand in Sachsen statt, wo er sich damals niederliess, also so, wie es eine ausdrückliche Anordnung des Gesetzes (§ 21, Abs. 5) vorsieht für den Fall, dass die deutsche Staatsangehörigkeit durch Landesabwesenheit verloren ging.
Der Umstand, dass der Beschwerdeführer selbst von den deutschen Behörden um die Jahrhundertwende als Nichtdeutscher behandelt wurde, bedeutet nicht, dass er von Geburt Nichtdeutscher war. Denn wenn sein Vater - wie nach der heutigen Aktenlage anzunehmen ist - die angestammte Staatsangehörigkeit durch zehnjährige Landesabwesenheit, also im Jahre 1883 verlor, so erstreckte sich der Verlust auch auf den in jenem Zeitpunkte minderjährigen Sohn (§ 21, Abs. 2).
Da ein Nachweis dafür fehlt, dass der Vater des Beschwerdeführers bei seiner Ausreise nach Grönland die Entlassung aus der deutschen Staatsangehörigkeit erwirkt hat und daher schon im Jahre 1878 nicht mehr Deutscher war, kann nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer ohne Annahme des angestammten Bürgerrechtes seiner Mutter von Geburt staatenlos gewesen wäre und deswegen von Geburt Schweizerbürger ist. | de | Cittadinanza svizzera. 1. L'acquisto e la perdita della cittadinanza svizzera sono disciplinati dal diritto in vigore al momento in cui si produssero i fatti determinanti.
2. Validità d'un matrimonio celebrato nel 1877 in Groenlandia da un missionario appartenente alla setta dei fratelli moravi tra un cittadino germanico ed una donna svizzera di nascita.
3. Cittadinanza del figlio nato da questo matrimonio nel 1878 in Groenlandia. | it | constitutional law and administrative law and public international law | 1,954 | I | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-I-74%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
207 | 80 I 82 | Sachverhalt ab Seite 83
A.- Der Beschwerdeführer ist, nach einer zweijährigen Berufslehre als Landwirt und nach praktischer Betätigung in verschiedenen Landwirtschaftsbetrieben, im Jahre 1928 in den Dienst der eidgenössischen landwirtschaftlichen Versuchsanstalt Örlikon eingetreten. Von 1928-1930 war er daselbst in der Stellung eines Angestellten, auf den 1. Januar 1931 wurde er in das Amt eines Laboratoriumsgehilfen (21. Besoldungsklasse) gewählt und blieb seither in dieser Stellung. Seine Tätigkeit bestand während nahezu 25 Jahren im wesentlichen in der Vornahme von Trockensubstanzbestimmungen. Vom 1. Oktober 1945 bis Ende Oktober 1946 leitete er nebenamtlich die Beratungszentrale bei der Gemeindeackerbaustelle in Zürich.
Im Dezember 1951 wurde ihm von der Anstalt mündlich eröffnet und anschliessend schriftlich bestätigt, dass ihm eine andere Tätigkeit zugewiesen werde, da er die ihm übertragene Aufgabe in den letzten Jahren nicht mehr so erledigt habe, wie es wünschbar gewesen wäre. Er werde auf den 1. Januar 1952 der Arbeitsgruppe Vogt zugeteilt. Es bestehe die Aussicht, ihn später wieder mit einer selbständigen Arbeit zu betrauen. Gedacht werde dabei an eine Tätigkeit in einem Gewächshaus für den Kartoffelknollentest, das man in absehbarer Zeit zu errichten hoffe. Die Verfügung wurde am 19. Mai 1952 durch Beschwerdeentscheid der Abteilung für Landwirtschaft bestätigt. Dieser Entscheid wurde nicht weitergezogen.
Inzwischen war der Entscheid der Abteilung für Landwirtschaft, nach welchem er bei der Arbeitsgruppe Vogt zugeteilt bleiben werde, Luisoni bereits am 1. Mai 1952 mündlich eröffnet worden. Daraufhin meldete sich der Beschwerdeführer am 2. Mai krank. Dieses Verhalten veranlasste eingehende Untersuchungen über den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers. Einzelheiten können hier auf sich beruhen bleiben. Das Endergebnis war, dass das eidg. Volkswirtschaftsdepartement den Beschwerdeführer mit Verfügung vom 26. November 1953 wegen durch den verwaltungsärztlichen Dienst festgestellter Invalidität mit Wirkung auf 1. Dezember 1953 der eidg. Versicherungskasse überwies.
B.- Gegen diese Verfügung richtet Luisoni eine Disziplinarbeschwerde. Er beantragt, die Verfügung aufzuheben und ihn in seinem Amte als Laboratoriumsgehilfen zu bestätigen.
Zur Begründung wird im wesentlichen geltend gemacht, das gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfahren sei in Wirklichkeit ein Disziplinarverfahren, die "Invalidierungsverfügung" der Abschluss dieses Verfahrens. Sie bilde daher, wenn auch unter anderer Bezeichnung und Begründung, eine disziplinarische Entlassung.
C.- Das eidg. Volkswirtschaftsdepartement beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten.
Das Bundesgericht hat das Eintreten auf die Beschwerde abgelehnt
Erwägungen
in Erwägung:
1. Nach Art. 117 OG ist in Disziplinarfällen die Beschwerde an das Bundesgericht u.a. gegen Verfügungen zulässig, durch die der Beamte wegen Verletzung seiner Dienstpflichten entlassen wird. Das sind zunächst die Verfügungen, in denen Dienstpflichtverletzungen als Entlassungsgrund aufgeführt werden. Unerheblich ist, wie die Verwaltung die Entlassung charakterisiert, ob sie sie als Disziplinarmassnahme nach Art. 31 oder als Auflösung des Dienstverhältnisses nach Art. 55 BtG bezeichnet. Die Garantie richterlicher Überprüfung einer wegen Dienstpflichtverletzungen angeordneten Entlassung kann dem Beamten nicht deswegen entzogen sein, weil die Behörde die Massnahme als Entlassung ohne Strafcharakter bezeichnet (BGE 56 I S. 494 f., 59 I S. 299; nicht publ. Urteil vom 6. Juni 1935 i.S. Frieden). Weiterhin werden auch Entlassungen, die auf andere Gründe gestützt werden, als disziplinarische Entlassungen zu behandeln sein, wenn sich nach den Umständen die Annahme rechtfertigen sollte, der wirkliche Grund für die Entlassung liege in Verletzungen der Dienstpflicht, die andere Begründung werde lediglich vorgeschoben.
Anderseits aber darf eine aus andern Gründen als wegen Dienstpflichtverletzungen ausgesprochene Entlassung nicht schon deshalb als Disziplinarmassnahme angesehen werden, weil die verantwortlichen Behörden den Tatbestand, der zur Entlassung führt, im Verlaufe der Untersuchung auch daraufhin überprüft haben, ob er unter Umständen eine disziplinarische Erledigung rechtfertige oder erfordere. Massgebend ist die Erledigung, zu der die Behörde auf Grund ihrer Untersuchung gelangt, nicht die Möglichkeiten, die während des Verfahrens erwogen worden waren.
2. Hier hat man es offensichtlich mit einer Entlassung zu tun, der jeder disziplinarische Charakter abgeht. Der Beschwerdeführer ist nicht wegen Dienstpflichtverletzungen entlassen worden, sondern weil er nach dem Befunde des verwaltungsärztlichen Dienstes für eine weitere Beschäftigung im Dienste des Bundes invalid geworden ist. Allerdings war das Verhalten des Beschwerdeführers im Laufe des Verfahrens auch auf die Möglichkeit einer Verletzung von Dienstpflichten überprüft worden. Die Annahme von disziplinarische Ahndung rechtfertigenden Dienstpflichtwidrigkeiten wurde aber bestimmt abgelehnt. Unter diesen Umständen kann keine Rede davon sein, in der Entlassung des Beschwerdeführers und seiner vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand eine Massnahme disziplinarischen Charakters zu erblicken, gegen die die Beschwerde an das Bundesgericht gemäss Art. 117 OG zulässig wäre. | de | Beamtenrecht: Entlassungen, die nicht wegen Verletzung von Dienstpflichten ausgesprochen worden sind, unterliegen der Disziplinarbeschwerde an das Bundesgericht nicht. | de | constitutional law and administrative law and public international law | 1,954 | I | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-I-82%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
208 | 80 I 82 | Sachverhalt ab Seite 83
A.- Der Beschwerdeführer ist, nach einer zweijährigen Berufslehre als Landwirt und nach praktischer Betätigung in verschiedenen Landwirtschaftsbetrieben, im Jahre 1928 in den Dienst der eidgenössischen landwirtschaftlichen Versuchsanstalt Örlikon eingetreten. Von 1928-1930 war er daselbst in der Stellung eines Angestellten, auf den 1. Januar 1931 wurde er in das Amt eines Laboratoriumsgehilfen (21. Besoldungsklasse) gewählt und blieb seither in dieser Stellung. Seine Tätigkeit bestand während nahezu 25 Jahren im wesentlichen in der Vornahme von Trockensubstanzbestimmungen. Vom 1. Oktober 1945 bis Ende Oktober 1946 leitete er nebenamtlich die Beratungszentrale bei der Gemeindeackerbaustelle in Zürich.
Im Dezember 1951 wurde ihm von der Anstalt mündlich eröffnet und anschliessend schriftlich bestätigt, dass ihm eine andere Tätigkeit zugewiesen werde, da er die ihm übertragene Aufgabe in den letzten Jahren nicht mehr so erledigt habe, wie es wünschbar gewesen wäre. Er werde auf den 1. Januar 1952 der Arbeitsgruppe Vogt zugeteilt. Es bestehe die Aussicht, ihn später wieder mit einer selbständigen Arbeit zu betrauen. Gedacht werde dabei an eine Tätigkeit in einem Gewächshaus für den Kartoffelknollentest, das man in absehbarer Zeit zu errichten hoffe. Die Verfügung wurde am 19. Mai 1952 durch Beschwerdeentscheid der Abteilung für Landwirtschaft bestätigt. Dieser Entscheid wurde nicht weitergezogen.
Inzwischen war der Entscheid der Abteilung für Landwirtschaft, nach welchem er bei der Arbeitsgruppe Vogt zugeteilt bleiben werde, Luisoni bereits am 1. Mai 1952 mündlich eröffnet worden. Daraufhin meldete sich der Beschwerdeführer am 2. Mai krank. Dieses Verhalten veranlasste eingehende Untersuchungen über den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers. Einzelheiten können hier auf sich beruhen bleiben. Das Endergebnis war, dass das eidg. Volkswirtschaftsdepartement den Beschwerdeführer mit Verfügung vom 26. November 1953 wegen durch den verwaltungsärztlichen Dienst festgestellter Invalidität mit Wirkung auf 1. Dezember 1953 der eidg. Versicherungskasse überwies.
B.- Gegen diese Verfügung richtet Luisoni eine Disziplinarbeschwerde. Er beantragt, die Verfügung aufzuheben und ihn in seinem Amte als Laboratoriumsgehilfen zu bestätigen.
Zur Begründung wird im wesentlichen geltend gemacht, das gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfahren sei in Wirklichkeit ein Disziplinarverfahren, die "Invalidierungsverfügung" der Abschluss dieses Verfahrens. Sie bilde daher, wenn auch unter anderer Bezeichnung und Begründung, eine disziplinarische Entlassung.
C.- Das eidg. Volkswirtschaftsdepartement beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten.
Das Bundesgericht hat das Eintreten auf die Beschwerde abgelehnt
Erwägungen
in Erwägung:
1. Nach Art. 117 OG ist in Disziplinarfällen die Beschwerde an das Bundesgericht u.a. gegen Verfügungen zulässig, durch die der Beamte wegen Verletzung seiner Dienstpflichten entlassen wird. Das sind zunächst die Verfügungen, in denen Dienstpflichtverletzungen als Entlassungsgrund aufgeführt werden. Unerheblich ist, wie die Verwaltung die Entlassung charakterisiert, ob sie sie als Disziplinarmassnahme nach Art. 31 oder als Auflösung des Dienstverhältnisses nach Art. 55 BtG bezeichnet. Die Garantie richterlicher Überprüfung einer wegen Dienstpflichtverletzungen angeordneten Entlassung kann dem Beamten nicht deswegen entzogen sein, weil die Behörde die Massnahme als Entlassung ohne Strafcharakter bezeichnet (BGE 56 I S. 494 f., 59 I S. 299; nicht publ. Urteil vom 6. Juni 1935 i.S. Frieden). Weiterhin werden auch Entlassungen, die auf andere Gründe gestützt werden, als disziplinarische Entlassungen zu behandeln sein, wenn sich nach den Umständen die Annahme rechtfertigen sollte, der wirkliche Grund für die Entlassung liege in Verletzungen der Dienstpflicht, die andere Begründung werde lediglich vorgeschoben.
Anderseits aber darf eine aus andern Gründen als wegen Dienstpflichtverletzungen ausgesprochene Entlassung nicht schon deshalb als Disziplinarmassnahme angesehen werden, weil die verantwortlichen Behörden den Tatbestand, der zur Entlassung führt, im Verlaufe der Untersuchung auch daraufhin überprüft haben, ob er unter Umständen eine disziplinarische Erledigung rechtfertige oder erfordere. Massgebend ist die Erledigung, zu der die Behörde auf Grund ihrer Untersuchung gelangt, nicht die Möglichkeiten, die während des Verfahrens erwogen worden waren.
2. Hier hat man es offensichtlich mit einer Entlassung zu tun, der jeder disziplinarische Charakter abgeht. Der Beschwerdeführer ist nicht wegen Dienstpflichtverletzungen entlassen worden, sondern weil er nach dem Befunde des verwaltungsärztlichen Dienstes für eine weitere Beschäftigung im Dienste des Bundes invalid geworden ist. Allerdings war das Verhalten des Beschwerdeführers im Laufe des Verfahrens auch auf die Möglichkeit einer Verletzung von Dienstpflichten überprüft worden. Die Annahme von disziplinarische Ahndung rechtfertigenden Dienstpflichtwidrigkeiten wurde aber bestimmt abgelehnt. Unter diesen Umständen kann keine Rede davon sein, in der Entlassung des Beschwerdeführers und seiner vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand eine Massnahme disziplinarischen Charakters zu erblicken, gegen die die Beschwerde an das Bundesgericht gemäss Art. 117 OG zulässig wäre. | de | Statut des fonctionnaires: Le renvoi d'un fonctionnaire qui n'a pas pour cause la violation des devoirs de service ne peut faire l'objet d'un recours disciplinaire devant le Tribunal fédéral. | fr | constitutional law and administrative law and public international law | 1,954 | I | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-I-82%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
209 | 80 I 82 | Sachverhalt ab Seite 83
A.- Der Beschwerdeführer ist, nach einer zweijährigen Berufslehre als Landwirt und nach praktischer Betätigung in verschiedenen Landwirtschaftsbetrieben, im Jahre 1928 in den Dienst der eidgenössischen landwirtschaftlichen Versuchsanstalt Örlikon eingetreten. Von 1928-1930 war er daselbst in der Stellung eines Angestellten, auf den 1. Januar 1931 wurde er in das Amt eines Laboratoriumsgehilfen (21. Besoldungsklasse) gewählt und blieb seither in dieser Stellung. Seine Tätigkeit bestand während nahezu 25 Jahren im wesentlichen in der Vornahme von Trockensubstanzbestimmungen. Vom 1. Oktober 1945 bis Ende Oktober 1946 leitete er nebenamtlich die Beratungszentrale bei der Gemeindeackerbaustelle in Zürich.
Im Dezember 1951 wurde ihm von der Anstalt mündlich eröffnet und anschliessend schriftlich bestätigt, dass ihm eine andere Tätigkeit zugewiesen werde, da er die ihm übertragene Aufgabe in den letzten Jahren nicht mehr so erledigt habe, wie es wünschbar gewesen wäre. Er werde auf den 1. Januar 1952 der Arbeitsgruppe Vogt zugeteilt. Es bestehe die Aussicht, ihn später wieder mit einer selbständigen Arbeit zu betrauen. Gedacht werde dabei an eine Tätigkeit in einem Gewächshaus für den Kartoffelknollentest, das man in absehbarer Zeit zu errichten hoffe. Die Verfügung wurde am 19. Mai 1952 durch Beschwerdeentscheid der Abteilung für Landwirtschaft bestätigt. Dieser Entscheid wurde nicht weitergezogen.
Inzwischen war der Entscheid der Abteilung für Landwirtschaft, nach welchem er bei der Arbeitsgruppe Vogt zugeteilt bleiben werde, Luisoni bereits am 1. Mai 1952 mündlich eröffnet worden. Daraufhin meldete sich der Beschwerdeführer am 2. Mai krank. Dieses Verhalten veranlasste eingehende Untersuchungen über den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers. Einzelheiten können hier auf sich beruhen bleiben. Das Endergebnis war, dass das eidg. Volkswirtschaftsdepartement den Beschwerdeführer mit Verfügung vom 26. November 1953 wegen durch den verwaltungsärztlichen Dienst festgestellter Invalidität mit Wirkung auf 1. Dezember 1953 der eidg. Versicherungskasse überwies.
B.- Gegen diese Verfügung richtet Luisoni eine Disziplinarbeschwerde. Er beantragt, die Verfügung aufzuheben und ihn in seinem Amte als Laboratoriumsgehilfen zu bestätigen.
Zur Begründung wird im wesentlichen geltend gemacht, das gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfahren sei in Wirklichkeit ein Disziplinarverfahren, die "Invalidierungsverfügung" der Abschluss dieses Verfahrens. Sie bilde daher, wenn auch unter anderer Bezeichnung und Begründung, eine disziplinarische Entlassung.
C.- Das eidg. Volkswirtschaftsdepartement beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten.
Das Bundesgericht hat das Eintreten auf die Beschwerde abgelehnt
Erwägungen
in Erwägung:
1. Nach Art. 117 OG ist in Disziplinarfällen die Beschwerde an das Bundesgericht u.a. gegen Verfügungen zulässig, durch die der Beamte wegen Verletzung seiner Dienstpflichten entlassen wird. Das sind zunächst die Verfügungen, in denen Dienstpflichtverletzungen als Entlassungsgrund aufgeführt werden. Unerheblich ist, wie die Verwaltung die Entlassung charakterisiert, ob sie sie als Disziplinarmassnahme nach Art. 31 oder als Auflösung des Dienstverhältnisses nach Art. 55 BtG bezeichnet. Die Garantie richterlicher Überprüfung einer wegen Dienstpflichtverletzungen angeordneten Entlassung kann dem Beamten nicht deswegen entzogen sein, weil die Behörde die Massnahme als Entlassung ohne Strafcharakter bezeichnet (BGE 56 I S. 494 f., 59 I S. 299; nicht publ. Urteil vom 6. Juni 1935 i.S. Frieden). Weiterhin werden auch Entlassungen, die auf andere Gründe gestützt werden, als disziplinarische Entlassungen zu behandeln sein, wenn sich nach den Umständen die Annahme rechtfertigen sollte, der wirkliche Grund für die Entlassung liege in Verletzungen der Dienstpflicht, die andere Begründung werde lediglich vorgeschoben.
Anderseits aber darf eine aus andern Gründen als wegen Dienstpflichtverletzungen ausgesprochene Entlassung nicht schon deshalb als Disziplinarmassnahme angesehen werden, weil die verantwortlichen Behörden den Tatbestand, der zur Entlassung führt, im Verlaufe der Untersuchung auch daraufhin überprüft haben, ob er unter Umständen eine disziplinarische Erledigung rechtfertige oder erfordere. Massgebend ist die Erledigung, zu der die Behörde auf Grund ihrer Untersuchung gelangt, nicht die Möglichkeiten, die während des Verfahrens erwogen worden waren.
2. Hier hat man es offensichtlich mit einer Entlassung zu tun, der jeder disziplinarische Charakter abgeht. Der Beschwerdeführer ist nicht wegen Dienstpflichtverletzungen entlassen worden, sondern weil er nach dem Befunde des verwaltungsärztlichen Dienstes für eine weitere Beschäftigung im Dienste des Bundes invalid geworden ist. Allerdings war das Verhalten des Beschwerdeführers im Laufe des Verfahrens auch auf die Möglichkeit einer Verletzung von Dienstpflichten überprüft worden. Die Annahme von disziplinarische Ahndung rechtfertigenden Dienstpflichtwidrigkeiten wurde aber bestimmt abgelehnt. Unter diesen Umständen kann keine Rede davon sein, in der Entlassung des Beschwerdeführers und seiner vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand eine Massnahme disziplinarischen Charakters zu erblicken, gegen die die Beschwerde an das Bundesgericht gemäss Art. 117 OG zulässig wäre. | de | Statuto dei funzionari: Il licenziamento d'un funzionario, che non è stato pronunciato per violazione di doveri di servizio, non può essere impugnato con ricorso disciplinare al Tribunale federale. | it | constitutional law and administrative law and public international law | 1,954 | I | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-I-82%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
210 | 80 I 86 | Sachverhalt ab Seite 86
A.- Etienne, né en 1893, a exploité, à partir de 1918, en collaboration avec ses frères et son beau-frère, la fabrique d'horlogerie Etienne & Cie. En 1930, cette société obtint un sursis concordataire et cessa son activité, sur quoi elle fut rayée de la liste des membres de la Fédération horlogère. Etienne s'intéressa alors à une autre maison, qu'il exploita sous la raison sociale Soly SA et revendit en 1940. Il reprit ensuite une fabrique, propriété d'Ernest Tolk, à La Chaux-de-Fonds, la transféra à Bienne et l'exploita tout d'abord sous la forme d'une société à responsabilité limitée, puis sous celle d'une société anonyme: Octo SA Il est administrateur unique et principal actionnaire de cette société, qui est actuellement autorisée à occuper 30 ouvriers.
Le 25 août 1953, Etienne a demandé l'autorisation d'ouvrir une fabrique de montres à ancre "par la remise en activité de l'ancienne fabrique d'horlogerie Etienne & Cie".
Le 23 novembre 1953, le Département fédéral de l'économie publique (en abrégé: le Département) a refusé l'autorisation, en bref par les motifs suivants:
Le requérant remplit les conditions auxquelles l'art. 4 al. 1 lit. a AIH subordonne l'autorisation d'ouvrir une nouvelle entreprise de la branche horlogère, car il est fabricant d'horlogerie depuis plus de trente ans. Il serait cependant contraire aux intérêts importants de l'industrie horlogère d'admettre qu'une personne qui, comme Etienne, exploite déjà une entreprise, en crée une seconde. Ce serait favoriser la spéculation sur les permis. Le statut de l'horlogerie a d'ailleurs aussi pour but d'éviter un accroissement excessif du nombre des entreprises. Peu importe qu'en l'espèce Etienne n'ait l'intention d'ouvrir une nouvelle entreprise que pour y établir plus tard l'un de ses fils. Le fait que le requérant ait été autrefois copropriétaire de la maison Etienne & Cie n'a pas d'influence sur la présente requête. Il ne peut être question de remettre en activité une entreprise dissoute depuis plus de vingt ans.
B.- Contre cette décision, Etienne a formé, en temps utile, un recours de droit administratif. Il conclut à ce qu'il plaise au Tribunal fédéral lui accorder l'autorisation d'ouvrir une fabrique de montres à ancre et d'y occuper 30 ouvriers. Son argumentation se résume comme il suit:
Contrairement à ce qui est dit dans la décision attaquée, rien, dans les prescriptions relatives à l'industrie horlogère, n'interdit à une même personne d'être propriétaire de deux ou de plusieurs entreprises et de les diriger. Il est notoire que certains entrepreneurs se trouvent dans cette situation. Il n'y a du reste pas identité de personnes entre la société anonyme, Octo SA, titulaire de l'entreprise que dirige Etienne, et le titulaire de l'entreprise projetée, qui serait Etienne lui-même. Octo SA n'a pas été créée sur la base d'un permis qui aurait été accordé au recourant. De plus, celui-ci possède des brevets qui portent sur des nouveautés intéressantes en matière d'horlogerie. Il a un intérêt légitime à pouvoir les exploiter dans une entreprise qui lui soit propre. Il a donc aussi droit à l'autorisation de par l'art. 4 al. 1 lit. b AIH. Le Département a négligé d'examiner sous cet angle la requête qui lui était soumise. Enfin, on ne saurait admettre en principe qu'une personne qui exploite déjà une entreprise de l'industrie horlogère ne peut être autorisée à en ouvrir une seconde. Cette question ne peut être tranchée que de cas en cas. En l'espèce, l'ouverture de l'entreprise projetée ne léserait pas les intérêts importants de l'industrie horlogère. Etienne a un intérêt légitime à remettre en activité l'ancienne entreprise Etienne & Cie, dont il était copropriétaire.
C.- L'Administration conclut au rejet du recours. Son argumentation sera reprise, en tant que besoin, dans l'exposé de droit du présent arrêt.
Erwägungen
Considérant en droit:
1. L'art. 4 al. 1 AIH accorde, sous certaines conditions qu'il précise, le droit à l'autorisation d'ouvrir ou de transformer une entreprise horlogère ou d'augmenter le nombre des ouvriers. Mais son préambule réserve expressément le cas où l'autorisation léserait "d'importants intérêts de l'industrie horlogère dans son ensemble ou d'une de ses branches dans son ensemble". C'est en vertu de ce préambule que le Département a refusé, dans la présente espèce, l'autorisation requise.
La loi ne définit pas la notion des "importants intérêts de l'industrie horlogère". Il appartient à la pratique et à la jurisprudence d'en fixer la portée. Le Tribunal fédéral a jugé qu'il pouvait revoir, sur ce point, la décision de l'autorité administrative, mais que, s'agissant d'une question essentiellement technique, il ne s'écarterait de l'avis du Département que pour des raisons graves (arrêts Vogt, du 19 décembre 1952, consid. 5; Kunz, du 27 novembre 1953, consid. 2, non publiés, et Reinhor, du 27 novembre 1953, consid. 2, RO 79 I 383).
Le Tribunal fédéral a également jugé que l'un des buts principaux de l'institution du permis était d'empêcher un développement inconsidéré de l'appareil de production dans l'industrie horlogère en temps de haute conjoncture, développement qui risquerait de produire un avilissement des prix et de la qualité avec chômage et déconfitures dès que l'activité économique se ralentirait (arrêts précités). De ce point de vue, il apparaît inadmissible que tout titulaire d'une entreprise, dans une branche donnée, puisse demander à en ouvrir d'autres, dans la même branche. Supposé en effet qu'une telle demande soit admissible en principe, il faudrait nécessairement y faire droit de par l'art. 4 al. 1 lit. a. Car tout entrepreneur, sauf peut-être certains cas exceptionnels, aura exercé dans la branche dont il s'agit une activité technique et commerciale suffisante et pourra justifier des connaissances nécessaires pour exploiter l'entreprise qu'il se propose d'ouvrir. Il s'ensuit que les entrepreneurs déjà établis pourraient pratiquement éluder tout contrôle et multiplier les entreprises de leur branche sans tenir aucun compte des intérêts généraux de cette branche ou même de l'industrie horlogère dans son ensemble. Or, c'est précisément ce que le législateur a voulu éviter par la réserve qu'il a introduite dans le préambule à l'art. 4 al. 1 AIH. De plus, la situation ainsi créée favoriserait grandement la spéculation sur les permis.
2. Le refus du permis, dans la présente espèce, se justifie du reste par un autre motif encore.
L'art. 4 al. 1 AIH règle un certain nombre de cas où il y a augmentation de l'appareil de production. Ce sont l'ouverture de nouvelles entreprises (lit. a et b) et, lorsqu'il s'agit d'entreprises déjà existantes, d'une part la transformation (lit. b et c), c'est-à-dire en particulier l'adjonction d'une branche de fabrication à une autre (art. 3 al. 2 AIH) et, d'autre part, l'augmentation du nombre des ouvriers (lit. d). La loi soumet tous ces cas à l'autorisation, mais elle les distingue nettement les uns des autres en subordonnant l'autorisation, dans chacun d'eux, à des conditions différentes et nettement déterminées. Les règles qu'elle établit à cet égard ont pour but de soumettre les cas d'augmentation de l'appareil de production à un contrôle différencié. On ne saurait dès lors admettre que l'on élude, par exemple, les dispositions applicables en matière de transformation ou d'augmentation du nombre des ouvriers en formant une demande tendant à l'ouverture d'une nouvelle entreprise. Or tel est précisément le cas lorsque, comme dans la présente espèce, un entrepreneur qui exploite déjà une entreprise de l'industrie horlogère demande l'autorisation d'en ouvrir une nouvelle, soit dans la même branche, soit dans une branche différente. Dans le premier cas, sa demande tend à éluder les dispositions relatives à l'augmentation du nombre des ouvriers et, dans le second cas, celles qui régissent la transformation. En d'autres termes, celui qui possède déjà une exploitation et qui veut en ouvrir une autre peut requérir soit la transformation, soit l'augmentation du nombre de ses ouvriers, pourvu qu'il remplisse les conditions légales, mais il ne peut se réclamer de l'art. 4 al. 1 lit. a pour demander l'autorisation d'ouvrir une nouvelle entreprise.
C'est donc à juste titre qu'en l'espèce, le Département a rejeté la requête d'Etienne, qui était fondée exclusivement sur l'art. 4 al. 1 lit. a AIH.
3. Etienne ne peut tirer aucun argument des brevets qu'il dit vouloir exploiter. Ou bien ces brevets concernent la branche à laquelle appartient l'entreprise qui existe déjà et ils peuvent y être exploités sans aucune autorisation nouvelle, ou bien ils concernent une autre branche, de sorte qu'on se trouve dans le cas de l'art. 4 al. 1 lit. b AIH, c'est-à-dire dans le cas de la transformation. Or Etienne peut requérir la transformation de son entreprise pourvu qu'il remplisse les conditions posées par la loi. Mais il ne peut demander à en ouvrir une nouvelle.
4. Le recourant objecte en vain qu'il faut distinguer sa personne de celle que constitue l'entreprise Octo, organisée sous forme de société anonyme. Il estime que la nouvelle entreprise, dont l'ouverture est demandée, n'aurait pas le même titulaire que la fabrique Octo. Mais il n'en va ainsi que du pur point de vue juridique. Du point de vue conomique, en revanche, il y a identité entre Etienne et l'entreprise Octo SA, car il est certain qu'il en est le principal actionnaire et l'unique administrateur, de sorte que c'est lui qui l'exploite et dispose, dans la gestion, de tous les pouvoirs. S'agissant d'appliquer l'art. 4 AIH, on ne saurait dès lors admettre que l'entreprise déjà existante et l'entreprise projetée auraient deux titulaires distincts.
5. L'autorisation demandée en l'espèce doit donc être refusée par le motif qu'Etienne exploite déjà une entreprise horlogère. Mais, alors même qu'il n'en exploiterait aucune, on pourrait se demander si la même solution ne se justifierait pas. Car, sous la raison sociale Soly SA, il a déjà possédé une fabrique d'horlogerie, qu'il a revendue en 1940. Supposé qu'il l'ait créée lui-même et qu'elle existe encore, il faudrait examiner s'il peut faire état de son expérience et de ses connaissances pour redemander l'autorisation d'ouvrir une nouvelle entreprise (art. 4 al. 1 lit. a AIH) ou si, au contraire, le fait qu'il a cédé sa fabrique après avoir consommé son droit à l'autorisation n'exclut pas que ce droit ne reprenne naissance. Il faut en effet prendre garde que l'application du statut de l'horlogerie ne crée, en définitive, des privilèges au profit des spéculateurs. Quoi qu'il en soit, du reste, il n'est pas nécessaire de trancher cette question dans la présente espèce.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral
Rejette le recours. | fr | Betriebsbewilligung: 1. Darf einer Person, die bereits Inhaberin eines Betriebes der Uhrenindustrie ist, die Bewilligung für die Eröffnung eines zweiten Betriebes erteilt werden? (Erw. 1-3).
2. Verhältnisse, wenn der bestehende Betrieb in der Form einer Aktiengesellschaft geführt wird, deren Aktionär und Geschäftsführer der Bewerber um die Bewilligung ist. (Erw. 4). | de | constitutional law and administrative law and public international law | 1,954 | I | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-I-86%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
211 | 80 I 86 | Sachverhalt ab Seite 86
A.- Etienne, né en 1893, a exploité, à partir de 1918, en collaboration avec ses frères et son beau-frère, la fabrique d'horlogerie Etienne & Cie. En 1930, cette société obtint un sursis concordataire et cessa son activité, sur quoi elle fut rayée de la liste des membres de la Fédération horlogère. Etienne s'intéressa alors à une autre maison, qu'il exploita sous la raison sociale Soly SA et revendit en 1940. Il reprit ensuite une fabrique, propriété d'Ernest Tolk, à La Chaux-de-Fonds, la transféra à Bienne et l'exploita tout d'abord sous la forme d'une société à responsabilité limitée, puis sous celle d'une société anonyme: Octo SA Il est administrateur unique et principal actionnaire de cette société, qui est actuellement autorisée à occuper 30 ouvriers.
Le 25 août 1953, Etienne a demandé l'autorisation d'ouvrir une fabrique de montres à ancre "par la remise en activité de l'ancienne fabrique d'horlogerie Etienne & Cie".
Le 23 novembre 1953, le Département fédéral de l'économie publique (en abrégé: le Département) a refusé l'autorisation, en bref par les motifs suivants:
Le requérant remplit les conditions auxquelles l'art. 4 al. 1 lit. a AIH subordonne l'autorisation d'ouvrir une nouvelle entreprise de la branche horlogère, car il est fabricant d'horlogerie depuis plus de trente ans. Il serait cependant contraire aux intérêts importants de l'industrie horlogère d'admettre qu'une personne qui, comme Etienne, exploite déjà une entreprise, en crée une seconde. Ce serait favoriser la spéculation sur les permis. Le statut de l'horlogerie a d'ailleurs aussi pour but d'éviter un accroissement excessif du nombre des entreprises. Peu importe qu'en l'espèce Etienne n'ait l'intention d'ouvrir une nouvelle entreprise que pour y établir plus tard l'un de ses fils. Le fait que le requérant ait été autrefois copropriétaire de la maison Etienne & Cie n'a pas d'influence sur la présente requête. Il ne peut être question de remettre en activité une entreprise dissoute depuis plus de vingt ans.
B.- Contre cette décision, Etienne a formé, en temps utile, un recours de droit administratif. Il conclut à ce qu'il plaise au Tribunal fédéral lui accorder l'autorisation d'ouvrir une fabrique de montres à ancre et d'y occuper 30 ouvriers. Son argumentation se résume comme il suit:
Contrairement à ce qui est dit dans la décision attaquée, rien, dans les prescriptions relatives à l'industrie horlogère, n'interdit à une même personne d'être propriétaire de deux ou de plusieurs entreprises et de les diriger. Il est notoire que certains entrepreneurs se trouvent dans cette situation. Il n'y a du reste pas identité de personnes entre la société anonyme, Octo SA, titulaire de l'entreprise que dirige Etienne, et le titulaire de l'entreprise projetée, qui serait Etienne lui-même. Octo SA n'a pas été créée sur la base d'un permis qui aurait été accordé au recourant. De plus, celui-ci possède des brevets qui portent sur des nouveautés intéressantes en matière d'horlogerie. Il a un intérêt légitime à pouvoir les exploiter dans une entreprise qui lui soit propre. Il a donc aussi droit à l'autorisation de par l'art. 4 al. 1 lit. b AIH. Le Département a négligé d'examiner sous cet angle la requête qui lui était soumise. Enfin, on ne saurait admettre en principe qu'une personne qui exploite déjà une entreprise de l'industrie horlogère ne peut être autorisée à en ouvrir une seconde. Cette question ne peut être tranchée que de cas en cas. En l'espèce, l'ouverture de l'entreprise projetée ne léserait pas les intérêts importants de l'industrie horlogère. Etienne a un intérêt légitime à remettre en activité l'ancienne entreprise Etienne & Cie, dont il était copropriétaire.
C.- L'Administration conclut au rejet du recours. Son argumentation sera reprise, en tant que besoin, dans l'exposé de droit du présent arrêt.
Erwägungen
Considérant en droit:
1. L'art. 4 al. 1 AIH accorde, sous certaines conditions qu'il précise, le droit à l'autorisation d'ouvrir ou de transformer une entreprise horlogère ou d'augmenter le nombre des ouvriers. Mais son préambule réserve expressément le cas où l'autorisation léserait "d'importants intérêts de l'industrie horlogère dans son ensemble ou d'une de ses branches dans son ensemble". C'est en vertu de ce préambule que le Département a refusé, dans la présente espèce, l'autorisation requise.
La loi ne définit pas la notion des "importants intérêts de l'industrie horlogère". Il appartient à la pratique et à la jurisprudence d'en fixer la portée. Le Tribunal fédéral a jugé qu'il pouvait revoir, sur ce point, la décision de l'autorité administrative, mais que, s'agissant d'une question essentiellement technique, il ne s'écarterait de l'avis du Département que pour des raisons graves (arrêts Vogt, du 19 décembre 1952, consid. 5; Kunz, du 27 novembre 1953, consid. 2, non publiés, et Reinhor, du 27 novembre 1953, consid. 2, RO 79 I 383).
Le Tribunal fédéral a également jugé que l'un des buts principaux de l'institution du permis était d'empêcher un développement inconsidéré de l'appareil de production dans l'industrie horlogère en temps de haute conjoncture, développement qui risquerait de produire un avilissement des prix et de la qualité avec chômage et déconfitures dès que l'activité économique se ralentirait (arrêts précités). De ce point de vue, il apparaît inadmissible que tout titulaire d'une entreprise, dans une branche donnée, puisse demander à en ouvrir d'autres, dans la même branche. Supposé en effet qu'une telle demande soit admissible en principe, il faudrait nécessairement y faire droit de par l'art. 4 al. 1 lit. a. Car tout entrepreneur, sauf peut-être certains cas exceptionnels, aura exercé dans la branche dont il s'agit une activité technique et commerciale suffisante et pourra justifier des connaissances nécessaires pour exploiter l'entreprise qu'il se propose d'ouvrir. Il s'ensuit que les entrepreneurs déjà établis pourraient pratiquement éluder tout contrôle et multiplier les entreprises de leur branche sans tenir aucun compte des intérêts généraux de cette branche ou même de l'industrie horlogère dans son ensemble. Or, c'est précisément ce que le législateur a voulu éviter par la réserve qu'il a introduite dans le préambule à l'art. 4 al. 1 AIH. De plus, la situation ainsi créée favoriserait grandement la spéculation sur les permis.
2. Le refus du permis, dans la présente espèce, se justifie du reste par un autre motif encore.
L'art. 4 al. 1 AIH règle un certain nombre de cas où il y a augmentation de l'appareil de production. Ce sont l'ouverture de nouvelles entreprises (lit. a et b) et, lorsqu'il s'agit d'entreprises déjà existantes, d'une part la transformation (lit. b et c), c'est-à-dire en particulier l'adjonction d'une branche de fabrication à une autre (art. 3 al. 2 AIH) et, d'autre part, l'augmentation du nombre des ouvriers (lit. d). La loi soumet tous ces cas à l'autorisation, mais elle les distingue nettement les uns des autres en subordonnant l'autorisation, dans chacun d'eux, à des conditions différentes et nettement déterminées. Les règles qu'elle établit à cet égard ont pour but de soumettre les cas d'augmentation de l'appareil de production à un contrôle différencié. On ne saurait dès lors admettre que l'on élude, par exemple, les dispositions applicables en matière de transformation ou d'augmentation du nombre des ouvriers en formant une demande tendant à l'ouverture d'une nouvelle entreprise. Or tel est précisément le cas lorsque, comme dans la présente espèce, un entrepreneur qui exploite déjà une entreprise de l'industrie horlogère demande l'autorisation d'en ouvrir une nouvelle, soit dans la même branche, soit dans une branche différente. Dans le premier cas, sa demande tend à éluder les dispositions relatives à l'augmentation du nombre des ouvriers et, dans le second cas, celles qui régissent la transformation. En d'autres termes, celui qui possède déjà une exploitation et qui veut en ouvrir une autre peut requérir soit la transformation, soit l'augmentation du nombre de ses ouvriers, pourvu qu'il remplisse les conditions légales, mais il ne peut se réclamer de l'art. 4 al. 1 lit. a pour demander l'autorisation d'ouvrir une nouvelle entreprise.
C'est donc à juste titre qu'en l'espèce, le Département a rejeté la requête d'Etienne, qui était fondée exclusivement sur l'art. 4 al. 1 lit. a AIH.
3. Etienne ne peut tirer aucun argument des brevets qu'il dit vouloir exploiter. Ou bien ces brevets concernent la branche à laquelle appartient l'entreprise qui existe déjà et ils peuvent y être exploités sans aucune autorisation nouvelle, ou bien ils concernent une autre branche, de sorte qu'on se trouve dans le cas de l'art. 4 al. 1 lit. b AIH, c'est-à-dire dans le cas de la transformation. Or Etienne peut requérir la transformation de son entreprise pourvu qu'il remplisse les conditions posées par la loi. Mais il ne peut demander à en ouvrir une nouvelle.
4. Le recourant objecte en vain qu'il faut distinguer sa personne de celle que constitue l'entreprise Octo, organisée sous forme de société anonyme. Il estime que la nouvelle entreprise, dont l'ouverture est demandée, n'aurait pas le même titulaire que la fabrique Octo. Mais il n'en va ainsi que du pur point de vue juridique. Du point de vue conomique, en revanche, il y a identité entre Etienne et l'entreprise Octo SA, car il est certain qu'il en est le principal actionnaire et l'unique administrateur, de sorte que c'est lui qui l'exploite et dispose, dans la gestion, de tous les pouvoirs. S'agissant d'appliquer l'art. 4 AIH, on ne saurait dès lors admettre que l'entreprise déjà existante et l'entreprise projetée auraient deux titulaires distincts.
5. L'autorisation demandée en l'espèce doit donc être refusée par le motif qu'Etienne exploite déjà une entreprise horlogère. Mais, alors même qu'il n'en exploiterait aucune, on pourrait se demander si la même solution ne se justifierait pas. Car, sous la raison sociale Soly SA, il a déjà possédé une fabrique d'horlogerie, qu'il a revendue en 1940. Supposé qu'il l'ait créée lui-même et qu'elle existe encore, il faudrait examiner s'il peut faire état de son expérience et de ses connaissances pour redemander l'autorisation d'ouvrir une nouvelle entreprise (art. 4 al. 1 lit. a AIH) ou si, au contraire, le fait qu'il a cédé sa fabrique après avoir consommé son droit à l'autorisation n'exclut pas que ce droit ne reprenne naissance. Il faut en effet prendre garde que l'application du statut de l'horlogerie ne crée, en définitive, des privilèges au profit des spéculateurs. Quoi qu'il en soit, du reste, il n'est pas nécessaire de trancher cette question dans la présente espèce.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral
Rejette le recours. | fr | Art. 4 al. 1 AIH. Celui qui exploite déjà une entreprise de l'industrie horlogère peut-il demander à en ouvrir une autre? Consid. 1 à 3.
- Qu'en est-il lorsque le requérant est déjà actionnaire et unique administrateur d'une société anonyme qui exploite une entreprise horlogère? Consid. 4. | fr | constitutional law and administrative law and public international law | 1,954 | I | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-I-86%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
212 | 80 I 86 | Sachverhalt ab Seite 86
A.- Etienne, né en 1893, a exploité, à partir de 1918, en collaboration avec ses frères et son beau-frère, la fabrique d'horlogerie Etienne & Cie. En 1930, cette société obtint un sursis concordataire et cessa son activité, sur quoi elle fut rayée de la liste des membres de la Fédération horlogère. Etienne s'intéressa alors à une autre maison, qu'il exploita sous la raison sociale Soly SA et revendit en 1940. Il reprit ensuite une fabrique, propriété d'Ernest Tolk, à La Chaux-de-Fonds, la transféra à Bienne et l'exploita tout d'abord sous la forme d'une société à responsabilité limitée, puis sous celle d'une société anonyme: Octo SA Il est administrateur unique et principal actionnaire de cette société, qui est actuellement autorisée à occuper 30 ouvriers.
Le 25 août 1953, Etienne a demandé l'autorisation d'ouvrir une fabrique de montres à ancre "par la remise en activité de l'ancienne fabrique d'horlogerie Etienne & Cie".
Le 23 novembre 1953, le Département fédéral de l'économie publique (en abrégé: le Département) a refusé l'autorisation, en bref par les motifs suivants:
Le requérant remplit les conditions auxquelles l'art. 4 al. 1 lit. a AIH subordonne l'autorisation d'ouvrir une nouvelle entreprise de la branche horlogère, car il est fabricant d'horlogerie depuis plus de trente ans. Il serait cependant contraire aux intérêts importants de l'industrie horlogère d'admettre qu'une personne qui, comme Etienne, exploite déjà une entreprise, en crée une seconde. Ce serait favoriser la spéculation sur les permis. Le statut de l'horlogerie a d'ailleurs aussi pour but d'éviter un accroissement excessif du nombre des entreprises. Peu importe qu'en l'espèce Etienne n'ait l'intention d'ouvrir une nouvelle entreprise que pour y établir plus tard l'un de ses fils. Le fait que le requérant ait été autrefois copropriétaire de la maison Etienne & Cie n'a pas d'influence sur la présente requête. Il ne peut être question de remettre en activité une entreprise dissoute depuis plus de vingt ans.
B.- Contre cette décision, Etienne a formé, en temps utile, un recours de droit administratif. Il conclut à ce qu'il plaise au Tribunal fédéral lui accorder l'autorisation d'ouvrir une fabrique de montres à ancre et d'y occuper 30 ouvriers. Son argumentation se résume comme il suit:
Contrairement à ce qui est dit dans la décision attaquée, rien, dans les prescriptions relatives à l'industrie horlogère, n'interdit à une même personne d'être propriétaire de deux ou de plusieurs entreprises et de les diriger. Il est notoire que certains entrepreneurs se trouvent dans cette situation. Il n'y a du reste pas identité de personnes entre la société anonyme, Octo SA, titulaire de l'entreprise que dirige Etienne, et le titulaire de l'entreprise projetée, qui serait Etienne lui-même. Octo SA n'a pas été créée sur la base d'un permis qui aurait été accordé au recourant. De plus, celui-ci possède des brevets qui portent sur des nouveautés intéressantes en matière d'horlogerie. Il a un intérêt légitime à pouvoir les exploiter dans une entreprise qui lui soit propre. Il a donc aussi droit à l'autorisation de par l'art. 4 al. 1 lit. b AIH. Le Département a négligé d'examiner sous cet angle la requête qui lui était soumise. Enfin, on ne saurait admettre en principe qu'une personne qui exploite déjà une entreprise de l'industrie horlogère ne peut être autorisée à en ouvrir une seconde. Cette question ne peut être tranchée que de cas en cas. En l'espèce, l'ouverture de l'entreprise projetée ne léserait pas les intérêts importants de l'industrie horlogère. Etienne a un intérêt légitime à remettre en activité l'ancienne entreprise Etienne & Cie, dont il était copropriétaire.
C.- L'Administration conclut au rejet du recours. Son argumentation sera reprise, en tant que besoin, dans l'exposé de droit du présent arrêt.
Erwägungen
Considérant en droit:
1. L'art. 4 al. 1 AIH accorde, sous certaines conditions qu'il précise, le droit à l'autorisation d'ouvrir ou de transformer une entreprise horlogère ou d'augmenter le nombre des ouvriers. Mais son préambule réserve expressément le cas où l'autorisation léserait "d'importants intérêts de l'industrie horlogère dans son ensemble ou d'une de ses branches dans son ensemble". C'est en vertu de ce préambule que le Département a refusé, dans la présente espèce, l'autorisation requise.
La loi ne définit pas la notion des "importants intérêts de l'industrie horlogère". Il appartient à la pratique et à la jurisprudence d'en fixer la portée. Le Tribunal fédéral a jugé qu'il pouvait revoir, sur ce point, la décision de l'autorité administrative, mais que, s'agissant d'une question essentiellement technique, il ne s'écarterait de l'avis du Département que pour des raisons graves (arrêts Vogt, du 19 décembre 1952, consid. 5; Kunz, du 27 novembre 1953, consid. 2, non publiés, et Reinhor, du 27 novembre 1953, consid. 2, RO 79 I 383).
Le Tribunal fédéral a également jugé que l'un des buts principaux de l'institution du permis était d'empêcher un développement inconsidéré de l'appareil de production dans l'industrie horlogère en temps de haute conjoncture, développement qui risquerait de produire un avilissement des prix et de la qualité avec chômage et déconfitures dès que l'activité économique se ralentirait (arrêts précités). De ce point de vue, il apparaît inadmissible que tout titulaire d'une entreprise, dans une branche donnée, puisse demander à en ouvrir d'autres, dans la même branche. Supposé en effet qu'une telle demande soit admissible en principe, il faudrait nécessairement y faire droit de par l'art. 4 al. 1 lit. a. Car tout entrepreneur, sauf peut-être certains cas exceptionnels, aura exercé dans la branche dont il s'agit une activité technique et commerciale suffisante et pourra justifier des connaissances nécessaires pour exploiter l'entreprise qu'il se propose d'ouvrir. Il s'ensuit que les entrepreneurs déjà établis pourraient pratiquement éluder tout contrôle et multiplier les entreprises de leur branche sans tenir aucun compte des intérêts généraux de cette branche ou même de l'industrie horlogère dans son ensemble. Or, c'est précisément ce que le législateur a voulu éviter par la réserve qu'il a introduite dans le préambule à l'art. 4 al. 1 AIH. De plus, la situation ainsi créée favoriserait grandement la spéculation sur les permis.
2. Le refus du permis, dans la présente espèce, se justifie du reste par un autre motif encore.
L'art. 4 al. 1 AIH règle un certain nombre de cas où il y a augmentation de l'appareil de production. Ce sont l'ouverture de nouvelles entreprises (lit. a et b) et, lorsqu'il s'agit d'entreprises déjà existantes, d'une part la transformation (lit. b et c), c'est-à-dire en particulier l'adjonction d'une branche de fabrication à une autre (art. 3 al. 2 AIH) et, d'autre part, l'augmentation du nombre des ouvriers (lit. d). La loi soumet tous ces cas à l'autorisation, mais elle les distingue nettement les uns des autres en subordonnant l'autorisation, dans chacun d'eux, à des conditions différentes et nettement déterminées. Les règles qu'elle établit à cet égard ont pour but de soumettre les cas d'augmentation de l'appareil de production à un contrôle différencié. On ne saurait dès lors admettre que l'on élude, par exemple, les dispositions applicables en matière de transformation ou d'augmentation du nombre des ouvriers en formant une demande tendant à l'ouverture d'une nouvelle entreprise. Or tel est précisément le cas lorsque, comme dans la présente espèce, un entrepreneur qui exploite déjà une entreprise de l'industrie horlogère demande l'autorisation d'en ouvrir une nouvelle, soit dans la même branche, soit dans une branche différente. Dans le premier cas, sa demande tend à éluder les dispositions relatives à l'augmentation du nombre des ouvriers et, dans le second cas, celles qui régissent la transformation. En d'autres termes, celui qui possède déjà une exploitation et qui veut en ouvrir une autre peut requérir soit la transformation, soit l'augmentation du nombre de ses ouvriers, pourvu qu'il remplisse les conditions légales, mais il ne peut se réclamer de l'art. 4 al. 1 lit. a pour demander l'autorisation d'ouvrir une nouvelle entreprise.
C'est donc à juste titre qu'en l'espèce, le Département a rejeté la requête d'Etienne, qui était fondée exclusivement sur l'art. 4 al. 1 lit. a AIH.
3. Etienne ne peut tirer aucun argument des brevets qu'il dit vouloir exploiter. Ou bien ces brevets concernent la branche à laquelle appartient l'entreprise qui existe déjà et ils peuvent y être exploités sans aucune autorisation nouvelle, ou bien ils concernent une autre branche, de sorte qu'on se trouve dans le cas de l'art. 4 al. 1 lit. b AIH, c'est-à-dire dans le cas de la transformation. Or Etienne peut requérir la transformation de son entreprise pourvu qu'il remplisse les conditions posées par la loi. Mais il ne peut demander à en ouvrir une nouvelle.
4. Le recourant objecte en vain qu'il faut distinguer sa personne de celle que constitue l'entreprise Octo, organisée sous forme de société anonyme. Il estime que la nouvelle entreprise, dont l'ouverture est demandée, n'aurait pas le même titulaire que la fabrique Octo. Mais il n'en va ainsi que du pur point de vue juridique. Du point de vue conomique, en revanche, il y a identité entre Etienne et l'entreprise Octo SA, car il est certain qu'il en est le principal actionnaire et l'unique administrateur, de sorte que c'est lui qui l'exploite et dispose, dans la gestion, de tous les pouvoirs. S'agissant d'appliquer l'art. 4 AIH, on ne saurait dès lors admettre que l'entreprise déjà existante et l'entreprise projetée auraient deux titulaires distincts.
5. L'autorisation demandée en l'espèce doit donc être refusée par le motif qu'Etienne exploite déjà une entreprise horlogère. Mais, alors même qu'il n'en exploiterait aucune, on pourrait se demander si la même solution ne se justifierait pas. Car, sous la raison sociale Soly SA, il a déjà possédé une fabrique d'horlogerie, qu'il a revendue en 1940. Supposé qu'il l'ait créée lui-même et qu'elle existe encore, il faudrait examiner s'il peut faire état de son expérience et de ses connaissances pour redemander l'autorisation d'ouvrir une nouvelle entreprise (art. 4 al. 1 lit. a AIH) ou si, au contraire, le fait qu'il a cédé sa fabrique après avoir consommé son droit à l'autorisation n'exclut pas que ce droit ne reprenne naissance. Il faut en effet prendre garde que l'application du statut de l'horlogerie ne crée, en définitive, des privilèges au profit des spéculateurs. Quoi qu'il en soit, du reste, il n'est pas nécessaire de trancher cette question dans la présente espèce.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral
Rejette le recours. | fr | Art. 4 cp. 1 DISO. Colui che conduce già un'azicnda dell'industria degli orologi può chiedere l'autorizzazione di aprirne un'altra? (Consid. 1-3).
- Caso in cui il richiedente è già azionista ed amministratore unico d'una società anonima che si occupa della fabbricazione di orologi. (Consid. 4). | it | constitutional law and administrative law and public international law | 1,954 | I | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-I-86%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
213 | 80 I 92 | Sachverhalt ab Seite 92
A.- Fritz Stämpfli betreibt in Schüpfen die Aufzucht von und den Handel mit Forstpflanzen. Er ist Eigentümer von 715 ar Land. Dieses besteht teilweise aus Wald, teilweise benützt er es für seine Forstbaumschulen, und teilweise verpachtete er es an Landwirte, um den notwendigen Kulturwechsel zu sichern. Im Herbst 1951 einigte er sich mit Albert Ineichen, Sägereiarbeiter und Kleinlandwirt in Schüpfen, über den Kauf von dessen Heimwesen, umfassend folgende zwei Liegenschaften: a) Bauernhaus mit 75 ar Umschwung und Land im Sagihüsli, b) 126 ar Land im Lindacker. Nachdem am 1.1.53 das Bundesgesetz über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes vom 12.6.51 (EGG) in Kraft getreten war, liessen Stämpfli und Ineichen am 5.1.53 den Kaufvertrag über die beiden Liegenschaften zum Preise von Fr. 19'500.-- verurkunden. Der Verkäufer Ineichen behielt sich das lebenslängliche Wohn- und Benutzungsrecht am Bauernhaus sowie die landwirtschaftliche Bewirtschaftung und Nutzung der Hausmatte vor, beides zu einem jährlichen Pachtzins von Fr. 300.--. Der Käufer verpflichtete sich, ihm auf Verlangen noch mehr Land bis zu einer Juchart zum üblichen Pachtzins zur Verfügung zu stellen. Der Grundbuchverwalter von Aarberg erhob gegen den Kaufvertrag Einspruch auf Grund von Art. 19 lit. a, b und c EGG. Der Regierungsstatthalter von Aarberg bestätigte den Einspruch in Anwendung von lit. c.
B.- Mit Entscheid vom 2.6.53 wies der Regierungsrat des Kantons Bern eine Beschwerde Stämpflis hiegegen ab.
Er verneinte mit dem Regierungsstatthalter das Vorliegen der Einspruchsgründe von Art. 19 lit. a und b EGG. Weiter führte er aus, mit dem Verkauf des Kleinheimwesens verliere dieses seine Existenz als landwirtschaftliches Gewerbe; es werde andern, gewerblichen Zwecken zugeführt und damit aufgelöst. Der Schutz des EGG komme auch solchen Kleinheimwesen zu; das Gesetz wolle möglichst vielen Familien ihre landwirtschaftliche Existenz bewahren, auch wenn diese karg sei und der Ergänzung durch Nebenverdienst bedürfe. Nach Art. 19 lit. c könne der Einspruch aber dann nicht geschützt werden, wenn das Land zur gewerblichen Ausnützung des Bodens verkauft werde und sich dafür eigne. Es sei nicht zweifelhaft, dass der Käufer die beiden Parzellen zur Erweiterung seines Gewerbebetriebes erwerben möchte. Die Frage nach ihrer Eignung hiefür sei durch den Forstmeister des Mittellandes abgeklärt worden. Er erkläre das Heimwesen Sagihüsli als nach Lage und Form für die Anlage einer forstlichen Pflanzschule wenig geeignet; nach seiner Auffassung könnte höchstens ein Drittel der. Fläche dafür herangezogen werden. Der Lindacker liege im schönsten offenen Felde von Schüpfen, sei allen Witterungseinflüssen ausgesetzt und schon deshalb für eine Forstbaumschule ganz ungeeignet. Dieser Auffassung scheine auch der Käufer zu sein, da er den Lindacker gegen anderes, für seinen Betrieb günstiger gelegenes Land zu tauschen beabsichtige. Eine solche "indirekte Eignung" genüge aber nicht, um den Einspruch abzuweisen; sonst würde die gesetzliche Bestimmung überhaupt jede Wirksamkeit verlieren. Zudem sei zu berücksichtigen, dass Forstbaumschulen nicht ins offene Feld, sondern in den Wald oder an den Waldrand gehörten.
C.- Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt Fritz Stämpfli, diesen Entscheid aufzuheben und den Einspruch gegen den Kaufvertrag abzuweisen.
Er macht geltend, der Entscheid des Regierungsrates verletze Bundesrecht und beruhe auf einer unrichtigen bzw. unvollständigen Feststellung des Sachverhaltes. Das Gutachten des Forstmeisters des Mittellandes könne nicht vorbehaltlos als neutrales Gutachten angesehen werden, weil der Staat in diesem Verfahren Partei sei und zudem in erheblichem Umfange selber die Zucht von Forstpflanzen betreibe, somit Konkurrent des Beschwerdeführers sei. Der Regierungsrat gehe über die Feststellung seines Forstmeisters hinweg, dass zum mindesten ein Teil des Heimwesens Sagihüsli für die Zwecke des Beschwerdeführers geeignet sei. Dieses Land liege in unmittelbarer Nähe seiner Pflanzschule und würde ihm ausgezeichnete Dienste erweisen. Die Auffassung, der Lindacker sei ungeeignet, weil nicht in Waldesnähe, treffe nicht zu. Auch die indirekte Verwendung von Land durch Abtausch müsse den gesetzlichen Voraussetzungen genügen, da sonst der Landerwerb zu gewerblichen Zwecken ausserordentlich erschwert würde. Der Beschwerdeführer betreibe auch die Aufzucht von Ziersträuchern; dafür sei auch Land, das nicht in Waldesnähe liege, ohne weiteres geeignet. Die Frage der Eignung des Landes sei somit ungenügend abgeklärt bzw. die Eignung im Sinne des Gesetzes falsch interpretiert worden. In der kantonalen Beschwerde habe der Beschwerdeführer eine Expertise darüber beantragt und ein Gutachten Jaeggi eingereicht, das die Tauglichkeit des Landes zu dem vorgesehenen Zwecke bejahe; der Regierungsrat habe jenem Antrag nicht stattgegeben und dieses Gutachten in seinem Entscheid einfach übergangen.
Nach Art. 19 lit. c EGG sei der Einspruch auch dann abzuweisen, wenn sich die Aufhebung des landwirtschaftlichen Gewerbes durch andere wichtige Gründe rechtfertigen lasse. Im Kaufvertrag habe sich der 1884 geborene Verkäufer ein lebenslängliches Wohnrecht am Bauernhause und die Nutzung der Hausmatte vorbehalten und sich so ein bescheidenes zusätzliche Tätigkeitsfeld für seine alten Tage gewahrt; das wäre nicht möglich, wenn das kleine Heimwesen zur direkten Bewirtschaftung an einen Dritten verkauft würde. Das seien wichtige Gründe im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmung.
D.- Der Regierungsrat des Kantons Bern beantragt Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen
Erwägungen
in Erwägung:
1. Der angefochtene Beschwerdeentscheid des bernischen Regierungsrates ist ein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid über den Einspruch gegen einen Kaufvertrag gemäss Art. 18 ff. EGG. Dagegen ist laut Art. 45 EGG die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig.
2. Der Beschwerdeführer will die beiden Liegenschaften von A. Ineichen kaufen, um sie für seinen Gewerbebetrieb zu verwenden, teils direkt für die Anlage von Forstbaumschulen, teils indirekt durch Abtausch gegen anderes Land, das sich hiefür besser eignet. Angesichts dieses unbestrittenen Zweckes handelt es sich nicht um Spekulation oder Güteraufkauf im Sinne von Art. 19 lit. a EGG. Der Beschwerdeführer ist auch nicht bereits Eigentümer so vieler landwirtschaftlicher Liegenschaften, dass sie ihm und seiner Familie eine auskömmliche Existenz bieten. Die kantonalen Instanzen haben deshalb mit Recht das Vorliegen der - vom Grundbuchverwalter von Aarberg ebenfalls angerufenen - Einspruchsgründe von Art. 19 lit. a und b EGG verneint und den Einspruch auf Grund von lit. c beurteilt.
Unbestritten ist auch, dass infolge des geplanten Verkaufs das bisherige Heimwesen als solches eingehen und damit ein landwirtschaftliches Gewerbe seine Existenzfähigkeit verlieren würde. Art. 19 lit. c EGG will nicht nur Betriebe erhalten, die gross genug sind, um für sich allein eine Familie zu ernähren, sondern auch Kleinheimwesen, deren Bewirtschaftung dazu nur mit der Ergänzung durch einen Nebenverdienst ausreicht (vgl. LIVER, Fragen des neuen landwirtschaftlichen Bodenrechtes in ZSR 1949 S. 34). Er lässt die Aufhebung eines solchen Gewerbes nur zu, wenn sie durch wichtige Gründe gerechtfertigt wird, und hebt als solchen Grund hervor den Verkauf der Liegenschaft zur Überbauung oder zur gewerblichen oder industriellen Ausnützung des Bodens, falls sich dieser dafür eignet. Der Charakter als landwirtschaftliches Heimwesen ginge auch verloren, wenn es der Beschwerdeführer als Wohnstelle für einen seiner Arbeiter verwenden würde.
3. Der Beschwerdeführer hatte von Anfang an geltend gemacht, er wolle das Land gewerblich ausnützen, und in der kantonalen Beschwerde eine Expertise über dessen Tauglichkeit zu diesem Zwecke beantragt. Zu Unrecht behauptet er, der Regierungsrat habe diesem Antrag nicht stattgegeben: Die mit der Instruktion der Beschwerde beauftragte Justizdirektion hat ein Gutachten des Forstmeisters des Mittellandes über jene Frage eingeholt, und der Entscheid des Regierungsrates beruht wesentlich auf dessen Feststellung, dass das Land beim Sagihüsli zu höchstens einem Drittel und der Lindacker überhaupt nicht für Forstbaumschulen geeignet sei.
In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird die Neutralität des genannten Experten in Frage gestellt, weil er Staatsbeamter und der Staat im vorliegenden Verfahren Partei und zudem ein Konkurrent des Beschwerdeführers sei, da er ebenfalls die Aufzucht von Forstpflanzen betreibe. Dadurch, dass der Kanton Bern das Einspruchsverfahren gemäss Art. 18 ff. EGG eingeführt und die Grundbuchverwalter damit betraut hat, bei Vorliegen der gesetzlichen Gründe von Amtes wegen Einspruch zu erheben (Art. 8 und 9 des EG z. EGG vom 23.11.52), wird er indessen nicht zur Partei. Als solche könnte höchstens allenfalls der Grundbuchverwalter erscheinen, der das mit den Interessen der Kaufskontrahenten kollidierende Interesse der Allgemeinheit an der Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes zu wahren hat, nicht aber der Staat selbst; dieser hat vielmehr durch andere Organe, Regierungsstatthalter und Regierungsrat, für die unparteiische Anwendung des Gesetzes zu sorgen. Es ist ohne weiteres gegeben, dass der Regierungsrat hiebei Fachfragen, wie diejenige nach der Eignung bestimmter Liegenschaften für gewisse Gewerbe, durch seine sachverständigen Beamten begutachten lässt; das war hier der Forstmeister. Es liegt nichts vor, was ihn als befangen erscheinen liesse; der Einwand, das sei der Fall, weil der Staat wie der Beschwerdeführer die Aufzucht von Forstpflanzen betreibe und somit dessen Konkurrent sei, verdient nicht ernst genommen zu werden.
Auch sachlich werden die Feststellungen des Forstmeisters des Mittellandes durch nichts entkräftet. Zu einem ähnlichen Ergebnis wie er war schon der in einem früheren Verfahren vom Regierungsstatthalter von Aarberg als Experte zugezogene Landwirt Schneeberger gelangt; insbesondere hatte auch er den Lindacker als für Forstbaumpflanzungen kaum geeignet bezeichnet, da solche nicht ins offene Feld, sondern in oder an den Wald gehörten. Das vom Beschwerdeführer eingereichte Gutachten Jaeggi befasst sich entgegen seiner Behauptung überhaupt nicht mit der Frage der Eignung des gekauften Landes für Forstbaumschulen, sondern nur mit der Wichtigkeit des Bodenwechsels für solche, die nicht bestritten ist. Gestützt auf die vorliegenden Gutachten durfte der Regierungsrat davon ausgehen, dass das Land beim Sagihüsli zu höchstens einem Drittel und der Lindacker überhaupt nicht für den vom Beschwerdeführer verfolgten gewerblichen Zweck, die Anlage von Forstbaumschulen, geeignet ist.
Vor Bundesgericht macht der Beschwerdeführer neu geltend, er ziehe auch Ziersträucher auf und hiefür eigne sich auch offenes Land ohne weiteres. Damit will er offenbar behaupten, der Lindacker sei entgegen der Annahme der Experten für die gewerbliche Ausnützung geeignet. Indessen geht aus seinen eigenen Angaben hervor, dass er den Lindacker gar nicht zur Anlage von Pflanzschulen, weder für Forstpflanzen noch für Ziersträucher, sondern zum Abtausch gegen anderes Land verwenden will - vermutlich eben wegen seiner mangelnden Eignung für die von ihm hauptsächlich gezogenen Forstpflanzen. Ob eine Verwendung zum Abtausch noch als eine "gewerbliche Ausnützung" des Bodens im Sinne von Art. 19 lit. c EGG angesehen werden kann, erscheint als zweifelhaft. Diese Bestimmung will die Auflösung landwirtschaftlicher Gewerbe durch den Verkauf der dazu gehörenden Liegenschaften verhindern, lässt sie aber ausnahmsweise zu, wo wichtige Gründe das rechtfertigen. Einen solchen Grund erblickt sie namentlich darin, dass die Liegenschaften zur Überbauung oder zur gewerblichen oder industriellen Ausnützung des Bodens verkauft werden und sich hiefür eignen. Daraus könnte geschlossen werden, dass die verkauften Liegenschaften selbst zu einem der genannten Zwecke verwendet werden und dafür geeignet sein müssen; ihre Verwendung als Tauschobjekt genüge dann nicht, um die Ausnahme von der Schutzbestimmung zu begründen. Der Vertreter des Regierungsrates hat am gerichtlichen Augenschein nachdrücklich darauf hingewiesen, dass eine allgemeine Zulassung von Landerwerb zum Abtausch einer Umgehung der gesetzlichen Ordnung Tür und Tor öffnen würde. Wie es sich damit verhält, kann hier dahingestellt bleiben. Ob ein Kauf einer zu einem landwirtschaftlichen Heimwesen gehörenden Liegenschaft bewilligt werden darf, wenn nicht die direkte Verwendung zu gewerblicher Ausnützung, sondern lediglich ein Abtausch beabsichtigt ist, könnte abschliessend nur beurteilt werden, wenn mit dem Kaufvertrage über die Liegenschaft auch die Verträge über den geplanten Abtausch vorgelegt würden. Hier liegen aber keine solchen Verträge vor; der Beschwerdeführer hat in seiner Replikschrift und beim gerichtlichen Augenschein lediglich erklären können, dass Tauschmöglichkeiten bestehen. Bei dieser Sachlage hat sich die gerichtliche Beurteilung auf die Feststellung zu beschränken, dass eine gewerbliche Ausnützung des Bodens im Sinne des Gesetzes nicht nachgewiesen ist.
Übrigens träfe auch die weitere Voraussetzung nicht zu, wonach das Kaufobjekt für die geplante gewerbliche Ausnützung geeignet sein muss. Das landwirtschaftliche Gewerbe, das der Beschwerdeführer kaufen will, umfasst 201 ar. Die Liegenschaft Lindacker von 126 ar ist nach dem Gesagten gar nicht für die gewerbliche Ausnützung des Bodens bestimmt, übrigens nach den Gutachten auch nicht dafür geeignet. Von der 75 ar haltenden Liegenschaft Sagihüsli ist nach dem Gutachten des Forstmeisters des Mittellandes, das in diesem Punkte vom Beschwerdeführer nicht beanstandet wird, höchstens ein Drittel für die Anlage einer Forstpflanzschule geeignet. Es bedarf keiner näheren Ausführungen, dass die Eignung von höchstens einem Achtel der gesamten Fläche für den gewerblichen Zweck die Auflösung des landwirtschaftlichen Gewerbes nicht zu rechtfertigen vermag.
4. In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beruft sich der Beschwerdeführer zum erstenmal auch auf den Schlusssatz von Art. 19 lit. c EGG und macht geltend, die Aufhebung des landwirtschaftlichen Gewerbes lasse sich noch durch einen anderen wichtigen Grund rechtfertigen, nämlich dadurch, dass der im Jahre 1884 geborene Verkäufer Ineichen keine Nachkommen habe, die sein Heimwesen übernehmen wollten, und dass er sich durch das im Kaufvertrag vorbehaltene Wohn- und Nutzungsrecht ein bescheidenes zusätzliches Tätigkeitsfeld für seine alten Tage gewahrt habe. Dieses Recht war allerdings schon in einem früheren Verfahren erwähnt worden, auf das sich der Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Regierungsrate bezog. Damals war es aber nicht als wichtiger Grund für die Aufhebung des landwirtschaftlichen Heimwesens angerufen gewesen, sondern nur zur Begründung des niedrigen Kaufpreises. Es war daher vom Regierungsrate auch nicht unter jenem Gesichtspunkte zu überprüfen.
Erst vor Bundesgericht hat der Beschwerdeführer geltend gemacht, dass die schon im kantonalen Verfahren vorgebrachten Tatsachen einen anderen wichtigen Grund im Sinne des Schlusssatzes von Art. 19 lit. c EGG bildeten. Dieser neue Rechtsstandpunkt ist indessen vom Bundesgericht zu überprüfen, da es das Bundesrecht von Amtes wegen anzuwenden hat. Ob ein bestimmter Tatbestand einen wichtigen Grund im Sinne jener Bestimmung bildet'ist entgegen der Auffassung des Regierungsrates keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage.
Nach den Feststellungen am gerichtlichen Augenschein steht ausser Zweifel, dass Ineichen nicht auf den Verkauf angewiesen ist, sondern lediglich die ihm von Stämpfli gebotene Gelegenheit benützt, den Verkauf mit der Nutzung auf Lebenszeit zu verbinden. Sein Ziel, seine alten Tage mit einer reduzierten landwirtschaftlichen Tätigkeit auf dem Heimwesen zu verbringen, erreicht er auch, wenn er dieses zu Eigentum behält; deshalb legt er keinen grossen Wert auf den Verkauf. Es geht im Grunde nicht um jene Möglichkeit, sondern nur darum, ob Ineichen noch bei Lebzeiten die Liegenschaft verkauft oder ob das später seine Erben tun. Darin liegt kein wichtiger Grund, der die mit dem vorliegenden Kaufvertrag verbundene Aufhebung der Existenzfähigkeit des Heimwesens rechtfertigen könnte. | de | Bäuerlicher Grundbesitz, Einspruch gegen Liegenschaftsverkäufe (Art. 19, Abs. 1, lit. c EGG). Verkauf eines landwirtschaftlichen Kleinheimwesens:
a) Verkauf zu gewerblicher Ausnützung des Bodens setzt Eignung des Bodens zu diesem Zwecke voraus.
b) Verkauf zu Verwendung des Bodens zum Abtausch gegen für den gewerblichen Zweck geeignetes Land zulässig?
c) Rechtfertigung des Verkaufs durch "andere wichtige Gründe". | de | constitutional law and administrative law and public international law | 1,954 | I | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-I-92%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
214 | 80 I 92 | Sachverhalt ab Seite 92
A.- Fritz Stämpfli betreibt in Schüpfen die Aufzucht von und den Handel mit Forstpflanzen. Er ist Eigentümer von 715 ar Land. Dieses besteht teilweise aus Wald, teilweise benützt er es für seine Forstbaumschulen, und teilweise verpachtete er es an Landwirte, um den notwendigen Kulturwechsel zu sichern. Im Herbst 1951 einigte er sich mit Albert Ineichen, Sägereiarbeiter und Kleinlandwirt in Schüpfen, über den Kauf von dessen Heimwesen, umfassend folgende zwei Liegenschaften: a) Bauernhaus mit 75 ar Umschwung und Land im Sagihüsli, b) 126 ar Land im Lindacker. Nachdem am 1.1.53 das Bundesgesetz über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes vom 12.6.51 (EGG) in Kraft getreten war, liessen Stämpfli und Ineichen am 5.1.53 den Kaufvertrag über die beiden Liegenschaften zum Preise von Fr. 19'500.-- verurkunden. Der Verkäufer Ineichen behielt sich das lebenslängliche Wohn- und Benutzungsrecht am Bauernhaus sowie die landwirtschaftliche Bewirtschaftung und Nutzung der Hausmatte vor, beides zu einem jährlichen Pachtzins von Fr. 300.--. Der Käufer verpflichtete sich, ihm auf Verlangen noch mehr Land bis zu einer Juchart zum üblichen Pachtzins zur Verfügung zu stellen. Der Grundbuchverwalter von Aarberg erhob gegen den Kaufvertrag Einspruch auf Grund von Art. 19 lit. a, b und c EGG. Der Regierungsstatthalter von Aarberg bestätigte den Einspruch in Anwendung von lit. c.
B.- Mit Entscheid vom 2.6.53 wies der Regierungsrat des Kantons Bern eine Beschwerde Stämpflis hiegegen ab.
Er verneinte mit dem Regierungsstatthalter das Vorliegen der Einspruchsgründe von Art. 19 lit. a und b EGG. Weiter führte er aus, mit dem Verkauf des Kleinheimwesens verliere dieses seine Existenz als landwirtschaftliches Gewerbe; es werde andern, gewerblichen Zwecken zugeführt und damit aufgelöst. Der Schutz des EGG komme auch solchen Kleinheimwesen zu; das Gesetz wolle möglichst vielen Familien ihre landwirtschaftliche Existenz bewahren, auch wenn diese karg sei und der Ergänzung durch Nebenverdienst bedürfe. Nach Art. 19 lit. c könne der Einspruch aber dann nicht geschützt werden, wenn das Land zur gewerblichen Ausnützung des Bodens verkauft werde und sich dafür eigne. Es sei nicht zweifelhaft, dass der Käufer die beiden Parzellen zur Erweiterung seines Gewerbebetriebes erwerben möchte. Die Frage nach ihrer Eignung hiefür sei durch den Forstmeister des Mittellandes abgeklärt worden. Er erkläre das Heimwesen Sagihüsli als nach Lage und Form für die Anlage einer forstlichen Pflanzschule wenig geeignet; nach seiner Auffassung könnte höchstens ein Drittel der. Fläche dafür herangezogen werden. Der Lindacker liege im schönsten offenen Felde von Schüpfen, sei allen Witterungseinflüssen ausgesetzt und schon deshalb für eine Forstbaumschule ganz ungeeignet. Dieser Auffassung scheine auch der Käufer zu sein, da er den Lindacker gegen anderes, für seinen Betrieb günstiger gelegenes Land zu tauschen beabsichtige. Eine solche "indirekte Eignung" genüge aber nicht, um den Einspruch abzuweisen; sonst würde die gesetzliche Bestimmung überhaupt jede Wirksamkeit verlieren. Zudem sei zu berücksichtigen, dass Forstbaumschulen nicht ins offene Feld, sondern in den Wald oder an den Waldrand gehörten.
C.- Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt Fritz Stämpfli, diesen Entscheid aufzuheben und den Einspruch gegen den Kaufvertrag abzuweisen.
Er macht geltend, der Entscheid des Regierungsrates verletze Bundesrecht und beruhe auf einer unrichtigen bzw. unvollständigen Feststellung des Sachverhaltes. Das Gutachten des Forstmeisters des Mittellandes könne nicht vorbehaltlos als neutrales Gutachten angesehen werden, weil der Staat in diesem Verfahren Partei sei und zudem in erheblichem Umfange selber die Zucht von Forstpflanzen betreibe, somit Konkurrent des Beschwerdeführers sei. Der Regierungsrat gehe über die Feststellung seines Forstmeisters hinweg, dass zum mindesten ein Teil des Heimwesens Sagihüsli für die Zwecke des Beschwerdeführers geeignet sei. Dieses Land liege in unmittelbarer Nähe seiner Pflanzschule und würde ihm ausgezeichnete Dienste erweisen. Die Auffassung, der Lindacker sei ungeeignet, weil nicht in Waldesnähe, treffe nicht zu. Auch die indirekte Verwendung von Land durch Abtausch müsse den gesetzlichen Voraussetzungen genügen, da sonst der Landerwerb zu gewerblichen Zwecken ausserordentlich erschwert würde. Der Beschwerdeführer betreibe auch die Aufzucht von Ziersträuchern; dafür sei auch Land, das nicht in Waldesnähe liege, ohne weiteres geeignet. Die Frage der Eignung des Landes sei somit ungenügend abgeklärt bzw. die Eignung im Sinne des Gesetzes falsch interpretiert worden. In der kantonalen Beschwerde habe der Beschwerdeführer eine Expertise darüber beantragt und ein Gutachten Jaeggi eingereicht, das die Tauglichkeit des Landes zu dem vorgesehenen Zwecke bejahe; der Regierungsrat habe jenem Antrag nicht stattgegeben und dieses Gutachten in seinem Entscheid einfach übergangen.
Nach Art. 19 lit. c EGG sei der Einspruch auch dann abzuweisen, wenn sich die Aufhebung des landwirtschaftlichen Gewerbes durch andere wichtige Gründe rechtfertigen lasse. Im Kaufvertrag habe sich der 1884 geborene Verkäufer ein lebenslängliches Wohnrecht am Bauernhause und die Nutzung der Hausmatte vorbehalten und sich so ein bescheidenes zusätzliche Tätigkeitsfeld für seine alten Tage gewahrt; das wäre nicht möglich, wenn das kleine Heimwesen zur direkten Bewirtschaftung an einen Dritten verkauft würde. Das seien wichtige Gründe im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmung.
D.- Der Regierungsrat des Kantons Bern beantragt Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen
Erwägungen
in Erwägung:
1. Der angefochtene Beschwerdeentscheid des bernischen Regierungsrates ist ein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid über den Einspruch gegen einen Kaufvertrag gemäss Art. 18 ff. EGG. Dagegen ist laut Art. 45 EGG die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig.
2. Der Beschwerdeführer will die beiden Liegenschaften von A. Ineichen kaufen, um sie für seinen Gewerbebetrieb zu verwenden, teils direkt für die Anlage von Forstbaumschulen, teils indirekt durch Abtausch gegen anderes Land, das sich hiefür besser eignet. Angesichts dieses unbestrittenen Zweckes handelt es sich nicht um Spekulation oder Güteraufkauf im Sinne von Art. 19 lit. a EGG. Der Beschwerdeführer ist auch nicht bereits Eigentümer so vieler landwirtschaftlicher Liegenschaften, dass sie ihm und seiner Familie eine auskömmliche Existenz bieten. Die kantonalen Instanzen haben deshalb mit Recht das Vorliegen der - vom Grundbuchverwalter von Aarberg ebenfalls angerufenen - Einspruchsgründe von Art. 19 lit. a und b EGG verneint und den Einspruch auf Grund von lit. c beurteilt.
Unbestritten ist auch, dass infolge des geplanten Verkaufs das bisherige Heimwesen als solches eingehen und damit ein landwirtschaftliches Gewerbe seine Existenzfähigkeit verlieren würde. Art. 19 lit. c EGG will nicht nur Betriebe erhalten, die gross genug sind, um für sich allein eine Familie zu ernähren, sondern auch Kleinheimwesen, deren Bewirtschaftung dazu nur mit der Ergänzung durch einen Nebenverdienst ausreicht (vgl. LIVER, Fragen des neuen landwirtschaftlichen Bodenrechtes in ZSR 1949 S. 34). Er lässt die Aufhebung eines solchen Gewerbes nur zu, wenn sie durch wichtige Gründe gerechtfertigt wird, und hebt als solchen Grund hervor den Verkauf der Liegenschaft zur Überbauung oder zur gewerblichen oder industriellen Ausnützung des Bodens, falls sich dieser dafür eignet. Der Charakter als landwirtschaftliches Heimwesen ginge auch verloren, wenn es der Beschwerdeführer als Wohnstelle für einen seiner Arbeiter verwenden würde.
3. Der Beschwerdeführer hatte von Anfang an geltend gemacht, er wolle das Land gewerblich ausnützen, und in der kantonalen Beschwerde eine Expertise über dessen Tauglichkeit zu diesem Zwecke beantragt. Zu Unrecht behauptet er, der Regierungsrat habe diesem Antrag nicht stattgegeben: Die mit der Instruktion der Beschwerde beauftragte Justizdirektion hat ein Gutachten des Forstmeisters des Mittellandes über jene Frage eingeholt, und der Entscheid des Regierungsrates beruht wesentlich auf dessen Feststellung, dass das Land beim Sagihüsli zu höchstens einem Drittel und der Lindacker überhaupt nicht für Forstbaumschulen geeignet sei.
In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird die Neutralität des genannten Experten in Frage gestellt, weil er Staatsbeamter und der Staat im vorliegenden Verfahren Partei und zudem ein Konkurrent des Beschwerdeführers sei, da er ebenfalls die Aufzucht von Forstpflanzen betreibe. Dadurch, dass der Kanton Bern das Einspruchsverfahren gemäss Art. 18 ff. EGG eingeführt und die Grundbuchverwalter damit betraut hat, bei Vorliegen der gesetzlichen Gründe von Amtes wegen Einspruch zu erheben (Art. 8 und 9 des EG z. EGG vom 23.11.52), wird er indessen nicht zur Partei. Als solche könnte höchstens allenfalls der Grundbuchverwalter erscheinen, der das mit den Interessen der Kaufskontrahenten kollidierende Interesse der Allgemeinheit an der Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes zu wahren hat, nicht aber der Staat selbst; dieser hat vielmehr durch andere Organe, Regierungsstatthalter und Regierungsrat, für die unparteiische Anwendung des Gesetzes zu sorgen. Es ist ohne weiteres gegeben, dass der Regierungsrat hiebei Fachfragen, wie diejenige nach der Eignung bestimmter Liegenschaften für gewisse Gewerbe, durch seine sachverständigen Beamten begutachten lässt; das war hier der Forstmeister. Es liegt nichts vor, was ihn als befangen erscheinen liesse; der Einwand, das sei der Fall, weil der Staat wie der Beschwerdeführer die Aufzucht von Forstpflanzen betreibe und somit dessen Konkurrent sei, verdient nicht ernst genommen zu werden.
Auch sachlich werden die Feststellungen des Forstmeisters des Mittellandes durch nichts entkräftet. Zu einem ähnlichen Ergebnis wie er war schon der in einem früheren Verfahren vom Regierungsstatthalter von Aarberg als Experte zugezogene Landwirt Schneeberger gelangt; insbesondere hatte auch er den Lindacker als für Forstbaumpflanzungen kaum geeignet bezeichnet, da solche nicht ins offene Feld, sondern in oder an den Wald gehörten. Das vom Beschwerdeführer eingereichte Gutachten Jaeggi befasst sich entgegen seiner Behauptung überhaupt nicht mit der Frage der Eignung des gekauften Landes für Forstbaumschulen, sondern nur mit der Wichtigkeit des Bodenwechsels für solche, die nicht bestritten ist. Gestützt auf die vorliegenden Gutachten durfte der Regierungsrat davon ausgehen, dass das Land beim Sagihüsli zu höchstens einem Drittel und der Lindacker überhaupt nicht für den vom Beschwerdeführer verfolgten gewerblichen Zweck, die Anlage von Forstbaumschulen, geeignet ist.
Vor Bundesgericht macht der Beschwerdeführer neu geltend, er ziehe auch Ziersträucher auf und hiefür eigne sich auch offenes Land ohne weiteres. Damit will er offenbar behaupten, der Lindacker sei entgegen der Annahme der Experten für die gewerbliche Ausnützung geeignet. Indessen geht aus seinen eigenen Angaben hervor, dass er den Lindacker gar nicht zur Anlage von Pflanzschulen, weder für Forstpflanzen noch für Ziersträucher, sondern zum Abtausch gegen anderes Land verwenden will - vermutlich eben wegen seiner mangelnden Eignung für die von ihm hauptsächlich gezogenen Forstpflanzen. Ob eine Verwendung zum Abtausch noch als eine "gewerbliche Ausnützung" des Bodens im Sinne von Art. 19 lit. c EGG angesehen werden kann, erscheint als zweifelhaft. Diese Bestimmung will die Auflösung landwirtschaftlicher Gewerbe durch den Verkauf der dazu gehörenden Liegenschaften verhindern, lässt sie aber ausnahmsweise zu, wo wichtige Gründe das rechtfertigen. Einen solchen Grund erblickt sie namentlich darin, dass die Liegenschaften zur Überbauung oder zur gewerblichen oder industriellen Ausnützung des Bodens verkauft werden und sich hiefür eignen. Daraus könnte geschlossen werden, dass die verkauften Liegenschaften selbst zu einem der genannten Zwecke verwendet werden und dafür geeignet sein müssen; ihre Verwendung als Tauschobjekt genüge dann nicht, um die Ausnahme von der Schutzbestimmung zu begründen. Der Vertreter des Regierungsrates hat am gerichtlichen Augenschein nachdrücklich darauf hingewiesen, dass eine allgemeine Zulassung von Landerwerb zum Abtausch einer Umgehung der gesetzlichen Ordnung Tür und Tor öffnen würde. Wie es sich damit verhält, kann hier dahingestellt bleiben. Ob ein Kauf einer zu einem landwirtschaftlichen Heimwesen gehörenden Liegenschaft bewilligt werden darf, wenn nicht die direkte Verwendung zu gewerblicher Ausnützung, sondern lediglich ein Abtausch beabsichtigt ist, könnte abschliessend nur beurteilt werden, wenn mit dem Kaufvertrage über die Liegenschaft auch die Verträge über den geplanten Abtausch vorgelegt würden. Hier liegen aber keine solchen Verträge vor; der Beschwerdeführer hat in seiner Replikschrift und beim gerichtlichen Augenschein lediglich erklären können, dass Tauschmöglichkeiten bestehen. Bei dieser Sachlage hat sich die gerichtliche Beurteilung auf die Feststellung zu beschränken, dass eine gewerbliche Ausnützung des Bodens im Sinne des Gesetzes nicht nachgewiesen ist.
Übrigens träfe auch die weitere Voraussetzung nicht zu, wonach das Kaufobjekt für die geplante gewerbliche Ausnützung geeignet sein muss. Das landwirtschaftliche Gewerbe, das der Beschwerdeführer kaufen will, umfasst 201 ar. Die Liegenschaft Lindacker von 126 ar ist nach dem Gesagten gar nicht für die gewerbliche Ausnützung des Bodens bestimmt, übrigens nach den Gutachten auch nicht dafür geeignet. Von der 75 ar haltenden Liegenschaft Sagihüsli ist nach dem Gutachten des Forstmeisters des Mittellandes, das in diesem Punkte vom Beschwerdeführer nicht beanstandet wird, höchstens ein Drittel für die Anlage einer Forstpflanzschule geeignet. Es bedarf keiner näheren Ausführungen, dass die Eignung von höchstens einem Achtel der gesamten Fläche für den gewerblichen Zweck die Auflösung des landwirtschaftlichen Gewerbes nicht zu rechtfertigen vermag.
4. In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beruft sich der Beschwerdeführer zum erstenmal auch auf den Schlusssatz von Art. 19 lit. c EGG und macht geltend, die Aufhebung des landwirtschaftlichen Gewerbes lasse sich noch durch einen anderen wichtigen Grund rechtfertigen, nämlich dadurch, dass der im Jahre 1884 geborene Verkäufer Ineichen keine Nachkommen habe, die sein Heimwesen übernehmen wollten, und dass er sich durch das im Kaufvertrag vorbehaltene Wohn- und Nutzungsrecht ein bescheidenes zusätzliches Tätigkeitsfeld für seine alten Tage gewahrt habe. Dieses Recht war allerdings schon in einem früheren Verfahren erwähnt worden, auf das sich der Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Regierungsrate bezog. Damals war es aber nicht als wichtiger Grund für die Aufhebung des landwirtschaftlichen Heimwesens angerufen gewesen, sondern nur zur Begründung des niedrigen Kaufpreises. Es war daher vom Regierungsrate auch nicht unter jenem Gesichtspunkte zu überprüfen.
Erst vor Bundesgericht hat der Beschwerdeführer geltend gemacht, dass die schon im kantonalen Verfahren vorgebrachten Tatsachen einen anderen wichtigen Grund im Sinne des Schlusssatzes von Art. 19 lit. c EGG bildeten. Dieser neue Rechtsstandpunkt ist indessen vom Bundesgericht zu überprüfen, da es das Bundesrecht von Amtes wegen anzuwenden hat. Ob ein bestimmter Tatbestand einen wichtigen Grund im Sinne jener Bestimmung bildet'ist entgegen der Auffassung des Regierungsrates keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage.
Nach den Feststellungen am gerichtlichen Augenschein steht ausser Zweifel, dass Ineichen nicht auf den Verkauf angewiesen ist, sondern lediglich die ihm von Stämpfli gebotene Gelegenheit benützt, den Verkauf mit der Nutzung auf Lebenszeit zu verbinden. Sein Ziel, seine alten Tage mit einer reduzierten landwirtschaftlichen Tätigkeit auf dem Heimwesen zu verbringen, erreicht er auch, wenn er dieses zu Eigentum behält; deshalb legt er keinen grossen Wert auf den Verkauf. Es geht im Grunde nicht um jene Möglichkeit, sondern nur darum, ob Ineichen noch bei Lebzeiten die Liegenschaft verkauft oder ob das später seine Erben tun. Darin liegt kein wichtiger Grund, der die mit dem vorliegenden Kaufvertrag verbundene Aufhebung der Existenzfähigkeit des Heimwesens rechtfertigen könnte. | de | Propriété foncière rurale; opposition contre des ventes de biens-fonds (art. 19 al. 1 lit. c de la loi fédérale du 12 juin 1951 sur le maintien de la propriété foncière rurale). Vente d'une petite exploitation agricole:
a) La vente aux fins d'utilisation artisanale suppose que le sol s'y prête.
b) La vente aux fins d'échange du sol contre un terrain qui se prête à l'utilisation artisanale est-elle admissible?
c) Justification de la vente par "d'autres justes motifs". | fr | constitutional law and administrative law and public international law | 1,954 | I | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-I-92%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
215 | 80 I 92 | Sachverhalt ab Seite 92
A.- Fritz Stämpfli betreibt in Schüpfen die Aufzucht von und den Handel mit Forstpflanzen. Er ist Eigentümer von 715 ar Land. Dieses besteht teilweise aus Wald, teilweise benützt er es für seine Forstbaumschulen, und teilweise verpachtete er es an Landwirte, um den notwendigen Kulturwechsel zu sichern. Im Herbst 1951 einigte er sich mit Albert Ineichen, Sägereiarbeiter und Kleinlandwirt in Schüpfen, über den Kauf von dessen Heimwesen, umfassend folgende zwei Liegenschaften: a) Bauernhaus mit 75 ar Umschwung und Land im Sagihüsli, b) 126 ar Land im Lindacker. Nachdem am 1.1.53 das Bundesgesetz über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes vom 12.6.51 (EGG) in Kraft getreten war, liessen Stämpfli und Ineichen am 5.1.53 den Kaufvertrag über die beiden Liegenschaften zum Preise von Fr. 19'500.-- verurkunden. Der Verkäufer Ineichen behielt sich das lebenslängliche Wohn- und Benutzungsrecht am Bauernhaus sowie die landwirtschaftliche Bewirtschaftung und Nutzung der Hausmatte vor, beides zu einem jährlichen Pachtzins von Fr. 300.--. Der Käufer verpflichtete sich, ihm auf Verlangen noch mehr Land bis zu einer Juchart zum üblichen Pachtzins zur Verfügung zu stellen. Der Grundbuchverwalter von Aarberg erhob gegen den Kaufvertrag Einspruch auf Grund von Art. 19 lit. a, b und c EGG. Der Regierungsstatthalter von Aarberg bestätigte den Einspruch in Anwendung von lit. c.
B.- Mit Entscheid vom 2.6.53 wies der Regierungsrat des Kantons Bern eine Beschwerde Stämpflis hiegegen ab.
Er verneinte mit dem Regierungsstatthalter das Vorliegen der Einspruchsgründe von Art. 19 lit. a und b EGG. Weiter führte er aus, mit dem Verkauf des Kleinheimwesens verliere dieses seine Existenz als landwirtschaftliches Gewerbe; es werde andern, gewerblichen Zwecken zugeführt und damit aufgelöst. Der Schutz des EGG komme auch solchen Kleinheimwesen zu; das Gesetz wolle möglichst vielen Familien ihre landwirtschaftliche Existenz bewahren, auch wenn diese karg sei und der Ergänzung durch Nebenverdienst bedürfe. Nach Art. 19 lit. c könne der Einspruch aber dann nicht geschützt werden, wenn das Land zur gewerblichen Ausnützung des Bodens verkauft werde und sich dafür eigne. Es sei nicht zweifelhaft, dass der Käufer die beiden Parzellen zur Erweiterung seines Gewerbebetriebes erwerben möchte. Die Frage nach ihrer Eignung hiefür sei durch den Forstmeister des Mittellandes abgeklärt worden. Er erkläre das Heimwesen Sagihüsli als nach Lage und Form für die Anlage einer forstlichen Pflanzschule wenig geeignet; nach seiner Auffassung könnte höchstens ein Drittel der. Fläche dafür herangezogen werden. Der Lindacker liege im schönsten offenen Felde von Schüpfen, sei allen Witterungseinflüssen ausgesetzt und schon deshalb für eine Forstbaumschule ganz ungeeignet. Dieser Auffassung scheine auch der Käufer zu sein, da er den Lindacker gegen anderes, für seinen Betrieb günstiger gelegenes Land zu tauschen beabsichtige. Eine solche "indirekte Eignung" genüge aber nicht, um den Einspruch abzuweisen; sonst würde die gesetzliche Bestimmung überhaupt jede Wirksamkeit verlieren. Zudem sei zu berücksichtigen, dass Forstbaumschulen nicht ins offene Feld, sondern in den Wald oder an den Waldrand gehörten.
C.- Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt Fritz Stämpfli, diesen Entscheid aufzuheben und den Einspruch gegen den Kaufvertrag abzuweisen.
Er macht geltend, der Entscheid des Regierungsrates verletze Bundesrecht und beruhe auf einer unrichtigen bzw. unvollständigen Feststellung des Sachverhaltes. Das Gutachten des Forstmeisters des Mittellandes könne nicht vorbehaltlos als neutrales Gutachten angesehen werden, weil der Staat in diesem Verfahren Partei sei und zudem in erheblichem Umfange selber die Zucht von Forstpflanzen betreibe, somit Konkurrent des Beschwerdeführers sei. Der Regierungsrat gehe über die Feststellung seines Forstmeisters hinweg, dass zum mindesten ein Teil des Heimwesens Sagihüsli für die Zwecke des Beschwerdeführers geeignet sei. Dieses Land liege in unmittelbarer Nähe seiner Pflanzschule und würde ihm ausgezeichnete Dienste erweisen. Die Auffassung, der Lindacker sei ungeeignet, weil nicht in Waldesnähe, treffe nicht zu. Auch die indirekte Verwendung von Land durch Abtausch müsse den gesetzlichen Voraussetzungen genügen, da sonst der Landerwerb zu gewerblichen Zwecken ausserordentlich erschwert würde. Der Beschwerdeführer betreibe auch die Aufzucht von Ziersträuchern; dafür sei auch Land, das nicht in Waldesnähe liege, ohne weiteres geeignet. Die Frage der Eignung des Landes sei somit ungenügend abgeklärt bzw. die Eignung im Sinne des Gesetzes falsch interpretiert worden. In der kantonalen Beschwerde habe der Beschwerdeführer eine Expertise darüber beantragt und ein Gutachten Jaeggi eingereicht, das die Tauglichkeit des Landes zu dem vorgesehenen Zwecke bejahe; der Regierungsrat habe jenem Antrag nicht stattgegeben und dieses Gutachten in seinem Entscheid einfach übergangen.
Nach Art. 19 lit. c EGG sei der Einspruch auch dann abzuweisen, wenn sich die Aufhebung des landwirtschaftlichen Gewerbes durch andere wichtige Gründe rechtfertigen lasse. Im Kaufvertrag habe sich der 1884 geborene Verkäufer ein lebenslängliches Wohnrecht am Bauernhause und die Nutzung der Hausmatte vorbehalten und sich so ein bescheidenes zusätzliche Tätigkeitsfeld für seine alten Tage gewahrt; das wäre nicht möglich, wenn das kleine Heimwesen zur direkten Bewirtschaftung an einen Dritten verkauft würde. Das seien wichtige Gründe im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmung.
D.- Der Regierungsrat des Kantons Bern beantragt Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen
Erwägungen
in Erwägung:
1. Der angefochtene Beschwerdeentscheid des bernischen Regierungsrates ist ein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid über den Einspruch gegen einen Kaufvertrag gemäss Art. 18 ff. EGG. Dagegen ist laut Art. 45 EGG die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig.
2. Der Beschwerdeführer will die beiden Liegenschaften von A. Ineichen kaufen, um sie für seinen Gewerbebetrieb zu verwenden, teils direkt für die Anlage von Forstbaumschulen, teils indirekt durch Abtausch gegen anderes Land, das sich hiefür besser eignet. Angesichts dieses unbestrittenen Zweckes handelt es sich nicht um Spekulation oder Güteraufkauf im Sinne von Art. 19 lit. a EGG. Der Beschwerdeführer ist auch nicht bereits Eigentümer so vieler landwirtschaftlicher Liegenschaften, dass sie ihm und seiner Familie eine auskömmliche Existenz bieten. Die kantonalen Instanzen haben deshalb mit Recht das Vorliegen der - vom Grundbuchverwalter von Aarberg ebenfalls angerufenen - Einspruchsgründe von Art. 19 lit. a und b EGG verneint und den Einspruch auf Grund von lit. c beurteilt.
Unbestritten ist auch, dass infolge des geplanten Verkaufs das bisherige Heimwesen als solches eingehen und damit ein landwirtschaftliches Gewerbe seine Existenzfähigkeit verlieren würde. Art. 19 lit. c EGG will nicht nur Betriebe erhalten, die gross genug sind, um für sich allein eine Familie zu ernähren, sondern auch Kleinheimwesen, deren Bewirtschaftung dazu nur mit der Ergänzung durch einen Nebenverdienst ausreicht (vgl. LIVER, Fragen des neuen landwirtschaftlichen Bodenrechtes in ZSR 1949 S. 34). Er lässt die Aufhebung eines solchen Gewerbes nur zu, wenn sie durch wichtige Gründe gerechtfertigt wird, und hebt als solchen Grund hervor den Verkauf der Liegenschaft zur Überbauung oder zur gewerblichen oder industriellen Ausnützung des Bodens, falls sich dieser dafür eignet. Der Charakter als landwirtschaftliches Heimwesen ginge auch verloren, wenn es der Beschwerdeführer als Wohnstelle für einen seiner Arbeiter verwenden würde.
3. Der Beschwerdeführer hatte von Anfang an geltend gemacht, er wolle das Land gewerblich ausnützen, und in der kantonalen Beschwerde eine Expertise über dessen Tauglichkeit zu diesem Zwecke beantragt. Zu Unrecht behauptet er, der Regierungsrat habe diesem Antrag nicht stattgegeben: Die mit der Instruktion der Beschwerde beauftragte Justizdirektion hat ein Gutachten des Forstmeisters des Mittellandes über jene Frage eingeholt, und der Entscheid des Regierungsrates beruht wesentlich auf dessen Feststellung, dass das Land beim Sagihüsli zu höchstens einem Drittel und der Lindacker überhaupt nicht für Forstbaumschulen geeignet sei.
In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird die Neutralität des genannten Experten in Frage gestellt, weil er Staatsbeamter und der Staat im vorliegenden Verfahren Partei und zudem ein Konkurrent des Beschwerdeführers sei, da er ebenfalls die Aufzucht von Forstpflanzen betreibe. Dadurch, dass der Kanton Bern das Einspruchsverfahren gemäss Art. 18 ff. EGG eingeführt und die Grundbuchverwalter damit betraut hat, bei Vorliegen der gesetzlichen Gründe von Amtes wegen Einspruch zu erheben (Art. 8 und 9 des EG z. EGG vom 23.11.52), wird er indessen nicht zur Partei. Als solche könnte höchstens allenfalls der Grundbuchverwalter erscheinen, der das mit den Interessen der Kaufskontrahenten kollidierende Interesse der Allgemeinheit an der Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes zu wahren hat, nicht aber der Staat selbst; dieser hat vielmehr durch andere Organe, Regierungsstatthalter und Regierungsrat, für die unparteiische Anwendung des Gesetzes zu sorgen. Es ist ohne weiteres gegeben, dass der Regierungsrat hiebei Fachfragen, wie diejenige nach der Eignung bestimmter Liegenschaften für gewisse Gewerbe, durch seine sachverständigen Beamten begutachten lässt; das war hier der Forstmeister. Es liegt nichts vor, was ihn als befangen erscheinen liesse; der Einwand, das sei der Fall, weil der Staat wie der Beschwerdeführer die Aufzucht von Forstpflanzen betreibe und somit dessen Konkurrent sei, verdient nicht ernst genommen zu werden.
Auch sachlich werden die Feststellungen des Forstmeisters des Mittellandes durch nichts entkräftet. Zu einem ähnlichen Ergebnis wie er war schon der in einem früheren Verfahren vom Regierungsstatthalter von Aarberg als Experte zugezogene Landwirt Schneeberger gelangt; insbesondere hatte auch er den Lindacker als für Forstbaumpflanzungen kaum geeignet bezeichnet, da solche nicht ins offene Feld, sondern in oder an den Wald gehörten. Das vom Beschwerdeführer eingereichte Gutachten Jaeggi befasst sich entgegen seiner Behauptung überhaupt nicht mit der Frage der Eignung des gekauften Landes für Forstbaumschulen, sondern nur mit der Wichtigkeit des Bodenwechsels für solche, die nicht bestritten ist. Gestützt auf die vorliegenden Gutachten durfte der Regierungsrat davon ausgehen, dass das Land beim Sagihüsli zu höchstens einem Drittel und der Lindacker überhaupt nicht für den vom Beschwerdeführer verfolgten gewerblichen Zweck, die Anlage von Forstbaumschulen, geeignet ist.
Vor Bundesgericht macht der Beschwerdeführer neu geltend, er ziehe auch Ziersträucher auf und hiefür eigne sich auch offenes Land ohne weiteres. Damit will er offenbar behaupten, der Lindacker sei entgegen der Annahme der Experten für die gewerbliche Ausnützung geeignet. Indessen geht aus seinen eigenen Angaben hervor, dass er den Lindacker gar nicht zur Anlage von Pflanzschulen, weder für Forstpflanzen noch für Ziersträucher, sondern zum Abtausch gegen anderes Land verwenden will - vermutlich eben wegen seiner mangelnden Eignung für die von ihm hauptsächlich gezogenen Forstpflanzen. Ob eine Verwendung zum Abtausch noch als eine "gewerbliche Ausnützung" des Bodens im Sinne von Art. 19 lit. c EGG angesehen werden kann, erscheint als zweifelhaft. Diese Bestimmung will die Auflösung landwirtschaftlicher Gewerbe durch den Verkauf der dazu gehörenden Liegenschaften verhindern, lässt sie aber ausnahmsweise zu, wo wichtige Gründe das rechtfertigen. Einen solchen Grund erblickt sie namentlich darin, dass die Liegenschaften zur Überbauung oder zur gewerblichen oder industriellen Ausnützung des Bodens verkauft werden und sich hiefür eignen. Daraus könnte geschlossen werden, dass die verkauften Liegenschaften selbst zu einem der genannten Zwecke verwendet werden und dafür geeignet sein müssen; ihre Verwendung als Tauschobjekt genüge dann nicht, um die Ausnahme von der Schutzbestimmung zu begründen. Der Vertreter des Regierungsrates hat am gerichtlichen Augenschein nachdrücklich darauf hingewiesen, dass eine allgemeine Zulassung von Landerwerb zum Abtausch einer Umgehung der gesetzlichen Ordnung Tür und Tor öffnen würde. Wie es sich damit verhält, kann hier dahingestellt bleiben. Ob ein Kauf einer zu einem landwirtschaftlichen Heimwesen gehörenden Liegenschaft bewilligt werden darf, wenn nicht die direkte Verwendung zu gewerblicher Ausnützung, sondern lediglich ein Abtausch beabsichtigt ist, könnte abschliessend nur beurteilt werden, wenn mit dem Kaufvertrage über die Liegenschaft auch die Verträge über den geplanten Abtausch vorgelegt würden. Hier liegen aber keine solchen Verträge vor; der Beschwerdeführer hat in seiner Replikschrift und beim gerichtlichen Augenschein lediglich erklären können, dass Tauschmöglichkeiten bestehen. Bei dieser Sachlage hat sich die gerichtliche Beurteilung auf die Feststellung zu beschränken, dass eine gewerbliche Ausnützung des Bodens im Sinne des Gesetzes nicht nachgewiesen ist.
Übrigens träfe auch die weitere Voraussetzung nicht zu, wonach das Kaufobjekt für die geplante gewerbliche Ausnützung geeignet sein muss. Das landwirtschaftliche Gewerbe, das der Beschwerdeführer kaufen will, umfasst 201 ar. Die Liegenschaft Lindacker von 126 ar ist nach dem Gesagten gar nicht für die gewerbliche Ausnützung des Bodens bestimmt, übrigens nach den Gutachten auch nicht dafür geeignet. Von der 75 ar haltenden Liegenschaft Sagihüsli ist nach dem Gutachten des Forstmeisters des Mittellandes, das in diesem Punkte vom Beschwerdeführer nicht beanstandet wird, höchstens ein Drittel für die Anlage einer Forstpflanzschule geeignet. Es bedarf keiner näheren Ausführungen, dass die Eignung von höchstens einem Achtel der gesamten Fläche für den gewerblichen Zweck die Auflösung des landwirtschaftlichen Gewerbes nicht zu rechtfertigen vermag.
4. In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beruft sich der Beschwerdeführer zum erstenmal auch auf den Schlusssatz von Art. 19 lit. c EGG und macht geltend, die Aufhebung des landwirtschaftlichen Gewerbes lasse sich noch durch einen anderen wichtigen Grund rechtfertigen, nämlich dadurch, dass der im Jahre 1884 geborene Verkäufer Ineichen keine Nachkommen habe, die sein Heimwesen übernehmen wollten, und dass er sich durch das im Kaufvertrag vorbehaltene Wohn- und Nutzungsrecht ein bescheidenes zusätzliches Tätigkeitsfeld für seine alten Tage gewahrt habe. Dieses Recht war allerdings schon in einem früheren Verfahren erwähnt worden, auf das sich der Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Regierungsrate bezog. Damals war es aber nicht als wichtiger Grund für die Aufhebung des landwirtschaftlichen Heimwesens angerufen gewesen, sondern nur zur Begründung des niedrigen Kaufpreises. Es war daher vom Regierungsrate auch nicht unter jenem Gesichtspunkte zu überprüfen.
Erst vor Bundesgericht hat der Beschwerdeführer geltend gemacht, dass die schon im kantonalen Verfahren vorgebrachten Tatsachen einen anderen wichtigen Grund im Sinne des Schlusssatzes von Art. 19 lit. c EGG bildeten. Dieser neue Rechtsstandpunkt ist indessen vom Bundesgericht zu überprüfen, da es das Bundesrecht von Amtes wegen anzuwenden hat. Ob ein bestimmter Tatbestand einen wichtigen Grund im Sinne jener Bestimmung bildet'ist entgegen der Auffassung des Regierungsrates keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage.
Nach den Feststellungen am gerichtlichen Augenschein steht ausser Zweifel, dass Ineichen nicht auf den Verkauf angewiesen ist, sondern lediglich die ihm von Stämpfli gebotene Gelegenheit benützt, den Verkauf mit der Nutzung auf Lebenszeit zu verbinden. Sein Ziel, seine alten Tage mit einer reduzierten landwirtschaftlichen Tätigkeit auf dem Heimwesen zu verbringen, erreicht er auch, wenn er dieses zu Eigentum behält; deshalb legt er keinen grossen Wert auf den Verkauf. Es geht im Grunde nicht um jene Möglichkeit, sondern nur darum, ob Ineichen noch bei Lebzeiten die Liegenschaft verkauft oder ob das später seine Erben tun. Darin liegt kein wichtiger Grund, der die mit dem vorliegenden Kaufvertrag verbundene Aufhebung der Existenzfähigkeit des Heimwesens rechtfertigen könnte. | de | Proprietà fondiaria agricola; opposizione alla vendita di fondi (art. 19 cp. 1 lett. c della legge federale 12 giugno 1951 sulla conservazione della proprietà fondiaria agricola). Vendita d'una piccola proprietà fondiaria agricola:
a) La vendita per adibire il suolo a scopi artigiani presuppone ch'esso si presti a siffatto scopo.
b) È ammissibile la vendita allo scopo di poter cambiare il suolo con un altro che si presti a scopi artigiani?
c) Vendita giustificata da "altri gravi motivi". | it | constitutional law and administrative law and public international law | 1,954 | I | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-I-92%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
216 | 80 II 1 | Sachverhalt ab Seite 1
A.- Ein erstes Urteil des Bezirksgerichts Horgen auf Trennung der 1933 geschlossenen Ehe der Parteien wurde vom Obergericht Zürich 1948 aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen. Anstelle der wiederum ausgesprochenen Trennung wies das Obergericht die Klage wegen vorwiegenden Verschuldens des Klägers an der Zerrüttung ab, und das Bundesgericht bestätigte am 14. September 1949 in Abweisung der Berufung des Klägers dieses Urteil.
Eine am 3. Dezember 1952 vom Ehemanne eingeleitete neue Scheidungsklage wurde wiederum vom Bezirksgericht gutgeheissen, jedoch auf Appellation der Beklagten vom Obergericht abgewiesen. Es geht von den Urteilen im früheren Prozesse aus, nach denen damals das Verschulden deutlich auf Seite des Klägers gelegen habe. Seither sei die Beklagte immer zur Versöhnung und Wiedervereinigung bereit gewesen und dem Manne zugetan geblieben. Angesichts der Behauptung des Klägers, eine Rückkehr zur Frau sei ihm psychisch schlechterdings unmöglich, liess die Vorinstanz beide Eheleute hinsichtlich ihres psychischen Zustandes und namentlich ihrer gegenseitigen Einstellung psychiatrisch begutachten. Auf Grund dieser Expertise bezeichnet die Vorinstanz die psychologische Situation der Ehegatten als hinlänglich abgeklärt. Die Beklagte leide unter der tatsächlich vorhandenen Zerrüttung schwer und befinde sich deswegen in einem ans Krankhafte grenzenden Zustande. Sie hänge am Manne und an der Ehe und sei gewillt, durch Wiederaufnahme der Gemeinschaft zur Lösung des Zerwürfnisses beizutragen. Allerdings seien die Parteien verschieden veranlagt. Verschiedenheit, ja Unvereinbarkeit der Charaktere könne jedoch nicht ohne weiteres als objektive Zerrüttungsursache anerkannt werden (BGE 72 II 402, BGE 74 II 66, BGE 77 II 204 ff.). In casu handle es sich um Charaktereigenschaften, die willensmässig im Sinne der Anpassung beeinflusst und korrigiert werden können. Dass diese charakterlichen, objektiven Faktoren nicht unüberwindbar und ausschlaggebend gewesen seien, zeige der jahrelange gute Verlauf der Ehe. Der Kläger hätte die Schwierigkeiten aus der bei ihm vorhandenen, auf Erziehungsstörungen zurückgehenden seelischen Unausgeglichenheit mit gutem Willen meistern können. Für den Eintritt der Krise erst nach Jahren sei sein bezügliches Versagen allein verantwortlich. Während die Beklagte sich als Hausfrau und Mutter untadelig gehalten, habe der Mann sich von ihr wegentwickelt, sich über sie zu erheben angefangen, sie und die Kinder vernachlässigt, die persönlichen Beziehungen zur Familie verkümmern lassen, sie viel allein gelassen, ja tyrannisiert. Eine daherige Verbitterung und gelegentliche scharfe Reaktion seitens der Frau sei begreiflich und könne ihr nicht zu erheblichem Verschulden angerechnet werden. Bei diesem Sachverhalt dränge sich dem Gericht wiederum die Feststellung auf, dass die unheilvolle Entwicklung der Ehe in der Hauptsache in der späteren verfehlten Einstellung des Klägers gegenüber Frau und Kindern liege, die ihm zum Verschulden gereiche. Dieses übertreffe an ursächlicher Bedeutung die übrigen Zerrüttungsfaktoren, weshalb seiner Klage Art. 142 Abs. 2 ZGB entgegenstehe. An dieser Beurteilung ändere nichts, dass sich der Kläger heute allerdings in einem seelisch kranken Zustande befinde, von dem er sich nur schwer befreien könnte, den er aber im Verlaufe vieler Jahre selber herbeigeführt habe, eben durch seine ungerechtfertigte, überhebliche Abwendung von der Familie. Nach Abweisung seiner früheren Scheidungsklage hätte er nicht weiterhin in seiner Trotzeinstellung verharren und sich der Familie entziehen dürfen. Dass es mit ihm bis zum heutigen Zustande krankhafter Verstrickung kam, sei und bleibe zu einem wesentlichen Teil sein Verschulden. Die Klage müsse daher ohne Rücksicht darauf, ob auf eine Wiedergesundung der Ehe praktisch Aussicht bestehe, abgewiesen werden. Der Verweisung des Klägers auf seinen seelischen Zustand sei entgegenzuhalten, dass die Beklagte unter dem Zerwürfnis kaum weniger leide als er. Da sie praktisch schuldlos sei, müsse auf ihren Zustand mindestens so sehr Rücksicht genommen werden wie auf den seinigen. Es stelle sich daher nicht nur die Frage, ob dem Kläger die Fortsetzung, sondern auch, ob der Beklagten die Scheidung der Ehe zuzumuten sei; letzteres sei angesichts der Verschuldenslage - und unabhängig von der Frage der objektiven Wünschbarkeit der Aufrechterhaltung der Ehe - zu verneinen. Das Festhalten der Frau an der Ehe stelle keinen Rechtsmissbrauch dar.
B.- Gegen dieses Urteil richtet sich die vorliegende Berufung des Klägers mit dem Antrag auf Scheidung der Ehe mit den Nebenfolgen gemäss dem bezirksgerichtlichen Entscheid. Zur Begründung wird ausgeführt, dass das Urteil Art. 142, insbesondere Abs. 2, ZGB irrtümlich auslege bezw. daraus sich ergebende Rechtssätze in concreto nicht richtig anwende und den Tatbestand in rechtlicher Beziehung unrichtig würdige. Die Vorinstanz mute dem Kläger allzu apodiktisch in der Art eines Kant'schen kategorischen Imperativs auf viele Jahre zurück eine willensmässige Lenkung seines psychischen Verhaltens zu, die über menschliches Vermögen hinausgehe. Es könne ihm nicht heute als relevantes Verschulden angerechnet werden, dass er die aus innerer Notwendigkeit folgende Entwicklung seines Charakters vor Jahren nicht so zu steuern vermocht habe, wie es wünschbar gewesen wäre. Die Ehe sei objektiv tief zerrüttet, eine Wiedergesundung derselben ausgeschlossen, und, wie die Vorinstanz durchblicken lasse, deren Aufrechterhaltung nicht einmal wünschenswert.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Hinsichtlich der Erforschung der Entwicklung des ehelichen Verhältnisses, des heutigen seelischen Zustandes der Parteien mit Bezug auf dasselbe und der ursächlichen Rolle der einzelnen Faktoren für die Entstehung der vorliegenden Zerrüttung hat die Vorinstanz alles getan, was ein einsichtiger und gewissenhafter Richter tun kann, namentlich auch sich bemüht, bei der Erfassung des krisenhaften Verlaufs der Ehe nicht an Äusserlichkeiten haften zu bleiben, sondern die Vorgänge als im wesentlichen psychologischer Natur zu begreifen und darzustellen. Soweit es sich bei den gewonnenen Ergebnissen um Feststellungen und Annahmen tatsächlicher Art handelt - wozu auch solche über innere, seelische Vorgänge sowie über das Verhältnis von Ursache und Wirkung (Kausalität) auf diesem Gebiete gehören (BGE 69 II 355 u.a.) -, ist das Bundesgericht an die Beurteilung der kantonalen Instanz gebunden. Soweit aber seiner Überprüfung unterliegende Rechtsfragen in Betracht kommen, namentlich mit Bezug auf die Anrechenbarkeit des kausalen fehlerhaften Verhaltens des Klägers als Verschulden im Sinne von Art. 142 Abs. 2 ZGB, wirft die Berufung der Vorinstanz zu Unrecht eine unrichtige Auslegung und Anwendung dieser Gesetzesbestimmung vor. Die Vorinstanz hat die Gesamtheit der Grundsätze und Gesichtspunkte berücksichtigt, die das Bundesgericht in seiner Rechtsprechung bezüglich des Klagausschliessungsgrundes des Art. 142 Abs. 2 herausgearbeitet hat. Im besonderen kann die Berufungsinstanz ihre Auffassung nicht als unrichtig revidieren, wonach das für die Zerrüttung kausale Verschulden des Klägers nicht dadurch neutralisiert bezw. aufgehoben wird, dass sich die von ihm herrührende Aversion des Klägers gegen die Beklagte bei ersterem schliesslich bis zur tatsächlichen Unüberwindlichkeit neurotisch fixiert hat.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 12. Januar 1954 bestätigt. | de | Ehescheidung, tiefe Zerrüttung; Art. 142 Abs. 2 ZGB. Obwohl sich beim Kläger die Abwendung von der Ehefrau heute bis zur tatsächlichen Unüberwindlichkeit krankhaft fixiert hat, steht Art. 142 Abs. 2 seiner Klage entgegen, wenn dieser Zustand auf sein schuldhaftes Verhalten zurückzuführen ist. | de | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-1%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
217 | 80 II 1 | Sachverhalt ab Seite 1
A.- Ein erstes Urteil des Bezirksgerichts Horgen auf Trennung der 1933 geschlossenen Ehe der Parteien wurde vom Obergericht Zürich 1948 aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen. Anstelle der wiederum ausgesprochenen Trennung wies das Obergericht die Klage wegen vorwiegenden Verschuldens des Klägers an der Zerrüttung ab, und das Bundesgericht bestätigte am 14. September 1949 in Abweisung der Berufung des Klägers dieses Urteil.
Eine am 3. Dezember 1952 vom Ehemanne eingeleitete neue Scheidungsklage wurde wiederum vom Bezirksgericht gutgeheissen, jedoch auf Appellation der Beklagten vom Obergericht abgewiesen. Es geht von den Urteilen im früheren Prozesse aus, nach denen damals das Verschulden deutlich auf Seite des Klägers gelegen habe. Seither sei die Beklagte immer zur Versöhnung und Wiedervereinigung bereit gewesen und dem Manne zugetan geblieben. Angesichts der Behauptung des Klägers, eine Rückkehr zur Frau sei ihm psychisch schlechterdings unmöglich, liess die Vorinstanz beide Eheleute hinsichtlich ihres psychischen Zustandes und namentlich ihrer gegenseitigen Einstellung psychiatrisch begutachten. Auf Grund dieser Expertise bezeichnet die Vorinstanz die psychologische Situation der Ehegatten als hinlänglich abgeklärt. Die Beklagte leide unter der tatsächlich vorhandenen Zerrüttung schwer und befinde sich deswegen in einem ans Krankhafte grenzenden Zustande. Sie hänge am Manne und an der Ehe und sei gewillt, durch Wiederaufnahme der Gemeinschaft zur Lösung des Zerwürfnisses beizutragen. Allerdings seien die Parteien verschieden veranlagt. Verschiedenheit, ja Unvereinbarkeit der Charaktere könne jedoch nicht ohne weiteres als objektive Zerrüttungsursache anerkannt werden (BGE 72 II 402, BGE 74 II 66, BGE 77 II 204 ff.). In casu handle es sich um Charaktereigenschaften, die willensmässig im Sinne der Anpassung beeinflusst und korrigiert werden können. Dass diese charakterlichen, objektiven Faktoren nicht unüberwindbar und ausschlaggebend gewesen seien, zeige der jahrelange gute Verlauf der Ehe. Der Kläger hätte die Schwierigkeiten aus der bei ihm vorhandenen, auf Erziehungsstörungen zurückgehenden seelischen Unausgeglichenheit mit gutem Willen meistern können. Für den Eintritt der Krise erst nach Jahren sei sein bezügliches Versagen allein verantwortlich. Während die Beklagte sich als Hausfrau und Mutter untadelig gehalten, habe der Mann sich von ihr wegentwickelt, sich über sie zu erheben angefangen, sie und die Kinder vernachlässigt, die persönlichen Beziehungen zur Familie verkümmern lassen, sie viel allein gelassen, ja tyrannisiert. Eine daherige Verbitterung und gelegentliche scharfe Reaktion seitens der Frau sei begreiflich und könne ihr nicht zu erheblichem Verschulden angerechnet werden. Bei diesem Sachverhalt dränge sich dem Gericht wiederum die Feststellung auf, dass die unheilvolle Entwicklung der Ehe in der Hauptsache in der späteren verfehlten Einstellung des Klägers gegenüber Frau und Kindern liege, die ihm zum Verschulden gereiche. Dieses übertreffe an ursächlicher Bedeutung die übrigen Zerrüttungsfaktoren, weshalb seiner Klage Art. 142 Abs. 2 ZGB entgegenstehe. An dieser Beurteilung ändere nichts, dass sich der Kläger heute allerdings in einem seelisch kranken Zustande befinde, von dem er sich nur schwer befreien könnte, den er aber im Verlaufe vieler Jahre selber herbeigeführt habe, eben durch seine ungerechtfertigte, überhebliche Abwendung von der Familie. Nach Abweisung seiner früheren Scheidungsklage hätte er nicht weiterhin in seiner Trotzeinstellung verharren und sich der Familie entziehen dürfen. Dass es mit ihm bis zum heutigen Zustande krankhafter Verstrickung kam, sei und bleibe zu einem wesentlichen Teil sein Verschulden. Die Klage müsse daher ohne Rücksicht darauf, ob auf eine Wiedergesundung der Ehe praktisch Aussicht bestehe, abgewiesen werden. Der Verweisung des Klägers auf seinen seelischen Zustand sei entgegenzuhalten, dass die Beklagte unter dem Zerwürfnis kaum weniger leide als er. Da sie praktisch schuldlos sei, müsse auf ihren Zustand mindestens so sehr Rücksicht genommen werden wie auf den seinigen. Es stelle sich daher nicht nur die Frage, ob dem Kläger die Fortsetzung, sondern auch, ob der Beklagten die Scheidung der Ehe zuzumuten sei; letzteres sei angesichts der Verschuldenslage - und unabhängig von der Frage der objektiven Wünschbarkeit der Aufrechterhaltung der Ehe - zu verneinen. Das Festhalten der Frau an der Ehe stelle keinen Rechtsmissbrauch dar.
B.- Gegen dieses Urteil richtet sich die vorliegende Berufung des Klägers mit dem Antrag auf Scheidung der Ehe mit den Nebenfolgen gemäss dem bezirksgerichtlichen Entscheid. Zur Begründung wird ausgeführt, dass das Urteil Art. 142, insbesondere Abs. 2, ZGB irrtümlich auslege bezw. daraus sich ergebende Rechtssätze in concreto nicht richtig anwende und den Tatbestand in rechtlicher Beziehung unrichtig würdige. Die Vorinstanz mute dem Kläger allzu apodiktisch in der Art eines Kant'schen kategorischen Imperativs auf viele Jahre zurück eine willensmässige Lenkung seines psychischen Verhaltens zu, die über menschliches Vermögen hinausgehe. Es könne ihm nicht heute als relevantes Verschulden angerechnet werden, dass er die aus innerer Notwendigkeit folgende Entwicklung seines Charakters vor Jahren nicht so zu steuern vermocht habe, wie es wünschbar gewesen wäre. Die Ehe sei objektiv tief zerrüttet, eine Wiedergesundung derselben ausgeschlossen, und, wie die Vorinstanz durchblicken lasse, deren Aufrechterhaltung nicht einmal wünschenswert.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Hinsichtlich der Erforschung der Entwicklung des ehelichen Verhältnisses, des heutigen seelischen Zustandes der Parteien mit Bezug auf dasselbe und der ursächlichen Rolle der einzelnen Faktoren für die Entstehung der vorliegenden Zerrüttung hat die Vorinstanz alles getan, was ein einsichtiger und gewissenhafter Richter tun kann, namentlich auch sich bemüht, bei der Erfassung des krisenhaften Verlaufs der Ehe nicht an Äusserlichkeiten haften zu bleiben, sondern die Vorgänge als im wesentlichen psychologischer Natur zu begreifen und darzustellen. Soweit es sich bei den gewonnenen Ergebnissen um Feststellungen und Annahmen tatsächlicher Art handelt - wozu auch solche über innere, seelische Vorgänge sowie über das Verhältnis von Ursache und Wirkung (Kausalität) auf diesem Gebiete gehören (BGE 69 II 355 u.a.) -, ist das Bundesgericht an die Beurteilung der kantonalen Instanz gebunden. Soweit aber seiner Überprüfung unterliegende Rechtsfragen in Betracht kommen, namentlich mit Bezug auf die Anrechenbarkeit des kausalen fehlerhaften Verhaltens des Klägers als Verschulden im Sinne von Art. 142 Abs. 2 ZGB, wirft die Berufung der Vorinstanz zu Unrecht eine unrichtige Auslegung und Anwendung dieser Gesetzesbestimmung vor. Die Vorinstanz hat die Gesamtheit der Grundsätze und Gesichtspunkte berücksichtigt, die das Bundesgericht in seiner Rechtsprechung bezüglich des Klagausschliessungsgrundes des Art. 142 Abs. 2 herausgearbeitet hat. Im besonderen kann die Berufungsinstanz ihre Auffassung nicht als unrichtig revidieren, wonach das für die Zerrüttung kausale Verschulden des Klägers nicht dadurch neutralisiert bezw. aufgehoben wird, dass sich die von ihm herrührende Aversion des Klägers gegen die Beklagte bei ersterem schliesslich bis zur tatsächlichen Unüberwindlichkeit neurotisch fixiert hat.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 12. Januar 1954 bestätigt. | de | Divorce. Lien conjugal profondément atteint. Art. 142 al. 2 CC. Un époux n'est pas fondé à conclure au divorce pour le motif qu'il éprouve une aversion insurmontable et maladive pour son conjoint s'il est lui-même responsable de cette situation. | fr | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-1%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
218 | 80 II 1 | Sachverhalt ab Seite 1
A.- Ein erstes Urteil des Bezirksgerichts Horgen auf Trennung der 1933 geschlossenen Ehe der Parteien wurde vom Obergericht Zürich 1948 aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen. Anstelle der wiederum ausgesprochenen Trennung wies das Obergericht die Klage wegen vorwiegenden Verschuldens des Klägers an der Zerrüttung ab, und das Bundesgericht bestätigte am 14. September 1949 in Abweisung der Berufung des Klägers dieses Urteil.
Eine am 3. Dezember 1952 vom Ehemanne eingeleitete neue Scheidungsklage wurde wiederum vom Bezirksgericht gutgeheissen, jedoch auf Appellation der Beklagten vom Obergericht abgewiesen. Es geht von den Urteilen im früheren Prozesse aus, nach denen damals das Verschulden deutlich auf Seite des Klägers gelegen habe. Seither sei die Beklagte immer zur Versöhnung und Wiedervereinigung bereit gewesen und dem Manne zugetan geblieben. Angesichts der Behauptung des Klägers, eine Rückkehr zur Frau sei ihm psychisch schlechterdings unmöglich, liess die Vorinstanz beide Eheleute hinsichtlich ihres psychischen Zustandes und namentlich ihrer gegenseitigen Einstellung psychiatrisch begutachten. Auf Grund dieser Expertise bezeichnet die Vorinstanz die psychologische Situation der Ehegatten als hinlänglich abgeklärt. Die Beklagte leide unter der tatsächlich vorhandenen Zerrüttung schwer und befinde sich deswegen in einem ans Krankhafte grenzenden Zustande. Sie hänge am Manne und an der Ehe und sei gewillt, durch Wiederaufnahme der Gemeinschaft zur Lösung des Zerwürfnisses beizutragen. Allerdings seien die Parteien verschieden veranlagt. Verschiedenheit, ja Unvereinbarkeit der Charaktere könne jedoch nicht ohne weiteres als objektive Zerrüttungsursache anerkannt werden (BGE 72 II 402, BGE 74 II 66, BGE 77 II 204 ff.). In casu handle es sich um Charaktereigenschaften, die willensmässig im Sinne der Anpassung beeinflusst und korrigiert werden können. Dass diese charakterlichen, objektiven Faktoren nicht unüberwindbar und ausschlaggebend gewesen seien, zeige der jahrelange gute Verlauf der Ehe. Der Kläger hätte die Schwierigkeiten aus der bei ihm vorhandenen, auf Erziehungsstörungen zurückgehenden seelischen Unausgeglichenheit mit gutem Willen meistern können. Für den Eintritt der Krise erst nach Jahren sei sein bezügliches Versagen allein verantwortlich. Während die Beklagte sich als Hausfrau und Mutter untadelig gehalten, habe der Mann sich von ihr wegentwickelt, sich über sie zu erheben angefangen, sie und die Kinder vernachlässigt, die persönlichen Beziehungen zur Familie verkümmern lassen, sie viel allein gelassen, ja tyrannisiert. Eine daherige Verbitterung und gelegentliche scharfe Reaktion seitens der Frau sei begreiflich und könne ihr nicht zu erheblichem Verschulden angerechnet werden. Bei diesem Sachverhalt dränge sich dem Gericht wiederum die Feststellung auf, dass die unheilvolle Entwicklung der Ehe in der Hauptsache in der späteren verfehlten Einstellung des Klägers gegenüber Frau und Kindern liege, die ihm zum Verschulden gereiche. Dieses übertreffe an ursächlicher Bedeutung die übrigen Zerrüttungsfaktoren, weshalb seiner Klage Art. 142 Abs. 2 ZGB entgegenstehe. An dieser Beurteilung ändere nichts, dass sich der Kläger heute allerdings in einem seelisch kranken Zustande befinde, von dem er sich nur schwer befreien könnte, den er aber im Verlaufe vieler Jahre selber herbeigeführt habe, eben durch seine ungerechtfertigte, überhebliche Abwendung von der Familie. Nach Abweisung seiner früheren Scheidungsklage hätte er nicht weiterhin in seiner Trotzeinstellung verharren und sich der Familie entziehen dürfen. Dass es mit ihm bis zum heutigen Zustande krankhafter Verstrickung kam, sei und bleibe zu einem wesentlichen Teil sein Verschulden. Die Klage müsse daher ohne Rücksicht darauf, ob auf eine Wiedergesundung der Ehe praktisch Aussicht bestehe, abgewiesen werden. Der Verweisung des Klägers auf seinen seelischen Zustand sei entgegenzuhalten, dass die Beklagte unter dem Zerwürfnis kaum weniger leide als er. Da sie praktisch schuldlos sei, müsse auf ihren Zustand mindestens so sehr Rücksicht genommen werden wie auf den seinigen. Es stelle sich daher nicht nur die Frage, ob dem Kläger die Fortsetzung, sondern auch, ob der Beklagten die Scheidung der Ehe zuzumuten sei; letzteres sei angesichts der Verschuldenslage - und unabhängig von der Frage der objektiven Wünschbarkeit der Aufrechterhaltung der Ehe - zu verneinen. Das Festhalten der Frau an der Ehe stelle keinen Rechtsmissbrauch dar.
B.- Gegen dieses Urteil richtet sich die vorliegende Berufung des Klägers mit dem Antrag auf Scheidung der Ehe mit den Nebenfolgen gemäss dem bezirksgerichtlichen Entscheid. Zur Begründung wird ausgeführt, dass das Urteil Art. 142, insbesondere Abs. 2, ZGB irrtümlich auslege bezw. daraus sich ergebende Rechtssätze in concreto nicht richtig anwende und den Tatbestand in rechtlicher Beziehung unrichtig würdige. Die Vorinstanz mute dem Kläger allzu apodiktisch in der Art eines Kant'schen kategorischen Imperativs auf viele Jahre zurück eine willensmässige Lenkung seines psychischen Verhaltens zu, die über menschliches Vermögen hinausgehe. Es könne ihm nicht heute als relevantes Verschulden angerechnet werden, dass er die aus innerer Notwendigkeit folgende Entwicklung seines Charakters vor Jahren nicht so zu steuern vermocht habe, wie es wünschbar gewesen wäre. Die Ehe sei objektiv tief zerrüttet, eine Wiedergesundung derselben ausgeschlossen, und, wie die Vorinstanz durchblicken lasse, deren Aufrechterhaltung nicht einmal wünschenswert.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Hinsichtlich der Erforschung der Entwicklung des ehelichen Verhältnisses, des heutigen seelischen Zustandes der Parteien mit Bezug auf dasselbe und der ursächlichen Rolle der einzelnen Faktoren für die Entstehung der vorliegenden Zerrüttung hat die Vorinstanz alles getan, was ein einsichtiger und gewissenhafter Richter tun kann, namentlich auch sich bemüht, bei der Erfassung des krisenhaften Verlaufs der Ehe nicht an Äusserlichkeiten haften zu bleiben, sondern die Vorgänge als im wesentlichen psychologischer Natur zu begreifen und darzustellen. Soweit es sich bei den gewonnenen Ergebnissen um Feststellungen und Annahmen tatsächlicher Art handelt - wozu auch solche über innere, seelische Vorgänge sowie über das Verhältnis von Ursache und Wirkung (Kausalität) auf diesem Gebiete gehören (BGE 69 II 355 u.a.) -, ist das Bundesgericht an die Beurteilung der kantonalen Instanz gebunden. Soweit aber seiner Überprüfung unterliegende Rechtsfragen in Betracht kommen, namentlich mit Bezug auf die Anrechenbarkeit des kausalen fehlerhaften Verhaltens des Klägers als Verschulden im Sinne von Art. 142 Abs. 2 ZGB, wirft die Berufung der Vorinstanz zu Unrecht eine unrichtige Auslegung und Anwendung dieser Gesetzesbestimmung vor. Die Vorinstanz hat die Gesamtheit der Grundsätze und Gesichtspunkte berücksichtigt, die das Bundesgericht in seiner Rechtsprechung bezüglich des Klagausschliessungsgrundes des Art. 142 Abs. 2 herausgearbeitet hat. Im besonderen kann die Berufungsinstanz ihre Auffassung nicht als unrichtig revidieren, wonach das für die Zerrüttung kausale Verschulden des Klägers nicht dadurch neutralisiert bezw. aufgehoben wird, dass sich die von ihm herrührende Aversion des Klägers gegen die Beklagte bei ersterem schliesslich bis zur tatsächlichen Unüberwindlichkeit neurotisch fixiert hat.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 12. Januar 1954 bestätigt. | de | Divorzio. Profonda turbazione delle relazioni coniugali. Art. 142 cp. 2 CC. Un coniuge non ha il diritto di chiedere il divorzio pel motivo che prova un'avversione insormontabile e morbosa verso l'altro coniuge, s'egli stesso è responsabile di questa situazione. | it | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-1%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
219 | 80 II 10 | Sachverhalt ab Seite 10
Im Vaterschaftsprozess der Hedwig Sarbach und ihres Kindes Susanna gegen Hermann Wandfluh stellte der Experte Dr. A. Hässig, Leiter der Bakteriolog.-Serolog. Abteilung des Blutspendedienstes des Schweiz. Roten Kreuzes in Bern, in seinem Gutachten vom 6. Juli 1953 fest, nach den in seinem Laboratorium und unabhängig von ihm im Gerichtlich-Medizinischen Institut der Universität Zürich durchgeführten Blutuntersuchungen seien bei den Parteien folgende Rhesusfaktoren vorhanden: bei der Mutter CcDEe, beim Kinde ccDEe, beim Beklagten CCDee. Der Beklagte besitze also den Rhesusfaktor Gross-C in doppelter Anlage (d.h. er sei mit Bezug auf die Eigenschaften Cc homozygot im Sinne von CC). Bei jedem Kinde des Beklagten müsse daher dieser Faktor zumindest in einfacher Anlage vorhanden sein. Beim Kinde Susanna Sarbach sei dies nicht der Fall; es besitze den Rhesusfaktor klein-c in doppelter Anlage (sei also bezüglich der Eigenschaften Cc im entgegengesetzten Sinne homozygot). Der Beklagte könne daher nach den Erbgesetzen der Faktoren Gross-C und klein-c mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als Vater dieses Kindes ausgeschlossen werden.
In einem vom Appellationshof des Kantons Bern eingeholten Ergänzungsberichte vom 8. Februar 1954 erklärte Dr. Hässig unter Hinweis auf neue Ergebnisse der Forschung, er sei der Auffassung, dass die Vorbehalte, die Prof. F. Schwarz im Jahre 1951 gegenüber der in Frage stehenden Ausschlussregel geäussert hatte (Gutachten vom 19. Februar 1951, abgedruckt in SJZ 47 S. 321 ff.), "auf Grund der heutigen Erfahrung hinfällig geworden sind und dass einem Rhesus-Ausschluss, der darauf beruht, dass ein homozygoter Mann nicht Vater eines entgegengesetzt homozygoten Kindes sein kann, die gleiche Wertigkeit zuerkannt werden darf wie einem Ausschluss, der darauf beruht, dass ein Rhesusfaktor bei einem Kinde nicht vorhanden sein kann, wenn er nicht wenigstens bei einem seiner Eltern nachgewiesen werden kann".
Im gleichen Sinne äusserte sich Prof. Schwarz selber in einem Gutachten, das er dem Appellationshof in einem andern, gleich liegenden Falle ebenfalls am 8. Februar 1954 abgab. Er führte dort aus, mit Bezug auf die Technik der Rhesusbestimmung und die Erfahrungen über die Vererbungsverhältnisse seien in den letzten Jahren beträchtliche Weiterentwicklungen festzustellen. Man verfüge heute über spezifische, hochwertige Seren in genügender Auswahl. Die Zahl der Untersuchungen, auch der Familienuntersuchungen, habe zugenommen. Unter diesen Umständen sei eine Differenzierung in Bezug auf die Zuverlässigkeit der drei (in SJZ 47 S. 323 erwähnten) Ausschlussregeln nicht mehr notwendig, "d. h. alle drei Regeln können heute den gleichen Sicherheitsgrad in Anspruch nehmen". Von der dritten Regel, wonach eine homozygote Person (Mann oder Frau) kein entgegengesetzt homozygotes Kind haben kann (eine Person mit den Eigenschaften CC also kein Kind mit den Eigenschaften cc), seien bei der Untersuchung einer grossen Zahl von Mutter-Kind-Verhältnissen bisher keine Ausnahmen beobachtet worden. Auch mit einer Nachreifung von Rhesuseigenschaften beim Kinde (wie sie in SJZ 47 S. 324 noch als denkbar bezeichnet worden war) sei offenbar nicht zu rechnen. Die Sicherheit des Rhesusausschlusses habe also beträchtlich zugenommen, auch für die dritte Regel. "Die Fehlergrenze für den Rhesusausschluss dürfte heute doch wohl erheblich unter 1: 1000 anzusetzen sein. Wir würden heute von einer Beweiskraft sprechen, welche der praktischen Sicherheit nahekommt, wenn man nicht überhaupt vorziehen will, diesen Begriff ohne Einschränkung anzuwenden."
Der Appellationshof des Kantons Bern fand, angesichts dieser Äusserungen zweier erfahrener Fachleute über die Beweiskraft der Rhesus-Methode dürfe ohne Bedenken auf das Gutachten abgestellt werden, das den Beklagten auf Grund der - mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführten - Bestimmung der Rhesusfaktoren als Vater der Zweitklägerin ausschliesse. Jedenfalls sei damit eine Tatsache nachgewiesen, die im Sinne von Art. 314 Abs. 2 ZGB erhebliche Zweifel an der Vaterschaft des Beklagten rechtfertige. Aus diesen Erwägungen hat der Appellationshof die Klage mit Urteil vom 9. Februar 1954 abgewiesen.
Gegen dieses Urteil haben die Klägerinnen die Berufung an das Bundesgericht erklärt. Unter Berufung auf SJZ 47 S. 321 ff. (d.h. das Gutachten von Prof. Schwarz vom 19. Februar 1951), auf das dort erwähnte Gutachten von Dr. Hardmeier vom 19. Januar 1951 (vgl. BGE 78 II 313, BGE 79 II 21) und auf ZBJV 88 S. 490 ff., wo ein Gutachten von Prof. Schwarz aus der gleichen Zeit wiedergegeben ist, machen sie geltend, die im vorliegenden Fall zur Anwendung gelangte, auf dem Nachweis entgegengesetzter Homozygotie beruhende Ausschlussregel sei "gegenüber den andern Ausschlussgründen auf Basis der Blutuntersuchungen am wenigsten sicher". Durch Widerlegung der Vermutung nach Art. 314 Abs. 1 ZGB auf Grund dieser Methode werde deshalb Bundesrecht verletzt.
Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
Erwägungen
Erwägungen:
Wie zuverlässig eine von einem Sachverständigen angewandte wissenschaftliche Methode sei, ist im wesentlichen eine Tatfrage (BGE 78 II 316). Weder ein Satz des Bundesrechts noch eine allgemeingültige Erfahrungsregel, die berufungsrechtlich einem Bundesrechtssatze gleichzustellen wäre (BGE 79 II 24 oben), hinderte die Vorinstanz daran, der Auffassung von Dr. Hässig und Prof. Schwarz zu folgen, wonach der Ausschluss der Vaterschaft auf Grund der Bestimmung der Rhesuseigenschaften heute bei allen drei Arten des Ausschlusses, insbesondere auch dann, wenn der angebliche Vater und das Kind nach dem Untersuchungsergebnis entgegengesetzt homozygot sind, einen Grad der Zuverlässigkeit erreicht hat, der an Sicherheit grenzt (Fehlermöglichkeit erheblich unter 1:1000). Die Klägerinnen versuchen vergeblich, diese Annahme vor Bundesgericht unter Hinweis auf frühere, nach den Gutachten vom 8. Februar 1954 durch die seitherige Entwicklung überholte Äusserungen von Prof. Schwarz und Dr. Hardmeier anzufechten. Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz lässt sich auch nicht bezweifeln, dass die Untersuchungen, die im vorliegenden Falle die erwähnte Ausschlusskonstellation (entgegengesetzte Homozygotie) ergeben haben, von fachkundigen Personen mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt worden sind. Es muss daher als erwiesen gelten, dass die Vaterschaft des Beklagten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Diese Feststellung führt nach Art. 314 Abs. 2 ZGB ohne weiteres zur Abweisung der Klage. | de | Vaterschaftsklage. Ausschluss der Vaterschaft des Beklagten auf Grund der Bestimmung der Rhesusfaktoren (Art. 314 Abs. 2 ZGB). | de | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-10%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
220 | 80 II 10 | Sachverhalt ab Seite 10
Im Vaterschaftsprozess der Hedwig Sarbach und ihres Kindes Susanna gegen Hermann Wandfluh stellte der Experte Dr. A. Hässig, Leiter der Bakteriolog.-Serolog. Abteilung des Blutspendedienstes des Schweiz. Roten Kreuzes in Bern, in seinem Gutachten vom 6. Juli 1953 fest, nach den in seinem Laboratorium und unabhängig von ihm im Gerichtlich-Medizinischen Institut der Universität Zürich durchgeführten Blutuntersuchungen seien bei den Parteien folgende Rhesusfaktoren vorhanden: bei der Mutter CcDEe, beim Kinde ccDEe, beim Beklagten CCDee. Der Beklagte besitze also den Rhesusfaktor Gross-C in doppelter Anlage (d.h. er sei mit Bezug auf die Eigenschaften Cc homozygot im Sinne von CC). Bei jedem Kinde des Beklagten müsse daher dieser Faktor zumindest in einfacher Anlage vorhanden sein. Beim Kinde Susanna Sarbach sei dies nicht der Fall; es besitze den Rhesusfaktor klein-c in doppelter Anlage (sei also bezüglich der Eigenschaften Cc im entgegengesetzten Sinne homozygot). Der Beklagte könne daher nach den Erbgesetzen der Faktoren Gross-C und klein-c mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als Vater dieses Kindes ausgeschlossen werden.
In einem vom Appellationshof des Kantons Bern eingeholten Ergänzungsberichte vom 8. Februar 1954 erklärte Dr. Hässig unter Hinweis auf neue Ergebnisse der Forschung, er sei der Auffassung, dass die Vorbehalte, die Prof. F. Schwarz im Jahre 1951 gegenüber der in Frage stehenden Ausschlussregel geäussert hatte (Gutachten vom 19. Februar 1951, abgedruckt in SJZ 47 S. 321 ff.), "auf Grund der heutigen Erfahrung hinfällig geworden sind und dass einem Rhesus-Ausschluss, der darauf beruht, dass ein homozygoter Mann nicht Vater eines entgegengesetzt homozygoten Kindes sein kann, die gleiche Wertigkeit zuerkannt werden darf wie einem Ausschluss, der darauf beruht, dass ein Rhesusfaktor bei einem Kinde nicht vorhanden sein kann, wenn er nicht wenigstens bei einem seiner Eltern nachgewiesen werden kann".
Im gleichen Sinne äusserte sich Prof. Schwarz selber in einem Gutachten, das er dem Appellationshof in einem andern, gleich liegenden Falle ebenfalls am 8. Februar 1954 abgab. Er führte dort aus, mit Bezug auf die Technik der Rhesusbestimmung und die Erfahrungen über die Vererbungsverhältnisse seien in den letzten Jahren beträchtliche Weiterentwicklungen festzustellen. Man verfüge heute über spezifische, hochwertige Seren in genügender Auswahl. Die Zahl der Untersuchungen, auch der Familienuntersuchungen, habe zugenommen. Unter diesen Umständen sei eine Differenzierung in Bezug auf die Zuverlässigkeit der drei (in SJZ 47 S. 323 erwähnten) Ausschlussregeln nicht mehr notwendig, "d. h. alle drei Regeln können heute den gleichen Sicherheitsgrad in Anspruch nehmen". Von der dritten Regel, wonach eine homozygote Person (Mann oder Frau) kein entgegengesetzt homozygotes Kind haben kann (eine Person mit den Eigenschaften CC also kein Kind mit den Eigenschaften cc), seien bei der Untersuchung einer grossen Zahl von Mutter-Kind-Verhältnissen bisher keine Ausnahmen beobachtet worden. Auch mit einer Nachreifung von Rhesuseigenschaften beim Kinde (wie sie in SJZ 47 S. 324 noch als denkbar bezeichnet worden war) sei offenbar nicht zu rechnen. Die Sicherheit des Rhesusausschlusses habe also beträchtlich zugenommen, auch für die dritte Regel. "Die Fehlergrenze für den Rhesusausschluss dürfte heute doch wohl erheblich unter 1: 1000 anzusetzen sein. Wir würden heute von einer Beweiskraft sprechen, welche der praktischen Sicherheit nahekommt, wenn man nicht überhaupt vorziehen will, diesen Begriff ohne Einschränkung anzuwenden."
Der Appellationshof des Kantons Bern fand, angesichts dieser Äusserungen zweier erfahrener Fachleute über die Beweiskraft der Rhesus-Methode dürfe ohne Bedenken auf das Gutachten abgestellt werden, das den Beklagten auf Grund der - mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführten - Bestimmung der Rhesusfaktoren als Vater der Zweitklägerin ausschliesse. Jedenfalls sei damit eine Tatsache nachgewiesen, die im Sinne von Art. 314 Abs. 2 ZGB erhebliche Zweifel an der Vaterschaft des Beklagten rechtfertige. Aus diesen Erwägungen hat der Appellationshof die Klage mit Urteil vom 9. Februar 1954 abgewiesen.
Gegen dieses Urteil haben die Klägerinnen die Berufung an das Bundesgericht erklärt. Unter Berufung auf SJZ 47 S. 321 ff. (d.h. das Gutachten von Prof. Schwarz vom 19. Februar 1951), auf das dort erwähnte Gutachten von Dr. Hardmeier vom 19. Januar 1951 (vgl. BGE 78 II 313, BGE 79 II 21) und auf ZBJV 88 S. 490 ff., wo ein Gutachten von Prof. Schwarz aus der gleichen Zeit wiedergegeben ist, machen sie geltend, die im vorliegenden Fall zur Anwendung gelangte, auf dem Nachweis entgegengesetzter Homozygotie beruhende Ausschlussregel sei "gegenüber den andern Ausschlussgründen auf Basis der Blutuntersuchungen am wenigsten sicher". Durch Widerlegung der Vermutung nach Art. 314 Abs. 1 ZGB auf Grund dieser Methode werde deshalb Bundesrecht verletzt.
Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
Erwägungen
Erwägungen:
Wie zuverlässig eine von einem Sachverständigen angewandte wissenschaftliche Methode sei, ist im wesentlichen eine Tatfrage (BGE 78 II 316). Weder ein Satz des Bundesrechts noch eine allgemeingültige Erfahrungsregel, die berufungsrechtlich einem Bundesrechtssatze gleichzustellen wäre (BGE 79 II 24 oben), hinderte die Vorinstanz daran, der Auffassung von Dr. Hässig und Prof. Schwarz zu folgen, wonach der Ausschluss der Vaterschaft auf Grund der Bestimmung der Rhesuseigenschaften heute bei allen drei Arten des Ausschlusses, insbesondere auch dann, wenn der angebliche Vater und das Kind nach dem Untersuchungsergebnis entgegengesetzt homozygot sind, einen Grad der Zuverlässigkeit erreicht hat, der an Sicherheit grenzt (Fehlermöglichkeit erheblich unter 1:1000). Die Klägerinnen versuchen vergeblich, diese Annahme vor Bundesgericht unter Hinweis auf frühere, nach den Gutachten vom 8. Februar 1954 durch die seitherige Entwicklung überholte Äusserungen von Prof. Schwarz und Dr. Hardmeier anzufechten. Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz lässt sich auch nicht bezweifeln, dass die Untersuchungen, die im vorliegenden Falle die erwähnte Ausschlusskonstellation (entgegengesetzte Homozygotie) ergeben haben, von fachkundigen Personen mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt worden sind. Es muss daher als erwiesen gelten, dass die Vaterschaft des Beklagten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Diese Feststellung führt nach Art. 314 Abs. 2 ZGB ohne weiteres zur Abweisung der Klage. | de | Action en paternité. Exclusion de la paternité sur le vu d'une détermination des facteurs rhésus (art. 314 al. 2 CC). | fr | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-10%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
221 | 80 II 10 | Sachverhalt ab Seite 10
Im Vaterschaftsprozess der Hedwig Sarbach und ihres Kindes Susanna gegen Hermann Wandfluh stellte der Experte Dr. A. Hässig, Leiter der Bakteriolog.-Serolog. Abteilung des Blutspendedienstes des Schweiz. Roten Kreuzes in Bern, in seinem Gutachten vom 6. Juli 1953 fest, nach den in seinem Laboratorium und unabhängig von ihm im Gerichtlich-Medizinischen Institut der Universität Zürich durchgeführten Blutuntersuchungen seien bei den Parteien folgende Rhesusfaktoren vorhanden: bei der Mutter CcDEe, beim Kinde ccDEe, beim Beklagten CCDee. Der Beklagte besitze also den Rhesusfaktor Gross-C in doppelter Anlage (d.h. er sei mit Bezug auf die Eigenschaften Cc homozygot im Sinne von CC). Bei jedem Kinde des Beklagten müsse daher dieser Faktor zumindest in einfacher Anlage vorhanden sein. Beim Kinde Susanna Sarbach sei dies nicht der Fall; es besitze den Rhesusfaktor klein-c in doppelter Anlage (sei also bezüglich der Eigenschaften Cc im entgegengesetzten Sinne homozygot). Der Beklagte könne daher nach den Erbgesetzen der Faktoren Gross-C und klein-c mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als Vater dieses Kindes ausgeschlossen werden.
In einem vom Appellationshof des Kantons Bern eingeholten Ergänzungsberichte vom 8. Februar 1954 erklärte Dr. Hässig unter Hinweis auf neue Ergebnisse der Forschung, er sei der Auffassung, dass die Vorbehalte, die Prof. F. Schwarz im Jahre 1951 gegenüber der in Frage stehenden Ausschlussregel geäussert hatte (Gutachten vom 19. Februar 1951, abgedruckt in SJZ 47 S. 321 ff.), "auf Grund der heutigen Erfahrung hinfällig geworden sind und dass einem Rhesus-Ausschluss, der darauf beruht, dass ein homozygoter Mann nicht Vater eines entgegengesetzt homozygoten Kindes sein kann, die gleiche Wertigkeit zuerkannt werden darf wie einem Ausschluss, der darauf beruht, dass ein Rhesusfaktor bei einem Kinde nicht vorhanden sein kann, wenn er nicht wenigstens bei einem seiner Eltern nachgewiesen werden kann".
Im gleichen Sinne äusserte sich Prof. Schwarz selber in einem Gutachten, das er dem Appellationshof in einem andern, gleich liegenden Falle ebenfalls am 8. Februar 1954 abgab. Er führte dort aus, mit Bezug auf die Technik der Rhesusbestimmung und die Erfahrungen über die Vererbungsverhältnisse seien in den letzten Jahren beträchtliche Weiterentwicklungen festzustellen. Man verfüge heute über spezifische, hochwertige Seren in genügender Auswahl. Die Zahl der Untersuchungen, auch der Familienuntersuchungen, habe zugenommen. Unter diesen Umständen sei eine Differenzierung in Bezug auf die Zuverlässigkeit der drei (in SJZ 47 S. 323 erwähnten) Ausschlussregeln nicht mehr notwendig, "d. h. alle drei Regeln können heute den gleichen Sicherheitsgrad in Anspruch nehmen". Von der dritten Regel, wonach eine homozygote Person (Mann oder Frau) kein entgegengesetzt homozygotes Kind haben kann (eine Person mit den Eigenschaften CC also kein Kind mit den Eigenschaften cc), seien bei der Untersuchung einer grossen Zahl von Mutter-Kind-Verhältnissen bisher keine Ausnahmen beobachtet worden. Auch mit einer Nachreifung von Rhesuseigenschaften beim Kinde (wie sie in SJZ 47 S. 324 noch als denkbar bezeichnet worden war) sei offenbar nicht zu rechnen. Die Sicherheit des Rhesusausschlusses habe also beträchtlich zugenommen, auch für die dritte Regel. "Die Fehlergrenze für den Rhesusausschluss dürfte heute doch wohl erheblich unter 1: 1000 anzusetzen sein. Wir würden heute von einer Beweiskraft sprechen, welche der praktischen Sicherheit nahekommt, wenn man nicht überhaupt vorziehen will, diesen Begriff ohne Einschränkung anzuwenden."
Der Appellationshof des Kantons Bern fand, angesichts dieser Äusserungen zweier erfahrener Fachleute über die Beweiskraft der Rhesus-Methode dürfe ohne Bedenken auf das Gutachten abgestellt werden, das den Beklagten auf Grund der - mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführten - Bestimmung der Rhesusfaktoren als Vater der Zweitklägerin ausschliesse. Jedenfalls sei damit eine Tatsache nachgewiesen, die im Sinne von Art. 314 Abs. 2 ZGB erhebliche Zweifel an der Vaterschaft des Beklagten rechtfertige. Aus diesen Erwägungen hat der Appellationshof die Klage mit Urteil vom 9. Februar 1954 abgewiesen.
Gegen dieses Urteil haben die Klägerinnen die Berufung an das Bundesgericht erklärt. Unter Berufung auf SJZ 47 S. 321 ff. (d.h. das Gutachten von Prof. Schwarz vom 19. Februar 1951), auf das dort erwähnte Gutachten von Dr. Hardmeier vom 19. Januar 1951 (vgl. BGE 78 II 313, BGE 79 II 21) und auf ZBJV 88 S. 490 ff., wo ein Gutachten von Prof. Schwarz aus der gleichen Zeit wiedergegeben ist, machen sie geltend, die im vorliegenden Fall zur Anwendung gelangte, auf dem Nachweis entgegengesetzter Homozygotie beruhende Ausschlussregel sei "gegenüber den andern Ausschlussgründen auf Basis der Blutuntersuchungen am wenigsten sicher". Durch Widerlegung der Vermutung nach Art. 314 Abs. 1 ZGB auf Grund dieser Methode werde deshalb Bundesrecht verletzt.
Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
Erwägungen
Erwägungen:
Wie zuverlässig eine von einem Sachverständigen angewandte wissenschaftliche Methode sei, ist im wesentlichen eine Tatfrage (BGE 78 II 316). Weder ein Satz des Bundesrechts noch eine allgemeingültige Erfahrungsregel, die berufungsrechtlich einem Bundesrechtssatze gleichzustellen wäre (BGE 79 II 24 oben), hinderte die Vorinstanz daran, der Auffassung von Dr. Hässig und Prof. Schwarz zu folgen, wonach der Ausschluss der Vaterschaft auf Grund der Bestimmung der Rhesuseigenschaften heute bei allen drei Arten des Ausschlusses, insbesondere auch dann, wenn der angebliche Vater und das Kind nach dem Untersuchungsergebnis entgegengesetzt homozygot sind, einen Grad der Zuverlässigkeit erreicht hat, der an Sicherheit grenzt (Fehlermöglichkeit erheblich unter 1:1000). Die Klägerinnen versuchen vergeblich, diese Annahme vor Bundesgericht unter Hinweis auf frühere, nach den Gutachten vom 8. Februar 1954 durch die seitherige Entwicklung überholte Äusserungen von Prof. Schwarz und Dr. Hardmeier anzufechten. Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz lässt sich auch nicht bezweifeln, dass die Untersuchungen, die im vorliegenden Falle die erwähnte Ausschlusskonstellation (entgegengesetzte Homozygotie) ergeben haben, von fachkundigen Personen mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt worden sind. Es muss daher als erwiesen gelten, dass die Vaterschaft des Beklagten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Diese Feststellung führt nach Art. 314 Abs. 2 ZGB ohne weiteres zur Abweisung der Klage. | de | Azione di paternità. Esclusione della paternità in base alla determinazione dei fattori rhesus (art. 314, cp. 2 CC). | it | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-10%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
222 | 80 II 102 | Sachverhalt ab Seite 102
Aus dem Tatbestand:
A.- Das Obergericht des Kantons Zürich hat die Ehe der Parteien auf Klage der Ehefrau geschieden, ihr die drei der Ehe entsprossenen Kinder zugewiesen und eine Entschädigung im Sinne von Art. 151 Abs. 1 ZGB für den Wegfall des ehelichen Unterhaltsanspruchs zuerkannt.
Laut Disp. 9 des obergerichtlichen Urteils hat der Ehemann diese Entschädigung durch Übereignung der Liegenschaft am Fuchsrain samt Vieh und landwirtschaftlichen Gerätschaften (gemäss genauem Verzeichnis) zu leisten, während die Ehefrau laut Disp. 10 verpflichtet ist, die auf der Liegenschaft lastende Schuld von Fr. 28'000.-- aus einem Schuldbrief zu übernehmen.
B.- Gegen Disp. 9 des obergerichtlichen Urteils hat der Beklagte Berufung an das Bundesgericht eingelegt, mit dem Antrag, die ihm auferlegte Verpflichtung, die Ehefrau durch Übertragung der erwähnten Liegenschaft mit lebendem und totem Inventar zu entschädigen, sei aufzuheben.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Dass er der Klägerin als schuldloser Ehegattin eine Entschädigung nach Art. 151 Abs. 1 ZGB zu leisten hat, bestreitet der Beklagte nicht mehr. Er hält jedoch eine Geldzahlung (Kapital oder Rente) für die einzige zulässige Form einer solchen Entschädigung; zur Übereignung von Sachen, namentlich eines Grundstücks, dürfe der schuldige Ehegatte nicht verpflichtet werden. Er beruft sich auf BGE 78 II 302ff., wonach dem Ehemann als Ersatz für nicht mehr vorhandenes Frauengut bei Scheidung der Ehe niemals die Übertragung von Gegenständen seiner Errungenschaft auf die Ehefrau obliegt. Eine Sachleistung ist nach seiner Ansicht noch weniger am Platze als Entschädigung im Sinne von Art. 151 Abs. 1 ZGB; denn dabei handle es sich nicht einmal um Ersatz für einen von der Ehefrau eingebrachten und nicht mehr vorhandenen Sachwert, sondern um einen wertmässigen und daher in Geld zuzusprechenden Ersatz für die durch die Ehescheidung beeinträchtigten Vermögensrechte und Anwartschaften des schuldlosen Ehegatten insgesamt. Die besondere Natur dieses familienrechtlichen Anspruchs schliesse die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegende analoge Anwendung von Art. 43 OR aus, wonach der Richter (bei unerlaubten Handlungen) "Art und Grösse des Ersatzes für den eingetretenen Schaden" zu bestimmen hat und somit unter Umständen Natural- statt Geldersatz gewähren kann.
Diese Betrachtungsweise wird dem vorliegenden Falle nicht gerecht. Gewiss ist eine Entschädigung im Sinne von Art. 151 Abs. 1 ZGB gewöhnlich in Geld zu gewähren. Als allgemeiner Wertmesser ist das Geld die übliche Form der Entschädigung (auch in andern Rechtsgebieten) geworden. Nicht nur lässt sich die Höhe der Entschädigung am leichtesten in Geld bestimmen; dem Berechtigten ist in den meisten Fällen an einer Geldleistung gelegen, die er nach Belieben verwenden kann, und dem Verpflichteten ist, von Ausnahmefällen abgesehen, eine Geldleistung am ehesten zumutbar. Verfügt er nicht über den erforderlichen Betrag, so kann er sich ihn durch Veräusserung von Vermögensstücken beschaffen. Besondere Gründe können aber eine Sachleistung, wenn der Berechtigte sie verlangt, als gerechtfertigt und dem Verpflichteten als zumutbar erscheinen lassen. Dass Art. 151 Abs. 1 ZGB eine solche Art der Entschädigung überhaupt ausschliesse, ist dem Beklagten nicht zuzugeben. Dem Begriff der Entschädigung entspricht nach landläufigem Sprachgebrauche wie die Geldso auch die Naturalentschädigung. Als "angemessene Entschädigung" lässt sich somit zwanglos auch eine den Verhältnissen angemessene Sachleistung betrachten. Nichts verbietet es, diesen weiten Begriff der Entschädigung anzuwenden, zumal Abs. 1 von Art. 151 ZGB nicht wie Abs. 2 (für die Genugtuung) ausdrücklich nur Geldzahlung vorsieht. Ganz anderer Natur ist die auf Wertersatz in Geld gehende, nur unter besondern Voraussetzungen fällige und (zumal durch Anschlusspfändung oder Konkurseingabe) geltend zu machende Forderung für nicht mehr (auch nicht in Ersatzstücken) vorhandenes oder dem Ehemanne nach Art. 199 ZGB überlassenes Frauengut. Daraus, dass an deren Stelle nicht Sachleistungen verlangt werden können, wie in BGE 78 II 302 entschieden, folgt nichts gegen jene weite Auslegung von Art. 151 Abs. 1 ZGB. Entspricht aber die Möglichkeit der Zuerkennung einer Sachleistung bei besondern Umständen schon dem Begriff der Entschädigung, so bedarf es nicht der analogen Anwendung von Art. 43 OR, der immerhin geeignet ist, jene Auslegung zu unterstützen; denn Entschädigung ist dasselbe wie Schadenersatz, jedenfalls nicht als engerer Begriff zu verstehen (das Gesetz selbst vermengt die beiden Begriffe, indem die Randtitel der Art. 43 und 44 OR "indemnité" für "dommages-intérêts" sagen). Auch "familienrechtliches Denken" führt nicht zu engerer Auslegung von Art. 151 Abs. 1 ZGB. Der schuldlose Ehegatte verliert unter Umständen durch die Ehescheidung seine wirtschaftliche Existenz, und es kann die ihm dafür gebührende Entschädigung je nach den beidseitigen Vermögensverhältnissen in angemessenster Weise durch eine Sachleistung bewirkt werden.
Bei der Beurteilung der nähern Voraussetzungen hiefür ist nicht massgebend, in welcher Weise der hier eben nicht anwendbare Art. 43 OR bei unerlaubten Handlungen ausgelegt zu werden pflegt (wobei einzelne Autoren Naturalersatz grundsätzlich nur bei Sachschaden in Betracht ziehen; vgl. OFTINGER, Haftpflichtrecht I 39; ähnlich OSER-SCHÖNENBERGER, N. 9 und 10 zu Art. 43 OR). Gerade weil es mitunter gilt, dem schuldlosen Ehegatten eine Existenzgrundlage zu bieten, ist eine Verpflichtung, ihm liegendes Gut zu übertragen, nicht ausgeschlossen (was auch GMÜR, N. 13 zu Art. 151, annimmt, während EGGER, N. 8 daselbst, hauptsächlich Hausrat ins Auge fasst; vgl. ferner SJZ 17 S. 266 N. 199 und BlZR 29 N. 149).
2. Die Klägerin hat ein ausgeprägtes Interesse, mit den drei Kindern auf dem Heimwesen zu bleiben. Der Beklagte erwarb es im Jahre 1939, überliess aber die Bewirtschaftung zum grössten Teile der Ehefrau. Diese ist eine Bauerntochter und hat die landwirtschaftlichen Arbeiten all die Jahre hindurch eifrig und tüchtig besorgt. Der Beklagte ist nicht Landwirt, sondern gelernter Schmied und jetzt Heizungsmonteur. Auf das Gütchen ist er nicht angewiesen und vermöchte sich daraus auch kein genügendes Auskommen zu verschaffen. Unter diesen Umständen erscheint das Begehren der Klägerin als begründet und diese Sachleistung als dem Beklagten zumutbar, sofern sie dem Werte nach angemessen ist. Er läuft nicht etwa Gefahr, als Schuldner des auf der Liegenschaft lastenden, auf die Klägerin als neue Schuldnerin zu übertragenden Schuldbriefs von Fr. 28'000.-- beibehalten zu werden. Die Schuldbriefgläubigerin hat der Schuldübernahme durch die Klägerin mit Entlassung des Beklagten als Schuldner zum voraus zugestimmt. Es liegt im Sinne des Familienschutzes, den drei Kindern das Heim zu erhalten, wo sie bisher aufgewachsen sind. Die Möglichkeit, dass unter Umständen jemand anders als sie nach bäuerlichem Erbrecht das Heimwesen erwerben kann (nämlich ein Kind aus allfälliger späterer Ehe der Klägerin), muss mit in Kauf genommen werden.
3. Die in Frage stehende Sachleistung ist nicht deshalb unzulässig, weil sie andern Gläubigern des Ehemannes nachteilig sein könnte. Das Obergericht hat zutreffend keinen Eigentumsübergang verfügt, sondern nur eine Verpflichtung ausgesprochen (vgl. BGE 50 II 381 Erw. 5), die auf gleicher Linie wie Geldschulden steht und somit die Ehefrau nicht vor Geldgläubigern begünstigt. Sollte sie vor andern Verpflichtungen erfüllt werden, so kann sich die Frage erheben, ob die Erfüllung nach Art. 288 SchKG anfechtbar oder ein anderer Rechtsbehelf zum Schutz anderer Gläubiger gegeben sei. Der Entschädigungsanspruch als solcher besteht aber zu Recht, so wie er vom Richter geschützt wird, sei es im Sinn einer Geldforderung oder eines Anspruches auf Sachleistung.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichtes des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 7. Dezember 1953, soweit es angefochten ist, bestätigt. | de | Die Entschädigung an den schuldlos geschiedenen Ehegatten (Art. 151 Abs. 1 ZGB) kann, wo besondere Gründe es rechtfertigen, in einer Sachleistung (hier: Übertragung einer Liegenschaft) bestehen. | de | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-102%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
223 | 80 II 102 | Sachverhalt ab Seite 102
Aus dem Tatbestand:
A.- Das Obergericht des Kantons Zürich hat die Ehe der Parteien auf Klage der Ehefrau geschieden, ihr die drei der Ehe entsprossenen Kinder zugewiesen und eine Entschädigung im Sinne von Art. 151 Abs. 1 ZGB für den Wegfall des ehelichen Unterhaltsanspruchs zuerkannt.
Laut Disp. 9 des obergerichtlichen Urteils hat der Ehemann diese Entschädigung durch Übereignung der Liegenschaft am Fuchsrain samt Vieh und landwirtschaftlichen Gerätschaften (gemäss genauem Verzeichnis) zu leisten, während die Ehefrau laut Disp. 10 verpflichtet ist, die auf der Liegenschaft lastende Schuld von Fr. 28'000.-- aus einem Schuldbrief zu übernehmen.
B.- Gegen Disp. 9 des obergerichtlichen Urteils hat der Beklagte Berufung an das Bundesgericht eingelegt, mit dem Antrag, die ihm auferlegte Verpflichtung, die Ehefrau durch Übertragung der erwähnten Liegenschaft mit lebendem und totem Inventar zu entschädigen, sei aufzuheben.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Dass er der Klägerin als schuldloser Ehegattin eine Entschädigung nach Art. 151 Abs. 1 ZGB zu leisten hat, bestreitet der Beklagte nicht mehr. Er hält jedoch eine Geldzahlung (Kapital oder Rente) für die einzige zulässige Form einer solchen Entschädigung; zur Übereignung von Sachen, namentlich eines Grundstücks, dürfe der schuldige Ehegatte nicht verpflichtet werden. Er beruft sich auf BGE 78 II 302ff., wonach dem Ehemann als Ersatz für nicht mehr vorhandenes Frauengut bei Scheidung der Ehe niemals die Übertragung von Gegenständen seiner Errungenschaft auf die Ehefrau obliegt. Eine Sachleistung ist nach seiner Ansicht noch weniger am Platze als Entschädigung im Sinne von Art. 151 Abs. 1 ZGB; denn dabei handle es sich nicht einmal um Ersatz für einen von der Ehefrau eingebrachten und nicht mehr vorhandenen Sachwert, sondern um einen wertmässigen und daher in Geld zuzusprechenden Ersatz für die durch die Ehescheidung beeinträchtigten Vermögensrechte und Anwartschaften des schuldlosen Ehegatten insgesamt. Die besondere Natur dieses familienrechtlichen Anspruchs schliesse die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegende analoge Anwendung von Art. 43 OR aus, wonach der Richter (bei unerlaubten Handlungen) "Art und Grösse des Ersatzes für den eingetretenen Schaden" zu bestimmen hat und somit unter Umständen Natural- statt Geldersatz gewähren kann.
Diese Betrachtungsweise wird dem vorliegenden Falle nicht gerecht. Gewiss ist eine Entschädigung im Sinne von Art. 151 Abs. 1 ZGB gewöhnlich in Geld zu gewähren. Als allgemeiner Wertmesser ist das Geld die übliche Form der Entschädigung (auch in andern Rechtsgebieten) geworden. Nicht nur lässt sich die Höhe der Entschädigung am leichtesten in Geld bestimmen; dem Berechtigten ist in den meisten Fällen an einer Geldleistung gelegen, die er nach Belieben verwenden kann, und dem Verpflichteten ist, von Ausnahmefällen abgesehen, eine Geldleistung am ehesten zumutbar. Verfügt er nicht über den erforderlichen Betrag, so kann er sich ihn durch Veräusserung von Vermögensstücken beschaffen. Besondere Gründe können aber eine Sachleistung, wenn der Berechtigte sie verlangt, als gerechtfertigt und dem Verpflichteten als zumutbar erscheinen lassen. Dass Art. 151 Abs. 1 ZGB eine solche Art der Entschädigung überhaupt ausschliesse, ist dem Beklagten nicht zuzugeben. Dem Begriff der Entschädigung entspricht nach landläufigem Sprachgebrauche wie die Geldso auch die Naturalentschädigung. Als "angemessene Entschädigung" lässt sich somit zwanglos auch eine den Verhältnissen angemessene Sachleistung betrachten. Nichts verbietet es, diesen weiten Begriff der Entschädigung anzuwenden, zumal Abs. 1 von Art. 151 ZGB nicht wie Abs. 2 (für die Genugtuung) ausdrücklich nur Geldzahlung vorsieht. Ganz anderer Natur ist die auf Wertersatz in Geld gehende, nur unter besondern Voraussetzungen fällige und (zumal durch Anschlusspfändung oder Konkurseingabe) geltend zu machende Forderung für nicht mehr (auch nicht in Ersatzstücken) vorhandenes oder dem Ehemanne nach Art. 199 ZGB überlassenes Frauengut. Daraus, dass an deren Stelle nicht Sachleistungen verlangt werden können, wie in BGE 78 II 302 entschieden, folgt nichts gegen jene weite Auslegung von Art. 151 Abs. 1 ZGB. Entspricht aber die Möglichkeit der Zuerkennung einer Sachleistung bei besondern Umständen schon dem Begriff der Entschädigung, so bedarf es nicht der analogen Anwendung von Art. 43 OR, der immerhin geeignet ist, jene Auslegung zu unterstützen; denn Entschädigung ist dasselbe wie Schadenersatz, jedenfalls nicht als engerer Begriff zu verstehen (das Gesetz selbst vermengt die beiden Begriffe, indem die Randtitel der Art. 43 und 44 OR "indemnité" für "dommages-intérêts" sagen). Auch "familienrechtliches Denken" führt nicht zu engerer Auslegung von Art. 151 Abs. 1 ZGB. Der schuldlose Ehegatte verliert unter Umständen durch die Ehescheidung seine wirtschaftliche Existenz, und es kann die ihm dafür gebührende Entschädigung je nach den beidseitigen Vermögensverhältnissen in angemessenster Weise durch eine Sachleistung bewirkt werden.
Bei der Beurteilung der nähern Voraussetzungen hiefür ist nicht massgebend, in welcher Weise der hier eben nicht anwendbare Art. 43 OR bei unerlaubten Handlungen ausgelegt zu werden pflegt (wobei einzelne Autoren Naturalersatz grundsätzlich nur bei Sachschaden in Betracht ziehen; vgl. OFTINGER, Haftpflichtrecht I 39; ähnlich OSER-SCHÖNENBERGER, N. 9 und 10 zu Art. 43 OR). Gerade weil es mitunter gilt, dem schuldlosen Ehegatten eine Existenzgrundlage zu bieten, ist eine Verpflichtung, ihm liegendes Gut zu übertragen, nicht ausgeschlossen (was auch GMÜR, N. 13 zu Art. 151, annimmt, während EGGER, N. 8 daselbst, hauptsächlich Hausrat ins Auge fasst; vgl. ferner SJZ 17 S. 266 N. 199 und BlZR 29 N. 149).
2. Die Klägerin hat ein ausgeprägtes Interesse, mit den drei Kindern auf dem Heimwesen zu bleiben. Der Beklagte erwarb es im Jahre 1939, überliess aber die Bewirtschaftung zum grössten Teile der Ehefrau. Diese ist eine Bauerntochter und hat die landwirtschaftlichen Arbeiten all die Jahre hindurch eifrig und tüchtig besorgt. Der Beklagte ist nicht Landwirt, sondern gelernter Schmied und jetzt Heizungsmonteur. Auf das Gütchen ist er nicht angewiesen und vermöchte sich daraus auch kein genügendes Auskommen zu verschaffen. Unter diesen Umständen erscheint das Begehren der Klägerin als begründet und diese Sachleistung als dem Beklagten zumutbar, sofern sie dem Werte nach angemessen ist. Er läuft nicht etwa Gefahr, als Schuldner des auf der Liegenschaft lastenden, auf die Klägerin als neue Schuldnerin zu übertragenden Schuldbriefs von Fr. 28'000.-- beibehalten zu werden. Die Schuldbriefgläubigerin hat der Schuldübernahme durch die Klägerin mit Entlassung des Beklagten als Schuldner zum voraus zugestimmt. Es liegt im Sinne des Familienschutzes, den drei Kindern das Heim zu erhalten, wo sie bisher aufgewachsen sind. Die Möglichkeit, dass unter Umständen jemand anders als sie nach bäuerlichem Erbrecht das Heimwesen erwerben kann (nämlich ein Kind aus allfälliger späterer Ehe der Klägerin), muss mit in Kauf genommen werden.
3. Die in Frage stehende Sachleistung ist nicht deshalb unzulässig, weil sie andern Gläubigern des Ehemannes nachteilig sein könnte. Das Obergericht hat zutreffend keinen Eigentumsübergang verfügt, sondern nur eine Verpflichtung ausgesprochen (vgl. BGE 50 II 381 Erw. 5), die auf gleicher Linie wie Geldschulden steht und somit die Ehefrau nicht vor Geldgläubigern begünstigt. Sollte sie vor andern Verpflichtungen erfüllt werden, so kann sich die Frage erheben, ob die Erfüllung nach Art. 288 SchKG anfechtbar oder ein anderer Rechtsbehelf zum Schutz anderer Gläubiger gegeben sei. Der Entschädigungsanspruch als solcher besteht aber zu Recht, so wie er vom Richter geschützt wird, sei es im Sinn einer Geldforderung oder eines Anspruches auf Sachleistung.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichtes des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 7. Dezember 1953, soweit es angefochten ist, bestätigt. | de | L'indemnité due à l'époux innocent en vertu de l'art. 151 al. 1 CC peut, en raison de circonstances spéciales, être allouée sous forme de prestation en nature (dans le cas particulier: transfert d'un immeuble). | fr | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-102%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
224 | 80 II 102 | Sachverhalt ab Seite 102
Aus dem Tatbestand:
A.- Das Obergericht des Kantons Zürich hat die Ehe der Parteien auf Klage der Ehefrau geschieden, ihr die drei der Ehe entsprossenen Kinder zugewiesen und eine Entschädigung im Sinne von Art. 151 Abs. 1 ZGB für den Wegfall des ehelichen Unterhaltsanspruchs zuerkannt.
Laut Disp. 9 des obergerichtlichen Urteils hat der Ehemann diese Entschädigung durch Übereignung der Liegenschaft am Fuchsrain samt Vieh und landwirtschaftlichen Gerätschaften (gemäss genauem Verzeichnis) zu leisten, während die Ehefrau laut Disp. 10 verpflichtet ist, die auf der Liegenschaft lastende Schuld von Fr. 28'000.-- aus einem Schuldbrief zu übernehmen.
B.- Gegen Disp. 9 des obergerichtlichen Urteils hat der Beklagte Berufung an das Bundesgericht eingelegt, mit dem Antrag, die ihm auferlegte Verpflichtung, die Ehefrau durch Übertragung der erwähnten Liegenschaft mit lebendem und totem Inventar zu entschädigen, sei aufzuheben.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Dass er der Klägerin als schuldloser Ehegattin eine Entschädigung nach Art. 151 Abs. 1 ZGB zu leisten hat, bestreitet der Beklagte nicht mehr. Er hält jedoch eine Geldzahlung (Kapital oder Rente) für die einzige zulässige Form einer solchen Entschädigung; zur Übereignung von Sachen, namentlich eines Grundstücks, dürfe der schuldige Ehegatte nicht verpflichtet werden. Er beruft sich auf BGE 78 II 302ff., wonach dem Ehemann als Ersatz für nicht mehr vorhandenes Frauengut bei Scheidung der Ehe niemals die Übertragung von Gegenständen seiner Errungenschaft auf die Ehefrau obliegt. Eine Sachleistung ist nach seiner Ansicht noch weniger am Platze als Entschädigung im Sinne von Art. 151 Abs. 1 ZGB; denn dabei handle es sich nicht einmal um Ersatz für einen von der Ehefrau eingebrachten und nicht mehr vorhandenen Sachwert, sondern um einen wertmässigen und daher in Geld zuzusprechenden Ersatz für die durch die Ehescheidung beeinträchtigten Vermögensrechte und Anwartschaften des schuldlosen Ehegatten insgesamt. Die besondere Natur dieses familienrechtlichen Anspruchs schliesse die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegende analoge Anwendung von Art. 43 OR aus, wonach der Richter (bei unerlaubten Handlungen) "Art und Grösse des Ersatzes für den eingetretenen Schaden" zu bestimmen hat und somit unter Umständen Natural- statt Geldersatz gewähren kann.
Diese Betrachtungsweise wird dem vorliegenden Falle nicht gerecht. Gewiss ist eine Entschädigung im Sinne von Art. 151 Abs. 1 ZGB gewöhnlich in Geld zu gewähren. Als allgemeiner Wertmesser ist das Geld die übliche Form der Entschädigung (auch in andern Rechtsgebieten) geworden. Nicht nur lässt sich die Höhe der Entschädigung am leichtesten in Geld bestimmen; dem Berechtigten ist in den meisten Fällen an einer Geldleistung gelegen, die er nach Belieben verwenden kann, und dem Verpflichteten ist, von Ausnahmefällen abgesehen, eine Geldleistung am ehesten zumutbar. Verfügt er nicht über den erforderlichen Betrag, so kann er sich ihn durch Veräusserung von Vermögensstücken beschaffen. Besondere Gründe können aber eine Sachleistung, wenn der Berechtigte sie verlangt, als gerechtfertigt und dem Verpflichteten als zumutbar erscheinen lassen. Dass Art. 151 Abs. 1 ZGB eine solche Art der Entschädigung überhaupt ausschliesse, ist dem Beklagten nicht zuzugeben. Dem Begriff der Entschädigung entspricht nach landläufigem Sprachgebrauche wie die Geldso auch die Naturalentschädigung. Als "angemessene Entschädigung" lässt sich somit zwanglos auch eine den Verhältnissen angemessene Sachleistung betrachten. Nichts verbietet es, diesen weiten Begriff der Entschädigung anzuwenden, zumal Abs. 1 von Art. 151 ZGB nicht wie Abs. 2 (für die Genugtuung) ausdrücklich nur Geldzahlung vorsieht. Ganz anderer Natur ist die auf Wertersatz in Geld gehende, nur unter besondern Voraussetzungen fällige und (zumal durch Anschlusspfändung oder Konkurseingabe) geltend zu machende Forderung für nicht mehr (auch nicht in Ersatzstücken) vorhandenes oder dem Ehemanne nach Art. 199 ZGB überlassenes Frauengut. Daraus, dass an deren Stelle nicht Sachleistungen verlangt werden können, wie in BGE 78 II 302 entschieden, folgt nichts gegen jene weite Auslegung von Art. 151 Abs. 1 ZGB. Entspricht aber die Möglichkeit der Zuerkennung einer Sachleistung bei besondern Umständen schon dem Begriff der Entschädigung, so bedarf es nicht der analogen Anwendung von Art. 43 OR, der immerhin geeignet ist, jene Auslegung zu unterstützen; denn Entschädigung ist dasselbe wie Schadenersatz, jedenfalls nicht als engerer Begriff zu verstehen (das Gesetz selbst vermengt die beiden Begriffe, indem die Randtitel der Art. 43 und 44 OR "indemnité" für "dommages-intérêts" sagen). Auch "familienrechtliches Denken" führt nicht zu engerer Auslegung von Art. 151 Abs. 1 ZGB. Der schuldlose Ehegatte verliert unter Umständen durch die Ehescheidung seine wirtschaftliche Existenz, und es kann die ihm dafür gebührende Entschädigung je nach den beidseitigen Vermögensverhältnissen in angemessenster Weise durch eine Sachleistung bewirkt werden.
Bei der Beurteilung der nähern Voraussetzungen hiefür ist nicht massgebend, in welcher Weise der hier eben nicht anwendbare Art. 43 OR bei unerlaubten Handlungen ausgelegt zu werden pflegt (wobei einzelne Autoren Naturalersatz grundsätzlich nur bei Sachschaden in Betracht ziehen; vgl. OFTINGER, Haftpflichtrecht I 39; ähnlich OSER-SCHÖNENBERGER, N. 9 und 10 zu Art. 43 OR). Gerade weil es mitunter gilt, dem schuldlosen Ehegatten eine Existenzgrundlage zu bieten, ist eine Verpflichtung, ihm liegendes Gut zu übertragen, nicht ausgeschlossen (was auch GMÜR, N. 13 zu Art. 151, annimmt, während EGGER, N. 8 daselbst, hauptsächlich Hausrat ins Auge fasst; vgl. ferner SJZ 17 S. 266 N. 199 und BlZR 29 N. 149).
2. Die Klägerin hat ein ausgeprägtes Interesse, mit den drei Kindern auf dem Heimwesen zu bleiben. Der Beklagte erwarb es im Jahre 1939, überliess aber die Bewirtschaftung zum grössten Teile der Ehefrau. Diese ist eine Bauerntochter und hat die landwirtschaftlichen Arbeiten all die Jahre hindurch eifrig und tüchtig besorgt. Der Beklagte ist nicht Landwirt, sondern gelernter Schmied und jetzt Heizungsmonteur. Auf das Gütchen ist er nicht angewiesen und vermöchte sich daraus auch kein genügendes Auskommen zu verschaffen. Unter diesen Umständen erscheint das Begehren der Klägerin als begründet und diese Sachleistung als dem Beklagten zumutbar, sofern sie dem Werte nach angemessen ist. Er läuft nicht etwa Gefahr, als Schuldner des auf der Liegenschaft lastenden, auf die Klägerin als neue Schuldnerin zu übertragenden Schuldbriefs von Fr. 28'000.-- beibehalten zu werden. Die Schuldbriefgläubigerin hat der Schuldübernahme durch die Klägerin mit Entlassung des Beklagten als Schuldner zum voraus zugestimmt. Es liegt im Sinne des Familienschutzes, den drei Kindern das Heim zu erhalten, wo sie bisher aufgewachsen sind. Die Möglichkeit, dass unter Umständen jemand anders als sie nach bäuerlichem Erbrecht das Heimwesen erwerben kann (nämlich ein Kind aus allfälliger späterer Ehe der Klägerin), muss mit in Kauf genommen werden.
3. Die in Frage stehende Sachleistung ist nicht deshalb unzulässig, weil sie andern Gläubigern des Ehemannes nachteilig sein könnte. Das Obergericht hat zutreffend keinen Eigentumsübergang verfügt, sondern nur eine Verpflichtung ausgesprochen (vgl. BGE 50 II 381 Erw. 5), die auf gleicher Linie wie Geldschulden steht und somit die Ehefrau nicht vor Geldgläubigern begünstigt. Sollte sie vor andern Verpflichtungen erfüllt werden, so kann sich die Frage erheben, ob die Erfüllung nach Art. 288 SchKG anfechtbar oder ein anderer Rechtsbehelf zum Schutz anderer Gläubiger gegeben sei. Der Entschädigungsanspruch als solcher besteht aber zu Recht, so wie er vom Richter geschützt wird, sei es im Sinn einer Geldforderung oder eines Anspruches auf Sachleistung.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichtes des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 7. Dezember 1953, soweit es angefochten ist, bestätigt. | de | L'indennità dovuta al coniuge innocente a stregua dell'art. 151 cp. 1 CC può essere concessa, quando circostanze speciali lo giustifichino, sotto forma di prestazioni in natura (in concreto: trasferimento d'uno stabile). | it | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-102%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
225 | 80 II 107 | Sachverhalt ab Seite 107
Aus dem Tatbestand:
A.- Der Berufungskläger entzog sich im Sommer 1951 einer in Zürich über ihn verhängten Freiheitsstrafe durch Auswanderung. Er lebte anderthalb Jahre in Paris. Am 16. Januar 1953 kehrte er in die Schweiz zurück, um sich den Justizbehörden zu stellen und sich nach Strafverbüssung im Kanton Luzern niederzulassen. Er wurde bei seiner Einreise in Genf verhaftet und polizeilich nach Zürich geführt. Dort war er vom 16. bis 19. Januar 1953 in Polizei- und Untersuchungshaft. Am 20. gl. Mts. wurde er von der Vormundschaftsbehörde der Stadt Zürich im Hinblick auf eine gemäss Art. 370 ZGB zu verfügende Entmündigung wegen lasterhaften Lebenswandels einvernommen. Alsdann hatte er die Strafe zu erstehen, zu der er im Jahre 1951 verurteilt worden war.
B.- Auf Antrag der Vormundschaftsbehörde der Stadt Zürich sprach der Bezirksrat Zürich am 13. März 1953 die Entmündigung aus. Der Entmündigte verlangte einen gerichtlichen Entscheid und erhob die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit der zürcherischen Behörden.
C.- Mit dieser Einrede in beiden kantonalen Gerichtsinstanzen abgewiesen, hält er mit der vorliegenden Berufung daran fest.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
... Es ist festgestellt, dass der Berufungskläger bei seiner Einreise in die Schweiz am 16. Januar 1953 den in Paris begründeten Wohnsitz aufgegeben hatte und über den 20. Januar hinaus keinen neuen Wohnsitz in der Schweiz erwarb. Zürich, wo er sich am 20. Januar 1953 bei Einleitung des Entmündigungsverfahrens aufhielt, gilt daher nach Art. 24 Abs. 2 ZGB als sein damaliger Wohnsitz gemäss Art. 376 Abs. 1 ZGB, wie die kantonalen Gerichte zutreffend entschieden haben. Da jene Vorschrift den Aufenthaltsort schlechthin berücksichtigt, ist auch ein Aufenthalt zu einem der in Art. 26 ZGB genannten Zwecke nicht ausgenommen. Aus Art. 26 ZGB folgt nur, dass ein Aufenthalt zu vorübergehendem Zweck, wenn auch von verhältnismässig langer Dauer, den bisherigen Wohnsitz unberührt lässt. Ist aber ein ausländischer Wohnsitz aufgegeben und daher nach Art. 24 Abs. 2 ZGB eben der schweizerische Aufenthaltsort massgebend, so begründet hievon Art. 26 keine Ausnahme (vgl. KAUFMANN, N. 12 und EGGER, N. 14 und 15 zu Art. 376 ZGB; davon geht auch das einen Ausländer betreffende UrteilBGE 61 II 16aus). Der Berufungskläger wendet sich vor allem dagegen, an einem Ort belangt zu werden, wohin er sich nicht freiwillig begeben hatte, sondern mit Polizeigewalt gebracht worden war. Allein, auch ein Zwangsaufenthalt erfüllt den Tatbestand des Art. 24 Abs. 2 ZGB und gilt somit als Wohnsitz, zumal wenn er nicht als blosse kurze Unterbrechung eines regelmässigen Aufenthaltes an einem andern Orte der Schweiz erscheint (vgl. EGGER, N. 7 zu Art. 24 ZGB; HOLENSTEIN, Der privatrechtliche Wohnsitz im schweizerischen Recht, 115/16). Es entspricht dem Zweck der in Art. 24 Abs. 2 aufgestellten Wohnsitzfiktion, ein Verfahren gerade auch gegen einen aus dem Ausland eingewanderten Schweizerbürger zu ermöglichen, der bis auf weiteres keinen Wohnsitz erwerben kann, weil er eine Freiheitsstrafe zu erstehen hat oder sich in einem Zustande befindet, der seine Internierung oder Spitalverbringung nötig macht.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und der Beschluss des Obergerichtes des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 22. März 1954 bestätigt. | de | Als fiktiver Wohnsitz nach Art. 24 Abs. 2 ZGB, und damit als Ort für das Entmündigungsverfahren (Art. 376 Abs. 1 ZGB), fällt auch ein Aufenthalt zu einem der in Art. 26 ZGB genannten Zwecke, und zwar auch ein unfreiwilliger, in Betracht. | de | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-107%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
226 | 80 II 107 | Sachverhalt ab Seite 107
Aus dem Tatbestand:
A.- Der Berufungskläger entzog sich im Sommer 1951 einer in Zürich über ihn verhängten Freiheitsstrafe durch Auswanderung. Er lebte anderthalb Jahre in Paris. Am 16. Januar 1953 kehrte er in die Schweiz zurück, um sich den Justizbehörden zu stellen und sich nach Strafverbüssung im Kanton Luzern niederzulassen. Er wurde bei seiner Einreise in Genf verhaftet und polizeilich nach Zürich geführt. Dort war er vom 16. bis 19. Januar 1953 in Polizei- und Untersuchungshaft. Am 20. gl. Mts. wurde er von der Vormundschaftsbehörde der Stadt Zürich im Hinblick auf eine gemäss Art. 370 ZGB zu verfügende Entmündigung wegen lasterhaften Lebenswandels einvernommen. Alsdann hatte er die Strafe zu erstehen, zu der er im Jahre 1951 verurteilt worden war.
B.- Auf Antrag der Vormundschaftsbehörde der Stadt Zürich sprach der Bezirksrat Zürich am 13. März 1953 die Entmündigung aus. Der Entmündigte verlangte einen gerichtlichen Entscheid und erhob die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit der zürcherischen Behörden.
C.- Mit dieser Einrede in beiden kantonalen Gerichtsinstanzen abgewiesen, hält er mit der vorliegenden Berufung daran fest.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
... Es ist festgestellt, dass der Berufungskläger bei seiner Einreise in die Schweiz am 16. Januar 1953 den in Paris begründeten Wohnsitz aufgegeben hatte und über den 20. Januar hinaus keinen neuen Wohnsitz in der Schweiz erwarb. Zürich, wo er sich am 20. Januar 1953 bei Einleitung des Entmündigungsverfahrens aufhielt, gilt daher nach Art. 24 Abs. 2 ZGB als sein damaliger Wohnsitz gemäss Art. 376 Abs. 1 ZGB, wie die kantonalen Gerichte zutreffend entschieden haben. Da jene Vorschrift den Aufenthaltsort schlechthin berücksichtigt, ist auch ein Aufenthalt zu einem der in Art. 26 ZGB genannten Zwecke nicht ausgenommen. Aus Art. 26 ZGB folgt nur, dass ein Aufenthalt zu vorübergehendem Zweck, wenn auch von verhältnismässig langer Dauer, den bisherigen Wohnsitz unberührt lässt. Ist aber ein ausländischer Wohnsitz aufgegeben und daher nach Art. 24 Abs. 2 ZGB eben der schweizerische Aufenthaltsort massgebend, so begründet hievon Art. 26 keine Ausnahme (vgl. KAUFMANN, N. 12 und EGGER, N. 14 und 15 zu Art. 376 ZGB; davon geht auch das einen Ausländer betreffende UrteilBGE 61 II 16aus). Der Berufungskläger wendet sich vor allem dagegen, an einem Ort belangt zu werden, wohin er sich nicht freiwillig begeben hatte, sondern mit Polizeigewalt gebracht worden war. Allein, auch ein Zwangsaufenthalt erfüllt den Tatbestand des Art. 24 Abs. 2 ZGB und gilt somit als Wohnsitz, zumal wenn er nicht als blosse kurze Unterbrechung eines regelmässigen Aufenthaltes an einem andern Orte der Schweiz erscheint (vgl. EGGER, N. 7 zu Art. 24 ZGB; HOLENSTEIN, Der privatrechtliche Wohnsitz im schweizerischen Recht, 115/16). Es entspricht dem Zweck der in Art. 24 Abs. 2 aufgestellten Wohnsitzfiktion, ein Verfahren gerade auch gegen einen aus dem Ausland eingewanderten Schweizerbürger zu ermöglichen, der bis auf weiteres keinen Wohnsitz erwerben kann, weil er eine Freiheitsstrafe zu erstehen hat oder sich in einem Zustande befindet, der seine Internierung oder Spitalverbringung nötig macht.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und der Beschluss des Obergerichtes des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 22. März 1954 bestätigt. | de | Un séjour motivé par une des raisons indiquées à l'art. 26 CC, même s'il est involontaire, doit être considéré comme un domicile fictif dans le sens de l'art. 24 al. 2 CC et suffit pour fonder la compétence des autorités tutélaires du lieu de séjour (art. 376 al. 1 CC). | fr | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-107%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
227 | 80 II 107 | Sachverhalt ab Seite 107
Aus dem Tatbestand:
A.- Der Berufungskläger entzog sich im Sommer 1951 einer in Zürich über ihn verhängten Freiheitsstrafe durch Auswanderung. Er lebte anderthalb Jahre in Paris. Am 16. Januar 1953 kehrte er in die Schweiz zurück, um sich den Justizbehörden zu stellen und sich nach Strafverbüssung im Kanton Luzern niederzulassen. Er wurde bei seiner Einreise in Genf verhaftet und polizeilich nach Zürich geführt. Dort war er vom 16. bis 19. Januar 1953 in Polizei- und Untersuchungshaft. Am 20. gl. Mts. wurde er von der Vormundschaftsbehörde der Stadt Zürich im Hinblick auf eine gemäss Art. 370 ZGB zu verfügende Entmündigung wegen lasterhaften Lebenswandels einvernommen. Alsdann hatte er die Strafe zu erstehen, zu der er im Jahre 1951 verurteilt worden war.
B.- Auf Antrag der Vormundschaftsbehörde der Stadt Zürich sprach der Bezirksrat Zürich am 13. März 1953 die Entmündigung aus. Der Entmündigte verlangte einen gerichtlichen Entscheid und erhob die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit der zürcherischen Behörden.
C.- Mit dieser Einrede in beiden kantonalen Gerichtsinstanzen abgewiesen, hält er mit der vorliegenden Berufung daran fest.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
... Es ist festgestellt, dass der Berufungskläger bei seiner Einreise in die Schweiz am 16. Januar 1953 den in Paris begründeten Wohnsitz aufgegeben hatte und über den 20. Januar hinaus keinen neuen Wohnsitz in der Schweiz erwarb. Zürich, wo er sich am 20. Januar 1953 bei Einleitung des Entmündigungsverfahrens aufhielt, gilt daher nach Art. 24 Abs. 2 ZGB als sein damaliger Wohnsitz gemäss Art. 376 Abs. 1 ZGB, wie die kantonalen Gerichte zutreffend entschieden haben. Da jene Vorschrift den Aufenthaltsort schlechthin berücksichtigt, ist auch ein Aufenthalt zu einem der in Art. 26 ZGB genannten Zwecke nicht ausgenommen. Aus Art. 26 ZGB folgt nur, dass ein Aufenthalt zu vorübergehendem Zweck, wenn auch von verhältnismässig langer Dauer, den bisherigen Wohnsitz unberührt lässt. Ist aber ein ausländischer Wohnsitz aufgegeben und daher nach Art. 24 Abs. 2 ZGB eben der schweizerische Aufenthaltsort massgebend, so begründet hievon Art. 26 keine Ausnahme (vgl. KAUFMANN, N. 12 und EGGER, N. 14 und 15 zu Art. 376 ZGB; davon geht auch das einen Ausländer betreffende UrteilBGE 61 II 16aus). Der Berufungskläger wendet sich vor allem dagegen, an einem Ort belangt zu werden, wohin er sich nicht freiwillig begeben hatte, sondern mit Polizeigewalt gebracht worden war. Allein, auch ein Zwangsaufenthalt erfüllt den Tatbestand des Art. 24 Abs. 2 ZGB und gilt somit als Wohnsitz, zumal wenn er nicht als blosse kurze Unterbrechung eines regelmässigen Aufenthaltes an einem andern Orte der Schweiz erscheint (vgl. EGGER, N. 7 zu Art. 24 ZGB; HOLENSTEIN, Der privatrechtliche Wohnsitz im schweizerischen Recht, 115/16). Es entspricht dem Zweck der in Art. 24 Abs. 2 aufgestellten Wohnsitzfiktion, ein Verfahren gerade auch gegen einen aus dem Ausland eingewanderten Schweizerbürger zu ermöglichen, der bis auf weiteres keinen Wohnsitz erwerben kann, weil er eine Freiheitsstrafe zu erstehen hat oder sich in einem Zustande befindet, der seine Internierung oder Spitalverbringung nötig macht.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und der Beschluss des Obergerichtes des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 22. März 1954 bestätigt. | de | La dimora motivata da uno degli scopi indicati all'art. 26 CC, anche se involontaria, va considerata come un domicilio fittizio a, sensi dell'art. 24 cp. 2 CC e basta per fondare la competenza delle autorità di tutela del luogo di dimora (art. 376 cp. 1 CC). | it | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-107%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
228 | 80 II 109 | Sachverhalt ab Seite 109
A.- Die in Oran (Algerien) domizilierte Klägerin PIMEA, Gesellschaft m.b.H., vertreibt technische Artikel, u.a. Traktoren, in Nordafrika. Sie wurde durch die Famag, A.-G. für Flugzeuge, Automobile und Motoren in Vaduz, mit Traktoren der Firma Fritz Bührer in Hinwil beliefert. Vertreter der Firmen Famag und Bührer für Nordafrika war Claude Voisine. Auch der Beklagte Kündig in Zürich, der ebenfalls technische Artikel exportiert, belieferte die Klägerin durch Vermittlung von Voisine.
B.- Im Jahre 1947 begann Voisine selbst, Raupentraktoren in der Schweiz, im Atelier mécanique von Ch. A. Bertrand in Genf, herzustellen. Finanzielle Mittel hiezu wurden ihm zunächst von der Famag zur Verfügung gestellt. Als diese in der Folge ausblieben, wandte sich Voisine an den Beklagten, und dieser eröffnete ihm am 23. März 1948 einen Kredit von Fr. 8000.-- für die Konstruktion zweier Prototypen. Dieser Betrag wurde als "premier plafond" gewährt und später erhöht. Der Beklagte sollte am Vertrieb der Traktoren mitarbeiten und am Reingewinn mit 25% beteiligt sein. (Vgl. "Aide Mémoire" vom 22. März 1948 und "Complément à l'aidemémoire" vom 23. September 1948). Für den Prototyp II verschaffte sich Voisine einen Motor der Etablissements Saurer SA in Suresnes (Frankreich) zum Preise von ffrs. 587'529.--. Es ist unklar und umstritten, woher er diesen Betrag erhalten hat und wer Eigentümer des Motors geworden ist. Nach der Darstellung des Beklagten hat die Klägerin das Eigentum nie erworben, vielmehr habe die Famag dem Voisine Fr. 7000.-- für diesen Ankauf gegeben, und dieser habe als Stellvertreter der Famag gekauft. Die Klägerin behauptet, sie sei durch Voisine vertreten gewesen, habe ihm das Geld zur Verfügung gestellt und das Eigentum am Motor am 30. Oktober 1948 erworben.
C.- Als die Konstruktionsarbeiten in der Werkstatt von Ch. A. Bertrand in Genf - wohin der Motor am 11. September 1948 geliefert worden war - sich verzögerten, weil Voisine sie nicht mehr finanzieren konnte, suchte der Beklagte sich gegen den Verlust seiner Vorschüsse zu sichern. In einer Besprechung vom 23. Dezember 1948 mit Voisine und einem Vertreter der Famag erreichte er, dass die weitere Überwachung der Konstruktion des Prototyps II ihm übertragen wurde. Zu diesem Zweck sollte das gesamte Material zu seiner Verfügung in die Fabrik E. Wirz, Uetikon (Zürich), verbracht werden. Der Beklagte bezahlte die bei Ch. A. Bertrand in Genf aufgelaufenen Rechnungen in der Höhe von Fr. 2864.60, um das Material auszulösen, und er liess sich von Voisine am 24./27. Dezember 1948 alle zum Prototyp II gehörenden Bestandteile verpfänden, "à l'exclusion de Moteur et radiateurs Saurer appartenant à PIMEA Oran". Von Bertrand erhielt er am 28. gl. Mts. dessen Forderungen gegen Voisine laut Rechnungen vom 31. August, 30. September und 24. November 1948 im Betrage von Fr. 5248.-- zediert, mit Einschluss des Retentionsrechts "pour l'ensemble du matériel avec moteur appartenant aux deux tracteurs à chenilles en construction". Der Saurer-Motor wurde am 7. Januar 1949 nach Uetikon geführt, die übrigen Bestandteile waren schon im Dezember 1948 dort eingetroffen.
Der Beklagte brachte in der Folge noch weitere Mittel für die Fortsetzung der Konstruktion des Prototyps II auf, stellte aber im Herbst 1949 die Arbeit ein, weil weder die Famag noch die Klägerin sich daran beteiligten. Die Klägerin verlangte von ihm die Herausgabe des Saurer-Motors, die er aber verweigerte.
D.- Mit Klageschrift vom 20. Juni 1952 verlangte die Klägerin, der Beklagte habe ihr das von der Firma Saurer in Suresnes bezogene Material (Motor, Kühler, Getriebe nebst Zubehör) sofort und unbeschwert herauszugeben. Sie machte geltend, sie sei Eigentümerin dieses Materials, und es bestünden inbezug auf dasselbe keinerlei rechtliche Verpflichtungen zwischen ihr und dem Beklagten. Ein Retentionsrecht könne der Beklagte ihr gegenüber nicht erworben haben, weil er beim Abschluss des Zessionsvertrages mit Voisine nicht gutgläubig habe annehmen können, dieser besitze ein dingliches Recht am Motor.
Der Beklagte bestritt das Eigentum der Klägerin an diesem Material und damit ihre Aktivlegitimation zur Forderung auf Herausgabe. Im weitern berief er sich auf sein Retentionsrecht. Er habe annehmen dürfen, Voisine sei entweder Eigentümer des Motors oder doch zu dinglicher Verfügung darüber berechtigt. Selbst wenn Voisine sich aber die Eigentümer-Funktion nur angemasst hätte, so habe die Klägerin die Besitzübertragung an den Beklagten nachträglich genehmigt, wenn sie ihn mit Schreiben vom 13. September 1949 aufforderte, die Konstruktionsarbeiten fortzusetzen. Auf jeden Fall aber habe er das Retentionsrecht durch die Zession von Bertrand erworben, der seinerseits zweifellos inbezug auf das Verfügungsrecht Voisines gutgläubig gewesen sei, habe er doch den Besitz am Motor zu einem Zeitpunkt erlangt, da die Klägerin nach ihrer eigenen Darstellung noch nicht Eigentümerin desselben gewesen sein konnte.
E.- Das Handelsgericht des Kantons Zürich liess in seinem Urteil vom 27. April 1953 offen, ob die Klägerin Eigentümerin des Motors sei. Es wies die Klage ab aus der Erwägung, der Beklagte sei auf jeden Fall zur Retention berechtigt. Zwar habe er ein selbständiges Retentionsrecht gegenüber der Klägerin nicht erworben; einerseits sei nicht erwiesen, dass er dieser gegenüber eine Forderung besitze, anderseits könne er nicht gutgläubig der Ansicht gewesen sein, sein Schuldner, Voisine, sei berechtigt, über den Motor dinglich zu verfügen. Jedoch besitze er ein abgeleitetes, d.h. durch Zession von Bertrand auf ihn übergangenes Retentionsrecht. Denn nach den Akten könne nicht zweifelhaft sein, dass Bertrand seinerseits den Voisine, als dieser ihm den Besitz am Motor verschaffte, nicht als Stellvertreter der Klägerin habe betrachten können. Vielmehr habe er annehmen müssen, Voisine handle kraft eigener Verfügungsmacht. Das demnach Bertrand zustehende Retentionsrecht sei nun aber mit dessen Forderung infolge der Zession auf den Beklagten übertragen worden, ohne Rücksicht darauf, ob bei diesem die persönlichen Voraussetzungen für einen direkten Erwerb dieses Rechtes gegenüber der Klägerin vorgelegen hätten. Die in der Literatur umstrittene Frage, ob das auf Art. 895 ff. ZGB gestützte Retentionsrecht zu den nach Art. 170 Abs. 1 OR mit der Forderungszession übergehenden Vorzugs- und Nebenrechten gehöre, müsse richtigerweise bejaht werden.
F.- Mit der vorliegenden Berufung beharrt die Klägerin auf ihrem Antrag auf Gutheissung der Klage. Der Beklagte trägt auf deren Abweisung an; eventualiter verlangt er Rückweisung der Sache an die Vorinstanz.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Nach den unbestrittenen Feststellungen des Handelsgerichtes hat der Zedent Bertrand am 11. September 1948, als er das streitige Material aus Frankreich erhielt, daran für seine Forderungen an Voisine ein Retentionsrecht erworben. Die Voraussetzungen dieses Rechtes waren schon vor Handelsgericht unbestritten mit Ausnahme der Gutgläubigkeit Bertrands. Diese ist jedoch im angefochtenen Urteil wenigstens für diejenigen Forderungen bejaht, die Bertrand beim Besitzerwerb, also am 11. September 1948, gegen Voisine bereits zustanden, laut Rechnungen vom 31. August 1948. Die Klägerin lässt dies nunmehr auch gelten. Über die Abtretung der soeben erwähnten und späterer Forderungen samt dem Retentionsrecht liegt eine schriftliche Zessionserklärung vom 28. Dezember 1948 vor. Umstritten ist aber, ob das Retentionsrecht auf den Beklagten gültig übergegangen sei, von Gesetzes wegen oder kraft der dahingehenden Erklärung des Zedenten.
2. Die Klägerin hält den Übergang eines Retentionsrechtes auf einen Zessionar der Forderung schon begrifflich für ausgeschlossen. Denn dieses Recht hange vom Besitz ab und könne daher nicht durch blosse Verpflichtung verändert werden. Erhalte aber ein neuer Gläubiger den Besitz, so erwerbe er nicht das Retentionsrecht, wie es dem Vorbesitzer zustand, sondern nur allenfalls ein neues Retentionsrecht. Beim Beklagten sei dies jedoch wegen seines bösen Glaubens nicht möglich gewesen. Übrigens sei ihm der Motor erst einige Tage nach der Zession, und zwar nicht unmittelbar, sondern durch einen Spediteur, geliefert worden und daher ein Übergang des Retentionsrechtes Bertrands auf ihn vollends ausgeschlossen.
Indessen lässt sich ebenso wie beim Faustpfandrecht auch beim Retentionsrecht die gesetzliche Fiktion des Überganges (cessio legis) anwenden. Danach geht das Recht mit der Forderung von Gesetzes wegen über. Den Besitz übt der Zedent (oder ein für ihn besitzender Dritter) vom Zeitpunkt der Zession an für den Zessionar aus, der alsdann auf Grund des bereits erworbenen Rechtes grundsätzlich die tatsächliche Besitzübergabe verlangen kann (vgl. OFTINGER, N. 162 zu Art. 884 ZGB für das Faustpfandrecht und N. 168 zu Art. 895 ZGB für das Retentionsrecht; ebenso LEEMANN, N. 69 zu Art. 895 ZGB). So muss es sich auch bei ausdrücklicher Mitabtretung verhalten. Ob sie wirksam sei, hängt nur davon ab, ob die materiellrechtlichen Voraussetzungen des Überganges erfüllt sind.
3. Nach Art. 170 Abs. 1 OR gehen die Nebenrechte ohne weiteres auf den Zessionar über, mit Ausnahme derer, die untrennbar mit der Person des Abtretenden verknüpft sind. Darüber, wie es sich in dieser Hinsicht mit dem Retentionsrecht gemäss Art. 895 ff. ZGB verhält, sind die Lehrmeinungen geteilt. Zwar ist es herrschende Ansicht geworden, dass das besondere Retentionsrecht des Vermieters und Verpächters (Art. 272 ff. und 286 Abs. 3 OR) mit der Miet- oder Pachtzinsforderung auf einen Zessionar übergehe (vgl. GUHL, Schweizerisches Obligationenrecht, 4. Auflage, 194; v. TUHR, Allg. Teil des schweizerischen OR § 95 I 1, a). Dagegen bejaht nur ein Teil der Autoren den Übergang auch für das allgemeine Retentionsrecht nach ZGB (das sog. bürgerliche nach Art. 895 Abs. 1 und das sog. kaufmännische nach Abs. 2 daselbst), so OFTINGER (N. 167 zu Art. 895 ZGB) und LEEMANN (N. 69 dazu). Andere lassen zwar das bürgerliche, nicht aber das kaufmännische Retentionsrecht übergehen, oder sie begnügen sich damit, den Übergang des kaufmännischen Retentionsrechtes zu verneinen, ohne zum Schicksal des bürgerlichen Retentionsrechtes bei Abtretung der Forderung Stellung zu nehmen (so BECKER, N. 2 und 5 zu Art. 170 OR). Daneben gibt es Gegner jeglichen Überganges des Retentionsrechtes, ausser demjenigen von Vermietern und Verpächtern (so v. TUHR, a.a.O.; OSER-SCHÖNENBERGER, N. 4 und 8 zu Art. 170 OR; WIELAND, N. 2, c zu Art. 895 ZGB; GEIGER, Begriff und Arten der Konnexität im Retentionsrecht 57 ff.; RENE DES GOUTTES, Abtretung von Forderungen, Schweizerische Juristische Karthothek 704 IV 17, b'bb).
Im vorliegenden Falle braucht nur das bürgerliche Retentionsrecht des Art. 895 Abs. 1 ZGB ins Auge gefasst zu werden. Denn ein solches stand dem Zedenten Bertrand zu. Allerdings konnten sich die Arbeiten, für die er dem Voisine am 31. August 1948 Rechnung stellte, nicht auf das streitige Material beziehen, das erst am 11. September 1948 in die Werkstätte Bertrands gelangte. Allein der Einbau dieses Materials gehörte zu den gesamten von Bertrand im Auftrag Voisines an den zwei Prototypen auszuführenden Konstruktionsarbeiten. Diese sind allesamt mit den dafür bestehenden Forderungen und dem diese sichernden Retentionsrecht als Einheit zu betrachten (vgl. BGE 71 II 86).
Nun mochten zwar ausserdem die Voraussetzungen eines kaufmännischen Retentionsrechtes gegeben sein. Daraus könnte allenfalls ein Einwand gegenüber dem Beklagten hergeleitet werden, wenn Bertrand dieses Retentionsrecht noch für andere als die ihm abgetretenen Forderungen in Anspruch nähme. Allein er hat ihm ja seine Retentionsrechte für das gesamte Material abgetreten und damit eindeutig auf irgendwelche ihm selbst allenfalls verbliebene Retentionsrechte an diesen Sachen verzichtet.
4. Es besteht kein zureichender Grund, das nichtkaufmännische Retentionsrecht, wie es zugunsten jedermanns entstehen kann, als "mit der Person des Abtretenden untrennbar verknüpft" zu betrachten. Mit Unrecht berufen sich einige Gegner der Abtretbarkeit solcher Rechte aufBGE 27 II 64ff. Diese Entscheidung betraf ein Garantieversprechen, das der Zedent von seinem Rechtsvorgänger erhalten hatte. Die ihm daraus erwachsene Forderung war - im Unterschied zu Pfand- und Retentionsrechten - kein Nebenrecht im Sinne von Art. 170 Abs. 1 OR. Es bedurfte daher einer besondern Abtretung dieser neben der garantierten Forderung ihrerseits. Die ausdrückliche Abtretung in diesem Sinne wurde aber als gültig anerkannt. Daraus könnte eher der Beklagte als die Klägerin etwas für sich herleiten. Indessen ist die Frage nach dem Übergang eines Retentionsrechtes, sei es von Gesetzes wegen nach Art. 170 Abs. 1 OR, sei es kraft ausdrücklicher Abtretungserklärung, wie sie hier auch vorliegt, nach der besondern Rechtsnatur des gesetzlichen Retentionsrechtes zu beurteilen.
Mit dessen Zweck, die Forderung ähnlich einem Pfandrechte zu sichern, verträgt sich nun der Übergang auf einen Zessionar der Forderung durchaus. Jedenfalls steht solchem Übergang nicht entgegen, dass die Sache "mit Willen des Schuldners" in den Besitz des Gläubigers gelangt sein muss. Einmal entstanden, ist das Retentionsrecht nicht mehr vom Willen des Schuldners abhängig. Hat dieser es aber zu dulden, dass die Sache vom Gläubiger zurückbehalten und gegebenenfalls wie ein Faustpfand verwertet werde (Art. 898 ZGB), so würde ihm ein unverdienter Vorteil erwachsen, wenn bei einer Abtretung der Forderung das Retentionsrecht dahinfallen müsste. Geht es auf den Zessionar über, so wird dadurch die Rechtsstellung des Schuldners nicht verschlechtert. Er ist einfach, wie zuvor gegenüber dem Zedenten, zur Erfüllung seiner Schuld verpflichtet und kann im übrigen die Verwertung der zurückbehaltenen Sache durch Leistung einer andern genügenden Sicherheit abwenden (vgl. die soeben erwähnte Bestimmung). Anderseits würde dem Zessionar, wenn er das Retentionsrecht nicht erwerben könnte, ein unter Umständen wichtiges Nebenrecht entgehen, und der Zedent wäre gehindert, über die Forderung mit vollem Nutzen durch Zession zu verfügen, wenn sie eben ohne das sichernde Nebenrecht nicht vollwertig wäre. Selbst Autoren, die sich gegen die Abtretbarkeit des Retentionsrechts aussprechen, geben zu, dass das Erfordernis eines mit Willen des Schuldners erlangten Besitzes des Zedenten dem Übergang dieses Nebenrechtes auf einen Zessionar nicht entgegenstehe (so WIELAND, a.a.O.). Derselbe Autor hält dann allerdings dafür, das Retentionsrecht solle im wesentlichen als Druckmittel gegen den Schuldner dienen, könne aber diesen Zweck nur in der Hand desjenigen erfüllen, "der zur Rückgabe verpflichtet ist", also des ursprünglichen Gläubigers. Das trifft jedoch nicht zu, denn das Retentionsrecht kann einem Zessionar in gleicher Weise dienlich sein (wie JACOB, Le droit de rétention, S. 133, zutreffend ausführt). Grundsätzlich geht somit das nichtkaufmännische Retentionsrecht auf einen Zessionar der Forderung über.
5. Besondere Verhältnisse, die eine Ausnahme zu begründen vermöchten, liegen nicht vor. Von einem Verzicht auf das Retentionsrecht, sei es durch den Zedenten vor der Zession, sei es durch den Zessionar, kann nicht die Rede sein. Ist dieses Recht dem Beklagten doch ausdrücklich mitabgetreten und damit jedem Zweifel in dieser Hinsicht vorgebeugt worden. Sodann war Bertrand nicht etwa kraft Vereinbarung mit seinem Schuldner Voisine oder nach der Natur des mit diesem eingegangenen Rechtsverhältnisses verpflichtet, die Sachen auf alle Fälle in eigener Obhut zu behalten und keinesfalls einem Dritten, und wäre es auch ein Zessionar seiner Forderungen, in Gewahrsam zu geben. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob ein derartiger dauernder Ausschluss Dritter vom unmittelbaren Besitz (bis zur allfälligen Verwertung der Sachen) auch einem Übergang des Retentionsrechtes selbst entgegenstünde (wie dies v. TUHR, a.a.O., Fussnote 17, für Auftragsverhältnisse annimmt, ohne jedoch die oben in Erw. 2 dargelegte Möglichkeit des Rechtsüberganges ohne Gewahrsamsänderung in Betracht zu ziehen).
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 27. April 1953 bestätigt. | de | Das in Art. 895 Abs. 1 ZGB vorgesehene Retentionsrecht gehört zu den Nebenrechten, die grundsätzlich auf den Zessionar der Forderung übergehen (Art. 170 Abs. 1 OR). Wie verhält es sich mit dem Retentionsrecht unter Kaufleuten nach Art. 895 Abs. 2 ZGB? Frage offen gelassen. | de | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-109%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
229 | 80 II 109 | Sachverhalt ab Seite 109
A.- Die in Oran (Algerien) domizilierte Klägerin PIMEA, Gesellschaft m.b.H., vertreibt technische Artikel, u.a. Traktoren, in Nordafrika. Sie wurde durch die Famag, A.-G. für Flugzeuge, Automobile und Motoren in Vaduz, mit Traktoren der Firma Fritz Bührer in Hinwil beliefert. Vertreter der Firmen Famag und Bührer für Nordafrika war Claude Voisine. Auch der Beklagte Kündig in Zürich, der ebenfalls technische Artikel exportiert, belieferte die Klägerin durch Vermittlung von Voisine.
B.- Im Jahre 1947 begann Voisine selbst, Raupentraktoren in der Schweiz, im Atelier mécanique von Ch. A. Bertrand in Genf, herzustellen. Finanzielle Mittel hiezu wurden ihm zunächst von der Famag zur Verfügung gestellt. Als diese in der Folge ausblieben, wandte sich Voisine an den Beklagten, und dieser eröffnete ihm am 23. März 1948 einen Kredit von Fr. 8000.-- für die Konstruktion zweier Prototypen. Dieser Betrag wurde als "premier plafond" gewährt und später erhöht. Der Beklagte sollte am Vertrieb der Traktoren mitarbeiten und am Reingewinn mit 25% beteiligt sein. (Vgl. "Aide Mémoire" vom 22. März 1948 und "Complément à l'aidemémoire" vom 23. September 1948). Für den Prototyp II verschaffte sich Voisine einen Motor der Etablissements Saurer SA in Suresnes (Frankreich) zum Preise von ffrs. 587'529.--. Es ist unklar und umstritten, woher er diesen Betrag erhalten hat und wer Eigentümer des Motors geworden ist. Nach der Darstellung des Beklagten hat die Klägerin das Eigentum nie erworben, vielmehr habe die Famag dem Voisine Fr. 7000.-- für diesen Ankauf gegeben, und dieser habe als Stellvertreter der Famag gekauft. Die Klägerin behauptet, sie sei durch Voisine vertreten gewesen, habe ihm das Geld zur Verfügung gestellt und das Eigentum am Motor am 30. Oktober 1948 erworben.
C.- Als die Konstruktionsarbeiten in der Werkstatt von Ch. A. Bertrand in Genf - wohin der Motor am 11. September 1948 geliefert worden war - sich verzögerten, weil Voisine sie nicht mehr finanzieren konnte, suchte der Beklagte sich gegen den Verlust seiner Vorschüsse zu sichern. In einer Besprechung vom 23. Dezember 1948 mit Voisine und einem Vertreter der Famag erreichte er, dass die weitere Überwachung der Konstruktion des Prototyps II ihm übertragen wurde. Zu diesem Zweck sollte das gesamte Material zu seiner Verfügung in die Fabrik E. Wirz, Uetikon (Zürich), verbracht werden. Der Beklagte bezahlte die bei Ch. A. Bertrand in Genf aufgelaufenen Rechnungen in der Höhe von Fr. 2864.60, um das Material auszulösen, und er liess sich von Voisine am 24./27. Dezember 1948 alle zum Prototyp II gehörenden Bestandteile verpfänden, "à l'exclusion de Moteur et radiateurs Saurer appartenant à PIMEA Oran". Von Bertrand erhielt er am 28. gl. Mts. dessen Forderungen gegen Voisine laut Rechnungen vom 31. August, 30. September und 24. November 1948 im Betrage von Fr. 5248.-- zediert, mit Einschluss des Retentionsrechts "pour l'ensemble du matériel avec moteur appartenant aux deux tracteurs à chenilles en construction". Der Saurer-Motor wurde am 7. Januar 1949 nach Uetikon geführt, die übrigen Bestandteile waren schon im Dezember 1948 dort eingetroffen.
Der Beklagte brachte in der Folge noch weitere Mittel für die Fortsetzung der Konstruktion des Prototyps II auf, stellte aber im Herbst 1949 die Arbeit ein, weil weder die Famag noch die Klägerin sich daran beteiligten. Die Klägerin verlangte von ihm die Herausgabe des Saurer-Motors, die er aber verweigerte.
D.- Mit Klageschrift vom 20. Juni 1952 verlangte die Klägerin, der Beklagte habe ihr das von der Firma Saurer in Suresnes bezogene Material (Motor, Kühler, Getriebe nebst Zubehör) sofort und unbeschwert herauszugeben. Sie machte geltend, sie sei Eigentümerin dieses Materials, und es bestünden inbezug auf dasselbe keinerlei rechtliche Verpflichtungen zwischen ihr und dem Beklagten. Ein Retentionsrecht könne der Beklagte ihr gegenüber nicht erworben haben, weil er beim Abschluss des Zessionsvertrages mit Voisine nicht gutgläubig habe annehmen können, dieser besitze ein dingliches Recht am Motor.
Der Beklagte bestritt das Eigentum der Klägerin an diesem Material und damit ihre Aktivlegitimation zur Forderung auf Herausgabe. Im weitern berief er sich auf sein Retentionsrecht. Er habe annehmen dürfen, Voisine sei entweder Eigentümer des Motors oder doch zu dinglicher Verfügung darüber berechtigt. Selbst wenn Voisine sich aber die Eigentümer-Funktion nur angemasst hätte, so habe die Klägerin die Besitzübertragung an den Beklagten nachträglich genehmigt, wenn sie ihn mit Schreiben vom 13. September 1949 aufforderte, die Konstruktionsarbeiten fortzusetzen. Auf jeden Fall aber habe er das Retentionsrecht durch die Zession von Bertrand erworben, der seinerseits zweifellos inbezug auf das Verfügungsrecht Voisines gutgläubig gewesen sei, habe er doch den Besitz am Motor zu einem Zeitpunkt erlangt, da die Klägerin nach ihrer eigenen Darstellung noch nicht Eigentümerin desselben gewesen sein konnte.
E.- Das Handelsgericht des Kantons Zürich liess in seinem Urteil vom 27. April 1953 offen, ob die Klägerin Eigentümerin des Motors sei. Es wies die Klage ab aus der Erwägung, der Beklagte sei auf jeden Fall zur Retention berechtigt. Zwar habe er ein selbständiges Retentionsrecht gegenüber der Klägerin nicht erworben; einerseits sei nicht erwiesen, dass er dieser gegenüber eine Forderung besitze, anderseits könne er nicht gutgläubig der Ansicht gewesen sein, sein Schuldner, Voisine, sei berechtigt, über den Motor dinglich zu verfügen. Jedoch besitze er ein abgeleitetes, d.h. durch Zession von Bertrand auf ihn übergangenes Retentionsrecht. Denn nach den Akten könne nicht zweifelhaft sein, dass Bertrand seinerseits den Voisine, als dieser ihm den Besitz am Motor verschaffte, nicht als Stellvertreter der Klägerin habe betrachten können. Vielmehr habe er annehmen müssen, Voisine handle kraft eigener Verfügungsmacht. Das demnach Bertrand zustehende Retentionsrecht sei nun aber mit dessen Forderung infolge der Zession auf den Beklagten übertragen worden, ohne Rücksicht darauf, ob bei diesem die persönlichen Voraussetzungen für einen direkten Erwerb dieses Rechtes gegenüber der Klägerin vorgelegen hätten. Die in der Literatur umstrittene Frage, ob das auf Art. 895 ff. ZGB gestützte Retentionsrecht zu den nach Art. 170 Abs. 1 OR mit der Forderungszession übergehenden Vorzugs- und Nebenrechten gehöre, müsse richtigerweise bejaht werden.
F.- Mit der vorliegenden Berufung beharrt die Klägerin auf ihrem Antrag auf Gutheissung der Klage. Der Beklagte trägt auf deren Abweisung an; eventualiter verlangt er Rückweisung der Sache an die Vorinstanz.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Nach den unbestrittenen Feststellungen des Handelsgerichtes hat der Zedent Bertrand am 11. September 1948, als er das streitige Material aus Frankreich erhielt, daran für seine Forderungen an Voisine ein Retentionsrecht erworben. Die Voraussetzungen dieses Rechtes waren schon vor Handelsgericht unbestritten mit Ausnahme der Gutgläubigkeit Bertrands. Diese ist jedoch im angefochtenen Urteil wenigstens für diejenigen Forderungen bejaht, die Bertrand beim Besitzerwerb, also am 11. September 1948, gegen Voisine bereits zustanden, laut Rechnungen vom 31. August 1948. Die Klägerin lässt dies nunmehr auch gelten. Über die Abtretung der soeben erwähnten und späterer Forderungen samt dem Retentionsrecht liegt eine schriftliche Zessionserklärung vom 28. Dezember 1948 vor. Umstritten ist aber, ob das Retentionsrecht auf den Beklagten gültig übergegangen sei, von Gesetzes wegen oder kraft der dahingehenden Erklärung des Zedenten.
2. Die Klägerin hält den Übergang eines Retentionsrechtes auf einen Zessionar der Forderung schon begrifflich für ausgeschlossen. Denn dieses Recht hange vom Besitz ab und könne daher nicht durch blosse Verpflichtung verändert werden. Erhalte aber ein neuer Gläubiger den Besitz, so erwerbe er nicht das Retentionsrecht, wie es dem Vorbesitzer zustand, sondern nur allenfalls ein neues Retentionsrecht. Beim Beklagten sei dies jedoch wegen seines bösen Glaubens nicht möglich gewesen. Übrigens sei ihm der Motor erst einige Tage nach der Zession, und zwar nicht unmittelbar, sondern durch einen Spediteur, geliefert worden und daher ein Übergang des Retentionsrechtes Bertrands auf ihn vollends ausgeschlossen.
Indessen lässt sich ebenso wie beim Faustpfandrecht auch beim Retentionsrecht die gesetzliche Fiktion des Überganges (cessio legis) anwenden. Danach geht das Recht mit der Forderung von Gesetzes wegen über. Den Besitz übt der Zedent (oder ein für ihn besitzender Dritter) vom Zeitpunkt der Zession an für den Zessionar aus, der alsdann auf Grund des bereits erworbenen Rechtes grundsätzlich die tatsächliche Besitzübergabe verlangen kann (vgl. OFTINGER, N. 162 zu Art. 884 ZGB für das Faustpfandrecht und N. 168 zu Art. 895 ZGB für das Retentionsrecht; ebenso LEEMANN, N. 69 zu Art. 895 ZGB). So muss es sich auch bei ausdrücklicher Mitabtretung verhalten. Ob sie wirksam sei, hängt nur davon ab, ob die materiellrechtlichen Voraussetzungen des Überganges erfüllt sind.
3. Nach Art. 170 Abs. 1 OR gehen die Nebenrechte ohne weiteres auf den Zessionar über, mit Ausnahme derer, die untrennbar mit der Person des Abtretenden verknüpft sind. Darüber, wie es sich in dieser Hinsicht mit dem Retentionsrecht gemäss Art. 895 ff. ZGB verhält, sind die Lehrmeinungen geteilt. Zwar ist es herrschende Ansicht geworden, dass das besondere Retentionsrecht des Vermieters und Verpächters (Art. 272 ff. und 286 Abs. 3 OR) mit der Miet- oder Pachtzinsforderung auf einen Zessionar übergehe (vgl. GUHL, Schweizerisches Obligationenrecht, 4. Auflage, 194; v. TUHR, Allg. Teil des schweizerischen OR § 95 I 1, a). Dagegen bejaht nur ein Teil der Autoren den Übergang auch für das allgemeine Retentionsrecht nach ZGB (das sog. bürgerliche nach Art. 895 Abs. 1 und das sog. kaufmännische nach Abs. 2 daselbst), so OFTINGER (N. 167 zu Art. 895 ZGB) und LEEMANN (N. 69 dazu). Andere lassen zwar das bürgerliche, nicht aber das kaufmännische Retentionsrecht übergehen, oder sie begnügen sich damit, den Übergang des kaufmännischen Retentionsrechtes zu verneinen, ohne zum Schicksal des bürgerlichen Retentionsrechtes bei Abtretung der Forderung Stellung zu nehmen (so BECKER, N. 2 und 5 zu Art. 170 OR). Daneben gibt es Gegner jeglichen Überganges des Retentionsrechtes, ausser demjenigen von Vermietern und Verpächtern (so v. TUHR, a.a.O.; OSER-SCHÖNENBERGER, N. 4 und 8 zu Art. 170 OR; WIELAND, N. 2, c zu Art. 895 ZGB; GEIGER, Begriff und Arten der Konnexität im Retentionsrecht 57 ff.; RENE DES GOUTTES, Abtretung von Forderungen, Schweizerische Juristische Karthothek 704 IV 17, b'bb).
Im vorliegenden Falle braucht nur das bürgerliche Retentionsrecht des Art. 895 Abs. 1 ZGB ins Auge gefasst zu werden. Denn ein solches stand dem Zedenten Bertrand zu. Allerdings konnten sich die Arbeiten, für die er dem Voisine am 31. August 1948 Rechnung stellte, nicht auf das streitige Material beziehen, das erst am 11. September 1948 in die Werkstätte Bertrands gelangte. Allein der Einbau dieses Materials gehörte zu den gesamten von Bertrand im Auftrag Voisines an den zwei Prototypen auszuführenden Konstruktionsarbeiten. Diese sind allesamt mit den dafür bestehenden Forderungen und dem diese sichernden Retentionsrecht als Einheit zu betrachten (vgl. BGE 71 II 86).
Nun mochten zwar ausserdem die Voraussetzungen eines kaufmännischen Retentionsrechtes gegeben sein. Daraus könnte allenfalls ein Einwand gegenüber dem Beklagten hergeleitet werden, wenn Bertrand dieses Retentionsrecht noch für andere als die ihm abgetretenen Forderungen in Anspruch nähme. Allein er hat ihm ja seine Retentionsrechte für das gesamte Material abgetreten und damit eindeutig auf irgendwelche ihm selbst allenfalls verbliebene Retentionsrechte an diesen Sachen verzichtet.
4. Es besteht kein zureichender Grund, das nichtkaufmännische Retentionsrecht, wie es zugunsten jedermanns entstehen kann, als "mit der Person des Abtretenden untrennbar verknüpft" zu betrachten. Mit Unrecht berufen sich einige Gegner der Abtretbarkeit solcher Rechte aufBGE 27 II 64ff. Diese Entscheidung betraf ein Garantieversprechen, das der Zedent von seinem Rechtsvorgänger erhalten hatte. Die ihm daraus erwachsene Forderung war - im Unterschied zu Pfand- und Retentionsrechten - kein Nebenrecht im Sinne von Art. 170 Abs. 1 OR. Es bedurfte daher einer besondern Abtretung dieser neben der garantierten Forderung ihrerseits. Die ausdrückliche Abtretung in diesem Sinne wurde aber als gültig anerkannt. Daraus könnte eher der Beklagte als die Klägerin etwas für sich herleiten. Indessen ist die Frage nach dem Übergang eines Retentionsrechtes, sei es von Gesetzes wegen nach Art. 170 Abs. 1 OR, sei es kraft ausdrücklicher Abtretungserklärung, wie sie hier auch vorliegt, nach der besondern Rechtsnatur des gesetzlichen Retentionsrechtes zu beurteilen.
Mit dessen Zweck, die Forderung ähnlich einem Pfandrechte zu sichern, verträgt sich nun der Übergang auf einen Zessionar der Forderung durchaus. Jedenfalls steht solchem Übergang nicht entgegen, dass die Sache "mit Willen des Schuldners" in den Besitz des Gläubigers gelangt sein muss. Einmal entstanden, ist das Retentionsrecht nicht mehr vom Willen des Schuldners abhängig. Hat dieser es aber zu dulden, dass die Sache vom Gläubiger zurückbehalten und gegebenenfalls wie ein Faustpfand verwertet werde (Art. 898 ZGB), so würde ihm ein unverdienter Vorteil erwachsen, wenn bei einer Abtretung der Forderung das Retentionsrecht dahinfallen müsste. Geht es auf den Zessionar über, so wird dadurch die Rechtsstellung des Schuldners nicht verschlechtert. Er ist einfach, wie zuvor gegenüber dem Zedenten, zur Erfüllung seiner Schuld verpflichtet und kann im übrigen die Verwertung der zurückbehaltenen Sache durch Leistung einer andern genügenden Sicherheit abwenden (vgl. die soeben erwähnte Bestimmung). Anderseits würde dem Zessionar, wenn er das Retentionsrecht nicht erwerben könnte, ein unter Umständen wichtiges Nebenrecht entgehen, und der Zedent wäre gehindert, über die Forderung mit vollem Nutzen durch Zession zu verfügen, wenn sie eben ohne das sichernde Nebenrecht nicht vollwertig wäre. Selbst Autoren, die sich gegen die Abtretbarkeit des Retentionsrechts aussprechen, geben zu, dass das Erfordernis eines mit Willen des Schuldners erlangten Besitzes des Zedenten dem Übergang dieses Nebenrechtes auf einen Zessionar nicht entgegenstehe (so WIELAND, a.a.O.). Derselbe Autor hält dann allerdings dafür, das Retentionsrecht solle im wesentlichen als Druckmittel gegen den Schuldner dienen, könne aber diesen Zweck nur in der Hand desjenigen erfüllen, "der zur Rückgabe verpflichtet ist", also des ursprünglichen Gläubigers. Das trifft jedoch nicht zu, denn das Retentionsrecht kann einem Zessionar in gleicher Weise dienlich sein (wie JACOB, Le droit de rétention, S. 133, zutreffend ausführt). Grundsätzlich geht somit das nichtkaufmännische Retentionsrecht auf einen Zessionar der Forderung über.
5. Besondere Verhältnisse, die eine Ausnahme zu begründen vermöchten, liegen nicht vor. Von einem Verzicht auf das Retentionsrecht, sei es durch den Zedenten vor der Zession, sei es durch den Zessionar, kann nicht die Rede sein. Ist dieses Recht dem Beklagten doch ausdrücklich mitabgetreten und damit jedem Zweifel in dieser Hinsicht vorgebeugt worden. Sodann war Bertrand nicht etwa kraft Vereinbarung mit seinem Schuldner Voisine oder nach der Natur des mit diesem eingegangenen Rechtsverhältnisses verpflichtet, die Sachen auf alle Fälle in eigener Obhut zu behalten und keinesfalls einem Dritten, und wäre es auch ein Zessionar seiner Forderungen, in Gewahrsam zu geben. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob ein derartiger dauernder Ausschluss Dritter vom unmittelbaren Besitz (bis zur allfälligen Verwertung der Sachen) auch einem Übergang des Retentionsrechtes selbst entgegenstünde (wie dies v. TUHR, a.a.O., Fussnote 17, für Auftragsverhältnisse annimmt, ohne jedoch die oben in Erw. 2 dargelegte Möglichkeit des Rechtsüberganges ohne Gewahrsamsänderung in Betracht zu ziehen).
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 27. April 1953 bestätigt. | de | Le droit de rétention visé à l'art. 895 al. 1 CC fait partie des droits accessoires qui en principe passent au cessionnaire de la créance selon l'art. 170 al. 1 CO. Qu'en est-il du droit de rétention existant entre commerçants selon l'art. 895 al. 2 CC? Question laissée indécise. | fr | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-109%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
230 | 80 II 109 | Sachverhalt ab Seite 109
A.- Die in Oran (Algerien) domizilierte Klägerin PIMEA, Gesellschaft m.b.H., vertreibt technische Artikel, u.a. Traktoren, in Nordafrika. Sie wurde durch die Famag, A.-G. für Flugzeuge, Automobile und Motoren in Vaduz, mit Traktoren der Firma Fritz Bührer in Hinwil beliefert. Vertreter der Firmen Famag und Bührer für Nordafrika war Claude Voisine. Auch der Beklagte Kündig in Zürich, der ebenfalls technische Artikel exportiert, belieferte die Klägerin durch Vermittlung von Voisine.
B.- Im Jahre 1947 begann Voisine selbst, Raupentraktoren in der Schweiz, im Atelier mécanique von Ch. A. Bertrand in Genf, herzustellen. Finanzielle Mittel hiezu wurden ihm zunächst von der Famag zur Verfügung gestellt. Als diese in der Folge ausblieben, wandte sich Voisine an den Beklagten, und dieser eröffnete ihm am 23. März 1948 einen Kredit von Fr. 8000.-- für die Konstruktion zweier Prototypen. Dieser Betrag wurde als "premier plafond" gewährt und später erhöht. Der Beklagte sollte am Vertrieb der Traktoren mitarbeiten und am Reingewinn mit 25% beteiligt sein. (Vgl. "Aide Mémoire" vom 22. März 1948 und "Complément à l'aidemémoire" vom 23. September 1948). Für den Prototyp II verschaffte sich Voisine einen Motor der Etablissements Saurer SA in Suresnes (Frankreich) zum Preise von ffrs. 587'529.--. Es ist unklar und umstritten, woher er diesen Betrag erhalten hat und wer Eigentümer des Motors geworden ist. Nach der Darstellung des Beklagten hat die Klägerin das Eigentum nie erworben, vielmehr habe die Famag dem Voisine Fr. 7000.-- für diesen Ankauf gegeben, und dieser habe als Stellvertreter der Famag gekauft. Die Klägerin behauptet, sie sei durch Voisine vertreten gewesen, habe ihm das Geld zur Verfügung gestellt und das Eigentum am Motor am 30. Oktober 1948 erworben.
C.- Als die Konstruktionsarbeiten in der Werkstatt von Ch. A. Bertrand in Genf - wohin der Motor am 11. September 1948 geliefert worden war - sich verzögerten, weil Voisine sie nicht mehr finanzieren konnte, suchte der Beklagte sich gegen den Verlust seiner Vorschüsse zu sichern. In einer Besprechung vom 23. Dezember 1948 mit Voisine und einem Vertreter der Famag erreichte er, dass die weitere Überwachung der Konstruktion des Prototyps II ihm übertragen wurde. Zu diesem Zweck sollte das gesamte Material zu seiner Verfügung in die Fabrik E. Wirz, Uetikon (Zürich), verbracht werden. Der Beklagte bezahlte die bei Ch. A. Bertrand in Genf aufgelaufenen Rechnungen in der Höhe von Fr. 2864.60, um das Material auszulösen, und er liess sich von Voisine am 24./27. Dezember 1948 alle zum Prototyp II gehörenden Bestandteile verpfänden, "à l'exclusion de Moteur et radiateurs Saurer appartenant à PIMEA Oran". Von Bertrand erhielt er am 28. gl. Mts. dessen Forderungen gegen Voisine laut Rechnungen vom 31. August, 30. September und 24. November 1948 im Betrage von Fr. 5248.-- zediert, mit Einschluss des Retentionsrechts "pour l'ensemble du matériel avec moteur appartenant aux deux tracteurs à chenilles en construction". Der Saurer-Motor wurde am 7. Januar 1949 nach Uetikon geführt, die übrigen Bestandteile waren schon im Dezember 1948 dort eingetroffen.
Der Beklagte brachte in der Folge noch weitere Mittel für die Fortsetzung der Konstruktion des Prototyps II auf, stellte aber im Herbst 1949 die Arbeit ein, weil weder die Famag noch die Klägerin sich daran beteiligten. Die Klägerin verlangte von ihm die Herausgabe des Saurer-Motors, die er aber verweigerte.
D.- Mit Klageschrift vom 20. Juni 1952 verlangte die Klägerin, der Beklagte habe ihr das von der Firma Saurer in Suresnes bezogene Material (Motor, Kühler, Getriebe nebst Zubehör) sofort und unbeschwert herauszugeben. Sie machte geltend, sie sei Eigentümerin dieses Materials, und es bestünden inbezug auf dasselbe keinerlei rechtliche Verpflichtungen zwischen ihr und dem Beklagten. Ein Retentionsrecht könne der Beklagte ihr gegenüber nicht erworben haben, weil er beim Abschluss des Zessionsvertrages mit Voisine nicht gutgläubig habe annehmen können, dieser besitze ein dingliches Recht am Motor.
Der Beklagte bestritt das Eigentum der Klägerin an diesem Material und damit ihre Aktivlegitimation zur Forderung auf Herausgabe. Im weitern berief er sich auf sein Retentionsrecht. Er habe annehmen dürfen, Voisine sei entweder Eigentümer des Motors oder doch zu dinglicher Verfügung darüber berechtigt. Selbst wenn Voisine sich aber die Eigentümer-Funktion nur angemasst hätte, so habe die Klägerin die Besitzübertragung an den Beklagten nachträglich genehmigt, wenn sie ihn mit Schreiben vom 13. September 1949 aufforderte, die Konstruktionsarbeiten fortzusetzen. Auf jeden Fall aber habe er das Retentionsrecht durch die Zession von Bertrand erworben, der seinerseits zweifellos inbezug auf das Verfügungsrecht Voisines gutgläubig gewesen sei, habe er doch den Besitz am Motor zu einem Zeitpunkt erlangt, da die Klägerin nach ihrer eigenen Darstellung noch nicht Eigentümerin desselben gewesen sein konnte.
E.- Das Handelsgericht des Kantons Zürich liess in seinem Urteil vom 27. April 1953 offen, ob die Klägerin Eigentümerin des Motors sei. Es wies die Klage ab aus der Erwägung, der Beklagte sei auf jeden Fall zur Retention berechtigt. Zwar habe er ein selbständiges Retentionsrecht gegenüber der Klägerin nicht erworben; einerseits sei nicht erwiesen, dass er dieser gegenüber eine Forderung besitze, anderseits könne er nicht gutgläubig der Ansicht gewesen sein, sein Schuldner, Voisine, sei berechtigt, über den Motor dinglich zu verfügen. Jedoch besitze er ein abgeleitetes, d.h. durch Zession von Bertrand auf ihn übergangenes Retentionsrecht. Denn nach den Akten könne nicht zweifelhaft sein, dass Bertrand seinerseits den Voisine, als dieser ihm den Besitz am Motor verschaffte, nicht als Stellvertreter der Klägerin habe betrachten können. Vielmehr habe er annehmen müssen, Voisine handle kraft eigener Verfügungsmacht. Das demnach Bertrand zustehende Retentionsrecht sei nun aber mit dessen Forderung infolge der Zession auf den Beklagten übertragen worden, ohne Rücksicht darauf, ob bei diesem die persönlichen Voraussetzungen für einen direkten Erwerb dieses Rechtes gegenüber der Klägerin vorgelegen hätten. Die in der Literatur umstrittene Frage, ob das auf Art. 895 ff. ZGB gestützte Retentionsrecht zu den nach Art. 170 Abs. 1 OR mit der Forderungszession übergehenden Vorzugs- und Nebenrechten gehöre, müsse richtigerweise bejaht werden.
F.- Mit der vorliegenden Berufung beharrt die Klägerin auf ihrem Antrag auf Gutheissung der Klage. Der Beklagte trägt auf deren Abweisung an; eventualiter verlangt er Rückweisung der Sache an die Vorinstanz.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Nach den unbestrittenen Feststellungen des Handelsgerichtes hat der Zedent Bertrand am 11. September 1948, als er das streitige Material aus Frankreich erhielt, daran für seine Forderungen an Voisine ein Retentionsrecht erworben. Die Voraussetzungen dieses Rechtes waren schon vor Handelsgericht unbestritten mit Ausnahme der Gutgläubigkeit Bertrands. Diese ist jedoch im angefochtenen Urteil wenigstens für diejenigen Forderungen bejaht, die Bertrand beim Besitzerwerb, also am 11. September 1948, gegen Voisine bereits zustanden, laut Rechnungen vom 31. August 1948. Die Klägerin lässt dies nunmehr auch gelten. Über die Abtretung der soeben erwähnten und späterer Forderungen samt dem Retentionsrecht liegt eine schriftliche Zessionserklärung vom 28. Dezember 1948 vor. Umstritten ist aber, ob das Retentionsrecht auf den Beklagten gültig übergegangen sei, von Gesetzes wegen oder kraft der dahingehenden Erklärung des Zedenten.
2. Die Klägerin hält den Übergang eines Retentionsrechtes auf einen Zessionar der Forderung schon begrifflich für ausgeschlossen. Denn dieses Recht hange vom Besitz ab und könne daher nicht durch blosse Verpflichtung verändert werden. Erhalte aber ein neuer Gläubiger den Besitz, so erwerbe er nicht das Retentionsrecht, wie es dem Vorbesitzer zustand, sondern nur allenfalls ein neues Retentionsrecht. Beim Beklagten sei dies jedoch wegen seines bösen Glaubens nicht möglich gewesen. Übrigens sei ihm der Motor erst einige Tage nach der Zession, und zwar nicht unmittelbar, sondern durch einen Spediteur, geliefert worden und daher ein Übergang des Retentionsrechtes Bertrands auf ihn vollends ausgeschlossen.
Indessen lässt sich ebenso wie beim Faustpfandrecht auch beim Retentionsrecht die gesetzliche Fiktion des Überganges (cessio legis) anwenden. Danach geht das Recht mit der Forderung von Gesetzes wegen über. Den Besitz übt der Zedent (oder ein für ihn besitzender Dritter) vom Zeitpunkt der Zession an für den Zessionar aus, der alsdann auf Grund des bereits erworbenen Rechtes grundsätzlich die tatsächliche Besitzübergabe verlangen kann (vgl. OFTINGER, N. 162 zu Art. 884 ZGB für das Faustpfandrecht und N. 168 zu Art. 895 ZGB für das Retentionsrecht; ebenso LEEMANN, N. 69 zu Art. 895 ZGB). So muss es sich auch bei ausdrücklicher Mitabtretung verhalten. Ob sie wirksam sei, hängt nur davon ab, ob die materiellrechtlichen Voraussetzungen des Überganges erfüllt sind.
3. Nach Art. 170 Abs. 1 OR gehen die Nebenrechte ohne weiteres auf den Zessionar über, mit Ausnahme derer, die untrennbar mit der Person des Abtretenden verknüpft sind. Darüber, wie es sich in dieser Hinsicht mit dem Retentionsrecht gemäss Art. 895 ff. ZGB verhält, sind die Lehrmeinungen geteilt. Zwar ist es herrschende Ansicht geworden, dass das besondere Retentionsrecht des Vermieters und Verpächters (Art. 272 ff. und 286 Abs. 3 OR) mit der Miet- oder Pachtzinsforderung auf einen Zessionar übergehe (vgl. GUHL, Schweizerisches Obligationenrecht, 4. Auflage, 194; v. TUHR, Allg. Teil des schweizerischen OR § 95 I 1, a). Dagegen bejaht nur ein Teil der Autoren den Übergang auch für das allgemeine Retentionsrecht nach ZGB (das sog. bürgerliche nach Art. 895 Abs. 1 und das sog. kaufmännische nach Abs. 2 daselbst), so OFTINGER (N. 167 zu Art. 895 ZGB) und LEEMANN (N. 69 dazu). Andere lassen zwar das bürgerliche, nicht aber das kaufmännische Retentionsrecht übergehen, oder sie begnügen sich damit, den Übergang des kaufmännischen Retentionsrechtes zu verneinen, ohne zum Schicksal des bürgerlichen Retentionsrechtes bei Abtretung der Forderung Stellung zu nehmen (so BECKER, N. 2 und 5 zu Art. 170 OR). Daneben gibt es Gegner jeglichen Überganges des Retentionsrechtes, ausser demjenigen von Vermietern und Verpächtern (so v. TUHR, a.a.O.; OSER-SCHÖNENBERGER, N. 4 und 8 zu Art. 170 OR; WIELAND, N. 2, c zu Art. 895 ZGB; GEIGER, Begriff und Arten der Konnexität im Retentionsrecht 57 ff.; RENE DES GOUTTES, Abtretung von Forderungen, Schweizerische Juristische Karthothek 704 IV 17, b'bb).
Im vorliegenden Falle braucht nur das bürgerliche Retentionsrecht des Art. 895 Abs. 1 ZGB ins Auge gefasst zu werden. Denn ein solches stand dem Zedenten Bertrand zu. Allerdings konnten sich die Arbeiten, für die er dem Voisine am 31. August 1948 Rechnung stellte, nicht auf das streitige Material beziehen, das erst am 11. September 1948 in die Werkstätte Bertrands gelangte. Allein der Einbau dieses Materials gehörte zu den gesamten von Bertrand im Auftrag Voisines an den zwei Prototypen auszuführenden Konstruktionsarbeiten. Diese sind allesamt mit den dafür bestehenden Forderungen und dem diese sichernden Retentionsrecht als Einheit zu betrachten (vgl. BGE 71 II 86).
Nun mochten zwar ausserdem die Voraussetzungen eines kaufmännischen Retentionsrechtes gegeben sein. Daraus könnte allenfalls ein Einwand gegenüber dem Beklagten hergeleitet werden, wenn Bertrand dieses Retentionsrecht noch für andere als die ihm abgetretenen Forderungen in Anspruch nähme. Allein er hat ihm ja seine Retentionsrechte für das gesamte Material abgetreten und damit eindeutig auf irgendwelche ihm selbst allenfalls verbliebene Retentionsrechte an diesen Sachen verzichtet.
4. Es besteht kein zureichender Grund, das nichtkaufmännische Retentionsrecht, wie es zugunsten jedermanns entstehen kann, als "mit der Person des Abtretenden untrennbar verknüpft" zu betrachten. Mit Unrecht berufen sich einige Gegner der Abtretbarkeit solcher Rechte aufBGE 27 II 64ff. Diese Entscheidung betraf ein Garantieversprechen, das der Zedent von seinem Rechtsvorgänger erhalten hatte. Die ihm daraus erwachsene Forderung war - im Unterschied zu Pfand- und Retentionsrechten - kein Nebenrecht im Sinne von Art. 170 Abs. 1 OR. Es bedurfte daher einer besondern Abtretung dieser neben der garantierten Forderung ihrerseits. Die ausdrückliche Abtretung in diesem Sinne wurde aber als gültig anerkannt. Daraus könnte eher der Beklagte als die Klägerin etwas für sich herleiten. Indessen ist die Frage nach dem Übergang eines Retentionsrechtes, sei es von Gesetzes wegen nach Art. 170 Abs. 1 OR, sei es kraft ausdrücklicher Abtretungserklärung, wie sie hier auch vorliegt, nach der besondern Rechtsnatur des gesetzlichen Retentionsrechtes zu beurteilen.
Mit dessen Zweck, die Forderung ähnlich einem Pfandrechte zu sichern, verträgt sich nun der Übergang auf einen Zessionar der Forderung durchaus. Jedenfalls steht solchem Übergang nicht entgegen, dass die Sache "mit Willen des Schuldners" in den Besitz des Gläubigers gelangt sein muss. Einmal entstanden, ist das Retentionsrecht nicht mehr vom Willen des Schuldners abhängig. Hat dieser es aber zu dulden, dass die Sache vom Gläubiger zurückbehalten und gegebenenfalls wie ein Faustpfand verwertet werde (Art. 898 ZGB), so würde ihm ein unverdienter Vorteil erwachsen, wenn bei einer Abtretung der Forderung das Retentionsrecht dahinfallen müsste. Geht es auf den Zessionar über, so wird dadurch die Rechtsstellung des Schuldners nicht verschlechtert. Er ist einfach, wie zuvor gegenüber dem Zedenten, zur Erfüllung seiner Schuld verpflichtet und kann im übrigen die Verwertung der zurückbehaltenen Sache durch Leistung einer andern genügenden Sicherheit abwenden (vgl. die soeben erwähnte Bestimmung). Anderseits würde dem Zessionar, wenn er das Retentionsrecht nicht erwerben könnte, ein unter Umständen wichtiges Nebenrecht entgehen, und der Zedent wäre gehindert, über die Forderung mit vollem Nutzen durch Zession zu verfügen, wenn sie eben ohne das sichernde Nebenrecht nicht vollwertig wäre. Selbst Autoren, die sich gegen die Abtretbarkeit des Retentionsrechts aussprechen, geben zu, dass das Erfordernis eines mit Willen des Schuldners erlangten Besitzes des Zedenten dem Übergang dieses Nebenrechtes auf einen Zessionar nicht entgegenstehe (so WIELAND, a.a.O.). Derselbe Autor hält dann allerdings dafür, das Retentionsrecht solle im wesentlichen als Druckmittel gegen den Schuldner dienen, könne aber diesen Zweck nur in der Hand desjenigen erfüllen, "der zur Rückgabe verpflichtet ist", also des ursprünglichen Gläubigers. Das trifft jedoch nicht zu, denn das Retentionsrecht kann einem Zessionar in gleicher Weise dienlich sein (wie JACOB, Le droit de rétention, S. 133, zutreffend ausführt). Grundsätzlich geht somit das nichtkaufmännische Retentionsrecht auf einen Zessionar der Forderung über.
5. Besondere Verhältnisse, die eine Ausnahme zu begründen vermöchten, liegen nicht vor. Von einem Verzicht auf das Retentionsrecht, sei es durch den Zedenten vor der Zession, sei es durch den Zessionar, kann nicht die Rede sein. Ist dieses Recht dem Beklagten doch ausdrücklich mitabgetreten und damit jedem Zweifel in dieser Hinsicht vorgebeugt worden. Sodann war Bertrand nicht etwa kraft Vereinbarung mit seinem Schuldner Voisine oder nach der Natur des mit diesem eingegangenen Rechtsverhältnisses verpflichtet, die Sachen auf alle Fälle in eigener Obhut zu behalten und keinesfalls einem Dritten, und wäre es auch ein Zessionar seiner Forderungen, in Gewahrsam zu geben. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob ein derartiger dauernder Ausschluss Dritter vom unmittelbaren Besitz (bis zur allfälligen Verwertung der Sachen) auch einem Übergang des Retentionsrechtes selbst entgegenstünde (wie dies v. TUHR, a.a.O., Fussnote 17, für Auftragsverhältnisse annimmt, ohne jedoch die oben in Erw. 2 dargelegte Möglichkeit des Rechtsüberganges ohne Gewahrsamsänderung in Betracht zu ziehen).
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 27. April 1953 bestätigt. | de | Il diritto di ritenzione previsto dall'art. 895 cp. 1 CC fa parte de i diritti accessori che in massima passano al cessionario del credito (art. 170 cp. 1 CO). Quid per il diritto di ritenzione fra commercianti di cui all'art. 895 cp. 2 CC? Questione lasciata indecisa. | it | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-109%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
231 | 80 II 118 | Sachverhalt ab Seite 118
A.- Il 20 giugno 1947, Pietro Giumini, Graziano Mancini e Plinio Zanolini costituivano la Società immobiliare La Salina S. A., con sede a Muralto. Per il primo periodo statutario di tre anni erano nominati amministratori i tre azionisti fondatori; Graziano Mancini era designato presidente del consiglio d'amministrazione.
A motivo di dissensi sorti durante l'amministrazione tra il presidente e gli altri due membri del consiglio, questi convocavano un'assemblea generale straordinaria degli azionisti. Nell'avviso di convocazione, pubblicato sul Foglio ufficiale svizzero di commercio e sul Foglio ufficiale del Cantone Ticino, figurava quale prima trattanda la "Revoca d'un amministratore e nomina del nuovo presidente del consiglio d'amministrazione della società". L'assemblea, tenutasi a Locarno il 31 gennaio 1950, deliberava la revoca di Graziano Mancini dalla carica di amministratore e designava Pietro Giumini presidente del consiglio d'amministrazione.
B.- Con petizione 31 marzo 1950 Mancini conveniva la Salina S. A. davanti al Pretore di Locarno proponendo a giudicare:
"1. Le deliberazioni dell'assemblea generale straordinaria 31 gennaio 1950 della Società immobiliare La Salina SA, Muralto. sono annullate.
Sub. - La deliberazione circa la revoca, trattanda 1, è cassata.
2. Comunicazione e pubblicazione sugli organi di pubblicazione sociali.
3. Spese tutte giudiziarie e ripetibili a carico solidale di Pietro Giumini e Plinio Zanolini."
L'attore motivava queste conclusioni adducendo che la deliberazione sociale era contraria alla legge e allo statuto, poichè non esisteva un motivo che giustificasse la sua revoca dalla carica di amministratore prima della scadenza del termine statutario.
La convenuta concludeva pel rigetto della petizione.
C.- Statuendo in data 29 luglio 1952, il Pretore accoglieva la petizione nel senso che, accertata la validità della deliberazione assembleare 31 gennaio 1950, dichiarava ingiustificata ed arbitraria la revoca dell'amministratore Mancini. Pel rimanente le domande dell'attore erano respinte. Dopo di aver costatato che le giustificazioni date dalla società per la revoca dell'attore non erano fondate, il primo giudice concludeva osservando che l'amministratore revocato aveva bensì diritto all'azione di risarcimento e, con o prima di essa, all'accertamento giudiziale dell'arbitrarietà della decisione di revoca, ma non all'azione di contestazione della deliberazione assembleare ai sensi dell'art. 706 CO, perchè la deliberazione non era contraria alla legge o allo statuto.
Da questa sentenza si appellavano, in via principale, la Salina S. A. e, adesivamente, Graziano Mancini.
Con sentenza 23 novembre 1953 la Camera civile del Tribunale d'appello confermava il giudizio querelato essenzialmente per i seguenti motivi:
La trasformazione d'una domanda di contestazione d'una deliberazione assembleare in una domanda di accertamento non sottoposta all'esame del giudice è ammissibile. Il diritto privato federale (art. 705 CO) non potrebbe fare a meno dell'azione di mero accertamento in quanto ricorra il presupposto dell'interesse. È bensì vero che il periodo di nomina era da tempo scaduto, ma altrettanto vero è che l'attore aveva e ha un interesse giuridico a far accertare che la revoca era ingiustificata. Anche l'appello adesivo dev'essere respinto, poichè la deliberazione impugnata non contrasta nè con la legge, nè con lo statuto.
D.- Tempestivamente la Salina S. A. ha interposto un ricorso per riforma al Tribunale federale, chiedendo l'annullamento della sentenza cantonale e il rigetto della petizione. La ricorrente fa valere che l'attore non ha un interesse giuridico a far dichiarare arbitraria la deliberazione assembleare e che l'ammissibilità dell'azione di risarcimento rende improponibile quella di mero accertamento.
Mancini, aderendo al ricorso, ha chiesto che, confermata la sentenza cantonale, sia pubblicata la pronuncia dichiarativa del Pretore (dispositivo I della sentenza 29 luglio 1952), a spese della convenuta, sugli organi di pubblicazione sociale.
Erwägungen
Considerando in diritto:
1. L'art. 705 cp. 1 CO conferisce all'assemblea generale della società anonima la facoltà di revocare gli amministratori da essa nominati. L'amministratore può essere rimosso dalla sua carica in ogni tempo e per qualunque motivo (RU 25 II 346). Questa libertà di revoca si comprende per il rapporto di fiducia che si stabilisce fra gli azionisti e l'amministratore, fiducia che può cessare per qualsiasi causa, sia pure imponderabile. All'amministratore revocato rimane però riservata l'azione di risarcimento (art. 705 cp. 2 CO).
La revoca dell'amministratore è pertanto valida, anche se l'assemblea generale non sia in grado di provare un motivo grave a sostegno della revoca stessa. Ai fini dell'applicazione dell'art. 705 cp. 1 CO basta dunque costatare la regolarità con la quale l'assemblea generale si è riunita e ha deliberato sulla trattanda della revoca. Questa regolarità, accertata dal primo giudice, non è più stata contestata dall'attore che, con ragione, ha altresì rinunciato a riproporre in sede federale l'azione fondata sull'art. 706 CO.
2. Il primo giudice, con un mutamento dell'azione la cui ammissibilità procedurale sfugge al sindacato di questa Corte, ha tuttavia "dichiarata ingiustificata e arbitraria nei confronti di Graziano Mancini" la deliberazione assembleare che lo revocava dalla carica di amministratore. La questione se quest'azione di mero accertamento sia ammissibile in virtù del diritto federale, e in caso affermativo se si avverino gli estremi dell'azione di accertamento accolta dalla sentenza querelata, solleva invece un problema di diritto federale la cui cognizione spetta al Tribunale federale adito col ricorso per riforma (art. 43 OG).
Come è già stato giudicato, il diritto cantonale può concedere l'azione di mero accertamento anche quando non sia prevista dal diritto federale, semprechè questo non la escluda (RU 49 II 430). Orbene, ammettendo la liceità della revoca senza giustificazione alcuna, il legislatore federale ha manifestamente inteso negare, di regola, all'amministratore il diritto di far dichiarare ingiustificata o arbitraria la deliberazione di revoca. L'amministratore non avrebbe del resto normalmente un interesse giuridico all'immediato accertamento giudiziale della lesione dei suoi diritti. Difatto, è conforme all'essenza dell'azione di accertamento che manca l'interesse a proporla quando l'attore può già esperire l'azione condannatoria (RU 77 II 351; 79 II 259). Ora, quest'ultima, nella forma dell'azione di risarcimento, è proponibile dal momento stesso in cui la revoca è validamente deliberata. Nessun motivo di economia processuale può giustificare una diversa soluzione: ammettendo l'azione di mero accertamento lungi dal favorire l'economia dei processi, si favorisce l'esperimento di due azioni in luogo di quella sola di condanna prevista dal legislatore federale.
Accade tuttavia che l'amministratore sia revocato in un modo che pregiudichi illecitamente le sue relazioni personali. Un tale pregiudizio può risultargli segnatamente dal fatto che la revoca è resa pubblica con l'indicazione di motivi che non corrispondono al vero. In un caso siffatto non può essergli negato l'interesse all'immediato accertamente giudiziale, nella forma dell'azione di riparazione morale; questa presuppone però sempre una speciale gravità dell'offesa e della colpa. È vero che, a norma della vigente giurisprudenza del Tribunale federale, l'azione di accertamento non è più proponibile contro un atto di molestia cessato (RU 67 II 44). Ci si potrebbe però chiedere se l'azione non dovrebbe essere concessa anche quando l'atto di molestia appartiene al passato, purchè ne persistano gli effetti pregiudizievoli. Ma la questione può rimanere insoluta, atteso che in concreto la revoca non è avvenuta in modo da pregiudicare illecitamente l'attore nelle sue relazioni personali. A tutela dei suoi interessi, questi non disponeva pertanto che dell'azione di condanna, espressamente riservata dall'art. 705 cp. 2 CO.
3. Il ricorso adesivo è irricevibile in virtù dell'art. 55 cp. 1 lett. b, ultima frase OG. Infatti, in sede cantonale l'attore non aveva chiesto di pubblicare la pronuncia dichiarativa del Pretore, bensì di pubblicare l'annulla mento della deliberazione di revoca. Del resto, anche se fosse stata proponibile, la domanda adesiva dell'attore sarebbe venuta necessariamente a cadere con l'accoglimento del ricorso principale.
Dispositiv
Il Tribunale federale pronuncia:
1.- Il ricorso principale è accolto. Di conseguenza è annullata la sentenza 23 novembre 1953 della Camera civile del Tribunale d'appello del Cantone Ticino e la petizione di causa è respinta.
2.- Il ricorso adesivo è irricevibile. | it | Art. 705 OR. Der Verwaltungsrat einer A.-G. kann durch die Generalversammlung jederzeit und aus irgendwelchem Grunde abberufen werden.
Zur Wahrung seiner Interessen steht dem Verwaltungsrat in der Regel nur die Schadenersatzklage (Art. 705 Abs. 2 OR) zu Gebote. Frage der Zulässigkeit auch der blossen Feststellungsklage in Gestalt der Genugtuungsklage, falls die Abberufung eine unerlaubte Verletzung des Verwaltungsrats in seinen persönlichen Verhältnissen bedeutet. | de | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-118%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
232 | 80 II 118 | Sachverhalt ab Seite 118
A.- Il 20 giugno 1947, Pietro Giumini, Graziano Mancini e Plinio Zanolini costituivano la Società immobiliare La Salina S. A., con sede a Muralto. Per il primo periodo statutario di tre anni erano nominati amministratori i tre azionisti fondatori; Graziano Mancini era designato presidente del consiglio d'amministrazione.
A motivo di dissensi sorti durante l'amministrazione tra il presidente e gli altri due membri del consiglio, questi convocavano un'assemblea generale straordinaria degli azionisti. Nell'avviso di convocazione, pubblicato sul Foglio ufficiale svizzero di commercio e sul Foglio ufficiale del Cantone Ticino, figurava quale prima trattanda la "Revoca d'un amministratore e nomina del nuovo presidente del consiglio d'amministrazione della società". L'assemblea, tenutasi a Locarno il 31 gennaio 1950, deliberava la revoca di Graziano Mancini dalla carica di amministratore e designava Pietro Giumini presidente del consiglio d'amministrazione.
B.- Con petizione 31 marzo 1950 Mancini conveniva la Salina S. A. davanti al Pretore di Locarno proponendo a giudicare:
"1. Le deliberazioni dell'assemblea generale straordinaria 31 gennaio 1950 della Società immobiliare La Salina SA, Muralto. sono annullate.
Sub. - La deliberazione circa la revoca, trattanda 1, è cassata.
2. Comunicazione e pubblicazione sugli organi di pubblicazione sociali.
3. Spese tutte giudiziarie e ripetibili a carico solidale di Pietro Giumini e Plinio Zanolini."
L'attore motivava queste conclusioni adducendo che la deliberazione sociale era contraria alla legge e allo statuto, poichè non esisteva un motivo che giustificasse la sua revoca dalla carica di amministratore prima della scadenza del termine statutario.
La convenuta concludeva pel rigetto della petizione.
C.- Statuendo in data 29 luglio 1952, il Pretore accoglieva la petizione nel senso che, accertata la validità della deliberazione assembleare 31 gennaio 1950, dichiarava ingiustificata ed arbitraria la revoca dell'amministratore Mancini. Pel rimanente le domande dell'attore erano respinte. Dopo di aver costatato che le giustificazioni date dalla società per la revoca dell'attore non erano fondate, il primo giudice concludeva osservando che l'amministratore revocato aveva bensì diritto all'azione di risarcimento e, con o prima di essa, all'accertamento giudiziale dell'arbitrarietà della decisione di revoca, ma non all'azione di contestazione della deliberazione assembleare ai sensi dell'art. 706 CO, perchè la deliberazione non era contraria alla legge o allo statuto.
Da questa sentenza si appellavano, in via principale, la Salina S. A. e, adesivamente, Graziano Mancini.
Con sentenza 23 novembre 1953 la Camera civile del Tribunale d'appello confermava il giudizio querelato essenzialmente per i seguenti motivi:
La trasformazione d'una domanda di contestazione d'una deliberazione assembleare in una domanda di accertamento non sottoposta all'esame del giudice è ammissibile. Il diritto privato federale (art. 705 CO) non potrebbe fare a meno dell'azione di mero accertamento in quanto ricorra il presupposto dell'interesse. È bensì vero che il periodo di nomina era da tempo scaduto, ma altrettanto vero è che l'attore aveva e ha un interesse giuridico a far accertare che la revoca era ingiustificata. Anche l'appello adesivo dev'essere respinto, poichè la deliberazione impugnata non contrasta nè con la legge, nè con lo statuto.
D.- Tempestivamente la Salina S. A. ha interposto un ricorso per riforma al Tribunale federale, chiedendo l'annullamento della sentenza cantonale e il rigetto della petizione. La ricorrente fa valere che l'attore non ha un interesse giuridico a far dichiarare arbitraria la deliberazione assembleare e che l'ammissibilità dell'azione di risarcimento rende improponibile quella di mero accertamento.
Mancini, aderendo al ricorso, ha chiesto che, confermata la sentenza cantonale, sia pubblicata la pronuncia dichiarativa del Pretore (dispositivo I della sentenza 29 luglio 1952), a spese della convenuta, sugli organi di pubblicazione sociale.
Erwägungen
Considerando in diritto:
1. L'art. 705 cp. 1 CO conferisce all'assemblea generale della società anonima la facoltà di revocare gli amministratori da essa nominati. L'amministratore può essere rimosso dalla sua carica in ogni tempo e per qualunque motivo (RU 25 II 346). Questa libertà di revoca si comprende per il rapporto di fiducia che si stabilisce fra gli azionisti e l'amministratore, fiducia che può cessare per qualsiasi causa, sia pure imponderabile. All'amministratore revocato rimane però riservata l'azione di risarcimento (art. 705 cp. 2 CO).
La revoca dell'amministratore è pertanto valida, anche se l'assemblea generale non sia in grado di provare un motivo grave a sostegno della revoca stessa. Ai fini dell'applicazione dell'art. 705 cp. 1 CO basta dunque costatare la regolarità con la quale l'assemblea generale si è riunita e ha deliberato sulla trattanda della revoca. Questa regolarità, accertata dal primo giudice, non è più stata contestata dall'attore che, con ragione, ha altresì rinunciato a riproporre in sede federale l'azione fondata sull'art. 706 CO.
2. Il primo giudice, con un mutamento dell'azione la cui ammissibilità procedurale sfugge al sindacato di questa Corte, ha tuttavia "dichiarata ingiustificata e arbitraria nei confronti di Graziano Mancini" la deliberazione assembleare che lo revocava dalla carica di amministratore. La questione se quest'azione di mero accertamento sia ammissibile in virtù del diritto federale, e in caso affermativo se si avverino gli estremi dell'azione di accertamento accolta dalla sentenza querelata, solleva invece un problema di diritto federale la cui cognizione spetta al Tribunale federale adito col ricorso per riforma (art. 43 OG).
Come è già stato giudicato, il diritto cantonale può concedere l'azione di mero accertamento anche quando non sia prevista dal diritto federale, semprechè questo non la escluda (RU 49 II 430). Orbene, ammettendo la liceità della revoca senza giustificazione alcuna, il legislatore federale ha manifestamente inteso negare, di regola, all'amministratore il diritto di far dichiarare ingiustificata o arbitraria la deliberazione di revoca. L'amministratore non avrebbe del resto normalmente un interesse giuridico all'immediato accertamento giudiziale della lesione dei suoi diritti. Difatto, è conforme all'essenza dell'azione di accertamento che manca l'interesse a proporla quando l'attore può già esperire l'azione condannatoria (RU 77 II 351; 79 II 259). Ora, quest'ultima, nella forma dell'azione di risarcimento, è proponibile dal momento stesso in cui la revoca è validamente deliberata. Nessun motivo di economia processuale può giustificare una diversa soluzione: ammettendo l'azione di mero accertamento lungi dal favorire l'economia dei processi, si favorisce l'esperimento di due azioni in luogo di quella sola di condanna prevista dal legislatore federale.
Accade tuttavia che l'amministratore sia revocato in un modo che pregiudichi illecitamente le sue relazioni personali. Un tale pregiudizio può risultargli segnatamente dal fatto che la revoca è resa pubblica con l'indicazione di motivi che non corrispondono al vero. In un caso siffatto non può essergli negato l'interesse all'immediato accertamente giudiziale, nella forma dell'azione di riparazione morale; questa presuppone però sempre una speciale gravità dell'offesa e della colpa. È vero che, a norma della vigente giurisprudenza del Tribunale federale, l'azione di accertamento non è più proponibile contro un atto di molestia cessato (RU 67 II 44). Ci si potrebbe però chiedere se l'azione non dovrebbe essere concessa anche quando l'atto di molestia appartiene al passato, purchè ne persistano gli effetti pregiudizievoli. Ma la questione può rimanere insoluta, atteso che in concreto la revoca non è avvenuta in modo da pregiudicare illecitamente l'attore nelle sue relazioni personali. A tutela dei suoi interessi, questi non disponeva pertanto che dell'azione di condanna, espressamente riservata dall'art. 705 cp. 2 CO.
3. Il ricorso adesivo è irricevibile in virtù dell'art. 55 cp. 1 lett. b, ultima frase OG. Infatti, in sede cantonale l'attore non aveva chiesto di pubblicare la pronuncia dichiarativa del Pretore, bensì di pubblicare l'annulla mento della deliberazione di revoca. Del resto, anche se fosse stata proponibile, la domanda adesiva dell'attore sarebbe venuta necessariamente a cadere con l'accoglimento del ricorso principale.
Dispositiv
Il Tribunale federale pronuncia:
1.- Il ricorso principale è accolto. Di conseguenza è annullata la sentenza 23 novembre 1953 della Camera civile del Tribunale d'appello del Cantone Ticino e la petizione di causa è respinta.
2.- Il ricorso adesivo è irricevibile. | it | Art. 705 CO. L'administrateur d'une société anonyme peut être révoqué par l'assemblée générale en tout temps et pour n'importe quel motif.
Pour sauvegarder ses intérêts, l'administrateur ne dispose en règle générale que de l'action en dommages-intérêts (art. 705 al. 2 CO). Lorsque la révocation l'atteint illicitement dans ses intérêts personnels, peut-il intenter une action en constatation de droit à titre d'action en réparation morale? | fr | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-118%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
233 | 80 II 118 | Sachverhalt ab Seite 118
A.- Il 20 giugno 1947, Pietro Giumini, Graziano Mancini e Plinio Zanolini costituivano la Società immobiliare La Salina S. A., con sede a Muralto. Per il primo periodo statutario di tre anni erano nominati amministratori i tre azionisti fondatori; Graziano Mancini era designato presidente del consiglio d'amministrazione.
A motivo di dissensi sorti durante l'amministrazione tra il presidente e gli altri due membri del consiglio, questi convocavano un'assemblea generale straordinaria degli azionisti. Nell'avviso di convocazione, pubblicato sul Foglio ufficiale svizzero di commercio e sul Foglio ufficiale del Cantone Ticino, figurava quale prima trattanda la "Revoca d'un amministratore e nomina del nuovo presidente del consiglio d'amministrazione della società". L'assemblea, tenutasi a Locarno il 31 gennaio 1950, deliberava la revoca di Graziano Mancini dalla carica di amministratore e designava Pietro Giumini presidente del consiglio d'amministrazione.
B.- Con petizione 31 marzo 1950 Mancini conveniva la Salina S. A. davanti al Pretore di Locarno proponendo a giudicare:
"1. Le deliberazioni dell'assemblea generale straordinaria 31 gennaio 1950 della Società immobiliare La Salina SA, Muralto. sono annullate.
Sub. - La deliberazione circa la revoca, trattanda 1, è cassata.
2. Comunicazione e pubblicazione sugli organi di pubblicazione sociali.
3. Spese tutte giudiziarie e ripetibili a carico solidale di Pietro Giumini e Plinio Zanolini."
L'attore motivava queste conclusioni adducendo che la deliberazione sociale era contraria alla legge e allo statuto, poichè non esisteva un motivo che giustificasse la sua revoca dalla carica di amministratore prima della scadenza del termine statutario.
La convenuta concludeva pel rigetto della petizione.
C.- Statuendo in data 29 luglio 1952, il Pretore accoglieva la petizione nel senso che, accertata la validità della deliberazione assembleare 31 gennaio 1950, dichiarava ingiustificata ed arbitraria la revoca dell'amministratore Mancini. Pel rimanente le domande dell'attore erano respinte. Dopo di aver costatato che le giustificazioni date dalla società per la revoca dell'attore non erano fondate, il primo giudice concludeva osservando che l'amministratore revocato aveva bensì diritto all'azione di risarcimento e, con o prima di essa, all'accertamento giudiziale dell'arbitrarietà della decisione di revoca, ma non all'azione di contestazione della deliberazione assembleare ai sensi dell'art. 706 CO, perchè la deliberazione non era contraria alla legge o allo statuto.
Da questa sentenza si appellavano, in via principale, la Salina S. A. e, adesivamente, Graziano Mancini.
Con sentenza 23 novembre 1953 la Camera civile del Tribunale d'appello confermava il giudizio querelato essenzialmente per i seguenti motivi:
La trasformazione d'una domanda di contestazione d'una deliberazione assembleare in una domanda di accertamento non sottoposta all'esame del giudice è ammissibile. Il diritto privato federale (art. 705 CO) non potrebbe fare a meno dell'azione di mero accertamento in quanto ricorra il presupposto dell'interesse. È bensì vero che il periodo di nomina era da tempo scaduto, ma altrettanto vero è che l'attore aveva e ha un interesse giuridico a far accertare che la revoca era ingiustificata. Anche l'appello adesivo dev'essere respinto, poichè la deliberazione impugnata non contrasta nè con la legge, nè con lo statuto.
D.- Tempestivamente la Salina S. A. ha interposto un ricorso per riforma al Tribunale federale, chiedendo l'annullamento della sentenza cantonale e il rigetto della petizione. La ricorrente fa valere che l'attore non ha un interesse giuridico a far dichiarare arbitraria la deliberazione assembleare e che l'ammissibilità dell'azione di risarcimento rende improponibile quella di mero accertamento.
Mancini, aderendo al ricorso, ha chiesto che, confermata la sentenza cantonale, sia pubblicata la pronuncia dichiarativa del Pretore (dispositivo I della sentenza 29 luglio 1952), a spese della convenuta, sugli organi di pubblicazione sociale.
Erwägungen
Considerando in diritto:
1. L'art. 705 cp. 1 CO conferisce all'assemblea generale della società anonima la facoltà di revocare gli amministratori da essa nominati. L'amministratore può essere rimosso dalla sua carica in ogni tempo e per qualunque motivo (RU 25 II 346). Questa libertà di revoca si comprende per il rapporto di fiducia che si stabilisce fra gli azionisti e l'amministratore, fiducia che può cessare per qualsiasi causa, sia pure imponderabile. All'amministratore revocato rimane però riservata l'azione di risarcimento (art. 705 cp. 2 CO).
La revoca dell'amministratore è pertanto valida, anche se l'assemblea generale non sia in grado di provare un motivo grave a sostegno della revoca stessa. Ai fini dell'applicazione dell'art. 705 cp. 1 CO basta dunque costatare la regolarità con la quale l'assemblea generale si è riunita e ha deliberato sulla trattanda della revoca. Questa regolarità, accertata dal primo giudice, non è più stata contestata dall'attore che, con ragione, ha altresì rinunciato a riproporre in sede federale l'azione fondata sull'art. 706 CO.
2. Il primo giudice, con un mutamento dell'azione la cui ammissibilità procedurale sfugge al sindacato di questa Corte, ha tuttavia "dichiarata ingiustificata e arbitraria nei confronti di Graziano Mancini" la deliberazione assembleare che lo revocava dalla carica di amministratore. La questione se quest'azione di mero accertamento sia ammissibile in virtù del diritto federale, e in caso affermativo se si avverino gli estremi dell'azione di accertamento accolta dalla sentenza querelata, solleva invece un problema di diritto federale la cui cognizione spetta al Tribunale federale adito col ricorso per riforma (art. 43 OG).
Come è già stato giudicato, il diritto cantonale può concedere l'azione di mero accertamento anche quando non sia prevista dal diritto federale, semprechè questo non la escluda (RU 49 II 430). Orbene, ammettendo la liceità della revoca senza giustificazione alcuna, il legislatore federale ha manifestamente inteso negare, di regola, all'amministratore il diritto di far dichiarare ingiustificata o arbitraria la deliberazione di revoca. L'amministratore non avrebbe del resto normalmente un interesse giuridico all'immediato accertamento giudiziale della lesione dei suoi diritti. Difatto, è conforme all'essenza dell'azione di accertamento che manca l'interesse a proporla quando l'attore può già esperire l'azione condannatoria (RU 77 II 351; 79 II 259). Ora, quest'ultima, nella forma dell'azione di risarcimento, è proponibile dal momento stesso in cui la revoca è validamente deliberata. Nessun motivo di economia processuale può giustificare una diversa soluzione: ammettendo l'azione di mero accertamento lungi dal favorire l'economia dei processi, si favorisce l'esperimento di due azioni in luogo di quella sola di condanna prevista dal legislatore federale.
Accade tuttavia che l'amministratore sia revocato in un modo che pregiudichi illecitamente le sue relazioni personali. Un tale pregiudizio può risultargli segnatamente dal fatto che la revoca è resa pubblica con l'indicazione di motivi che non corrispondono al vero. In un caso siffatto non può essergli negato l'interesse all'immediato accertamente giudiziale, nella forma dell'azione di riparazione morale; questa presuppone però sempre una speciale gravità dell'offesa e della colpa. È vero che, a norma della vigente giurisprudenza del Tribunale federale, l'azione di accertamento non è più proponibile contro un atto di molestia cessato (RU 67 II 44). Ci si potrebbe però chiedere se l'azione non dovrebbe essere concessa anche quando l'atto di molestia appartiene al passato, purchè ne persistano gli effetti pregiudizievoli. Ma la questione può rimanere insoluta, atteso che in concreto la revoca non è avvenuta in modo da pregiudicare illecitamente l'attore nelle sue relazioni personali. A tutela dei suoi interessi, questi non disponeva pertanto che dell'azione di condanna, espressamente riservata dall'art. 705 cp. 2 CO.
3. Il ricorso adesivo è irricevibile in virtù dell'art. 55 cp. 1 lett. b, ultima frase OG. Infatti, in sede cantonale l'attore non aveva chiesto di pubblicare la pronuncia dichiarativa del Pretore, bensì di pubblicare l'annulla mento della deliberazione di revoca. Del resto, anche se fosse stata proponibile, la domanda adesiva dell'attore sarebbe venuta necessariamente a cadere con l'accoglimento del ricorso principale.
Dispositiv
Il Tribunale federale pronuncia:
1.- Il ricorso principale è accolto. Di conseguenza è annullata la sentenza 23 novembre 1953 della Camera civile del Tribunale d'appello del Cantone Ticino e la petizione di causa è respinta.
2.- Il ricorso adesivo è irricevibile. | it | Art. 705 CO. L'amministratore d'una società anonima può essere rimosso dalla sua carica dall'assemblea generale in ogni tempo e per qualsiasi motivo.
A tutela dei suoi interessi l'amministratore dispone di regola soltanto dell'azione di risarcimento (art. 705 cp. 2 CO). Ammissibilità, nel caso in cui la revoca pregiudichi illecitamente l'amministratore nelle sue relazioni personali, anche di un'azione di mero accertamento nella forma dell'azione di riparazione morale? | it | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-118%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
234 | 80 II 123 | Sachverhalt ab Seite 124
A.- Lukas Lederer, geb. 1878, deutscher Staatsangehöriger, war seit 1903 - mit Ausnahme der Jahre 1908/09 - Mitglied des Schweiz. Lithographenbundes (SLB), der eine in die Rechtsform der Genossenschaft gekleidete Gewerkschaft ist.
Der SLB unterhält zur Erreichung seiner Zwecke u.a. eine "Allgemeine Unterstützungs-Institution des SLB" (AUI). Diese ist eine selbständige Genossenschaft, deren Organe aber mit denjenigen des SLB identisch sind (Art. 91 Statuten SLB). Die Mitgliedschaft bei der AUI ist für die Mitglieder des SLB obligatorisch (Art. 10 und 91 Statuten SLB). Der Austritt oder Ausschluss eines Mitgliedes aus dem SLB zieht auch den Austritt oder Ausschluss aus der AUI nach sich, mit der Folge, dass jedes Anspruchsrecht gegenüber dem Verband und seinen Institutionen erlischt; eine Rückvergütung einbezahlter Beiträge findet grundsätzlich nicht statt (Statuten SLB Art. 20, 95; AUI Art. 6). Die Ausschlussgründe sind in Art. 17 der Statuten des SLB aufgezählt; nach dessen lit. f kann ein Mitglied ausgeschlossen werden, "wenn es Handlungen begeht, welche die Interessen des Verbandes schädigen und den Grundsätzen desselben zuwiderlaufen". Das Ausschlussverfahren ist in Art. 17/18 der Statuten des SLB geregelt. Danach kann der Zentralvorstand auf Antrag einer Sektionsversammlung oder von sich aus ein Mitglied ausschliessen. Dem auszuschliessenden Mitglied steht das Recht zu, in der Sektionsversammlung, zu der es schriftlich unter Bekanntgabe der Umstände eingeladen werden muss, sich zu verteidigen. Gegen den Ausschluss kann es beim Zentralvorstand innert 4 Wochen den Entscheid der nächsten Delegiertenversammlung anrufen. Nach Art. 37 der Statuten des SLB und Art. 17 derjenigen der AUI müssen Anträge, die an der alljährlich im Mai stattfindenden Delegiertenversammlung zur Behandlung kommen sollen, bis Ende Februar dem Zentralvorstand eingereicht werden. Nach Art. 33 Ziff. 11 der Statuten des SLB und Art. 13 Ziff. 10 der Statuten der AUI ist die Delegiertenversammlung befugt, zu aktuellen Fragen Stellung zu nehmen.
Die AUI umfasst neben andern Kassen auch eine Invaliden- und Altersunterstützungskasse (Statuten SLB Art. 4 IV, AUI Art. 3). Zweck dieser Kasse ist nach Art. 30 der Statuten der AUI, die Mitglieder im Invaliditätsfalle oder im Alter von über 60 Jahren zu unterstützen. Die Mitglieder bezahlen in die Kasse je nach ihrem Eintrittsalter wöchentliche Beiträge von Fr. 3.50 bis 4.-. Sie erhalten im Invaliditätsfalle oder nach dem 60. Altersjahr bei Einstellung der Berufsarbeit eine Unterstützung, die je nach der Zahl der geleisteten Beiträge abgestuft ist und wöchentlich Fr. 9.- bis 36.- beträgt.
Lederer bezog ab 1938, nach Erreichung des 60. Altersjahres, eine Unterstützung von wöchentlich Fr. 26.50.
Durch BRB vom 29. Mai 1945 wurde Lederer aus der Schweiz ausgewiesen, weil er Mitglied der NSDAP sowie Obmann und Kassenleiter der Deutschen Arbeitsfront Olten war und sich als Denunziant betätigt hatte. Er verliess am 20. August 1945 die Schweiz.
Die Delegiertenversammlung des SLB und der AUI vom 2./3. Juni 1945 beschloss nach einlässlicher Diskussion: "Die von den Behörden des Landes verwiesenen Mitglieder des SLB gehen sämtlicher Rechte unserer Unterstützungs-Institution verlustig". Dieser Beschluss wurde ohne Vorankündigung und in Abwesenheit Lederers unter dem Traktandum "Aktuelle Fragen" gefasst.
Gestützt auf den Beschluss der Delegiertenversammlung verweigerte die AUI die Auszahlung weiterer Unterstützungen an Lederer. Dieser erkundigte sich mit Schreiben vom 10. Juli 1945 beim SLB unter Bezugnahme auf eine vorangegangene Besprechung nach den Gründen, aus denen ihm die weitere Unterstützung verweigert werde, und bemerkte, die Delegiertenversammlung sei nicht zuständig, einem Mitglied seine Unterstützungen zu entziehen, die es sich durch seine Beitragsleistungen erworben habe.
Der Präsident der Sektion Zofingen des SLB, Lorenz, bestätigte Lederer mit Schreiben vom 12. August 1945, dass er weiterhin keine Unterstützung mehr zu beziehen habe und dass bei einer Erkundigung bei der schweizerischen Bundesanwaltschaft wohl genügend Material zu Tage träte, um seinen Ausschluss aus dem SLB zu rechtfertigen. Ebenso teilte der Zentralvorstand am 18. August 1945 Lederer mit, er erhalte die Unterstützung noch bis zum 18. August 1945 und fügte bei: "Als Mitglied des Lithographenbundes werden Sie ab 18. August 1945 abgemeldet".
Lederer, der seit 1945 in Gottmadingen (Baden) wohnt und auf öffentliche Unterstützung angewiesen ist, unternahm in den Jahren 1948 und 1951/53 erfolglose Bemühungen, um die weitere Auszahlung der Unterstützungsleistungen der AUI zu erwirken.
B.- Am 22. April/11. Juli 1953 erhob Lederer gegen die AUI des SLB Klage auf Verurteilung der Beklagten zur Bezahlung der seit 1945 aufgelaufenen Rentenbeträge und zur Ausrichtung der Rente auf seine Lebensdauer.
Zur Begründung machte der Kläger im wesentlichen geltend, er sei immer noch Mitglied des SLB, da ein Ausschliessungsbeschluss nie erfolgt sei; auf jeden Fall sei ihm ein solcher nie mitgeteilt worden. Eventuell sei der Beschluss der Delegiertenversammlung von 1945 nicht rechtsgültig, weil er nicht im statutarisch vorgeschriebenen Verfahren zustande gekommen sei. Weiter eventuell nahm er den Standpunkt ein, der Rentenanspruch könne ihm selbst dann nicht entzogen werden, wenn er tatsächlich und zu Recht aus dem SLB ausgeschlossen worden sein sollte.
Die Beklagte beantragte Abweisung der Klage, weil der Kläger zu Recht und statutengemäss aus dem SLB ausgeschlossen worden sei, was den Verlust aller Ansprüche gegenüber der Beklagten nach sich gezogen habe.
C.- Bezirksgericht und Obergericht Zürich, dieses mit Urteil vom 3. Dezember 1953, wiesen die Klage ab.
Das Obergericht nahm mit der I. Instanz an, durch den Beschluss der Delegiertenversammlung von 1945 sei der Kläger seiner Mitgliedschaft beim SLB und bei der Beklagten verlustig erklärt worden. Dieser Beschluss sei dem Kläger zur Kenntnis gelangt und von ihm auch als Ausschluss aufgefasst worden. Im Gegensatz zur I. Instanz entschied das Obergericht jedoch, dass der Beschluss an einem formellen Mangel gelitten habe, da entgegen den statutarischen und gesetzlichen Vorschriften der Delegiertenversammlung nicht angekündigt worden sei, dass über den Ausschluss von Mitgliedern beschlossen werden solle. Entgegen der Meinung des Klägers habe dieser Mangel aber nicht die Nichtigkeit, sondern nur die Anfechtbarkeit des Beschlusses bewirkt. Mangels rechtzeitiger Anfechtung durch den Kläger habe der Beschluss dann aber doch Gültigkeit erlangt. Dass Gericht habe daher die materielle Begründetheit des Ausschlusses, die übrigens nicht zweifelhaft sei, nicht zu überprüfen. Der Ausschluss des Klägers ziehe nach den Statuten des SLB und der Beklagten den Verlust aller Ansprüche nach sich. Das Obergericht verwarf schliesslich auch den Eventualstandpunkt des Klägers, dass er trotz rechtsgültigem Ausschluss gleichwohl Anspruch auf die streitige Rente habe; denn es handle sich nicht um einen vertraglichen Versicherungsanspruch, sondern um ein zusätzliches genossenschaftliches Beteiligungsrecht vermögensrechtlicher Art, das nach den Statuten bei Verlust der Mitgliedschaft ebenfalls untergehe.
D.- Mit der vorliegenden Berufung hält der Kläger an seinen vor den kantonalen Instanzen gestellten Begehren fest.
Die Beklagte beantragt Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen Entscheides.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Wenn dem Kläger auch im Falle des Ausschlusses ein Rentenanspruch zusteht, so ist die Frage, ob ein rechtsgültiger Ausschluss vorliege, bedeutungslos. Es ist daher in erster Linie dieser Eventualstandpunkt des Klägers zu untersuchen.
2. Die eingangs erwähnten Statutenbestimmungen (SLB Art. 20, 95, AUI Art. 6) lassen keinen Zweifel darüber aufkommen, dass die Statuten jeglichen Anspruch eines ausscheidenden Mitgliedes ausschliessen wollen. Indessen fragt sich, ob diese statutarische Regelung vor dem Gesetze Bestand habe.
a) Das ist unzweifelhaft der Fall, soweit irgendwelche Ansprüche eines ausscheidenden Genossenschafters auf Anteil am Genossenschaftsvermögen als solchem in Frage stehen. Denn gleich wie Art. 73 Abs. 1 ZGB im Bereich des Vereinsrechts, so schliesst auch bei der Genossenschaft Art. 865 Abs. 1 OR (unter Vorbehalt des hier nicht in Betracht kommenden Sonderfalles von Art. 865 Abs. 2) einen Abfindungsanspruch des Ausscheidenden grundsätzlich mangels gegenteiliger Statutenbestimmung (Art. 864 OR) aus. Ein Abfindungsanspruch steht somit dem Kläger nach Gesetz wie nach den Statuten nicht zu.
b) Nun macht aber der Kläger keinen Abfindungsanspruch am Genossenschaftsvermögen geltend, sondern einen Rentenanspruch, für dessen Erlangung er während 33 Jahren Beiträge geleistet hat, der sogar im Dezember 1938 fällig geworden und von diesem Zeitpunkt an bis im Sommer 1945 von der Beklagten erfüllt worden ist. Die Vorinstanz erklärt indessen (Urteil S. 17 f.), der Kläger verlange damit gleichwohl nur einen "Anteil am Vermögen der Beklagten". Dieser Einwand schlägt jedoch nicht durch.
Die Invaliden- und Altersunterstützungskasse der Beklagten hat unstreitig die Aufgabe einer Pensionskasse für invalide oder den Beruf altershalber nicht mehr ausübende Mitglieder. Ihr gehören ausschliesslich die Mitglieder des SLB an, die ausnahmslos Arbeitnehmer sind, und diese allein finanzieren die Kasse durch ihre statutarisch festgesetzten Beiträge. Diese genossenschaftliche Pensionskasse ist eine - wenn auch nicht konzessionspflichtige - Versicherung im weiteren Sinn. Denn bei ihr sind alle wesentlichen Merkmale einer Versicherung im weiteren Sinn vorhanden: planmässiger Betrieb; einheitlich festgesetzte Leistungen der Mitglieder an die Kasse und der Kasse bei Invalidität und Alter der Mitglieder; zeitlich unbegrenzter Betrieb (vgl.BGE 76 I 368).
Das zwischen dem Mitglied und der Kasse bestehende Versicherungsverhältnis ist nun allerdings ein Ausfluss der Mitgliedschaft beim Verband, der die Pensionskasse im Rahmen seiner Zwecke unterhält. Hieraus folgt, dass der eingeklagte Rentenanspruch des Klägers nicht vertraglicher Natur ist; er beruht nicht auf einem selbständigen Versicherungsvertrag, sondern auf der Mitgliedschaft beim SLB. Das Versicherungsverhältnis bildet deshalb einen vermögensrechtlichen Bestandteil der Mitgliedschaft, wie die Vorinstanz an sich zutreffend annimmt.
Das schliesst aber nicht aus, dass ein Forderungsanspruch aus diesem Versicherungsverhältnis nicht rechtlich selbständig werden könne, und ebensowenig folgt daraus, dass dieser Anspruch stets mit der Mitgliedschaft verbunden bleiben muss, also verloren geht, wenn die Mitgliedschaft dahinfällt. Eine Leistungspflicht, die einmal entstanden ist - hier entstand sie mit der Erreichung der Altersgrenze und gleichzeitigem Verzicht auf Berufsausübung seitens des Klägers im Jahre 1938 -, ist selbständiger Natur, auch wenn sie auf mitgliedschaftlicher Grundlage beruht (so auch EGGER, ZGB Art. 73 N. 2 in Bezug auf noch während der Mitgliedschaft festgesetzte Dividenden). Vom Eintritt des Versicherungsfalles an besitzt das Mitglied eine Forderung auf Leistung der Renten, die mit der Entstehung der Rentenberechtigung selbständigen Charakter erlangt hat und die Eigenschaft eines wohlerworbenen Rechts (BGE 61 II 171ff.) besitzt. Ein solcher zu einer selbständigen Forderung gewordener Anspruch stellt aber keinen Abfindungsanspruch im Sinne von Art. 864/65 OR gegenüber dem Vermögen der Genossenschaft dar, auch wenn die Genossenschaft Schuldner ist und diesen Anspruch aus ihrem Vermögen befriedigen muss.
c) Diese Überlegung findet eine Bestätigung in der Regelung, die das Gesetz in Art. 862 Abs. 4 und Art. 673 Abs. 4 OR für die Rechtsstellung der aus einem Wohlfahrtsfonds begünstigten Arbeitnehmer einer A.-.G. oder einer Genossenschaft vorsieht. Solche Wohlfahrtsfonds sind bekanntlich häufig reine Pensionskassen. Entgegen dem Wortlaut des Gesetzes können sie nicht bloss in der Rechtsform einer Stiftung, sondern auch in derjenigen einer Genossenschaft verwirklicht werden (BÜRGI, OR Art. 673 N. 40, 55-59; MEIER, Die Genossenschaft als Rechtsform für die Pensionskasse, S. 22 ff.). Für derartige genossenschaftlich aufgezogene Pensionskassen schreibt nun das Gesetz in den erwähnten Bestimmungen vor, dass den Arbeitnehmern, die wegen Auflösung des Dienstverhältnisses ausscheiden, "mindestens die Summe der von ihnen geleisteten Zahlungen herauszugeben ist, sofern sie nicht gemäss den Stiftungsbestimmungen in den Genuss des Wohlfahrtsfonds eintreten". Da diese Gesetzesvorschrift zwingend ist und der Natur der Sache nach eine dem Art. 865 OR vorgehende Sonderbestimmung darstellt, hat in diesem Falle ein Mitglied einer derartigen genossenschaftlichen Pensionskasse einen unentziehbaren Anspruch auf Prämienrückerstattung, soweit es nicht bereits oder künftig rentenberechtigt ist. Solche Rentenberechtigung geht also der Prämienrückerstattung vor. Daraus folgt selbstverständlich, dass dem Arbeitnehmer ein bereits entstandener Rentenanspruch nicht mehr entzogen werden kann.
Dem lässt sich nicht etwa entgegenhalten, es handle sich um eine besondere Ordnung für die Pensionskasse als Erscheinungsform eines Wohlfahrtsfonds. Der Unterschied gegenüber dem hier in Frage stehenden Fall einer reinen Arbeitnehmerpensionskasse besteht einzig darin, dass hier die Mitgliedschaft bei einem Verein oder einer Genossenschaft Voraussetzung der Kassenzugehörigkeit ist, während diese dort vom Bestehen eines Dienstverhältnisses mit der A.-.G. oder der Genossenschaft, der die Pensionskasse angegliedert ist, abhängt. Das ist aber eine ganz untergeordnete Verschiedenheit. Der Grund für die Rückerstattungspflicht liegt natürlich darin, dass der Arbeitnehmer Beiträge geleistet hat, deren Verfall als ungerecht erscheinen würde, weil die Rückerstattung einem ethischen Bedürfnis entspricht. Diese innere Rechtfertigung ist auch im Falle einer reinen Arbeitnehmerpensionskasse, ja sogar noch in vermehrtem Masse, gegeben. Denn hier handelt es sich um eine ausschliesslich von Arbeitnehmern gespiesene Kasse. Folgerichtig muss dem Kassenangehörigen auf jeden Fall eine bereits entstandene Rentenforderung als selbständiger Anspruch erhalten bleiben, auch wenn er als Kassenmitglied ausscheidet. Denn er hat die statutarischen Beiträge geleistet und den Versicherungsfall erlebt.
Im Falle der Personalkassen nach Art. 862 Abs. 4 und 673 Abs. 4 OR bleiben die Ansprüche des Arbeitnehmers auch bestehen, wenn das Dienstverhältnis aus seinem Verschulden aufgelöst wird. Dasselbe muss gelten für eine reine Arbeitnehmerpensionskasse. Auch bei einer solchen bleibt der Anspruch bestehen, selbst wenn die für die Kassenzugehörigkeit vorausgesetzte Mitgliedschaft bei einem andern Verbande aufhört, gleichgültig, ob mit oder ohne Verschulden des Kassenmitgliedes. Denn die rechtlich massgebenden Gesichtspunkte sind in beiden Fällen die gleichen.
3. Die Beklagte und mit ihr die Vorinstanz vertreten nun aber die Auffassung, es sei zulässig, auf dem Wege besonderer Statutenbestimmungen - wie sie gerade hier vorliegen - die Rückzahlung geleisteter Beiträge, ja sogar die Ausrichtung fällig gewordenen Renten auszuschliessen in jenen Fällen, wo ein Kassengehöriger die für die Kassenzugehörigkeit vorausgesetzte Mitgliedschaft bei einem andern Verbande verliere, sei es durch Austritt, sei es durch Ausschluss, aber jedenfalls bei verschuldetem Ausschluss.
a) Derartige Statutenbestimmungen, wie sie hier vorliegen, verordnen die Verwirkung von Rechten oder allenfalls von Anwartschaften. Sie verschärfen die Folgen eines Austrittes oder Ausschlusses. Sie erschweren den Austritt und können sogar praktisch die grundsätzlich gewährleistete Austrittsfreiheit (OR Art. 842) vernichten. Im Falle des Ausschlusses bedeuten sie eine empfindliche Strafe. Der Verlust aller Ansprüche kann den Ausgeschlossenen schwer treffen, ihm sogar sein Auskommen und seine Existenz nehmen. Denn nach der Lebenserfahrung bilden Pensionsanwartschaften oder bereits entstandene Altersrentenforderungen oft die einzigen Ersparnisse eines Arbeitnehmers, so dass er aus der Invaliditätsrente oder - wie der Kläger - aus der Altersrente sein Leben fristen muss. Es kann daher keine Rede davon sein, dass solche Verwirkung in jedem Falle und ohne jede rechtliche Schranke zulässig sein könnte. Gleich wie die Vertragsfreiheit nur in den Schranken des Gesetzes, der öffentlichen Ordnung, des Rechts der Persönlichkeit und der guten Sitten besteht, so besteht auch die Freiheit zur beliebigen Gestaltung von Verbandsstatuten nur innerhalb dieser Schranken.
b) Es ist versucht worden, derartige Verwirkungsbestimmungen, wie sie hier in Frage stehen, als Verbandsstrafen aufzufassen und zu behandeln. Verbandsstrafen, wie Geldstrafen, Bussen und dergleichen sind ihrer Natur nach Konventionalstrafen und unterliegen den gesetzlichen Bestimmungen über solche, namentlich auch der Herabsetzung nach Art. 163 OR (EGGER ZGB Art. 71 N. 10). Dass es sich im vorliegenden Falle nicht um die Verletzung vertraglicher Verpflichtungen handelt, sondern um die Verletzung statutarisch festgelegter Verbandspflichten, stände einer Anwendung der Bestimmungen über die Konventionalstrafe nicht im Wege. Ebenso ist auch eine statutarische Verpflichtung, bei Austritt oder Ausschluss empfangene Bezüge, wie z.B. Streikgelder, wieder zurückzuzahlen, als Konventionalstrafbestimmung zu betrachten; denn es handelt sich dabei um die Erbringung einer Leistung im Falle der Nichterfüllung oder Verletzung einer Verpflichtung. Verwirkungsklauseln, nach welchen Ansprüche auf Unterstützung und andere Verbandsleistungen bei pflichtwidrigem Verhalten eines Miitgliedes entfallen, können dagegen (entgegen der Meinung von EGGER a.a.O.) nicht einer Konventionalstrafbestimmung gleichgestellt werden. Denn für eine solche ist das in solchen Fällen fehlende Versprechen einer Leistung begriffswesentlich. Bei der Revision des OR wurde ein Antrag, von diesem Erfordernis abzusehen und jede Übernahme eines Rechtsnachteils der Leistung (Strafleistung) gleichzustellen, ausdrücklich abgelehnt (verg. OSER/SCHÖNENBERGER, Vorbem. zu Art. 160/63 OR, N. 5). Daraus folgt, dass nach geltendem Recht die Übernahme eines andern Rechtsnachteils als einer Geld- oder sonstigen Leistung nicht den Bestimmungen über die Konventionalstrafe untersteht (so ausser OSER/SCHÖNENBERGER a.a.O. auch BECKER 2. Aufl. Art. 160 OR N. 5 und v. TUHR/SIEGWART OR § 87 S. 724). Eine Heranziehung dieser Vorschriften als Schranke für die statutarische Verwirkung der dem Kläger zustehenden Rentenansprüche kommt daher nicht in Betracht.
c) Die Lösung der Frage nach der Zulässigkeit und Wirksamkeit einer Statutenbestimmung, die als Folge des Ausschlusses von der Mitgliedschaft den Verlust eines bereits zur Entstehung gelangten Rentenanspruchs vorsieht, muss auf Grund von Art. 19/20 OR getroffen werden. Danach kann aber nicht zweifelhaft sein, dass eine solche Verwirkungsbestimmung in einem Falle, wie er hier vorliegt, gegen die guten Sitten verstösst. Denn es läuft jedem Rechtsempfinden und der elementarsten Billigkeit zuwider, dem Kläger, nachdem er während 33 Jahren ganz erhebliche Prämien an die Alterspensionskasse bezahlt hat, die bereits fällig gewordene und während 6 Jahren bezahlte Altersrente zu entziehen und ihn so seiner einzigen Esparnisse und damit sämtlicher Mittel zur Fristung seines Lebensunterhaltes zu berauben. Den berechtigten Interessen des SLB und der Beklagten ist mit dem Ausschluss des Klägers Genüge getan. Die beiden Organisationen haben kein schutzwürdiges Interesse, den Kläger im Elend verderben zu lassen. Wer wie die Beklagte vom Kläger die vollen statutarischen Gegenleistungen der Rente in Form von Prämien (Beiträgen) während Jahrzehnten bezogen hat, ohne selber etwas beizusteuern, muss nach allgemeiner sittlicher Auffassung dem Kläger das gewähren, was er auf Grund seiner Prämienzahlungen an Rechten erworben hat, und darf ihm nicht verweigern, was erfahrungsgemäss sein gesamtes Erspartes und den Zehrpfenning für das Alter darstellt.
Die Verwirkungsbestimmung in den Statuten des SLB und der Beklagten ist daher auf jeden Fall als unwirksam zu betrachten gegenüber einem Pensionsberechtigten, der nach jahrelanger Beitragszahlung den Versicherungsfall erlebt und damit einen selbständigen Anspruch auf die Rentenleistung erlangt hat.
Ob diese Bestimmung auch gegen die guten Sitten verstösst, soweit darin eine Rückzahlung von geleisteten Prämien vor Erreichung des Versicherungsfalles ausgeschlossen wird, ist heute nicht zu entscheiden.
Ob der Kläger, der das schweizerische Gastrecht missbraucht hat, von der Schweiz aus gesehen eine traurige Figur sei und ob er aus freiem Entschluss in eine nationalsozialistische Organisation eintrat oder nicht, spielt privatrechtlich, in der hier zu entscheidenden Frage, keine Rolle. Wegen seines Verhaltens vor und während des Krieges ist der Kläger von den schweizerischen Behörden des Landes verwiesen worden. Ihn deshalb unter Berufung auf die zivilrechtliche Vertrags- oder Verbandsfreiheit seiner Privatrechte verlustig zu erklären, geht dagegen nicht an. Was ihm vor seiner Ausweisung an Privatrechten zustand, bleibt ihm grundsätzlich erhalten, gleich wie eine Versicherungsgesellschaft auch einem Landesverräter gegenüber zu den vertraglichen Leistungen verpflichtet bliebe.
d) Um Überlegungen der vorstehenden Art zu begegnen, beruft sich die Beklagte auf denBGE 75 II 246ff., in welchem der Entzug der kantonalen Pension gegenüber einem ebenfalls aus der Schweiz ausgewiesenen Nationalsozialisten, der als Technikumsprofessor Beamter des Kantons Zürich gewesen war, geschützt wurde. Aus diesem Entscheid lässt sich jedoch für die Beurteilung der hier streitigen statutarischen Verwirkungsbestimmung nichts ableiten, da jener Fall in verschiedener Hinsicht anders lag:
(1) Es handelte sich dort um eine Beamtenpension, also um einen nicht dem Privatrecht, sondern dem öffentlichen Recht unterstehenden Anspruch. Für einen solchen gelten aber andere Gesichtspunkte als für das Privatrecht. Es sind öffentliche Interessen im Spiel, während im Bereich des Privatrechts in der Regel nur private Interessen in Frage stehen. So wiegt z.B. eine Verletzung der Treuepflicht durch einen Beamten gegenüber dem Gemeinwesen erheblich schwerer als die Verletzung einer bloss privatrechtlichen Treuepflicht. Das rechtfertigt es, im öffentlichen Recht andere, weitergehende Sanktionen vorzusehen. Daher kann eine Verwirkungsbestimmung der hier in Frage stehenden Art öffentlich-rechtlich statthaft oder sogar notwendig sein, während sie im Privatrecht, mindestens unter bestimmten Verhältnissen, unzulässig, sittenwidrig wäre.
(2) Bei der Pensionskasse eines Gemeinwesens leisten regelmässig nicht nur die Versicherten Beiträge. Daher erscheint es selbstverständlich, dass das Gemeinwesen unter bestimmten Voraussetzungen befugt sein muss, die Pensionsansprüche zu kürzen oder ganz auszuschliessen. Im vorliegenden Falle hat dagegen weder die Beklagte noch der SLB irgendwelche Leistungen an die Pensionskasse gemacht, sondern diese werden ausschliesslich von den Kassenmitgliedern aufgebracht.
(3) Bei einem Gemeinwesen können und müssen Gehalts- oder Pensionskürzungen durch das öffentliche Interesse gerechtfertigte Disziplinar- und Straffunktionen haben. Bei einer Pensionskasse des Privatrechts, wie die Beklagte sie darstellt, ist es dagegen nicht Sache der Kasse, irgendwelche Straffunktionen im Interesse der Allgemeinheit auszuüben. Denn privatrechtliche Verbände irgendwelcher Art haben keine öffentlichen Aufgaben und keine Interessen der Allgemeinheit wahrzunehmen.
4. Steht somit dem Kläger der streitige Rentenanspruch selbst dann zu, wenn er rechtsgültig aus der Beklagten und dem SLB ausgeschlossen sein sollte, so braucht nicht geprüft zu werden, ob ihm gegenüber ein Ausschliessungsbeschluss überhaupt gefasst worden ist und Wirksamkeit erlangt hat.
5. Die Beklagte verweigert die Ausrichtung der Rente an den in Deutschland wohnhaften Kläger schliesslich noch unter Berufung auf Art. 94 Abs. 2 der Statuten des SLB, wonach nach dem Ausland keine Unterstützungen ausbezahlt werden.
Diese Bestimmung kann indessen nicht dahin verstanden werden, dass bestehende Ansprüche wegen Verlegung des Wohnsitzes des Forderungsberechtigten ins Ausland verwirkt sein sollen. Das wäre geradezu widersinnig, wenn man an den Fall denkt, wo ein ausländisches Mitglied des SLB (und solche gab es zweifellos nicht selten) in seinen alten Tagen in seine ausländische Heimat zurückkehrt oder ein Rentenbezüger zu einem im Ausland verheirateten Kind übersiedelt. Die Bestimmung kann vernünftigerweise nur besagen, dass der Genossenschafter keinen Anspruch auf den Transfer hat, dass die Beklagte nicht verpflichtet sei (gar auf eigene Kosten) die Beträge ins Ausland zu überweisen; das heisst also, dass sie die Beträge an einer schweizerischen, vernünftigerweise vom Berechtigten vorzuschlagenden Zahlstelle zur Verfügung zu stellen hat, z.B. bei einer schweizerischen Bank oder bei einem schweizerischen, vom Kläger bezeichneten Zahlungsempfänger. Auch das Vertrauensprinzip gebietet, die vom SLB, bzw. von der Beklagten, nicht vom Kläger, formulierte Bestimmung des Art. 94 Abs. 2 in diesem Sinne auszulegen.
Hätte die Vorschrift tatsächlich den Sinn einer Verwirkungsbestimmung, so wäre sie nach Art. 19/20 OR als widerrechtlich oder mindestens sittenwidrig zu betrachten. Denn eine solche Bestimmung würde das Recht der Persönlichkeit verletzen, in welchem die grundsätzliche Freiheit zur freien Wahl des Wohnsitzes inbegriffen ist, solange keine sachlichen Gründe (z.B. Ausübung einer bestimmten Beamtung) die Beschränkung dieser Freiheit rechtfertigen.
6. Die Klage ist somit grundsätzlich begründet. (Rückweisung zur Abklärung des Quantitativs).
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts Zürich, I. Zivilkammer, vom 3. Dezember 1953 wird aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen. | de | Genossenschaftsrecht. Frage der Gültigkeit der Statutenbestimmung einer genossenschaftlichen Pensionskasse, wonach bei Ausschluss oder Austritt bereits entstandene Rentenansprüche dahinfallen.
1. Der Rentenanspruch ist kein Abfindungsanspruch i.S. von Art. 864 OR (Erw. 2).
2. Die statutarisch vorgesehene Verwirkung des Rentenanspruchs ist keine Konventionalstrafe (Erw. 3 a und b).
3. Ungültigkeit der Verwirkungsbestimmung unter dem Gesichtspunkt der guten Sitten, Art. 19, 20 OR (Erw. 3 c und d).
4, Tragweite der Statutenbestimmung, dass nach dem Ausland keine Renten ausbezahlt werden (Erw. 5). | de | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-123%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
235 | 80 II 123 | Sachverhalt ab Seite 124
A.- Lukas Lederer, geb. 1878, deutscher Staatsangehöriger, war seit 1903 - mit Ausnahme der Jahre 1908/09 - Mitglied des Schweiz. Lithographenbundes (SLB), der eine in die Rechtsform der Genossenschaft gekleidete Gewerkschaft ist.
Der SLB unterhält zur Erreichung seiner Zwecke u.a. eine "Allgemeine Unterstützungs-Institution des SLB" (AUI). Diese ist eine selbständige Genossenschaft, deren Organe aber mit denjenigen des SLB identisch sind (Art. 91 Statuten SLB). Die Mitgliedschaft bei der AUI ist für die Mitglieder des SLB obligatorisch (Art. 10 und 91 Statuten SLB). Der Austritt oder Ausschluss eines Mitgliedes aus dem SLB zieht auch den Austritt oder Ausschluss aus der AUI nach sich, mit der Folge, dass jedes Anspruchsrecht gegenüber dem Verband und seinen Institutionen erlischt; eine Rückvergütung einbezahlter Beiträge findet grundsätzlich nicht statt (Statuten SLB Art. 20, 95; AUI Art. 6). Die Ausschlussgründe sind in Art. 17 der Statuten des SLB aufgezählt; nach dessen lit. f kann ein Mitglied ausgeschlossen werden, "wenn es Handlungen begeht, welche die Interessen des Verbandes schädigen und den Grundsätzen desselben zuwiderlaufen". Das Ausschlussverfahren ist in Art. 17/18 der Statuten des SLB geregelt. Danach kann der Zentralvorstand auf Antrag einer Sektionsversammlung oder von sich aus ein Mitglied ausschliessen. Dem auszuschliessenden Mitglied steht das Recht zu, in der Sektionsversammlung, zu der es schriftlich unter Bekanntgabe der Umstände eingeladen werden muss, sich zu verteidigen. Gegen den Ausschluss kann es beim Zentralvorstand innert 4 Wochen den Entscheid der nächsten Delegiertenversammlung anrufen. Nach Art. 37 der Statuten des SLB und Art. 17 derjenigen der AUI müssen Anträge, die an der alljährlich im Mai stattfindenden Delegiertenversammlung zur Behandlung kommen sollen, bis Ende Februar dem Zentralvorstand eingereicht werden. Nach Art. 33 Ziff. 11 der Statuten des SLB und Art. 13 Ziff. 10 der Statuten der AUI ist die Delegiertenversammlung befugt, zu aktuellen Fragen Stellung zu nehmen.
Die AUI umfasst neben andern Kassen auch eine Invaliden- und Altersunterstützungskasse (Statuten SLB Art. 4 IV, AUI Art. 3). Zweck dieser Kasse ist nach Art. 30 der Statuten der AUI, die Mitglieder im Invaliditätsfalle oder im Alter von über 60 Jahren zu unterstützen. Die Mitglieder bezahlen in die Kasse je nach ihrem Eintrittsalter wöchentliche Beiträge von Fr. 3.50 bis 4.-. Sie erhalten im Invaliditätsfalle oder nach dem 60. Altersjahr bei Einstellung der Berufsarbeit eine Unterstützung, die je nach der Zahl der geleisteten Beiträge abgestuft ist und wöchentlich Fr. 9.- bis 36.- beträgt.
Lederer bezog ab 1938, nach Erreichung des 60. Altersjahres, eine Unterstützung von wöchentlich Fr. 26.50.
Durch BRB vom 29. Mai 1945 wurde Lederer aus der Schweiz ausgewiesen, weil er Mitglied der NSDAP sowie Obmann und Kassenleiter der Deutschen Arbeitsfront Olten war und sich als Denunziant betätigt hatte. Er verliess am 20. August 1945 die Schweiz.
Die Delegiertenversammlung des SLB und der AUI vom 2./3. Juni 1945 beschloss nach einlässlicher Diskussion: "Die von den Behörden des Landes verwiesenen Mitglieder des SLB gehen sämtlicher Rechte unserer Unterstützungs-Institution verlustig". Dieser Beschluss wurde ohne Vorankündigung und in Abwesenheit Lederers unter dem Traktandum "Aktuelle Fragen" gefasst.
Gestützt auf den Beschluss der Delegiertenversammlung verweigerte die AUI die Auszahlung weiterer Unterstützungen an Lederer. Dieser erkundigte sich mit Schreiben vom 10. Juli 1945 beim SLB unter Bezugnahme auf eine vorangegangene Besprechung nach den Gründen, aus denen ihm die weitere Unterstützung verweigert werde, und bemerkte, die Delegiertenversammlung sei nicht zuständig, einem Mitglied seine Unterstützungen zu entziehen, die es sich durch seine Beitragsleistungen erworben habe.
Der Präsident der Sektion Zofingen des SLB, Lorenz, bestätigte Lederer mit Schreiben vom 12. August 1945, dass er weiterhin keine Unterstützung mehr zu beziehen habe und dass bei einer Erkundigung bei der schweizerischen Bundesanwaltschaft wohl genügend Material zu Tage träte, um seinen Ausschluss aus dem SLB zu rechtfertigen. Ebenso teilte der Zentralvorstand am 18. August 1945 Lederer mit, er erhalte die Unterstützung noch bis zum 18. August 1945 und fügte bei: "Als Mitglied des Lithographenbundes werden Sie ab 18. August 1945 abgemeldet".
Lederer, der seit 1945 in Gottmadingen (Baden) wohnt und auf öffentliche Unterstützung angewiesen ist, unternahm in den Jahren 1948 und 1951/53 erfolglose Bemühungen, um die weitere Auszahlung der Unterstützungsleistungen der AUI zu erwirken.
B.- Am 22. April/11. Juli 1953 erhob Lederer gegen die AUI des SLB Klage auf Verurteilung der Beklagten zur Bezahlung der seit 1945 aufgelaufenen Rentenbeträge und zur Ausrichtung der Rente auf seine Lebensdauer.
Zur Begründung machte der Kläger im wesentlichen geltend, er sei immer noch Mitglied des SLB, da ein Ausschliessungsbeschluss nie erfolgt sei; auf jeden Fall sei ihm ein solcher nie mitgeteilt worden. Eventuell sei der Beschluss der Delegiertenversammlung von 1945 nicht rechtsgültig, weil er nicht im statutarisch vorgeschriebenen Verfahren zustande gekommen sei. Weiter eventuell nahm er den Standpunkt ein, der Rentenanspruch könne ihm selbst dann nicht entzogen werden, wenn er tatsächlich und zu Recht aus dem SLB ausgeschlossen worden sein sollte.
Die Beklagte beantragte Abweisung der Klage, weil der Kläger zu Recht und statutengemäss aus dem SLB ausgeschlossen worden sei, was den Verlust aller Ansprüche gegenüber der Beklagten nach sich gezogen habe.
C.- Bezirksgericht und Obergericht Zürich, dieses mit Urteil vom 3. Dezember 1953, wiesen die Klage ab.
Das Obergericht nahm mit der I. Instanz an, durch den Beschluss der Delegiertenversammlung von 1945 sei der Kläger seiner Mitgliedschaft beim SLB und bei der Beklagten verlustig erklärt worden. Dieser Beschluss sei dem Kläger zur Kenntnis gelangt und von ihm auch als Ausschluss aufgefasst worden. Im Gegensatz zur I. Instanz entschied das Obergericht jedoch, dass der Beschluss an einem formellen Mangel gelitten habe, da entgegen den statutarischen und gesetzlichen Vorschriften der Delegiertenversammlung nicht angekündigt worden sei, dass über den Ausschluss von Mitgliedern beschlossen werden solle. Entgegen der Meinung des Klägers habe dieser Mangel aber nicht die Nichtigkeit, sondern nur die Anfechtbarkeit des Beschlusses bewirkt. Mangels rechtzeitiger Anfechtung durch den Kläger habe der Beschluss dann aber doch Gültigkeit erlangt. Dass Gericht habe daher die materielle Begründetheit des Ausschlusses, die übrigens nicht zweifelhaft sei, nicht zu überprüfen. Der Ausschluss des Klägers ziehe nach den Statuten des SLB und der Beklagten den Verlust aller Ansprüche nach sich. Das Obergericht verwarf schliesslich auch den Eventualstandpunkt des Klägers, dass er trotz rechtsgültigem Ausschluss gleichwohl Anspruch auf die streitige Rente habe; denn es handle sich nicht um einen vertraglichen Versicherungsanspruch, sondern um ein zusätzliches genossenschaftliches Beteiligungsrecht vermögensrechtlicher Art, das nach den Statuten bei Verlust der Mitgliedschaft ebenfalls untergehe.
D.- Mit der vorliegenden Berufung hält der Kläger an seinen vor den kantonalen Instanzen gestellten Begehren fest.
Die Beklagte beantragt Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen Entscheides.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Wenn dem Kläger auch im Falle des Ausschlusses ein Rentenanspruch zusteht, so ist die Frage, ob ein rechtsgültiger Ausschluss vorliege, bedeutungslos. Es ist daher in erster Linie dieser Eventualstandpunkt des Klägers zu untersuchen.
2. Die eingangs erwähnten Statutenbestimmungen (SLB Art. 20, 95, AUI Art. 6) lassen keinen Zweifel darüber aufkommen, dass die Statuten jeglichen Anspruch eines ausscheidenden Mitgliedes ausschliessen wollen. Indessen fragt sich, ob diese statutarische Regelung vor dem Gesetze Bestand habe.
a) Das ist unzweifelhaft der Fall, soweit irgendwelche Ansprüche eines ausscheidenden Genossenschafters auf Anteil am Genossenschaftsvermögen als solchem in Frage stehen. Denn gleich wie Art. 73 Abs. 1 ZGB im Bereich des Vereinsrechts, so schliesst auch bei der Genossenschaft Art. 865 Abs. 1 OR (unter Vorbehalt des hier nicht in Betracht kommenden Sonderfalles von Art. 865 Abs. 2) einen Abfindungsanspruch des Ausscheidenden grundsätzlich mangels gegenteiliger Statutenbestimmung (Art. 864 OR) aus. Ein Abfindungsanspruch steht somit dem Kläger nach Gesetz wie nach den Statuten nicht zu.
b) Nun macht aber der Kläger keinen Abfindungsanspruch am Genossenschaftsvermögen geltend, sondern einen Rentenanspruch, für dessen Erlangung er während 33 Jahren Beiträge geleistet hat, der sogar im Dezember 1938 fällig geworden und von diesem Zeitpunkt an bis im Sommer 1945 von der Beklagten erfüllt worden ist. Die Vorinstanz erklärt indessen (Urteil S. 17 f.), der Kläger verlange damit gleichwohl nur einen "Anteil am Vermögen der Beklagten". Dieser Einwand schlägt jedoch nicht durch.
Die Invaliden- und Altersunterstützungskasse der Beklagten hat unstreitig die Aufgabe einer Pensionskasse für invalide oder den Beruf altershalber nicht mehr ausübende Mitglieder. Ihr gehören ausschliesslich die Mitglieder des SLB an, die ausnahmslos Arbeitnehmer sind, und diese allein finanzieren die Kasse durch ihre statutarisch festgesetzten Beiträge. Diese genossenschaftliche Pensionskasse ist eine - wenn auch nicht konzessionspflichtige - Versicherung im weiteren Sinn. Denn bei ihr sind alle wesentlichen Merkmale einer Versicherung im weiteren Sinn vorhanden: planmässiger Betrieb; einheitlich festgesetzte Leistungen der Mitglieder an die Kasse und der Kasse bei Invalidität und Alter der Mitglieder; zeitlich unbegrenzter Betrieb (vgl.BGE 76 I 368).
Das zwischen dem Mitglied und der Kasse bestehende Versicherungsverhältnis ist nun allerdings ein Ausfluss der Mitgliedschaft beim Verband, der die Pensionskasse im Rahmen seiner Zwecke unterhält. Hieraus folgt, dass der eingeklagte Rentenanspruch des Klägers nicht vertraglicher Natur ist; er beruht nicht auf einem selbständigen Versicherungsvertrag, sondern auf der Mitgliedschaft beim SLB. Das Versicherungsverhältnis bildet deshalb einen vermögensrechtlichen Bestandteil der Mitgliedschaft, wie die Vorinstanz an sich zutreffend annimmt.
Das schliesst aber nicht aus, dass ein Forderungsanspruch aus diesem Versicherungsverhältnis nicht rechtlich selbständig werden könne, und ebensowenig folgt daraus, dass dieser Anspruch stets mit der Mitgliedschaft verbunden bleiben muss, also verloren geht, wenn die Mitgliedschaft dahinfällt. Eine Leistungspflicht, die einmal entstanden ist - hier entstand sie mit der Erreichung der Altersgrenze und gleichzeitigem Verzicht auf Berufsausübung seitens des Klägers im Jahre 1938 -, ist selbständiger Natur, auch wenn sie auf mitgliedschaftlicher Grundlage beruht (so auch EGGER, ZGB Art. 73 N. 2 in Bezug auf noch während der Mitgliedschaft festgesetzte Dividenden). Vom Eintritt des Versicherungsfalles an besitzt das Mitglied eine Forderung auf Leistung der Renten, die mit der Entstehung der Rentenberechtigung selbständigen Charakter erlangt hat und die Eigenschaft eines wohlerworbenen Rechts (BGE 61 II 171ff.) besitzt. Ein solcher zu einer selbständigen Forderung gewordener Anspruch stellt aber keinen Abfindungsanspruch im Sinne von Art. 864/65 OR gegenüber dem Vermögen der Genossenschaft dar, auch wenn die Genossenschaft Schuldner ist und diesen Anspruch aus ihrem Vermögen befriedigen muss.
c) Diese Überlegung findet eine Bestätigung in der Regelung, die das Gesetz in Art. 862 Abs. 4 und Art. 673 Abs. 4 OR für die Rechtsstellung der aus einem Wohlfahrtsfonds begünstigten Arbeitnehmer einer A.-.G. oder einer Genossenschaft vorsieht. Solche Wohlfahrtsfonds sind bekanntlich häufig reine Pensionskassen. Entgegen dem Wortlaut des Gesetzes können sie nicht bloss in der Rechtsform einer Stiftung, sondern auch in derjenigen einer Genossenschaft verwirklicht werden (BÜRGI, OR Art. 673 N. 40, 55-59; MEIER, Die Genossenschaft als Rechtsform für die Pensionskasse, S. 22 ff.). Für derartige genossenschaftlich aufgezogene Pensionskassen schreibt nun das Gesetz in den erwähnten Bestimmungen vor, dass den Arbeitnehmern, die wegen Auflösung des Dienstverhältnisses ausscheiden, "mindestens die Summe der von ihnen geleisteten Zahlungen herauszugeben ist, sofern sie nicht gemäss den Stiftungsbestimmungen in den Genuss des Wohlfahrtsfonds eintreten". Da diese Gesetzesvorschrift zwingend ist und der Natur der Sache nach eine dem Art. 865 OR vorgehende Sonderbestimmung darstellt, hat in diesem Falle ein Mitglied einer derartigen genossenschaftlichen Pensionskasse einen unentziehbaren Anspruch auf Prämienrückerstattung, soweit es nicht bereits oder künftig rentenberechtigt ist. Solche Rentenberechtigung geht also der Prämienrückerstattung vor. Daraus folgt selbstverständlich, dass dem Arbeitnehmer ein bereits entstandener Rentenanspruch nicht mehr entzogen werden kann.
Dem lässt sich nicht etwa entgegenhalten, es handle sich um eine besondere Ordnung für die Pensionskasse als Erscheinungsform eines Wohlfahrtsfonds. Der Unterschied gegenüber dem hier in Frage stehenden Fall einer reinen Arbeitnehmerpensionskasse besteht einzig darin, dass hier die Mitgliedschaft bei einem Verein oder einer Genossenschaft Voraussetzung der Kassenzugehörigkeit ist, während diese dort vom Bestehen eines Dienstverhältnisses mit der A.-.G. oder der Genossenschaft, der die Pensionskasse angegliedert ist, abhängt. Das ist aber eine ganz untergeordnete Verschiedenheit. Der Grund für die Rückerstattungspflicht liegt natürlich darin, dass der Arbeitnehmer Beiträge geleistet hat, deren Verfall als ungerecht erscheinen würde, weil die Rückerstattung einem ethischen Bedürfnis entspricht. Diese innere Rechtfertigung ist auch im Falle einer reinen Arbeitnehmerpensionskasse, ja sogar noch in vermehrtem Masse, gegeben. Denn hier handelt es sich um eine ausschliesslich von Arbeitnehmern gespiesene Kasse. Folgerichtig muss dem Kassenangehörigen auf jeden Fall eine bereits entstandene Rentenforderung als selbständiger Anspruch erhalten bleiben, auch wenn er als Kassenmitglied ausscheidet. Denn er hat die statutarischen Beiträge geleistet und den Versicherungsfall erlebt.
Im Falle der Personalkassen nach Art. 862 Abs. 4 und 673 Abs. 4 OR bleiben die Ansprüche des Arbeitnehmers auch bestehen, wenn das Dienstverhältnis aus seinem Verschulden aufgelöst wird. Dasselbe muss gelten für eine reine Arbeitnehmerpensionskasse. Auch bei einer solchen bleibt der Anspruch bestehen, selbst wenn die für die Kassenzugehörigkeit vorausgesetzte Mitgliedschaft bei einem andern Verbande aufhört, gleichgültig, ob mit oder ohne Verschulden des Kassenmitgliedes. Denn die rechtlich massgebenden Gesichtspunkte sind in beiden Fällen die gleichen.
3. Die Beklagte und mit ihr die Vorinstanz vertreten nun aber die Auffassung, es sei zulässig, auf dem Wege besonderer Statutenbestimmungen - wie sie gerade hier vorliegen - die Rückzahlung geleisteter Beiträge, ja sogar die Ausrichtung fällig gewordenen Renten auszuschliessen in jenen Fällen, wo ein Kassengehöriger die für die Kassenzugehörigkeit vorausgesetzte Mitgliedschaft bei einem andern Verbande verliere, sei es durch Austritt, sei es durch Ausschluss, aber jedenfalls bei verschuldetem Ausschluss.
a) Derartige Statutenbestimmungen, wie sie hier vorliegen, verordnen die Verwirkung von Rechten oder allenfalls von Anwartschaften. Sie verschärfen die Folgen eines Austrittes oder Ausschlusses. Sie erschweren den Austritt und können sogar praktisch die grundsätzlich gewährleistete Austrittsfreiheit (OR Art. 842) vernichten. Im Falle des Ausschlusses bedeuten sie eine empfindliche Strafe. Der Verlust aller Ansprüche kann den Ausgeschlossenen schwer treffen, ihm sogar sein Auskommen und seine Existenz nehmen. Denn nach der Lebenserfahrung bilden Pensionsanwartschaften oder bereits entstandene Altersrentenforderungen oft die einzigen Ersparnisse eines Arbeitnehmers, so dass er aus der Invaliditätsrente oder - wie der Kläger - aus der Altersrente sein Leben fristen muss. Es kann daher keine Rede davon sein, dass solche Verwirkung in jedem Falle und ohne jede rechtliche Schranke zulässig sein könnte. Gleich wie die Vertragsfreiheit nur in den Schranken des Gesetzes, der öffentlichen Ordnung, des Rechts der Persönlichkeit und der guten Sitten besteht, so besteht auch die Freiheit zur beliebigen Gestaltung von Verbandsstatuten nur innerhalb dieser Schranken.
b) Es ist versucht worden, derartige Verwirkungsbestimmungen, wie sie hier in Frage stehen, als Verbandsstrafen aufzufassen und zu behandeln. Verbandsstrafen, wie Geldstrafen, Bussen und dergleichen sind ihrer Natur nach Konventionalstrafen und unterliegen den gesetzlichen Bestimmungen über solche, namentlich auch der Herabsetzung nach Art. 163 OR (EGGER ZGB Art. 71 N. 10). Dass es sich im vorliegenden Falle nicht um die Verletzung vertraglicher Verpflichtungen handelt, sondern um die Verletzung statutarisch festgelegter Verbandspflichten, stände einer Anwendung der Bestimmungen über die Konventionalstrafe nicht im Wege. Ebenso ist auch eine statutarische Verpflichtung, bei Austritt oder Ausschluss empfangene Bezüge, wie z.B. Streikgelder, wieder zurückzuzahlen, als Konventionalstrafbestimmung zu betrachten; denn es handelt sich dabei um die Erbringung einer Leistung im Falle der Nichterfüllung oder Verletzung einer Verpflichtung. Verwirkungsklauseln, nach welchen Ansprüche auf Unterstützung und andere Verbandsleistungen bei pflichtwidrigem Verhalten eines Miitgliedes entfallen, können dagegen (entgegen der Meinung von EGGER a.a.O.) nicht einer Konventionalstrafbestimmung gleichgestellt werden. Denn für eine solche ist das in solchen Fällen fehlende Versprechen einer Leistung begriffswesentlich. Bei der Revision des OR wurde ein Antrag, von diesem Erfordernis abzusehen und jede Übernahme eines Rechtsnachteils der Leistung (Strafleistung) gleichzustellen, ausdrücklich abgelehnt (verg. OSER/SCHÖNENBERGER, Vorbem. zu Art. 160/63 OR, N. 5). Daraus folgt, dass nach geltendem Recht die Übernahme eines andern Rechtsnachteils als einer Geld- oder sonstigen Leistung nicht den Bestimmungen über die Konventionalstrafe untersteht (so ausser OSER/SCHÖNENBERGER a.a.O. auch BECKER 2. Aufl. Art. 160 OR N. 5 und v. TUHR/SIEGWART OR § 87 S. 724). Eine Heranziehung dieser Vorschriften als Schranke für die statutarische Verwirkung der dem Kläger zustehenden Rentenansprüche kommt daher nicht in Betracht.
c) Die Lösung der Frage nach der Zulässigkeit und Wirksamkeit einer Statutenbestimmung, die als Folge des Ausschlusses von der Mitgliedschaft den Verlust eines bereits zur Entstehung gelangten Rentenanspruchs vorsieht, muss auf Grund von Art. 19/20 OR getroffen werden. Danach kann aber nicht zweifelhaft sein, dass eine solche Verwirkungsbestimmung in einem Falle, wie er hier vorliegt, gegen die guten Sitten verstösst. Denn es läuft jedem Rechtsempfinden und der elementarsten Billigkeit zuwider, dem Kläger, nachdem er während 33 Jahren ganz erhebliche Prämien an die Alterspensionskasse bezahlt hat, die bereits fällig gewordene und während 6 Jahren bezahlte Altersrente zu entziehen und ihn so seiner einzigen Esparnisse und damit sämtlicher Mittel zur Fristung seines Lebensunterhaltes zu berauben. Den berechtigten Interessen des SLB und der Beklagten ist mit dem Ausschluss des Klägers Genüge getan. Die beiden Organisationen haben kein schutzwürdiges Interesse, den Kläger im Elend verderben zu lassen. Wer wie die Beklagte vom Kläger die vollen statutarischen Gegenleistungen der Rente in Form von Prämien (Beiträgen) während Jahrzehnten bezogen hat, ohne selber etwas beizusteuern, muss nach allgemeiner sittlicher Auffassung dem Kläger das gewähren, was er auf Grund seiner Prämienzahlungen an Rechten erworben hat, und darf ihm nicht verweigern, was erfahrungsgemäss sein gesamtes Erspartes und den Zehrpfenning für das Alter darstellt.
Die Verwirkungsbestimmung in den Statuten des SLB und der Beklagten ist daher auf jeden Fall als unwirksam zu betrachten gegenüber einem Pensionsberechtigten, der nach jahrelanger Beitragszahlung den Versicherungsfall erlebt und damit einen selbständigen Anspruch auf die Rentenleistung erlangt hat.
Ob diese Bestimmung auch gegen die guten Sitten verstösst, soweit darin eine Rückzahlung von geleisteten Prämien vor Erreichung des Versicherungsfalles ausgeschlossen wird, ist heute nicht zu entscheiden.
Ob der Kläger, der das schweizerische Gastrecht missbraucht hat, von der Schweiz aus gesehen eine traurige Figur sei und ob er aus freiem Entschluss in eine nationalsozialistische Organisation eintrat oder nicht, spielt privatrechtlich, in der hier zu entscheidenden Frage, keine Rolle. Wegen seines Verhaltens vor und während des Krieges ist der Kläger von den schweizerischen Behörden des Landes verwiesen worden. Ihn deshalb unter Berufung auf die zivilrechtliche Vertrags- oder Verbandsfreiheit seiner Privatrechte verlustig zu erklären, geht dagegen nicht an. Was ihm vor seiner Ausweisung an Privatrechten zustand, bleibt ihm grundsätzlich erhalten, gleich wie eine Versicherungsgesellschaft auch einem Landesverräter gegenüber zu den vertraglichen Leistungen verpflichtet bliebe.
d) Um Überlegungen der vorstehenden Art zu begegnen, beruft sich die Beklagte auf denBGE 75 II 246ff., in welchem der Entzug der kantonalen Pension gegenüber einem ebenfalls aus der Schweiz ausgewiesenen Nationalsozialisten, der als Technikumsprofessor Beamter des Kantons Zürich gewesen war, geschützt wurde. Aus diesem Entscheid lässt sich jedoch für die Beurteilung der hier streitigen statutarischen Verwirkungsbestimmung nichts ableiten, da jener Fall in verschiedener Hinsicht anders lag:
(1) Es handelte sich dort um eine Beamtenpension, also um einen nicht dem Privatrecht, sondern dem öffentlichen Recht unterstehenden Anspruch. Für einen solchen gelten aber andere Gesichtspunkte als für das Privatrecht. Es sind öffentliche Interessen im Spiel, während im Bereich des Privatrechts in der Regel nur private Interessen in Frage stehen. So wiegt z.B. eine Verletzung der Treuepflicht durch einen Beamten gegenüber dem Gemeinwesen erheblich schwerer als die Verletzung einer bloss privatrechtlichen Treuepflicht. Das rechtfertigt es, im öffentlichen Recht andere, weitergehende Sanktionen vorzusehen. Daher kann eine Verwirkungsbestimmung der hier in Frage stehenden Art öffentlich-rechtlich statthaft oder sogar notwendig sein, während sie im Privatrecht, mindestens unter bestimmten Verhältnissen, unzulässig, sittenwidrig wäre.
(2) Bei der Pensionskasse eines Gemeinwesens leisten regelmässig nicht nur die Versicherten Beiträge. Daher erscheint es selbstverständlich, dass das Gemeinwesen unter bestimmten Voraussetzungen befugt sein muss, die Pensionsansprüche zu kürzen oder ganz auszuschliessen. Im vorliegenden Falle hat dagegen weder die Beklagte noch der SLB irgendwelche Leistungen an die Pensionskasse gemacht, sondern diese werden ausschliesslich von den Kassenmitgliedern aufgebracht.
(3) Bei einem Gemeinwesen können und müssen Gehalts- oder Pensionskürzungen durch das öffentliche Interesse gerechtfertigte Disziplinar- und Straffunktionen haben. Bei einer Pensionskasse des Privatrechts, wie die Beklagte sie darstellt, ist es dagegen nicht Sache der Kasse, irgendwelche Straffunktionen im Interesse der Allgemeinheit auszuüben. Denn privatrechtliche Verbände irgendwelcher Art haben keine öffentlichen Aufgaben und keine Interessen der Allgemeinheit wahrzunehmen.
4. Steht somit dem Kläger der streitige Rentenanspruch selbst dann zu, wenn er rechtsgültig aus der Beklagten und dem SLB ausgeschlossen sein sollte, so braucht nicht geprüft zu werden, ob ihm gegenüber ein Ausschliessungsbeschluss überhaupt gefasst worden ist und Wirksamkeit erlangt hat.
5. Die Beklagte verweigert die Ausrichtung der Rente an den in Deutschland wohnhaften Kläger schliesslich noch unter Berufung auf Art. 94 Abs. 2 der Statuten des SLB, wonach nach dem Ausland keine Unterstützungen ausbezahlt werden.
Diese Bestimmung kann indessen nicht dahin verstanden werden, dass bestehende Ansprüche wegen Verlegung des Wohnsitzes des Forderungsberechtigten ins Ausland verwirkt sein sollen. Das wäre geradezu widersinnig, wenn man an den Fall denkt, wo ein ausländisches Mitglied des SLB (und solche gab es zweifellos nicht selten) in seinen alten Tagen in seine ausländische Heimat zurückkehrt oder ein Rentenbezüger zu einem im Ausland verheirateten Kind übersiedelt. Die Bestimmung kann vernünftigerweise nur besagen, dass der Genossenschafter keinen Anspruch auf den Transfer hat, dass die Beklagte nicht verpflichtet sei (gar auf eigene Kosten) die Beträge ins Ausland zu überweisen; das heisst also, dass sie die Beträge an einer schweizerischen, vernünftigerweise vom Berechtigten vorzuschlagenden Zahlstelle zur Verfügung zu stellen hat, z.B. bei einer schweizerischen Bank oder bei einem schweizerischen, vom Kläger bezeichneten Zahlungsempfänger. Auch das Vertrauensprinzip gebietet, die vom SLB, bzw. von der Beklagten, nicht vom Kläger, formulierte Bestimmung des Art. 94 Abs. 2 in diesem Sinne auszulegen.
Hätte die Vorschrift tatsächlich den Sinn einer Verwirkungsbestimmung, so wäre sie nach Art. 19/20 OR als widerrechtlich oder mindestens sittenwidrig zu betrachten. Denn eine solche Bestimmung würde das Recht der Persönlichkeit verletzen, in welchem die grundsätzliche Freiheit zur freien Wahl des Wohnsitzes inbegriffen ist, solange keine sachlichen Gründe (z.B. Ausübung einer bestimmten Beamtung) die Beschränkung dieser Freiheit rechtfertigen.
6. Die Klage ist somit grundsätzlich begründet. (Rückweisung zur Abklärung des Quantitativs).
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts Zürich, I. Zivilkammer, vom 3. Dezember 1953 wird aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen. | de | Société coopérative. De la validité d'une disposition figurant dans les statuts d'une caisse de pension coopérative et prévoyant que les membres exclus ou démissionnaires sont déchus de leur droit à la rente.
1. Le droit à la rente n'est pas un droit à l'avoir social au sens de l'art. 864 CO (consid. 2).
2. La déchéance du droit à la rente, prévue par les statuts, n'est pas une peine conventionnelle (consid. 3 a et b).
3. Nullité de la clause de déchéance comme contraire aux moeurs, art. 19 et 20 CO (consid. 3 c et d).
4. Portée d'une disposition statutaire selon laquelle aucune rente n'est payée à l'étranger (consid. 5). | fr | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-123%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
236 | 80 II 123 | Sachverhalt ab Seite 124
A.- Lukas Lederer, geb. 1878, deutscher Staatsangehöriger, war seit 1903 - mit Ausnahme der Jahre 1908/09 - Mitglied des Schweiz. Lithographenbundes (SLB), der eine in die Rechtsform der Genossenschaft gekleidete Gewerkschaft ist.
Der SLB unterhält zur Erreichung seiner Zwecke u.a. eine "Allgemeine Unterstützungs-Institution des SLB" (AUI). Diese ist eine selbständige Genossenschaft, deren Organe aber mit denjenigen des SLB identisch sind (Art. 91 Statuten SLB). Die Mitgliedschaft bei der AUI ist für die Mitglieder des SLB obligatorisch (Art. 10 und 91 Statuten SLB). Der Austritt oder Ausschluss eines Mitgliedes aus dem SLB zieht auch den Austritt oder Ausschluss aus der AUI nach sich, mit der Folge, dass jedes Anspruchsrecht gegenüber dem Verband und seinen Institutionen erlischt; eine Rückvergütung einbezahlter Beiträge findet grundsätzlich nicht statt (Statuten SLB Art. 20, 95; AUI Art. 6). Die Ausschlussgründe sind in Art. 17 der Statuten des SLB aufgezählt; nach dessen lit. f kann ein Mitglied ausgeschlossen werden, "wenn es Handlungen begeht, welche die Interessen des Verbandes schädigen und den Grundsätzen desselben zuwiderlaufen". Das Ausschlussverfahren ist in Art. 17/18 der Statuten des SLB geregelt. Danach kann der Zentralvorstand auf Antrag einer Sektionsversammlung oder von sich aus ein Mitglied ausschliessen. Dem auszuschliessenden Mitglied steht das Recht zu, in der Sektionsversammlung, zu der es schriftlich unter Bekanntgabe der Umstände eingeladen werden muss, sich zu verteidigen. Gegen den Ausschluss kann es beim Zentralvorstand innert 4 Wochen den Entscheid der nächsten Delegiertenversammlung anrufen. Nach Art. 37 der Statuten des SLB und Art. 17 derjenigen der AUI müssen Anträge, die an der alljährlich im Mai stattfindenden Delegiertenversammlung zur Behandlung kommen sollen, bis Ende Februar dem Zentralvorstand eingereicht werden. Nach Art. 33 Ziff. 11 der Statuten des SLB und Art. 13 Ziff. 10 der Statuten der AUI ist die Delegiertenversammlung befugt, zu aktuellen Fragen Stellung zu nehmen.
Die AUI umfasst neben andern Kassen auch eine Invaliden- und Altersunterstützungskasse (Statuten SLB Art. 4 IV, AUI Art. 3). Zweck dieser Kasse ist nach Art. 30 der Statuten der AUI, die Mitglieder im Invaliditätsfalle oder im Alter von über 60 Jahren zu unterstützen. Die Mitglieder bezahlen in die Kasse je nach ihrem Eintrittsalter wöchentliche Beiträge von Fr. 3.50 bis 4.-. Sie erhalten im Invaliditätsfalle oder nach dem 60. Altersjahr bei Einstellung der Berufsarbeit eine Unterstützung, die je nach der Zahl der geleisteten Beiträge abgestuft ist und wöchentlich Fr. 9.- bis 36.- beträgt.
Lederer bezog ab 1938, nach Erreichung des 60. Altersjahres, eine Unterstützung von wöchentlich Fr. 26.50.
Durch BRB vom 29. Mai 1945 wurde Lederer aus der Schweiz ausgewiesen, weil er Mitglied der NSDAP sowie Obmann und Kassenleiter der Deutschen Arbeitsfront Olten war und sich als Denunziant betätigt hatte. Er verliess am 20. August 1945 die Schweiz.
Die Delegiertenversammlung des SLB und der AUI vom 2./3. Juni 1945 beschloss nach einlässlicher Diskussion: "Die von den Behörden des Landes verwiesenen Mitglieder des SLB gehen sämtlicher Rechte unserer Unterstützungs-Institution verlustig". Dieser Beschluss wurde ohne Vorankündigung und in Abwesenheit Lederers unter dem Traktandum "Aktuelle Fragen" gefasst.
Gestützt auf den Beschluss der Delegiertenversammlung verweigerte die AUI die Auszahlung weiterer Unterstützungen an Lederer. Dieser erkundigte sich mit Schreiben vom 10. Juli 1945 beim SLB unter Bezugnahme auf eine vorangegangene Besprechung nach den Gründen, aus denen ihm die weitere Unterstützung verweigert werde, und bemerkte, die Delegiertenversammlung sei nicht zuständig, einem Mitglied seine Unterstützungen zu entziehen, die es sich durch seine Beitragsleistungen erworben habe.
Der Präsident der Sektion Zofingen des SLB, Lorenz, bestätigte Lederer mit Schreiben vom 12. August 1945, dass er weiterhin keine Unterstützung mehr zu beziehen habe und dass bei einer Erkundigung bei der schweizerischen Bundesanwaltschaft wohl genügend Material zu Tage träte, um seinen Ausschluss aus dem SLB zu rechtfertigen. Ebenso teilte der Zentralvorstand am 18. August 1945 Lederer mit, er erhalte die Unterstützung noch bis zum 18. August 1945 und fügte bei: "Als Mitglied des Lithographenbundes werden Sie ab 18. August 1945 abgemeldet".
Lederer, der seit 1945 in Gottmadingen (Baden) wohnt und auf öffentliche Unterstützung angewiesen ist, unternahm in den Jahren 1948 und 1951/53 erfolglose Bemühungen, um die weitere Auszahlung der Unterstützungsleistungen der AUI zu erwirken.
B.- Am 22. April/11. Juli 1953 erhob Lederer gegen die AUI des SLB Klage auf Verurteilung der Beklagten zur Bezahlung der seit 1945 aufgelaufenen Rentenbeträge und zur Ausrichtung der Rente auf seine Lebensdauer.
Zur Begründung machte der Kläger im wesentlichen geltend, er sei immer noch Mitglied des SLB, da ein Ausschliessungsbeschluss nie erfolgt sei; auf jeden Fall sei ihm ein solcher nie mitgeteilt worden. Eventuell sei der Beschluss der Delegiertenversammlung von 1945 nicht rechtsgültig, weil er nicht im statutarisch vorgeschriebenen Verfahren zustande gekommen sei. Weiter eventuell nahm er den Standpunkt ein, der Rentenanspruch könne ihm selbst dann nicht entzogen werden, wenn er tatsächlich und zu Recht aus dem SLB ausgeschlossen worden sein sollte.
Die Beklagte beantragte Abweisung der Klage, weil der Kläger zu Recht und statutengemäss aus dem SLB ausgeschlossen worden sei, was den Verlust aller Ansprüche gegenüber der Beklagten nach sich gezogen habe.
C.- Bezirksgericht und Obergericht Zürich, dieses mit Urteil vom 3. Dezember 1953, wiesen die Klage ab.
Das Obergericht nahm mit der I. Instanz an, durch den Beschluss der Delegiertenversammlung von 1945 sei der Kläger seiner Mitgliedschaft beim SLB und bei der Beklagten verlustig erklärt worden. Dieser Beschluss sei dem Kläger zur Kenntnis gelangt und von ihm auch als Ausschluss aufgefasst worden. Im Gegensatz zur I. Instanz entschied das Obergericht jedoch, dass der Beschluss an einem formellen Mangel gelitten habe, da entgegen den statutarischen und gesetzlichen Vorschriften der Delegiertenversammlung nicht angekündigt worden sei, dass über den Ausschluss von Mitgliedern beschlossen werden solle. Entgegen der Meinung des Klägers habe dieser Mangel aber nicht die Nichtigkeit, sondern nur die Anfechtbarkeit des Beschlusses bewirkt. Mangels rechtzeitiger Anfechtung durch den Kläger habe der Beschluss dann aber doch Gültigkeit erlangt. Dass Gericht habe daher die materielle Begründetheit des Ausschlusses, die übrigens nicht zweifelhaft sei, nicht zu überprüfen. Der Ausschluss des Klägers ziehe nach den Statuten des SLB und der Beklagten den Verlust aller Ansprüche nach sich. Das Obergericht verwarf schliesslich auch den Eventualstandpunkt des Klägers, dass er trotz rechtsgültigem Ausschluss gleichwohl Anspruch auf die streitige Rente habe; denn es handle sich nicht um einen vertraglichen Versicherungsanspruch, sondern um ein zusätzliches genossenschaftliches Beteiligungsrecht vermögensrechtlicher Art, das nach den Statuten bei Verlust der Mitgliedschaft ebenfalls untergehe.
D.- Mit der vorliegenden Berufung hält der Kläger an seinen vor den kantonalen Instanzen gestellten Begehren fest.
Die Beklagte beantragt Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen Entscheides.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Wenn dem Kläger auch im Falle des Ausschlusses ein Rentenanspruch zusteht, so ist die Frage, ob ein rechtsgültiger Ausschluss vorliege, bedeutungslos. Es ist daher in erster Linie dieser Eventualstandpunkt des Klägers zu untersuchen.
2. Die eingangs erwähnten Statutenbestimmungen (SLB Art. 20, 95, AUI Art. 6) lassen keinen Zweifel darüber aufkommen, dass die Statuten jeglichen Anspruch eines ausscheidenden Mitgliedes ausschliessen wollen. Indessen fragt sich, ob diese statutarische Regelung vor dem Gesetze Bestand habe.
a) Das ist unzweifelhaft der Fall, soweit irgendwelche Ansprüche eines ausscheidenden Genossenschafters auf Anteil am Genossenschaftsvermögen als solchem in Frage stehen. Denn gleich wie Art. 73 Abs. 1 ZGB im Bereich des Vereinsrechts, so schliesst auch bei der Genossenschaft Art. 865 Abs. 1 OR (unter Vorbehalt des hier nicht in Betracht kommenden Sonderfalles von Art. 865 Abs. 2) einen Abfindungsanspruch des Ausscheidenden grundsätzlich mangels gegenteiliger Statutenbestimmung (Art. 864 OR) aus. Ein Abfindungsanspruch steht somit dem Kläger nach Gesetz wie nach den Statuten nicht zu.
b) Nun macht aber der Kläger keinen Abfindungsanspruch am Genossenschaftsvermögen geltend, sondern einen Rentenanspruch, für dessen Erlangung er während 33 Jahren Beiträge geleistet hat, der sogar im Dezember 1938 fällig geworden und von diesem Zeitpunkt an bis im Sommer 1945 von der Beklagten erfüllt worden ist. Die Vorinstanz erklärt indessen (Urteil S. 17 f.), der Kläger verlange damit gleichwohl nur einen "Anteil am Vermögen der Beklagten". Dieser Einwand schlägt jedoch nicht durch.
Die Invaliden- und Altersunterstützungskasse der Beklagten hat unstreitig die Aufgabe einer Pensionskasse für invalide oder den Beruf altershalber nicht mehr ausübende Mitglieder. Ihr gehören ausschliesslich die Mitglieder des SLB an, die ausnahmslos Arbeitnehmer sind, und diese allein finanzieren die Kasse durch ihre statutarisch festgesetzten Beiträge. Diese genossenschaftliche Pensionskasse ist eine - wenn auch nicht konzessionspflichtige - Versicherung im weiteren Sinn. Denn bei ihr sind alle wesentlichen Merkmale einer Versicherung im weiteren Sinn vorhanden: planmässiger Betrieb; einheitlich festgesetzte Leistungen der Mitglieder an die Kasse und der Kasse bei Invalidität und Alter der Mitglieder; zeitlich unbegrenzter Betrieb (vgl.BGE 76 I 368).
Das zwischen dem Mitglied und der Kasse bestehende Versicherungsverhältnis ist nun allerdings ein Ausfluss der Mitgliedschaft beim Verband, der die Pensionskasse im Rahmen seiner Zwecke unterhält. Hieraus folgt, dass der eingeklagte Rentenanspruch des Klägers nicht vertraglicher Natur ist; er beruht nicht auf einem selbständigen Versicherungsvertrag, sondern auf der Mitgliedschaft beim SLB. Das Versicherungsverhältnis bildet deshalb einen vermögensrechtlichen Bestandteil der Mitgliedschaft, wie die Vorinstanz an sich zutreffend annimmt.
Das schliesst aber nicht aus, dass ein Forderungsanspruch aus diesem Versicherungsverhältnis nicht rechtlich selbständig werden könne, und ebensowenig folgt daraus, dass dieser Anspruch stets mit der Mitgliedschaft verbunden bleiben muss, also verloren geht, wenn die Mitgliedschaft dahinfällt. Eine Leistungspflicht, die einmal entstanden ist - hier entstand sie mit der Erreichung der Altersgrenze und gleichzeitigem Verzicht auf Berufsausübung seitens des Klägers im Jahre 1938 -, ist selbständiger Natur, auch wenn sie auf mitgliedschaftlicher Grundlage beruht (so auch EGGER, ZGB Art. 73 N. 2 in Bezug auf noch während der Mitgliedschaft festgesetzte Dividenden). Vom Eintritt des Versicherungsfalles an besitzt das Mitglied eine Forderung auf Leistung der Renten, die mit der Entstehung der Rentenberechtigung selbständigen Charakter erlangt hat und die Eigenschaft eines wohlerworbenen Rechts (BGE 61 II 171ff.) besitzt. Ein solcher zu einer selbständigen Forderung gewordener Anspruch stellt aber keinen Abfindungsanspruch im Sinne von Art. 864/65 OR gegenüber dem Vermögen der Genossenschaft dar, auch wenn die Genossenschaft Schuldner ist und diesen Anspruch aus ihrem Vermögen befriedigen muss.
c) Diese Überlegung findet eine Bestätigung in der Regelung, die das Gesetz in Art. 862 Abs. 4 und Art. 673 Abs. 4 OR für die Rechtsstellung der aus einem Wohlfahrtsfonds begünstigten Arbeitnehmer einer A.-.G. oder einer Genossenschaft vorsieht. Solche Wohlfahrtsfonds sind bekanntlich häufig reine Pensionskassen. Entgegen dem Wortlaut des Gesetzes können sie nicht bloss in der Rechtsform einer Stiftung, sondern auch in derjenigen einer Genossenschaft verwirklicht werden (BÜRGI, OR Art. 673 N. 40, 55-59; MEIER, Die Genossenschaft als Rechtsform für die Pensionskasse, S. 22 ff.). Für derartige genossenschaftlich aufgezogene Pensionskassen schreibt nun das Gesetz in den erwähnten Bestimmungen vor, dass den Arbeitnehmern, die wegen Auflösung des Dienstverhältnisses ausscheiden, "mindestens die Summe der von ihnen geleisteten Zahlungen herauszugeben ist, sofern sie nicht gemäss den Stiftungsbestimmungen in den Genuss des Wohlfahrtsfonds eintreten". Da diese Gesetzesvorschrift zwingend ist und der Natur der Sache nach eine dem Art. 865 OR vorgehende Sonderbestimmung darstellt, hat in diesem Falle ein Mitglied einer derartigen genossenschaftlichen Pensionskasse einen unentziehbaren Anspruch auf Prämienrückerstattung, soweit es nicht bereits oder künftig rentenberechtigt ist. Solche Rentenberechtigung geht also der Prämienrückerstattung vor. Daraus folgt selbstverständlich, dass dem Arbeitnehmer ein bereits entstandener Rentenanspruch nicht mehr entzogen werden kann.
Dem lässt sich nicht etwa entgegenhalten, es handle sich um eine besondere Ordnung für die Pensionskasse als Erscheinungsform eines Wohlfahrtsfonds. Der Unterschied gegenüber dem hier in Frage stehenden Fall einer reinen Arbeitnehmerpensionskasse besteht einzig darin, dass hier die Mitgliedschaft bei einem Verein oder einer Genossenschaft Voraussetzung der Kassenzugehörigkeit ist, während diese dort vom Bestehen eines Dienstverhältnisses mit der A.-.G. oder der Genossenschaft, der die Pensionskasse angegliedert ist, abhängt. Das ist aber eine ganz untergeordnete Verschiedenheit. Der Grund für die Rückerstattungspflicht liegt natürlich darin, dass der Arbeitnehmer Beiträge geleistet hat, deren Verfall als ungerecht erscheinen würde, weil die Rückerstattung einem ethischen Bedürfnis entspricht. Diese innere Rechtfertigung ist auch im Falle einer reinen Arbeitnehmerpensionskasse, ja sogar noch in vermehrtem Masse, gegeben. Denn hier handelt es sich um eine ausschliesslich von Arbeitnehmern gespiesene Kasse. Folgerichtig muss dem Kassenangehörigen auf jeden Fall eine bereits entstandene Rentenforderung als selbständiger Anspruch erhalten bleiben, auch wenn er als Kassenmitglied ausscheidet. Denn er hat die statutarischen Beiträge geleistet und den Versicherungsfall erlebt.
Im Falle der Personalkassen nach Art. 862 Abs. 4 und 673 Abs. 4 OR bleiben die Ansprüche des Arbeitnehmers auch bestehen, wenn das Dienstverhältnis aus seinem Verschulden aufgelöst wird. Dasselbe muss gelten für eine reine Arbeitnehmerpensionskasse. Auch bei einer solchen bleibt der Anspruch bestehen, selbst wenn die für die Kassenzugehörigkeit vorausgesetzte Mitgliedschaft bei einem andern Verbande aufhört, gleichgültig, ob mit oder ohne Verschulden des Kassenmitgliedes. Denn die rechtlich massgebenden Gesichtspunkte sind in beiden Fällen die gleichen.
3. Die Beklagte und mit ihr die Vorinstanz vertreten nun aber die Auffassung, es sei zulässig, auf dem Wege besonderer Statutenbestimmungen - wie sie gerade hier vorliegen - die Rückzahlung geleisteter Beiträge, ja sogar die Ausrichtung fällig gewordenen Renten auszuschliessen in jenen Fällen, wo ein Kassengehöriger die für die Kassenzugehörigkeit vorausgesetzte Mitgliedschaft bei einem andern Verbande verliere, sei es durch Austritt, sei es durch Ausschluss, aber jedenfalls bei verschuldetem Ausschluss.
a) Derartige Statutenbestimmungen, wie sie hier vorliegen, verordnen die Verwirkung von Rechten oder allenfalls von Anwartschaften. Sie verschärfen die Folgen eines Austrittes oder Ausschlusses. Sie erschweren den Austritt und können sogar praktisch die grundsätzlich gewährleistete Austrittsfreiheit (OR Art. 842) vernichten. Im Falle des Ausschlusses bedeuten sie eine empfindliche Strafe. Der Verlust aller Ansprüche kann den Ausgeschlossenen schwer treffen, ihm sogar sein Auskommen und seine Existenz nehmen. Denn nach der Lebenserfahrung bilden Pensionsanwartschaften oder bereits entstandene Altersrentenforderungen oft die einzigen Ersparnisse eines Arbeitnehmers, so dass er aus der Invaliditätsrente oder - wie der Kläger - aus der Altersrente sein Leben fristen muss. Es kann daher keine Rede davon sein, dass solche Verwirkung in jedem Falle und ohne jede rechtliche Schranke zulässig sein könnte. Gleich wie die Vertragsfreiheit nur in den Schranken des Gesetzes, der öffentlichen Ordnung, des Rechts der Persönlichkeit und der guten Sitten besteht, so besteht auch die Freiheit zur beliebigen Gestaltung von Verbandsstatuten nur innerhalb dieser Schranken.
b) Es ist versucht worden, derartige Verwirkungsbestimmungen, wie sie hier in Frage stehen, als Verbandsstrafen aufzufassen und zu behandeln. Verbandsstrafen, wie Geldstrafen, Bussen und dergleichen sind ihrer Natur nach Konventionalstrafen und unterliegen den gesetzlichen Bestimmungen über solche, namentlich auch der Herabsetzung nach Art. 163 OR (EGGER ZGB Art. 71 N. 10). Dass es sich im vorliegenden Falle nicht um die Verletzung vertraglicher Verpflichtungen handelt, sondern um die Verletzung statutarisch festgelegter Verbandspflichten, stände einer Anwendung der Bestimmungen über die Konventionalstrafe nicht im Wege. Ebenso ist auch eine statutarische Verpflichtung, bei Austritt oder Ausschluss empfangene Bezüge, wie z.B. Streikgelder, wieder zurückzuzahlen, als Konventionalstrafbestimmung zu betrachten; denn es handelt sich dabei um die Erbringung einer Leistung im Falle der Nichterfüllung oder Verletzung einer Verpflichtung. Verwirkungsklauseln, nach welchen Ansprüche auf Unterstützung und andere Verbandsleistungen bei pflichtwidrigem Verhalten eines Miitgliedes entfallen, können dagegen (entgegen der Meinung von EGGER a.a.O.) nicht einer Konventionalstrafbestimmung gleichgestellt werden. Denn für eine solche ist das in solchen Fällen fehlende Versprechen einer Leistung begriffswesentlich. Bei der Revision des OR wurde ein Antrag, von diesem Erfordernis abzusehen und jede Übernahme eines Rechtsnachteils der Leistung (Strafleistung) gleichzustellen, ausdrücklich abgelehnt (verg. OSER/SCHÖNENBERGER, Vorbem. zu Art. 160/63 OR, N. 5). Daraus folgt, dass nach geltendem Recht die Übernahme eines andern Rechtsnachteils als einer Geld- oder sonstigen Leistung nicht den Bestimmungen über die Konventionalstrafe untersteht (so ausser OSER/SCHÖNENBERGER a.a.O. auch BECKER 2. Aufl. Art. 160 OR N. 5 und v. TUHR/SIEGWART OR § 87 S. 724). Eine Heranziehung dieser Vorschriften als Schranke für die statutarische Verwirkung der dem Kläger zustehenden Rentenansprüche kommt daher nicht in Betracht.
c) Die Lösung der Frage nach der Zulässigkeit und Wirksamkeit einer Statutenbestimmung, die als Folge des Ausschlusses von der Mitgliedschaft den Verlust eines bereits zur Entstehung gelangten Rentenanspruchs vorsieht, muss auf Grund von Art. 19/20 OR getroffen werden. Danach kann aber nicht zweifelhaft sein, dass eine solche Verwirkungsbestimmung in einem Falle, wie er hier vorliegt, gegen die guten Sitten verstösst. Denn es läuft jedem Rechtsempfinden und der elementarsten Billigkeit zuwider, dem Kläger, nachdem er während 33 Jahren ganz erhebliche Prämien an die Alterspensionskasse bezahlt hat, die bereits fällig gewordene und während 6 Jahren bezahlte Altersrente zu entziehen und ihn so seiner einzigen Esparnisse und damit sämtlicher Mittel zur Fristung seines Lebensunterhaltes zu berauben. Den berechtigten Interessen des SLB und der Beklagten ist mit dem Ausschluss des Klägers Genüge getan. Die beiden Organisationen haben kein schutzwürdiges Interesse, den Kläger im Elend verderben zu lassen. Wer wie die Beklagte vom Kläger die vollen statutarischen Gegenleistungen der Rente in Form von Prämien (Beiträgen) während Jahrzehnten bezogen hat, ohne selber etwas beizusteuern, muss nach allgemeiner sittlicher Auffassung dem Kläger das gewähren, was er auf Grund seiner Prämienzahlungen an Rechten erworben hat, und darf ihm nicht verweigern, was erfahrungsgemäss sein gesamtes Erspartes und den Zehrpfenning für das Alter darstellt.
Die Verwirkungsbestimmung in den Statuten des SLB und der Beklagten ist daher auf jeden Fall als unwirksam zu betrachten gegenüber einem Pensionsberechtigten, der nach jahrelanger Beitragszahlung den Versicherungsfall erlebt und damit einen selbständigen Anspruch auf die Rentenleistung erlangt hat.
Ob diese Bestimmung auch gegen die guten Sitten verstösst, soweit darin eine Rückzahlung von geleisteten Prämien vor Erreichung des Versicherungsfalles ausgeschlossen wird, ist heute nicht zu entscheiden.
Ob der Kläger, der das schweizerische Gastrecht missbraucht hat, von der Schweiz aus gesehen eine traurige Figur sei und ob er aus freiem Entschluss in eine nationalsozialistische Organisation eintrat oder nicht, spielt privatrechtlich, in der hier zu entscheidenden Frage, keine Rolle. Wegen seines Verhaltens vor und während des Krieges ist der Kläger von den schweizerischen Behörden des Landes verwiesen worden. Ihn deshalb unter Berufung auf die zivilrechtliche Vertrags- oder Verbandsfreiheit seiner Privatrechte verlustig zu erklären, geht dagegen nicht an. Was ihm vor seiner Ausweisung an Privatrechten zustand, bleibt ihm grundsätzlich erhalten, gleich wie eine Versicherungsgesellschaft auch einem Landesverräter gegenüber zu den vertraglichen Leistungen verpflichtet bliebe.
d) Um Überlegungen der vorstehenden Art zu begegnen, beruft sich die Beklagte auf denBGE 75 II 246ff., in welchem der Entzug der kantonalen Pension gegenüber einem ebenfalls aus der Schweiz ausgewiesenen Nationalsozialisten, der als Technikumsprofessor Beamter des Kantons Zürich gewesen war, geschützt wurde. Aus diesem Entscheid lässt sich jedoch für die Beurteilung der hier streitigen statutarischen Verwirkungsbestimmung nichts ableiten, da jener Fall in verschiedener Hinsicht anders lag:
(1) Es handelte sich dort um eine Beamtenpension, also um einen nicht dem Privatrecht, sondern dem öffentlichen Recht unterstehenden Anspruch. Für einen solchen gelten aber andere Gesichtspunkte als für das Privatrecht. Es sind öffentliche Interessen im Spiel, während im Bereich des Privatrechts in der Regel nur private Interessen in Frage stehen. So wiegt z.B. eine Verletzung der Treuepflicht durch einen Beamten gegenüber dem Gemeinwesen erheblich schwerer als die Verletzung einer bloss privatrechtlichen Treuepflicht. Das rechtfertigt es, im öffentlichen Recht andere, weitergehende Sanktionen vorzusehen. Daher kann eine Verwirkungsbestimmung der hier in Frage stehenden Art öffentlich-rechtlich statthaft oder sogar notwendig sein, während sie im Privatrecht, mindestens unter bestimmten Verhältnissen, unzulässig, sittenwidrig wäre.
(2) Bei der Pensionskasse eines Gemeinwesens leisten regelmässig nicht nur die Versicherten Beiträge. Daher erscheint es selbstverständlich, dass das Gemeinwesen unter bestimmten Voraussetzungen befugt sein muss, die Pensionsansprüche zu kürzen oder ganz auszuschliessen. Im vorliegenden Falle hat dagegen weder die Beklagte noch der SLB irgendwelche Leistungen an die Pensionskasse gemacht, sondern diese werden ausschliesslich von den Kassenmitgliedern aufgebracht.
(3) Bei einem Gemeinwesen können und müssen Gehalts- oder Pensionskürzungen durch das öffentliche Interesse gerechtfertigte Disziplinar- und Straffunktionen haben. Bei einer Pensionskasse des Privatrechts, wie die Beklagte sie darstellt, ist es dagegen nicht Sache der Kasse, irgendwelche Straffunktionen im Interesse der Allgemeinheit auszuüben. Denn privatrechtliche Verbände irgendwelcher Art haben keine öffentlichen Aufgaben und keine Interessen der Allgemeinheit wahrzunehmen.
4. Steht somit dem Kläger der streitige Rentenanspruch selbst dann zu, wenn er rechtsgültig aus der Beklagten und dem SLB ausgeschlossen sein sollte, so braucht nicht geprüft zu werden, ob ihm gegenüber ein Ausschliessungsbeschluss überhaupt gefasst worden ist und Wirksamkeit erlangt hat.
5. Die Beklagte verweigert die Ausrichtung der Rente an den in Deutschland wohnhaften Kläger schliesslich noch unter Berufung auf Art. 94 Abs. 2 der Statuten des SLB, wonach nach dem Ausland keine Unterstützungen ausbezahlt werden.
Diese Bestimmung kann indessen nicht dahin verstanden werden, dass bestehende Ansprüche wegen Verlegung des Wohnsitzes des Forderungsberechtigten ins Ausland verwirkt sein sollen. Das wäre geradezu widersinnig, wenn man an den Fall denkt, wo ein ausländisches Mitglied des SLB (und solche gab es zweifellos nicht selten) in seinen alten Tagen in seine ausländische Heimat zurückkehrt oder ein Rentenbezüger zu einem im Ausland verheirateten Kind übersiedelt. Die Bestimmung kann vernünftigerweise nur besagen, dass der Genossenschafter keinen Anspruch auf den Transfer hat, dass die Beklagte nicht verpflichtet sei (gar auf eigene Kosten) die Beträge ins Ausland zu überweisen; das heisst also, dass sie die Beträge an einer schweizerischen, vernünftigerweise vom Berechtigten vorzuschlagenden Zahlstelle zur Verfügung zu stellen hat, z.B. bei einer schweizerischen Bank oder bei einem schweizerischen, vom Kläger bezeichneten Zahlungsempfänger. Auch das Vertrauensprinzip gebietet, die vom SLB, bzw. von der Beklagten, nicht vom Kläger, formulierte Bestimmung des Art. 94 Abs. 2 in diesem Sinne auszulegen.
Hätte die Vorschrift tatsächlich den Sinn einer Verwirkungsbestimmung, so wäre sie nach Art. 19/20 OR als widerrechtlich oder mindestens sittenwidrig zu betrachten. Denn eine solche Bestimmung würde das Recht der Persönlichkeit verletzen, in welchem die grundsätzliche Freiheit zur freien Wahl des Wohnsitzes inbegriffen ist, solange keine sachlichen Gründe (z.B. Ausübung einer bestimmten Beamtung) die Beschränkung dieser Freiheit rechtfertigen.
6. Die Klage ist somit grundsätzlich begründet. (Rückweisung zur Abklärung des Quantitativs).
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts Zürich, I. Zivilkammer, vom 3. Dezember 1953 wird aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen. | de | Società cooperativa. Validità della norma statutaria d'una cassa pensioni cooperativa statuente che i soci esclusi o uscenti sono decaduti dal loro diritto alla rendita.
1. Il diritto alla rendita non è un diritto sul patrimonio sociale a'sensi dell'art. 864 CO (consid. 2).
2. La decadenza dal diritto alla rendita, prevista dagli statuti, non è una pena convenzionale (consid. 3 a-b).
3. Nullità della clausola di decadenza perchè contraria ai buoni costumi, art. 19 e 20 CO (consid. 3 c-d).
4. Portata d'una norma statutaria secondo la quale nessuna rendita è pagata all'estero (consid. 5). | it | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-123%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
237 | 80 II 138 | Sachverhalt ab Seite 138
A.- Im Handelsregister von Genf ist seit 1924 die Firma Fiducia S. A. eingetragen, die nach ihren Statuten u.a. auch das Treuhandgeschäft betreibt.
Der Verband Schweiz. Bücherexperten (VSB), ein Verein, der den Zusammenschluss der berufstätigen Bücherexperten und Bücherrevisoren und die Vertretung ihrer beruflichen und wirtschaftlichen Interessen bezweckt, gibt eine Zeitschrift heraus, die seit dem Juli 1951 den Titel "Fiducia" führt.
Die Fiducia S. A. teilte dem VSB im August 1951 mit, der gewählte neue Titel der Zeitschrift verletze ihre Namensrechte. Der VSB bestritt dies. Der zwischen den Parteien geführte Briefwechsel führte zu keiner Einigung.
B.- Die Fiducia S. A. erhob daher gegen den VSB Klage mit den Begehren:
1. Es sei festzustellen, dass der Beklagte durch die Verwendung des Wortes "Fiducia" als Titel seines Verbandsorgans die Rechte der Klägerin verletzt und dass diese Verwendung des Wortes "Fiducia" widerrechtlich ist;
2. Dem Beklagten sei zu verbieten, das Wort "Fiducia" in irgendeiner Kombination im Titel seines Verbandsorgans zu verwenden;
3. Der Beklagte sei zu verpflichten, der Klägerin als Schadenersatz Fr. 1.- zu bezahlen, unter Vorbehalt des Nachklagerechtes;
4. Die Klägerin sei zu ermächtigen, das Urteil auf Kosten des Beklagten im Schweizerischen Handelsamtsblatt, sowie im Verbandsorgan des Beklagten zu veröffentlichen, und der Beklagte sei zu verpflichten, die Publikation in seinem Verbandsorgan vorzunehmen.
Der Beklagte beantragte Abweisung der Klage.
C.- Das Bezirksgericht Zürich wies die Klage ab. Das Obergericht Zürich, II. Zivilkammer, schützte dagegen mit Urteil vom 8. September 1953 das Feststellungs-, das Unterlassungs- und das Publikationsbegehren (mit je einmaliger Publikation des Urteils in den im Rechtsbegehren der Klägerin genannten Zeitungen), während es das Schadenersatzbegehren ebenfalls abwies.
D.- Mit der vorliegenden Berufung beantragt der Beklagte erneut Abweisung der Klage, eventuell Rückweisung der Sache an die Vorinstanz.
Die Klägerin trägt auf Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen Entscheides an; sie findet sich also mit der Abweisung des Schadenersatzbegehrens ab.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die Klägerin erblickt in der Verwendung ihres im Handelsregister eingetragenen Firmanamens, bezw. des darin enthaltenen einzig kennzeichnenden Bestandteils "Fiducia", durch den Beklagten als Titel seiner Verbandszeitschrift eine Namensanmassung im Sinne von Art. 29 Abs. 2 ZGB.
Die Vorschriften über den Namensschutz gelten in der Tat auch für die juristische Person, also auch für die A.-G.; denn diese ist nach Art. 53 ZGB aller Rechte fähig, die nicht die natürlichen Eigenschaften des Menschen, wie Alter, Geschlecht oder Verwandtschaft voraussetzen. Letzteres ist aber in Bezug auf den Namen nicht der Fall. Die juristische Person kann sich daher gegen die nicht firmenmässige Verwendung ihres Namens durch Dritte unter Berufung auf Art. 29 Abs. 2 ZGB zur Wehr setzen (BGE 76 II 91). Im weiteren bildet auch die Verwendung eines Namens, und somit auch einer Firma, zur Bezeichnung einer Sache, wie z.B. zur Benennung einer Zeitschrift, einen Fall der Namensanmassung im Sinne von Art. 29 Abs. 2 ZGB (BGE 44 II 86; EGGER N. 17 zu Art. 29 ZGB).
2. Ein Schutz der Klage auf Grund von Art. 29 Abs. 2 ZGB setzt in erster Linie voraus, dass die Klägerin ihren Namen, ihre Firma "Fiducia S. A." zu Recht führt. Der Beklagte macht geltend, diese Voraussetzung sei in verschiedener Hinsicht nicht erfüllt.
a) Er behauptet, das Wort "Fiducia" sei einerseits sprachliches Gemeingut vorab der italienischen Sprache, aber auch der andern Landessprachen, das "Vertrauen, Zuversicht" bedeute und durch kein anderes, gleichbedeutendes Wort ersetzt werden könne. Anderseits stelle dieses Wort als juristischer Ausdruck für "Treuhand" eine Sachbezeichnung dar. In beiden Fällen dürfe die Klägerin sich diesen Begriff nicht für ihre Firmenbildung aneignen und damit monopolisieren. Diese beiden Einwendungen sind nicht stichhaltig.
Fiducia ist ein lateinisches Wort, das "Vertrauen" bedeutet, und als solches, nicht als italienisches Wort, wird es von der Klägerin in ihrer Firmabezeichnung wie auch vom Beklagten als Titel seiner Zeitschrift verwendet und verstanden. Das Letztere geht aus dem Geleitwort der ersten unter dem streitigen Titel erschienenen Nummer der Zeitschrift hervor, wo zu lesen steht, man habe für die Zeitschrift, ihrem Charakter entsprechend, keinen bessern Ausdruck gefunden "als das schöne lateinische Wort FIDUCIA, das auf deutsch Vertrauen heisst" ("ce beau mot de confiance, écrit d'ailleurs en latin"). Als lateinisches, nicht als italienisches Wort werden es sowohl in der Firma der Klägerin als auch insbesondere im Zeitschriftentitel des Beklagten nach der Lebenserfahrung auch die Leser italienischer Zunge auffassen; denn es handelt sich um eine zweisprachige, deutsch und französisch geschriebene Zeitschrift, und von solchen weiss man erfahrungsgemäss in allen Landesgegenden, dass sie - genau wie gesamtschweizerische oder internationale Firmen - zur Überbrückung der sprachlichen Verschiedenheiten mit Vorliebe Ausdrücke der toten, aber überall verständlichen oder doch aussprechbaren lateinischen Sprache verwenden. Der Gebrauch der italienischen Sprache dagegen ist für solche übersprachliche Benennungen nicht üblich, und aus diesem Grunde wird auch der italienisch Sprechende ein lateinisches Wort selbst dort als solches erkennen und auffassen, wo es sich zufällig in der Schreibweise und in gleicher oder veränderter Bedeutung mit einem italienischen Wort deckt.
Da der Beklagte nach seinen eigenen Ausführungen im Geleitwort zum neuen Titel das Wort "Fiducia" als der lateinischen Sprache entnommen bezeichnet hat, ist den unter dem Gesichtspunkt der italienischen Sprache gemachten Ausführungen der Berufung zum vorneherein der Boden entzogen. Abgesehen hievon verhält es sich nicht so, dass durch die Verwendung des Wortes "Fiducia" in der Firma der Klägerin dem Verkehr ein schlechterdings unentbehrlicher Begriff entzogen würde, wie die Berufung behauptet. Fiducia ist im Italienischen keine Sachbezeichnung der in BGE 64 II 248 und BGE 70 II 243 erwähnten Art, wie Brot, Schuhe, Kleider, Wolle, Baumwolle und dergl., sondern blosse Bezeichnung einer nicht einer Sache zukommenden Eigenschaft, eines Vorzuges. Es kann darum auch nicht von einer Monopolisierung - und gar einer rechtsmissbräuchlichen - eines der italienischen Umgangssprache unentbehrlichen sprachlichen Gemeingutes die Rede sein.
Zum zweiten Einwand des Beklagten, Fiducia sei eine juristische Sachbezeichnung, nämlich der in allen Landesteilen verkehrsübliche Begriff für "Treuhand, Treuhandgesellschaft", ist folgendes zu bemerken:
Das lateinische Wort "Fiducia" besagt als juristischer Fachausdruck (entgegen der Berufung) in keiner der drei Landessprachen "Treuhandgesellschaft". Es bedeutet im juristischen Sprachgebrauch auch nicht "Treuhand" in dem umfassenden Sinne, den die Verkehrsauffassung in allen drei Sprachgebieten mit den Worten Treuhand, treuhänderisch oder Treuhänder verbindet (vgl. BGE 68 I 120, BGE 72 I 127; BGE 64 I 55: "Treuhand" in Anführungszeichen; BGE 64 I 341: "fiduciaire"; BGE 72 I 125: "fiduciario, ufficio fiduciario"). "Fiducia" wird im juristischen Sprachgebrauch vielmehr höchstens etwa verwendet für "fiduziarisches Rechtsgeschäft" (so BGE 72 II 360 Erw. 2), für "rapporto fiduciario, contrat fiduciaire, rapport fiduciaire" (s. PICCARD/THILO/STEINER, Jurist. Wörterbuch I S. 246 f.), oder für die entsprechende fiduziarische Klausel (Treuhandklausel) in derartigen Rechtsgeschäften (vgl. z.B. REGELSBERGER, Pandekten S. 518 f.; GAUTSCHI, Auftrag und Geschäftsführung in der Schweiz, S. 98). Aber Fiducia ist kein für die schweizerische Rechtssprache unentbehrliches Wort, und es kommt denn auch weder im ZGB noch im OR vor. Die gegenteiligen Ausführungen der Berufung gehen an der Wirklichkeit vorbei.
Überdies hat das Wort "Fiducia" als einziger hervortretender Teil in der Firma einer A.-G. bei den in Betracht kommenden Verkehrskreisen zum vorneherein nicht den Sinn des ursprünglichen, lateinisch-juristischen Fachausdruckes, sondern es hat vielmehr ein firmenrechtliches Gesicht, nimmt also einen andern Charakter an. Auf die Auffassung der beteiligten Verkehrskreise kommt es aber im Firmenrecht bekanntlich an, besonders bei Phantasienamen, bei den einer toten Sprache entnommenen Worten der Firmenbezeichnung. Nicht massgebend ist also, was für ein Sinn vom philologisch-wissenschaftlichen Standpunkt aus einer Bezeichnung zukommt. Damit erweisen sich die in diesem Zusammenhang gegen das vorinstanzliche Urteil erhobenen - übrigens rechtsmissbräuchlichen - Rügen offensichtlichen Versehens als gegenstandslos. In der Firma einer Handelsgesellschaft verwendet - und dies ist der zur Beurteilung stehende Tatbestand - stellt "Fiducia" für das Publikum eine Phantasiebezeichnung dar; denn dieses Wort umschreibt in diesem Zusammenhang nicht eine Sache, einen Sachverhalt oder gar eine bestimmte Berufstätigkeit, auch nicht einen juristischen Begriff, nicht einmal den Gegenstand des unter dieser Firma auftretenden Unternehmens. Hieran vermag nichts zu ändern, dass dieses ursprünglich lateinische Wort den Stamm bildet für verschiedene Haupt- oder Eigenschaftswörter in den schweizerischen Landessprachen und dass von dieser Seite her das Wort Fiducia auch in der Firma einer A.-G. gewisse Vorstellungen vermittelt, welche irgendwie auf Vertrauen oder auf einen Anspruch auf Vertrauenswürdigkeit hindeuten. Das kann zwar unter andern, noch zu prüfenden Gesichtspunkten in Betracht fallen; für die hier allein in Frage stehende, vom Beklagten behauptete Monopolisierung eines für den Verkehr unentbehrlichen Begriffes dagegen ist es belanglos. Das Wort Fiducia ist nicht einmal für den beklagten Verband unentbehrlich; er kann seine Zeitschrift ohne Schwierigkeit anders benennen, selbst wenn er dem Titel einen Unterton der genannten Art verleihen oder ihn für die Schweiz übersprachlich gestalten will.
b) Der Beklagte bestreitet die Rechtmässigkeit der klägerischen Firma weiter mit der Behauptung, diese widerspreche den in Art. 944 und 950 Abs. 2 OR aufgestellten allgemeinen Vorschriften für die Firmenbildung. Dieses Vorbringen des Beklagten ist von der Vorinstanz mit zutreffender Begründung verworfen worden. Soweit sich diese Begründung auf tatsächliche Feststellungen stützt, ist sie für das Bundesgericht bindend; denn jene Feststellungen beruhen nicht auf offensichtlichem Versehen. Dies gilt insbesondere für die von der Vorinstanz auf Grund der Statuten der Klägerin getroffene Feststellung darüber, dass die Klägerin tatsächlich sog. Treuhandgeschäfte (in dem weiten, oben dargelegten Sinne) betreibt, sodass ein Verstoss gegen den Grundsatz der Firmenwahrheit und das Täuschungsverbot nicht vorliegt.
Ebenso ist die vom Beklagten in der Berufung wieder aufgenommene Behauptung, die klägerische Firma stelle eine unzulässige Reklamebezeichnung dar, von der Vorinstanz zutreffend zurückgewiesen worden. Auch wenn zuzugeben ist, dass die Firma "Fiducia S. A." irgendwie auf die Besorgung von Treuhandgeschäften hinweist und die Vorstellung vermittelt, das Vertrauen spiele dabei eine besondere Rolle, so ist das nicht unzulässig reklamehaft. Es verhält sich dabei nicht anders als bei allen Firmen, die unter Verwendung des Wortes "Treuhand" allein oder in Zusammensetzungen oder in Verbindung mit dem Eigenschaftswort "treuhänderisch", "fiduciaire", "fiduciario" oder unter Verwendung des Wortes "Fides" gebildet sind. Eine offensichtlich unhaltbare und nicht ernst zu nehmende Übertreibung ist die Behauptung des Beklagten, bei der von der Klägerin gewählten Firmabezeichnung müsse jeder, der des Italienischen oder Französischen kundig sei oder den - selten gebrauchten - deutschen Ausdruck "Fiduz" kenne, unweigerlich daran denken, dass diese Firma schlechterdings das Vertrauen verkörpere und dass sie allein Vertrauen verdiene.
c) Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich somit, dass die Klägerin, soweit ihr Verhältnis zum beklagten Verband in Frage steht, ihre Firma rechtmässig führt. 3. - Im weiteren ist zu prüfen, ob die Klägerin an der gerichtlichen Feststellung der Namensanmassung durch den Beklagten und an der Untersagung weiterer Verletzung ihres Namensrechtes ein rechtliches Interesse besitzt. Denn mangels eines solchen könnte ihr auch kein Rechtsanspruch im Sinne von Art. 29 Abs. 2 ZGB zustehen.
Die Vorinstanz ist zutreffend davon ausgegangen, dass unbefugter Gebrauch der klägerischen Firma dann vorliegt, wenn dieser eine Beeinträchtigung des klägerischen Firmeninhabers in sich schliesst d.h. wenn dessen schutzwürdige Interessen verletzt werden. Hiebei genügt grundsätzlich jedes Interesse, sei es persönlicher, ideeller, vermögensrechtlicher oder geschäftlicher Natur. Der Gesichtspunkt eines höheren Interesses des Beklagten, das jedem Interesse der Klägerin vorzugehen hätte, fällt vorliegend ausser Betracht, da nach den früheren Darlegungen "Fiducia" keine Sachbezeichnung ist und keinen Begriff bedeutet, auf den der Beklagte für die Bezeichnung seiner Zeitschrift angewiesen wäre. Es frägt sich also einzig, ob ein schutzwürdiges Interesse der umschriebenen Art auf Seiten der Klägerin zu bejahen sei.
a) Eine Beeinträchtigung liegt nach Lehre und Rechtsprechung vor, wenn Verwechslungsgefahr besteht; der Nachweis stattgefundener Verwechslung ist nicht erforderlich (BGE 74 II 235). Im vorliegenden Falle ist er übrigens erbracht, da eine Postkarte, welche für die Redaktion der Zeitschrift "Fiducia" bestimmt war, durch die Post der Klägerin zugestellt wurde. Der Beklagte wendet ein, dieser Sachverhalt falle nicht in Betracht, weil es sich dabei nicht um eine Verwechslung (und ihr zugrunde liegende falsche Vorstellung oder Gedankenverbindung) der Kundschaft, des Publikums handle, sondern um eine solche der Post. Diese Auffassung des Beklagten ist jedoch unrichtig. Wie das Bundesgericht schon wiederholt entschieden hat, gehört auch das Postpersonal zu den beteiligten Verkehrskreisen, auf die bei der Beurteilung der Frage der Verwechslungsgefahr abzustellen ist, und dementsprechend werden Verwechslungen bei der Post oder bei Behörden als Beweis für Verwechslungsfälle und Verwechslungsgefahr anerkannt (BGE 61 II 123, BGE 73 II 113; ebenso das deutsche Reichsgericht in RGZiv 108 S. 276). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten; denn es ist denkbar, dass der Post auch schwererwiegende Verwechslungen als die hier eingetretene unterlaufen können, indem z.B. Briefpost, die für die Klägerin bestimmt ist, an die Redaktion der Zeitschrift der Beklagten gelangen könnte. Das wäre aber für die Klägerin und deren Kunden unter Umständen höchst unangenehm.
b) Es genügt übrigens, wie festgestellt, schon die blosse Verwechslungsgefahr. Für das Vorliegen einer solchen kann nach der Rechtsprechung unter Umständen ausreichen, wenn die beiden zu vergleichenden Bezeichnungen nur in einem besonders in die Augen springenden, von den beteiligten Verkehrskreisen als charakteristisch empfundenen Bestandteil übereinstimmen (BGE 61 II 123). Das trifft hier entgegen der Auffassung der Berufung gerade zu, wie der angefochtene Entscheid mit Recht ausführt. Das vom Beklagten für seine Zeitschrift als Titel gewählte Wort "Fiducia" bildet auch den allein charakteristischen Bestandteil der klägerischen Firmabezeichnung. Es besteht daher ganz offensichtlich die Gefahr, dass vorhandene oder mögliche Kundschaft der Klägerin oder Leute, welche diese Firma kennen, bei der erfahrungsgemäss im heutigen Leben nur noch geringen durchschnittlichen Aufmerksamkeit auf Grund des allein in die Augen springenden Titelwortes "Fiducia" der Zeitschrift des Beklagten auf den Gedanken kommen könnte, es handle sich um eine Zeitschrift der Klägerin. Der Hinweis des Beklagten darauf, dass die gesamte Aufmachung der Titelseite mit den zuoberst angebrachten Verbandsabzeichen VSB bezw. ASE eine solche Annahme ausschliesse, ist daher belanglos. Zudem ist bei der Entscheidung der Frage der Verwechslungsgefahr auch der Fall zu bedenken, dass nicht jedermann, der von der Zeitschrift "Fiducia" hört, immer ein Exemplar derselben oder den ganzen Text des Titelblattes vor Augen hat, sondern sich vom blossen Erinnerungsbild leiten lässt, bei dem der Titel "Fiducia" allein im Vordergrund steht. Gegen solche Verwechslungen soll der Firmeninhaber geschützt sein, nicht nur wegen der Gefahr der Schmälerung seines Kundenkreises, sondern auch wegen seiner Geheimsphäre, wegen seines geschäftlichen und privaten Rufes, wegen der mit Verwechslungen verbundenen Umtriebe usw. (BGE 59 II 161 und dort erwähnte nicht veröffentlichte Entscheide).
c) Selbst wenn man aber annehmen wollte, bei Verwendung einer Firma, bezw. des kennzeichnenden Bestandteils einer solchen, zur Bezeichnung einer Sache (hier einer Zeitschrift) entfalle die "eigentliche Verwechslungsgefahr" (so EGGER, Art. 29 ZGB N. 17), so wäre im vorliegenden Falle ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin gleichwohl zu bejahen; denn der Namensträger darf sich auf Grund von Art. 29 Abs. 2 ZGB auch dagegen zur Wehr setzen, dass er in Beziehungen hineingestellt wird, die er ablehnt und, wie zu ergänzen ist, vernünftigerweise ablehnen darf (gl. A. EGGER a.a.O. ). In dieser Hinsicht ist vorliegend zu beachten, dass die Zeitschrift das offizielle Organ des Verbandes Schweiz. Bücherexperten ist und auf dem Titelblatt als solches bezeichnet wird. Bücherexperten befassen sich aber bekanntlich sehr häufig mit sog. Treuhand- und Verwaltungsgeschäften. Die im Streit stehende Verbandszeitschrift wird sich daher natürlicherweise unter diesem oder jenem Gesichtspunkt im Interesse und zu Handen der Mitglieder mit derartigen Fragen und Angelegenheiten befassen. Bis zu einem gewissen Grade sind die Mitglieder des Verbandes und wohl auch manch andere Abonnenten oder Leser geschäftliche Konkurrenten der Klägerin. Schliesslich ist die Zeitschrift, wenn nicht hauptsächlich, so doch nebenbei auch gemeinschaftliches Werbemittel der Verbandsmitglieder. Das kann aber der Klägerin schon rein geschäftlich nicht gleichgültig sein. Sie hat deshalb ein persönliches, ideelles wie auch geschäftliches Interesse daran, dass nicht ausgerechnet das ihre Firma allein kennzeichnende Wort "Fiducia" als Titel einer Zeitschrift dieser Art Verwendung findet und dass nicht so Gedankenverbindungen zwischen ihrer Firma und dem Titel der Zeitschrift aufkommen. Ob der Inhalt der Zeitschrift Anerkennung verdient oder nicht, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Auch wenn die Zeitschrift gut geführt ist, bleibt es dabei, dass die Klägerin es aus anerkennenswerten Gründen ablehnt und ablehnen darf, durch Gedankenverbindungen in derartige Beziehungen zur Zeitschrift oder zu dem dahinter stehenden Verband hineingestellt zu werden. Darin liegt kein Rechtsmissbrauch seitens der Klägerin. Ebenso ist es verständlich, wenn die Klägerin sich das Wort "Fiducia" im Hinblick auf die Möglichkeit wahren will, eines Tages selbst einmal eine Firmenzeitschrift mit diesem ihrer Firma entsprechenden Titel herauszugeben.
Ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin zu verneinen besteht um so weniger Anlass, als - wie schon ausgeführt - der beklagte Verband auf den Zeitschriftentitel "Fiducia" keineswegs angewiesen ist.
4. Das Feststellungs- und das Unterlassungsbegehren der Klägerin sind somit von der Vorinstanz mit Recht geschützt worden.
Die Vorinstanz hat die Klägerin ferner ermächtigt, das Urteil auf Kosten des Beklagten je einmal im Schweiz. Handelsamtsblatt und im Verbandsorgan des Beklagten zu veröffentlichen, und der Beklagte wurde verpflichtet, die Veröffentlichung in seinem Verbandsorgan vorzunehmen.
In seinem Berufungsbegehren beantragt der Beklagte auch die Aufhebung des die Publikation anordnenden Urteilsdispositivs 4. Allein er hat entgegen der Vorschrift von Art. 55 Abs. 1 lit. c OG dieses Begehren mit keinem Worte begründet, so dass in diesem Punkte auf die Berufung nicht eingetreten werden kann. Sie ist übrigens auch materiell unbegründet. Zwar sind die Auswirkungen der Namensanmassung mit der Feststellung ihrer Widerrechtlichkeit und der Untersagung des weiteren titelmässigen Gebrauches des Wortes "Fiducia" durch den Beklagten im Wesentlichen behoben; dies aber nur unter der Voraussetzung, dass den beteiligten Geschäftskreisen die durch das Urteil geschaffene Klarstellung bekannt wird. Andernfalls bestünde die durch das Vorgehen des Beklagten geschaffene, für die Klägerin nachteilige Unsicherheit über die Rechtslage weiter. Mit Rücksicht hierauf rechtfertigt es sich daher, als Massnahme zur Störungsbeseitigung im weiteren Sinn die Urteilsveröffentlichung anzuordnen, wie dies bei entsprechendem Sachverhalt im Wettbewerbs- und Patentrecht gemäss ständiger Rechtsprechung geschieht (BGE 61 II 206, BGE 67 II 58, BGE 79 II 329).
Für den erwähnten Zweck genügt die Veröffentlichung des Urteilsdispositivs; einer Veröffentlichung des Urteils in seinem vollen Umfange bedarf es nicht. Das ist zur Klarstellung festzuhalten, da dem Urteil der Vorinstanz nicht mit Sicherheit entnommen werden kann, welche Veröffentlichungsweise sie bei ihrem Urteilsspruch im Auge hatte.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts Zürich, II. Zivilkammer, vom 8. September 1953 wird bestätigt. | de | Namensrecht, Firmenrecht. Art. 29 ZGB, 944, 950 Abs. 2 OR. Namensanmassung durch Verwendung des Hauptbestandteils einer Firma als Titel einer Verbandszeitschrift.
Zulässigkeit der Firma "Fiducia SA" unter den Gesichtspunkten des sprachlichen Gemeingutes, der Sachbezeichnung, des Täuschungs- und des Reklameverbotes (Erw. 2).
Rechtliches Interesse an der Namensschutzklage bei Verwechslungsgefahr; Vorliegen einer solchen (Erw. 3).
Urteilspublikation als Massnahme zur Beseitigung der Störung (Erw. 4). | de | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-138%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
238 | 80 II 138 | Sachverhalt ab Seite 138
A.- Im Handelsregister von Genf ist seit 1924 die Firma Fiducia S. A. eingetragen, die nach ihren Statuten u.a. auch das Treuhandgeschäft betreibt.
Der Verband Schweiz. Bücherexperten (VSB), ein Verein, der den Zusammenschluss der berufstätigen Bücherexperten und Bücherrevisoren und die Vertretung ihrer beruflichen und wirtschaftlichen Interessen bezweckt, gibt eine Zeitschrift heraus, die seit dem Juli 1951 den Titel "Fiducia" führt.
Die Fiducia S. A. teilte dem VSB im August 1951 mit, der gewählte neue Titel der Zeitschrift verletze ihre Namensrechte. Der VSB bestritt dies. Der zwischen den Parteien geführte Briefwechsel führte zu keiner Einigung.
B.- Die Fiducia S. A. erhob daher gegen den VSB Klage mit den Begehren:
1. Es sei festzustellen, dass der Beklagte durch die Verwendung des Wortes "Fiducia" als Titel seines Verbandsorgans die Rechte der Klägerin verletzt und dass diese Verwendung des Wortes "Fiducia" widerrechtlich ist;
2. Dem Beklagten sei zu verbieten, das Wort "Fiducia" in irgendeiner Kombination im Titel seines Verbandsorgans zu verwenden;
3. Der Beklagte sei zu verpflichten, der Klägerin als Schadenersatz Fr. 1.- zu bezahlen, unter Vorbehalt des Nachklagerechtes;
4. Die Klägerin sei zu ermächtigen, das Urteil auf Kosten des Beklagten im Schweizerischen Handelsamtsblatt, sowie im Verbandsorgan des Beklagten zu veröffentlichen, und der Beklagte sei zu verpflichten, die Publikation in seinem Verbandsorgan vorzunehmen.
Der Beklagte beantragte Abweisung der Klage.
C.- Das Bezirksgericht Zürich wies die Klage ab. Das Obergericht Zürich, II. Zivilkammer, schützte dagegen mit Urteil vom 8. September 1953 das Feststellungs-, das Unterlassungs- und das Publikationsbegehren (mit je einmaliger Publikation des Urteils in den im Rechtsbegehren der Klägerin genannten Zeitungen), während es das Schadenersatzbegehren ebenfalls abwies.
D.- Mit der vorliegenden Berufung beantragt der Beklagte erneut Abweisung der Klage, eventuell Rückweisung der Sache an die Vorinstanz.
Die Klägerin trägt auf Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen Entscheides an; sie findet sich also mit der Abweisung des Schadenersatzbegehrens ab.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die Klägerin erblickt in der Verwendung ihres im Handelsregister eingetragenen Firmanamens, bezw. des darin enthaltenen einzig kennzeichnenden Bestandteils "Fiducia", durch den Beklagten als Titel seiner Verbandszeitschrift eine Namensanmassung im Sinne von Art. 29 Abs. 2 ZGB.
Die Vorschriften über den Namensschutz gelten in der Tat auch für die juristische Person, also auch für die A.-G.; denn diese ist nach Art. 53 ZGB aller Rechte fähig, die nicht die natürlichen Eigenschaften des Menschen, wie Alter, Geschlecht oder Verwandtschaft voraussetzen. Letzteres ist aber in Bezug auf den Namen nicht der Fall. Die juristische Person kann sich daher gegen die nicht firmenmässige Verwendung ihres Namens durch Dritte unter Berufung auf Art. 29 Abs. 2 ZGB zur Wehr setzen (BGE 76 II 91). Im weiteren bildet auch die Verwendung eines Namens, und somit auch einer Firma, zur Bezeichnung einer Sache, wie z.B. zur Benennung einer Zeitschrift, einen Fall der Namensanmassung im Sinne von Art. 29 Abs. 2 ZGB (BGE 44 II 86; EGGER N. 17 zu Art. 29 ZGB).
2. Ein Schutz der Klage auf Grund von Art. 29 Abs. 2 ZGB setzt in erster Linie voraus, dass die Klägerin ihren Namen, ihre Firma "Fiducia S. A." zu Recht führt. Der Beklagte macht geltend, diese Voraussetzung sei in verschiedener Hinsicht nicht erfüllt.
a) Er behauptet, das Wort "Fiducia" sei einerseits sprachliches Gemeingut vorab der italienischen Sprache, aber auch der andern Landessprachen, das "Vertrauen, Zuversicht" bedeute und durch kein anderes, gleichbedeutendes Wort ersetzt werden könne. Anderseits stelle dieses Wort als juristischer Ausdruck für "Treuhand" eine Sachbezeichnung dar. In beiden Fällen dürfe die Klägerin sich diesen Begriff nicht für ihre Firmenbildung aneignen und damit monopolisieren. Diese beiden Einwendungen sind nicht stichhaltig.
Fiducia ist ein lateinisches Wort, das "Vertrauen" bedeutet, und als solches, nicht als italienisches Wort, wird es von der Klägerin in ihrer Firmabezeichnung wie auch vom Beklagten als Titel seiner Zeitschrift verwendet und verstanden. Das Letztere geht aus dem Geleitwort der ersten unter dem streitigen Titel erschienenen Nummer der Zeitschrift hervor, wo zu lesen steht, man habe für die Zeitschrift, ihrem Charakter entsprechend, keinen bessern Ausdruck gefunden "als das schöne lateinische Wort FIDUCIA, das auf deutsch Vertrauen heisst" ("ce beau mot de confiance, écrit d'ailleurs en latin"). Als lateinisches, nicht als italienisches Wort werden es sowohl in der Firma der Klägerin als auch insbesondere im Zeitschriftentitel des Beklagten nach der Lebenserfahrung auch die Leser italienischer Zunge auffassen; denn es handelt sich um eine zweisprachige, deutsch und französisch geschriebene Zeitschrift, und von solchen weiss man erfahrungsgemäss in allen Landesgegenden, dass sie - genau wie gesamtschweizerische oder internationale Firmen - zur Überbrückung der sprachlichen Verschiedenheiten mit Vorliebe Ausdrücke der toten, aber überall verständlichen oder doch aussprechbaren lateinischen Sprache verwenden. Der Gebrauch der italienischen Sprache dagegen ist für solche übersprachliche Benennungen nicht üblich, und aus diesem Grunde wird auch der italienisch Sprechende ein lateinisches Wort selbst dort als solches erkennen und auffassen, wo es sich zufällig in der Schreibweise und in gleicher oder veränderter Bedeutung mit einem italienischen Wort deckt.
Da der Beklagte nach seinen eigenen Ausführungen im Geleitwort zum neuen Titel das Wort "Fiducia" als der lateinischen Sprache entnommen bezeichnet hat, ist den unter dem Gesichtspunkt der italienischen Sprache gemachten Ausführungen der Berufung zum vorneherein der Boden entzogen. Abgesehen hievon verhält es sich nicht so, dass durch die Verwendung des Wortes "Fiducia" in der Firma der Klägerin dem Verkehr ein schlechterdings unentbehrlicher Begriff entzogen würde, wie die Berufung behauptet. Fiducia ist im Italienischen keine Sachbezeichnung der in BGE 64 II 248 und BGE 70 II 243 erwähnten Art, wie Brot, Schuhe, Kleider, Wolle, Baumwolle und dergl., sondern blosse Bezeichnung einer nicht einer Sache zukommenden Eigenschaft, eines Vorzuges. Es kann darum auch nicht von einer Monopolisierung - und gar einer rechtsmissbräuchlichen - eines der italienischen Umgangssprache unentbehrlichen sprachlichen Gemeingutes die Rede sein.
Zum zweiten Einwand des Beklagten, Fiducia sei eine juristische Sachbezeichnung, nämlich der in allen Landesteilen verkehrsübliche Begriff für "Treuhand, Treuhandgesellschaft", ist folgendes zu bemerken:
Das lateinische Wort "Fiducia" besagt als juristischer Fachausdruck (entgegen der Berufung) in keiner der drei Landessprachen "Treuhandgesellschaft". Es bedeutet im juristischen Sprachgebrauch auch nicht "Treuhand" in dem umfassenden Sinne, den die Verkehrsauffassung in allen drei Sprachgebieten mit den Worten Treuhand, treuhänderisch oder Treuhänder verbindet (vgl. BGE 68 I 120, BGE 72 I 127; BGE 64 I 55: "Treuhand" in Anführungszeichen; BGE 64 I 341: "fiduciaire"; BGE 72 I 125: "fiduciario, ufficio fiduciario"). "Fiducia" wird im juristischen Sprachgebrauch vielmehr höchstens etwa verwendet für "fiduziarisches Rechtsgeschäft" (so BGE 72 II 360 Erw. 2), für "rapporto fiduciario, contrat fiduciaire, rapport fiduciaire" (s. PICCARD/THILO/STEINER, Jurist. Wörterbuch I S. 246 f.), oder für die entsprechende fiduziarische Klausel (Treuhandklausel) in derartigen Rechtsgeschäften (vgl. z.B. REGELSBERGER, Pandekten S. 518 f.; GAUTSCHI, Auftrag und Geschäftsführung in der Schweiz, S. 98). Aber Fiducia ist kein für die schweizerische Rechtssprache unentbehrliches Wort, und es kommt denn auch weder im ZGB noch im OR vor. Die gegenteiligen Ausführungen der Berufung gehen an der Wirklichkeit vorbei.
Überdies hat das Wort "Fiducia" als einziger hervortretender Teil in der Firma einer A.-G. bei den in Betracht kommenden Verkehrskreisen zum vorneherein nicht den Sinn des ursprünglichen, lateinisch-juristischen Fachausdruckes, sondern es hat vielmehr ein firmenrechtliches Gesicht, nimmt also einen andern Charakter an. Auf die Auffassung der beteiligten Verkehrskreise kommt es aber im Firmenrecht bekanntlich an, besonders bei Phantasienamen, bei den einer toten Sprache entnommenen Worten der Firmenbezeichnung. Nicht massgebend ist also, was für ein Sinn vom philologisch-wissenschaftlichen Standpunkt aus einer Bezeichnung zukommt. Damit erweisen sich die in diesem Zusammenhang gegen das vorinstanzliche Urteil erhobenen - übrigens rechtsmissbräuchlichen - Rügen offensichtlichen Versehens als gegenstandslos. In der Firma einer Handelsgesellschaft verwendet - und dies ist der zur Beurteilung stehende Tatbestand - stellt "Fiducia" für das Publikum eine Phantasiebezeichnung dar; denn dieses Wort umschreibt in diesem Zusammenhang nicht eine Sache, einen Sachverhalt oder gar eine bestimmte Berufstätigkeit, auch nicht einen juristischen Begriff, nicht einmal den Gegenstand des unter dieser Firma auftretenden Unternehmens. Hieran vermag nichts zu ändern, dass dieses ursprünglich lateinische Wort den Stamm bildet für verschiedene Haupt- oder Eigenschaftswörter in den schweizerischen Landessprachen und dass von dieser Seite her das Wort Fiducia auch in der Firma einer A.-G. gewisse Vorstellungen vermittelt, welche irgendwie auf Vertrauen oder auf einen Anspruch auf Vertrauenswürdigkeit hindeuten. Das kann zwar unter andern, noch zu prüfenden Gesichtspunkten in Betracht fallen; für die hier allein in Frage stehende, vom Beklagten behauptete Monopolisierung eines für den Verkehr unentbehrlichen Begriffes dagegen ist es belanglos. Das Wort Fiducia ist nicht einmal für den beklagten Verband unentbehrlich; er kann seine Zeitschrift ohne Schwierigkeit anders benennen, selbst wenn er dem Titel einen Unterton der genannten Art verleihen oder ihn für die Schweiz übersprachlich gestalten will.
b) Der Beklagte bestreitet die Rechtmässigkeit der klägerischen Firma weiter mit der Behauptung, diese widerspreche den in Art. 944 und 950 Abs. 2 OR aufgestellten allgemeinen Vorschriften für die Firmenbildung. Dieses Vorbringen des Beklagten ist von der Vorinstanz mit zutreffender Begründung verworfen worden. Soweit sich diese Begründung auf tatsächliche Feststellungen stützt, ist sie für das Bundesgericht bindend; denn jene Feststellungen beruhen nicht auf offensichtlichem Versehen. Dies gilt insbesondere für die von der Vorinstanz auf Grund der Statuten der Klägerin getroffene Feststellung darüber, dass die Klägerin tatsächlich sog. Treuhandgeschäfte (in dem weiten, oben dargelegten Sinne) betreibt, sodass ein Verstoss gegen den Grundsatz der Firmenwahrheit und das Täuschungsverbot nicht vorliegt.
Ebenso ist die vom Beklagten in der Berufung wieder aufgenommene Behauptung, die klägerische Firma stelle eine unzulässige Reklamebezeichnung dar, von der Vorinstanz zutreffend zurückgewiesen worden. Auch wenn zuzugeben ist, dass die Firma "Fiducia S. A." irgendwie auf die Besorgung von Treuhandgeschäften hinweist und die Vorstellung vermittelt, das Vertrauen spiele dabei eine besondere Rolle, so ist das nicht unzulässig reklamehaft. Es verhält sich dabei nicht anders als bei allen Firmen, die unter Verwendung des Wortes "Treuhand" allein oder in Zusammensetzungen oder in Verbindung mit dem Eigenschaftswort "treuhänderisch", "fiduciaire", "fiduciario" oder unter Verwendung des Wortes "Fides" gebildet sind. Eine offensichtlich unhaltbare und nicht ernst zu nehmende Übertreibung ist die Behauptung des Beklagten, bei der von der Klägerin gewählten Firmabezeichnung müsse jeder, der des Italienischen oder Französischen kundig sei oder den - selten gebrauchten - deutschen Ausdruck "Fiduz" kenne, unweigerlich daran denken, dass diese Firma schlechterdings das Vertrauen verkörpere und dass sie allein Vertrauen verdiene.
c) Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich somit, dass die Klägerin, soweit ihr Verhältnis zum beklagten Verband in Frage steht, ihre Firma rechtmässig führt. 3. - Im weiteren ist zu prüfen, ob die Klägerin an der gerichtlichen Feststellung der Namensanmassung durch den Beklagten und an der Untersagung weiterer Verletzung ihres Namensrechtes ein rechtliches Interesse besitzt. Denn mangels eines solchen könnte ihr auch kein Rechtsanspruch im Sinne von Art. 29 Abs. 2 ZGB zustehen.
Die Vorinstanz ist zutreffend davon ausgegangen, dass unbefugter Gebrauch der klägerischen Firma dann vorliegt, wenn dieser eine Beeinträchtigung des klägerischen Firmeninhabers in sich schliesst d.h. wenn dessen schutzwürdige Interessen verletzt werden. Hiebei genügt grundsätzlich jedes Interesse, sei es persönlicher, ideeller, vermögensrechtlicher oder geschäftlicher Natur. Der Gesichtspunkt eines höheren Interesses des Beklagten, das jedem Interesse der Klägerin vorzugehen hätte, fällt vorliegend ausser Betracht, da nach den früheren Darlegungen "Fiducia" keine Sachbezeichnung ist und keinen Begriff bedeutet, auf den der Beklagte für die Bezeichnung seiner Zeitschrift angewiesen wäre. Es frägt sich also einzig, ob ein schutzwürdiges Interesse der umschriebenen Art auf Seiten der Klägerin zu bejahen sei.
a) Eine Beeinträchtigung liegt nach Lehre und Rechtsprechung vor, wenn Verwechslungsgefahr besteht; der Nachweis stattgefundener Verwechslung ist nicht erforderlich (BGE 74 II 235). Im vorliegenden Falle ist er übrigens erbracht, da eine Postkarte, welche für die Redaktion der Zeitschrift "Fiducia" bestimmt war, durch die Post der Klägerin zugestellt wurde. Der Beklagte wendet ein, dieser Sachverhalt falle nicht in Betracht, weil es sich dabei nicht um eine Verwechslung (und ihr zugrunde liegende falsche Vorstellung oder Gedankenverbindung) der Kundschaft, des Publikums handle, sondern um eine solche der Post. Diese Auffassung des Beklagten ist jedoch unrichtig. Wie das Bundesgericht schon wiederholt entschieden hat, gehört auch das Postpersonal zu den beteiligten Verkehrskreisen, auf die bei der Beurteilung der Frage der Verwechslungsgefahr abzustellen ist, und dementsprechend werden Verwechslungen bei der Post oder bei Behörden als Beweis für Verwechslungsfälle und Verwechslungsgefahr anerkannt (BGE 61 II 123, BGE 73 II 113; ebenso das deutsche Reichsgericht in RGZiv 108 S. 276). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten; denn es ist denkbar, dass der Post auch schwererwiegende Verwechslungen als die hier eingetretene unterlaufen können, indem z.B. Briefpost, die für die Klägerin bestimmt ist, an die Redaktion der Zeitschrift der Beklagten gelangen könnte. Das wäre aber für die Klägerin und deren Kunden unter Umständen höchst unangenehm.
b) Es genügt übrigens, wie festgestellt, schon die blosse Verwechslungsgefahr. Für das Vorliegen einer solchen kann nach der Rechtsprechung unter Umständen ausreichen, wenn die beiden zu vergleichenden Bezeichnungen nur in einem besonders in die Augen springenden, von den beteiligten Verkehrskreisen als charakteristisch empfundenen Bestandteil übereinstimmen (BGE 61 II 123). Das trifft hier entgegen der Auffassung der Berufung gerade zu, wie der angefochtene Entscheid mit Recht ausführt. Das vom Beklagten für seine Zeitschrift als Titel gewählte Wort "Fiducia" bildet auch den allein charakteristischen Bestandteil der klägerischen Firmabezeichnung. Es besteht daher ganz offensichtlich die Gefahr, dass vorhandene oder mögliche Kundschaft der Klägerin oder Leute, welche diese Firma kennen, bei der erfahrungsgemäss im heutigen Leben nur noch geringen durchschnittlichen Aufmerksamkeit auf Grund des allein in die Augen springenden Titelwortes "Fiducia" der Zeitschrift des Beklagten auf den Gedanken kommen könnte, es handle sich um eine Zeitschrift der Klägerin. Der Hinweis des Beklagten darauf, dass die gesamte Aufmachung der Titelseite mit den zuoberst angebrachten Verbandsabzeichen VSB bezw. ASE eine solche Annahme ausschliesse, ist daher belanglos. Zudem ist bei der Entscheidung der Frage der Verwechslungsgefahr auch der Fall zu bedenken, dass nicht jedermann, der von der Zeitschrift "Fiducia" hört, immer ein Exemplar derselben oder den ganzen Text des Titelblattes vor Augen hat, sondern sich vom blossen Erinnerungsbild leiten lässt, bei dem der Titel "Fiducia" allein im Vordergrund steht. Gegen solche Verwechslungen soll der Firmeninhaber geschützt sein, nicht nur wegen der Gefahr der Schmälerung seines Kundenkreises, sondern auch wegen seiner Geheimsphäre, wegen seines geschäftlichen und privaten Rufes, wegen der mit Verwechslungen verbundenen Umtriebe usw. (BGE 59 II 161 und dort erwähnte nicht veröffentlichte Entscheide).
c) Selbst wenn man aber annehmen wollte, bei Verwendung einer Firma, bezw. des kennzeichnenden Bestandteils einer solchen, zur Bezeichnung einer Sache (hier einer Zeitschrift) entfalle die "eigentliche Verwechslungsgefahr" (so EGGER, Art. 29 ZGB N. 17), so wäre im vorliegenden Falle ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin gleichwohl zu bejahen; denn der Namensträger darf sich auf Grund von Art. 29 Abs. 2 ZGB auch dagegen zur Wehr setzen, dass er in Beziehungen hineingestellt wird, die er ablehnt und, wie zu ergänzen ist, vernünftigerweise ablehnen darf (gl. A. EGGER a.a.O. ). In dieser Hinsicht ist vorliegend zu beachten, dass die Zeitschrift das offizielle Organ des Verbandes Schweiz. Bücherexperten ist und auf dem Titelblatt als solches bezeichnet wird. Bücherexperten befassen sich aber bekanntlich sehr häufig mit sog. Treuhand- und Verwaltungsgeschäften. Die im Streit stehende Verbandszeitschrift wird sich daher natürlicherweise unter diesem oder jenem Gesichtspunkt im Interesse und zu Handen der Mitglieder mit derartigen Fragen und Angelegenheiten befassen. Bis zu einem gewissen Grade sind die Mitglieder des Verbandes und wohl auch manch andere Abonnenten oder Leser geschäftliche Konkurrenten der Klägerin. Schliesslich ist die Zeitschrift, wenn nicht hauptsächlich, so doch nebenbei auch gemeinschaftliches Werbemittel der Verbandsmitglieder. Das kann aber der Klägerin schon rein geschäftlich nicht gleichgültig sein. Sie hat deshalb ein persönliches, ideelles wie auch geschäftliches Interesse daran, dass nicht ausgerechnet das ihre Firma allein kennzeichnende Wort "Fiducia" als Titel einer Zeitschrift dieser Art Verwendung findet und dass nicht so Gedankenverbindungen zwischen ihrer Firma und dem Titel der Zeitschrift aufkommen. Ob der Inhalt der Zeitschrift Anerkennung verdient oder nicht, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Auch wenn die Zeitschrift gut geführt ist, bleibt es dabei, dass die Klägerin es aus anerkennenswerten Gründen ablehnt und ablehnen darf, durch Gedankenverbindungen in derartige Beziehungen zur Zeitschrift oder zu dem dahinter stehenden Verband hineingestellt zu werden. Darin liegt kein Rechtsmissbrauch seitens der Klägerin. Ebenso ist es verständlich, wenn die Klägerin sich das Wort "Fiducia" im Hinblick auf die Möglichkeit wahren will, eines Tages selbst einmal eine Firmenzeitschrift mit diesem ihrer Firma entsprechenden Titel herauszugeben.
Ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin zu verneinen besteht um so weniger Anlass, als - wie schon ausgeführt - der beklagte Verband auf den Zeitschriftentitel "Fiducia" keineswegs angewiesen ist.
4. Das Feststellungs- und das Unterlassungsbegehren der Klägerin sind somit von der Vorinstanz mit Recht geschützt worden.
Die Vorinstanz hat die Klägerin ferner ermächtigt, das Urteil auf Kosten des Beklagten je einmal im Schweiz. Handelsamtsblatt und im Verbandsorgan des Beklagten zu veröffentlichen, und der Beklagte wurde verpflichtet, die Veröffentlichung in seinem Verbandsorgan vorzunehmen.
In seinem Berufungsbegehren beantragt der Beklagte auch die Aufhebung des die Publikation anordnenden Urteilsdispositivs 4. Allein er hat entgegen der Vorschrift von Art. 55 Abs. 1 lit. c OG dieses Begehren mit keinem Worte begründet, so dass in diesem Punkte auf die Berufung nicht eingetreten werden kann. Sie ist übrigens auch materiell unbegründet. Zwar sind die Auswirkungen der Namensanmassung mit der Feststellung ihrer Widerrechtlichkeit und der Untersagung des weiteren titelmässigen Gebrauches des Wortes "Fiducia" durch den Beklagten im Wesentlichen behoben; dies aber nur unter der Voraussetzung, dass den beteiligten Geschäftskreisen die durch das Urteil geschaffene Klarstellung bekannt wird. Andernfalls bestünde die durch das Vorgehen des Beklagten geschaffene, für die Klägerin nachteilige Unsicherheit über die Rechtslage weiter. Mit Rücksicht hierauf rechtfertigt es sich daher, als Massnahme zur Störungsbeseitigung im weiteren Sinn die Urteilsveröffentlichung anzuordnen, wie dies bei entsprechendem Sachverhalt im Wettbewerbs- und Patentrecht gemäss ständiger Rechtsprechung geschieht (BGE 61 II 206, BGE 67 II 58, BGE 79 II 329).
Für den erwähnten Zweck genügt die Veröffentlichung des Urteilsdispositivs; einer Veröffentlichung des Urteils in seinem vollen Umfange bedarf es nicht. Das ist zur Klarstellung festzuhalten, da dem Urteil der Vorinstanz nicht mit Sicherheit entnommen werden kann, welche Veröffentlichungsweise sie bei ihrem Urteilsspruch im Auge hatte.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts Zürich, II. Zivilkammer, vom 8. September 1953 wird bestätigt. | de | Protection du nom. Raison de commerce. Art. 29 CC, 944, 950 al. 2 CO. Usurpation d'un nom consistant dans l'emploi de l'élément essentiel d'une raison de commerce comme titre d'un journal d'une association.
Admissibilité de la raison "Fiducia SA". Est-ce une expression appartenant au domaine public? Est-ce une désignation de chose? Contrevient-elle à l'interdiction d'induire en erreur ou au principe d'une saine réclame? (consid. 2).
Intérêt juridique à l'action en protection du nom en cas de danger de confusion; existence d'un tel danger (consid. 3).
Publication du jugement considérée comme moyen de faire cesser le trouble (consid. 4). | fr | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-138%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
239 | 80 II 138 | Sachverhalt ab Seite 138
A.- Im Handelsregister von Genf ist seit 1924 die Firma Fiducia S. A. eingetragen, die nach ihren Statuten u.a. auch das Treuhandgeschäft betreibt.
Der Verband Schweiz. Bücherexperten (VSB), ein Verein, der den Zusammenschluss der berufstätigen Bücherexperten und Bücherrevisoren und die Vertretung ihrer beruflichen und wirtschaftlichen Interessen bezweckt, gibt eine Zeitschrift heraus, die seit dem Juli 1951 den Titel "Fiducia" führt.
Die Fiducia S. A. teilte dem VSB im August 1951 mit, der gewählte neue Titel der Zeitschrift verletze ihre Namensrechte. Der VSB bestritt dies. Der zwischen den Parteien geführte Briefwechsel führte zu keiner Einigung.
B.- Die Fiducia S. A. erhob daher gegen den VSB Klage mit den Begehren:
1. Es sei festzustellen, dass der Beklagte durch die Verwendung des Wortes "Fiducia" als Titel seines Verbandsorgans die Rechte der Klägerin verletzt und dass diese Verwendung des Wortes "Fiducia" widerrechtlich ist;
2. Dem Beklagten sei zu verbieten, das Wort "Fiducia" in irgendeiner Kombination im Titel seines Verbandsorgans zu verwenden;
3. Der Beklagte sei zu verpflichten, der Klägerin als Schadenersatz Fr. 1.- zu bezahlen, unter Vorbehalt des Nachklagerechtes;
4. Die Klägerin sei zu ermächtigen, das Urteil auf Kosten des Beklagten im Schweizerischen Handelsamtsblatt, sowie im Verbandsorgan des Beklagten zu veröffentlichen, und der Beklagte sei zu verpflichten, die Publikation in seinem Verbandsorgan vorzunehmen.
Der Beklagte beantragte Abweisung der Klage.
C.- Das Bezirksgericht Zürich wies die Klage ab. Das Obergericht Zürich, II. Zivilkammer, schützte dagegen mit Urteil vom 8. September 1953 das Feststellungs-, das Unterlassungs- und das Publikationsbegehren (mit je einmaliger Publikation des Urteils in den im Rechtsbegehren der Klägerin genannten Zeitungen), während es das Schadenersatzbegehren ebenfalls abwies.
D.- Mit der vorliegenden Berufung beantragt der Beklagte erneut Abweisung der Klage, eventuell Rückweisung der Sache an die Vorinstanz.
Die Klägerin trägt auf Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen Entscheides an; sie findet sich also mit der Abweisung des Schadenersatzbegehrens ab.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die Klägerin erblickt in der Verwendung ihres im Handelsregister eingetragenen Firmanamens, bezw. des darin enthaltenen einzig kennzeichnenden Bestandteils "Fiducia", durch den Beklagten als Titel seiner Verbandszeitschrift eine Namensanmassung im Sinne von Art. 29 Abs. 2 ZGB.
Die Vorschriften über den Namensschutz gelten in der Tat auch für die juristische Person, also auch für die A.-G.; denn diese ist nach Art. 53 ZGB aller Rechte fähig, die nicht die natürlichen Eigenschaften des Menschen, wie Alter, Geschlecht oder Verwandtschaft voraussetzen. Letzteres ist aber in Bezug auf den Namen nicht der Fall. Die juristische Person kann sich daher gegen die nicht firmenmässige Verwendung ihres Namens durch Dritte unter Berufung auf Art. 29 Abs. 2 ZGB zur Wehr setzen (BGE 76 II 91). Im weiteren bildet auch die Verwendung eines Namens, und somit auch einer Firma, zur Bezeichnung einer Sache, wie z.B. zur Benennung einer Zeitschrift, einen Fall der Namensanmassung im Sinne von Art. 29 Abs. 2 ZGB (BGE 44 II 86; EGGER N. 17 zu Art. 29 ZGB).
2. Ein Schutz der Klage auf Grund von Art. 29 Abs. 2 ZGB setzt in erster Linie voraus, dass die Klägerin ihren Namen, ihre Firma "Fiducia S. A." zu Recht führt. Der Beklagte macht geltend, diese Voraussetzung sei in verschiedener Hinsicht nicht erfüllt.
a) Er behauptet, das Wort "Fiducia" sei einerseits sprachliches Gemeingut vorab der italienischen Sprache, aber auch der andern Landessprachen, das "Vertrauen, Zuversicht" bedeute und durch kein anderes, gleichbedeutendes Wort ersetzt werden könne. Anderseits stelle dieses Wort als juristischer Ausdruck für "Treuhand" eine Sachbezeichnung dar. In beiden Fällen dürfe die Klägerin sich diesen Begriff nicht für ihre Firmenbildung aneignen und damit monopolisieren. Diese beiden Einwendungen sind nicht stichhaltig.
Fiducia ist ein lateinisches Wort, das "Vertrauen" bedeutet, und als solches, nicht als italienisches Wort, wird es von der Klägerin in ihrer Firmabezeichnung wie auch vom Beklagten als Titel seiner Zeitschrift verwendet und verstanden. Das Letztere geht aus dem Geleitwort der ersten unter dem streitigen Titel erschienenen Nummer der Zeitschrift hervor, wo zu lesen steht, man habe für die Zeitschrift, ihrem Charakter entsprechend, keinen bessern Ausdruck gefunden "als das schöne lateinische Wort FIDUCIA, das auf deutsch Vertrauen heisst" ("ce beau mot de confiance, écrit d'ailleurs en latin"). Als lateinisches, nicht als italienisches Wort werden es sowohl in der Firma der Klägerin als auch insbesondere im Zeitschriftentitel des Beklagten nach der Lebenserfahrung auch die Leser italienischer Zunge auffassen; denn es handelt sich um eine zweisprachige, deutsch und französisch geschriebene Zeitschrift, und von solchen weiss man erfahrungsgemäss in allen Landesgegenden, dass sie - genau wie gesamtschweizerische oder internationale Firmen - zur Überbrückung der sprachlichen Verschiedenheiten mit Vorliebe Ausdrücke der toten, aber überall verständlichen oder doch aussprechbaren lateinischen Sprache verwenden. Der Gebrauch der italienischen Sprache dagegen ist für solche übersprachliche Benennungen nicht üblich, und aus diesem Grunde wird auch der italienisch Sprechende ein lateinisches Wort selbst dort als solches erkennen und auffassen, wo es sich zufällig in der Schreibweise und in gleicher oder veränderter Bedeutung mit einem italienischen Wort deckt.
Da der Beklagte nach seinen eigenen Ausführungen im Geleitwort zum neuen Titel das Wort "Fiducia" als der lateinischen Sprache entnommen bezeichnet hat, ist den unter dem Gesichtspunkt der italienischen Sprache gemachten Ausführungen der Berufung zum vorneherein der Boden entzogen. Abgesehen hievon verhält es sich nicht so, dass durch die Verwendung des Wortes "Fiducia" in der Firma der Klägerin dem Verkehr ein schlechterdings unentbehrlicher Begriff entzogen würde, wie die Berufung behauptet. Fiducia ist im Italienischen keine Sachbezeichnung der in BGE 64 II 248 und BGE 70 II 243 erwähnten Art, wie Brot, Schuhe, Kleider, Wolle, Baumwolle und dergl., sondern blosse Bezeichnung einer nicht einer Sache zukommenden Eigenschaft, eines Vorzuges. Es kann darum auch nicht von einer Monopolisierung - und gar einer rechtsmissbräuchlichen - eines der italienischen Umgangssprache unentbehrlichen sprachlichen Gemeingutes die Rede sein.
Zum zweiten Einwand des Beklagten, Fiducia sei eine juristische Sachbezeichnung, nämlich der in allen Landesteilen verkehrsübliche Begriff für "Treuhand, Treuhandgesellschaft", ist folgendes zu bemerken:
Das lateinische Wort "Fiducia" besagt als juristischer Fachausdruck (entgegen der Berufung) in keiner der drei Landessprachen "Treuhandgesellschaft". Es bedeutet im juristischen Sprachgebrauch auch nicht "Treuhand" in dem umfassenden Sinne, den die Verkehrsauffassung in allen drei Sprachgebieten mit den Worten Treuhand, treuhänderisch oder Treuhänder verbindet (vgl. BGE 68 I 120, BGE 72 I 127; BGE 64 I 55: "Treuhand" in Anführungszeichen; BGE 64 I 341: "fiduciaire"; BGE 72 I 125: "fiduciario, ufficio fiduciario"). "Fiducia" wird im juristischen Sprachgebrauch vielmehr höchstens etwa verwendet für "fiduziarisches Rechtsgeschäft" (so BGE 72 II 360 Erw. 2), für "rapporto fiduciario, contrat fiduciaire, rapport fiduciaire" (s. PICCARD/THILO/STEINER, Jurist. Wörterbuch I S. 246 f.), oder für die entsprechende fiduziarische Klausel (Treuhandklausel) in derartigen Rechtsgeschäften (vgl. z.B. REGELSBERGER, Pandekten S. 518 f.; GAUTSCHI, Auftrag und Geschäftsführung in der Schweiz, S. 98). Aber Fiducia ist kein für die schweizerische Rechtssprache unentbehrliches Wort, und es kommt denn auch weder im ZGB noch im OR vor. Die gegenteiligen Ausführungen der Berufung gehen an der Wirklichkeit vorbei.
Überdies hat das Wort "Fiducia" als einziger hervortretender Teil in der Firma einer A.-G. bei den in Betracht kommenden Verkehrskreisen zum vorneherein nicht den Sinn des ursprünglichen, lateinisch-juristischen Fachausdruckes, sondern es hat vielmehr ein firmenrechtliches Gesicht, nimmt also einen andern Charakter an. Auf die Auffassung der beteiligten Verkehrskreise kommt es aber im Firmenrecht bekanntlich an, besonders bei Phantasienamen, bei den einer toten Sprache entnommenen Worten der Firmenbezeichnung. Nicht massgebend ist also, was für ein Sinn vom philologisch-wissenschaftlichen Standpunkt aus einer Bezeichnung zukommt. Damit erweisen sich die in diesem Zusammenhang gegen das vorinstanzliche Urteil erhobenen - übrigens rechtsmissbräuchlichen - Rügen offensichtlichen Versehens als gegenstandslos. In der Firma einer Handelsgesellschaft verwendet - und dies ist der zur Beurteilung stehende Tatbestand - stellt "Fiducia" für das Publikum eine Phantasiebezeichnung dar; denn dieses Wort umschreibt in diesem Zusammenhang nicht eine Sache, einen Sachverhalt oder gar eine bestimmte Berufstätigkeit, auch nicht einen juristischen Begriff, nicht einmal den Gegenstand des unter dieser Firma auftretenden Unternehmens. Hieran vermag nichts zu ändern, dass dieses ursprünglich lateinische Wort den Stamm bildet für verschiedene Haupt- oder Eigenschaftswörter in den schweizerischen Landessprachen und dass von dieser Seite her das Wort Fiducia auch in der Firma einer A.-G. gewisse Vorstellungen vermittelt, welche irgendwie auf Vertrauen oder auf einen Anspruch auf Vertrauenswürdigkeit hindeuten. Das kann zwar unter andern, noch zu prüfenden Gesichtspunkten in Betracht fallen; für die hier allein in Frage stehende, vom Beklagten behauptete Monopolisierung eines für den Verkehr unentbehrlichen Begriffes dagegen ist es belanglos. Das Wort Fiducia ist nicht einmal für den beklagten Verband unentbehrlich; er kann seine Zeitschrift ohne Schwierigkeit anders benennen, selbst wenn er dem Titel einen Unterton der genannten Art verleihen oder ihn für die Schweiz übersprachlich gestalten will.
b) Der Beklagte bestreitet die Rechtmässigkeit der klägerischen Firma weiter mit der Behauptung, diese widerspreche den in Art. 944 und 950 Abs. 2 OR aufgestellten allgemeinen Vorschriften für die Firmenbildung. Dieses Vorbringen des Beklagten ist von der Vorinstanz mit zutreffender Begründung verworfen worden. Soweit sich diese Begründung auf tatsächliche Feststellungen stützt, ist sie für das Bundesgericht bindend; denn jene Feststellungen beruhen nicht auf offensichtlichem Versehen. Dies gilt insbesondere für die von der Vorinstanz auf Grund der Statuten der Klägerin getroffene Feststellung darüber, dass die Klägerin tatsächlich sog. Treuhandgeschäfte (in dem weiten, oben dargelegten Sinne) betreibt, sodass ein Verstoss gegen den Grundsatz der Firmenwahrheit und das Täuschungsverbot nicht vorliegt.
Ebenso ist die vom Beklagten in der Berufung wieder aufgenommene Behauptung, die klägerische Firma stelle eine unzulässige Reklamebezeichnung dar, von der Vorinstanz zutreffend zurückgewiesen worden. Auch wenn zuzugeben ist, dass die Firma "Fiducia S. A." irgendwie auf die Besorgung von Treuhandgeschäften hinweist und die Vorstellung vermittelt, das Vertrauen spiele dabei eine besondere Rolle, so ist das nicht unzulässig reklamehaft. Es verhält sich dabei nicht anders als bei allen Firmen, die unter Verwendung des Wortes "Treuhand" allein oder in Zusammensetzungen oder in Verbindung mit dem Eigenschaftswort "treuhänderisch", "fiduciaire", "fiduciario" oder unter Verwendung des Wortes "Fides" gebildet sind. Eine offensichtlich unhaltbare und nicht ernst zu nehmende Übertreibung ist die Behauptung des Beklagten, bei der von der Klägerin gewählten Firmabezeichnung müsse jeder, der des Italienischen oder Französischen kundig sei oder den - selten gebrauchten - deutschen Ausdruck "Fiduz" kenne, unweigerlich daran denken, dass diese Firma schlechterdings das Vertrauen verkörpere und dass sie allein Vertrauen verdiene.
c) Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich somit, dass die Klägerin, soweit ihr Verhältnis zum beklagten Verband in Frage steht, ihre Firma rechtmässig führt. 3. - Im weiteren ist zu prüfen, ob die Klägerin an der gerichtlichen Feststellung der Namensanmassung durch den Beklagten und an der Untersagung weiterer Verletzung ihres Namensrechtes ein rechtliches Interesse besitzt. Denn mangels eines solchen könnte ihr auch kein Rechtsanspruch im Sinne von Art. 29 Abs. 2 ZGB zustehen.
Die Vorinstanz ist zutreffend davon ausgegangen, dass unbefugter Gebrauch der klägerischen Firma dann vorliegt, wenn dieser eine Beeinträchtigung des klägerischen Firmeninhabers in sich schliesst d.h. wenn dessen schutzwürdige Interessen verletzt werden. Hiebei genügt grundsätzlich jedes Interesse, sei es persönlicher, ideeller, vermögensrechtlicher oder geschäftlicher Natur. Der Gesichtspunkt eines höheren Interesses des Beklagten, das jedem Interesse der Klägerin vorzugehen hätte, fällt vorliegend ausser Betracht, da nach den früheren Darlegungen "Fiducia" keine Sachbezeichnung ist und keinen Begriff bedeutet, auf den der Beklagte für die Bezeichnung seiner Zeitschrift angewiesen wäre. Es frägt sich also einzig, ob ein schutzwürdiges Interesse der umschriebenen Art auf Seiten der Klägerin zu bejahen sei.
a) Eine Beeinträchtigung liegt nach Lehre und Rechtsprechung vor, wenn Verwechslungsgefahr besteht; der Nachweis stattgefundener Verwechslung ist nicht erforderlich (BGE 74 II 235). Im vorliegenden Falle ist er übrigens erbracht, da eine Postkarte, welche für die Redaktion der Zeitschrift "Fiducia" bestimmt war, durch die Post der Klägerin zugestellt wurde. Der Beklagte wendet ein, dieser Sachverhalt falle nicht in Betracht, weil es sich dabei nicht um eine Verwechslung (und ihr zugrunde liegende falsche Vorstellung oder Gedankenverbindung) der Kundschaft, des Publikums handle, sondern um eine solche der Post. Diese Auffassung des Beklagten ist jedoch unrichtig. Wie das Bundesgericht schon wiederholt entschieden hat, gehört auch das Postpersonal zu den beteiligten Verkehrskreisen, auf die bei der Beurteilung der Frage der Verwechslungsgefahr abzustellen ist, und dementsprechend werden Verwechslungen bei der Post oder bei Behörden als Beweis für Verwechslungsfälle und Verwechslungsgefahr anerkannt (BGE 61 II 123, BGE 73 II 113; ebenso das deutsche Reichsgericht in RGZiv 108 S. 276). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten; denn es ist denkbar, dass der Post auch schwererwiegende Verwechslungen als die hier eingetretene unterlaufen können, indem z.B. Briefpost, die für die Klägerin bestimmt ist, an die Redaktion der Zeitschrift der Beklagten gelangen könnte. Das wäre aber für die Klägerin und deren Kunden unter Umständen höchst unangenehm.
b) Es genügt übrigens, wie festgestellt, schon die blosse Verwechslungsgefahr. Für das Vorliegen einer solchen kann nach der Rechtsprechung unter Umständen ausreichen, wenn die beiden zu vergleichenden Bezeichnungen nur in einem besonders in die Augen springenden, von den beteiligten Verkehrskreisen als charakteristisch empfundenen Bestandteil übereinstimmen (BGE 61 II 123). Das trifft hier entgegen der Auffassung der Berufung gerade zu, wie der angefochtene Entscheid mit Recht ausführt. Das vom Beklagten für seine Zeitschrift als Titel gewählte Wort "Fiducia" bildet auch den allein charakteristischen Bestandteil der klägerischen Firmabezeichnung. Es besteht daher ganz offensichtlich die Gefahr, dass vorhandene oder mögliche Kundschaft der Klägerin oder Leute, welche diese Firma kennen, bei der erfahrungsgemäss im heutigen Leben nur noch geringen durchschnittlichen Aufmerksamkeit auf Grund des allein in die Augen springenden Titelwortes "Fiducia" der Zeitschrift des Beklagten auf den Gedanken kommen könnte, es handle sich um eine Zeitschrift der Klägerin. Der Hinweis des Beklagten darauf, dass die gesamte Aufmachung der Titelseite mit den zuoberst angebrachten Verbandsabzeichen VSB bezw. ASE eine solche Annahme ausschliesse, ist daher belanglos. Zudem ist bei der Entscheidung der Frage der Verwechslungsgefahr auch der Fall zu bedenken, dass nicht jedermann, der von der Zeitschrift "Fiducia" hört, immer ein Exemplar derselben oder den ganzen Text des Titelblattes vor Augen hat, sondern sich vom blossen Erinnerungsbild leiten lässt, bei dem der Titel "Fiducia" allein im Vordergrund steht. Gegen solche Verwechslungen soll der Firmeninhaber geschützt sein, nicht nur wegen der Gefahr der Schmälerung seines Kundenkreises, sondern auch wegen seiner Geheimsphäre, wegen seines geschäftlichen und privaten Rufes, wegen der mit Verwechslungen verbundenen Umtriebe usw. (BGE 59 II 161 und dort erwähnte nicht veröffentlichte Entscheide).
c) Selbst wenn man aber annehmen wollte, bei Verwendung einer Firma, bezw. des kennzeichnenden Bestandteils einer solchen, zur Bezeichnung einer Sache (hier einer Zeitschrift) entfalle die "eigentliche Verwechslungsgefahr" (so EGGER, Art. 29 ZGB N. 17), so wäre im vorliegenden Falle ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin gleichwohl zu bejahen; denn der Namensträger darf sich auf Grund von Art. 29 Abs. 2 ZGB auch dagegen zur Wehr setzen, dass er in Beziehungen hineingestellt wird, die er ablehnt und, wie zu ergänzen ist, vernünftigerweise ablehnen darf (gl. A. EGGER a.a.O. ). In dieser Hinsicht ist vorliegend zu beachten, dass die Zeitschrift das offizielle Organ des Verbandes Schweiz. Bücherexperten ist und auf dem Titelblatt als solches bezeichnet wird. Bücherexperten befassen sich aber bekanntlich sehr häufig mit sog. Treuhand- und Verwaltungsgeschäften. Die im Streit stehende Verbandszeitschrift wird sich daher natürlicherweise unter diesem oder jenem Gesichtspunkt im Interesse und zu Handen der Mitglieder mit derartigen Fragen und Angelegenheiten befassen. Bis zu einem gewissen Grade sind die Mitglieder des Verbandes und wohl auch manch andere Abonnenten oder Leser geschäftliche Konkurrenten der Klägerin. Schliesslich ist die Zeitschrift, wenn nicht hauptsächlich, so doch nebenbei auch gemeinschaftliches Werbemittel der Verbandsmitglieder. Das kann aber der Klägerin schon rein geschäftlich nicht gleichgültig sein. Sie hat deshalb ein persönliches, ideelles wie auch geschäftliches Interesse daran, dass nicht ausgerechnet das ihre Firma allein kennzeichnende Wort "Fiducia" als Titel einer Zeitschrift dieser Art Verwendung findet und dass nicht so Gedankenverbindungen zwischen ihrer Firma und dem Titel der Zeitschrift aufkommen. Ob der Inhalt der Zeitschrift Anerkennung verdient oder nicht, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Auch wenn die Zeitschrift gut geführt ist, bleibt es dabei, dass die Klägerin es aus anerkennenswerten Gründen ablehnt und ablehnen darf, durch Gedankenverbindungen in derartige Beziehungen zur Zeitschrift oder zu dem dahinter stehenden Verband hineingestellt zu werden. Darin liegt kein Rechtsmissbrauch seitens der Klägerin. Ebenso ist es verständlich, wenn die Klägerin sich das Wort "Fiducia" im Hinblick auf die Möglichkeit wahren will, eines Tages selbst einmal eine Firmenzeitschrift mit diesem ihrer Firma entsprechenden Titel herauszugeben.
Ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin zu verneinen besteht um so weniger Anlass, als - wie schon ausgeführt - der beklagte Verband auf den Zeitschriftentitel "Fiducia" keineswegs angewiesen ist.
4. Das Feststellungs- und das Unterlassungsbegehren der Klägerin sind somit von der Vorinstanz mit Recht geschützt worden.
Die Vorinstanz hat die Klägerin ferner ermächtigt, das Urteil auf Kosten des Beklagten je einmal im Schweiz. Handelsamtsblatt und im Verbandsorgan des Beklagten zu veröffentlichen, und der Beklagte wurde verpflichtet, die Veröffentlichung in seinem Verbandsorgan vorzunehmen.
In seinem Berufungsbegehren beantragt der Beklagte auch die Aufhebung des die Publikation anordnenden Urteilsdispositivs 4. Allein er hat entgegen der Vorschrift von Art. 55 Abs. 1 lit. c OG dieses Begehren mit keinem Worte begründet, so dass in diesem Punkte auf die Berufung nicht eingetreten werden kann. Sie ist übrigens auch materiell unbegründet. Zwar sind die Auswirkungen der Namensanmassung mit der Feststellung ihrer Widerrechtlichkeit und der Untersagung des weiteren titelmässigen Gebrauches des Wortes "Fiducia" durch den Beklagten im Wesentlichen behoben; dies aber nur unter der Voraussetzung, dass den beteiligten Geschäftskreisen die durch das Urteil geschaffene Klarstellung bekannt wird. Andernfalls bestünde die durch das Vorgehen des Beklagten geschaffene, für die Klägerin nachteilige Unsicherheit über die Rechtslage weiter. Mit Rücksicht hierauf rechtfertigt es sich daher, als Massnahme zur Störungsbeseitigung im weiteren Sinn die Urteilsveröffentlichung anzuordnen, wie dies bei entsprechendem Sachverhalt im Wettbewerbs- und Patentrecht gemäss ständiger Rechtsprechung geschieht (BGE 61 II 206, BGE 67 II 58, BGE 79 II 329).
Für den erwähnten Zweck genügt die Veröffentlichung des Urteilsdispositivs; einer Veröffentlichung des Urteils in seinem vollen Umfange bedarf es nicht. Das ist zur Klarstellung festzuhalten, da dem Urteil der Vorinstanz nicht mit Sicherheit entnommen werden kann, welche Veröffentlichungsweise sie bei ihrem Urteilsspruch im Auge hatte.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts Zürich, II. Zivilkammer, vom 8. September 1953 wird bestätigt. | de | Protezione del nome. Ditta commerciale. Art. 29 CC, 944, 950 cp. 2 CO. Usurpazione d'un nome consistente nell'uso dell'elemento essenziale d'una ditta commerciale come titolo d'un giornale d'un'associazione.
Ammissibilità della ditta "Fiducia SA". Trattasi d'un'espressione di pubblico dominio? Trattasi della designazione d'una cosa? E essa contraria al divieto d'indurre in errore o al principio d'una sana propaganda? (consid. 2).
Interesse giuridico all'azione di protezione del nome in caso di pericolo di confusione; esistenza d'un siffatto pericolo (consid. 3).
Pubblicazione della sentenza considerata come mezzo di far cessare la turbazione (consid. 4). | it | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-138%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
240 | 80 II 14 | Sachverhalt ab Seite 14
A.- L. F., geb. 1887, steht seit 1934 wegen Misswirtschaft aus Unfähigkeit und Willensschwäche unter Beiratschaft mit Vermögensverwaltung gemäss Art. 395 Abs. 2 ZGB. Am 10. März 1947 schloss er mit Zustimmung seines Beirates mit seiner Ehefrau eine Vereinbarung, wonach er ihr in Anerkennung ihrer für die Führung und Erhaltung seines landwirtschaftlichen Gutes geleisteten Arbeit Fr.
50'000.-- und den fünf Kindern je Fr. 5000.-- aus dem Verkaufserlös des Hofes "vorab und ohne jegliche Ausgleichungspflicht als Entgelt" zu zahlen versprach. Der Beirat, der die Vereinbarung mitunterzeichnete, wurde in dieser beauftragt, "nach Genehmigung des Vertrages durch die Vormundschaftsbehörde Luzern" für die Auszahlung der Beträge zu sorgen. Diese Genehmigung wurde nie erteilt. Trotzdem erfolgte die Auszahlung im Sommer 1947 in mehreren Teilzahlungen auf Veranlassung des Beirates und der Vormundschaftsdirektion durch die Vormundschaftskasse. Mit Entscheid vom 19. Juni 1950, anlässlich der Abnahme von Bericht und Rechnung des Beirates für die Zeit vom 15. Juli 1945 bis 31. Januar 1950, lehnte der Stadtrat von Luzern als Vormundschaftsbehörde die Genehmigung der Vereinbarung vom 10. März 1947 ausdrücklich ab und wies den Beirat an, für die Rückerstattung des zu Unrecht ausgehändigten Betrages bis spätestens 30. September 1950 besorgt zu sein. Auf den Rekurs des F. hiegegen trat der Regierungsrat (7. Dezember 1950) nicht ein, wies ihn an den Amtsgehilfen als erstinstanzliche Aufsichtsbehörde und setzte den Beirat S. ab, den der Stadtrat durch Amtsvormund R. ersetzte. Unterm 27. Dezember 1950 bestätigte der Amtsgehilfe die Nichtgenehmigung der Vereinbarung und den Rückforderungsauftrag.
B.- Den neuen Beirat wies der Stadtrat (21. März 1952) an, alle Massnahmen zur Rückerstattung der rechtsungültig veräusserten Beträge zu ergreifen, und erteilte ihm, als die Ehefrau F. die freiwillige Rückleistung verweigerte, am 12. August 1952 Vollmacht zur Prozessführung. Gestützt darauf erhob der Beirat namens des F. gegen die Ehefrau Klage mit dem Begehren, die Vereinbarung vom 10. März 1947 sei nichtig zu erklären und die Beklagte zu verpflichten, den Betrag von Fr. 50'000.-- zurückzuleisten.
Die Beklagte beantragte Abweisung der Klage. Sie bestritt vor allem die ordnungsgemässe Bevollmächtigung des klägerischen Anwaltes, weil die Vollmacht vom Verbeirateten, der den Prozess gar nicht führen wolle, nicht unterzeichnet sei. Sodann wandte sie ein, die Klage sei verjährt, und materiell, die Vereinbarung von 1947 sei gültig und die Auszahlung des streitigen Betrages zu Recht erfolgt.
C.- Beide Vorinstanzen haben die Klage gutgeheissen. Zur Bestreitung der Vollmacht des klägerischen Anwaltes erklären sie, es genüge, dass diese durch den Beirat mit Zustimmung der Vormundschaftsbehörde gemäss Art. 419 Abs. 2 ZGB erteilt worden sei; der Zustimmung des Verbeirateten habe es nicht bedurft. Die Einrede der Verjährung sei deswegen unbegründet, weil gemäss Art. 134 Ziff. 3 OR für Forderungen unter Ehegatten während der Dauer der Ehe überhaupt keine Verjährung laufe. Sachlich sei die Klage begründet. Der unter Verwaltungsbeiratschaft gemäss Art. 395 Abs. 2 ZGB stehende Kläger habe zu dem über die normale Verwaltung hinausgehenden Veräusserungsgeschäft die Ermächtigung nicht geben können, vielmehr habe diese nach Art. 419 Abs. 2 durch die Vormundschaftsbehörde erteilt werden müssen. Es sei daher unerheblich, ob der Kläger beim Abschluss der Vereinbarung urteilsfähig gewesen sei oder nicht. Die fehlende Zustimmung der Vormundschaftsbehörde habe nicht durch das Einverständnis des Vormundschaftsdirektors zur Auszahlung des Betrages ersetzt werden können. Die Zustimmung der Vormundschaftsbehörde sei übrigens in der Vereinbarung selbst vorbehalten worden. Sei mithin die Vereinbarung ungültig, so entbehre die Auszahlung des Rechtsgrundes, und es stehe dem Kläger ein Rückforderungsanspruch gemäss Art. 62 ff. OR zu. Die Beklagte sei jedoch nur noch im Betrage von Fr. 42'900.-- bereichert, welche Summe nebst Zins sie daher zurückzuerstatten habe.
D.- Mit der vorliegenden Berufung beantragt die Beklagte Abweisung der Klage, event. Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Aktenergänzung und neuen Beurteilung. Der Kläger trägt auf Bestätigung des angefochtenen Urteils, event. Rückweisung an.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Das Institut der Beiratschaft, erst im Laufe der parlamentarischen Beratungen dem Gesetze eingefügt und ohne organische Einordnung im Abschnitt über die Beistandschaft aufgeführt, ist sachlich keine solche, sondern eine Vormundschaft minderen Grades (Art. 395 Abs. 1 Ingress), deren Tragweite sich auf bestimmte Rechtsgeschäfte beschränkt, nämlich auf die in Art. 395 Abs. 1 Ziff. 1-9 aufgezählten (Mitwirkungsbeiratschaft) bzw. auf alle die Vermögensverwaltung betreffenden Rechtsgeschäfte (Verwaltungsbeiratschaft, Abs. 2; BGE 40 II 14). Die letztere - um die es sich vorliegend handelt - hat ihre Voraussetzung nicht, wie die Fälle der wirklichen Beistandschaft zur Vermögensverwaltung gemäss Art. 393, in der behördlichen Fürsorge für ein Vermögen, das eines bekannten, präsenten und fähigen Verwalters entbehrt, sondern in der Tatsache, dass dem bekannten und präsenten Eigentümer des Vermögens dessen Verwaltung in seinem eigenen Interesse nicht überlassen werden darf, somit eine Massnahme zu seinem Schutze vor sich selbst notwendig erscheint (Art. 395 Abs. 1 Satz 1, BGE 56 II 243). Einzig der Verbeiständungsfall des Art. 393 Ziff. 2 ist der Verwaltungsbeiratschaft nach Art. 395 Abs. 2 ähnlich; aber auch bei jener "Unfähigkeit" zur Verwaltung ist in erster Linie an die physische Verhinderung, die Verwaltung selbst zu besorgen, gedacht. Vor allem aber teilt die Beistandschaft nach Art. 393 Ziff. 2 das Begriffsmerkmal der Beistandschaft im eigentlichen Sinne, dass sie "auf die Handlungsfähigkeit der verbeiständeten Person keinen Einfluss hat" (Art. 417 Abs. 1), während die Verwaltungsbeiratschaft gerade dem typisch vormundschaftlichen Zwecke dient, den Verbeirateten von der Vermögensverwaltung auszuschliessen (BGE 60 II 11). Der Verwaltungsbeirat ist, im Gegensatz zum Beirat nach Abs. 1, mit Bezug auf die Geschäfte der Vermögensverwaltung gesetzlicher Vertreter des Schutzbedürftigen (BGE 43 III 211); er wirkt nicht bloss, wie derjenige nach Abs. 1, bei den Handlungen des Verbeirateten mit, sondern er handelt ohne ihn, an dessen Stelle. Der Schutzbedürftige ist also für den Bereich der Vermögensverwaltung praktisch bevormundet.
a) Zur Vornahme von Rechtsgeschäften, die über die gewöhnliche Verwaltung und Fürsorge für die Erhaltung des Vermögens hinausgehen, bedarf der Beirat besonderer Ermächtigung (Art. 419 Abs. 2). Dass die Ausrichtung von Fr. 50'000.-- an die Ehefrau kein Akt der ordentlichen, auf die Fürsorge für die Erhaltung des Vermögens (Art. 419 Abs. 1) gerichteten Verwaltung war, liegt auf der Hand. Sie möchte in den Rahmen der ordentlichen Verwaltung fallen, wenn damit eine festgestellte Schuld des Ehemannes an seine Frau bezahlt worden wäre. Aber eine solche Schuld im Rechtssinne bestand zwischen den Parteien nicht. Es ist zwar in der Vereinbarung vom 10. März 1947 gesagt, der Betrag werde der Frau "in Anerkennung der von ihr geleisteten Arbeit" und ihrer Verdienste um Gut und Familie "als Entgelt" entrichtet. Dass ein solches auf Grund eines Anstellungsverhältnisses geschuldet war, wurde nie behauptet. Die Ehefrau hatte für die erfolgreiche und anerkennenswerte Erfüllung ihrer ehefraulichen Pflicht, "dem Manne mit Rat und Tat zur Seite zu stehen und ihn in seiner Sorge für die Gemeinschaft nach Kräften zu unterstützen" (Art. 161 Abs. 2 ZGB), Rechtsansprüche nur auf Grund des ehelichen Güterrechts, die auch erst bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung bei Auflösung des ehelichen Vermögens geltend gemacht werden können. Mit der Vereinbarung wurde in Form einer Schuldanerkennung ein Anspruch erst begründet (vgl. VON TUHR OR S. 231 f.). Dieses Verpflichtungsgeschäft selbst bedurfte daher nach Art. 419 Abs. 2 besonderer Ermächtigung.
b) Diese zu erteilen ist aber, im Gegensatz zum (dazu fähigen) Verbeiständeten, der unter Verwaltungsbeiratschaft Stehende in keinem Falle berechtigt. Dieser wurde als unfähig selbst zur ordentlichen Verwaltung befunden; seine Handlungsfähigkeit ist ihm auf diesem Gebiete gänzlich entzogen. Er ist deshalb auch unfähig zur Ermächtigung des Beirates im Sinne von Art. 419 Abs. 2. Es bedarf daher für solche aussergewöhnliche Verwaltungsgeschäfte immer der Ermächtigung der Vormundschaftsbehörde. Nicht einmal die Zustimmung des Verbeirateten ist erforderlich (BGE 60 II 10ff.). Es ist deshalb ohne Belang, dass, wie die Beklagte einwendet, der Kläger urteilsfähig und nicht wegen Geisteskrankheit oder -schwäche, sondern wegen Misswirtschaft verbeiratet war. Für die Anwendung des Art. 419 Abs. 2 kommt es nicht darauf an, aus welchen Gründen der Verbeiratete zur Besorgung seiner Angelegenheit unfähig ist. Wenn ihm die Verwaltung wegen Mängeln des Charakters und des Willens entzogen werden musste, so könnten sich diese Mängel ebensogut wie ein solcher des Intellekts auch bei der Zustimmung zu Handlungen des Beirates auswirken; und dieser Gefahr will Art. 419 Abs. 2 mit dem Vorbehalt der Unfähigkeit ebensogut begegnen wie der andern. Durch die Verbeiratung nach Art. 395 Abs. 2 ist die Unfähigkeit auch zur Ermächtigung bzw. Zustimmung nach Art. 419 Abs. 2 ipso iure festgestellt. Wenn hier die Ermächtigung des "Vertretenen" vorgesehen ist, so nicht im Hinblick auf die Verwaltungsbeiratschaft, sondern die wirkliche Beistandschaft, auf die allein der Abschnitt Art. 417-419 sich nach der ursprünglichen Systematik des Gesetzes bezog. Ebensowenig kommt darauf an, ob die Initiative zur Vereinbarung vom Kläger selber oder vom Beirat oder von einem Amtsrichter ausging.
c) Das Geschäft bedurfte daher der Zustimmung der Vormundschaftsbehörde. Sie ist aber nie erteilt, sondern vom Stadtrat (unter Bestätigung durch die Aufsichtsbehörde) ausdrücklich verweigert worden. Den Einwand der Beklagten, sie sei wenn nicht von der Vormundschaftsbehörde, so doch vom Vormundschaftsdirektor der Stadt Luzern erteilt worden, haben die Vorinstanzen zutreffend entkräftet mit der Feststellung, dass ein einzelnes Mitglied den der Gesamtbehörde zukommenden Akt nicht an deren Stelle vornehmen konnte.
d) Damit erledigt sich zugleich auch der Einwand der Beklagten, der klägerische Anwalt habe keine Vollmacht gehabt, die Klage im Namen des F. einzureichen, weil dieser selbst sich geweigert habe, seine Zustimmung zur Prozessführung zu geben. Es geht nicht um die Vollmacht, sondern um die Handlungsbefugnis des Beirates mit Zustimmung der Vormundschaftsbehörde anstelle des Klägers. Da, wie ausgeführt, für die Geschäfte der ordentlichen Verwaltung der Beirat nicht nur mitzuwirken, sondern an Stelle des Verbeirateten allein zu handeln, und für ausserordentliche Geschäfte die Ermächtigung nach Art. 419 Abs. 2 nie von jenem, sondern immer von der Vormundschaftsbehörde auszugehen hat (analog Art. 421 Ziff. 8) und in casu von dieser erteilt worden ist, kommt nichts darauf an, ob der Kläger mit der Klageerhebung einverstanden war oder nicht.
2. Das Fehlen der Zustimmung bzw. Genehmigung nach Art. 419 Abs. 2 hat - analog Art. 421, 424, 411 (EGGER Art. 395 N. 86) - zur Folge, dass sowohl die Schuldanerkennung selbst als die Auszahlung ungültig waren und der Kläger seine Leistungen nach Art. 62 OR zurückfordern kann. Der Einwand der Beklagten, der Kläger habe die Zuwendung in Erfüllung einer sittlichen Pflicht gemacht, weshalb nach Art. 63 Abs. 2 OR die Rückforderung ausgeschlossen sei, geht fehl. Es handelt sich hier nicht, wie die condictio indebiti nach Art. 63 OR voraussetzt, darum, dass ein Verfügungsberechtigter ohne Rechtsgrund eine Zuwendung machte, sondern darum, dass es dem Verbeirateten und seinem Beirat ohne die Zustimmung der Vormundschaftsbehörde an der formalen Befugnis zum Abschluss sowohl des Verpflichtungs- als des Verfügungsgeschäftes fehlte (Art. 424, 411 ZGB). Im übrigen könnte hier auch nicht von einer sittlichen Pflicht im Sinne von Art. 63 OR gesprochen werden, weil, wie bereits bemerkt, die Ehefrau ihre Tätigkeit in Erfüllung ihrer ehelichen Pflichten und, im Hinblick auf die ihr dafür zustehenden güter- und erbrechtlichen Ansprüche, nicht nur im Interesse des Mannes, sondern zugleich in ihrem eigenen und dem ihrer Kinder ausübte.
Zu Unrecht wendet die Beklagte ferner ein, wenn die Vereinbarung vom 10. März 1947 genehmigungsbedürftig sei, so könne die Zahlung der Vormundschaftsdirektion nicht als Erfüllung dieser gar nicht bestehenden Vereinbarung, sondern nur als ein Vorschuss aus ihrer eigenen Kasse angesehen werden. Selbstverständlich wurde die Zuwendung, sei es als Zahlung oder als Vorschuss, als Leistung des Klägers zu Lasten seines Vermögens gemacht. Ob er, falls und insoweit die Beklagte ihrer Rückzahlungspflicht nicht nachkommen könnte, einen Schadenersatzanspruch gegen vormundschaftliche Organe oder das Gemeinwesen hätte, ist hier nicht zu untersuchen.
Die Einrede des Rechtsmissbrauchs endlich, der darin liegen soll, dass der Kläger nun zurückfordere, nachdem die Verweigerung der Genehmigung erst lange nach Abschluss der Vereinbarung und nach deren Erfüllung erfolgt sei, entbehrt jeder Grundlage. Solange die gesetzlich vorgesehene und übrigens in der Vereinbarung selbst ausdrücklich vorbehaltene Genehmigung der Vormundschaftsbehörde nicht erteilt war, war die Vereinbarung nicht gültig und durfte die Summe nicht ausbezahlt werden, und es ist nicht einzusehen, wieso es nicht zulässig sein sollte, von dem im Gesetze besonders für diesen Fall vorgesehenen Recht der Rückforderung (Art. 424, 411 ZGB) der grundlos und voreilig erfolgten Zuwendung Gebrauch zu machen.
Die Einrede der Verjährung wird vor Bundesgericht nicht mehr erhoben.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichtes des Kantons Luzern, I. Kammer, vom 24. September 1953 bestätigt. | de | Verwaltungsbeiratschaft, Art. 395 Abs. 2 ZGB. Verhältnis zur Mitwirkungsbeiratschaft (Abs. 1) und zur Beistandschaft. - Für Rechtsgeschäfte, die über die ordentliche Verwaltung hinausgehen, bedarf der Beirat besonderer Ermächtigung, und zwar immer durch die Vormundschaftsbehörde, nicht den Verbeirateten (Art. 419 Abs. 2); so zu Vermögensübereignung an Ehefrau und zu Prozessführung. Fehlen dieser Zustimmung hat Ungültigkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge. Rückerstattungsanspruch; Ausschluss der Einwendung der Erfüllung einer sittlichen Pfiicht (Art. 63 Abs. 2 OR). | de | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-14%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
241 | 80 II 14 | Sachverhalt ab Seite 14
A.- L. F., geb. 1887, steht seit 1934 wegen Misswirtschaft aus Unfähigkeit und Willensschwäche unter Beiratschaft mit Vermögensverwaltung gemäss Art. 395 Abs. 2 ZGB. Am 10. März 1947 schloss er mit Zustimmung seines Beirates mit seiner Ehefrau eine Vereinbarung, wonach er ihr in Anerkennung ihrer für die Führung und Erhaltung seines landwirtschaftlichen Gutes geleisteten Arbeit Fr.
50'000.-- und den fünf Kindern je Fr. 5000.-- aus dem Verkaufserlös des Hofes "vorab und ohne jegliche Ausgleichungspflicht als Entgelt" zu zahlen versprach. Der Beirat, der die Vereinbarung mitunterzeichnete, wurde in dieser beauftragt, "nach Genehmigung des Vertrages durch die Vormundschaftsbehörde Luzern" für die Auszahlung der Beträge zu sorgen. Diese Genehmigung wurde nie erteilt. Trotzdem erfolgte die Auszahlung im Sommer 1947 in mehreren Teilzahlungen auf Veranlassung des Beirates und der Vormundschaftsdirektion durch die Vormundschaftskasse. Mit Entscheid vom 19. Juni 1950, anlässlich der Abnahme von Bericht und Rechnung des Beirates für die Zeit vom 15. Juli 1945 bis 31. Januar 1950, lehnte der Stadtrat von Luzern als Vormundschaftsbehörde die Genehmigung der Vereinbarung vom 10. März 1947 ausdrücklich ab und wies den Beirat an, für die Rückerstattung des zu Unrecht ausgehändigten Betrages bis spätestens 30. September 1950 besorgt zu sein. Auf den Rekurs des F. hiegegen trat der Regierungsrat (7. Dezember 1950) nicht ein, wies ihn an den Amtsgehilfen als erstinstanzliche Aufsichtsbehörde und setzte den Beirat S. ab, den der Stadtrat durch Amtsvormund R. ersetzte. Unterm 27. Dezember 1950 bestätigte der Amtsgehilfe die Nichtgenehmigung der Vereinbarung und den Rückforderungsauftrag.
B.- Den neuen Beirat wies der Stadtrat (21. März 1952) an, alle Massnahmen zur Rückerstattung der rechtsungültig veräusserten Beträge zu ergreifen, und erteilte ihm, als die Ehefrau F. die freiwillige Rückleistung verweigerte, am 12. August 1952 Vollmacht zur Prozessführung. Gestützt darauf erhob der Beirat namens des F. gegen die Ehefrau Klage mit dem Begehren, die Vereinbarung vom 10. März 1947 sei nichtig zu erklären und die Beklagte zu verpflichten, den Betrag von Fr. 50'000.-- zurückzuleisten.
Die Beklagte beantragte Abweisung der Klage. Sie bestritt vor allem die ordnungsgemässe Bevollmächtigung des klägerischen Anwaltes, weil die Vollmacht vom Verbeirateten, der den Prozess gar nicht führen wolle, nicht unterzeichnet sei. Sodann wandte sie ein, die Klage sei verjährt, und materiell, die Vereinbarung von 1947 sei gültig und die Auszahlung des streitigen Betrages zu Recht erfolgt.
C.- Beide Vorinstanzen haben die Klage gutgeheissen. Zur Bestreitung der Vollmacht des klägerischen Anwaltes erklären sie, es genüge, dass diese durch den Beirat mit Zustimmung der Vormundschaftsbehörde gemäss Art. 419 Abs. 2 ZGB erteilt worden sei; der Zustimmung des Verbeirateten habe es nicht bedurft. Die Einrede der Verjährung sei deswegen unbegründet, weil gemäss Art. 134 Ziff. 3 OR für Forderungen unter Ehegatten während der Dauer der Ehe überhaupt keine Verjährung laufe. Sachlich sei die Klage begründet. Der unter Verwaltungsbeiratschaft gemäss Art. 395 Abs. 2 ZGB stehende Kläger habe zu dem über die normale Verwaltung hinausgehenden Veräusserungsgeschäft die Ermächtigung nicht geben können, vielmehr habe diese nach Art. 419 Abs. 2 durch die Vormundschaftsbehörde erteilt werden müssen. Es sei daher unerheblich, ob der Kläger beim Abschluss der Vereinbarung urteilsfähig gewesen sei oder nicht. Die fehlende Zustimmung der Vormundschaftsbehörde habe nicht durch das Einverständnis des Vormundschaftsdirektors zur Auszahlung des Betrages ersetzt werden können. Die Zustimmung der Vormundschaftsbehörde sei übrigens in der Vereinbarung selbst vorbehalten worden. Sei mithin die Vereinbarung ungültig, so entbehre die Auszahlung des Rechtsgrundes, und es stehe dem Kläger ein Rückforderungsanspruch gemäss Art. 62 ff. OR zu. Die Beklagte sei jedoch nur noch im Betrage von Fr. 42'900.-- bereichert, welche Summe nebst Zins sie daher zurückzuerstatten habe.
D.- Mit der vorliegenden Berufung beantragt die Beklagte Abweisung der Klage, event. Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Aktenergänzung und neuen Beurteilung. Der Kläger trägt auf Bestätigung des angefochtenen Urteils, event. Rückweisung an.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Das Institut der Beiratschaft, erst im Laufe der parlamentarischen Beratungen dem Gesetze eingefügt und ohne organische Einordnung im Abschnitt über die Beistandschaft aufgeführt, ist sachlich keine solche, sondern eine Vormundschaft minderen Grades (Art. 395 Abs. 1 Ingress), deren Tragweite sich auf bestimmte Rechtsgeschäfte beschränkt, nämlich auf die in Art. 395 Abs. 1 Ziff. 1-9 aufgezählten (Mitwirkungsbeiratschaft) bzw. auf alle die Vermögensverwaltung betreffenden Rechtsgeschäfte (Verwaltungsbeiratschaft, Abs. 2; BGE 40 II 14). Die letztere - um die es sich vorliegend handelt - hat ihre Voraussetzung nicht, wie die Fälle der wirklichen Beistandschaft zur Vermögensverwaltung gemäss Art. 393, in der behördlichen Fürsorge für ein Vermögen, das eines bekannten, präsenten und fähigen Verwalters entbehrt, sondern in der Tatsache, dass dem bekannten und präsenten Eigentümer des Vermögens dessen Verwaltung in seinem eigenen Interesse nicht überlassen werden darf, somit eine Massnahme zu seinem Schutze vor sich selbst notwendig erscheint (Art. 395 Abs. 1 Satz 1, BGE 56 II 243). Einzig der Verbeiständungsfall des Art. 393 Ziff. 2 ist der Verwaltungsbeiratschaft nach Art. 395 Abs. 2 ähnlich; aber auch bei jener "Unfähigkeit" zur Verwaltung ist in erster Linie an die physische Verhinderung, die Verwaltung selbst zu besorgen, gedacht. Vor allem aber teilt die Beistandschaft nach Art. 393 Ziff. 2 das Begriffsmerkmal der Beistandschaft im eigentlichen Sinne, dass sie "auf die Handlungsfähigkeit der verbeiständeten Person keinen Einfluss hat" (Art. 417 Abs. 1), während die Verwaltungsbeiratschaft gerade dem typisch vormundschaftlichen Zwecke dient, den Verbeirateten von der Vermögensverwaltung auszuschliessen (BGE 60 II 11). Der Verwaltungsbeirat ist, im Gegensatz zum Beirat nach Abs. 1, mit Bezug auf die Geschäfte der Vermögensverwaltung gesetzlicher Vertreter des Schutzbedürftigen (BGE 43 III 211); er wirkt nicht bloss, wie derjenige nach Abs. 1, bei den Handlungen des Verbeirateten mit, sondern er handelt ohne ihn, an dessen Stelle. Der Schutzbedürftige ist also für den Bereich der Vermögensverwaltung praktisch bevormundet.
a) Zur Vornahme von Rechtsgeschäften, die über die gewöhnliche Verwaltung und Fürsorge für die Erhaltung des Vermögens hinausgehen, bedarf der Beirat besonderer Ermächtigung (Art. 419 Abs. 2). Dass die Ausrichtung von Fr. 50'000.-- an die Ehefrau kein Akt der ordentlichen, auf die Fürsorge für die Erhaltung des Vermögens (Art. 419 Abs. 1) gerichteten Verwaltung war, liegt auf der Hand. Sie möchte in den Rahmen der ordentlichen Verwaltung fallen, wenn damit eine festgestellte Schuld des Ehemannes an seine Frau bezahlt worden wäre. Aber eine solche Schuld im Rechtssinne bestand zwischen den Parteien nicht. Es ist zwar in der Vereinbarung vom 10. März 1947 gesagt, der Betrag werde der Frau "in Anerkennung der von ihr geleisteten Arbeit" und ihrer Verdienste um Gut und Familie "als Entgelt" entrichtet. Dass ein solches auf Grund eines Anstellungsverhältnisses geschuldet war, wurde nie behauptet. Die Ehefrau hatte für die erfolgreiche und anerkennenswerte Erfüllung ihrer ehefraulichen Pflicht, "dem Manne mit Rat und Tat zur Seite zu stehen und ihn in seiner Sorge für die Gemeinschaft nach Kräften zu unterstützen" (Art. 161 Abs. 2 ZGB), Rechtsansprüche nur auf Grund des ehelichen Güterrechts, die auch erst bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung bei Auflösung des ehelichen Vermögens geltend gemacht werden können. Mit der Vereinbarung wurde in Form einer Schuldanerkennung ein Anspruch erst begründet (vgl. VON TUHR OR S. 231 f.). Dieses Verpflichtungsgeschäft selbst bedurfte daher nach Art. 419 Abs. 2 besonderer Ermächtigung.
b) Diese zu erteilen ist aber, im Gegensatz zum (dazu fähigen) Verbeiständeten, der unter Verwaltungsbeiratschaft Stehende in keinem Falle berechtigt. Dieser wurde als unfähig selbst zur ordentlichen Verwaltung befunden; seine Handlungsfähigkeit ist ihm auf diesem Gebiete gänzlich entzogen. Er ist deshalb auch unfähig zur Ermächtigung des Beirates im Sinne von Art. 419 Abs. 2. Es bedarf daher für solche aussergewöhnliche Verwaltungsgeschäfte immer der Ermächtigung der Vormundschaftsbehörde. Nicht einmal die Zustimmung des Verbeirateten ist erforderlich (BGE 60 II 10ff.). Es ist deshalb ohne Belang, dass, wie die Beklagte einwendet, der Kläger urteilsfähig und nicht wegen Geisteskrankheit oder -schwäche, sondern wegen Misswirtschaft verbeiratet war. Für die Anwendung des Art. 419 Abs. 2 kommt es nicht darauf an, aus welchen Gründen der Verbeiratete zur Besorgung seiner Angelegenheit unfähig ist. Wenn ihm die Verwaltung wegen Mängeln des Charakters und des Willens entzogen werden musste, so könnten sich diese Mängel ebensogut wie ein solcher des Intellekts auch bei der Zustimmung zu Handlungen des Beirates auswirken; und dieser Gefahr will Art. 419 Abs. 2 mit dem Vorbehalt der Unfähigkeit ebensogut begegnen wie der andern. Durch die Verbeiratung nach Art. 395 Abs. 2 ist die Unfähigkeit auch zur Ermächtigung bzw. Zustimmung nach Art. 419 Abs. 2 ipso iure festgestellt. Wenn hier die Ermächtigung des "Vertretenen" vorgesehen ist, so nicht im Hinblick auf die Verwaltungsbeiratschaft, sondern die wirkliche Beistandschaft, auf die allein der Abschnitt Art. 417-419 sich nach der ursprünglichen Systematik des Gesetzes bezog. Ebensowenig kommt darauf an, ob die Initiative zur Vereinbarung vom Kläger selber oder vom Beirat oder von einem Amtsrichter ausging.
c) Das Geschäft bedurfte daher der Zustimmung der Vormundschaftsbehörde. Sie ist aber nie erteilt, sondern vom Stadtrat (unter Bestätigung durch die Aufsichtsbehörde) ausdrücklich verweigert worden. Den Einwand der Beklagten, sie sei wenn nicht von der Vormundschaftsbehörde, so doch vom Vormundschaftsdirektor der Stadt Luzern erteilt worden, haben die Vorinstanzen zutreffend entkräftet mit der Feststellung, dass ein einzelnes Mitglied den der Gesamtbehörde zukommenden Akt nicht an deren Stelle vornehmen konnte.
d) Damit erledigt sich zugleich auch der Einwand der Beklagten, der klägerische Anwalt habe keine Vollmacht gehabt, die Klage im Namen des F. einzureichen, weil dieser selbst sich geweigert habe, seine Zustimmung zur Prozessführung zu geben. Es geht nicht um die Vollmacht, sondern um die Handlungsbefugnis des Beirates mit Zustimmung der Vormundschaftsbehörde anstelle des Klägers. Da, wie ausgeführt, für die Geschäfte der ordentlichen Verwaltung der Beirat nicht nur mitzuwirken, sondern an Stelle des Verbeirateten allein zu handeln, und für ausserordentliche Geschäfte die Ermächtigung nach Art. 419 Abs. 2 nie von jenem, sondern immer von der Vormundschaftsbehörde auszugehen hat (analog Art. 421 Ziff. 8) und in casu von dieser erteilt worden ist, kommt nichts darauf an, ob der Kläger mit der Klageerhebung einverstanden war oder nicht.
2. Das Fehlen der Zustimmung bzw. Genehmigung nach Art. 419 Abs. 2 hat - analog Art. 421, 424, 411 (EGGER Art. 395 N. 86) - zur Folge, dass sowohl die Schuldanerkennung selbst als die Auszahlung ungültig waren und der Kläger seine Leistungen nach Art. 62 OR zurückfordern kann. Der Einwand der Beklagten, der Kläger habe die Zuwendung in Erfüllung einer sittlichen Pflicht gemacht, weshalb nach Art. 63 Abs. 2 OR die Rückforderung ausgeschlossen sei, geht fehl. Es handelt sich hier nicht, wie die condictio indebiti nach Art. 63 OR voraussetzt, darum, dass ein Verfügungsberechtigter ohne Rechtsgrund eine Zuwendung machte, sondern darum, dass es dem Verbeirateten und seinem Beirat ohne die Zustimmung der Vormundschaftsbehörde an der formalen Befugnis zum Abschluss sowohl des Verpflichtungs- als des Verfügungsgeschäftes fehlte (Art. 424, 411 ZGB). Im übrigen könnte hier auch nicht von einer sittlichen Pflicht im Sinne von Art. 63 OR gesprochen werden, weil, wie bereits bemerkt, die Ehefrau ihre Tätigkeit in Erfüllung ihrer ehelichen Pflichten und, im Hinblick auf die ihr dafür zustehenden güter- und erbrechtlichen Ansprüche, nicht nur im Interesse des Mannes, sondern zugleich in ihrem eigenen und dem ihrer Kinder ausübte.
Zu Unrecht wendet die Beklagte ferner ein, wenn die Vereinbarung vom 10. März 1947 genehmigungsbedürftig sei, so könne die Zahlung der Vormundschaftsdirektion nicht als Erfüllung dieser gar nicht bestehenden Vereinbarung, sondern nur als ein Vorschuss aus ihrer eigenen Kasse angesehen werden. Selbstverständlich wurde die Zuwendung, sei es als Zahlung oder als Vorschuss, als Leistung des Klägers zu Lasten seines Vermögens gemacht. Ob er, falls und insoweit die Beklagte ihrer Rückzahlungspflicht nicht nachkommen könnte, einen Schadenersatzanspruch gegen vormundschaftliche Organe oder das Gemeinwesen hätte, ist hier nicht zu untersuchen.
Die Einrede des Rechtsmissbrauchs endlich, der darin liegen soll, dass der Kläger nun zurückfordere, nachdem die Verweigerung der Genehmigung erst lange nach Abschluss der Vereinbarung und nach deren Erfüllung erfolgt sei, entbehrt jeder Grundlage. Solange die gesetzlich vorgesehene und übrigens in der Vereinbarung selbst ausdrücklich vorbehaltene Genehmigung der Vormundschaftsbehörde nicht erteilt war, war die Vereinbarung nicht gültig und durfte die Summe nicht ausbezahlt werden, und es ist nicht einzusehen, wieso es nicht zulässig sein sollte, von dem im Gesetze besonders für diesen Fall vorgesehenen Recht der Rückforderung (Art. 424, 411 ZGB) der grundlos und voreilig erfolgten Zuwendung Gebrauch zu machen.
Die Einrede der Verjährung wird vor Bundesgericht nicht mehr erhoben.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichtes des Kantons Luzern, I. Kammer, vom 24. September 1953 bestätigt. | de | Conseil légal de l'art. 395 al. 2 CC. Rapport avec l'institution prévue à l'art. 395 al. 1 et avec la curatelle. - Pour les actes qui sortent du cadre de l'administration courante le conseil légal a toujours besoin d'une autorisation spéciale de l'autorité tutélaire et non pas seulement du consentement de la personne représentée (art. 419 al. 2). Ainsi en est-il pour un transfert de biens d'un mari à sa femme et pour conduire un procès. Faute de cette autorisation, l'acte judiciaire est nul. Droit à la restitution, exclusion de l'exception tirée de l'accomplissement d'un devoir moral (art. 63 al. 2 CO). | fr | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-14%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
242 | 80 II 14 | Sachverhalt ab Seite 14
A.- L. F., geb. 1887, steht seit 1934 wegen Misswirtschaft aus Unfähigkeit und Willensschwäche unter Beiratschaft mit Vermögensverwaltung gemäss Art. 395 Abs. 2 ZGB. Am 10. März 1947 schloss er mit Zustimmung seines Beirates mit seiner Ehefrau eine Vereinbarung, wonach er ihr in Anerkennung ihrer für die Führung und Erhaltung seines landwirtschaftlichen Gutes geleisteten Arbeit Fr.
50'000.-- und den fünf Kindern je Fr. 5000.-- aus dem Verkaufserlös des Hofes "vorab und ohne jegliche Ausgleichungspflicht als Entgelt" zu zahlen versprach. Der Beirat, der die Vereinbarung mitunterzeichnete, wurde in dieser beauftragt, "nach Genehmigung des Vertrages durch die Vormundschaftsbehörde Luzern" für die Auszahlung der Beträge zu sorgen. Diese Genehmigung wurde nie erteilt. Trotzdem erfolgte die Auszahlung im Sommer 1947 in mehreren Teilzahlungen auf Veranlassung des Beirates und der Vormundschaftsdirektion durch die Vormundschaftskasse. Mit Entscheid vom 19. Juni 1950, anlässlich der Abnahme von Bericht und Rechnung des Beirates für die Zeit vom 15. Juli 1945 bis 31. Januar 1950, lehnte der Stadtrat von Luzern als Vormundschaftsbehörde die Genehmigung der Vereinbarung vom 10. März 1947 ausdrücklich ab und wies den Beirat an, für die Rückerstattung des zu Unrecht ausgehändigten Betrages bis spätestens 30. September 1950 besorgt zu sein. Auf den Rekurs des F. hiegegen trat der Regierungsrat (7. Dezember 1950) nicht ein, wies ihn an den Amtsgehilfen als erstinstanzliche Aufsichtsbehörde und setzte den Beirat S. ab, den der Stadtrat durch Amtsvormund R. ersetzte. Unterm 27. Dezember 1950 bestätigte der Amtsgehilfe die Nichtgenehmigung der Vereinbarung und den Rückforderungsauftrag.
B.- Den neuen Beirat wies der Stadtrat (21. März 1952) an, alle Massnahmen zur Rückerstattung der rechtsungültig veräusserten Beträge zu ergreifen, und erteilte ihm, als die Ehefrau F. die freiwillige Rückleistung verweigerte, am 12. August 1952 Vollmacht zur Prozessführung. Gestützt darauf erhob der Beirat namens des F. gegen die Ehefrau Klage mit dem Begehren, die Vereinbarung vom 10. März 1947 sei nichtig zu erklären und die Beklagte zu verpflichten, den Betrag von Fr. 50'000.-- zurückzuleisten.
Die Beklagte beantragte Abweisung der Klage. Sie bestritt vor allem die ordnungsgemässe Bevollmächtigung des klägerischen Anwaltes, weil die Vollmacht vom Verbeirateten, der den Prozess gar nicht führen wolle, nicht unterzeichnet sei. Sodann wandte sie ein, die Klage sei verjährt, und materiell, die Vereinbarung von 1947 sei gültig und die Auszahlung des streitigen Betrages zu Recht erfolgt.
C.- Beide Vorinstanzen haben die Klage gutgeheissen. Zur Bestreitung der Vollmacht des klägerischen Anwaltes erklären sie, es genüge, dass diese durch den Beirat mit Zustimmung der Vormundschaftsbehörde gemäss Art. 419 Abs. 2 ZGB erteilt worden sei; der Zustimmung des Verbeirateten habe es nicht bedurft. Die Einrede der Verjährung sei deswegen unbegründet, weil gemäss Art. 134 Ziff. 3 OR für Forderungen unter Ehegatten während der Dauer der Ehe überhaupt keine Verjährung laufe. Sachlich sei die Klage begründet. Der unter Verwaltungsbeiratschaft gemäss Art. 395 Abs. 2 ZGB stehende Kläger habe zu dem über die normale Verwaltung hinausgehenden Veräusserungsgeschäft die Ermächtigung nicht geben können, vielmehr habe diese nach Art. 419 Abs. 2 durch die Vormundschaftsbehörde erteilt werden müssen. Es sei daher unerheblich, ob der Kläger beim Abschluss der Vereinbarung urteilsfähig gewesen sei oder nicht. Die fehlende Zustimmung der Vormundschaftsbehörde habe nicht durch das Einverständnis des Vormundschaftsdirektors zur Auszahlung des Betrages ersetzt werden können. Die Zustimmung der Vormundschaftsbehörde sei übrigens in der Vereinbarung selbst vorbehalten worden. Sei mithin die Vereinbarung ungültig, so entbehre die Auszahlung des Rechtsgrundes, und es stehe dem Kläger ein Rückforderungsanspruch gemäss Art. 62 ff. OR zu. Die Beklagte sei jedoch nur noch im Betrage von Fr. 42'900.-- bereichert, welche Summe nebst Zins sie daher zurückzuerstatten habe.
D.- Mit der vorliegenden Berufung beantragt die Beklagte Abweisung der Klage, event. Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Aktenergänzung und neuen Beurteilung. Der Kläger trägt auf Bestätigung des angefochtenen Urteils, event. Rückweisung an.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Das Institut der Beiratschaft, erst im Laufe der parlamentarischen Beratungen dem Gesetze eingefügt und ohne organische Einordnung im Abschnitt über die Beistandschaft aufgeführt, ist sachlich keine solche, sondern eine Vormundschaft minderen Grades (Art. 395 Abs. 1 Ingress), deren Tragweite sich auf bestimmte Rechtsgeschäfte beschränkt, nämlich auf die in Art. 395 Abs. 1 Ziff. 1-9 aufgezählten (Mitwirkungsbeiratschaft) bzw. auf alle die Vermögensverwaltung betreffenden Rechtsgeschäfte (Verwaltungsbeiratschaft, Abs. 2; BGE 40 II 14). Die letztere - um die es sich vorliegend handelt - hat ihre Voraussetzung nicht, wie die Fälle der wirklichen Beistandschaft zur Vermögensverwaltung gemäss Art. 393, in der behördlichen Fürsorge für ein Vermögen, das eines bekannten, präsenten und fähigen Verwalters entbehrt, sondern in der Tatsache, dass dem bekannten und präsenten Eigentümer des Vermögens dessen Verwaltung in seinem eigenen Interesse nicht überlassen werden darf, somit eine Massnahme zu seinem Schutze vor sich selbst notwendig erscheint (Art. 395 Abs. 1 Satz 1, BGE 56 II 243). Einzig der Verbeiständungsfall des Art. 393 Ziff. 2 ist der Verwaltungsbeiratschaft nach Art. 395 Abs. 2 ähnlich; aber auch bei jener "Unfähigkeit" zur Verwaltung ist in erster Linie an die physische Verhinderung, die Verwaltung selbst zu besorgen, gedacht. Vor allem aber teilt die Beistandschaft nach Art. 393 Ziff. 2 das Begriffsmerkmal der Beistandschaft im eigentlichen Sinne, dass sie "auf die Handlungsfähigkeit der verbeiständeten Person keinen Einfluss hat" (Art. 417 Abs. 1), während die Verwaltungsbeiratschaft gerade dem typisch vormundschaftlichen Zwecke dient, den Verbeirateten von der Vermögensverwaltung auszuschliessen (BGE 60 II 11). Der Verwaltungsbeirat ist, im Gegensatz zum Beirat nach Abs. 1, mit Bezug auf die Geschäfte der Vermögensverwaltung gesetzlicher Vertreter des Schutzbedürftigen (BGE 43 III 211); er wirkt nicht bloss, wie derjenige nach Abs. 1, bei den Handlungen des Verbeirateten mit, sondern er handelt ohne ihn, an dessen Stelle. Der Schutzbedürftige ist also für den Bereich der Vermögensverwaltung praktisch bevormundet.
a) Zur Vornahme von Rechtsgeschäften, die über die gewöhnliche Verwaltung und Fürsorge für die Erhaltung des Vermögens hinausgehen, bedarf der Beirat besonderer Ermächtigung (Art. 419 Abs. 2). Dass die Ausrichtung von Fr. 50'000.-- an die Ehefrau kein Akt der ordentlichen, auf die Fürsorge für die Erhaltung des Vermögens (Art. 419 Abs. 1) gerichteten Verwaltung war, liegt auf der Hand. Sie möchte in den Rahmen der ordentlichen Verwaltung fallen, wenn damit eine festgestellte Schuld des Ehemannes an seine Frau bezahlt worden wäre. Aber eine solche Schuld im Rechtssinne bestand zwischen den Parteien nicht. Es ist zwar in der Vereinbarung vom 10. März 1947 gesagt, der Betrag werde der Frau "in Anerkennung der von ihr geleisteten Arbeit" und ihrer Verdienste um Gut und Familie "als Entgelt" entrichtet. Dass ein solches auf Grund eines Anstellungsverhältnisses geschuldet war, wurde nie behauptet. Die Ehefrau hatte für die erfolgreiche und anerkennenswerte Erfüllung ihrer ehefraulichen Pflicht, "dem Manne mit Rat und Tat zur Seite zu stehen und ihn in seiner Sorge für die Gemeinschaft nach Kräften zu unterstützen" (Art. 161 Abs. 2 ZGB), Rechtsansprüche nur auf Grund des ehelichen Güterrechts, die auch erst bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung bei Auflösung des ehelichen Vermögens geltend gemacht werden können. Mit der Vereinbarung wurde in Form einer Schuldanerkennung ein Anspruch erst begründet (vgl. VON TUHR OR S. 231 f.). Dieses Verpflichtungsgeschäft selbst bedurfte daher nach Art. 419 Abs. 2 besonderer Ermächtigung.
b) Diese zu erteilen ist aber, im Gegensatz zum (dazu fähigen) Verbeiständeten, der unter Verwaltungsbeiratschaft Stehende in keinem Falle berechtigt. Dieser wurde als unfähig selbst zur ordentlichen Verwaltung befunden; seine Handlungsfähigkeit ist ihm auf diesem Gebiete gänzlich entzogen. Er ist deshalb auch unfähig zur Ermächtigung des Beirates im Sinne von Art. 419 Abs. 2. Es bedarf daher für solche aussergewöhnliche Verwaltungsgeschäfte immer der Ermächtigung der Vormundschaftsbehörde. Nicht einmal die Zustimmung des Verbeirateten ist erforderlich (BGE 60 II 10ff.). Es ist deshalb ohne Belang, dass, wie die Beklagte einwendet, der Kläger urteilsfähig und nicht wegen Geisteskrankheit oder -schwäche, sondern wegen Misswirtschaft verbeiratet war. Für die Anwendung des Art. 419 Abs. 2 kommt es nicht darauf an, aus welchen Gründen der Verbeiratete zur Besorgung seiner Angelegenheit unfähig ist. Wenn ihm die Verwaltung wegen Mängeln des Charakters und des Willens entzogen werden musste, so könnten sich diese Mängel ebensogut wie ein solcher des Intellekts auch bei der Zustimmung zu Handlungen des Beirates auswirken; und dieser Gefahr will Art. 419 Abs. 2 mit dem Vorbehalt der Unfähigkeit ebensogut begegnen wie der andern. Durch die Verbeiratung nach Art. 395 Abs. 2 ist die Unfähigkeit auch zur Ermächtigung bzw. Zustimmung nach Art. 419 Abs. 2 ipso iure festgestellt. Wenn hier die Ermächtigung des "Vertretenen" vorgesehen ist, so nicht im Hinblick auf die Verwaltungsbeiratschaft, sondern die wirkliche Beistandschaft, auf die allein der Abschnitt Art. 417-419 sich nach der ursprünglichen Systematik des Gesetzes bezog. Ebensowenig kommt darauf an, ob die Initiative zur Vereinbarung vom Kläger selber oder vom Beirat oder von einem Amtsrichter ausging.
c) Das Geschäft bedurfte daher der Zustimmung der Vormundschaftsbehörde. Sie ist aber nie erteilt, sondern vom Stadtrat (unter Bestätigung durch die Aufsichtsbehörde) ausdrücklich verweigert worden. Den Einwand der Beklagten, sie sei wenn nicht von der Vormundschaftsbehörde, so doch vom Vormundschaftsdirektor der Stadt Luzern erteilt worden, haben die Vorinstanzen zutreffend entkräftet mit der Feststellung, dass ein einzelnes Mitglied den der Gesamtbehörde zukommenden Akt nicht an deren Stelle vornehmen konnte.
d) Damit erledigt sich zugleich auch der Einwand der Beklagten, der klägerische Anwalt habe keine Vollmacht gehabt, die Klage im Namen des F. einzureichen, weil dieser selbst sich geweigert habe, seine Zustimmung zur Prozessführung zu geben. Es geht nicht um die Vollmacht, sondern um die Handlungsbefugnis des Beirates mit Zustimmung der Vormundschaftsbehörde anstelle des Klägers. Da, wie ausgeführt, für die Geschäfte der ordentlichen Verwaltung der Beirat nicht nur mitzuwirken, sondern an Stelle des Verbeirateten allein zu handeln, und für ausserordentliche Geschäfte die Ermächtigung nach Art. 419 Abs. 2 nie von jenem, sondern immer von der Vormundschaftsbehörde auszugehen hat (analog Art. 421 Ziff. 8) und in casu von dieser erteilt worden ist, kommt nichts darauf an, ob der Kläger mit der Klageerhebung einverstanden war oder nicht.
2. Das Fehlen der Zustimmung bzw. Genehmigung nach Art. 419 Abs. 2 hat - analog Art. 421, 424, 411 (EGGER Art. 395 N. 86) - zur Folge, dass sowohl die Schuldanerkennung selbst als die Auszahlung ungültig waren und der Kläger seine Leistungen nach Art. 62 OR zurückfordern kann. Der Einwand der Beklagten, der Kläger habe die Zuwendung in Erfüllung einer sittlichen Pflicht gemacht, weshalb nach Art. 63 Abs. 2 OR die Rückforderung ausgeschlossen sei, geht fehl. Es handelt sich hier nicht, wie die condictio indebiti nach Art. 63 OR voraussetzt, darum, dass ein Verfügungsberechtigter ohne Rechtsgrund eine Zuwendung machte, sondern darum, dass es dem Verbeirateten und seinem Beirat ohne die Zustimmung der Vormundschaftsbehörde an der formalen Befugnis zum Abschluss sowohl des Verpflichtungs- als des Verfügungsgeschäftes fehlte (Art. 424, 411 ZGB). Im übrigen könnte hier auch nicht von einer sittlichen Pflicht im Sinne von Art. 63 OR gesprochen werden, weil, wie bereits bemerkt, die Ehefrau ihre Tätigkeit in Erfüllung ihrer ehelichen Pflichten und, im Hinblick auf die ihr dafür zustehenden güter- und erbrechtlichen Ansprüche, nicht nur im Interesse des Mannes, sondern zugleich in ihrem eigenen und dem ihrer Kinder ausübte.
Zu Unrecht wendet die Beklagte ferner ein, wenn die Vereinbarung vom 10. März 1947 genehmigungsbedürftig sei, so könne die Zahlung der Vormundschaftsdirektion nicht als Erfüllung dieser gar nicht bestehenden Vereinbarung, sondern nur als ein Vorschuss aus ihrer eigenen Kasse angesehen werden. Selbstverständlich wurde die Zuwendung, sei es als Zahlung oder als Vorschuss, als Leistung des Klägers zu Lasten seines Vermögens gemacht. Ob er, falls und insoweit die Beklagte ihrer Rückzahlungspflicht nicht nachkommen könnte, einen Schadenersatzanspruch gegen vormundschaftliche Organe oder das Gemeinwesen hätte, ist hier nicht zu untersuchen.
Die Einrede des Rechtsmissbrauchs endlich, der darin liegen soll, dass der Kläger nun zurückfordere, nachdem die Verweigerung der Genehmigung erst lange nach Abschluss der Vereinbarung und nach deren Erfüllung erfolgt sei, entbehrt jeder Grundlage. Solange die gesetzlich vorgesehene und übrigens in der Vereinbarung selbst ausdrücklich vorbehaltene Genehmigung der Vormundschaftsbehörde nicht erteilt war, war die Vereinbarung nicht gültig und durfte die Summe nicht ausbezahlt werden, und es ist nicht einzusehen, wieso es nicht zulässig sein sollte, von dem im Gesetze besonders für diesen Fall vorgesehenen Recht der Rückforderung (Art. 424, 411 ZGB) der grundlos und voreilig erfolgten Zuwendung Gebrauch zu machen.
Die Einrede der Verjährung wird vor Bundesgericht nicht mehr erhoben.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichtes des Kantons Luzern, I. Kammer, vom 24. September 1953 bestätigt. | de | Assistente legale a norma dell'art. 395 cp. 2 CC. Relazione con l'istituto previsto dall'art. 395 cp. 1 e con la curatela. Per gli atti che eccedono l'amministrazione corrente l'assistente legrale deve avere sempre un'autorizzazione speciale dell'autorità tutoria e non soltanto il consenso della persona rappresentata (art. 419, cp. 2). Cosi è pel trasferimento di beni dal marito a sua moglie e per condurre un processo. Se manca quest'autorizzazione, il negozio giuridico è nullo. Diritto alla restituzione; esclusione dell'eccezione di aver compiuto un dovere morale (art. 63, cp. 2 CO). | it | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-14%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
243 | 80 II 150 | Sachverhalt ab Seite 150
Vom Dezember 1936 bis Ende Dezember 1950 betätigte sich Hermann Wydler als Reisevertreter der Möbelfabrik J. Müller & Co. A.-G. Die Anstellungsbedingungen gewährten ihm eine Auftragsprovision, welche als Entgelt und Auslagenersatz gedacht war.
Nach der Auflösung des Dienstverhältnisses belangte Wydler im März 1951 seine frühere Arbeitgeberin auf Bezahlung von Provisionsguthaben zuzüglich Spesenersatz. Die Gerichte des Kantons Thurgau'das Obergericht mit Urteil vom 22. Oktober 1953, wiesen die Klage ab.
Auf die Berufung des Klägers hin, mit welcher nur noch am Provisionsanspruch festgehalten wurde, hebt das Bundesgericht das angefochtene Erkenntnis auf und weist die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Art. 13 Abs. 2 HRAG verbietet im Anwendungsgebiet dieses Gesetzes eine vertragliche Abrede, dass der Ersatz für notwendige Auslagen des Reisenden im festen Gehalt oder in der Provision ganz oder teilweise inbegriffen sein soll. Hiezu wurde in BGE 74 II 62f. ausgeführt, dass eine abweichende Abmachung als Ganzes dahinfalle, alsdann die Rechtslage gleich sei, wie wenn eine Regelung überhaupt unterblieben wäre, und demzufolge der Richter im Sinne von Art. 3 Abs. 2 und 9 Abs. 2 HRAG neben dem Auslagenersatz die ein angemessenes Entgelt für die Dienstleistung des Reisenden ergebende Provision zu bestimmen habe. Doch hat die Vorinstanz diese Grundsätze zu Unrecht auf die Auseinandersetzung zwischen den Parteien übertragen. Sie stehen unter der selbstverständlichen - und hier, wie die vorgenommenen Erhebungen zeigen, nicht erfüllten - Voraussetzung, dass der Reisende durch das fragliche Abkommen in seinen berechtigten Interessen verkürzt wurde. Sonst ist keine Nichtigkeit gegeben. Das erhellt ohne weiteres aus Art. 19 Abs. 1 HRAG, wo ausdrücklich vorgesehen ist, dass gewisse Vorschriften des Gesetzes, zu denen Art. 13 zählt, nicht "zuungunsten des Reisenden" geändert werden dürfen. Freilich mag es zunächst als einigermassen befremdlich erscheinen, dass dergestalt die Nichtigkeit einseitig nur zum Vorteil des Reisenden eintritt. Allein solche Verschiedenheit in der Wirkung deckt sich mit Inhalt und Zweck dieses betont dem Schutze des Reisenden dienenden Spezialgesetzes.
3. Anhand des Gutachtens Mächler räumt die Vorinstanz zumindest als möglich ein, dass der Kläger bei Zugrundelegung der vereinbarten Provisionsansätze noch eine Restforderung habe. Sie lehnt deren Zuspruch mit der Begründung ab, der Kläger könne sich nicht auf die vertragliche Bindung stützen, da letztere gesamthaft nichtig sei. Beigefügt ist, es werde damit allerdings die Vertragsfreiheit berührt, aber der Kläger, "der sich während des Prozesses bezüglich der Spesenentschädigung auch nicht auf die Vertragsfreiheit berufen hat", müsse das hinnehmen. Diese Auffassung hält nach dem oben Dargelegten nicht stand. Die Vorinstanz verkennt, dass die Parteirechte im Geltungsbereich des HRAG ungleich sind. Weil dem so ist, kann auch nicht gesagt werden, dass ein anderslautender Entscheid die "ungerechte Prämierung eines unkorrekten Verhaltens des Klägers" bedeuten würde. Endlich bleibt, jedenfalls nachdem der Kläger auf die Spesenersatzforderung verzichtet hat, in Ansehung der klaren Bestrebungen des HRAG auch für eine Heranziehung des Art. 2 ZGB vorliegend kein Raum. | de | Art. 13 und 19 HRAG. Die Nichtigkeit einer Abrede, nach welcher der Auslagenersatz in der Provision eingeschlossen ist, setzt voraus, dass der Reisende in seinen berechtigten Interessen verkürzt wurde. | de | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-150%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
244 | 80 II 150 | Sachverhalt ab Seite 150
Vom Dezember 1936 bis Ende Dezember 1950 betätigte sich Hermann Wydler als Reisevertreter der Möbelfabrik J. Müller & Co. A.-G. Die Anstellungsbedingungen gewährten ihm eine Auftragsprovision, welche als Entgelt und Auslagenersatz gedacht war.
Nach der Auflösung des Dienstverhältnisses belangte Wydler im März 1951 seine frühere Arbeitgeberin auf Bezahlung von Provisionsguthaben zuzüglich Spesenersatz. Die Gerichte des Kantons Thurgau'das Obergericht mit Urteil vom 22. Oktober 1953, wiesen die Klage ab.
Auf die Berufung des Klägers hin, mit welcher nur noch am Provisionsanspruch festgehalten wurde, hebt das Bundesgericht das angefochtene Erkenntnis auf und weist die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Art. 13 Abs. 2 HRAG verbietet im Anwendungsgebiet dieses Gesetzes eine vertragliche Abrede, dass der Ersatz für notwendige Auslagen des Reisenden im festen Gehalt oder in der Provision ganz oder teilweise inbegriffen sein soll. Hiezu wurde in BGE 74 II 62f. ausgeführt, dass eine abweichende Abmachung als Ganzes dahinfalle, alsdann die Rechtslage gleich sei, wie wenn eine Regelung überhaupt unterblieben wäre, und demzufolge der Richter im Sinne von Art. 3 Abs. 2 und 9 Abs. 2 HRAG neben dem Auslagenersatz die ein angemessenes Entgelt für die Dienstleistung des Reisenden ergebende Provision zu bestimmen habe. Doch hat die Vorinstanz diese Grundsätze zu Unrecht auf die Auseinandersetzung zwischen den Parteien übertragen. Sie stehen unter der selbstverständlichen - und hier, wie die vorgenommenen Erhebungen zeigen, nicht erfüllten - Voraussetzung, dass der Reisende durch das fragliche Abkommen in seinen berechtigten Interessen verkürzt wurde. Sonst ist keine Nichtigkeit gegeben. Das erhellt ohne weiteres aus Art. 19 Abs. 1 HRAG, wo ausdrücklich vorgesehen ist, dass gewisse Vorschriften des Gesetzes, zu denen Art. 13 zählt, nicht "zuungunsten des Reisenden" geändert werden dürfen. Freilich mag es zunächst als einigermassen befremdlich erscheinen, dass dergestalt die Nichtigkeit einseitig nur zum Vorteil des Reisenden eintritt. Allein solche Verschiedenheit in der Wirkung deckt sich mit Inhalt und Zweck dieses betont dem Schutze des Reisenden dienenden Spezialgesetzes.
3. Anhand des Gutachtens Mächler räumt die Vorinstanz zumindest als möglich ein, dass der Kläger bei Zugrundelegung der vereinbarten Provisionsansätze noch eine Restforderung habe. Sie lehnt deren Zuspruch mit der Begründung ab, der Kläger könne sich nicht auf die vertragliche Bindung stützen, da letztere gesamthaft nichtig sei. Beigefügt ist, es werde damit allerdings die Vertragsfreiheit berührt, aber der Kläger, "der sich während des Prozesses bezüglich der Spesenentschädigung auch nicht auf die Vertragsfreiheit berufen hat", müsse das hinnehmen. Diese Auffassung hält nach dem oben Dargelegten nicht stand. Die Vorinstanz verkennt, dass die Parteirechte im Geltungsbereich des HRAG ungleich sind. Weil dem so ist, kann auch nicht gesagt werden, dass ein anderslautender Entscheid die "ungerechte Prämierung eines unkorrekten Verhaltens des Klägers" bedeuten würde. Endlich bleibt, jedenfalls nachdem der Kläger auf die Spesenersatzforderung verzichtet hat, in Ansehung der klaren Bestrebungen des HRAG auch für eine Heranziehung des Art. 2 ZGB vorliegend kein Raum. | de | Art. 13 et 19 LEVC. La clause portant que l'indemnité pour frais est comprise dans la provision n'est nulle que si elle lèse les intérêts légitimes du voyageur. | fr | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-150%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
245 | 80 II 150 | Sachverhalt ab Seite 150
Vom Dezember 1936 bis Ende Dezember 1950 betätigte sich Hermann Wydler als Reisevertreter der Möbelfabrik J. Müller & Co. A.-G. Die Anstellungsbedingungen gewährten ihm eine Auftragsprovision, welche als Entgelt und Auslagenersatz gedacht war.
Nach der Auflösung des Dienstverhältnisses belangte Wydler im März 1951 seine frühere Arbeitgeberin auf Bezahlung von Provisionsguthaben zuzüglich Spesenersatz. Die Gerichte des Kantons Thurgau'das Obergericht mit Urteil vom 22. Oktober 1953, wiesen die Klage ab.
Auf die Berufung des Klägers hin, mit welcher nur noch am Provisionsanspruch festgehalten wurde, hebt das Bundesgericht das angefochtene Erkenntnis auf und weist die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Art. 13 Abs. 2 HRAG verbietet im Anwendungsgebiet dieses Gesetzes eine vertragliche Abrede, dass der Ersatz für notwendige Auslagen des Reisenden im festen Gehalt oder in der Provision ganz oder teilweise inbegriffen sein soll. Hiezu wurde in BGE 74 II 62f. ausgeführt, dass eine abweichende Abmachung als Ganzes dahinfalle, alsdann die Rechtslage gleich sei, wie wenn eine Regelung überhaupt unterblieben wäre, und demzufolge der Richter im Sinne von Art. 3 Abs. 2 und 9 Abs. 2 HRAG neben dem Auslagenersatz die ein angemessenes Entgelt für die Dienstleistung des Reisenden ergebende Provision zu bestimmen habe. Doch hat die Vorinstanz diese Grundsätze zu Unrecht auf die Auseinandersetzung zwischen den Parteien übertragen. Sie stehen unter der selbstverständlichen - und hier, wie die vorgenommenen Erhebungen zeigen, nicht erfüllten - Voraussetzung, dass der Reisende durch das fragliche Abkommen in seinen berechtigten Interessen verkürzt wurde. Sonst ist keine Nichtigkeit gegeben. Das erhellt ohne weiteres aus Art. 19 Abs. 1 HRAG, wo ausdrücklich vorgesehen ist, dass gewisse Vorschriften des Gesetzes, zu denen Art. 13 zählt, nicht "zuungunsten des Reisenden" geändert werden dürfen. Freilich mag es zunächst als einigermassen befremdlich erscheinen, dass dergestalt die Nichtigkeit einseitig nur zum Vorteil des Reisenden eintritt. Allein solche Verschiedenheit in der Wirkung deckt sich mit Inhalt und Zweck dieses betont dem Schutze des Reisenden dienenden Spezialgesetzes.
3. Anhand des Gutachtens Mächler räumt die Vorinstanz zumindest als möglich ein, dass der Kläger bei Zugrundelegung der vereinbarten Provisionsansätze noch eine Restforderung habe. Sie lehnt deren Zuspruch mit der Begründung ab, der Kläger könne sich nicht auf die vertragliche Bindung stützen, da letztere gesamthaft nichtig sei. Beigefügt ist, es werde damit allerdings die Vertragsfreiheit berührt, aber der Kläger, "der sich während des Prozesses bezüglich der Spesenentschädigung auch nicht auf die Vertragsfreiheit berufen hat", müsse das hinnehmen. Diese Auffassung hält nach dem oben Dargelegten nicht stand. Die Vorinstanz verkennt, dass die Parteirechte im Geltungsbereich des HRAG ungleich sind. Weil dem so ist, kann auch nicht gesagt werden, dass ein anderslautender Entscheid die "ungerechte Prämierung eines unkorrekten Verhaltens des Klägers" bedeuten würde. Endlich bleibt, jedenfalls nachdem der Kläger auf die Spesenersatzforderung verzichtet hat, in Ansehung der klaren Bestrebungen des HRAG auch für eine Heranziehung des Art. 2 ZGB vorliegend kein Raum. | de | Art. 13 e 19 LF sulle condizioni d'impiego dei commessi viaggiatori. La clausola secondo la quale l'indennità per spese è compresa nella provvigione è nulla soltanto se lede i legittimi interessi del commesso viaggiatore. | it | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-150%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
246 | 80 II 152 | Sachverhalt ab Seite 153
A.- Mit öffentlich beurkundetem Vertrag vom 29. Dezember 1952 verkaufte Heinrich Pletscher sein landwirtschaftliches Heimwesen in der Gemeinde Schönholzerswilen (TG) samt lebendem und totem Inventar an Marcel Geisser. Der Kaufpreis betrug Fr. 185'000.--, wovon Fr. 52'000.-- auf das Inventar und Fr. 133'000.-- auf die Liegenschaft entfielen. Der Käufer leistete eine Anzahlung von Fr. 20'000.--. Der Kaufsantritt wurde auf den 1. März 1953 bestimmt.
Im Zeitpunkt des Kaufsabschlusses galt noch der BRB über die Massnahmen gegen die Bodenspekulation vom 19. Januar 1940 (BMB), der am 31. Dezember 1952 ausser Kraft trat und auf den 1. Januar 1953 durch das BG über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes vom 12. Juni 1951 (EGG) abgelöst wurde.
Wie nicht streitig ist, wäre für den von den Parteien für die Liegenschaft vereinbarten Kaufpreis von Fr. 133'000.-- die behördliche Genehmigung gemäss Art. 6 BMB nicht erhältlich gewesen, da der nach Art. 8 Abs. 1 Ziff. 1 BMB zulässige Höchstpreis (Ertragswert zuzüglich höchstens 30% Zuschlag) nur Fr. 95'000.-- ausgemacht hätte. Die Parteien setzten denn auch die Verschreibung auf den 29. Dezember 1952 fest, weil sie glaubten, auf diese Weise den Vertrag sowohl dem mit dem 31. Dezember 1952 dahinfallenden Erfordernisse der behördlichen Genehmigung gemäss BMB, als auch dem Vorkaufsrecht der Nachkommen des Verkäufers gemäss Art. 6 ff. EGG entziehen zu können.
Am 19. Januar 1953 machten jedoch die Tochter des Verkäufers und deren Ehemann unter Anrufung des EGG das Vorkaufsrecht geltend, verzichteten dann aber gegen Bezahlung einer Entschädigung durch den Verkäufer auf dessen Ausübung.
Am 1. März 1953 zog der Käufer auf die Liegenschaft auf. Da er den Restkaufpreis von Fr. 105'000.-- nicht vertragsgemäss leistete, forderte der Verkäufer ihn zur Zahlung auf und teilte ihm gleichzeitig mit, der Kaufvertrag könne allenfalls rückgängig gemacht werden, wenn er "als Schadenersatz und Umtriebskosten eine angemessene Reukaufsumme leiste". Drauf schlossen die Parteien am 12. März 1953 eine Vereinbarung ab, wonach der Kaufvertrag aufgehoben und dem Käufer von der geleisteten Anzahlung Fr. 5000.-- zurückerstattet wurden, die restlichen Fr. 15'000.-- dagegen dem Verkäufer als Entschädigung unter allen Titeln verblieben.
B.- Mit Klage vom 30. April/28. Mai 1953 forderte der Kläger Rückzahlung auch der verbleibenden Fr. 15'000.-- nebst 5% Zins seit 29. Dezember 1952 mit der Begründung, die Vereinbarung vom 12. März 1953 sei für ihn wegen Irrtums unverbindlich, weil er sich, wie auch der Beklagte, an den Kaufvertrag gebunden erachtet habe, während dieser, weil nicht genehmigungsfähig und überdies wegen Übervorteilung, nichtig gewesen sei. Zudem sei er durch Ausübung des Vorkaufsrechtes gemäss EGG durch die Tochter des Verkäufers dahingefallen gewesen.
Der Beklagte beantragte Abweisung der Klage. Er bestritt, dass der Kaufvertrag nach Ausserkrafttreten des BMB der behördlichen Genehmigungspflicht noch unterstanden habe. Auf das Vorkaufsrecht gemäss EGG aber habe seine Tochter nachträglich verzichtet, womit der Kaufvertrag der Parteien vollziehbar gewesen wäre. Die für seine Aufhebung vom Käufer bezahlte Reukaufsumme sei nicht übersetzt, so dass von einer Übervorteilung nicht gesprochen werden könne.
C.- Das Bezirksgericht Münchwilen kam zum Schlusse, auf den Kaufvertrag der Parteien müsse entweder das alte oder das neue Bodenrecht anwendbar sein, da es unmöglich der Wille des Gesetzgebers gewesen sein könne, dass für intertemporale Grenzfälle die alten Schutzvorschriften nicht mehr und die neuen noch nicht anwendbar sein sollten. Das Vorgehen der Parteien, unter Ausnützung einer lückenhaften Regelung der Übergangsbestimmungen das Kaufgeschäft den Schutzvorschriften des alten und des neuen Rechtes zu entziehen, stelle daher einen rechtsgeschäftlichen Schleichweg dar, der keinen Rechtsschutz finden könne. Ob das alte oder das neue Bodenrecht anwendbar sei, liess das Gericht offen, da in beiden Fällen der Kaufvertrag rechtsunwirksam geworden sei; bei Massgeblichkeit des BMB deshalb, weil die Genehmigung nicht erhältlich gewesen wäre, nach dem EGG, weil durch die Ausübung des Vorkaufsrechtes der Kaufvertrag der Parteien hinfällig geworden sei und trotz dem nachträglichen Verzicht des Vorkaufsberechtigten nicht habe wieder aufleben können. Da kein rechtsgültiger Kaufvertrag bestanden habe, sei die Vereinbarung vom 12. März 1953 über dessen Aufhebung gegen Bezahlung eines Reugeldes von Fr. 15'000.-- für den Kläger wegen Grundlagenirrtums unverbindlich. Jedoch könne er nicht die vollen Fr. 15'000 zurückfordern; denn dadurch, dass er nicht einen eigenen Rechtsbeistand beigezogen, sondern auf die Angaben des Beklagten, dessen Anwalts und die Meinung des Grundbuchamtes abstellte, habe er seinen Irrtum in unentschuldbar fahrlässiger Weise selber verschuldet und habe daher nach Art. 26 Abs. 1 OR dem Beklagten den Schaden aus dem Dahinfallen des Kaufvertrages zu ersetzen, der auf Fr. 7000.-- zu veranschlagen sei. Demgemäss schützte das Bezirksgericht die Klage im herabgesetzten Betrage von Fr. 8000.--.
D.- Das Obergericht des Kantons Thurgau, an das beide Parteien die Sache weiterzogen, liess die Frage, ob der BMB oder das EGG anwendbar sei, ebenfalls offen'nahm aber im Gegensatz zur 1. Instanz an, dass der Kaufvertrag der Parteien im einen wie im andern Falle bis zu seiner Aufhebung am 12. März 1953 in Kraft geblieben sei. Es verneinte daher eine Unverbindlichkeit des Aufhebungsvertrages wegen Irrtums und lehnte auch die Berufung des Klägers auf Übervorteilung ab. Die vereinbarte Loskaufsumme von Fr. 15'000.-- betrachtete das Gericht als Konventionalstrafe oder als Reugeld, das aus verschiedenen Gründen in Anwendung von Art. 163 Abs. 3 OR auf Fr. 5000.-- herabzusetzen sei. Aus diesen Erwägungen verpflichtete das Obergericht mit Urteil vom 26. November 1953 den Beklagten zur Rückerstattung von Fr. 10'000.-- an den Kläger.
E.- Gegen dieses Urteil erklärte der Beklagte die Berufung mit dem Antrag auf gänzliche Abweisung der Klage.
Der Kläger beantragt auf dem Wege der Anschlussberufung Schutz der Klage für den vollen Betrag von Fr. 15'000.--.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Beim Abschluss der Vereinbarung vom 12. März 1953 gingen beide Parteien von der Auffassung aus, dass der Kaufvertrag vom 29. Dezember 1952 noch in Kraft sei. Das war Grundlage der Vereinbarung, ohne die es dem Kläger so wenig hätte in den Sinn kommen können, eine Entschädigung für die Aufhebung des Vertrages zu leisten als dem Beklagten, eine solche zu fordern. War der Vertrag nicht mehr in Kraft, sei es mangels Genehmigungsfähigkeit gemäss BMB, sei es infolge Ausübung eines Vorkaufsrechtes gemäss EGG, so verpflichtete sich der Kläger unter dem Einfluss eines Irrtums im Sinne von Art. 24 Ziff. 4 OR. Wohl handelte es sich dabei um einen Rechtsirrtum, aber auch ein solcher ist im Sinne dieser Gesetzesbestimmung wesentlich, wenn er einen Sachverhalt betrifft, der nach Treu und Glauben Grundlage der Verpflichtung bildet, was bei gemeinsam vorausgesetzter notwendiger Grundlage unbestreitbar ist.
2. Für die Entscheidung über die Rechtsbeständigkeit des Kaufvertrages im Zeitpunkt der Vereinbarung vom 12. März 1953 fällt die Ausübung des Vorkaufsrechtes durch die Tochter des Verkäufers gemäss den Bestimmungen des EGG ausser Betracht, da nach der Rechtsprechung ( BGE 79 I 270Erw. 4) ein vor dem 1. Januar 1953 abgeschlossener Kaufvertrag dem EGG nicht unterliegt.
Es ist daher lediglich zu prüfen, ob der Kaufvertrag in Ansehung des BMB gültig war oder nicht. Die Vorinstanz hat die Gültigkeit bejaht, weil gemäss BGE 73 II 165 Erw. 4 lit. a die Genehmigung durch die Behörde nach BMB eine Bedingung sei, bis zu deren Nichteintritt, d.h. bis zur Verweigerung der Genehmigung, die Vertragsparteien gegenseitig gebunden bleiben. Infolge Wegfalls des Erfordernisses der Genehmigung durch die Aufhebung des BMB sei der Vertrag daher ohne diese verbindlich geblieben.
In BGE 79 I 272 wurde die Frage vorbehalten, ob das Erfordernis der Genehmigung für Verträge, über deren Genehmigung oder Nichtgenehmigung am 1. Januar 1953 noch nicht entschieden war, mit dem Ausserkrafttreten des BMB an diesem Datum dahingefallen sei, oder ob für sie die Genehmigung noch erforderlich sei, weil der Abschluss unter der Herrschaft des BMB massgebend bleiben müsse. Diese Frage ist unzweifelhaft im letzteren Sinne zu entscheiden. Der BMB ist zwar auf den 1. Januar 1953 dahingefallen kraft der Übergangsbestimmung von Art. 48 EGG, wonach alle diesem Gesetz widersprechenden Bestimmungen aufgehoben sind. Nachdem nun aber gemäss der Rechtsprechung das EGG auf Kaufverträge, die vor seinem Inkrafttreten abgeschlossen wurden, keine Anwendung findet, kann sich die Aufhebung des BMB auf diese nicht beziehen. Es gilt vielmehr der in Art. 1 SchlT ZGB niedergelegte allgemeine Rechtsgrundsatz, dass die vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes eingetretenen Tatbestände nach dem Recht zu beurteilen sind, das zur Zeit ihres Eintritts gegolten hat. Der von den Parteien unter der Herrschaft des BMB abgeschlossene Vertrag unterliegt somit weiterhin dem Genehmigungserfordernis.
Das eidgen. Justiz- und Polizeidepartement spricht allerdings in einem Kreisschreiben vom 12. Januar 1953 (Zeitschrift für Beurkundungs- und Grundbuchrecht 34 S. 114) die gegenteilige Auffassung aus. Dabei ging es aber wohl von der nunmehr durch die Rechtsprechung abgelehnten Voraussetzung aus, dass auf diese Tatbestände das EGG nach seinem Inkrafttreten rückwirkend anwendbar sei. Andernfalls hätte es sich doch wohl mit der Frage auseinandergesetzt, ob die bei Wegfall des Genehmigungserfordernisses nach BMB ohne Rückwirkung des EGG entstehende Lücke in der Wahrung des sowohl dem alten wie dem neuen Bodenrecht zu Grunde liegenden Schutzzweckes dem Willen des Gesetzgebers entspreche, und es hätte dies unmöglich bejahen können. Denn wie die 1. Instanz zutreffend bemerkt hat, widerspräche es jedem vernünftigen Sinn des Bodenrechts, wenn für intertemporale Fälle der vorliegenden Art weder die Schutzbestimmungen des alten noch jene des neuen Rechts anwendbar wären.
Diese Auffassung wird übrigens bestärkt durch die folgende Überlegung: Die grundlegende Bestimmung des BMB lag nicht in der Genehmigungsvorschrift, sondern in der Preisschranke, deren Beachtung die Behörde lediglich zu sichern hatte. Wenn Art. 42 BMB sich ausdrückt, dass Rechtsgeschäfte, die der Genehmigung bedürfen, ohne diese nichtig sind, so sind damit dieser Genehmigung nicht fähige Rechtsgeschäfte als nichtig bezeichnet. Darum könnte der genehmigungsunfähige Kaufvertrag - vorbehältlich der Rückwirkung des EGG - nicht Gültigkeit erlangen durch den Wegfall des Genehmigungsverfahrens. So betrachtet hätte die Genehmigung lediglich Verfahrenscharakter im Gegensatz zur materiellrechtlichen Preisschranke. Das steht nicht unbedingt in Widerspruch mit den Ausführungen in BGE 73 II 165, wonach die Vertragsparteien gegenseitig an den Vertrag gebunden sind bis zur Verweigerung der Genehmigung, die alsdann auf den Vertragsschluss zurückwirkt. Denn solange die Genehmigung offen stand, war es eine durch Treu und Glauben gebotene gegenseitige Pflicht der Parteien, sie nachzusuchen, so dass die Nichtigkeit sich insoweit als eine bedingte darstellte. Von einer solchen Treuepflicht kann jedoch nicht die Rede sein, wo den Vertragsparteien zum vorneherein klar war, dass die Genehmigung ausgeschlossen sei. So verhielt es sich aber gerade hier. Die Parteien waren einig, dass eine Genehmigung des Vertrages zu dem vereinbarten Kaufpreis nicht erhältlich wäre. Ein Gesuch um Genehmigung wäre somit sinnlos gewesen.
Die Vereinbarung vom 12. März 1953 hob daher einen Vertrag auf, der von Anfang an zur Unwirksamkeit verurteilt war.
3. Die Unverbindlichkeit der Vereinbarung vom 12. März 1953 infolge wesentlichen Irrtums ist daher zu bejahen. Das hat zur Folge, dass dem Kläger für die geleistete Zahlung von Fr. 15'000.-- ein Rückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung zusteht. Dass dieser Anspruch durch eine Schadenersatzpflicht des Klägers aus dem Gesichtspunkte von Art. 26 OR gemindert werde, behauptet der Beklagte in der Berufung mit Recht nicht. Denn entgegen der Ansicht der 1. Instanz kann nicht die Rede davon sein, dass der Kläger seinen Irrtum über die Rechtsbeständigkeit des Kaufvertrages deswegen seiner eigenen Fahrlässigkeit zuzuschreiben habe, weil er sich auf die vom Anwalt des Beklagten und vom Grundbuchamt vertretene Rechtsauffassung verliess, ohne selber einen Anwalt zu Rate zu ziehen.
Die Berufung des Beklagten erweist sich somit als unbegründet, während die Anschlussberufung auf Schutz der Klage im vollen Betrag von Fr. 15'000.-- gutzuheissen ist.
Die Anschlussberufung fordert Zins zu 5% seit dem 29. Dezember 1952. Wie um das Kapital, so ist der Beklagte auch um allfällige Anlagezinsen aus diesem ungerechtfertigt bereichert. Diese betragen aber nicht schlechthin 5% wie der gesetzliche Verzugszins. Da die Anschlussberufung bezüglich der Anlage wie der Zinsfrage überhaupt jeglicher Begründung ermangelt, kann ein Zins unter dem Gesichtspunkt der Bereicherung nicht zugesprochen werden. Hingegen ist ein Verzugszins zu 5% vom Datum der Weisung an ohne weiteres begründet.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- Die Berufung wird abgewiesen.
2.- Die Anschlussberufung wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 26. November 1953 wird aufgehoben und die Klage in dem Sinne geschützt, dass der Beklagte verurteilt wird, dem Kläger Fr. 15'000.-- nebst 5% Zins seit dem 30. April 1953 zurück zubezahlen. | de | Landwirtschaftliches Bodenrecht. Irrtum. Rechtsirrtum als Grundlagenirrtum (Art. 24 Ziff. 4 OR).
Ein Vertrag, der wegen zu hohen Kaufpreises nicht der Genehmigung fähig gewesen wäre, ist auch nach Wegfall der Genehmigungspfiicht infolge Aufhebung des BMB nichtig (Art. 6 BMB).
Schadenersatzpflicht des Irrenden? (Art. 26 OR). | de | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-152%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
247 | 80 II 152 | Sachverhalt ab Seite 153
A.- Mit öffentlich beurkundetem Vertrag vom 29. Dezember 1952 verkaufte Heinrich Pletscher sein landwirtschaftliches Heimwesen in der Gemeinde Schönholzerswilen (TG) samt lebendem und totem Inventar an Marcel Geisser. Der Kaufpreis betrug Fr. 185'000.--, wovon Fr. 52'000.-- auf das Inventar und Fr. 133'000.-- auf die Liegenschaft entfielen. Der Käufer leistete eine Anzahlung von Fr. 20'000.--. Der Kaufsantritt wurde auf den 1. März 1953 bestimmt.
Im Zeitpunkt des Kaufsabschlusses galt noch der BRB über die Massnahmen gegen die Bodenspekulation vom 19. Januar 1940 (BMB), der am 31. Dezember 1952 ausser Kraft trat und auf den 1. Januar 1953 durch das BG über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes vom 12. Juni 1951 (EGG) abgelöst wurde.
Wie nicht streitig ist, wäre für den von den Parteien für die Liegenschaft vereinbarten Kaufpreis von Fr. 133'000.-- die behördliche Genehmigung gemäss Art. 6 BMB nicht erhältlich gewesen, da der nach Art. 8 Abs. 1 Ziff. 1 BMB zulässige Höchstpreis (Ertragswert zuzüglich höchstens 30% Zuschlag) nur Fr. 95'000.-- ausgemacht hätte. Die Parteien setzten denn auch die Verschreibung auf den 29. Dezember 1952 fest, weil sie glaubten, auf diese Weise den Vertrag sowohl dem mit dem 31. Dezember 1952 dahinfallenden Erfordernisse der behördlichen Genehmigung gemäss BMB, als auch dem Vorkaufsrecht der Nachkommen des Verkäufers gemäss Art. 6 ff. EGG entziehen zu können.
Am 19. Januar 1953 machten jedoch die Tochter des Verkäufers und deren Ehemann unter Anrufung des EGG das Vorkaufsrecht geltend, verzichteten dann aber gegen Bezahlung einer Entschädigung durch den Verkäufer auf dessen Ausübung.
Am 1. März 1953 zog der Käufer auf die Liegenschaft auf. Da er den Restkaufpreis von Fr. 105'000.-- nicht vertragsgemäss leistete, forderte der Verkäufer ihn zur Zahlung auf und teilte ihm gleichzeitig mit, der Kaufvertrag könne allenfalls rückgängig gemacht werden, wenn er "als Schadenersatz und Umtriebskosten eine angemessene Reukaufsumme leiste". Drauf schlossen die Parteien am 12. März 1953 eine Vereinbarung ab, wonach der Kaufvertrag aufgehoben und dem Käufer von der geleisteten Anzahlung Fr. 5000.-- zurückerstattet wurden, die restlichen Fr. 15'000.-- dagegen dem Verkäufer als Entschädigung unter allen Titeln verblieben.
B.- Mit Klage vom 30. April/28. Mai 1953 forderte der Kläger Rückzahlung auch der verbleibenden Fr. 15'000.-- nebst 5% Zins seit 29. Dezember 1952 mit der Begründung, die Vereinbarung vom 12. März 1953 sei für ihn wegen Irrtums unverbindlich, weil er sich, wie auch der Beklagte, an den Kaufvertrag gebunden erachtet habe, während dieser, weil nicht genehmigungsfähig und überdies wegen Übervorteilung, nichtig gewesen sei. Zudem sei er durch Ausübung des Vorkaufsrechtes gemäss EGG durch die Tochter des Verkäufers dahingefallen gewesen.
Der Beklagte beantragte Abweisung der Klage. Er bestritt, dass der Kaufvertrag nach Ausserkrafttreten des BMB der behördlichen Genehmigungspflicht noch unterstanden habe. Auf das Vorkaufsrecht gemäss EGG aber habe seine Tochter nachträglich verzichtet, womit der Kaufvertrag der Parteien vollziehbar gewesen wäre. Die für seine Aufhebung vom Käufer bezahlte Reukaufsumme sei nicht übersetzt, so dass von einer Übervorteilung nicht gesprochen werden könne.
C.- Das Bezirksgericht Münchwilen kam zum Schlusse, auf den Kaufvertrag der Parteien müsse entweder das alte oder das neue Bodenrecht anwendbar sein, da es unmöglich der Wille des Gesetzgebers gewesen sein könne, dass für intertemporale Grenzfälle die alten Schutzvorschriften nicht mehr und die neuen noch nicht anwendbar sein sollten. Das Vorgehen der Parteien, unter Ausnützung einer lückenhaften Regelung der Übergangsbestimmungen das Kaufgeschäft den Schutzvorschriften des alten und des neuen Rechtes zu entziehen, stelle daher einen rechtsgeschäftlichen Schleichweg dar, der keinen Rechtsschutz finden könne. Ob das alte oder das neue Bodenrecht anwendbar sei, liess das Gericht offen, da in beiden Fällen der Kaufvertrag rechtsunwirksam geworden sei; bei Massgeblichkeit des BMB deshalb, weil die Genehmigung nicht erhältlich gewesen wäre, nach dem EGG, weil durch die Ausübung des Vorkaufsrechtes der Kaufvertrag der Parteien hinfällig geworden sei und trotz dem nachträglichen Verzicht des Vorkaufsberechtigten nicht habe wieder aufleben können. Da kein rechtsgültiger Kaufvertrag bestanden habe, sei die Vereinbarung vom 12. März 1953 über dessen Aufhebung gegen Bezahlung eines Reugeldes von Fr. 15'000.-- für den Kläger wegen Grundlagenirrtums unverbindlich. Jedoch könne er nicht die vollen Fr. 15'000 zurückfordern; denn dadurch, dass er nicht einen eigenen Rechtsbeistand beigezogen, sondern auf die Angaben des Beklagten, dessen Anwalts und die Meinung des Grundbuchamtes abstellte, habe er seinen Irrtum in unentschuldbar fahrlässiger Weise selber verschuldet und habe daher nach Art. 26 Abs. 1 OR dem Beklagten den Schaden aus dem Dahinfallen des Kaufvertrages zu ersetzen, der auf Fr. 7000.-- zu veranschlagen sei. Demgemäss schützte das Bezirksgericht die Klage im herabgesetzten Betrage von Fr. 8000.--.
D.- Das Obergericht des Kantons Thurgau, an das beide Parteien die Sache weiterzogen, liess die Frage, ob der BMB oder das EGG anwendbar sei, ebenfalls offen'nahm aber im Gegensatz zur 1. Instanz an, dass der Kaufvertrag der Parteien im einen wie im andern Falle bis zu seiner Aufhebung am 12. März 1953 in Kraft geblieben sei. Es verneinte daher eine Unverbindlichkeit des Aufhebungsvertrages wegen Irrtums und lehnte auch die Berufung des Klägers auf Übervorteilung ab. Die vereinbarte Loskaufsumme von Fr. 15'000.-- betrachtete das Gericht als Konventionalstrafe oder als Reugeld, das aus verschiedenen Gründen in Anwendung von Art. 163 Abs. 3 OR auf Fr. 5000.-- herabzusetzen sei. Aus diesen Erwägungen verpflichtete das Obergericht mit Urteil vom 26. November 1953 den Beklagten zur Rückerstattung von Fr. 10'000.-- an den Kläger.
E.- Gegen dieses Urteil erklärte der Beklagte die Berufung mit dem Antrag auf gänzliche Abweisung der Klage.
Der Kläger beantragt auf dem Wege der Anschlussberufung Schutz der Klage für den vollen Betrag von Fr. 15'000.--.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Beim Abschluss der Vereinbarung vom 12. März 1953 gingen beide Parteien von der Auffassung aus, dass der Kaufvertrag vom 29. Dezember 1952 noch in Kraft sei. Das war Grundlage der Vereinbarung, ohne die es dem Kläger so wenig hätte in den Sinn kommen können, eine Entschädigung für die Aufhebung des Vertrages zu leisten als dem Beklagten, eine solche zu fordern. War der Vertrag nicht mehr in Kraft, sei es mangels Genehmigungsfähigkeit gemäss BMB, sei es infolge Ausübung eines Vorkaufsrechtes gemäss EGG, so verpflichtete sich der Kläger unter dem Einfluss eines Irrtums im Sinne von Art. 24 Ziff. 4 OR. Wohl handelte es sich dabei um einen Rechtsirrtum, aber auch ein solcher ist im Sinne dieser Gesetzesbestimmung wesentlich, wenn er einen Sachverhalt betrifft, der nach Treu und Glauben Grundlage der Verpflichtung bildet, was bei gemeinsam vorausgesetzter notwendiger Grundlage unbestreitbar ist.
2. Für die Entscheidung über die Rechtsbeständigkeit des Kaufvertrages im Zeitpunkt der Vereinbarung vom 12. März 1953 fällt die Ausübung des Vorkaufsrechtes durch die Tochter des Verkäufers gemäss den Bestimmungen des EGG ausser Betracht, da nach der Rechtsprechung ( BGE 79 I 270Erw. 4) ein vor dem 1. Januar 1953 abgeschlossener Kaufvertrag dem EGG nicht unterliegt.
Es ist daher lediglich zu prüfen, ob der Kaufvertrag in Ansehung des BMB gültig war oder nicht. Die Vorinstanz hat die Gültigkeit bejaht, weil gemäss BGE 73 II 165 Erw. 4 lit. a die Genehmigung durch die Behörde nach BMB eine Bedingung sei, bis zu deren Nichteintritt, d.h. bis zur Verweigerung der Genehmigung, die Vertragsparteien gegenseitig gebunden bleiben. Infolge Wegfalls des Erfordernisses der Genehmigung durch die Aufhebung des BMB sei der Vertrag daher ohne diese verbindlich geblieben.
In BGE 79 I 272 wurde die Frage vorbehalten, ob das Erfordernis der Genehmigung für Verträge, über deren Genehmigung oder Nichtgenehmigung am 1. Januar 1953 noch nicht entschieden war, mit dem Ausserkrafttreten des BMB an diesem Datum dahingefallen sei, oder ob für sie die Genehmigung noch erforderlich sei, weil der Abschluss unter der Herrschaft des BMB massgebend bleiben müsse. Diese Frage ist unzweifelhaft im letzteren Sinne zu entscheiden. Der BMB ist zwar auf den 1. Januar 1953 dahingefallen kraft der Übergangsbestimmung von Art. 48 EGG, wonach alle diesem Gesetz widersprechenden Bestimmungen aufgehoben sind. Nachdem nun aber gemäss der Rechtsprechung das EGG auf Kaufverträge, die vor seinem Inkrafttreten abgeschlossen wurden, keine Anwendung findet, kann sich die Aufhebung des BMB auf diese nicht beziehen. Es gilt vielmehr der in Art. 1 SchlT ZGB niedergelegte allgemeine Rechtsgrundsatz, dass die vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes eingetretenen Tatbestände nach dem Recht zu beurteilen sind, das zur Zeit ihres Eintritts gegolten hat. Der von den Parteien unter der Herrschaft des BMB abgeschlossene Vertrag unterliegt somit weiterhin dem Genehmigungserfordernis.
Das eidgen. Justiz- und Polizeidepartement spricht allerdings in einem Kreisschreiben vom 12. Januar 1953 (Zeitschrift für Beurkundungs- und Grundbuchrecht 34 S. 114) die gegenteilige Auffassung aus. Dabei ging es aber wohl von der nunmehr durch die Rechtsprechung abgelehnten Voraussetzung aus, dass auf diese Tatbestände das EGG nach seinem Inkrafttreten rückwirkend anwendbar sei. Andernfalls hätte es sich doch wohl mit der Frage auseinandergesetzt, ob die bei Wegfall des Genehmigungserfordernisses nach BMB ohne Rückwirkung des EGG entstehende Lücke in der Wahrung des sowohl dem alten wie dem neuen Bodenrecht zu Grunde liegenden Schutzzweckes dem Willen des Gesetzgebers entspreche, und es hätte dies unmöglich bejahen können. Denn wie die 1. Instanz zutreffend bemerkt hat, widerspräche es jedem vernünftigen Sinn des Bodenrechts, wenn für intertemporale Fälle der vorliegenden Art weder die Schutzbestimmungen des alten noch jene des neuen Rechts anwendbar wären.
Diese Auffassung wird übrigens bestärkt durch die folgende Überlegung: Die grundlegende Bestimmung des BMB lag nicht in der Genehmigungsvorschrift, sondern in der Preisschranke, deren Beachtung die Behörde lediglich zu sichern hatte. Wenn Art. 42 BMB sich ausdrückt, dass Rechtsgeschäfte, die der Genehmigung bedürfen, ohne diese nichtig sind, so sind damit dieser Genehmigung nicht fähige Rechtsgeschäfte als nichtig bezeichnet. Darum könnte der genehmigungsunfähige Kaufvertrag - vorbehältlich der Rückwirkung des EGG - nicht Gültigkeit erlangen durch den Wegfall des Genehmigungsverfahrens. So betrachtet hätte die Genehmigung lediglich Verfahrenscharakter im Gegensatz zur materiellrechtlichen Preisschranke. Das steht nicht unbedingt in Widerspruch mit den Ausführungen in BGE 73 II 165, wonach die Vertragsparteien gegenseitig an den Vertrag gebunden sind bis zur Verweigerung der Genehmigung, die alsdann auf den Vertragsschluss zurückwirkt. Denn solange die Genehmigung offen stand, war es eine durch Treu und Glauben gebotene gegenseitige Pflicht der Parteien, sie nachzusuchen, so dass die Nichtigkeit sich insoweit als eine bedingte darstellte. Von einer solchen Treuepflicht kann jedoch nicht die Rede sein, wo den Vertragsparteien zum vorneherein klar war, dass die Genehmigung ausgeschlossen sei. So verhielt es sich aber gerade hier. Die Parteien waren einig, dass eine Genehmigung des Vertrages zu dem vereinbarten Kaufpreis nicht erhältlich wäre. Ein Gesuch um Genehmigung wäre somit sinnlos gewesen.
Die Vereinbarung vom 12. März 1953 hob daher einen Vertrag auf, der von Anfang an zur Unwirksamkeit verurteilt war.
3. Die Unverbindlichkeit der Vereinbarung vom 12. März 1953 infolge wesentlichen Irrtums ist daher zu bejahen. Das hat zur Folge, dass dem Kläger für die geleistete Zahlung von Fr. 15'000.-- ein Rückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung zusteht. Dass dieser Anspruch durch eine Schadenersatzpflicht des Klägers aus dem Gesichtspunkte von Art. 26 OR gemindert werde, behauptet der Beklagte in der Berufung mit Recht nicht. Denn entgegen der Ansicht der 1. Instanz kann nicht die Rede davon sein, dass der Kläger seinen Irrtum über die Rechtsbeständigkeit des Kaufvertrages deswegen seiner eigenen Fahrlässigkeit zuzuschreiben habe, weil er sich auf die vom Anwalt des Beklagten und vom Grundbuchamt vertretene Rechtsauffassung verliess, ohne selber einen Anwalt zu Rate zu ziehen.
Die Berufung des Beklagten erweist sich somit als unbegründet, während die Anschlussberufung auf Schutz der Klage im vollen Betrag von Fr. 15'000.-- gutzuheissen ist.
Die Anschlussberufung fordert Zins zu 5% seit dem 29. Dezember 1952. Wie um das Kapital, so ist der Beklagte auch um allfällige Anlagezinsen aus diesem ungerechtfertigt bereichert. Diese betragen aber nicht schlechthin 5% wie der gesetzliche Verzugszins. Da die Anschlussberufung bezüglich der Anlage wie der Zinsfrage überhaupt jeglicher Begründung ermangelt, kann ein Zins unter dem Gesichtspunkt der Bereicherung nicht zugesprochen werden. Hingegen ist ein Verzugszins zu 5% vom Datum der Weisung an ohne weiteres begründet.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- Die Berufung wird abgewiesen.
2.- Die Anschlussberufung wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 26. November 1953 wird aufgehoben und die Klage in dem Sinne geschützt, dass der Beklagte verurteilt wird, dem Kläger Fr. 15'000.-- nebst 5% Zins seit dem 30. April 1953 zurück zubezahlen. | de | Propriété foncière rurale. Erreur. Erreur de droit considérée comme erreur portant sur les éléments essentiels du contrat (art. 24 ch. 4 CO).
Un contrat de vente qui n'aurait pu être ratifié parce que le prix était excessif est nul même après que les parties n'étaient plus tenues de le faire ratifier par suite de l'abrogation de l'ACF du 19 janvier 1940 /7 novembre 1941 (art. 6).
La partie victime de l'erreur est-elle tenue de réparer le dommage? (art. 26 CO). | fr | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-152%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
248 | 80 II 152 | Sachverhalt ab Seite 153
A.- Mit öffentlich beurkundetem Vertrag vom 29. Dezember 1952 verkaufte Heinrich Pletscher sein landwirtschaftliches Heimwesen in der Gemeinde Schönholzerswilen (TG) samt lebendem und totem Inventar an Marcel Geisser. Der Kaufpreis betrug Fr. 185'000.--, wovon Fr. 52'000.-- auf das Inventar und Fr. 133'000.-- auf die Liegenschaft entfielen. Der Käufer leistete eine Anzahlung von Fr. 20'000.--. Der Kaufsantritt wurde auf den 1. März 1953 bestimmt.
Im Zeitpunkt des Kaufsabschlusses galt noch der BRB über die Massnahmen gegen die Bodenspekulation vom 19. Januar 1940 (BMB), der am 31. Dezember 1952 ausser Kraft trat und auf den 1. Januar 1953 durch das BG über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes vom 12. Juni 1951 (EGG) abgelöst wurde.
Wie nicht streitig ist, wäre für den von den Parteien für die Liegenschaft vereinbarten Kaufpreis von Fr. 133'000.-- die behördliche Genehmigung gemäss Art. 6 BMB nicht erhältlich gewesen, da der nach Art. 8 Abs. 1 Ziff. 1 BMB zulässige Höchstpreis (Ertragswert zuzüglich höchstens 30% Zuschlag) nur Fr. 95'000.-- ausgemacht hätte. Die Parteien setzten denn auch die Verschreibung auf den 29. Dezember 1952 fest, weil sie glaubten, auf diese Weise den Vertrag sowohl dem mit dem 31. Dezember 1952 dahinfallenden Erfordernisse der behördlichen Genehmigung gemäss BMB, als auch dem Vorkaufsrecht der Nachkommen des Verkäufers gemäss Art. 6 ff. EGG entziehen zu können.
Am 19. Januar 1953 machten jedoch die Tochter des Verkäufers und deren Ehemann unter Anrufung des EGG das Vorkaufsrecht geltend, verzichteten dann aber gegen Bezahlung einer Entschädigung durch den Verkäufer auf dessen Ausübung.
Am 1. März 1953 zog der Käufer auf die Liegenschaft auf. Da er den Restkaufpreis von Fr. 105'000.-- nicht vertragsgemäss leistete, forderte der Verkäufer ihn zur Zahlung auf und teilte ihm gleichzeitig mit, der Kaufvertrag könne allenfalls rückgängig gemacht werden, wenn er "als Schadenersatz und Umtriebskosten eine angemessene Reukaufsumme leiste". Drauf schlossen die Parteien am 12. März 1953 eine Vereinbarung ab, wonach der Kaufvertrag aufgehoben und dem Käufer von der geleisteten Anzahlung Fr. 5000.-- zurückerstattet wurden, die restlichen Fr. 15'000.-- dagegen dem Verkäufer als Entschädigung unter allen Titeln verblieben.
B.- Mit Klage vom 30. April/28. Mai 1953 forderte der Kläger Rückzahlung auch der verbleibenden Fr. 15'000.-- nebst 5% Zins seit 29. Dezember 1952 mit der Begründung, die Vereinbarung vom 12. März 1953 sei für ihn wegen Irrtums unverbindlich, weil er sich, wie auch der Beklagte, an den Kaufvertrag gebunden erachtet habe, während dieser, weil nicht genehmigungsfähig und überdies wegen Übervorteilung, nichtig gewesen sei. Zudem sei er durch Ausübung des Vorkaufsrechtes gemäss EGG durch die Tochter des Verkäufers dahingefallen gewesen.
Der Beklagte beantragte Abweisung der Klage. Er bestritt, dass der Kaufvertrag nach Ausserkrafttreten des BMB der behördlichen Genehmigungspflicht noch unterstanden habe. Auf das Vorkaufsrecht gemäss EGG aber habe seine Tochter nachträglich verzichtet, womit der Kaufvertrag der Parteien vollziehbar gewesen wäre. Die für seine Aufhebung vom Käufer bezahlte Reukaufsumme sei nicht übersetzt, so dass von einer Übervorteilung nicht gesprochen werden könne.
C.- Das Bezirksgericht Münchwilen kam zum Schlusse, auf den Kaufvertrag der Parteien müsse entweder das alte oder das neue Bodenrecht anwendbar sein, da es unmöglich der Wille des Gesetzgebers gewesen sein könne, dass für intertemporale Grenzfälle die alten Schutzvorschriften nicht mehr und die neuen noch nicht anwendbar sein sollten. Das Vorgehen der Parteien, unter Ausnützung einer lückenhaften Regelung der Übergangsbestimmungen das Kaufgeschäft den Schutzvorschriften des alten und des neuen Rechtes zu entziehen, stelle daher einen rechtsgeschäftlichen Schleichweg dar, der keinen Rechtsschutz finden könne. Ob das alte oder das neue Bodenrecht anwendbar sei, liess das Gericht offen, da in beiden Fällen der Kaufvertrag rechtsunwirksam geworden sei; bei Massgeblichkeit des BMB deshalb, weil die Genehmigung nicht erhältlich gewesen wäre, nach dem EGG, weil durch die Ausübung des Vorkaufsrechtes der Kaufvertrag der Parteien hinfällig geworden sei und trotz dem nachträglichen Verzicht des Vorkaufsberechtigten nicht habe wieder aufleben können. Da kein rechtsgültiger Kaufvertrag bestanden habe, sei die Vereinbarung vom 12. März 1953 über dessen Aufhebung gegen Bezahlung eines Reugeldes von Fr. 15'000.-- für den Kläger wegen Grundlagenirrtums unverbindlich. Jedoch könne er nicht die vollen Fr. 15'000 zurückfordern; denn dadurch, dass er nicht einen eigenen Rechtsbeistand beigezogen, sondern auf die Angaben des Beklagten, dessen Anwalts und die Meinung des Grundbuchamtes abstellte, habe er seinen Irrtum in unentschuldbar fahrlässiger Weise selber verschuldet und habe daher nach Art. 26 Abs. 1 OR dem Beklagten den Schaden aus dem Dahinfallen des Kaufvertrages zu ersetzen, der auf Fr. 7000.-- zu veranschlagen sei. Demgemäss schützte das Bezirksgericht die Klage im herabgesetzten Betrage von Fr. 8000.--.
D.- Das Obergericht des Kantons Thurgau, an das beide Parteien die Sache weiterzogen, liess die Frage, ob der BMB oder das EGG anwendbar sei, ebenfalls offen'nahm aber im Gegensatz zur 1. Instanz an, dass der Kaufvertrag der Parteien im einen wie im andern Falle bis zu seiner Aufhebung am 12. März 1953 in Kraft geblieben sei. Es verneinte daher eine Unverbindlichkeit des Aufhebungsvertrages wegen Irrtums und lehnte auch die Berufung des Klägers auf Übervorteilung ab. Die vereinbarte Loskaufsumme von Fr. 15'000.-- betrachtete das Gericht als Konventionalstrafe oder als Reugeld, das aus verschiedenen Gründen in Anwendung von Art. 163 Abs. 3 OR auf Fr. 5000.-- herabzusetzen sei. Aus diesen Erwägungen verpflichtete das Obergericht mit Urteil vom 26. November 1953 den Beklagten zur Rückerstattung von Fr. 10'000.-- an den Kläger.
E.- Gegen dieses Urteil erklärte der Beklagte die Berufung mit dem Antrag auf gänzliche Abweisung der Klage.
Der Kläger beantragt auf dem Wege der Anschlussberufung Schutz der Klage für den vollen Betrag von Fr. 15'000.--.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Beim Abschluss der Vereinbarung vom 12. März 1953 gingen beide Parteien von der Auffassung aus, dass der Kaufvertrag vom 29. Dezember 1952 noch in Kraft sei. Das war Grundlage der Vereinbarung, ohne die es dem Kläger so wenig hätte in den Sinn kommen können, eine Entschädigung für die Aufhebung des Vertrages zu leisten als dem Beklagten, eine solche zu fordern. War der Vertrag nicht mehr in Kraft, sei es mangels Genehmigungsfähigkeit gemäss BMB, sei es infolge Ausübung eines Vorkaufsrechtes gemäss EGG, so verpflichtete sich der Kläger unter dem Einfluss eines Irrtums im Sinne von Art. 24 Ziff. 4 OR. Wohl handelte es sich dabei um einen Rechtsirrtum, aber auch ein solcher ist im Sinne dieser Gesetzesbestimmung wesentlich, wenn er einen Sachverhalt betrifft, der nach Treu und Glauben Grundlage der Verpflichtung bildet, was bei gemeinsam vorausgesetzter notwendiger Grundlage unbestreitbar ist.
2. Für die Entscheidung über die Rechtsbeständigkeit des Kaufvertrages im Zeitpunkt der Vereinbarung vom 12. März 1953 fällt die Ausübung des Vorkaufsrechtes durch die Tochter des Verkäufers gemäss den Bestimmungen des EGG ausser Betracht, da nach der Rechtsprechung ( BGE 79 I 270Erw. 4) ein vor dem 1. Januar 1953 abgeschlossener Kaufvertrag dem EGG nicht unterliegt.
Es ist daher lediglich zu prüfen, ob der Kaufvertrag in Ansehung des BMB gültig war oder nicht. Die Vorinstanz hat die Gültigkeit bejaht, weil gemäss BGE 73 II 165 Erw. 4 lit. a die Genehmigung durch die Behörde nach BMB eine Bedingung sei, bis zu deren Nichteintritt, d.h. bis zur Verweigerung der Genehmigung, die Vertragsparteien gegenseitig gebunden bleiben. Infolge Wegfalls des Erfordernisses der Genehmigung durch die Aufhebung des BMB sei der Vertrag daher ohne diese verbindlich geblieben.
In BGE 79 I 272 wurde die Frage vorbehalten, ob das Erfordernis der Genehmigung für Verträge, über deren Genehmigung oder Nichtgenehmigung am 1. Januar 1953 noch nicht entschieden war, mit dem Ausserkrafttreten des BMB an diesem Datum dahingefallen sei, oder ob für sie die Genehmigung noch erforderlich sei, weil der Abschluss unter der Herrschaft des BMB massgebend bleiben müsse. Diese Frage ist unzweifelhaft im letzteren Sinne zu entscheiden. Der BMB ist zwar auf den 1. Januar 1953 dahingefallen kraft der Übergangsbestimmung von Art. 48 EGG, wonach alle diesem Gesetz widersprechenden Bestimmungen aufgehoben sind. Nachdem nun aber gemäss der Rechtsprechung das EGG auf Kaufverträge, die vor seinem Inkrafttreten abgeschlossen wurden, keine Anwendung findet, kann sich die Aufhebung des BMB auf diese nicht beziehen. Es gilt vielmehr der in Art. 1 SchlT ZGB niedergelegte allgemeine Rechtsgrundsatz, dass die vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes eingetretenen Tatbestände nach dem Recht zu beurteilen sind, das zur Zeit ihres Eintritts gegolten hat. Der von den Parteien unter der Herrschaft des BMB abgeschlossene Vertrag unterliegt somit weiterhin dem Genehmigungserfordernis.
Das eidgen. Justiz- und Polizeidepartement spricht allerdings in einem Kreisschreiben vom 12. Januar 1953 (Zeitschrift für Beurkundungs- und Grundbuchrecht 34 S. 114) die gegenteilige Auffassung aus. Dabei ging es aber wohl von der nunmehr durch die Rechtsprechung abgelehnten Voraussetzung aus, dass auf diese Tatbestände das EGG nach seinem Inkrafttreten rückwirkend anwendbar sei. Andernfalls hätte es sich doch wohl mit der Frage auseinandergesetzt, ob die bei Wegfall des Genehmigungserfordernisses nach BMB ohne Rückwirkung des EGG entstehende Lücke in der Wahrung des sowohl dem alten wie dem neuen Bodenrecht zu Grunde liegenden Schutzzweckes dem Willen des Gesetzgebers entspreche, und es hätte dies unmöglich bejahen können. Denn wie die 1. Instanz zutreffend bemerkt hat, widerspräche es jedem vernünftigen Sinn des Bodenrechts, wenn für intertemporale Fälle der vorliegenden Art weder die Schutzbestimmungen des alten noch jene des neuen Rechts anwendbar wären.
Diese Auffassung wird übrigens bestärkt durch die folgende Überlegung: Die grundlegende Bestimmung des BMB lag nicht in der Genehmigungsvorschrift, sondern in der Preisschranke, deren Beachtung die Behörde lediglich zu sichern hatte. Wenn Art. 42 BMB sich ausdrückt, dass Rechtsgeschäfte, die der Genehmigung bedürfen, ohne diese nichtig sind, so sind damit dieser Genehmigung nicht fähige Rechtsgeschäfte als nichtig bezeichnet. Darum könnte der genehmigungsunfähige Kaufvertrag - vorbehältlich der Rückwirkung des EGG - nicht Gültigkeit erlangen durch den Wegfall des Genehmigungsverfahrens. So betrachtet hätte die Genehmigung lediglich Verfahrenscharakter im Gegensatz zur materiellrechtlichen Preisschranke. Das steht nicht unbedingt in Widerspruch mit den Ausführungen in BGE 73 II 165, wonach die Vertragsparteien gegenseitig an den Vertrag gebunden sind bis zur Verweigerung der Genehmigung, die alsdann auf den Vertragsschluss zurückwirkt. Denn solange die Genehmigung offen stand, war es eine durch Treu und Glauben gebotene gegenseitige Pflicht der Parteien, sie nachzusuchen, so dass die Nichtigkeit sich insoweit als eine bedingte darstellte. Von einer solchen Treuepflicht kann jedoch nicht die Rede sein, wo den Vertragsparteien zum vorneherein klar war, dass die Genehmigung ausgeschlossen sei. So verhielt es sich aber gerade hier. Die Parteien waren einig, dass eine Genehmigung des Vertrages zu dem vereinbarten Kaufpreis nicht erhältlich wäre. Ein Gesuch um Genehmigung wäre somit sinnlos gewesen.
Die Vereinbarung vom 12. März 1953 hob daher einen Vertrag auf, der von Anfang an zur Unwirksamkeit verurteilt war.
3. Die Unverbindlichkeit der Vereinbarung vom 12. März 1953 infolge wesentlichen Irrtums ist daher zu bejahen. Das hat zur Folge, dass dem Kläger für die geleistete Zahlung von Fr. 15'000.-- ein Rückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung zusteht. Dass dieser Anspruch durch eine Schadenersatzpflicht des Klägers aus dem Gesichtspunkte von Art. 26 OR gemindert werde, behauptet der Beklagte in der Berufung mit Recht nicht. Denn entgegen der Ansicht der 1. Instanz kann nicht die Rede davon sein, dass der Kläger seinen Irrtum über die Rechtsbeständigkeit des Kaufvertrages deswegen seiner eigenen Fahrlässigkeit zuzuschreiben habe, weil er sich auf die vom Anwalt des Beklagten und vom Grundbuchamt vertretene Rechtsauffassung verliess, ohne selber einen Anwalt zu Rate zu ziehen.
Die Berufung des Beklagten erweist sich somit als unbegründet, während die Anschlussberufung auf Schutz der Klage im vollen Betrag von Fr. 15'000.-- gutzuheissen ist.
Die Anschlussberufung fordert Zins zu 5% seit dem 29. Dezember 1952. Wie um das Kapital, so ist der Beklagte auch um allfällige Anlagezinsen aus diesem ungerechtfertigt bereichert. Diese betragen aber nicht schlechthin 5% wie der gesetzliche Verzugszins. Da die Anschlussberufung bezüglich der Anlage wie der Zinsfrage überhaupt jeglicher Begründung ermangelt, kann ein Zins unter dem Gesichtspunkt der Bereicherung nicht zugesprochen werden. Hingegen ist ein Verzugszins zu 5% vom Datum der Weisung an ohne weiteres begründet.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- Die Berufung wird abgewiesen.
2.- Die Anschlussberufung wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 26. November 1953 wird aufgehoben und die Klage in dem Sinne geschützt, dass der Beklagte verurteilt wird, dem Kläger Fr. 15'000.-- nebst 5% Zins seit dem 30. April 1953 zurück zubezahlen. | de | Proprietà fondiaria rurale. Errore. Errore di diritto considerato come errore sugli elementi essenziali del contratto (art. 24 cifra 4 CO).
Un contratto di compravendita che non avrebbe potuto essere approvato perchè il prezzo era eccessivo è nullo anche dopoche le parti non erano più tenute a farlo approvare in seguito all'abrogazione del DCF 19 gennaio 1940 /7 novembre 1941 (art. 6).
La parte vittima dell'errore è tenuta al risarcimento dei danni? (art. 26 CO). | it | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-152%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
249 | 80 II 160 | Sachverhalt ab Seite 160
Mit öffentlich beurkundetem Vertrag vom 9. Mai 1951 kaufte Edwin Sollberger von Rudolf Bösiger dessen landwirtschaftliches Heimwesen und verschiedenes Inventar zum Preise von Fr. 90'000.--. Unter sich hatten die Parteien einen Mehrpreis von Fr. 25'000.-- vereinbart, welche Summe Sollberger unmittelbar vor der Beurkundung des Kaufes bei einem Dritten hinterlegte. Bösiger behob sie einige Tage später und ersuchte um die gemäss BRB vom 9. Januar 1940/7. November 1941 über Massnahmen gegen die Bodenspekulation und die Überschuldung sowie zum Schutze der Pächter (BMB) erforderliche behördliche Genehmigung. Diese wurde vom Regierungsrat des Kantons Luzern am 28. Juni 1951 verweigert, nachdem Bösiger selber die Nebenabrede mitgeteilt hatte. Hiegegen reichte Sollberger im September 1951 ein Wiedererwägungsgesuch ein. Der Regierungsrat kam - in Ansehung verschiedener neuer Tatsachen, als welche er u.a. die revidierte Katasterschatzung und die Rückforderung der Nebenleistung wertete - auf seinen früheren Beschluss zurück und erteilte durch Entscheid vom 21. März 1952 die Zustimmung zum Kaufvertrag.
Da Bösiger, auf dessen staatsrechtliche Beschwerde das Bundesgericht nicht eingetreten war, zur Vollziehung des Vertrages nicht Hand bot, belangte ihn Sollberger mit dem Begehren um Zuspruch des Eigentums an der Liegenschaft und Anordnung des Eintrages im Grundbuch. Die Gerichte des Kantons Luzern, das Obergericht mit Urteil vom 10. März 1954, hiessen die Klage gut. Auf Berufung des Beklagten hin bestätigt das Bundesgericht.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Für den gegebenen Fall der Anwendbarkeit des BMB hält die Berufung daran fest, dass der die Genehmigung hinterher gewährende Wiedererwägungsbeschluss des Regierungsrates vom 21. März 1952 keine Wirkung entfaltet habe, weil durch die anfängliche Verweigerung der Genehmigung "der Vertrag definitiv dahingefallen sei".
a) Zugegeben und übrigens unbestreitbar ist, dass die Genehmigung oder Nichtgenehmigung eines Grundstückkaufes nach BMB rechtlich eine Verwaltungsverfügung darstellt. Hiefür kann in einzelnen auf den nicht veröffentlichten BGE vom 16. Juli 1948 i.S. Otth c. Michel und Bern verwiesen werden. Die sich ergebenden Folgerungen hat die Vorinstanz richtig gezogen. Verwaltungsverfügungen geniessen keine materielle Rechtskraft. Sie können abgeändert oder aufgehoben werden, sofern das öffentliche Interesse es erheischt und keine ausdrückliche Gesetzesvorschrift oder Rücksichten auf die Rechtssicherheit es verbieten. Weder der BMB noch, laut vorinstanzlicher Angabe, das luzernische Kantonsrecht enthalten eine Bestimmung, die den Regierungsrat daran gehindert hätte, auf die am 28. Juni 1951 ausgesprochene Nichtgenehmigung des Kaufvertrages zurückzukommen. Die Berufungsbehauptung, Art. 5 Abs. 4 BMB lasse die Wiedererwägung nicht zu, ist schon im genannten BGE vom 16. Juli 1948 widerlegt. Ob die frühere Verfügung abzuändern war oder nicht, hing daher - um weiterhin jenem Präjudiz zu folgen - von der Abwägung zweier sich gegenüberstehenden Gesichtspunkte ab, nämlich "dem Postulat der richtigen Durchführung des objektiven Rechts auf der einen und den Anforderungen der Rechtssicherheit auf der anderen Seite". Diese Würdigung oblag ausschliesslich der nach BMB zuständigen Verwaltungsbehörde. Sie hat am 21. März 1952 in der bekannten Weise entschieden. Der Zivilrichter muss sich daran halten. Eine selbständige Prüfung, sei es in formeller oder in materieller Hinsicht, ist ihm verwehrt (vgl.BGE 75 II 367/8). Somit kann er auch nicht untersuchen, ob die seinerzeitige Genehmigungsverweigerung subjektive Rechte zugunsten des Beklagten begründet habe und deswegen unabänderlich gewesen sei, wie die Berufung anhand der Lehrmeinung FLEINERS (Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, 8. Aufl., S. 201) geltend macht.
b) Dagegen ist die andere Frage, ob nach vorangegangener Nichtgenehmigung des Kaufvertrages dieser anlässlich des regierungsrätlichen Wiedererwägungsbeschlusses überhaupt noch bestanden habe, zivilrechtlicher Natur und darum vom Zivilrichter zu beantworten. Die Berufung befürwortet Verneinung. Sie hält sich dabei an KAUFMANN, Das neue ländliche Bodenrecht der Schweiz S. 170, der die behördliche Vertragsgenehmigung als rechtsgestaltende Verwaltungsverfügung kennzeichnet und anschliessend ausführt:
"Mit der Genehmigung wird ein privates, subjektives Recht auf Übertragung des Eigentums begründet; deshalb ist die Genehmigung grundsätzlich unwiderruflich. Mit der Verweigerung der Genehmigung fällt der Vertrag definitiv dahin. Auf eine Wiedererwägung ist deshalb nur einzutreten, wenn beide Parteien an dem erstmals nicht genehmigten Vertrag festhalten."
Seine Anschauung stützt KAUFMANN auf die oben zitierte Stelle bei FLEINER, auf zwei Entscheidungen des Berner Regierungsrates aus dem Jahre 1943 und auf reichsgerichtliche Urteile.
Indessen ist die schweizerische Praxis andere Wege gegangen. So schützte der Regierungsrat des Kantons Bern am 13. Februar 1948 ein Wiedererwägungsgesuch, mit dem die Aufhebung einer fünf Jahre zuvor erteilten Handänderungs-Genehmigung begehrt wurde, und das Bundesgericht wies die hiegegen gerichtete Willkürbeschwerde durch das mehrfach erwähnte Urteil vom 16. Juli 1948 ab. Anderseits hat schon RGZ S. 142 ff. die Widerruflichkeit wenigstens der Genehmigung zu einer noch nicht vollzogenen Auflassung bejaht. Was derart für die Genehmigung zugestanden ist, die doch einen Anspruch auf Eigentumsübertragung verleiht und damit auf Umgestaltung der Rechtsverhältnisse zielt, muss an sich umso mehr für die Nichtgenehmigung Geltung haben, welche lediglich die bisherige Lage bestätigt. Abweichend verhielte es sich allerdings, wenn wirklich die einmal erklärte Verweigerung zugleich das Grundgeschäft beseitigen würde. Dann aber könnte, angesichts seiner Formbedürftigkeit, ein gemeinsames sowenig wie ein einseitiges Gesuch zur Wiedererwägung verhelfen, sondern es wäre dafür eine nochmalige öffentlich beurkundete Übereinkunft notwendig. Indem KAUFMANN den blossen Festhaltewillen der Parteien als zulängliche Bedingung einer Wiedererwägung erachtet, widerspricht er seiner Auffassung, dass mit der Verweigerung der Genehmigung der Vertrag definitiv dahinfalle. Letztere hält in der Tat nicht stand. Wenn Art. 42 Abs. 1 BMB anordnet, dass ein der Genehmigung unterliegendes Rechtsgeschäft ohne sie nichtig sei, so heisst das nicht, jegliche Genehmigungsverweigerung zeitige zwangsläufig und sofort solche Wirkung. Als Verwaltungsverfügung ergeht die Nichtgenehmigung, ihrem Wesen gemäss und in den erörterten Grenzen, zunächst unter dem Vorbehalt einer künftigen Änderung oder Aufhebung. Er endet, wo nicht zeitliche Befristung eingreift, sobald sich die Beteiligten mit der getroffenen Entscheidung abfinden oder Umstände hinzutreten, welche nach verwaltungsrechtlichen Grundsätzen ein Zurückkommen darauf verunmöglichen. Entsprechend verlängert sich der die Parteien zivilrechtlich bedingt bindende Schwebezustand, dem der BMB den genehmigungspflichtigen Vertrag in der Periode vom Abschluss bis zur behördlichen Verfügung ohnehin unterwirft. Daraus erwächst für den Verkehr keine unerträgliche Ungewissheit. Sofern die Verweigerung nicht erkennbar hingenommen oder abgelehnt wird, hat jede Partei es in der Hand, die andere durch geeignete Mittel zur Stellungnahme zu drängen.
Ehe also die Nichtgenehmigung im dargelegten Sinne endgültig geworden ist, fällt der Kaufvertrag nicht endgültig weg. Vorliegend hat nun der Kläger auf den ersten Entscheid des Regierungsrates hin staatsrechtliche Beschwerde erhoben und ein Wiedererwägungsgesuch unterbreitet. In Anbetracht dessen blieb der Vertrag bedingt wirksam und war einem neuen Verwaltungsakte zugänglich. Daher lässt sich nicht sagen, der Beklagte habe "die volle Verfügungsfreiheit über sein Grundstück" zurückerlangt. Ob er Einblick in die rechtlichen Zusammenhänge hatte oder nicht, ist unerheblich. Zumindest wusste er um die vom Kläger eingeleiteten Schritte und durfte in guten Treuen nicht annehmen, die Sache sei durch Verweigerung erledigt. Vergleiche mit der vormundschaftlichen Genehmigung gemäss Art. 410 ZGB sind schon deswegen untauglich, weil es sich dort um eine privatrechtliche Ordnung handelt, während das Genehmigungsverfahren nach BMB in den Bereich des öffentlichen Rechts gehört. | de | Landwirtschaftliches Bodenrecht; Art. 42 BMB. Grundsätzliches über die Widerruflichkeit der behördlichen Genehmigung und Nichtgenehmigung eines Grundstückkaufes. Unzuständigkeit des Zivilrichters zur selbständigen Überprüfung der ergangenen Entscheidung.
Wirkung der Genehmigungsverweigerung auf den zivilrechtlichen Bestand des Grundgeschäftes. | de | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-160%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
250 | 80 II 160 | Sachverhalt ab Seite 160
Mit öffentlich beurkundetem Vertrag vom 9. Mai 1951 kaufte Edwin Sollberger von Rudolf Bösiger dessen landwirtschaftliches Heimwesen und verschiedenes Inventar zum Preise von Fr. 90'000.--. Unter sich hatten die Parteien einen Mehrpreis von Fr. 25'000.-- vereinbart, welche Summe Sollberger unmittelbar vor der Beurkundung des Kaufes bei einem Dritten hinterlegte. Bösiger behob sie einige Tage später und ersuchte um die gemäss BRB vom 9. Januar 1940/7. November 1941 über Massnahmen gegen die Bodenspekulation und die Überschuldung sowie zum Schutze der Pächter (BMB) erforderliche behördliche Genehmigung. Diese wurde vom Regierungsrat des Kantons Luzern am 28. Juni 1951 verweigert, nachdem Bösiger selber die Nebenabrede mitgeteilt hatte. Hiegegen reichte Sollberger im September 1951 ein Wiedererwägungsgesuch ein. Der Regierungsrat kam - in Ansehung verschiedener neuer Tatsachen, als welche er u.a. die revidierte Katasterschatzung und die Rückforderung der Nebenleistung wertete - auf seinen früheren Beschluss zurück und erteilte durch Entscheid vom 21. März 1952 die Zustimmung zum Kaufvertrag.
Da Bösiger, auf dessen staatsrechtliche Beschwerde das Bundesgericht nicht eingetreten war, zur Vollziehung des Vertrages nicht Hand bot, belangte ihn Sollberger mit dem Begehren um Zuspruch des Eigentums an der Liegenschaft und Anordnung des Eintrages im Grundbuch. Die Gerichte des Kantons Luzern, das Obergericht mit Urteil vom 10. März 1954, hiessen die Klage gut. Auf Berufung des Beklagten hin bestätigt das Bundesgericht.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Für den gegebenen Fall der Anwendbarkeit des BMB hält die Berufung daran fest, dass der die Genehmigung hinterher gewährende Wiedererwägungsbeschluss des Regierungsrates vom 21. März 1952 keine Wirkung entfaltet habe, weil durch die anfängliche Verweigerung der Genehmigung "der Vertrag definitiv dahingefallen sei".
a) Zugegeben und übrigens unbestreitbar ist, dass die Genehmigung oder Nichtgenehmigung eines Grundstückkaufes nach BMB rechtlich eine Verwaltungsverfügung darstellt. Hiefür kann in einzelnen auf den nicht veröffentlichten BGE vom 16. Juli 1948 i.S. Otth c. Michel und Bern verwiesen werden. Die sich ergebenden Folgerungen hat die Vorinstanz richtig gezogen. Verwaltungsverfügungen geniessen keine materielle Rechtskraft. Sie können abgeändert oder aufgehoben werden, sofern das öffentliche Interesse es erheischt und keine ausdrückliche Gesetzesvorschrift oder Rücksichten auf die Rechtssicherheit es verbieten. Weder der BMB noch, laut vorinstanzlicher Angabe, das luzernische Kantonsrecht enthalten eine Bestimmung, die den Regierungsrat daran gehindert hätte, auf die am 28. Juni 1951 ausgesprochene Nichtgenehmigung des Kaufvertrages zurückzukommen. Die Berufungsbehauptung, Art. 5 Abs. 4 BMB lasse die Wiedererwägung nicht zu, ist schon im genannten BGE vom 16. Juli 1948 widerlegt. Ob die frühere Verfügung abzuändern war oder nicht, hing daher - um weiterhin jenem Präjudiz zu folgen - von der Abwägung zweier sich gegenüberstehenden Gesichtspunkte ab, nämlich "dem Postulat der richtigen Durchführung des objektiven Rechts auf der einen und den Anforderungen der Rechtssicherheit auf der anderen Seite". Diese Würdigung oblag ausschliesslich der nach BMB zuständigen Verwaltungsbehörde. Sie hat am 21. März 1952 in der bekannten Weise entschieden. Der Zivilrichter muss sich daran halten. Eine selbständige Prüfung, sei es in formeller oder in materieller Hinsicht, ist ihm verwehrt (vgl.BGE 75 II 367/8). Somit kann er auch nicht untersuchen, ob die seinerzeitige Genehmigungsverweigerung subjektive Rechte zugunsten des Beklagten begründet habe und deswegen unabänderlich gewesen sei, wie die Berufung anhand der Lehrmeinung FLEINERS (Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, 8. Aufl., S. 201) geltend macht.
b) Dagegen ist die andere Frage, ob nach vorangegangener Nichtgenehmigung des Kaufvertrages dieser anlässlich des regierungsrätlichen Wiedererwägungsbeschlusses überhaupt noch bestanden habe, zivilrechtlicher Natur und darum vom Zivilrichter zu beantworten. Die Berufung befürwortet Verneinung. Sie hält sich dabei an KAUFMANN, Das neue ländliche Bodenrecht der Schweiz S. 170, der die behördliche Vertragsgenehmigung als rechtsgestaltende Verwaltungsverfügung kennzeichnet und anschliessend ausführt:
"Mit der Genehmigung wird ein privates, subjektives Recht auf Übertragung des Eigentums begründet; deshalb ist die Genehmigung grundsätzlich unwiderruflich. Mit der Verweigerung der Genehmigung fällt der Vertrag definitiv dahin. Auf eine Wiedererwägung ist deshalb nur einzutreten, wenn beide Parteien an dem erstmals nicht genehmigten Vertrag festhalten."
Seine Anschauung stützt KAUFMANN auf die oben zitierte Stelle bei FLEINER, auf zwei Entscheidungen des Berner Regierungsrates aus dem Jahre 1943 und auf reichsgerichtliche Urteile.
Indessen ist die schweizerische Praxis andere Wege gegangen. So schützte der Regierungsrat des Kantons Bern am 13. Februar 1948 ein Wiedererwägungsgesuch, mit dem die Aufhebung einer fünf Jahre zuvor erteilten Handänderungs-Genehmigung begehrt wurde, und das Bundesgericht wies die hiegegen gerichtete Willkürbeschwerde durch das mehrfach erwähnte Urteil vom 16. Juli 1948 ab. Anderseits hat schon RGZ S. 142 ff. die Widerruflichkeit wenigstens der Genehmigung zu einer noch nicht vollzogenen Auflassung bejaht. Was derart für die Genehmigung zugestanden ist, die doch einen Anspruch auf Eigentumsübertragung verleiht und damit auf Umgestaltung der Rechtsverhältnisse zielt, muss an sich umso mehr für die Nichtgenehmigung Geltung haben, welche lediglich die bisherige Lage bestätigt. Abweichend verhielte es sich allerdings, wenn wirklich die einmal erklärte Verweigerung zugleich das Grundgeschäft beseitigen würde. Dann aber könnte, angesichts seiner Formbedürftigkeit, ein gemeinsames sowenig wie ein einseitiges Gesuch zur Wiedererwägung verhelfen, sondern es wäre dafür eine nochmalige öffentlich beurkundete Übereinkunft notwendig. Indem KAUFMANN den blossen Festhaltewillen der Parteien als zulängliche Bedingung einer Wiedererwägung erachtet, widerspricht er seiner Auffassung, dass mit der Verweigerung der Genehmigung der Vertrag definitiv dahinfalle. Letztere hält in der Tat nicht stand. Wenn Art. 42 Abs. 1 BMB anordnet, dass ein der Genehmigung unterliegendes Rechtsgeschäft ohne sie nichtig sei, so heisst das nicht, jegliche Genehmigungsverweigerung zeitige zwangsläufig und sofort solche Wirkung. Als Verwaltungsverfügung ergeht die Nichtgenehmigung, ihrem Wesen gemäss und in den erörterten Grenzen, zunächst unter dem Vorbehalt einer künftigen Änderung oder Aufhebung. Er endet, wo nicht zeitliche Befristung eingreift, sobald sich die Beteiligten mit der getroffenen Entscheidung abfinden oder Umstände hinzutreten, welche nach verwaltungsrechtlichen Grundsätzen ein Zurückkommen darauf verunmöglichen. Entsprechend verlängert sich der die Parteien zivilrechtlich bedingt bindende Schwebezustand, dem der BMB den genehmigungspflichtigen Vertrag in der Periode vom Abschluss bis zur behördlichen Verfügung ohnehin unterwirft. Daraus erwächst für den Verkehr keine unerträgliche Ungewissheit. Sofern die Verweigerung nicht erkennbar hingenommen oder abgelehnt wird, hat jede Partei es in der Hand, die andere durch geeignete Mittel zur Stellungnahme zu drängen.
Ehe also die Nichtgenehmigung im dargelegten Sinne endgültig geworden ist, fällt der Kaufvertrag nicht endgültig weg. Vorliegend hat nun der Kläger auf den ersten Entscheid des Regierungsrates hin staatsrechtliche Beschwerde erhoben und ein Wiedererwägungsgesuch unterbreitet. In Anbetracht dessen blieb der Vertrag bedingt wirksam und war einem neuen Verwaltungsakte zugänglich. Daher lässt sich nicht sagen, der Beklagte habe "die volle Verfügungsfreiheit über sein Grundstück" zurückerlangt. Ob er Einblick in die rechtlichen Zusammenhänge hatte oder nicht, ist unerheblich. Zumindest wusste er um die vom Kläger eingeleiteten Schritte und durfte in guten Treuen nicht annehmen, die Sache sei durch Verweigerung erledigt. Vergleiche mit der vormundschaftlichen Genehmigung gemäss Art. 410 ZGB sind schon deswegen untauglich, weil es sich dort um eine privatrechtliche Ordnung handelt, während das Genehmigungsverfahren nach BMB in den Bereich des öffentlichen Rechts gehört. | de | Législation agraire; art. 42 de l'ACF des 19 janvier 1940 /7 novembre 1941 instituant des mesures contre la spéculation sur les terres. Principes relatifs à la révocabilité de la décision par laquelle l'autorité ratifie ou refuse de ratifier une vente d'immeuble. Incompétence du juge civil pour revoir de façon indépendante la décision de l'autorité administrative.
Effet du refus de ratification sur l'existence du contrat en droit civil. | fr | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-160%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
251 | 80 II 160 | Sachverhalt ab Seite 160
Mit öffentlich beurkundetem Vertrag vom 9. Mai 1951 kaufte Edwin Sollberger von Rudolf Bösiger dessen landwirtschaftliches Heimwesen und verschiedenes Inventar zum Preise von Fr. 90'000.--. Unter sich hatten die Parteien einen Mehrpreis von Fr. 25'000.-- vereinbart, welche Summe Sollberger unmittelbar vor der Beurkundung des Kaufes bei einem Dritten hinterlegte. Bösiger behob sie einige Tage später und ersuchte um die gemäss BRB vom 9. Januar 1940/7. November 1941 über Massnahmen gegen die Bodenspekulation und die Überschuldung sowie zum Schutze der Pächter (BMB) erforderliche behördliche Genehmigung. Diese wurde vom Regierungsrat des Kantons Luzern am 28. Juni 1951 verweigert, nachdem Bösiger selber die Nebenabrede mitgeteilt hatte. Hiegegen reichte Sollberger im September 1951 ein Wiedererwägungsgesuch ein. Der Regierungsrat kam - in Ansehung verschiedener neuer Tatsachen, als welche er u.a. die revidierte Katasterschatzung und die Rückforderung der Nebenleistung wertete - auf seinen früheren Beschluss zurück und erteilte durch Entscheid vom 21. März 1952 die Zustimmung zum Kaufvertrag.
Da Bösiger, auf dessen staatsrechtliche Beschwerde das Bundesgericht nicht eingetreten war, zur Vollziehung des Vertrages nicht Hand bot, belangte ihn Sollberger mit dem Begehren um Zuspruch des Eigentums an der Liegenschaft und Anordnung des Eintrages im Grundbuch. Die Gerichte des Kantons Luzern, das Obergericht mit Urteil vom 10. März 1954, hiessen die Klage gut. Auf Berufung des Beklagten hin bestätigt das Bundesgericht.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Für den gegebenen Fall der Anwendbarkeit des BMB hält die Berufung daran fest, dass der die Genehmigung hinterher gewährende Wiedererwägungsbeschluss des Regierungsrates vom 21. März 1952 keine Wirkung entfaltet habe, weil durch die anfängliche Verweigerung der Genehmigung "der Vertrag definitiv dahingefallen sei".
a) Zugegeben und übrigens unbestreitbar ist, dass die Genehmigung oder Nichtgenehmigung eines Grundstückkaufes nach BMB rechtlich eine Verwaltungsverfügung darstellt. Hiefür kann in einzelnen auf den nicht veröffentlichten BGE vom 16. Juli 1948 i.S. Otth c. Michel und Bern verwiesen werden. Die sich ergebenden Folgerungen hat die Vorinstanz richtig gezogen. Verwaltungsverfügungen geniessen keine materielle Rechtskraft. Sie können abgeändert oder aufgehoben werden, sofern das öffentliche Interesse es erheischt und keine ausdrückliche Gesetzesvorschrift oder Rücksichten auf die Rechtssicherheit es verbieten. Weder der BMB noch, laut vorinstanzlicher Angabe, das luzernische Kantonsrecht enthalten eine Bestimmung, die den Regierungsrat daran gehindert hätte, auf die am 28. Juni 1951 ausgesprochene Nichtgenehmigung des Kaufvertrages zurückzukommen. Die Berufungsbehauptung, Art. 5 Abs. 4 BMB lasse die Wiedererwägung nicht zu, ist schon im genannten BGE vom 16. Juli 1948 widerlegt. Ob die frühere Verfügung abzuändern war oder nicht, hing daher - um weiterhin jenem Präjudiz zu folgen - von der Abwägung zweier sich gegenüberstehenden Gesichtspunkte ab, nämlich "dem Postulat der richtigen Durchführung des objektiven Rechts auf der einen und den Anforderungen der Rechtssicherheit auf der anderen Seite". Diese Würdigung oblag ausschliesslich der nach BMB zuständigen Verwaltungsbehörde. Sie hat am 21. März 1952 in der bekannten Weise entschieden. Der Zivilrichter muss sich daran halten. Eine selbständige Prüfung, sei es in formeller oder in materieller Hinsicht, ist ihm verwehrt (vgl.BGE 75 II 367/8). Somit kann er auch nicht untersuchen, ob die seinerzeitige Genehmigungsverweigerung subjektive Rechte zugunsten des Beklagten begründet habe und deswegen unabänderlich gewesen sei, wie die Berufung anhand der Lehrmeinung FLEINERS (Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, 8. Aufl., S. 201) geltend macht.
b) Dagegen ist die andere Frage, ob nach vorangegangener Nichtgenehmigung des Kaufvertrages dieser anlässlich des regierungsrätlichen Wiedererwägungsbeschlusses überhaupt noch bestanden habe, zivilrechtlicher Natur und darum vom Zivilrichter zu beantworten. Die Berufung befürwortet Verneinung. Sie hält sich dabei an KAUFMANN, Das neue ländliche Bodenrecht der Schweiz S. 170, der die behördliche Vertragsgenehmigung als rechtsgestaltende Verwaltungsverfügung kennzeichnet und anschliessend ausführt:
"Mit der Genehmigung wird ein privates, subjektives Recht auf Übertragung des Eigentums begründet; deshalb ist die Genehmigung grundsätzlich unwiderruflich. Mit der Verweigerung der Genehmigung fällt der Vertrag definitiv dahin. Auf eine Wiedererwägung ist deshalb nur einzutreten, wenn beide Parteien an dem erstmals nicht genehmigten Vertrag festhalten."
Seine Anschauung stützt KAUFMANN auf die oben zitierte Stelle bei FLEINER, auf zwei Entscheidungen des Berner Regierungsrates aus dem Jahre 1943 und auf reichsgerichtliche Urteile.
Indessen ist die schweizerische Praxis andere Wege gegangen. So schützte der Regierungsrat des Kantons Bern am 13. Februar 1948 ein Wiedererwägungsgesuch, mit dem die Aufhebung einer fünf Jahre zuvor erteilten Handänderungs-Genehmigung begehrt wurde, und das Bundesgericht wies die hiegegen gerichtete Willkürbeschwerde durch das mehrfach erwähnte Urteil vom 16. Juli 1948 ab. Anderseits hat schon RGZ S. 142 ff. die Widerruflichkeit wenigstens der Genehmigung zu einer noch nicht vollzogenen Auflassung bejaht. Was derart für die Genehmigung zugestanden ist, die doch einen Anspruch auf Eigentumsübertragung verleiht und damit auf Umgestaltung der Rechtsverhältnisse zielt, muss an sich umso mehr für die Nichtgenehmigung Geltung haben, welche lediglich die bisherige Lage bestätigt. Abweichend verhielte es sich allerdings, wenn wirklich die einmal erklärte Verweigerung zugleich das Grundgeschäft beseitigen würde. Dann aber könnte, angesichts seiner Formbedürftigkeit, ein gemeinsames sowenig wie ein einseitiges Gesuch zur Wiedererwägung verhelfen, sondern es wäre dafür eine nochmalige öffentlich beurkundete Übereinkunft notwendig. Indem KAUFMANN den blossen Festhaltewillen der Parteien als zulängliche Bedingung einer Wiedererwägung erachtet, widerspricht er seiner Auffassung, dass mit der Verweigerung der Genehmigung der Vertrag definitiv dahinfalle. Letztere hält in der Tat nicht stand. Wenn Art. 42 Abs. 1 BMB anordnet, dass ein der Genehmigung unterliegendes Rechtsgeschäft ohne sie nichtig sei, so heisst das nicht, jegliche Genehmigungsverweigerung zeitige zwangsläufig und sofort solche Wirkung. Als Verwaltungsverfügung ergeht die Nichtgenehmigung, ihrem Wesen gemäss und in den erörterten Grenzen, zunächst unter dem Vorbehalt einer künftigen Änderung oder Aufhebung. Er endet, wo nicht zeitliche Befristung eingreift, sobald sich die Beteiligten mit der getroffenen Entscheidung abfinden oder Umstände hinzutreten, welche nach verwaltungsrechtlichen Grundsätzen ein Zurückkommen darauf verunmöglichen. Entsprechend verlängert sich der die Parteien zivilrechtlich bedingt bindende Schwebezustand, dem der BMB den genehmigungspflichtigen Vertrag in der Periode vom Abschluss bis zur behördlichen Verfügung ohnehin unterwirft. Daraus erwächst für den Verkehr keine unerträgliche Ungewissheit. Sofern die Verweigerung nicht erkennbar hingenommen oder abgelehnt wird, hat jede Partei es in der Hand, die andere durch geeignete Mittel zur Stellungnahme zu drängen.
Ehe also die Nichtgenehmigung im dargelegten Sinne endgültig geworden ist, fällt der Kaufvertrag nicht endgültig weg. Vorliegend hat nun der Kläger auf den ersten Entscheid des Regierungsrates hin staatsrechtliche Beschwerde erhoben und ein Wiedererwägungsgesuch unterbreitet. In Anbetracht dessen blieb der Vertrag bedingt wirksam und war einem neuen Verwaltungsakte zugänglich. Daher lässt sich nicht sagen, der Beklagte habe "die volle Verfügungsfreiheit über sein Grundstück" zurückerlangt. Ob er Einblick in die rechtlichen Zusammenhänge hatte oder nicht, ist unerheblich. Zumindest wusste er um die vom Kläger eingeleiteten Schritte und durfte in guten Treuen nicht annehmen, die Sache sei durch Verweigerung erledigt. Vergleiche mit der vormundschaftlichen Genehmigung gemäss Art. 410 ZGB sind schon deswegen untauglich, weil es sich dort um eine privatrechtliche Ordnung handelt, während das Genehmigungsverfahren nach BMB in den Bereich des öffentlichen Rechts gehört. | de | Legislazione agraria: art. 42 del DCF 19 gennaio 1940 /7 novembre 1941 che istituisce misure contro le speculazioni fondiarie. Principi relativi alla revocabilità della decisione con la quale l'autorità autorizza o no la vendita di un fondo. Incompetenza del giudice civile di riesaminare in modo indipendente la decisione dell'autorità amministrativa.
Effetti del rifiuto dell'autorizzazione sull'esistenza del contratto in diritto civile. | it | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-160%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
252 | 80 II 165 | Sachverhalt ab Seite 165
A.- Roger Bertholet est propriétaire et directeur d'une école de cours par correspondance, dite Ecole Ber, à Genève.
Par exploit du 28 novembre 1952, il a assigné la Société suisse des commerçants, section de Genève (ci-après SSC), son président René Pidoux et son secrétaire René Lachenal devant la Cour de justice du canton de Genève; il a conclu au paiement par les défendeurs de 100 000 fr. à titre de dommages-intérêts, à une indemnité pour ses frais d'avocat et à la publication du jugement.
A l'appui de ses conclusions, Bertholet exposait que la SSC, qui offre au public des cours du soir, menait une campagne contre les cours par correspondance en général et contre l'Ecole Ber en particulier. La SSC avait dénoncé l'Ecole Ber au Conseil d'Etat; elle avait adressé au Grand Conseil une pétition où elle attaquait violemment Bertholet; elle avait enfin déposé contre lui une plainte pénale pour escroquerie qui s'était terminée par un non-lieu. La SSC aurait déclaré que les cours de l'Ecole Ber étaient établis par du personnel dépourvu de qualification; que cette école acceptait des inscriptions et même des paiements pour des cours qu'elle ne donnait pas. La SSC avait publié ces accusations dans la presse, notamment dans son organe officiel, "L'Employé Genevois". Cette campagne, continuait Bertholet, avait diminué sa clientèle, atteint la réputation de son école et l'aurait lésé lui-même dans son honneur. Il voyait dans ces critiques des actes de concurrence déloyale, dont il entendait obtenir réparation, conformément aux dispositions de la loi fédérale du 30 septembre 1943 (LCD) et à celles des art. 41 et suiv. CO. Il portait son action directement devant la Cour de justice, que l'art. 37 de la loi genevoise d'organisation judiciaire désigne comme juridiction cantonale unique pour les litiges en matière de concurrence déloyale.
B.- Les défendeurs ont conclu à libération des conclusions prises contre eux par Bertholet. Ils ont exposé que leurs cours sont organisés, sous le nom de cours réunis par une commission de l'Union des employés de Banque et de la Société suisse des commerçants. Les cours réunis sont donnés dans des locaux appartenant à l'Etat et par des professeurs agréés par lui. Ils sont subventionnés par les pouvoirs publics. Ils ne procurent aucun bénéfice à la SSC, qui est, pour les défendeurs, une institution d'utilité publique. Dans ces circonstances, concluent les défendeurs, leurs cours ne sont pas une entreprise économique; ils n'entrent donc pas en concurrence avec ceux du demandeur. Par conséquent, les agissements des défendeurs ne tombent pas sous le coup de la loi sur la concurrence déloyale.
C.- Par arrêt du 20 novembre 1953, la Cour de justice a rejeté les conclusions de Bertholet autant qu'elles étaient fondées sur la loi fédérale sur la concurrence déloyale; elle s'est déclarée incompétente pour statuer à leur sujet autant qu'elles étaient fondées sur les art. 41 et suiv. CO.
Cet arrêt considère que la LCD n'est applicable qu'en cas de concurrence d'intérêts lucratifs. Or il ressort de l'instruction de la cause que la SSC est en définitive une société d'utilité publique qui, sans organiser elle même les cours réunis, se borne à faire de la publicité pour ces cours et à recueillir les finances d'inscription. S'il est vrai que l'organisation des cours laisse un petit bénéfice, il reste acquis à la Commission des cours réunis. La SSC n'en retire donc aucun profit. Dans ces circonstances, elle n'entre pas en concurrence avec Bertholet. Le demandeur doit par conséquent être débouté, dans la mesure où il invoque la loi fédérale sur la concurrence déloyale. Pour le surplus soit autant qu'il se fonde sur les art. 41 et suiv. CO, il doit être renvoyé à agir devant le Tribunal de première instance, conformément aux règles ordinaires de compétence.
D.- Bertholet recourt en réforme contre cet arrêt. Il soutient que l'action qu'il a intentée contre la SSC, Pidoux et Lachenal, doit être jugée en application de la LCD. Il conclut par conséquent à ce que l'arrêt attaqué soit réformé dans ce sens que la cause est renvoyée devant la Cour cantonale pour qu'elle statue en application de la dite loi.
Les intimés concluent au rejet du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1. Aux termes de l'art. 1er LCD "est réputé concurrence déloyale au sens de la loi tout abus de la concurrence économique résultant d'une tromperie ou d'un autre procédé contraire aux règles de la bonne foi". En d'autres termes, il ne peut y avoir acte de concurrence déloyale, au sens de la LCD, que sur le terrain de la concurrence économique.
L'art. 2 précise que "celui qui est menacé dans sa clientèle son crédit ou sa réputation professionnelle" peut invoquer le bénéfice de la loi. Parmi les actes de concurrence déloyale énumérés à titre exemplaire à l'art. 1er figure le dénigrement d'autrui, de ses oeuvres, de son activité ou de ses affaires.
Il en résulte que la LCD protège toute activité économique dans quelque domaine que ce soit. Elle s'applique donc aussi bien à celui qui exerce une profession libérale qu'à l'industriel et au commerçant. La LCD institue des règles générales valables pour toutes les activités économiques et non pas des dispositions spéciales, restreintes au commerce, à l'industrie et aux arts et métiers (v. Message du Conseil Fédéral, FF 1942 p. 676-677).
C'est dire que la LCD protège aussi les activités à but lucratif qui s'exercent dans le domaine de l'enseignement. Le Tribunal fédéral a d'ailleurs déjà prononcé que ce domaine est soumis aux mêmes règles que les autres activités économiques et notamment aux dispositions relatives à la concurrence déloyale (RO 50 I 165). Or il est constant que le recourant exerce une activité à but lucratif. Il en résulte qu'il a le droit d'invoquer les dispositions de la LCD.
2. La Société suisse des commerçants, Section de Genève est une association régie par les art. 60 et suiv. CC. Aux termes de l'art. 3 de ses statuts, elle a pour but d'améliorer la situation économique, sociale et juridique des employés et apprentis de commerce, de bureau et d'administration des entreprises publiques et privées; elle organise notamment l'enseignement commercial. La qualité de membre actif de la SSC, Section de Genève, entraîne d'office celle de membre de la Société suisse des commerçants, dite Société centrale. La Société centrale a des buts identiques à ceux de la Section de Genève, en tout cas sur les points qui touchent au présent litige. En fait, la SSC, Section de Genève, organise des cours commerciaux du soir, sous le nom de cours réunis, en collaboration avec l'Union des Employés de banque. Les deux associations ont constitué une commission des cours réunis composée de délégués des deux parties. L'organisation et le travail de cette commission sont précisés dans un document intitulé "Statuts de la Commission des cours réunis".
L'intimée prétend que les cours ne seraient pas organisés par elle, mais par la Commission des cours réunis, qui constituerait une association distincte. Cependant cette Commission n'exprime nulle part dans des statuts la volonté d'être organisée corporativement, qui est une des conditions essentielles posées par la loi pour qu'une association acquière la personnalité juridique (art. 60 al. 1 CC). Au contraire, l'art. 1er de ces pseudo-statuts dispose simplement que "la Commission des Cours réunis est préposée à l'organisation, la direction, l'administration et à la surveillance des cours d'orientation professionnelle et d'instruction générale organisés en commun par l'UEB et par la SSC à Genève". Il en résulte que cette commission n'est pas une personne morale et que la responsabilité des cours incombe à la SSC et à l'UEB personnellement. Il s'agit là d'une simple convention entre ces deux associations.
Les cours réunis ont pour objet l'étude des langues, la correspondance, la comptabilité et, de façon générale, les branches commerciales. Le programme des cours pour l'année 1952-1953 remplit une brochure de 48 pages. Les cours ne sont pas réservés aux membres des deux associations; ils sont ouverts à tous. Les inscriptions sont recueillies par le secrétariat des cours réunis et par la SSC. Il est notoire qu'ils sont annoncés par de la publicité dans les journaux. Pour l'exercice 1951-1952, il a été dépensé 3305 fr. 75 à titre de frais de propagande. Pendant la même période, les élèves ont versé au total 65 208 fr. 70 à titre d'écolages. Le compte de pertes et profits de cet exercice mentionne 82 491 fr. 45 aux recettes et 83 331 fr. 50 aux dépenses, laissant ainsi une perte de 830 fr. 05. Cette perte est supportée par un fonds commun, alimenté par parts égales entre la SSC et l'UEB.
Il est dès lors évident qu'il existe une concurrence entre les cours réunis et l'école exploitée par le recourant. La SSC et le recourant exercent en effet leur activité dans le même domaine et ils s'adressent au même public.
3. Mais la Cour cantonale conteste que la SSC soit soumise à la LCD, parce qu'elle n'exerce pas une activité à but lucratif. L'intimée souligne à ce propos qu'elle organise l'enseignement professionnel imposé aux apprentis par l'art. 28 de la loi fédérale du 26 juin 1930 sur la formation professionnelle (RS t. 4 p. 37 et suiv.). Il s'agit de cours d'associations professionnelles, au sens de l'art. 30 al. 2 de la même loi. Ils préparent aux examens de fin d'apprentissage prévus à l'art. 40 de cette loi.
Ces faits ne sont pas contestés. Mais ils ne sont pas déterminants.
Le fait d'avoir un but idéal n'interdit pas à une association d'exercer une industrie en la forme commerciale. La loi prévoit expressément cette possibilité à l'art. 61 al. 2 CC. Dans ce cas, l'exercice d'une industrie reste pour l'association un moyen d'atteindre son but; il ne tend pas à réaliser un bénéfice, mais il ne l'exclut pas. Il n'en constitue pas moins, en lui-même, une activité à but lucratif, c'est-à-dire une activité économique. Or la LCD régit l'ensemble de la vie économique. Elle vise à assurer le respect des règles de la bonne foi dans la vie des affaires. Il n'y a pas de raison de soustraire à son empire des activités purement économiques par leur nature, sous le prétexte que ceux qui les exercent ne cherchent pas à réaliser un bénéfice mais se proposent un autre but. Le Tribunal fédéral a déjà prononcé que les associations à but idéal qui exercent une activité à but lucratif peuvent invoquer les dispositions de la LCD (RO 75 IV 23). Pour les mêmes motifs, ces associations doivent respecter la bonne foi dans les affaires. Elles sont donc soumises à la LCD, dans la mesure où elles entrent en concurrence économique avec des tiers. En d'autres termes, le simple fait d'exercer une activité économique suffit pour entraîner l'application de la LCD; il importe peu en revanche que cette activité tende essentiellement à réaliser un bénéfice ou qu'elle constitue avant tout le moyen d'atteindre un but idéal. C'est donc à tort que la Cour cantonale a écarté les conclusions du demandeur et recourant pour le motif qu'il ne saurait invoquer les dispositions de la LCD à l'égard des intimés.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral prononce:
Le recours est admis. L'arrêt attaqué est annulé. La cause est renvoyée à la juridiction cantonale pour statuer sur le fond en application de la loi fédérale sur la concurrence déloyale du 30 septembre 1953. | fr | Unlauterer Wettbewerb. Tätigkeit zu Erwerbszwecken. 1. Die Vorschriften des UWG gelten für den gesamten Bereich der wirtschaftlichen Tätigkeit, insbesondere auch für die zu Erwerbszwecken ausgeübte Tätigkeit im Gebiete des Unterrichtswesens (Erw. 1).
2. Die blosse Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit bewirkt die Anwendbarkeit des UWG; unerheblich ist, ob sie vorab auf die Erzielung eines Gewinnes oder auf die Erreichung eines idealen Zweckes gerichtet sei (Erw. 3). | de | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-165%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
253 | 80 II 165 | Sachverhalt ab Seite 165
A.- Roger Bertholet est propriétaire et directeur d'une école de cours par correspondance, dite Ecole Ber, à Genève.
Par exploit du 28 novembre 1952, il a assigné la Société suisse des commerçants, section de Genève (ci-après SSC), son président René Pidoux et son secrétaire René Lachenal devant la Cour de justice du canton de Genève; il a conclu au paiement par les défendeurs de 100 000 fr. à titre de dommages-intérêts, à une indemnité pour ses frais d'avocat et à la publication du jugement.
A l'appui de ses conclusions, Bertholet exposait que la SSC, qui offre au public des cours du soir, menait une campagne contre les cours par correspondance en général et contre l'Ecole Ber en particulier. La SSC avait dénoncé l'Ecole Ber au Conseil d'Etat; elle avait adressé au Grand Conseil une pétition où elle attaquait violemment Bertholet; elle avait enfin déposé contre lui une plainte pénale pour escroquerie qui s'était terminée par un non-lieu. La SSC aurait déclaré que les cours de l'Ecole Ber étaient établis par du personnel dépourvu de qualification; que cette école acceptait des inscriptions et même des paiements pour des cours qu'elle ne donnait pas. La SSC avait publié ces accusations dans la presse, notamment dans son organe officiel, "L'Employé Genevois". Cette campagne, continuait Bertholet, avait diminué sa clientèle, atteint la réputation de son école et l'aurait lésé lui-même dans son honneur. Il voyait dans ces critiques des actes de concurrence déloyale, dont il entendait obtenir réparation, conformément aux dispositions de la loi fédérale du 30 septembre 1943 (LCD) et à celles des art. 41 et suiv. CO. Il portait son action directement devant la Cour de justice, que l'art. 37 de la loi genevoise d'organisation judiciaire désigne comme juridiction cantonale unique pour les litiges en matière de concurrence déloyale.
B.- Les défendeurs ont conclu à libération des conclusions prises contre eux par Bertholet. Ils ont exposé que leurs cours sont organisés, sous le nom de cours réunis par une commission de l'Union des employés de Banque et de la Société suisse des commerçants. Les cours réunis sont donnés dans des locaux appartenant à l'Etat et par des professeurs agréés par lui. Ils sont subventionnés par les pouvoirs publics. Ils ne procurent aucun bénéfice à la SSC, qui est, pour les défendeurs, une institution d'utilité publique. Dans ces circonstances, concluent les défendeurs, leurs cours ne sont pas une entreprise économique; ils n'entrent donc pas en concurrence avec ceux du demandeur. Par conséquent, les agissements des défendeurs ne tombent pas sous le coup de la loi sur la concurrence déloyale.
C.- Par arrêt du 20 novembre 1953, la Cour de justice a rejeté les conclusions de Bertholet autant qu'elles étaient fondées sur la loi fédérale sur la concurrence déloyale; elle s'est déclarée incompétente pour statuer à leur sujet autant qu'elles étaient fondées sur les art. 41 et suiv. CO.
Cet arrêt considère que la LCD n'est applicable qu'en cas de concurrence d'intérêts lucratifs. Or il ressort de l'instruction de la cause que la SSC est en définitive une société d'utilité publique qui, sans organiser elle même les cours réunis, se borne à faire de la publicité pour ces cours et à recueillir les finances d'inscription. S'il est vrai que l'organisation des cours laisse un petit bénéfice, il reste acquis à la Commission des cours réunis. La SSC n'en retire donc aucun profit. Dans ces circonstances, elle n'entre pas en concurrence avec Bertholet. Le demandeur doit par conséquent être débouté, dans la mesure où il invoque la loi fédérale sur la concurrence déloyale. Pour le surplus soit autant qu'il se fonde sur les art. 41 et suiv. CO, il doit être renvoyé à agir devant le Tribunal de première instance, conformément aux règles ordinaires de compétence.
D.- Bertholet recourt en réforme contre cet arrêt. Il soutient que l'action qu'il a intentée contre la SSC, Pidoux et Lachenal, doit être jugée en application de la LCD. Il conclut par conséquent à ce que l'arrêt attaqué soit réformé dans ce sens que la cause est renvoyée devant la Cour cantonale pour qu'elle statue en application de la dite loi.
Les intimés concluent au rejet du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1. Aux termes de l'art. 1er LCD "est réputé concurrence déloyale au sens de la loi tout abus de la concurrence économique résultant d'une tromperie ou d'un autre procédé contraire aux règles de la bonne foi". En d'autres termes, il ne peut y avoir acte de concurrence déloyale, au sens de la LCD, que sur le terrain de la concurrence économique.
L'art. 2 précise que "celui qui est menacé dans sa clientèle son crédit ou sa réputation professionnelle" peut invoquer le bénéfice de la loi. Parmi les actes de concurrence déloyale énumérés à titre exemplaire à l'art. 1er figure le dénigrement d'autrui, de ses oeuvres, de son activité ou de ses affaires.
Il en résulte que la LCD protège toute activité économique dans quelque domaine que ce soit. Elle s'applique donc aussi bien à celui qui exerce une profession libérale qu'à l'industriel et au commerçant. La LCD institue des règles générales valables pour toutes les activités économiques et non pas des dispositions spéciales, restreintes au commerce, à l'industrie et aux arts et métiers (v. Message du Conseil Fédéral, FF 1942 p. 676-677).
C'est dire que la LCD protège aussi les activités à but lucratif qui s'exercent dans le domaine de l'enseignement. Le Tribunal fédéral a d'ailleurs déjà prononcé que ce domaine est soumis aux mêmes règles que les autres activités économiques et notamment aux dispositions relatives à la concurrence déloyale (RO 50 I 165). Or il est constant que le recourant exerce une activité à but lucratif. Il en résulte qu'il a le droit d'invoquer les dispositions de la LCD.
2. La Société suisse des commerçants, Section de Genève est une association régie par les art. 60 et suiv. CC. Aux termes de l'art. 3 de ses statuts, elle a pour but d'améliorer la situation économique, sociale et juridique des employés et apprentis de commerce, de bureau et d'administration des entreprises publiques et privées; elle organise notamment l'enseignement commercial. La qualité de membre actif de la SSC, Section de Genève, entraîne d'office celle de membre de la Société suisse des commerçants, dite Société centrale. La Société centrale a des buts identiques à ceux de la Section de Genève, en tout cas sur les points qui touchent au présent litige. En fait, la SSC, Section de Genève, organise des cours commerciaux du soir, sous le nom de cours réunis, en collaboration avec l'Union des Employés de banque. Les deux associations ont constitué une commission des cours réunis composée de délégués des deux parties. L'organisation et le travail de cette commission sont précisés dans un document intitulé "Statuts de la Commission des cours réunis".
L'intimée prétend que les cours ne seraient pas organisés par elle, mais par la Commission des cours réunis, qui constituerait une association distincte. Cependant cette Commission n'exprime nulle part dans des statuts la volonté d'être organisée corporativement, qui est une des conditions essentielles posées par la loi pour qu'une association acquière la personnalité juridique (art. 60 al. 1 CC). Au contraire, l'art. 1er de ces pseudo-statuts dispose simplement que "la Commission des Cours réunis est préposée à l'organisation, la direction, l'administration et à la surveillance des cours d'orientation professionnelle et d'instruction générale organisés en commun par l'UEB et par la SSC à Genève". Il en résulte que cette commission n'est pas une personne morale et que la responsabilité des cours incombe à la SSC et à l'UEB personnellement. Il s'agit là d'une simple convention entre ces deux associations.
Les cours réunis ont pour objet l'étude des langues, la correspondance, la comptabilité et, de façon générale, les branches commerciales. Le programme des cours pour l'année 1952-1953 remplit une brochure de 48 pages. Les cours ne sont pas réservés aux membres des deux associations; ils sont ouverts à tous. Les inscriptions sont recueillies par le secrétariat des cours réunis et par la SSC. Il est notoire qu'ils sont annoncés par de la publicité dans les journaux. Pour l'exercice 1951-1952, il a été dépensé 3305 fr. 75 à titre de frais de propagande. Pendant la même période, les élèves ont versé au total 65 208 fr. 70 à titre d'écolages. Le compte de pertes et profits de cet exercice mentionne 82 491 fr. 45 aux recettes et 83 331 fr. 50 aux dépenses, laissant ainsi une perte de 830 fr. 05. Cette perte est supportée par un fonds commun, alimenté par parts égales entre la SSC et l'UEB.
Il est dès lors évident qu'il existe une concurrence entre les cours réunis et l'école exploitée par le recourant. La SSC et le recourant exercent en effet leur activité dans le même domaine et ils s'adressent au même public.
3. Mais la Cour cantonale conteste que la SSC soit soumise à la LCD, parce qu'elle n'exerce pas une activité à but lucratif. L'intimée souligne à ce propos qu'elle organise l'enseignement professionnel imposé aux apprentis par l'art. 28 de la loi fédérale du 26 juin 1930 sur la formation professionnelle (RS t. 4 p. 37 et suiv.). Il s'agit de cours d'associations professionnelles, au sens de l'art. 30 al. 2 de la même loi. Ils préparent aux examens de fin d'apprentissage prévus à l'art. 40 de cette loi.
Ces faits ne sont pas contestés. Mais ils ne sont pas déterminants.
Le fait d'avoir un but idéal n'interdit pas à une association d'exercer une industrie en la forme commerciale. La loi prévoit expressément cette possibilité à l'art. 61 al. 2 CC. Dans ce cas, l'exercice d'une industrie reste pour l'association un moyen d'atteindre son but; il ne tend pas à réaliser un bénéfice, mais il ne l'exclut pas. Il n'en constitue pas moins, en lui-même, une activité à but lucratif, c'est-à-dire une activité économique. Or la LCD régit l'ensemble de la vie économique. Elle vise à assurer le respect des règles de la bonne foi dans la vie des affaires. Il n'y a pas de raison de soustraire à son empire des activités purement économiques par leur nature, sous le prétexte que ceux qui les exercent ne cherchent pas à réaliser un bénéfice mais se proposent un autre but. Le Tribunal fédéral a déjà prononcé que les associations à but idéal qui exercent une activité à but lucratif peuvent invoquer les dispositions de la LCD (RO 75 IV 23). Pour les mêmes motifs, ces associations doivent respecter la bonne foi dans les affaires. Elles sont donc soumises à la LCD, dans la mesure où elles entrent en concurrence économique avec des tiers. En d'autres termes, le simple fait d'exercer une activité économique suffit pour entraîner l'application de la LCD; il importe peu en revanche que cette activité tende essentiellement à réaliser un bénéfice ou qu'elle constitue avant tout le moyen d'atteindre un but idéal. C'est donc à tort que la Cour cantonale a écarté les conclusions du demandeur et recourant pour le motif qu'il ne saurait invoquer les dispositions de la LCD à l'égard des intimés.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral prononce:
Le recours est admis. L'arrêt attaqué est annulé. La cause est renvoyée à la juridiction cantonale pour statuer sur le fond en application de la loi fédérale sur la concurrence déloyale du 30 septembre 1953. | fr | Concurrence déloyale. Activité à but lucratif. 1. Les règles de la LCD régissent l'ensemble de l'activité économique; elles régissent notamment les activités à but lucratif dans le domaine de l'enseignement (consid. 1).
2. Le simple fait d'exercer une activité économique suffit pour entraîner l'application de la LCD; il importe peu que cette activité tende essentiellement à réaliser un bénéfice ou qu'elle constitue avant tout le moyen d'atteindre un but idéal (consid. 3). | fr | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-165%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
254 | 80 II 165 | Sachverhalt ab Seite 165
A.- Roger Bertholet est propriétaire et directeur d'une école de cours par correspondance, dite Ecole Ber, à Genève.
Par exploit du 28 novembre 1952, il a assigné la Société suisse des commerçants, section de Genève (ci-après SSC), son président René Pidoux et son secrétaire René Lachenal devant la Cour de justice du canton de Genève; il a conclu au paiement par les défendeurs de 100 000 fr. à titre de dommages-intérêts, à une indemnité pour ses frais d'avocat et à la publication du jugement.
A l'appui de ses conclusions, Bertholet exposait que la SSC, qui offre au public des cours du soir, menait une campagne contre les cours par correspondance en général et contre l'Ecole Ber en particulier. La SSC avait dénoncé l'Ecole Ber au Conseil d'Etat; elle avait adressé au Grand Conseil une pétition où elle attaquait violemment Bertholet; elle avait enfin déposé contre lui une plainte pénale pour escroquerie qui s'était terminée par un non-lieu. La SSC aurait déclaré que les cours de l'Ecole Ber étaient établis par du personnel dépourvu de qualification; que cette école acceptait des inscriptions et même des paiements pour des cours qu'elle ne donnait pas. La SSC avait publié ces accusations dans la presse, notamment dans son organe officiel, "L'Employé Genevois". Cette campagne, continuait Bertholet, avait diminué sa clientèle, atteint la réputation de son école et l'aurait lésé lui-même dans son honneur. Il voyait dans ces critiques des actes de concurrence déloyale, dont il entendait obtenir réparation, conformément aux dispositions de la loi fédérale du 30 septembre 1943 (LCD) et à celles des art. 41 et suiv. CO. Il portait son action directement devant la Cour de justice, que l'art. 37 de la loi genevoise d'organisation judiciaire désigne comme juridiction cantonale unique pour les litiges en matière de concurrence déloyale.
B.- Les défendeurs ont conclu à libération des conclusions prises contre eux par Bertholet. Ils ont exposé que leurs cours sont organisés, sous le nom de cours réunis par une commission de l'Union des employés de Banque et de la Société suisse des commerçants. Les cours réunis sont donnés dans des locaux appartenant à l'Etat et par des professeurs agréés par lui. Ils sont subventionnés par les pouvoirs publics. Ils ne procurent aucun bénéfice à la SSC, qui est, pour les défendeurs, une institution d'utilité publique. Dans ces circonstances, concluent les défendeurs, leurs cours ne sont pas une entreprise économique; ils n'entrent donc pas en concurrence avec ceux du demandeur. Par conséquent, les agissements des défendeurs ne tombent pas sous le coup de la loi sur la concurrence déloyale.
C.- Par arrêt du 20 novembre 1953, la Cour de justice a rejeté les conclusions de Bertholet autant qu'elles étaient fondées sur la loi fédérale sur la concurrence déloyale; elle s'est déclarée incompétente pour statuer à leur sujet autant qu'elles étaient fondées sur les art. 41 et suiv. CO.
Cet arrêt considère que la LCD n'est applicable qu'en cas de concurrence d'intérêts lucratifs. Or il ressort de l'instruction de la cause que la SSC est en définitive une société d'utilité publique qui, sans organiser elle même les cours réunis, se borne à faire de la publicité pour ces cours et à recueillir les finances d'inscription. S'il est vrai que l'organisation des cours laisse un petit bénéfice, il reste acquis à la Commission des cours réunis. La SSC n'en retire donc aucun profit. Dans ces circonstances, elle n'entre pas en concurrence avec Bertholet. Le demandeur doit par conséquent être débouté, dans la mesure où il invoque la loi fédérale sur la concurrence déloyale. Pour le surplus soit autant qu'il se fonde sur les art. 41 et suiv. CO, il doit être renvoyé à agir devant le Tribunal de première instance, conformément aux règles ordinaires de compétence.
D.- Bertholet recourt en réforme contre cet arrêt. Il soutient que l'action qu'il a intentée contre la SSC, Pidoux et Lachenal, doit être jugée en application de la LCD. Il conclut par conséquent à ce que l'arrêt attaqué soit réformé dans ce sens que la cause est renvoyée devant la Cour cantonale pour qu'elle statue en application de la dite loi.
Les intimés concluent au rejet du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1. Aux termes de l'art. 1er LCD "est réputé concurrence déloyale au sens de la loi tout abus de la concurrence économique résultant d'une tromperie ou d'un autre procédé contraire aux règles de la bonne foi". En d'autres termes, il ne peut y avoir acte de concurrence déloyale, au sens de la LCD, que sur le terrain de la concurrence économique.
L'art. 2 précise que "celui qui est menacé dans sa clientèle son crédit ou sa réputation professionnelle" peut invoquer le bénéfice de la loi. Parmi les actes de concurrence déloyale énumérés à titre exemplaire à l'art. 1er figure le dénigrement d'autrui, de ses oeuvres, de son activité ou de ses affaires.
Il en résulte que la LCD protège toute activité économique dans quelque domaine que ce soit. Elle s'applique donc aussi bien à celui qui exerce une profession libérale qu'à l'industriel et au commerçant. La LCD institue des règles générales valables pour toutes les activités économiques et non pas des dispositions spéciales, restreintes au commerce, à l'industrie et aux arts et métiers (v. Message du Conseil Fédéral, FF 1942 p. 676-677).
C'est dire que la LCD protège aussi les activités à but lucratif qui s'exercent dans le domaine de l'enseignement. Le Tribunal fédéral a d'ailleurs déjà prononcé que ce domaine est soumis aux mêmes règles que les autres activités économiques et notamment aux dispositions relatives à la concurrence déloyale (RO 50 I 165). Or il est constant que le recourant exerce une activité à but lucratif. Il en résulte qu'il a le droit d'invoquer les dispositions de la LCD.
2. La Société suisse des commerçants, Section de Genève est une association régie par les art. 60 et suiv. CC. Aux termes de l'art. 3 de ses statuts, elle a pour but d'améliorer la situation économique, sociale et juridique des employés et apprentis de commerce, de bureau et d'administration des entreprises publiques et privées; elle organise notamment l'enseignement commercial. La qualité de membre actif de la SSC, Section de Genève, entraîne d'office celle de membre de la Société suisse des commerçants, dite Société centrale. La Société centrale a des buts identiques à ceux de la Section de Genève, en tout cas sur les points qui touchent au présent litige. En fait, la SSC, Section de Genève, organise des cours commerciaux du soir, sous le nom de cours réunis, en collaboration avec l'Union des Employés de banque. Les deux associations ont constitué une commission des cours réunis composée de délégués des deux parties. L'organisation et le travail de cette commission sont précisés dans un document intitulé "Statuts de la Commission des cours réunis".
L'intimée prétend que les cours ne seraient pas organisés par elle, mais par la Commission des cours réunis, qui constituerait une association distincte. Cependant cette Commission n'exprime nulle part dans des statuts la volonté d'être organisée corporativement, qui est une des conditions essentielles posées par la loi pour qu'une association acquière la personnalité juridique (art. 60 al. 1 CC). Au contraire, l'art. 1er de ces pseudo-statuts dispose simplement que "la Commission des Cours réunis est préposée à l'organisation, la direction, l'administration et à la surveillance des cours d'orientation professionnelle et d'instruction générale organisés en commun par l'UEB et par la SSC à Genève". Il en résulte que cette commission n'est pas une personne morale et que la responsabilité des cours incombe à la SSC et à l'UEB personnellement. Il s'agit là d'une simple convention entre ces deux associations.
Les cours réunis ont pour objet l'étude des langues, la correspondance, la comptabilité et, de façon générale, les branches commerciales. Le programme des cours pour l'année 1952-1953 remplit une brochure de 48 pages. Les cours ne sont pas réservés aux membres des deux associations; ils sont ouverts à tous. Les inscriptions sont recueillies par le secrétariat des cours réunis et par la SSC. Il est notoire qu'ils sont annoncés par de la publicité dans les journaux. Pour l'exercice 1951-1952, il a été dépensé 3305 fr. 75 à titre de frais de propagande. Pendant la même période, les élèves ont versé au total 65 208 fr. 70 à titre d'écolages. Le compte de pertes et profits de cet exercice mentionne 82 491 fr. 45 aux recettes et 83 331 fr. 50 aux dépenses, laissant ainsi une perte de 830 fr. 05. Cette perte est supportée par un fonds commun, alimenté par parts égales entre la SSC et l'UEB.
Il est dès lors évident qu'il existe une concurrence entre les cours réunis et l'école exploitée par le recourant. La SSC et le recourant exercent en effet leur activité dans le même domaine et ils s'adressent au même public.
3. Mais la Cour cantonale conteste que la SSC soit soumise à la LCD, parce qu'elle n'exerce pas une activité à but lucratif. L'intimée souligne à ce propos qu'elle organise l'enseignement professionnel imposé aux apprentis par l'art. 28 de la loi fédérale du 26 juin 1930 sur la formation professionnelle (RS t. 4 p. 37 et suiv.). Il s'agit de cours d'associations professionnelles, au sens de l'art. 30 al. 2 de la même loi. Ils préparent aux examens de fin d'apprentissage prévus à l'art. 40 de cette loi.
Ces faits ne sont pas contestés. Mais ils ne sont pas déterminants.
Le fait d'avoir un but idéal n'interdit pas à une association d'exercer une industrie en la forme commerciale. La loi prévoit expressément cette possibilité à l'art. 61 al. 2 CC. Dans ce cas, l'exercice d'une industrie reste pour l'association un moyen d'atteindre son but; il ne tend pas à réaliser un bénéfice, mais il ne l'exclut pas. Il n'en constitue pas moins, en lui-même, une activité à but lucratif, c'est-à-dire une activité économique. Or la LCD régit l'ensemble de la vie économique. Elle vise à assurer le respect des règles de la bonne foi dans la vie des affaires. Il n'y a pas de raison de soustraire à son empire des activités purement économiques par leur nature, sous le prétexte que ceux qui les exercent ne cherchent pas à réaliser un bénéfice mais se proposent un autre but. Le Tribunal fédéral a déjà prononcé que les associations à but idéal qui exercent une activité à but lucratif peuvent invoquer les dispositions de la LCD (RO 75 IV 23). Pour les mêmes motifs, ces associations doivent respecter la bonne foi dans les affaires. Elles sont donc soumises à la LCD, dans la mesure où elles entrent en concurrence économique avec des tiers. En d'autres termes, le simple fait d'exercer une activité économique suffit pour entraîner l'application de la LCD; il importe peu en revanche que cette activité tende essentiellement à réaliser un bénéfice ou qu'elle constitue avant tout le moyen d'atteindre un but idéal. C'est donc à tort que la Cour cantonale a écarté les conclusions du demandeur et recourant pour le motif qu'il ne saurait invoquer les dispositions de la LCD à l'égard des intimés.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral prononce:
Le recours est admis. L'arrêt attaqué est annulé. La cause est renvoyée à la juridiction cantonale pour statuer sur le fond en application de la loi fédérale sur la concurrence déloyale du 30 septembre 1953. | fr | Concorrenza sleale. Attività lucrativa. 1. Le norme della LCS disciplinano il complesso dell'attività economica, segnatamente le attività lucrative esercitate nel campo dell'insegnamento (consid. 1).
2. Il mero esercizio di un'attività economica basta perchè la LCS sia applicabile; poco importa se quest'attività tenda essenzialmente a realizzare un utile oppure costituisca anzitutto un mezzo per conseguire uno scopo ideale (consid. 3). | it | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-165%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
255 | 80 II 171 | Sachverhalt ab Seite 171
A.- Die Aswag A.-G. und die Ri-Ri A.-G. brachten in den letzten Jahren neben den von ihnen hergestellten bzw. vertriebenen Reissverschlüssen neuartige Verschlüsse in den Handel, die sich von den eigentlichen Reissverschlüssen dadurch unterscheiden, dass der Schieber nicht die Verbindung oder Trennung zweier Zahnketten bewirkt, sondern auf einer einzigen Zahnkette gleitet und durch Hinunterdrücken der Lasche an jeder beliebigen Stelle festgeklemmt werden kann. Diese Verschlüsse dienen vor allem dazu, die Bundweite von Wickeljupes und Hosen verstellbar zu machen.
Für diese Art von Verschlüssen verwendet die Aswag A.-G. die Marke "Clix", die sie 1948 sowohl im schweizerischen wie im internationalen Markenregister für "Reissverschlüsse und deren Bestandteile" hatte eintragen lassen.
Die Ri-Ri A.-G. bezeichnet die von ihr vertriebenen verstellbaren Verschlüsse in Prospekten, Rechnungen usw. mit "riri-Clip" oder "Clip" schlechthin.
B.- Die Aswag A.-G. erblickte in diesem Vorgehen der Ri-Ri A.-G. wegen Verwechselbarkeit der Bezeichnung "Clip" mit ihrer Marke "Clix" eine Verletzung ihrer Markenrechte sowie unlauteren Wettbewerb. Sie erhob daher am 31. Juli 1953 gegen die Ri-Ri A.-G. Klage auf Feststellung, dass die Beklagte mit der Verwendung der Bezeichnung "Clip" ihr Markenrecht verletze und unlauteren Wettbewerb begehe. Ferner verlangte sie ein Verbot weiterer marken- und wettbewerbsmässiger Verwendung der Bezeichnung "Clip" durch die Beklagte, Verurteilung derselben zur Bezahlung von Fr. 2000.-- Schadenersatz und Veröffentlichung des Urteils.
Nach Einleitung des Prozesses, am 6. August 1953, liess die Klägerin das Wort "Clip" als Marke "für Reissverschlüsse und verstellbare Verschlüsse aller Art" unter Nr. 147, 758 im schweizerischen Markenregister eintragen.
Die Beklagte bestritt die Begründetheit der Klage und erhob Widerklage auf Nichtigerklärung und Löschung der Marke "Clip" der Klägerin, weil "Clip" als Sachbezeichnung Gemeingut sei.
C.- Das Handelsgericht Zürich schützte mit Urteil vom 11. Dezember 1953 die wettbewerbsrechtlichen Feststellungs- und Unterlassungsbegehren der Klage in dem Sinne, dass die Verwendung des Wortes "Clip" zur Bezeichnung des ganzen Verschlusses oder unter schlagwortartiger Hervorhebung gegenüber dem weiteren Text einen unlauteren Wettbewerb darstelle und der Beklagten untersagt werde. Die auf Markenrecht gestützten Begehren dagegen wies es mangels markenmässiger Verwendung der Bezeichnung "Clip" durch die Beklagte ab. Abgewiesen wurden schliesslich auch das Schadenersatz- und das Publikationsbegehren der Klägerin.
Die Widerklage der Beklagten auf Nichtigerklärung und Löschung der Marke "Clip" der Klägerin wurde geschützt.
D.- Gegen dieses Urteil erklärten beide Parteien die Berufung.
Die Beklagte beantragt vollumfängliche Abweisung der Klage, die Klägerin Bestätigung des angefochtenen Urteils hinsichtlich der Klage und Abweisung der Widerklage auf Nichtigerklärung ihrer Marke "Clip"; eventuell sei die Widerklage nur in dem Sinne zu schützen, dass die Warenliste durch die Worte "mit Ausnahme von Klammern bzw. Klemmen" eingeschränkt, subeventuell, dass sie auf Reissverschlüsse beschränkt werde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Gegenstand der Hauptklage ist einzig noch die Frage, ob der nicht markenmässige Gebrauch der mit der Marke "Clix" der Klägerin verwechselbaren Bezeichnungen "Clip" und "riri-Clip" durch die Beklagte für die von ihr vertriebenen verstellbaren Verschlüsse einen unlauteren Wettbewerb im Sinne von Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG darstelle.
a) Diese Frage ist, wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, zu verneinen, wenn "Clip" eine Sachbezeichnung, eine Beschaffenheitsangabe darstellt. Denn aus den gleichen Gründen, aus denen ein Geschäftsmann keine Markenschutzrechte zu erlangen vermag an Worten, die zur Bezeichnung einer Ware dienen oder auf ihre Eigenschaften hinweisen (BGE 79 II 102,BGE 70 II 243,BGE 70 I 196,BGE 63 II 426f.), kann er auch unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbsrechts einem Konkurrenten die Verwendung solcher Sachbezeichnungen nicht verwehren. Hier wie dort kann es nicht statthaft sein, dass er eine beschreibende Angabe der genannten Art für sich allein in Anspruch nimmt und sich so gegenüber seinen Konkurrenten einen geschäftlichen Vorsprung verschafft. Solche Sachbezeichnungen müssen als Gemeingut auch im Bereiche des Wettbewerbsrechtes dem allgemeinen Verkehr freigehalten werden, soweit nach dem Sprachgebrauch das Bedürfnis besteht, sie zur Bezeichnung einer Ware zur Verfügung zu haben. Jeder Wettbewerber muss die Möglichkeit haben, im Geschäftsverkehr, insbesondere in der Reklame und der Korrespondenz für die Bezeichnung seiner Ware diejenigen Ausdrücke zu verwenden, die ihre Beschaffenheit, ihre Eigenschaften, ihren Verwendungszweck beschreiben, ohne darin durch die Marke eines Konkurrenten behindert zu sein. Sonst würde diesem auf dem Umweg über das Wettbewerbsrecht ein Schutz gewährt, der durch die Markenrechtsgesetzgebung ausdrücklich ausgeschlossen werden soll. Verwechselbarkeit einer gemeinfreien Sachbezeichnung mit der Marke eines Konkurrenten ändert hieran nichts. Wer eine Marke wählt, die an eine gemeinfreie Sachbezeichnung anklingt und darum ein sog. schwaches Warenzeichen darstellt, hat die Folgen daraus hinzunehmen.
b) Ob ein Ausdruck als Beschaffenheitsangabe im vorstehenden Sinne zu gelten habe, ist gleichfalls nach den von der Rechtsprechung zum Markenrecht entwickelten Grundsätzen zu entscheiden, da die Gleichheit des Zweckes auch Übereinstimmung hinsichtlich des Begriffsinhaltes erheischt. Danach gilt als Beschaffenheitsangabe nicht schon jede entfernte Anspielung, bei der die sachliche Beziehung zur Ware erst unter Zuhilfenahme der Phantasie, auf dem Wege der Ideenverbindung, der Gedankenassoziation erkennbar wird. Vielmehr muss die Bezeichnung in einem so engen Zusammenhang mit der Ware stehen, dass sie unmittelbar auf eine bestimmte Beschaffenheit hinweist.
2. Im vorliegenden Falle hat die Vorinstanz auf Grund des von der Beklagten vorgelegten Beweismaterials (Preislisten, Prospekte, Auskünfte von Warenhäusern usw.) festgestellt, dass auf dem Gebiete der Schreibartikel, der Bijouterie und der Lederwaren die Bezeichnung "Clip" heute in der Schweiz zur Sachbezeichnung für eine bestimmte Art des Verschlusses oder der Befestigung, nämlich für diejenige vermittels einer Klemmvorrichtung, geworden ist. So spricht man allgemein von "Clips" an Füllfederhaltern und Bleistiften und meint damit die Klemmen, mit der diese Gegenstände an der Taschenkante angesteckt werden. "Clip" heisst sodann auch der Halter, der dazu dient, die Kravatte am Hemd festzuklemmen, um ihr Flattern zu verhindern. Die Bezeichnung wird ferner verwendet für Verschlüsse von modischen Damenhandtaschen. Als "Clip" werden aber auch Schmuckstücke bezeichnet, die durch Festklemmen am Ohr, als Brosche an Damenkleidern oder als Agrafen an Damenhüten befestigt werden. In diesen letzteren Fällen gilt, wie die Vorinstanz darlegt, die Bezeichnung also für Gegenstände, bei denen die Klemmvorrichtung nach Grösse und Wert nicht den Hauptbestandteil bildet. Die Klemmvorrichtung, die ursprünglich allein "Clip" hiess, ist zur Bezeichnung des ganzen Gegenstandes geworden, zu dessen Befestigung sie dient.
Hinsichtlich der hier in Frage stehenden Kleiderverschlüsse ist die Vorinstanz dagegen zum Ergebnis gelangt, dass "Clip" sich bis heute noch nicht allgemein als Bezeichnung des ganzen Verschlusses eingelebt habe. Als "Clip" könne allenfalls der einen wesentlichen Bestandteil des Verschlusses bildende Schieber mit der Klemmvorrichtung gelten. Da dieser aber kaum sichtbar sei und darum an Bedeutung gegenüber der einem Reissverschluss ähnlichen Kette zurücktrete, bedürfe es für die Übertragung der Sachbezeichnung "Clip" auf den ganzen Verschluss eines nicht einfachen Denkvorganges unter Zuhilfenahme der Phantasie. Gestützt auf diese Erwägungen hat die Vorinstanz daher das Vorliegen einer Sachbezeichnung abgelehnt und die Verwendung der Bezeichnung "Clip" durch die Beklagte für den ganzen Verschluss als unlautere Wettbewerbshandlung erachtet. Weil der Schieber mit der Klemmvorrichtung für sich allein dem verkehrsüblichen Begriffe des "Clip" entspreche, hat sie es aber immerhin als zulässig erklärt, diesen Ausdruck ohne schlagwortartige Hervorhebung zu rein beschreibender Verwendung im laufenden Text zu gebrauchen.
3. Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Sie beruht auf einer unrichtigen Problemstellung. Entgegen der Meinung der Vorinstanz kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die Bezeichnung "Clip" für die in Frage stehenden Verschlüsse bereits allgemein gebräuchlich sei. Es können vielmehr auch neue, bisher ungebräuchliche Ausdrücke im Gemeingut stehende Beschaffenheitsangaben darstellen, sofern sie nur die Ware in allgemein verständlicher Weise beschreiben. Massgebend ist, ob das betreffende Wort, sobald es im Geschäftsverkehr beim Vertrieb der Ware gebraucht wird, nach dem Sprachgebrauch oder den Regeln der Sprachbildung von den beteiligten Kreisen als Hinweis auf die Beschaffenheit der Ware aufgefasst werden kann (REIMER, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 3. Aufl., S. 38).
Geht man nun davon aus, dass in verschiedenen Geschäftszweigen das Wort "Clip" in der Schweiz zur Sachbezeichnung für Klemmvorrichtungen geworden ist und sogar zur Bezeichnung von ganzen Gegenständen dient, die an Stelle bisher üblicher andersartiger Verschlüsse eine Klemmvorrichtung aufweisen, und zieht man anderseits in Betracht, dass das technisch wesentliche Merkmal, durch das sich die in Frage stehenden verstellbaren Verschlüsse vom bisherigen üblichen Reissverschluss unterscheiden, gerade in der allgemein als "Clip" bezeichneten Klemmvorrichtung besteht, so kann nicht zweifelhaft sein, dass auch bei verstellbaren Verschlüssen die Bezeichnung "Clip" als Sachbezeichnung angesehen werden muss.
Einer besonderen Zuhilfenahme der Phantasie bedarf es entgegen der Meinung der Vorinstanz dazu nicht. Der Kunde, der von einem solchen "Clip"-Verschluss hört, wird auf Grund einer einfachen Überlegung ohne weiteres erkennen, dass es sich bei der so bezeichneten Verschlussart um einen mit einer Klemmvorrichtung ausgestatteten Verschluss handle. Das gilt in besonderem Masse auch für die nach den Ausführungen der Vorinstanz als Abnehmer in erster Linie in Betracht kommenden Kreise der Schneider und Hausfrauen. Diese betrachten den verstellbaren Verschluss als Unterart des Reissverschlusses, da es sich dabei, trotz der sonstigen technischen Verschiedenheit, ebenfalls um einen Verschluss handelt, bei dem ein Schieber auf einer Kette hin und her bewegt wird. Da der verstellbare Verschluss sich vom gewöhnlichen Reissverschluss gerade durch die bei einem solchen nicht vorhandene Klemmvorrichtung zur Arretierung an jeder beliebigen Stelle unterscheidet, liegt für ihn entsprechend dieser Funktion die Sachbezeichnung "Clip" nahe.
Dass die Klemmvorrichtung bei den verstellbaren Verschlüssen kaum sichtbar ist, hat entgegen der Meinung der Vorinstanz keine Bedeutung. Die Bezeichnung "Clip" hat sich im Verkehr auch durchgesetzt für Gegenstände, bei denen, wie namentlich bei Schmuckstücken (Ohr- und Broschenclips), die Klemmvorrichtung nicht nur nach Grösse und Wert nicht den Hauptbestandteil bildet, sondern auch nur noch zum Teil oder sogar überhaupt nicht mehr sichtbar ist.
Ist demnach das Wort "Clip" auch für den in Frage stehenden Verschluss als Sachbezeichnung anzusehen, so bedeutet seine Verwendung durch die Beklagte keinen unlauteren Wettbewerb. Das führt zur Gutheissung der Berufung der Beklagten auf gänzliche Abweisung der Hauptklage.
4. Da nach den Ausführungen zur Hauptklage "Clip" als im Gemeingut stehende Sachbezeichnungen zu gelten hat, erweist sich die Gegenstand der Widerklage bildende Marke "Clip" der Klägerin als nichtig. Die gegen ihre Nichtigerklärung gerichtete Berufung der Klägerin ist daher unbegründet.
Das gilt auch für die von der Klägerin gestellten Eventualbegehren, den Schutzbereich ihrer Marke auf verstellbare Verschlüsse ohne Klammern bzw. Klemmen oder auf gewöhnliche Reissverschlüsse zu beschränken.
Für gewöhnliche Reissverschlüsse und verstellbare Verschlüsse ohne Klemmvorrichtung stellt die Marke "Clip" zwar keine Beschaffenheitsangabe dar. Ihre Zulassung in dem von der Klägerin verlangten Sinne wäre aber zur Täuschung der Käuferschaft geeignet. Denn die Bezeichnung "Clip" würde den Eindruck erwecken, es handle sich bei den so bezeichneten Verschlüssen um solche mit einer Klemmvorrichtung. Marken, die zur Täuschung des Publikums Anlass geben können, sind aber nach ständiger Rechtsprechung unzulässig, da sie im Sinne von Art. 3 Abs. 4 MSchG gegen die guten Sitten verstossen (BGE 69 II 203und dort erwähnte Entscheide).
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- In Gutheissung der Berufung der Beklagten wird das Urteil des Handelsgerichts Zürich vom 11. Dezember 1953 dahin abgeändert, dass die Klage im vollen Umfang abgewiesen wird.
2.- Die Berufung der Klägerin wird abgewiesen und in Bestätigung des angefochtenen Entscheides die von der Klägerin unter Nr. 147'758 hinterlegte Marke "Clip" nichtig erklärt. | de | Unlauterer Wettbewerb, Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG, nicht die Verwendung einer gemeinfreien Sachbezeichnung, selbst wenn diese mit der Marke eines Konkurrenten verwechselbar ist. Begriff der Sachbezeichnung. Markenschutz, MSchG Art. 3. Nichtigkeit täuschender Marken. | de | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-171%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
256 | 80 II 171 | Sachverhalt ab Seite 171
A.- Die Aswag A.-G. und die Ri-Ri A.-G. brachten in den letzten Jahren neben den von ihnen hergestellten bzw. vertriebenen Reissverschlüssen neuartige Verschlüsse in den Handel, die sich von den eigentlichen Reissverschlüssen dadurch unterscheiden, dass der Schieber nicht die Verbindung oder Trennung zweier Zahnketten bewirkt, sondern auf einer einzigen Zahnkette gleitet und durch Hinunterdrücken der Lasche an jeder beliebigen Stelle festgeklemmt werden kann. Diese Verschlüsse dienen vor allem dazu, die Bundweite von Wickeljupes und Hosen verstellbar zu machen.
Für diese Art von Verschlüssen verwendet die Aswag A.-G. die Marke "Clix", die sie 1948 sowohl im schweizerischen wie im internationalen Markenregister für "Reissverschlüsse und deren Bestandteile" hatte eintragen lassen.
Die Ri-Ri A.-G. bezeichnet die von ihr vertriebenen verstellbaren Verschlüsse in Prospekten, Rechnungen usw. mit "riri-Clip" oder "Clip" schlechthin.
B.- Die Aswag A.-G. erblickte in diesem Vorgehen der Ri-Ri A.-G. wegen Verwechselbarkeit der Bezeichnung "Clip" mit ihrer Marke "Clix" eine Verletzung ihrer Markenrechte sowie unlauteren Wettbewerb. Sie erhob daher am 31. Juli 1953 gegen die Ri-Ri A.-G. Klage auf Feststellung, dass die Beklagte mit der Verwendung der Bezeichnung "Clip" ihr Markenrecht verletze und unlauteren Wettbewerb begehe. Ferner verlangte sie ein Verbot weiterer marken- und wettbewerbsmässiger Verwendung der Bezeichnung "Clip" durch die Beklagte, Verurteilung derselben zur Bezahlung von Fr. 2000.-- Schadenersatz und Veröffentlichung des Urteils.
Nach Einleitung des Prozesses, am 6. August 1953, liess die Klägerin das Wort "Clip" als Marke "für Reissverschlüsse und verstellbare Verschlüsse aller Art" unter Nr. 147, 758 im schweizerischen Markenregister eintragen.
Die Beklagte bestritt die Begründetheit der Klage und erhob Widerklage auf Nichtigerklärung und Löschung der Marke "Clip" der Klägerin, weil "Clip" als Sachbezeichnung Gemeingut sei.
C.- Das Handelsgericht Zürich schützte mit Urteil vom 11. Dezember 1953 die wettbewerbsrechtlichen Feststellungs- und Unterlassungsbegehren der Klage in dem Sinne, dass die Verwendung des Wortes "Clip" zur Bezeichnung des ganzen Verschlusses oder unter schlagwortartiger Hervorhebung gegenüber dem weiteren Text einen unlauteren Wettbewerb darstelle und der Beklagten untersagt werde. Die auf Markenrecht gestützten Begehren dagegen wies es mangels markenmässiger Verwendung der Bezeichnung "Clip" durch die Beklagte ab. Abgewiesen wurden schliesslich auch das Schadenersatz- und das Publikationsbegehren der Klägerin.
Die Widerklage der Beklagten auf Nichtigerklärung und Löschung der Marke "Clip" der Klägerin wurde geschützt.
D.- Gegen dieses Urteil erklärten beide Parteien die Berufung.
Die Beklagte beantragt vollumfängliche Abweisung der Klage, die Klägerin Bestätigung des angefochtenen Urteils hinsichtlich der Klage und Abweisung der Widerklage auf Nichtigerklärung ihrer Marke "Clip"; eventuell sei die Widerklage nur in dem Sinne zu schützen, dass die Warenliste durch die Worte "mit Ausnahme von Klammern bzw. Klemmen" eingeschränkt, subeventuell, dass sie auf Reissverschlüsse beschränkt werde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Gegenstand der Hauptklage ist einzig noch die Frage, ob der nicht markenmässige Gebrauch der mit der Marke "Clix" der Klägerin verwechselbaren Bezeichnungen "Clip" und "riri-Clip" durch die Beklagte für die von ihr vertriebenen verstellbaren Verschlüsse einen unlauteren Wettbewerb im Sinne von Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG darstelle.
a) Diese Frage ist, wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, zu verneinen, wenn "Clip" eine Sachbezeichnung, eine Beschaffenheitsangabe darstellt. Denn aus den gleichen Gründen, aus denen ein Geschäftsmann keine Markenschutzrechte zu erlangen vermag an Worten, die zur Bezeichnung einer Ware dienen oder auf ihre Eigenschaften hinweisen (BGE 79 II 102,BGE 70 II 243,BGE 70 I 196,BGE 63 II 426f.), kann er auch unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbsrechts einem Konkurrenten die Verwendung solcher Sachbezeichnungen nicht verwehren. Hier wie dort kann es nicht statthaft sein, dass er eine beschreibende Angabe der genannten Art für sich allein in Anspruch nimmt und sich so gegenüber seinen Konkurrenten einen geschäftlichen Vorsprung verschafft. Solche Sachbezeichnungen müssen als Gemeingut auch im Bereiche des Wettbewerbsrechtes dem allgemeinen Verkehr freigehalten werden, soweit nach dem Sprachgebrauch das Bedürfnis besteht, sie zur Bezeichnung einer Ware zur Verfügung zu haben. Jeder Wettbewerber muss die Möglichkeit haben, im Geschäftsverkehr, insbesondere in der Reklame und der Korrespondenz für die Bezeichnung seiner Ware diejenigen Ausdrücke zu verwenden, die ihre Beschaffenheit, ihre Eigenschaften, ihren Verwendungszweck beschreiben, ohne darin durch die Marke eines Konkurrenten behindert zu sein. Sonst würde diesem auf dem Umweg über das Wettbewerbsrecht ein Schutz gewährt, der durch die Markenrechtsgesetzgebung ausdrücklich ausgeschlossen werden soll. Verwechselbarkeit einer gemeinfreien Sachbezeichnung mit der Marke eines Konkurrenten ändert hieran nichts. Wer eine Marke wählt, die an eine gemeinfreie Sachbezeichnung anklingt und darum ein sog. schwaches Warenzeichen darstellt, hat die Folgen daraus hinzunehmen.
b) Ob ein Ausdruck als Beschaffenheitsangabe im vorstehenden Sinne zu gelten habe, ist gleichfalls nach den von der Rechtsprechung zum Markenrecht entwickelten Grundsätzen zu entscheiden, da die Gleichheit des Zweckes auch Übereinstimmung hinsichtlich des Begriffsinhaltes erheischt. Danach gilt als Beschaffenheitsangabe nicht schon jede entfernte Anspielung, bei der die sachliche Beziehung zur Ware erst unter Zuhilfenahme der Phantasie, auf dem Wege der Ideenverbindung, der Gedankenassoziation erkennbar wird. Vielmehr muss die Bezeichnung in einem so engen Zusammenhang mit der Ware stehen, dass sie unmittelbar auf eine bestimmte Beschaffenheit hinweist.
2. Im vorliegenden Falle hat die Vorinstanz auf Grund des von der Beklagten vorgelegten Beweismaterials (Preislisten, Prospekte, Auskünfte von Warenhäusern usw.) festgestellt, dass auf dem Gebiete der Schreibartikel, der Bijouterie und der Lederwaren die Bezeichnung "Clip" heute in der Schweiz zur Sachbezeichnung für eine bestimmte Art des Verschlusses oder der Befestigung, nämlich für diejenige vermittels einer Klemmvorrichtung, geworden ist. So spricht man allgemein von "Clips" an Füllfederhaltern und Bleistiften und meint damit die Klemmen, mit der diese Gegenstände an der Taschenkante angesteckt werden. "Clip" heisst sodann auch der Halter, der dazu dient, die Kravatte am Hemd festzuklemmen, um ihr Flattern zu verhindern. Die Bezeichnung wird ferner verwendet für Verschlüsse von modischen Damenhandtaschen. Als "Clip" werden aber auch Schmuckstücke bezeichnet, die durch Festklemmen am Ohr, als Brosche an Damenkleidern oder als Agrafen an Damenhüten befestigt werden. In diesen letzteren Fällen gilt, wie die Vorinstanz darlegt, die Bezeichnung also für Gegenstände, bei denen die Klemmvorrichtung nach Grösse und Wert nicht den Hauptbestandteil bildet. Die Klemmvorrichtung, die ursprünglich allein "Clip" hiess, ist zur Bezeichnung des ganzen Gegenstandes geworden, zu dessen Befestigung sie dient.
Hinsichtlich der hier in Frage stehenden Kleiderverschlüsse ist die Vorinstanz dagegen zum Ergebnis gelangt, dass "Clip" sich bis heute noch nicht allgemein als Bezeichnung des ganzen Verschlusses eingelebt habe. Als "Clip" könne allenfalls der einen wesentlichen Bestandteil des Verschlusses bildende Schieber mit der Klemmvorrichtung gelten. Da dieser aber kaum sichtbar sei und darum an Bedeutung gegenüber der einem Reissverschluss ähnlichen Kette zurücktrete, bedürfe es für die Übertragung der Sachbezeichnung "Clip" auf den ganzen Verschluss eines nicht einfachen Denkvorganges unter Zuhilfenahme der Phantasie. Gestützt auf diese Erwägungen hat die Vorinstanz daher das Vorliegen einer Sachbezeichnung abgelehnt und die Verwendung der Bezeichnung "Clip" durch die Beklagte für den ganzen Verschluss als unlautere Wettbewerbshandlung erachtet. Weil der Schieber mit der Klemmvorrichtung für sich allein dem verkehrsüblichen Begriffe des "Clip" entspreche, hat sie es aber immerhin als zulässig erklärt, diesen Ausdruck ohne schlagwortartige Hervorhebung zu rein beschreibender Verwendung im laufenden Text zu gebrauchen.
3. Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Sie beruht auf einer unrichtigen Problemstellung. Entgegen der Meinung der Vorinstanz kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die Bezeichnung "Clip" für die in Frage stehenden Verschlüsse bereits allgemein gebräuchlich sei. Es können vielmehr auch neue, bisher ungebräuchliche Ausdrücke im Gemeingut stehende Beschaffenheitsangaben darstellen, sofern sie nur die Ware in allgemein verständlicher Weise beschreiben. Massgebend ist, ob das betreffende Wort, sobald es im Geschäftsverkehr beim Vertrieb der Ware gebraucht wird, nach dem Sprachgebrauch oder den Regeln der Sprachbildung von den beteiligten Kreisen als Hinweis auf die Beschaffenheit der Ware aufgefasst werden kann (REIMER, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 3. Aufl., S. 38).
Geht man nun davon aus, dass in verschiedenen Geschäftszweigen das Wort "Clip" in der Schweiz zur Sachbezeichnung für Klemmvorrichtungen geworden ist und sogar zur Bezeichnung von ganzen Gegenständen dient, die an Stelle bisher üblicher andersartiger Verschlüsse eine Klemmvorrichtung aufweisen, und zieht man anderseits in Betracht, dass das technisch wesentliche Merkmal, durch das sich die in Frage stehenden verstellbaren Verschlüsse vom bisherigen üblichen Reissverschluss unterscheiden, gerade in der allgemein als "Clip" bezeichneten Klemmvorrichtung besteht, so kann nicht zweifelhaft sein, dass auch bei verstellbaren Verschlüssen die Bezeichnung "Clip" als Sachbezeichnung angesehen werden muss.
Einer besonderen Zuhilfenahme der Phantasie bedarf es entgegen der Meinung der Vorinstanz dazu nicht. Der Kunde, der von einem solchen "Clip"-Verschluss hört, wird auf Grund einer einfachen Überlegung ohne weiteres erkennen, dass es sich bei der so bezeichneten Verschlussart um einen mit einer Klemmvorrichtung ausgestatteten Verschluss handle. Das gilt in besonderem Masse auch für die nach den Ausführungen der Vorinstanz als Abnehmer in erster Linie in Betracht kommenden Kreise der Schneider und Hausfrauen. Diese betrachten den verstellbaren Verschluss als Unterart des Reissverschlusses, da es sich dabei, trotz der sonstigen technischen Verschiedenheit, ebenfalls um einen Verschluss handelt, bei dem ein Schieber auf einer Kette hin und her bewegt wird. Da der verstellbare Verschluss sich vom gewöhnlichen Reissverschluss gerade durch die bei einem solchen nicht vorhandene Klemmvorrichtung zur Arretierung an jeder beliebigen Stelle unterscheidet, liegt für ihn entsprechend dieser Funktion die Sachbezeichnung "Clip" nahe.
Dass die Klemmvorrichtung bei den verstellbaren Verschlüssen kaum sichtbar ist, hat entgegen der Meinung der Vorinstanz keine Bedeutung. Die Bezeichnung "Clip" hat sich im Verkehr auch durchgesetzt für Gegenstände, bei denen, wie namentlich bei Schmuckstücken (Ohr- und Broschenclips), die Klemmvorrichtung nicht nur nach Grösse und Wert nicht den Hauptbestandteil bildet, sondern auch nur noch zum Teil oder sogar überhaupt nicht mehr sichtbar ist.
Ist demnach das Wort "Clip" auch für den in Frage stehenden Verschluss als Sachbezeichnung anzusehen, so bedeutet seine Verwendung durch die Beklagte keinen unlauteren Wettbewerb. Das führt zur Gutheissung der Berufung der Beklagten auf gänzliche Abweisung der Hauptklage.
4. Da nach den Ausführungen zur Hauptklage "Clip" als im Gemeingut stehende Sachbezeichnungen zu gelten hat, erweist sich die Gegenstand der Widerklage bildende Marke "Clip" der Klägerin als nichtig. Die gegen ihre Nichtigerklärung gerichtete Berufung der Klägerin ist daher unbegründet.
Das gilt auch für die von der Klägerin gestellten Eventualbegehren, den Schutzbereich ihrer Marke auf verstellbare Verschlüsse ohne Klammern bzw. Klemmen oder auf gewöhnliche Reissverschlüsse zu beschränken.
Für gewöhnliche Reissverschlüsse und verstellbare Verschlüsse ohne Klemmvorrichtung stellt die Marke "Clip" zwar keine Beschaffenheitsangabe dar. Ihre Zulassung in dem von der Klägerin verlangten Sinne wäre aber zur Täuschung der Käuferschaft geeignet. Denn die Bezeichnung "Clip" würde den Eindruck erwecken, es handle sich bei den so bezeichneten Verschlüssen um solche mit einer Klemmvorrichtung. Marken, die zur Täuschung des Publikums Anlass geben können, sind aber nach ständiger Rechtsprechung unzulässig, da sie im Sinne von Art. 3 Abs. 4 MSchG gegen die guten Sitten verstossen (BGE 69 II 203und dort erwähnte Entscheide).
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- In Gutheissung der Berufung der Beklagten wird das Urteil des Handelsgerichts Zürich vom 11. Dezember 1953 dahin abgeändert, dass die Klage im vollen Umfang abgewiesen wird.
2.- Die Berufung der Klägerin wird abgewiesen und in Bestätigung des angefochtenen Entscheides die von der Klägerin unter Nr. 147'758 hinterlegte Marke "Clip" nichtig erklärt. | de | Concurrence déloyale, art. 1er al. 2 litt. d LCD. L'emploi d'une désignation générique tombée dans le domaine public ne constitue pas un acte de concurrence déloyale, même si elle peut être confondue avec la marque d'un concurrent. Notion de la désignation générique. Protection des marques de fabrique. art. 3 LMF. Nullité des marques trompeuses. | fr | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-171%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
257 | 80 II 171 | Sachverhalt ab Seite 171
A.- Die Aswag A.-G. und die Ri-Ri A.-G. brachten in den letzten Jahren neben den von ihnen hergestellten bzw. vertriebenen Reissverschlüssen neuartige Verschlüsse in den Handel, die sich von den eigentlichen Reissverschlüssen dadurch unterscheiden, dass der Schieber nicht die Verbindung oder Trennung zweier Zahnketten bewirkt, sondern auf einer einzigen Zahnkette gleitet und durch Hinunterdrücken der Lasche an jeder beliebigen Stelle festgeklemmt werden kann. Diese Verschlüsse dienen vor allem dazu, die Bundweite von Wickeljupes und Hosen verstellbar zu machen.
Für diese Art von Verschlüssen verwendet die Aswag A.-G. die Marke "Clix", die sie 1948 sowohl im schweizerischen wie im internationalen Markenregister für "Reissverschlüsse und deren Bestandteile" hatte eintragen lassen.
Die Ri-Ri A.-G. bezeichnet die von ihr vertriebenen verstellbaren Verschlüsse in Prospekten, Rechnungen usw. mit "riri-Clip" oder "Clip" schlechthin.
B.- Die Aswag A.-G. erblickte in diesem Vorgehen der Ri-Ri A.-G. wegen Verwechselbarkeit der Bezeichnung "Clip" mit ihrer Marke "Clix" eine Verletzung ihrer Markenrechte sowie unlauteren Wettbewerb. Sie erhob daher am 31. Juli 1953 gegen die Ri-Ri A.-G. Klage auf Feststellung, dass die Beklagte mit der Verwendung der Bezeichnung "Clip" ihr Markenrecht verletze und unlauteren Wettbewerb begehe. Ferner verlangte sie ein Verbot weiterer marken- und wettbewerbsmässiger Verwendung der Bezeichnung "Clip" durch die Beklagte, Verurteilung derselben zur Bezahlung von Fr. 2000.-- Schadenersatz und Veröffentlichung des Urteils.
Nach Einleitung des Prozesses, am 6. August 1953, liess die Klägerin das Wort "Clip" als Marke "für Reissverschlüsse und verstellbare Verschlüsse aller Art" unter Nr. 147, 758 im schweizerischen Markenregister eintragen.
Die Beklagte bestritt die Begründetheit der Klage und erhob Widerklage auf Nichtigerklärung und Löschung der Marke "Clip" der Klägerin, weil "Clip" als Sachbezeichnung Gemeingut sei.
C.- Das Handelsgericht Zürich schützte mit Urteil vom 11. Dezember 1953 die wettbewerbsrechtlichen Feststellungs- und Unterlassungsbegehren der Klage in dem Sinne, dass die Verwendung des Wortes "Clip" zur Bezeichnung des ganzen Verschlusses oder unter schlagwortartiger Hervorhebung gegenüber dem weiteren Text einen unlauteren Wettbewerb darstelle und der Beklagten untersagt werde. Die auf Markenrecht gestützten Begehren dagegen wies es mangels markenmässiger Verwendung der Bezeichnung "Clip" durch die Beklagte ab. Abgewiesen wurden schliesslich auch das Schadenersatz- und das Publikationsbegehren der Klägerin.
Die Widerklage der Beklagten auf Nichtigerklärung und Löschung der Marke "Clip" der Klägerin wurde geschützt.
D.- Gegen dieses Urteil erklärten beide Parteien die Berufung.
Die Beklagte beantragt vollumfängliche Abweisung der Klage, die Klägerin Bestätigung des angefochtenen Urteils hinsichtlich der Klage und Abweisung der Widerklage auf Nichtigerklärung ihrer Marke "Clip"; eventuell sei die Widerklage nur in dem Sinne zu schützen, dass die Warenliste durch die Worte "mit Ausnahme von Klammern bzw. Klemmen" eingeschränkt, subeventuell, dass sie auf Reissverschlüsse beschränkt werde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Gegenstand der Hauptklage ist einzig noch die Frage, ob der nicht markenmässige Gebrauch der mit der Marke "Clix" der Klägerin verwechselbaren Bezeichnungen "Clip" und "riri-Clip" durch die Beklagte für die von ihr vertriebenen verstellbaren Verschlüsse einen unlauteren Wettbewerb im Sinne von Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG darstelle.
a) Diese Frage ist, wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, zu verneinen, wenn "Clip" eine Sachbezeichnung, eine Beschaffenheitsangabe darstellt. Denn aus den gleichen Gründen, aus denen ein Geschäftsmann keine Markenschutzrechte zu erlangen vermag an Worten, die zur Bezeichnung einer Ware dienen oder auf ihre Eigenschaften hinweisen (BGE 79 II 102,BGE 70 II 243,BGE 70 I 196,BGE 63 II 426f.), kann er auch unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbsrechts einem Konkurrenten die Verwendung solcher Sachbezeichnungen nicht verwehren. Hier wie dort kann es nicht statthaft sein, dass er eine beschreibende Angabe der genannten Art für sich allein in Anspruch nimmt und sich so gegenüber seinen Konkurrenten einen geschäftlichen Vorsprung verschafft. Solche Sachbezeichnungen müssen als Gemeingut auch im Bereiche des Wettbewerbsrechtes dem allgemeinen Verkehr freigehalten werden, soweit nach dem Sprachgebrauch das Bedürfnis besteht, sie zur Bezeichnung einer Ware zur Verfügung zu haben. Jeder Wettbewerber muss die Möglichkeit haben, im Geschäftsverkehr, insbesondere in der Reklame und der Korrespondenz für die Bezeichnung seiner Ware diejenigen Ausdrücke zu verwenden, die ihre Beschaffenheit, ihre Eigenschaften, ihren Verwendungszweck beschreiben, ohne darin durch die Marke eines Konkurrenten behindert zu sein. Sonst würde diesem auf dem Umweg über das Wettbewerbsrecht ein Schutz gewährt, der durch die Markenrechtsgesetzgebung ausdrücklich ausgeschlossen werden soll. Verwechselbarkeit einer gemeinfreien Sachbezeichnung mit der Marke eines Konkurrenten ändert hieran nichts. Wer eine Marke wählt, die an eine gemeinfreie Sachbezeichnung anklingt und darum ein sog. schwaches Warenzeichen darstellt, hat die Folgen daraus hinzunehmen.
b) Ob ein Ausdruck als Beschaffenheitsangabe im vorstehenden Sinne zu gelten habe, ist gleichfalls nach den von der Rechtsprechung zum Markenrecht entwickelten Grundsätzen zu entscheiden, da die Gleichheit des Zweckes auch Übereinstimmung hinsichtlich des Begriffsinhaltes erheischt. Danach gilt als Beschaffenheitsangabe nicht schon jede entfernte Anspielung, bei der die sachliche Beziehung zur Ware erst unter Zuhilfenahme der Phantasie, auf dem Wege der Ideenverbindung, der Gedankenassoziation erkennbar wird. Vielmehr muss die Bezeichnung in einem so engen Zusammenhang mit der Ware stehen, dass sie unmittelbar auf eine bestimmte Beschaffenheit hinweist.
2. Im vorliegenden Falle hat die Vorinstanz auf Grund des von der Beklagten vorgelegten Beweismaterials (Preislisten, Prospekte, Auskünfte von Warenhäusern usw.) festgestellt, dass auf dem Gebiete der Schreibartikel, der Bijouterie und der Lederwaren die Bezeichnung "Clip" heute in der Schweiz zur Sachbezeichnung für eine bestimmte Art des Verschlusses oder der Befestigung, nämlich für diejenige vermittels einer Klemmvorrichtung, geworden ist. So spricht man allgemein von "Clips" an Füllfederhaltern und Bleistiften und meint damit die Klemmen, mit der diese Gegenstände an der Taschenkante angesteckt werden. "Clip" heisst sodann auch der Halter, der dazu dient, die Kravatte am Hemd festzuklemmen, um ihr Flattern zu verhindern. Die Bezeichnung wird ferner verwendet für Verschlüsse von modischen Damenhandtaschen. Als "Clip" werden aber auch Schmuckstücke bezeichnet, die durch Festklemmen am Ohr, als Brosche an Damenkleidern oder als Agrafen an Damenhüten befestigt werden. In diesen letzteren Fällen gilt, wie die Vorinstanz darlegt, die Bezeichnung also für Gegenstände, bei denen die Klemmvorrichtung nach Grösse und Wert nicht den Hauptbestandteil bildet. Die Klemmvorrichtung, die ursprünglich allein "Clip" hiess, ist zur Bezeichnung des ganzen Gegenstandes geworden, zu dessen Befestigung sie dient.
Hinsichtlich der hier in Frage stehenden Kleiderverschlüsse ist die Vorinstanz dagegen zum Ergebnis gelangt, dass "Clip" sich bis heute noch nicht allgemein als Bezeichnung des ganzen Verschlusses eingelebt habe. Als "Clip" könne allenfalls der einen wesentlichen Bestandteil des Verschlusses bildende Schieber mit der Klemmvorrichtung gelten. Da dieser aber kaum sichtbar sei und darum an Bedeutung gegenüber der einem Reissverschluss ähnlichen Kette zurücktrete, bedürfe es für die Übertragung der Sachbezeichnung "Clip" auf den ganzen Verschluss eines nicht einfachen Denkvorganges unter Zuhilfenahme der Phantasie. Gestützt auf diese Erwägungen hat die Vorinstanz daher das Vorliegen einer Sachbezeichnung abgelehnt und die Verwendung der Bezeichnung "Clip" durch die Beklagte für den ganzen Verschluss als unlautere Wettbewerbshandlung erachtet. Weil der Schieber mit der Klemmvorrichtung für sich allein dem verkehrsüblichen Begriffe des "Clip" entspreche, hat sie es aber immerhin als zulässig erklärt, diesen Ausdruck ohne schlagwortartige Hervorhebung zu rein beschreibender Verwendung im laufenden Text zu gebrauchen.
3. Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Sie beruht auf einer unrichtigen Problemstellung. Entgegen der Meinung der Vorinstanz kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die Bezeichnung "Clip" für die in Frage stehenden Verschlüsse bereits allgemein gebräuchlich sei. Es können vielmehr auch neue, bisher ungebräuchliche Ausdrücke im Gemeingut stehende Beschaffenheitsangaben darstellen, sofern sie nur die Ware in allgemein verständlicher Weise beschreiben. Massgebend ist, ob das betreffende Wort, sobald es im Geschäftsverkehr beim Vertrieb der Ware gebraucht wird, nach dem Sprachgebrauch oder den Regeln der Sprachbildung von den beteiligten Kreisen als Hinweis auf die Beschaffenheit der Ware aufgefasst werden kann (REIMER, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 3. Aufl., S. 38).
Geht man nun davon aus, dass in verschiedenen Geschäftszweigen das Wort "Clip" in der Schweiz zur Sachbezeichnung für Klemmvorrichtungen geworden ist und sogar zur Bezeichnung von ganzen Gegenständen dient, die an Stelle bisher üblicher andersartiger Verschlüsse eine Klemmvorrichtung aufweisen, und zieht man anderseits in Betracht, dass das technisch wesentliche Merkmal, durch das sich die in Frage stehenden verstellbaren Verschlüsse vom bisherigen üblichen Reissverschluss unterscheiden, gerade in der allgemein als "Clip" bezeichneten Klemmvorrichtung besteht, so kann nicht zweifelhaft sein, dass auch bei verstellbaren Verschlüssen die Bezeichnung "Clip" als Sachbezeichnung angesehen werden muss.
Einer besonderen Zuhilfenahme der Phantasie bedarf es entgegen der Meinung der Vorinstanz dazu nicht. Der Kunde, der von einem solchen "Clip"-Verschluss hört, wird auf Grund einer einfachen Überlegung ohne weiteres erkennen, dass es sich bei der so bezeichneten Verschlussart um einen mit einer Klemmvorrichtung ausgestatteten Verschluss handle. Das gilt in besonderem Masse auch für die nach den Ausführungen der Vorinstanz als Abnehmer in erster Linie in Betracht kommenden Kreise der Schneider und Hausfrauen. Diese betrachten den verstellbaren Verschluss als Unterart des Reissverschlusses, da es sich dabei, trotz der sonstigen technischen Verschiedenheit, ebenfalls um einen Verschluss handelt, bei dem ein Schieber auf einer Kette hin und her bewegt wird. Da der verstellbare Verschluss sich vom gewöhnlichen Reissverschluss gerade durch die bei einem solchen nicht vorhandene Klemmvorrichtung zur Arretierung an jeder beliebigen Stelle unterscheidet, liegt für ihn entsprechend dieser Funktion die Sachbezeichnung "Clip" nahe.
Dass die Klemmvorrichtung bei den verstellbaren Verschlüssen kaum sichtbar ist, hat entgegen der Meinung der Vorinstanz keine Bedeutung. Die Bezeichnung "Clip" hat sich im Verkehr auch durchgesetzt für Gegenstände, bei denen, wie namentlich bei Schmuckstücken (Ohr- und Broschenclips), die Klemmvorrichtung nicht nur nach Grösse und Wert nicht den Hauptbestandteil bildet, sondern auch nur noch zum Teil oder sogar überhaupt nicht mehr sichtbar ist.
Ist demnach das Wort "Clip" auch für den in Frage stehenden Verschluss als Sachbezeichnung anzusehen, so bedeutet seine Verwendung durch die Beklagte keinen unlauteren Wettbewerb. Das führt zur Gutheissung der Berufung der Beklagten auf gänzliche Abweisung der Hauptklage.
4. Da nach den Ausführungen zur Hauptklage "Clip" als im Gemeingut stehende Sachbezeichnungen zu gelten hat, erweist sich die Gegenstand der Widerklage bildende Marke "Clip" der Klägerin als nichtig. Die gegen ihre Nichtigerklärung gerichtete Berufung der Klägerin ist daher unbegründet.
Das gilt auch für die von der Klägerin gestellten Eventualbegehren, den Schutzbereich ihrer Marke auf verstellbare Verschlüsse ohne Klammern bzw. Klemmen oder auf gewöhnliche Reissverschlüsse zu beschränken.
Für gewöhnliche Reissverschlüsse und verstellbare Verschlüsse ohne Klemmvorrichtung stellt die Marke "Clip" zwar keine Beschaffenheitsangabe dar. Ihre Zulassung in dem von der Klägerin verlangten Sinne wäre aber zur Täuschung der Käuferschaft geeignet. Denn die Bezeichnung "Clip" würde den Eindruck erwecken, es handle sich bei den so bezeichneten Verschlüssen um solche mit einer Klemmvorrichtung. Marken, die zur Täuschung des Publikums Anlass geben können, sind aber nach ständiger Rechtsprechung unzulässig, da sie im Sinne von Art. 3 Abs. 4 MSchG gegen die guten Sitten verstossen (BGE 69 II 203und dort erwähnte Entscheide).
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- In Gutheissung der Berufung der Beklagten wird das Urteil des Handelsgerichts Zürich vom 11. Dezember 1953 dahin abgeändert, dass die Klage im vollen Umfang abgewiesen wird.
2.- Die Berufung der Klägerin wird abgewiesen und in Bestätigung des angefochtenen Entscheides die von der Klägerin unter Nr. 147'758 hinterlegte Marke "Clip" nichtig erklärt. | de | Concorrenza sleale, art. 1 cp. 2 lett. d LCS. L'impiego d'una designazione generica di dominio pubblico non costituisce un atto di concorrenza sleale, anche se può essere confusa con la marca d'un concorrente. Nozione della designazione generica. Protezione delle marche di fabbrica, art. 3 LMF. Nullità delle marche fallaci. | it | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-171%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
258 | 80 II 179 | Sachverhalt ab Seite 179
A.- Le 23 mars 1948, Joseph Scotto a assigné Rudi Staerker en paiement de 40 000 fr., avec intérêt à 5% dès le 28 juillet 1944. Il alléguait qu'en 1944, alors qu'ils se trouvaient tous deux à Istamboul, il avait acheté au défendeur une somme de 40 000 fr. suisses pour le prix de 38 000 livres turques; il ajoutait qu'il avait exécuté sa prestation, tandis que Staerker ne lui avait jamais payé les 40 000 fr. convenus.
Par jugement du 6 janvier 1954, le Tribunal cantonal vaudois a adjugé au demandeur ses conclusions.
B.- Staerker recourt en réforme au Tribunal fédéral, en concluant au rejet de l'action.
Erwägungen
Considérant en droit:
1. Ni dans la procédure cantonale ni auparavant, les parties ne se sont prononcées sur la législation applicable en l'espèce. Les premiers juges ont statué selon le droit suisse, qui est, à leurs yeux, la loi du pays avec lequel le contrat allégué est dans le rapport territorial le plus étroit. Le recourant critique cette opinion et soutient que les relations juridiques qui lient prétendument les parties relèvent du droit turc. On peut toutefois s'abstenir de juger si l'argumentation de la juridiction cantonale est fondée car, de toute façon, le droit suisse est applicable pour une autre raison.
D'après la jurisprudence que le Tribunal fédéral a établie par son arrêt Künzle c. Bayrische Hypotheken- und Wechselbank (RO 79 II 295 et suiv.), les parties qui sont en litige sur une question relevant du droit international des obligations peuvent, pendant le procès encore, déterminer la législation selon laquelle leur différend doit être jugé; il suffit à cet égard que les deux plaideurs invoquent le même droit dans la procédure. Mais le Tribunal fédéral n'a pas précisé s'il était nécessaire que les parties se prévalent expressément de cette législation (cf. également RO 80 II 50).
Cette question doit être résolue par la négative. Selon les lois de procédure civile de certains cantons, le droit étranger n'est appliqué d'office que si la législation fédérale ou un traité le prescrivent. Dans les autres cas, il faut, pour que le juge statue selon la loi étrangère, que l'une des parties s'en prévale en temps utile et prouve le cas échéant les règles invoquées. Quand ces formalités ne sont pas remplies, c'est la loi suisse qui est appliquée, soit directement, soit comme droit supplétif. Dans les cantons qui ont édicté de telles prescriptions, les plaideurs savent donc qu'ils doivent faire certains actes de procédure pour provoquer l'application de la loi d'un autre pays que la Suisse. S'ils les négligent, il faut admettre qu'ils renoncent à l'application du droit étranger, qu'ils veulent ou du moins acceptent tous les deux celle de la loi fédérale et qu'ainsi ils déterminent d'une manière concordante le droit selon lequel leur litige doit être jugé.
Dans le canton de Vaud, cette question fait l'objet de l'art. 127 CPC: "Lorsqu'il y a lieu de faire application du droit d'un Etat étranger, le juge peut, s'il n'est pas tenu de l'appliquer d'office en vertu des dispositions de la législation ou d'un traité, et s'il l'estime nécessaire, exiger des parties qu'elles établissent l'existence et la teneur des règles qu'elles invoquent, et leur fixer à cet effet un délai pour la production d'attestations officielles, de certificats de coutume ou de consultations d'hommes de loi". Dans une jurisprudence constante (cf. notamment JdT 1935 III 7 et suiv.), les tribunaux vaudois interprètent cette prescription en ce sens "que le droit étranger doit être invoqué expressément soit au moyen d'allégués, soit dans la partie droit de la demande ou de la réponse, soit au plus tard à l'audience préliminaire ou dans l'appointement à preuves, au moment où le juge, faisant application de l'art. 127 CPC, aura à décider s'il estime nécessaire d'exiger la preuve des règles invoquées; si la partie n'invoque pas expressément l'application du droit étranger ou ne le fait que tardivement, le juge doit faire application du droit suisse...". En l'espèce, l'application de la loi étrangère n'est prescrite ni par la législation ni par un traité. Chaque partie savait donc que, si elle voulait voir le litige jugé selon le droit turc, elle devait invoquer ce dernier en temps utile. Comme ni l'une ni l'autre n'a rempli cette formalité, on doit considérer que les parties ont voulu ou du moins accepté que le différend fût résolu d'après la législation suisse. Celle-ci a donc été appliquée avec raison par la juridiction cantonale. | fr | Internationales Privatrecht. Befugnis der Vertragsparteien, im Gebiete des internationalen Obligationenrechts, noch im Prozess das für ihre Beziehungen massgebende Recht zu bestimmen.
Bedeutung des Umstandes, dass die Prozessparteien sich über das anwendbare Recht nicht aussprechen und der Richter nach den Vorschriften des kantonalen Prozessrechts ausländisches Recht nur anzuwenden hat, wenn die Parteien sich ausdrücklich auf dieses berufen. | de | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-179%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
259 | 80 II 179 | Sachverhalt ab Seite 179
A.- Le 23 mars 1948, Joseph Scotto a assigné Rudi Staerker en paiement de 40 000 fr., avec intérêt à 5% dès le 28 juillet 1944. Il alléguait qu'en 1944, alors qu'ils se trouvaient tous deux à Istamboul, il avait acheté au défendeur une somme de 40 000 fr. suisses pour le prix de 38 000 livres turques; il ajoutait qu'il avait exécuté sa prestation, tandis que Staerker ne lui avait jamais payé les 40 000 fr. convenus.
Par jugement du 6 janvier 1954, le Tribunal cantonal vaudois a adjugé au demandeur ses conclusions.
B.- Staerker recourt en réforme au Tribunal fédéral, en concluant au rejet de l'action.
Erwägungen
Considérant en droit:
1. Ni dans la procédure cantonale ni auparavant, les parties ne se sont prononcées sur la législation applicable en l'espèce. Les premiers juges ont statué selon le droit suisse, qui est, à leurs yeux, la loi du pays avec lequel le contrat allégué est dans le rapport territorial le plus étroit. Le recourant critique cette opinion et soutient que les relations juridiques qui lient prétendument les parties relèvent du droit turc. On peut toutefois s'abstenir de juger si l'argumentation de la juridiction cantonale est fondée car, de toute façon, le droit suisse est applicable pour une autre raison.
D'après la jurisprudence que le Tribunal fédéral a établie par son arrêt Künzle c. Bayrische Hypotheken- und Wechselbank (RO 79 II 295 et suiv.), les parties qui sont en litige sur une question relevant du droit international des obligations peuvent, pendant le procès encore, déterminer la législation selon laquelle leur différend doit être jugé; il suffit à cet égard que les deux plaideurs invoquent le même droit dans la procédure. Mais le Tribunal fédéral n'a pas précisé s'il était nécessaire que les parties se prévalent expressément de cette législation (cf. également RO 80 II 50).
Cette question doit être résolue par la négative. Selon les lois de procédure civile de certains cantons, le droit étranger n'est appliqué d'office que si la législation fédérale ou un traité le prescrivent. Dans les autres cas, il faut, pour que le juge statue selon la loi étrangère, que l'une des parties s'en prévale en temps utile et prouve le cas échéant les règles invoquées. Quand ces formalités ne sont pas remplies, c'est la loi suisse qui est appliquée, soit directement, soit comme droit supplétif. Dans les cantons qui ont édicté de telles prescriptions, les plaideurs savent donc qu'ils doivent faire certains actes de procédure pour provoquer l'application de la loi d'un autre pays que la Suisse. S'ils les négligent, il faut admettre qu'ils renoncent à l'application du droit étranger, qu'ils veulent ou du moins acceptent tous les deux celle de la loi fédérale et qu'ainsi ils déterminent d'une manière concordante le droit selon lequel leur litige doit être jugé.
Dans le canton de Vaud, cette question fait l'objet de l'art. 127 CPC: "Lorsqu'il y a lieu de faire application du droit d'un Etat étranger, le juge peut, s'il n'est pas tenu de l'appliquer d'office en vertu des dispositions de la législation ou d'un traité, et s'il l'estime nécessaire, exiger des parties qu'elles établissent l'existence et la teneur des règles qu'elles invoquent, et leur fixer à cet effet un délai pour la production d'attestations officielles, de certificats de coutume ou de consultations d'hommes de loi". Dans une jurisprudence constante (cf. notamment JdT 1935 III 7 et suiv.), les tribunaux vaudois interprètent cette prescription en ce sens "que le droit étranger doit être invoqué expressément soit au moyen d'allégués, soit dans la partie droit de la demande ou de la réponse, soit au plus tard à l'audience préliminaire ou dans l'appointement à preuves, au moment où le juge, faisant application de l'art. 127 CPC, aura à décider s'il estime nécessaire d'exiger la preuve des règles invoquées; si la partie n'invoque pas expressément l'application du droit étranger ou ne le fait que tardivement, le juge doit faire application du droit suisse...". En l'espèce, l'application de la loi étrangère n'est prescrite ni par la législation ni par un traité. Chaque partie savait donc que, si elle voulait voir le litige jugé selon le droit turc, elle devait invoquer ce dernier en temps utile. Comme ni l'une ni l'autre n'a rempli cette formalité, on doit considérer que les parties ont voulu ou du moins accepté que le différend fût résolu d'après la législation suisse. Celle-ci a donc été appliquée avec raison par la juridiction cantonale. | fr | Droit international privé. Pouvoir des parties, dans le domaine du droit international des obligations, de déterminer, pendant le procès encore, le droit dont relèvent leurs rapports juridiques.
Quid lorsque les plaideurs ne se prononcent pas sur la législation applicable et que, selon les règles de la procédure cantonale, le juge ne statue d'après le droit étranger que si celui-ci est invoqué expressément? | fr | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-179%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
260 | 80 II 179 | Sachverhalt ab Seite 179
A.- Le 23 mars 1948, Joseph Scotto a assigné Rudi Staerker en paiement de 40 000 fr., avec intérêt à 5% dès le 28 juillet 1944. Il alléguait qu'en 1944, alors qu'ils se trouvaient tous deux à Istamboul, il avait acheté au défendeur une somme de 40 000 fr. suisses pour le prix de 38 000 livres turques; il ajoutait qu'il avait exécuté sa prestation, tandis que Staerker ne lui avait jamais payé les 40 000 fr. convenus.
Par jugement du 6 janvier 1954, le Tribunal cantonal vaudois a adjugé au demandeur ses conclusions.
B.- Staerker recourt en réforme au Tribunal fédéral, en concluant au rejet de l'action.
Erwägungen
Considérant en droit:
1. Ni dans la procédure cantonale ni auparavant, les parties ne se sont prononcées sur la législation applicable en l'espèce. Les premiers juges ont statué selon le droit suisse, qui est, à leurs yeux, la loi du pays avec lequel le contrat allégué est dans le rapport territorial le plus étroit. Le recourant critique cette opinion et soutient que les relations juridiques qui lient prétendument les parties relèvent du droit turc. On peut toutefois s'abstenir de juger si l'argumentation de la juridiction cantonale est fondée car, de toute façon, le droit suisse est applicable pour une autre raison.
D'après la jurisprudence que le Tribunal fédéral a établie par son arrêt Künzle c. Bayrische Hypotheken- und Wechselbank (RO 79 II 295 et suiv.), les parties qui sont en litige sur une question relevant du droit international des obligations peuvent, pendant le procès encore, déterminer la législation selon laquelle leur différend doit être jugé; il suffit à cet égard que les deux plaideurs invoquent le même droit dans la procédure. Mais le Tribunal fédéral n'a pas précisé s'il était nécessaire que les parties se prévalent expressément de cette législation (cf. également RO 80 II 50).
Cette question doit être résolue par la négative. Selon les lois de procédure civile de certains cantons, le droit étranger n'est appliqué d'office que si la législation fédérale ou un traité le prescrivent. Dans les autres cas, il faut, pour que le juge statue selon la loi étrangère, que l'une des parties s'en prévale en temps utile et prouve le cas échéant les règles invoquées. Quand ces formalités ne sont pas remplies, c'est la loi suisse qui est appliquée, soit directement, soit comme droit supplétif. Dans les cantons qui ont édicté de telles prescriptions, les plaideurs savent donc qu'ils doivent faire certains actes de procédure pour provoquer l'application de la loi d'un autre pays que la Suisse. S'ils les négligent, il faut admettre qu'ils renoncent à l'application du droit étranger, qu'ils veulent ou du moins acceptent tous les deux celle de la loi fédérale et qu'ainsi ils déterminent d'une manière concordante le droit selon lequel leur litige doit être jugé.
Dans le canton de Vaud, cette question fait l'objet de l'art. 127 CPC: "Lorsqu'il y a lieu de faire application du droit d'un Etat étranger, le juge peut, s'il n'est pas tenu de l'appliquer d'office en vertu des dispositions de la législation ou d'un traité, et s'il l'estime nécessaire, exiger des parties qu'elles établissent l'existence et la teneur des règles qu'elles invoquent, et leur fixer à cet effet un délai pour la production d'attestations officielles, de certificats de coutume ou de consultations d'hommes de loi". Dans une jurisprudence constante (cf. notamment JdT 1935 III 7 et suiv.), les tribunaux vaudois interprètent cette prescription en ce sens "que le droit étranger doit être invoqué expressément soit au moyen d'allégués, soit dans la partie droit de la demande ou de la réponse, soit au plus tard à l'audience préliminaire ou dans l'appointement à preuves, au moment où le juge, faisant application de l'art. 127 CPC, aura à décider s'il estime nécessaire d'exiger la preuve des règles invoquées; si la partie n'invoque pas expressément l'application du droit étranger ou ne le fait que tardivement, le juge doit faire application du droit suisse...". En l'espèce, l'application de la loi étrangère n'est prescrite ni par la législation ni par un traité. Chaque partie savait donc que, si elle voulait voir le litige jugé selon le droit turc, elle devait invoquer ce dernier en temps utile. Comme ni l'une ni l'autre n'a rempli cette formalité, on doit considérer que les parties ont voulu ou du moins accepté que le différend fût résolu d'après la législation suisse. Celle-ci a donc été appliquée avec raison par la juridiction cantonale. | fr | Diritto internazionale privato. Facoltà delle parti, nel campo del diritto internazionale delle obbligazioni, di determinare ancora durante il processo il diritto applicabile ai loro rapporti giuridici.
Quid quando le parti in causa non si pronunciano sulla legislazione applicabile e quando il giudice, a stregua delle disposizioni della procedura cantonale, applica il diritto estero soltanto se è invocato espressamente dalle parti? | it | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-179%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
261 | 80 II 182 | Sachverhalt ab Seite 182
A.- Robert Riedel a été, durant quelques années, pasteur de la paroisse suisse-allemande de Genève, qui fait partie de l'Eglise nationale protestante de Genève, association de droit privé selon les art. 60 et suiv. CC. Il semble avoir été révoqué par la suite.
B.- En octobre 1953, il a actionné l'Eglise nationale protestante devant le Tribunal de prud'hommes de Genève, en concluant à ce qu'elle soit condamnée à lui payer un montant de 50 000 fr. pour renvoi abrupt.
La défenderesse a excipé de l'incompétence du Tribunal de prud'hommes, disant qu'elle n'avait jamais été liée à Riedel par un contrat de travail.
Statuant en dernière instance cantonale, la Cour mixte de prud'hommes a, le 5 mars 1954, déclaré les Tribunaux de prud'hommes compétents pour connaître du litige.
C.- Contre cet arrêt, l'Eglise nationale protestante de Genève recourt en réforme au Tribunal fédéral.
Erwägungen
Considérant en droit:
Aux termes de l'art. 49 OJ, le recours en réforme est recevable contre les décisions préjudicielles ou incidentes prises séparément du fond par les juridictions cantonales statuant en dernière instance, pour violation des prescriptions de droit fédéral au sujet de la compétence à raison de la matière ou du lieu.
L'Eglise nationale protestante estime que ces conditions sont remplies en l'occurrence. Selon l'art. 1er de la loi genevoise sur les Conseils de prud'hommes, dit-elle, la compétence de ces juridictions dépend de l'existence d'un contrat de travail entre les parties; or il s'agit là d'une question de droit fédéral, sur laquelle les juridictions cantonales ont dû se prononcer préjudiciellement avant de statuer sur leur compétence; le recours est donc recevable, le Tribunal fédéral ayant jugé que l'application du droit fédéral, ne serait-ce que dans les motifs d'un jugement portant sur des points de droit cantonal, est sujette à la censure de la juridiction de réforme (RO 76 II 250).
La recourante donne cependant une portée trop générale à cette jurisprudence. Celle-ci n'est valable, en réalité, que si le droit fédéral, applicable préjudiciellement, influe impérativement sur le droit cantonal, si, en d'autres termes, le législateur cantonal a l'obligation, sur le point considéré, de tenir compte de la loi fédérale. C'est dans ce cas seulement que le contrôle de la juridiction de réforme est nécessaire, puisqu'il est destiné à garantir les résultats que le législateur suisse a voulu atteindre (cf. arrêts de la Cour de cassation pénale du 12 août 1943, dans la cause Procureur général de la Confédération c. Maderni, et du 16 août 1944, dans la cause Procureur général du canton de Berne c. Wyss). Ces conditions étaient remplies dans l'espèce invoquée par la recourante; il s'agissait en effet de savoir si un for du séquestre, relevant du droit cantonal, n'était pas contraire à un traité international conclu par la Confédération et pouvait subsister devant celui-ci. Mais la situation est différente en l'occurrence. Les cantons peuvent régler comme ils l'entendent la compétence matérielle de leurs tribunaux. Du point de vue du droit fédéral, il importe peu que le législateur genevois ait utilisé comme critère la notion du contrat de travail; la loi fédérale ne l'y obligeait pas. Il était libre de renvoyer expressément devant les Tribunaux de prud'hommes les litiges tels que la présente espèce. Dès lors, en admettant la compétence de cette juridiction, la Cour mixte n'a pu violer la loi suisse, même si elle a mal résolu la question de droit fédéral sur laquelle elle devait statuer préjudiciellement. Le recours en réforme est donc irrecevable.
Toutefois, si un nouveau recours est formé contre le jugement au fond qui sera rendu par les Tribunaux de prud'hommes, le Tribunal fédéral devra alors se prononcer sur la nature des rapports juridiques noués entre les parties. Au cas où il les qualifierait autrement que la Cour mixte et renverrait l'affaire aux autorités cantonales, il appartiendrait à ces dernières de décider si la cause doit être confiée, pour être jugée à nouveau, à une autre juridiction que les Tribunaux de prud'hommes.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral prononce:
Le recours est irrecevable. | fr | Berufung. Gegen die unrichtige Auslegung eines in einem kantonalen Gesetz verwendeten Begriffs des Bundesrechts ist die Berufung nur zulässig, wenn der kantonale Gesetzgeber in der in Frage stehenden Beziehung zur Berücksichtigung des Bundesrechts verpflichtet war. | de | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-182%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
262 | 80 II 182 | Sachverhalt ab Seite 182
A.- Robert Riedel a été, durant quelques années, pasteur de la paroisse suisse-allemande de Genève, qui fait partie de l'Eglise nationale protestante de Genève, association de droit privé selon les art. 60 et suiv. CC. Il semble avoir été révoqué par la suite.
B.- En octobre 1953, il a actionné l'Eglise nationale protestante devant le Tribunal de prud'hommes de Genève, en concluant à ce qu'elle soit condamnée à lui payer un montant de 50 000 fr. pour renvoi abrupt.
La défenderesse a excipé de l'incompétence du Tribunal de prud'hommes, disant qu'elle n'avait jamais été liée à Riedel par un contrat de travail.
Statuant en dernière instance cantonale, la Cour mixte de prud'hommes a, le 5 mars 1954, déclaré les Tribunaux de prud'hommes compétents pour connaître du litige.
C.- Contre cet arrêt, l'Eglise nationale protestante de Genève recourt en réforme au Tribunal fédéral.
Erwägungen
Considérant en droit:
Aux termes de l'art. 49 OJ, le recours en réforme est recevable contre les décisions préjudicielles ou incidentes prises séparément du fond par les juridictions cantonales statuant en dernière instance, pour violation des prescriptions de droit fédéral au sujet de la compétence à raison de la matière ou du lieu.
L'Eglise nationale protestante estime que ces conditions sont remplies en l'occurrence. Selon l'art. 1er de la loi genevoise sur les Conseils de prud'hommes, dit-elle, la compétence de ces juridictions dépend de l'existence d'un contrat de travail entre les parties; or il s'agit là d'une question de droit fédéral, sur laquelle les juridictions cantonales ont dû se prononcer préjudiciellement avant de statuer sur leur compétence; le recours est donc recevable, le Tribunal fédéral ayant jugé que l'application du droit fédéral, ne serait-ce que dans les motifs d'un jugement portant sur des points de droit cantonal, est sujette à la censure de la juridiction de réforme (RO 76 II 250).
La recourante donne cependant une portée trop générale à cette jurisprudence. Celle-ci n'est valable, en réalité, que si le droit fédéral, applicable préjudiciellement, influe impérativement sur le droit cantonal, si, en d'autres termes, le législateur cantonal a l'obligation, sur le point considéré, de tenir compte de la loi fédérale. C'est dans ce cas seulement que le contrôle de la juridiction de réforme est nécessaire, puisqu'il est destiné à garantir les résultats que le législateur suisse a voulu atteindre (cf. arrêts de la Cour de cassation pénale du 12 août 1943, dans la cause Procureur général de la Confédération c. Maderni, et du 16 août 1944, dans la cause Procureur général du canton de Berne c. Wyss). Ces conditions étaient remplies dans l'espèce invoquée par la recourante; il s'agissait en effet de savoir si un for du séquestre, relevant du droit cantonal, n'était pas contraire à un traité international conclu par la Confédération et pouvait subsister devant celui-ci. Mais la situation est différente en l'occurrence. Les cantons peuvent régler comme ils l'entendent la compétence matérielle de leurs tribunaux. Du point de vue du droit fédéral, il importe peu que le législateur genevois ait utilisé comme critère la notion du contrat de travail; la loi fédérale ne l'y obligeait pas. Il était libre de renvoyer expressément devant les Tribunaux de prud'hommes les litiges tels que la présente espèce. Dès lors, en admettant la compétence de cette juridiction, la Cour mixte n'a pu violer la loi suisse, même si elle a mal résolu la question de droit fédéral sur laquelle elle devait statuer préjudiciellement. Le recours en réforme est donc irrecevable.
Toutefois, si un nouveau recours est formé contre le jugement au fond qui sera rendu par les Tribunaux de prud'hommes, le Tribunal fédéral devra alors se prononcer sur la nature des rapports juridiques noués entre les parties. Au cas où il les qualifierait autrement que la Cour mixte et renverrait l'affaire aux autorités cantonales, il appartiendrait à ces dernières de décider si la cause doit être confiée, pour être jugée à nouveau, à une autre juridiction que les Tribunaux de prud'hommes.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral prononce:
Le recours est irrecevable. | fr | Recours en réforme. L'interprétation erronée d'une notion de droit fédéral figurant dans une loi cantonale ne donne ouverture au recours en réforme que si le législateur cantonal avait l'obligation, sur le point en cause, de tenir compte du droit fédéral. | fr | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-182%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
263 | 80 II 182 | Sachverhalt ab Seite 182
A.- Robert Riedel a été, durant quelques années, pasteur de la paroisse suisse-allemande de Genève, qui fait partie de l'Eglise nationale protestante de Genève, association de droit privé selon les art. 60 et suiv. CC. Il semble avoir été révoqué par la suite.
B.- En octobre 1953, il a actionné l'Eglise nationale protestante devant le Tribunal de prud'hommes de Genève, en concluant à ce qu'elle soit condamnée à lui payer un montant de 50 000 fr. pour renvoi abrupt.
La défenderesse a excipé de l'incompétence du Tribunal de prud'hommes, disant qu'elle n'avait jamais été liée à Riedel par un contrat de travail.
Statuant en dernière instance cantonale, la Cour mixte de prud'hommes a, le 5 mars 1954, déclaré les Tribunaux de prud'hommes compétents pour connaître du litige.
C.- Contre cet arrêt, l'Eglise nationale protestante de Genève recourt en réforme au Tribunal fédéral.
Erwägungen
Considérant en droit:
Aux termes de l'art. 49 OJ, le recours en réforme est recevable contre les décisions préjudicielles ou incidentes prises séparément du fond par les juridictions cantonales statuant en dernière instance, pour violation des prescriptions de droit fédéral au sujet de la compétence à raison de la matière ou du lieu.
L'Eglise nationale protestante estime que ces conditions sont remplies en l'occurrence. Selon l'art. 1er de la loi genevoise sur les Conseils de prud'hommes, dit-elle, la compétence de ces juridictions dépend de l'existence d'un contrat de travail entre les parties; or il s'agit là d'une question de droit fédéral, sur laquelle les juridictions cantonales ont dû se prononcer préjudiciellement avant de statuer sur leur compétence; le recours est donc recevable, le Tribunal fédéral ayant jugé que l'application du droit fédéral, ne serait-ce que dans les motifs d'un jugement portant sur des points de droit cantonal, est sujette à la censure de la juridiction de réforme (RO 76 II 250).
La recourante donne cependant une portée trop générale à cette jurisprudence. Celle-ci n'est valable, en réalité, que si le droit fédéral, applicable préjudiciellement, influe impérativement sur le droit cantonal, si, en d'autres termes, le législateur cantonal a l'obligation, sur le point considéré, de tenir compte de la loi fédérale. C'est dans ce cas seulement que le contrôle de la juridiction de réforme est nécessaire, puisqu'il est destiné à garantir les résultats que le législateur suisse a voulu atteindre (cf. arrêts de la Cour de cassation pénale du 12 août 1943, dans la cause Procureur général de la Confédération c. Maderni, et du 16 août 1944, dans la cause Procureur général du canton de Berne c. Wyss). Ces conditions étaient remplies dans l'espèce invoquée par la recourante; il s'agissait en effet de savoir si un for du séquestre, relevant du droit cantonal, n'était pas contraire à un traité international conclu par la Confédération et pouvait subsister devant celui-ci. Mais la situation est différente en l'occurrence. Les cantons peuvent régler comme ils l'entendent la compétence matérielle de leurs tribunaux. Du point de vue du droit fédéral, il importe peu que le législateur genevois ait utilisé comme critère la notion du contrat de travail; la loi fédérale ne l'y obligeait pas. Il était libre de renvoyer expressément devant les Tribunaux de prud'hommes les litiges tels que la présente espèce. Dès lors, en admettant la compétence de cette juridiction, la Cour mixte n'a pu violer la loi suisse, même si elle a mal résolu la question de droit fédéral sur laquelle elle devait statuer préjudiciellement. Le recours en réforme est donc irrecevable.
Toutefois, si un nouveau recours est formé contre le jugement au fond qui sera rendu par les Tribunaux de prud'hommes, le Tribunal fédéral devra alors se prononcer sur la nature des rapports juridiques noués entre les parties. Au cas où il les qualifierait autrement que la Cour mixte et renverrait l'affaire aux autorités cantonales, il appartiendrait à ces dernières de décider si la cause doit être confiée, pour être jugée à nouveau, à une autre juridiction que les Tribunaux de prud'hommes.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral prononce:
Le recours est irrecevable. | fr | Ricorso per riforma. Contro l'errata interpretazione d'una nozione di diritto federale in una legge cantonale il ricorso per riforma è proponibile solamente se il legislatore cantonale aveva l'obbligo, sul punto di cui si tratta, di tener conto del diritto federale. | it | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-182%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
264 | 80 II 185 | Erwägungen ab Seite 185
Der Scheidungsgrund der Geisteskrankheit ist nach Art. 141 ZGB gegeben, wenn ein Gatte in einen solchen Zustand von Geisteskrankheit verfallen ist, dass dem andern die Fortsetzung der ehelichen Gemeinschaft nicht zugemutet werden darf, und wenn die Krankheit nach dreijähriger Dauer von Sachverständigen für unheilbar erklärt wird. In diesem Falle kann der andere Gatte jederzeit auf Scheidung klagen. Das Erfordernis der dreijährigen Dauer ist nach der Rechtsprechung dahin zu verstehen, dass vom Eintritt des Krankheitszustandes, der die Fortsetzung der Ehe als unzumutbar erscheinen lässt, bis zur Einleitung der Klage drei Jahre vergangen sein müssen (BGE 52 II 186,BGE 63 II 1,BGE 66 II 86). An dieser Praxis ist festzuhalten. Sie wird vor allem durch die Erwägung gerechtfertigt, dass das Gesetz mit dem erwähnten Erfordernis Fehldiagnosen vorbeugen und insbesondere eine voreilige Feststellung der Unheilbarkeit und eine Beeinträchtigung allfälliger Aussichten auf eine (sei es auch nur "soziale") Heilung durch verfrühte Prozessführung verhindern will.
Im vorliegenden Falle braucht nicht näher geprüft zu werden, ob die Krankheit der Beklagten heute die in Art. 141 ZGB vorausgesetzte Schwere aufweise und als unheilbar anzusehen sei. Auch wenn man diese Fragen bejahen will, muss nämlich die Klage auf jeden Fall deswegen abgewiesen werden, weil nicht angenommen werden kann, dass die Krankheit schon drei Jahre vor Einleitung der Klage, d.h. schon im Mai 1949, in jener Schwere bestanden habe.
Es mag zwar zutreffen, dass bereits die im Jahre 1949 geäusserten Eifersuchtsideen für den Kläger sehr unangenehm waren und die Ehe empfindlich störten. Deswegen war aber damals die Fortsetzung der ehelichen Gemeinschaft für den Kläger noch nicht unzumutbar. In ihrer heutigen vollen Schwere besteht die Geisteskrankheit der Beklagten (wahnhafte Schizophrenie) nach den Gutachten, auf welche die Vorinstanz abstellt, erst seit dem Jahre 1950. Der Zustand, der allein als Scheidungsgrund in Frage kommen kann, bestand also bei der Klageeinleitung erst seit etwa zwei Jahren.
Wenn die Vorinstanz das Erfordernis der dreijährigen Dauer gleichwohl als erfüllt betrachtete, so deswegen, weil sie die Klageeinleitung darin erblickte, dass der Kläger vor Obergericht sein Scheidungsbegehren unter Berufung auf Art. 141 ZGB erneuerte, und überdies annahm'die Krankheit müsse nicht schon bei der Klageeinleitung, sondern erst bei der Urteilsfällung drei Jahre gedauert haben. Diese letzte Annahme widerspricht jedoch der Rechtsprechung, bei der es nach dem Gesagten bleiben muss. Mit dem Sinne dieser Praxis ist es aber auch nicht verträglich, auf den Zeitpunkt abzustellen, da der Kläger sein Scheidungsbegehren vor Obergericht wieder aufgenommen und erstmals Art. 141 ZGB angerufen hat. Diese prozessuale Stellungnahme des Klägers kann nichts daran ändern, dass er die Klage schon im Mai 1952 und mithin zu früh eingeleitet hat. | de | Die Ehescheidung wegen Geisteskrankheit (Art. 141 ZGB) hat zur Voraussetzung, dass der Krankheitszustand, der die Fortsetzung der ehelichen Gemeinschaft als unzumutbar erscheinen lässt, schon bei Einleitung der Klage drei Jahre gedauert hat. Es genügt nicht, dass diese Frist im Zeitpunkte abgelaufen ist, da der Kläger im Prozess erstmals Art. 141 ZGB anruft. | de | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-185%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
265 | 80 II 185 | Erwägungen ab Seite 185
Der Scheidungsgrund der Geisteskrankheit ist nach Art. 141 ZGB gegeben, wenn ein Gatte in einen solchen Zustand von Geisteskrankheit verfallen ist, dass dem andern die Fortsetzung der ehelichen Gemeinschaft nicht zugemutet werden darf, und wenn die Krankheit nach dreijähriger Dauer von Sachverständigen für unheilbar erklärt wird. In diesem Falle kann der andere Gatte jederzeit auf Scheidung klagen. Das Erfordernis der dreijährigen Dauer ist nach der Rechtsprechung dahin zu verstehen, dass vom Eintritt des Krankheitszustandes, der die Fortsetzung der Ehe als unzumutbar erscheinen lässt, bis zur Einleitung der Klage drei Jahre vergangen sein müssen (BGE 52 II 186,BGE 63 II 1,BGE 66 II 86). An dieser Praxis ist festzuhalten. Sie wird vor allem durch die Erwägung gerechtfertigt, dass das Gesetz mit dem erwähnten Erfordernis Fehldiagnosen vorbeugen und insbesondere eine voreilige Feststellung der Unheilbarkeit und eine Beeinträchtigung allfälliger Aussichten auf eine (sei es auch nur "soziale") Heilung durch verfrühte Prozessführung verhindern will.
Im vorliegenden Falle braucht nicht näher geprüft zu werden, ob die Krankheit der Beklagten heute die in Art. 141 ZGB vorausgesetzte Schwere aufweise und als unheilbar anzusehen sei. Auch wenn man diese Fragen bejahen will, muss nämlich die Klage auf jeden Fall deswegen abgewiesen werden, weil nicht angenommen werden kann, dass die Krankheit schon drei Jahre vor Einleitung der Klage, d.h. schon im Mai 1949, in jener Schwere bestanden habe.
Es mag zwar zutreffen, dass bereits die im Jahre 1949 geäusserten Eifersuchtsideen für den Kläger sehr unangenehm waren und die Ehe empfindlich störten. Deswegen war aber damals die Fortsetzung der ehelichen Gemeinschaft für den Kläger noch nicht unzumutbar. In ihrer heutigen vollen Schwere besteht die Geisteskrankheit der Beklagten (wahnhafte Schizophrenie) nach den Gutachten, auf welche die Vorinstanz abstellt, erst seit dem Jahre 1950. Der Zustand, der allein als Scheidungsgrund in Frage kommen kann, bestand also bei der Klageeinleitung erst seit etwa zwei Jahren.
Wenn die Vorinstanz das Erfordernis der dreijährigen Dauer gleichwohl als erfüllt betrachtete, so deswegen, weil sie die Klageeinleitung darin erblickte, dass der Kläger vor Obergericht sein Scheidungsbegehren unter Berufung auf Art. 141 ZGB erneuerte, und überdies annahm'die Krankheit müsse nicht schon bei der Klageeinleitung, sondern erst bei der Urteilsfällung drei Jahre gedauert haben. Diese letzte Annahme widerspricht jedoch der Rechtsprechung, bei der es nach dem Gesagten bleiben muss. Mit dem Sinne dieser Praxis ist es aber auch nicht verträglich, auf den Zeitpunkt abzustellen, da der Kläger sein Scheidungsbegehren vor Obergericht wieder aufgenommen und erstmals Art. 141 ZGB angerufen hat. Diese prozessuale Stellungnahme des Klägers kann nichts daran ändern, dass er die Klage schon im Mai 1952 und mithin zu früh eingeleitet hat. | de | Le divorce pour cause de maladie mentale (art. 141 CC) présuppose que l'état maladif qui rend la vie commune insupportable ait déjà duré trois ans lors de l'introduction du procès. Il ne suffit pas que ce délai ait été expiré lorsque le demandeur a pour la première fois invoqué l'art. 141 CC au cours du procès. | fr | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-185%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
266 | 80 II 185 | Erwägungen ab Seite 185
Der Scheidungsgrund der Geisteskrankheit ist nach Art. 141 ZGB gegeben, wenn ein Gatte in einen solchen Zustand von Geisteskrankheit verfallen ist, dass dem andern die Fortsetzung der ehelichen Gemeinschaft nicht zugemutet werden darf, und wenn die Krankheit nach dreijähriger Dauer von Sachverständigen für unheilbar erklärt wird. In diesem Falle kann der andere Gatte jederzeit auf Scheidung klagen. Das Erfordernis der dreijährigen Dauer ist nach der Rechtsprechung dahin zu verstehen, dass vom Eintritt des Krankheitszustandes, der die Fortsetzung der Ehe als unzumutbar erscheinen lässt, bis zur Einleitung der Klage drei Jahre vergangen sein müssen (BGE 52 II 186,BGE 63 II 1,BGE 66 II 86). An dieser Praxis ist festzuhalten. Sie wird vor allem durch die Erwägung gerechtfertigt, dass das Gesetz mit dem erwähnten Erfordernis Fehldiagnosen vorbeugen und insbesondere eine voreilige Feststellung der Unheilbarkeit und eine Beeinträchtigung allfälliger Aussichten auf eine (sei es auch nur "soziale") Heilung durch verfrühte Prozessführung verhindern will.
Im vorliegenden Falle braucht nicht näher geprüft zu werden, ob die Krankheit der Beklagten heute die in Art. 141 ZGB vorausgesetzte Schwere aufweise und als unheilbar anzusehen sei. Auch wenn man diese Fragen bejahen will, muss nämlich die Klage auf jeden Fall deswegen abgewiesen werden, weil nicht angenommen werden kann, dass die Krankheit schon drei Jahre vor Einleitung der Klage, d.h. schon im Mai 1949, in jener Schwere bestanden habe.
Es mag zwar zutreffen, dass bereits die im Jahre 1949 geäusserten Eifersuchtsideen für den Kläger sehr unangenehm waren und die Ehe empfindlich störten. Deswegen war aber damals die Fortsetzung der ehelichen Gemeinschaft für den Kläger noch nicht unzumutbar. In ihrer heutigen vollen Schwere besteht die Geisteskrankheit der Beklagten (wahnhafte Schizophrenie) nach den Gutachten, auf welche die Vorinstanz abstellt, erst seit dem Jahre 1950. Der Zustand, der allein als Scheidungsgrund in Frage kommen kann, bestand also bei der Klageeinleitung erst seit etwa zwei Jahren.
Wenn die Vorinstanz das Erfordernis der dreijährigen Dauer gleichwohl als erfüllt betrachtete, so deswegen, weil sie die Klageeinleitung darin erblickte, dass der Kläger vor Obergericht sein Scheidungsbegehren unter Berufung auf Art. 141 ZGB erneuerte, und überdies annahm'die Krankheit müsse nicht schon bei der Klageeinleitung, sondern erst bei der Urteilsfällung drei Jahre gedauert haben. Diese letzte Annahme widerspricht jedoch der Rechtsprechung, bei der es nach dem Gesagten bleiben muss. Mit dem Sinne dieser Praxis ist es aber auch nicht verträglich, auf den Zeitpunkt abzustellen, da der Kläger sein Scheidungsbegehren vor Obergericht wieder aufgenommen und erstmals Art. 141 ZGB angerufen hat. Diese prozessuale Stellungnahme des Klägers kann nichts daran ändern, dass er die Klage schon im Mai 1952 und mithin zu früh eingeleitet hat. | de | Divorzio a causa d'infermità mentale (art. 141 CC). Presuppone che lo stato d'infermità che rende insopportabile la continuazione dell'unione coniugale sia già durato tre anni al momento dell'introduzione dell'azione.
Non basta che il termine sia spirato allorchè l'attore invoca per la prima volta l'art. 141 CC nel corso del processo. | it | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-185%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
267 | 80 II 187 | Sachverhalt ab Seite 187
Bei der Scheidung der Ehe der Parteien nach Trennung sprach die Vorinstanz der beklagten Ehefrau eine monatliche Entschädigungsrente im Sinne von Art. 151 Abs, 1 ZGB für verlorenen ehelichen Unterhalt in der Höhe von Fr. 50.- zu mit folgenden Vorbehalten:
"Diese Rente kann
a) bei einer wesentlichen Verminderung der Arbeitsfähigkeit oder Erwerbsmöglichkeit der Beklagten erhöht
b) bei einer unverschuldeten, wesentlichen Verminderung der Arbeitsfähigkeit oder Erwerbsmöglichkeit des Klägers herabgesetzt werden."
Vor Bundesgericht beantragt die Beklagte mit Hauptberufung, dass der Vorbehalt der Herabsetzung, der Kläger mit Anschlussberufung, dass derjenige der Erhöhung gestrichen werde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. ......
2. a) Die Vorinstanz weist zutreffend darauf hin, dass das Bundesgericht mit dem Entscheid i.S. Kunz (BGE 71 II 9) über das Präjudiz i.S. Lösch (BGE 60 II 395) insofern hinausgegangen ist, als im letztern dem Richter nahegelegt wurde, durch Anbringung einer Berichtigungsklausel im Scheidungsurteil dem Leistungspflichtigen die Möglichkeit vorzubehalten, eine Abänderung des Urteils zu verlangen, wenn ihm die fernere Leistung nicht mehr möglich sein sollte, während i.S. Kunz die Herabsetzbarkeit einer solchen Rente schon von Gesetzes wegen, ohne entsprechenden Vorbehalt im Scheidungsurteil, angenommen wird. Die Vorinstanz geht aber in der Auslegung der Art. 151/153 ZGB einen wesentlichen Schritt über diese Praxis hinaus, indem sie, ohne Begründung, darin auch die Rechtfertigung zu einer nachträglichen Erhöhung einer Rente für verlorenen Unterhalt erblickt. Dieser Sinn kann den Motiven der publizierten Entscheide nicht entnommen werden. Bei allen handelte es sich um eine Herabsetzung der Rente infolge Verminderung der Leistungsfähigkeit des Pflichtigen. Auch wo im Laufe der Argumentation gelegentlich von einem Berichtigungsvorbehalt (BGE 60 II 395), von einer Revisionsmöglichkeit (BGE 68 II 8) oder einer "possibilité de modifier ultérieurement le jugement" (77 II 27) schlechthin gesprochen wird, geht aus der übrigen Begründung klar hervor, dass immer nur die Herabsetzbarkeit bezw. Aufhebbarkeit der Rente bejaht werden wollte.
Den Ausgangspunkt bildete unverkennbar die Bestimmung in Art. 153 Abs. 2, welche eine Aufhebung oder Herabsetzung der Bedürftigkeitsrente vorsieht. Die allgemeinen Erwägungen, welche dieser Bestimmung zugrunde liegen, wurden als auch auf die Unterhaltsrente nach Art. 151 zutreffend erklärt (BGE 60 II 395). In der Folge wurde die Frage dahin gestellt, "ob und inwieweit die auf Art. 151 gestützten Unterhaltsansprüche ... entsprechend der eigentlichen Bedürftigkeitsrente des Art. 152 zu behandeln seien", und gefolgert: "Es drängt sich auf, solche Unterhaltsansprüche grundsätzlich gleichfalls der gerichtlichen Herabsetzung ... zu unterstellen"; nun sehe aber Art. 153 Abs. 2 keine nachträgliche Erhöhung, sondern nur eine allfällige Aufhebung oder Herabsetzung vor (BGE 71 II 12). Es handelt sich also offensichtlich um eine analoge Anwendung von Art. 153 Abs. 2 auf die Unterhaltsrente nach Art. 151 in Ansehung des Zutreffens der ratio legis der erstern Bestimmung auf letztern Tatbestand. Die Erweiterung der nachträglichen Abänderbarkeit von der Herabsetzung auf die Erhöhung aber hätte mit analoger Anwendung nichts mehr zu tun, sondern liefe auf eine Ergänzung und Abänderung des Gesetzes hinaus. Die Unhaltbarkeit dieser Gesetzesauslegung erhellt ohne weiteres aus folgender Überlegung: Wird, ausgehend von der durch die bisherige Rechtsprechung gebilligten analogen Anwendung von Art. 153 Abs. 2 auf die Unterhaltsrenten nach Art. 151, für letztere gleich auch die Erhöhungsmöglichkeit angenommen, so ist nicht einzusehen, wieso dieses Auslegungsresultat nicht wiederum kraft der gleichen Analogie rückwärts auf die Bedürftigkeitsrente nach Art. 152/153 Abs. 2 sollte angewendet werden können, auf welche die für die Abänderbarkeit nach oben sprechenden Erwägungen ebensogut zuträfen. Dann aber läge der Widerspruch mit dem Wortlaut des Gesetzes in aller Schärfe zutage, indem schwer denkbar ist, dass Art. 153 Abs. 2 nur von "Aufhebung und Herabsetzung der Rente auf Verlangen des pflichtigen Ehegatten" spräche, wenn daneben auch eine Erhöhung auf Verlangen des berechtigten Ehegatten Platz finden sollte. Dass und warum diese Beschränkung in Art. 153 Abs. 2 nicht auf einem Versehen des Gesetzgebers beruht, sondern von ihm gewollt ist, wurde vom Bundesgericht mit eingehender Begründung dargetan (BGE 77 II 23ff.). Ein Grund, eine Erhöhung der Unterhaltsrente nach Art. 151, im Gegensatz zur Bedürftigkeitsrente nach Art. 152, zuzulassen, kann auch nicht darin erblickt werden, dass jene ein Verschulden des Pflichtigen voraussetzt, diese aber nicht. Wird eine Bedürftigkeitsrente einem schuldigen Ehegatten auferlegt, so bleibt sie dem Art. 153 Abs 2 unterstellt, unterliegt also nur der Herabsetzung oder Aufhebung, und zwar selbst wenn sie zu einem Teil ihren Rechtsgrund in Art. 151 hat (BGE 68 II 8). Abgesehen vom eindeutigen Wortlaut des Art. 153 Abs. 2, hat die bisherige Praxis als entscheidend erachtet, dass die Herabsetzbarkeit - wegen wesentlicher Verschlechterung der Lage des Pflichtigen - und nicht etwa die Abänderbarkeit schlechthin dem Inhalt und Zweck der Unterhaltsrente nach Art. 151 entspreche (BGE 71 II 13). Freilich soll nach Art. 151 Abs. 1 die Entschädigung für beeinträchtigte Vermögensrechte, somit auch für verlorenen ehelichen Unterhalt, angemessen sein. Eine erhebliche Verbesserung z.B. der Einkommensverhältnisse des geschiedenen Ehemanns oder eine wesentliche Verschlechterung der Erwerbsfähigkeit der Frau seit der Scheidung kann zur Folge haben, dass die der Frau in Form einer Rente zugesprochene Entschädigung für verlorenen ehelichen Unterhalt dem Werte des Unterhalts, den sie jetzt bei weiterbestehender Ehe genösse, nicht mehr entspricht, also nicht mehr "angemessen" ist. Das Gesetz geht aber von dem Grundsatz aus, dass mit der Scheidung die Ehe beendigt ist, die finanziellen Nebenfolgen nach Art. 151 /52 auf Grund der zur Zeit des Scheidungsurteils vorhandenen und der mit Sicherheit zu erwartenden Gegebenheiten zu bemessen und die in die Zukunft hineinreichenden Nachwirkungen der Ehe auf das absolut Nötige zu beschränken sind. Damit verträgt sich unter bestimmten, vom Gesetze genannten Voraussetzungen wohl ein Abbau oder die Aufhebung der rechtlichen Verpflichtungen, welche die geschiedenen Ehegatten noch aneinander binden, nicht aber deren Verstärkung durch nachträgliche Erhöhung der geschuldeten Beträge auf Grund späterer Ereignisse und neuer Prozesse.
b) Diese im Sinne des Gesetzes liegende Ordnung kann nicht durch Anbringung entsprechender Vorbehalte im Scheidungsurteil durchbrochen werden. Führt die Auslegung der Art. 151-153 ZGB, wie dargetan, zu der Schlussfolgerung, dass sowohl die Bedürftigkeitsrente nach Art. 152 als die Unterhaltsrente nach Art. 151 nur der nachträglichen Herabsetzung und Aufhebung auf Verlangen des Pflichtigen, nicht aber der Erhöhung auf Verlangen des Berechtigten unterliegt, so ist nicht einzusehen, wieso der Scheidungsrichter etwas, was auf Grund des Gesetzes allein nicht zulässig, weil nach dem klaren Wortlaut ausgeschlossen ist, dadurch sollte ins Scheidungsrecht einführen können, dass er im Scheidungsurteil einen entsprechenden Vorbehalt anbringt. Ein allgemeiner Vorbehalt, wonach die rentenberechtigte Frau bei wesentlicher Verschlechterung ihrer Erwerbsfähigkeit Erhöhung der Rente verlangen kann, macht die Regelung im Scheidungsurteil zu einer nur scheinbar definitiven, indem er neuen Prozessen mit neuem Walten des richterlichen Ermessens ruft. Wo das Gesetz die Möglichkeit einer Neubeurteilung des Rechtsverhältnisses bezw. ein Nachklagerecht zulassen will, weil unvermeidlich, hat es dies ausdrücklich vorgesehen (z.B. Art. 157 ZGB, 46 Abs. 2 OR, 10 EHG).
Mit der Ablehnung des Erhöhungsvorbehalts setzt sich das Bundesgericht mit seiner bisherigen Praxis in dieser Frage keineswegs in Widerspruch. Wenn mit Bezug auf die Bedürftigkeitsrente gesagt wurde, die Möglichkeit späterer Abänderung des Scheidungsurteils "doit donc être restreinte aux cas qui ont été prévus de façon non équivoque par le jugement lui-même" (BGE 77 II 27), so kann man sich zwar noch fragen, ob damit nicht auch ein allgemein gehaltener Erhöhungsvorbehalt im Sinne des von der Vorinstanz angebrachten als zulässig und genügend angesehen werden wollte. Diese Ungewissheit wurde jedoch im folgenden Urteil beseitigt mit der Präzisierung, es habe damit lediglich gesagt werden wollen, "der Scheidungsrichter könne im Urteil anordnen, dass beim Eintritt eines bestimmten, nach den Umständen des konkreten Falles sicher voraussehbaren Ereignisses die Rente sich auf einen bestimmten Betrag erhöhe" (BGE 79 II 136). Diese Möglichkeit, eine künftige ziffermässig fixierte Erhöhung der Unterhaltsrente in Funktion eines bestimmten zukünftigen Ereignisses zum voraus festzusetzen, so dass sie mit diesem automatisch und ohne neuen Prozess rechtskräftig wird und ohne weiteres der Vollstreckung zugänglich ist, bleibt dem Scheidungsrichter vorbehalten. Er kann z.B. dem bei der Scheidung noch vermögenslosen und wenig verdienenden Sohne eines reichen Vaters eine Unterhaltsrente nach Art. 151 von Fr. 50.- auferlegen mit der Bestimmung, dass sie sich ipso iure auf Fr. 100.-- oder 200.-- erhöht, sobald der Pflichtige den Vater beerbt. Oder er kann eine solche bestimmte Erhöhung anordnen für den Zeitpunkt, da die rentenberechtigte Frau ihren Beruf nicht mehr ausüben kann, was eine Erhöhung des Wertes des erlittenen Unterhaltsverlustes bedeutet. Solche dem Betrage nach bestimmte, lediglich suspensiv bedingte Erhöhungsklauseln laufen dem Postulat, dass die Lasten aus der Scheidung von Anfang an bekannt, jederzeit ohne neuen Prozess vollstreckbar und als Nachwirkung der aufgelösten Ehe nicht nachträglicher Intensivierung ausgesetzt sein sollen, nicht zuwider.
Dagegen wäre wohl gegen einen allgemein gehaltenen Vorbehalt eines Nachklagerechts auf Erhöhung der Rente, falls im Rahmen einer Scheidungskonvention von den Parteien vereinbart und dem Gericht zur Genehmigung vorgelegt, grundsätzlich nichts einzuwenden.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung der Beklagten wird abgewiesen, die Anschlussberufung des Klägers teilweise gutgeheissen dahin, dass der Vorbehalt der Erhöhung der Rente (Disp. 2 lit. a des angefochtenen Urteils) aufgehoben wird. Im übrigen wird die Anschlussberufung abgewiesen und das Urteil des Obergerichts bestätigt. | de | Ehescheidung. Entschädigung gemäss Art. 151 Abs. 1 ZGB für verlorenen ehelichen Unterhalt in Form einer Rente. Eine solche Rente kann später allenfalls aufgehoben oder herabgesetzt, nicht aber erhöht werden; letzteres kann auch nicht durch Anbringung eines entsprechenden allgemeinen Vorbehaltes im Scheidungsurteil vorgesehen werden (es wäre denn zufolge Parteivereinbarung im Rahmen einer Scheidungskonvention). Wohl aber kann im Scheidungsurteil zum voraus angeordnet werden, dass beim Eintritt eines bestimmten, nach den Umständen des konkreten Falles sicher voraussehbaren Ereignisses die Rente sich auf einen bestimmten Betrag erhöhe (Art. 151-153 ZGB). | de | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-187%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
268 | 80 II 187 | Sachverhalt ab Seite 187
Bei der Scheidung der Ehe der Parteien nach Trennung sprach die Vorinstanz der beklagten Ehefrau eine monatliche Entschädigungsrente im Sinne von Art. 151 Abs, 1 ZGB für verlorenen ehelichen Unterhalt in der Höhe von Fr. 50.- zu mit folgenden Vorbehalten:
"Diese Rente kann
a) bei einer wesentlichen Verminderung der Arbeitsfähigkeit oder Erwerbsmöglichkeit der Beklagten erhöht
b) bei einer unverschuldeten, wesentlichen Verminderung der Arbeitsfähigkeit oder Erwerbsmöglichkeit des Klägers herabgesetzt werden."
Vor Bundesgericht beantragt die Beklagte mit Hauptberufung, dass der Vorbehalt der Herabsetzung, der Kläger mit Anschlussberufung, dass derjenige der Erhöhung gestrichen werde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. ......
2. a) Die Vorinstanz weist zutreffend darauf hin, dass das Bundesgericht mit dem Entscheid i.S. Kunz (BGE 71 II 9) über das Präjudiz i.S. Lösch (BGE 60 II 395) insofern hinausgegangen ist, als im letztern dem Richter nahegelegt wurde, durch Anbringung einer Berichtigungsklausel im Scheidungsurteil dem Leistungspflichtigen die Möglichkeit vorzubehalten, eine Abänderung des Urteils zu verlangen, wenn ihm die fernere Leistung nicht mehr möglich sein sollte, während i.S. Kunz die Herabsetzbarkeit einer solchen Rente schon von Gesetzes wegen, ohne entsprechenden Vorbehalt im Scheidungsurteil, angenommen wird. Die Vorinstanz geht aber in der Auslegung der Art. 151/153 ZGB einen wesentlichen Schritt über diese Praxis hinaus, indem sie, ohne Begründung, darin auch die Rechtfertigung zu einer nachträglichen Erhöhung einer Rente für verlorenen Unterhalt erblickt. Dieser Sinn kann den Motiven der publizierten Entscheide nicht entnommen werden. Bei allen handelte es sich um eine Herabsetzung der Rente infolge Verminderung der Leistungsfähigkeit des Pflichtigen. Auch wo im Laufe der Argumentation gelegentlich von einem Berichtigungsvorbehalt (BGE 60 II 395), von einer Revisionsmöglichkeit (BGE 68 II 8) oder einer "possibilité de modifier ultérieurement le jugement" (77 II 27) schlechthin gesprochen wird, geht aus der übrigen Begründung klar hervor, dass immer nur die Herabsetzbarkeit bezw. Aufhebbarkeit der Rente bejaht werden wollte.
Den Ausgangspunkt bildete unverkennbar die Bestimmung in Art. 153 Abs. 2, welche eine Aufhebung oder Herabsetzung der Bedürftigkeitsrente vorsieht. Die allgemeinen Erwägungen, welche dieser Bestimmung zugrunde liegen, wurden als auch auf die Unterhaltsrente nach Art. 151 zutreffend erklärt (BGE 60 II 395). In der Folge wurde die Frage dahin gestellt, "ob und inwieweit die auf Art. 151 gestützten Unterhaltsansprüche ... entsprechend der eigentlichen Bedürftigkeitsrente des Art. 152 zu behandeln seien", und gefolgert: "Es drängt sich auf, solche Unterhaltsansprüche grundsätzlich gleichfalls der gerichtlichen Herabsetzung ... zu unterstellen"; nun sehe aber Art. 153 Abs. 2 keine nachträgliche Erhöhung, sondern nur eine allfällige Aufhebung oder Herabsetzung vor (BGE 71 II 12). Es handelt sich also offensichtlich um eine analoge Anwendung von Art. 153 Abs. 2 auf die Unterhaltsrente nach Art. 151 in Ansehung des Zutreffens der ratio legis der erstern Bestimmung auf letztern Tatbestand. Die Erweiterung der nachträglichen Abänderbarkeit von der Herabsetzung auf die Erhöhung aber hätte mit analoger Anwendung nichts mehr zu tun, sondern liefe auf eine Ergänzung und Abänderung des Gesetzes hinaus. Die Unhaltbarkeit dieser Gesetzesauslegung erhellt ohne weiteres aus folgender Überlegung: Wird, ausgehend von der durch die bisherige Rechtsprechung gebilligten analogen Anwendung von Art. 153 Abs. 2 auf die Unterhaltsrenten nach Art. 151, für letztere gleich auch die Erhöhungsmöglichkeit angenommen, so ist nicht einzusehen, wieso dieses Auslegungsresultat nicht wiederum kraft der gleichen Analogie rückwärts auf die Bedürftigkeitsrente nach Art. 152/153 Abs. 2 sollte angewendet werden können, auf welche die für die Abänderbarkeit nach oben sprechenden Erwägungen ebensogut zuträfen. Dann aber läge der Widerspruch mit dem Wortlaut des Gesetzes in aller Schärfe zutage, indem schwer denkbar ist, dass Art. 153 Abs. 2 nur von "Aufhebung und Herabsetzung der Rente auf Verlangen des pflichtigen Ehegatten" spräche, wenn daneben auch eine Erhöhung auf Verlangen des berechtigten Ehegatten Platz finden sollte. Dass und warum diese Beschränkung in Art. 153 Abs. 2 nicht auf einem Versehen des Gesetzgebers beruht, sondern von ihm gewollt ist, wurde vom Bundesgericht mit eingehender Begründung dargetan (BGE 77 II 23ff.). Ein Grund, eine Erhöhung der Unterhaltsrente nach Art. 151, im Gegensatz zur Bedürftigkeitsrente nach Art. 152, zuzulassen, kann auch nicht darin erblickt werden, dass jene ein Verschulden des Pflichtigen voraussetzt, diese aber nicht. Wird eine Bedürftigkeitsrente einem schuldigen Ehegatten auferlegt, so bleibt sie dem Art. 153 Abs 2 unterstellt, unterliegt also nur der Herabsetzung oder Aufhebung, und zwar selbst wenn sie zu einem Teil ihren Rechtsgrund in Art. 151 hat (BGE 68 II 8). Abgesehen vom eindeutigen Wortlaut des Art. 153 Abs. 2, hat die bisherige Praxis als entscheidend erachtet, dass die Herabsetzbarkeit - wegen wesentlicher Verschlechterung der Lage des Pflichtigen - und nicht etwa die Abänderbarkeit schlechthin dem Inhalt und Zweck der Unterhaltsrente nach Art. 151 entspreche (BGE 71 II 13). Freilich soll nach Art. 151 Abs. 1 die Entschädigung für beeinträchtigte Vermögensrechte, somit auch für verlorenen ehelichen Unterhalt, angemessen sein. Eine erhebliche Verbesserung z.B. der Einkommensverhältnisse des geschiedenen Ehemanns oder eine wesentliche Verschlechterung der Erwerbsfähigkeit der Frau seit der Scheidung kann zur Folge haben, dass die der Frau in Form einer Rente zugesprochene Entschädigung für verlorenen ehelichen Unterhalt dem Werte des Unterhalts, den sie jetzt bei weiterbestehender Ehe genösse, nicht mehr entspricht, also nicht mehr "angemessen" ist. Das Gesetz geht aber von dem Grundsatz aus, dass mit der Scheidung die Ehe beendigt ist, die finanziellen Nebenfolgen nach Art. 151 /52 auf Grund der zur Zeit des Scheidungsurteils vorhandenen und der mit Sicherheit zu erwartenden Gegebenheiten zu bemessen und die in die Zukunft hineinreichenden Nachwirkungen der Ehe auf das absolut Nötige zu beschränken sind. Damit verträgt sich unter bestimmten, vom Gesetze genannten Voraussetzungen wohl ein Abbau oder die Aufhebung der rechtlichen Verpflichtungen, welche die geschiedenen Ehegatten noch aneinander binden, nicht aber deren Verstärkung durch nachträgliche Erhöhung der geschuldeten Beträge auf Grund späterer Ereignisse und neuer Prozesse.
b) Diese im Sinne des Gesetzes liegende Ordnung kann nicht durch Anbringung entsprechender Vorbehalte im Scheidungsurteil durchbrochen werden. Führt die Auslegung der Art. 151-153 ZGB, wie dargetan, zu der Schlussfolgerung, dass sowohl die Bedürftigkeitsrente nach Art. 152 als die Unterhaltsrente nach Art. 151 nur der nachträglichen Herabsetzung und Aufhebung auf Verlangen des Pflichtigen, nicht aber der Erhöhung auf Verlangen des Berechtigten unterliegt, so ist nicht einzusehen, wieso der Scheidungsrichter etwas, was auf Grund des Gesetzes allein nicht zulässig, weil nach dem klaren Wortlaut ausgeschlossen ist, dadurch sollte ins Scheidungsrecht einführen können, dass er im Scheidungsurteil einen entsprechenden Vorbehalt anbringt. Ein allgemeiner Vorbehalt, wonach die rentenberechtigte Frau bei wesentlicher Verschlechterung ihrer Erwerbsfähigkeit Erhöhung der Rente verlangen kann, macht die Regelung im Scheidungsurteil zu einer nur scheinbar definitiven, indem er neuen Prozessen mit neuem Walten des richterlichen Ermessens ruft. Wo das Gesetz die Möglichkeit einer Neubeurteilung des Rechtsverhältnisses bezw. ein Nachklagerecht zulassen will, weil unvermeidlich, hat es dies ausdrücklich vorgesehen (z.B. Art. 157 ZGB, 46 Abs. 2 OR, 10 EHG).
Mit der Ablehnung des Erhöhungsvorbehalts setzt sich das Bundesgericht mit seiner bisherigen Praxis in dieser Frage keineswegs in Widerspruch. Wenn mit Bezug auf die Bedürftigkeitsrente gesagt wurde, die Möglichkeit späterer Abänderung des Scheidungsurteils "doit donc être restreinte aux cas qui ont été prévus de façon non équivoque par le jugement lui-même" (BGE 77 II 27), so kann man sich zwar noch fragen, ob damit nicht auch ein allgemein gehaltener Erhöhungsvorbehalt im Sinne des von der Vorinstanz angebrachten als zulässig und genügend angesehen werden wollte. Diese Ungewissheit wurde jedoch im folgenden Urteil beseitigt mit der Präzisierung, es habe damit lediglich gesagt werden wollen, "der Scheidungsrichter könne im Urteil anordnen, dass beim Eintritt eines bestimmten, nach den Umständen des konkreten Falles sicher voraussehbaren Ereignisses die Rente sich auf einen bestimmten Betrag erhöhe" (BGE 79 II 136). Diese Möglichkeit, eine künftige ziffermässig fixierte Erhöhung der Unterhaltsrente in Funktion eines bestimmten zukünftigen Ereignisses zum voraus festzusetzen, so dass sie mit diesem automatisch und ohne neuen Prozess rechtskräftig wird und ohne weiteres der Vollstreckung zugänglich ist, bleibt dem Scheidungsrichter vorbehalten. Er kann z.B. dem bei der Scheidung noch vermögenslosen und wenig verdienenden Sohne eines reichen Vaters eine Unterhaltsrente nach Art. 151 von Fr. 50.- auferlegen mit der Bestimmung, dass sie sich ipso iure auf Fr. 100.-- oder 200.-- erhöht, sobald der Pflichtige den Vater beerbt. Oder er kann eine solche bestimmte Erhöhung anordnen für den Zeitpunkt, da die rentenberechtigte Frau ihren Beruf nicht mehr ausüben kann, was eine Erhöhung des Wertes des erlittenen Unterhaltsverlustes bedeutet. Solche dem Betrage nach bestimmte, lediglich suspensiv bedingte Erhöhungsklauseln laufen dem Postulat, dass die Lasten aus der Scheidung von Anfang an bekannt, jederzeit ohne neuen Prozess vollstreckbar und als Nachwirkung der aufgelösten Ehe nicht nachträglicher Intensivierung ausgesetzt sein sollen, nicht zuwider.
Dagegen wäre wohl gegen einen allgemein gehaltenen Vorbehalt eines Nachklagerechts auf Erhöhung der Rente, falls im Rahmen einer Scheidungskonvention von den Parteien vereinbart und dem Gericht zur Genehmigung vorgelegt, grundsätzlich nichts einzuwenden.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung der Beklagten wird abgewiesen, die Anschlussberufung des Klägers teilweise gutgeheissen dahin, dass der Vorbehalt der Erhöhung der Rente (Disp. 2 lit. a des angefochtenen Urteils) aufgehoben wird. Im übrigen wird die Anschlussberufung abgewiesen und das Urteil des Obergerichts bestätigt. | de | Divorce. Indemnité sous forme de rente visée à l'art. 151 al. 1 CC pour perte du droit à l'entretien. Cette rente peut être éventuellement supprimée ou réduite mais non pas augmentée, même s'il est fait à ce sujet une réserve générale dans le jugement de divorce (sauf le cas où ce serait en conséquence d'une convention conclue en vue du divorce). En revanche le jugement peut ordonner que lorsque surviendra un événement déterminé, qui se produira certainement d'après les circonstances de l'espèce, la rente sera augmentée d'un montant déterminé (art. 151 à 153 CC). | fr | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-187%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
269 | 80 II 187 | Sachverhalt ab Seite 187
Bei der Scheidung der Ehe der Parteien nach Trennung sprach die Vorinstanz der beklagten Ehefrau eine monatliche Entschädigungsrente im Sinne von Art. 151 Abs, 1 ZGB für verlorenen ehelichen Unterhalt in der Höhe von Fr. 50.- zu mit folgenden Vorbehalten:
"Diese Rente kann
a) bei einer wesentlichen Verminderung der Arbeitsfähigkeit oder Erwerbsmöglichkeit der Beklagten erhöht
b) bei einer unverschuldeten, wesentlichen Verminderung der Arbeitsfähigkeit oder Erwerbsmöglichkeit des Klägers herabgesetzt werden."
Vor Bundesgericht beantragt die Beklagte mit Hauptberufung, dass der Vorbehalt der Herabsetzung, der Kläger mit Anschlussberufung, dass derjenige der Erhöhung gestrichen werde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. ......
2. a) Die Vorinstanz weist zutreffend darauf hin, dass das Bundesgericht mit dem Entscheid i.S. Kunz (BGE 71 II 9) über das Präjudiz i.S. Lösch (BGE 60 II 395) insofern hinausgegangen ist, als im letztern dem Richter nahegelegt wurde, durch Anbringung einer Berichtigungsklausel im Scheidungsurteil dem Leistungspflichtigen die Möglichkeit vorzubehalten, eine Abänderung des Urteils zu verlangen, wenn ihm die fernere Leistung nicht mehr möglich sein sollte, während i.S. Kunz die Herabsetzbarkeit einer solchen Rente schon von Gesetzes wegen, ohne entsprechenden Vorbehalt im Scheidungsurteil, angenommen wird. Die Vorinstanz geht aber in der Auslegung der Art. 151/153 ZGB einen wesentlichen Schritt über diese Praxis hinaus, indem sie, ohne Begründung, darin auch die Rechtfertigung zu einer nachträglichen Erhöhung einer Rente für verlorenen Unterhalt erblickt. Dieser Sinn kann den Motiven der publizierten Entscheide nicht entnommen werden. Bei allen handelte es sich um eine Herabsetzung der Rente infolge Verminderung der Leistungsfähigkeit des Pflichtigen. Auch wo im Laufe der Argumentation gelegentlich von einem Berichtigungsvorbehalt (BGE 60 II 395), von einer Revisionsmöglichkeit (BGE 68 II 8) oder einer "possibilité de modifier ultérieurement le jugement" (77 II 27) schlechthin gesprochen wird, geht aus der übrigen Begründung klar hervor, dass immer nur die Herabsetzbarkeit bezw. Aufhebbarkeit der Rente bejaht werden wollte.
Den Ausgangspunkt bildete unverkennbar die Bestimmung in Art. 153 Abs. 2, welche eine Aufhebung oder Herabsetzung der Bedürftigkeitsrente vorsieht. Die allgemeinen Erwägungen, welche dieser Bestimmung zugrunde liegen, wurden als auch auf die Unterhaltsrente nach Art. 151 zutreffend erklärt (BGE 60 II 395). In der Folge wurde die Frage dahin gestellt, "ob und inwieweit die auf Art. 151 gestützten Unterhaltsansprüche ... entsprechend der eigentlichen Bedürftigkeitsrente des Art. 152 zu behandeln seien", und gefolgert: "Es drängt sich auf, solche Unterhaltsansprüche grundsätzlich gleichfalls der gerichtlichen Herabsetzung ... zu unterstellen"; nun sehe aber Art. 153 Abs. 2 keine nachträgliche Erhöhung, sondern nur eine allfällige Aufhebung oder Herabsetzung vor (BGE 71 II 12). Es handelt sich also offensichtlich um eine analoge Anwendung von Art. 153 Abs. 2 auf die Unterhaltsrente nach Art. 151 in Ansehung des Zutreffens der ratio legis der erstern Bestimmung auf letztern Tatbestand. Die Erweiterung der nachträglichen Abänderbarkeit von der Herabsetzung auf die Erhöhung aber hätte mit analoger Anwendung nichts mehr zu tun, sondern liefe auf eine Ergänzung und Abänderung des Gesetzes hinaus. Die Unhaltbarkeit dieser Gesetzesauslegung erhellt ohne weiteres aus folgender Überlegung: Wird, ausgehend von der durch die bisherige Rechtsprechung gebilligten analogen Anwendung von Art. 153 Abs. 2 auf die Unterhaltsrenten nach Art. 151, für letztere gleich auch die Erhöhungsmöglichkeit angenommen, so ist nicht einzusehen, wieso dieses Auslegungsresultat nicht wiederum kraft der gleichen Analogie rückwärts auf die Bedürftigkeitsrente nach Art. 152/153 Abs. 2 sollte angewendet werden können, auf welche die für die Abänderbarkeit nach oben sprechenden Erwägungen ebensogut zuträfen. Dann aber läge der Widerspruch mit dem Wortlaut des Gesetzes in aller Schärfe zutage, indem schwer denkbar ist, dass Art. 153 Abs. 2 nur von "Aufhebung und Herabsetzung der Rente auf Verlangen des pflichtigen Ehegatten" spräche, wenn daneben auch eine Erhöhung auf Verlangen des berechtigten Ehegatten Platz finden sollte. Dass und warum diese Beschränkung in Art. 153 Abs. 2 nicht auf einem Versehen des Gesetzgebers beruht, sondern von ihm gewollt ist, wurde vom Bundesgericht mit eingehender Begründung dargetan (BGE 77 II 23ff.). Ein Grund, eine Erhöhung der Unterhaltsrente nach Art. 151, im Gegensatz zur Bedürftigkeitsrente nach Art. 152, zuzulassen, kann auch nicht darin erblickt werden, dass jene ein Verschulden des Pflichtigen voraussetzt, diese aber nicht. Wird eine Bedürftigkeitsrente einem schuldigen Ehegatten auferlegt, so bleibt sie dem Art. 153 Abs 2 unterstellt, unterliegt also nur der Herabsetzung oder Aufhebung, und zwar selbst wenn sie zu einem Teil ihren Rechtsgrund in Art. 151 hat (BGE 68 II 8). Abgesehen vom eindeutigen Wortlaut des Art. 153 Abs. 2, hat die bisherige Praxis als entscheidend erachtet, dass die Herabsetzbarkeit - wegen wesentlicher Verschlechterung der Lage des Pflichtigen - und nicht etwa die Abänderbarkeit schlechthin dem Inhalt und Zweck der Unterhaltsrente nach Art. 151 entspreche (BGE 71 II 13). Freilich soll nach Art. 151 Abs. 1 die Entschädigung für beeinträchtigte Vermögensrechte, somit auch für verlorenen ehelichen Unterhalt, angemessen sein. Eine erhebliche Verbesserung z.B. der Einkommensverhältnisse des geschiedenen Ehemanns oder eine wesentliche Verschlechterung der Erwerbsfähigkeit der Frau seit der Scheidung kann zur Folge haben, dass die der Frau in Form einer Rente zugesprochene Entschädigung für verlorenen ehelichen Unterhalt dem Werte des Unterhalts, den sie jetzt bei weiterbestehender Ehe genösse, nicht mehr entspricht, also nicht mehr "angemessen" ist. Das Gesetz geht aber von dem Grundsatz aus, dass mit der Scheidung die Ehe beendigt ist, die finanziellen Nebenfolgen nach Art. 151 /52 auf Grund der zur Zeit des Scheidungsurteils vorhandenen und der mit Sicherheit zu erwartenden Gegebenheiten zu bemessen und die in die Zukunft hineinreichenden Nachwirkungen der Ehe auf das absolut Nötige zu beschränken sind. Damit verträgt sich unter bestimmten, vom Gesetze genannten Voraussetzungen wohl ein Abbau oder die Aufhebung der rechtlichen Verpflichtungen, welche die geschiedenen Ehegatten noch aneinander binden, nicht aber deren Verstärkung durch nachträgliche Erhöhung der geschuldeten Beträge auf Grund späterer Ereignisse und neuer Prozesse.
b) Diese im Sinne des Gesetzes liegende Ordnung kann nicht durch Anbringung entsprechender Vorbehalte im Scheidungsurteil durchbrochen werden. Führt die Auslegung der Art. 151-153 ZGB, wie dargetan, zu der Schlussfolgerung, dass sowohl die Bedürftigkeitsrente nach Art. 152 als die Unterhaltsrente nach Art. 151 nur der nachträglichen Herabsetzung und Aufhebung auf Verlangen des Pflichtigen, nicht aber der Erhöhung auf Verlangen des Berechtigten unterliegt, so ist nicht einzusehen, wieso der Scheidungsrichter etwas, was auf Grund des Gesetzes allein nicht zulässig, weil nach dem klaren Wortlaut ausgeschlossen ist, dadurch sollte ins Scheidungsrecht einführen können, dass er im Scheidungsurteil einen entsprechenden Vorbehalt anbringt. Ein allgemeiner Vorbehalt, wonach die rentenberechtigte Frau bei wesentlicher Verschlechterung ihrer Erwerbsfähigkeit Erhöhung der Rente verlangen kann, macht die Regelung im Scheidungsurteil zu einer nur scheinbar definitiven, indem er neuen Prozessen mit neuem Walten des richterlichen Ermessens ruft. Wo das Gesetz die Möglichkeit einer Neubeurteilung des Rechtsverhältnisses bezw. ein Nachklagerecht zulassen will, weil unvermeidlich, hat es dies ausdrücklich vorgesehen (z.B. Art. 157 ZGB, 46 Abs. 2 OR, 10 EHG).
Mit der Ablehnung des Erhöhungsvorbehalts setzt sich das Bundesgericht mit seiner bisherigen Praxis in dieser Frage keineswegs in Widerspruch. Wenn mit Bezug auf die Bedürftigkeitsrente gesagt wurde, die Möglichkeit späterer Abänderung des Scheidungsurteils "doit donc être restreinte aux cas qui ont été prévus de façon non équivoque par le jugement lui-même" (BGE 77 II 27), so kann man sich zwar noch fragen, ob damit nicht auch ein allgemein gehaltener Erhöhungsvorbehalt im Sinne des von der Vorinstanz angebrachten als zulässig und genügend angesehen werden wollte. Diese Ungewissheit wurde jedoch im folgenden Urteil beseitigt mit der Präzisierung, es habe damit lediglich gesagt werden wollen, "der Scheidungsrichter könne im Urteil anordnen, dass beim Eintritt eines bestimmten, nach den Umständen des konkreten Falles sicher voraussehbaren Ereignisses die Rente sich auf einen bestimmten Betrag erhöhe" (BGE 79 II 136). Diese Möglichkeit, eine künftige ziffermässig fixierte Erhöhung der Unterhaltsrente in Funktion eines bestimmten zukünftigen Ereignisses zum voraus festzusetzen, so dass sie mit diesem automatisch und ohne neuen Prozess rechtskräftig wird und ohne weiteres der Vollstreckung zugänglich ist, bleibt dem Scheidungsrichter vorbehalten. Er kann z.B. dem bei der Scheidung noch vermögenslosen und wenig verdienenden Sohne eines reichen Vaters eine Unterhaltsrente nach Art. 151 von Fr. 50.- auferlegen mit der Bestimmung, dass sie sich ipso iure auf Fr. 100.-- oder 200.-- erhöht, sobald der Pflichtige den Vater beerbt. Oder er kann eine solche bestimmte Erhöhung anordnen für den Zeitpunkt, da die rentenberechtigte Frau ihren Beruf nicht mehr ausüben kann, was eine Erhöhung des Wertes des erlittenen Unterhaltsverlustes bedeutet. Solche dem Betrage nach bestimmte, lediglich suspensiv bedingte Erhöhungsklauseln laufen dem Postulat, dass die Lasten aus der Scheidung von Anfang an bekannt, jederzeit ohne neuen Prozess vollstreckbar und als Nachwirkung der aufgelösten Ehe nicht nachträglicher Intensivierung ausgesetzt sein sollen, nicht zuwider.
Dagegen wäre wohl gegen einen allgemein gehaltenen Vorbehalt eines Nachklagerechts auf Erhöhung der Rente, falls im Rahmen einer Scheidungskonvention von den Parteien vereinbart und dem Gericht zur Genehmigung vorgelegt, grundsätzlich nichts einzuwenden.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung der Beklagten wird abgewiesen, die Anschlussberufung des Klägers teilweise gutgeheissen dahin, dass der Vorbehalt der Erhöhung der Rente (Disp. 2 lit. a des angefochtenen Urteils) aufgehoben wird. Im übrigen wird die Anschlussberufung abgewiesen und das Urteil des Obergerichts bestätigt. | de | Divorzio. Indennità in forma di rendita a'sensi dell'art. 151 cp. 1 CC in seguito a perdita del diritto al mantenimento. Tale rendita può essere eventualmente soppressa o ridotta, ma non aumentata, anche se nella sentenza di divorzio sia contenuta una riserva generale a questo riguardo (salvo il caso d'una convenzione stipulata dalle parti in vista del divorzio). La sentenza può nondimeno statuire che la rendita subirà un aumento determinato quando subentrerà un determinato evento, il cui verificarsi appare certo nelle circostanze del caso concreto (art. 151-153 CC). | it | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-187%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
270 | 80 II 193 | Erwägungen ab Seite 193
Die Vorinstanz hat angenommen, dass in den Umständen, die zur Scheidung geführt haben, eine schwere Verletzung der persönlichen Verhältnisse der Klägerin im Sinne des Art. 151 Abs. 2 ZGB liege. Sie hat aber gefunden, dass die von der Klägerin zum Zwecke der Genugtuung geforderte Zahlung von einem Franken nur symbolische Bedeutung habe und eine solche Genugtuung dem Art. 151 Abs. 2 ZGB fremd sei. Dem ist beizustimmen. Die Klägerin gibt zu, dass es ihr nur um die grundsätzliche Anerkennung des Genugtuungsanspruches durch den Richter zu tun ist; sie sucht ihre Genugtuung darin, dass der Richter - durch Zusprechung eines Frankens - das Verhalten des Beklagten ihr gegenüber missbilligt.
Was sie anstrebt, ist somit genau besehen eine "andere Art der Genugtuung" im Sinne des Art. 49 Abs. 2 OR (vgl. BGE 63 II 187, 189 f.). Das gibt es aber im Scheidungsrecht nicht. Art. 151 ZGB sieht für den Fall einer schweren Verletzung der persönlichen Verhältnisse des schuldlosen Ehegatten als Genugtuung nur die Übergabe einer Geldsumme vor. Diese Regel geht der allgemeinen des Art. 49 OR vor. Im Scheidungsrecht besteht kein Bedürfnis nach entsprechender Anwendung des Art. 49 Abs. 2 OR. | de | Art. 151 Abs. 2 ZGB. Wegen schwerer Verletzung der persönlichen Verhältnisse kann der Richter dem schuldlosen Ehegatten nur eine Geldsumme, nicht auch eine andere Art der Genugtuung zusprechen, wie z.B. einen Franken. | de | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-193%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
271 | 80 II 193 | Erwägungen ab Seite 193
Die Vorinstanz hat angenommen, dass in den Umständen, die zur Scheidung geführt haben, eine schwere Verletzung der persönlichen Verhältnisse der Klägerin im Sinne des Art. 151 Abs. 2 ZGB liege. Sie hat aber gefunden, dass die von der Klägerin zum Zwecke der Genugtuung geforderte Zahlung von einem Franken nur symbolische Bedeutung habe und eine solche Genugtuung dem Art. 151 Abs. 2 ZGB fremd sei. Dem ist beizustimmen. Die Klägerin gibt zu, dass es ihr nur um die grundsätzliche Anerkennung des Genugtuungsanspruches durch den Richter zu tun ist; sie sucht ihre Genugtuung darin, dass der Richter - durch Zusprechung eines Frankens - das Verhalten des Beklagten ihr gegenüber missbilligt.
Was sie anstrebt, ist somit genau besehen eine "andere Art der Genugtuung" im Sinne des Art. 49 Abs. 2 OR (vgl. BGE 63 II 187, 189 f.). Das gibt es aber im Scheidungsrecht nicht. Art. 151 ZGB sieht für den Fall einer schweren Verletzung der persönlichen Verhältnisse des schuldlosen Ehegatten als Genugtuung nur die Übergabe einer Geldsumme vor. Diese Regel geht der allgemeinen des Art. 49 OR vor. Im Scheidungsrecht besteht kein Bedürfnis nach entsprechender Anwendung des Art. 49 Abs. 2 OR. | de | Art. 151 al. 2 CC. Le juge ne peut accorder qu'une somme d'argent à l'époux innocent qui a subi une grave atteinte dans ses intérêts personnels; un autre mode de réparation morale, comme l'allocation d'un franc symbolique, est exclu. | fr | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-193%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
272 | 80 II 193 | Erwägungen ab Seite 193
Die Vorinstanz hat angenommen, dass in den Umständen, die zur Scheidung geführt haben, eine schwere Verletzung der persönlichen Verhältnisse der Klägerin im Sinne des Art. 151 Abs. 2 ZGB liege. Sie hat aber gefunden, dass die von der Klägerin zum Zwecke der Genugtuung geforderte Zahlung von einem Franken nur symbolische Bedeutung habe und eine solche Genugtuung dem Art. 151 Abs. 2 ZGB fremd sei. Dem ist beizustimmen. Die Klägerin gibt zu, dass es ihr nur um die grundsätzliche Anerkennung des Genugtuungsanspruches durch den Richter zu tun ist; sie sucht ihre Genugtuung darin, dass der Richter - durch Zusprechung eines Frankens - das Verhalten des Beklagten ihr gegenüber missbilligt.
Was sie anstrebt, ist somit genau besehen eine "andere Art der Genugtuung" im Sinne des Art. 49 Abs. 2 OR (vgl. BGE 63 II 187, 189 f.). Das gibt es aber im Scheidungsrecht nicht. Art. 151 ZGB sieht für den Fall einer schweren Verletzung der persönlichen Verhältnisse des schuldlosen Ehegatten als Genugtuung nur die Übergabe einer Geldsumme vor. Diese Regel geht der allgemeinen des Art. 49 OR vor. Im Scheidungsrecht besteht kein Bedürfnis nach entsprechender Anwendung des Art. 49 Abs. 2 OR. | de | Art. 151 cp. 2 CC. Il giudice può accordare al coniuge innocente che abbia subìto un grave pregiudizio nelle sue relazioni personali solamente una somma di denaro; è escluso un altro modo di riparazione morale, ad esempio l'attribuzione di un franco simbolico. | it | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-193%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
273 | 80 II 194 | Sachverhalt ab Seite 194
Im Erbteilungsstreite zwischen Müller, dem Witwer, und Kobler, dem Sohne der im Jahre 1944 gestorbenen Erblasserin stellte das Kantonsgericht St. Gallen bei der Bewertung des am Todestag der Erblasserin vorhanden gewesenen ehelichen Vermögens, die es zwecks Ermittlung des zum Nachlass gehörenden Anteils am Vorschlag durchführte, Fr. 5001.20 für Rückstellungen auf Kundenguthaben unter die Passiven ein. Das Bundesgericht bestätigt diese Entscheidung.
Erwägungen
Erwägungen:
Der Beklagte macht mit seiner Anschlussberufung in erster Linie geltend, die Vorinstanz habe bei der Bewertung des ehelichen Vermögens unter die Passiven zu Unrecht einen Posten von Fr. 5001.20 für Rückstellungen auf Kundenguthaben aufgenommen. Eine solche Rückstellung wäre nach seiner Ansicht nur dann gerechtfertigt gewesen, wenn die Teilung sofort nach dem Tode der Erblasserin vorgenommen worden und die Einbringlichkeit der fraglichen Forderungen deshalb noch ganz ungewiss gewesen wäre. Im vorliegenden Falle, wo die Teilung erst viel später erfolgte, lasse sich dagegen - so führt der Beklagte aus - auf Grund der Buchhaltung genau feststellen, welche beanstandeten Forderungen tatsächlich voll, welche teilweise und welche gar nicht eingebracht werden konnten. Auch die Inkassospesen seien feststellbar. Da die Behörde somit bei den Forderungen (im Gegensatz zum Fahrzeugpark) nicht auf eine Schätzung angewiesen sei, sei sie verpflichtet, die realen Werte bei der Nachlassteilung zu berücksichtigen. Dies hätte auch dann gegolten, wenn eine seinerzeit als vollwertig betrachtete Forderung sich in der Folge als uneinbringlich erwiesen hätte. Für einen besondern Passivposten "Rückstellungen" sei nach Abwicklung des ganzen Inkassos kein Platz mehr. Mit ihrer gegenteiligen Annahme habe die Vorinstanz den Nachlass zu seinem Nachteil mit hypothetischen, in Wirklichkeit gar nicht bestehenden Passiven belastet. Damit habe sie Art. 214, 457 und 462 ZGB verletzt.
Dem Beklagten wäre im Ergebnis Recht zu geben, wenn die Kundenguthaben, für welche Rückstellungen gemacht wurden, selbst Gegenstand der Erbteilung wären. Dies trifft hier aber nicht zu. Die Guthaben gehören nicht zum Nachlass, sondern stehen dem Witwer zu. Der Beklagte ist als Erbe nur mittelbar daran interessiert, insofern nämlich, als sie die Höhe des Vorschlags beeinflussen, von dem ein Drittel zum Nachlass gehört, an dem er beteiligt ist. Bei diesem Vorschlagsdrittel handelt es sich um eine Forderung der Erbengemeinschaft an den überlebenden Ehemann der Erblasserin. Die Höhe dieser Forderung bestimmt sich ausschliesslich nach dem Vermögensstand am Todestag der Erblasserin. Auf später eintretende Ereignisse darf bei der Berechnung dieser Forderung nicht Rücksicht genommen werden, weil eben die Ehe, die eine Beteiligung der Ehefrau bzw. ihrer Erben am Vorschlag rechtfertigt, durch den Tod aufgelöst wird. Demgemäss sind die Guthaben des Ehemanns zur Ermittlung des Vorschlagsanteils mit dem Werte einzustellen, der ihnen nach den Tatsachen zukam, die am Todestag bekannt waren oder doch bekannt sein konnten. Für Guthaben, die damals mit Grund als zweifelhaft erachtet werden konnten, ist daher, falls sie mit ihrem Nominalbetrag unter die Aktiven aufgenommen werden, auf der Passivenseite eine entsprechende Rückstellung einzusetzen. Die Höhe der Rückstellung hat sich einzig und allein nach den Verhältnissen am Todestag zu richten, nicht nach dem Ergebnis nachher erfolgter Inkassobemühungen, das von Umständen abhängen kann, die beim Tode der Erblasserin nicht voraussehbar waren. Eine Forderung, die am Todestag als nicht oder nur teilweise einbringlich angesehen werden musste, war damals, was sich insbesondere bei ihrer Veräusserung gezeigt hätte, nicht vollwertig, auch wenn sie später voll bezahlt wurde, und darf daher nicht einfach mit ihrem Nennwert zu dem am Todestag vorhandenen Vermögen gerechnet werden. Umgekehrt muss eine Forderung, die nach den Verhältnissen an jenem Tage als gut erschien, ohne Einschlag in Rechnung gestellt werden, auch wenn der Ehemann damit später zu Verlust kam. Ereignisse, die bei einer unmittelbar nach dem Todestag vorgenommenen Berechnung des Vorschlags notwendigerweise ausser Betracht geblieben wären, dürfen auch später nicht berücksichtigt werden. Die gegenteilige Ansicht des Beklagten beruht auf einer Verkennung des wesentlichen Unterschieds zwischen der Teilung des Vorschlags, bei der es sich um die Berechnung eines Anspruchs aus einem durch den Tod aufgelösten Rechtsverhältnis handelt, und der Erbteilung, die eine Auseinandersetzung zwischen Gesamtberechtigten bedeutet.
Ob die grundsätzlich zulässigen Rückstellungen (die nicht Schuld-, sondern Wertberichtigungsposten darstellen) in Ansehung der Verhältnisse am Todestag richtig bemessen worden seien, ist im wesentlichen eine Tat- und Ermessensfrage, die das Bundesgericht nicht überprüfen kann. Dass die Vorinstanz mit der Nichtanordnung der von ihm beantragten Oberexpertise Bundesrecht verletzt habe, behauptet der Beklagte mit Recht nicht. Er hat vielmehr heute auf die Durchführung einer Oberexpertise ausdrücklich verzichtet.
Hinsichtlich der Rückstellungen ist die Anschlussberufung somit unbegründet. | de | Güterrechtliche Auseinandersetzung bei Auflösung der Ehe durch den Tod; Berechnung des Vorschlags (Art. 214 ZGB). Für die Bewertung von Forderungen, die zu dem am Todestag vorhanden gewesenen ehelichen Vermögen gehörten, sind die damaligen Verhältnisse massgebend. | de | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-194%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
274 | 80 II 194 | Sachverhalt ab Seite 194
Im Erbteilungsstreite zwischen Müller, dem Witwer, und Kobler, dem Sohne der im Jahre 1944 gestorbenen Erblasserin stellte das Kantonsgericht St. Gallen bei der Bewertung des am Todestag der Erblasserin vorhanden gewesenen ehelichen Vermögens, die es zwecks Ermittlung des zum Nachlass gehörenden Anteils am Vorschlag durchführte, Fr. 5001.20 für Rückstellungen auf Kundenguthaben unter die Passiven ein. Das Bundesgericht bestätigt diese Entscheidung.
Erwägungen
Erwägungen:
Der Beklagte macht mit seiner Anschlussberufung in erster Linie geltend, die Vorinstanz habe bei der Bewertung des ehelichen Vermögens unter die Passiven zu Unrecht einen Posten von Fr. 5001.20 für Rückstellungen auf Kundenguthaben aufgenommen. Eine solche Rückstellung wäre nach seiner Ansicht nur dann gerechtfertigt gewesen, wenn die Teilung sofort nach dem Tode der Erblasserin vorgenommen worden und die Einbringlichkeit der fraglichen Forderungen deshalb noch ganz ungewiss gewesen wäre. Im vorliegenden Falle, wo die Teilung erst viel später erfolgte, lasse sich dagegen - so führt der Beklagte aus - auf Grund der Buchhaltung genau feststellen, welche beanstandeten Forderungen tatsächlich voll, welche teilweise und welche gar nicht eingebracht werden konnten. Auch die Inkassospesen seien feststellbar. Da die Behörde somit bei den Forderungen (im Gegensatz zum Fahrzeugpark) nicht auf eine Schätzung angewiesen sei, sei sie verpflichtet, die realen Werte bei der Nachlassteilung zu berücksichtigen. Dies hätte auch dann gegolten, wenn eine seinerzeit als vollwertig betrachtete Forderung sich in der Folge als uneinbringlich erwiesen hätte. Für einen besondern Passivposten "Rückstellungen" sei nach Abwicklung des ganzen Inkassos kein Platz mehr. Mit ihrer gegenteiligen Annahme habe die Vorinstanz den Nachlass zu seinem Nachteil mit hypothetischen, in Wirklichkeit gar nicht bestehenden Passiven belastet. Damit habe sie Art. 214, 457 und 462 ZGB verletzt.
Dem Beklagten wäre im Ergebnis Recht zu geben, wenn die Kundenguthaben, für welche Rückstellungen gemacht wurden, selbst Gegenstand der Erbteilung wären. Dies trifft hier aber nicht zu. Die Guthaben gehören nicht zum Nachlass, sondern stehen dem Witwer zu. Der Beklagte ist als Erbe nur mittelbar daran interessiert, insofern nämlich, als sie die Höhe des Vorschlags beeinflussen, von dem ein Drittel zum Nachlass gehört, an dem er beteiligt ist. Bei diesem Vorschlagsdrittel handelt es sich um eine Forderung der Erbengemeinschaft an den überlebenden Ehemann der Erblasserin. Die Höhe dieser Forderung bestimmt sich ausschliesslich nach dem Vermögensstand am Todestag der Erblasserin. Auf später eintretende Ereignisse darf bei der Berechnung dieser Forderung nicht Rücksicht genommen werden, weil eben die Ehe, die eine Beteiligung der Ehefrau bzw. ihrer Erben am Vorschlag rechtfertigt, durch den Tod aufgelöst wird. Demgemäss sind die Guthaben des Ehemanns zur Ermittlung des Vorschlagsanteils mit dem Werte einzustellen, der ihnen nach den Tatsachen zukam, die am Todestag bekannt waren oder doch bekannt sein konnten. Für Guthaben, die damals mit Grund als zweifelhaft erachtet werden konnten, ist daher, falls sie mit ihrem Nominalbetrag unter die Aktiven aufgenommen werden, auf der Passivenseite eine entsprechende Rückstellung einzusetzen. Die Höhe der Rückstellung hat sich einzig und allein nach den Verhältnissen am Todestag zu richten, nicht nach dem Ergebnis nachher erfolgter Inkassobemühungen, das von Umständen abhängen kann, die beim Tode der Erblasserin nicht voraussehbar waren. Eine Forderung, die am Todestag als nicht oder nur teilweise einbringlich angesehen werden musste, war damals, was sich insbesondere bei ihrer Veräusserung gezeigt hätte, nicht vollwertig, auch wenn sie später voll bezahlt wurde, und darf daher nicht einfach mit ihrem Nennwert zu dem am Todestag vorhandenen Vermögen gerechnet werden. Umgekehrt muss eine Forderung, die nach den Verhältnissen an jenem Tage als gut erschien, ohne Einschlag in Rechnung gestellt werden, auch wenn der Ehemann damit später zu Verlust kam. Ereignisse, die bei einer unmittelbar nach dem Todestag vorgenommenen Berechnung des Vorschlags notwendigerweise ausser Betracht geblieben wären, dürfen auch später nicht berücksichtigt werden. Die gegenteilige Ansicht des Beklagten beruht auf einer Verkennung des wesentlichen Unterschieds zwischen der Teilung des Vorschlags, bei der es sich um die Berechnung eines Anspruchs aus einem durch den Tod aufgelösten Rechtsverhältnis handelt, und der Erbteilung, die eine Auseinandersetzung zwischen Gesamtberechtigten bedeutet.
Ob die grundsätzlich zulässigen Rückstellungen (die nicht Schuld-, sondern Wertberichtigungsposten darstellen) in Ansehung der Verhältnisse am Todestag richtig bemessen worden seien, ist im wesentlichen eine Tat- und Ermessensfrage, die das Bundesgericht nicht überprüfen kann. Dass die Vorinstanz mit der Nichtanordnung der von ihm beantragten Oberexpertise Bundesrecht verletzt habe, behauptet der Beklagte mit Recht nicht. Er hat vielmehr heute auf die Durchführung einer Oberexpertise ausdrücklich verzichtet.
Hinsichtlich der Rückstellungen ist die Anschlussberufung somit unbegründet. | de | Liquidation des biens lors de la dissolution du mariage par la mort; calcul du bénéfice (art. 214 CC). Les créances, qui faisaient partie des biens matrimoniaux existant le jour de la mort, sont comptées pour leur valeur à cette date-là. | fr | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-194%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
275 | 80 II 194 | Sachverhalt ab Seite 194
Im Erbteilungsstreite zwischen Müller, dem Witwer, und Kobler, dem Sohne der im Jahre 1944 gestorbenen Erblasserin stellte das Kantonsgericht St. Gallen bei der Bewertung des am Todestag der Erblasserin vorhanden gewesenen ehelichen Vermögens, die es zwecks Ermittlung des zum Nachlass gehörenden Anteils am Vorschlag durchführte, Fr. 5001.20 für Rückstellungen auf Kundenguthaben unter die Passiven ein. Das Bundesgericht bestätigt diese Entscheidung.
Erwägungen
Erwägungen:
Der Beklagte macht mit seiner Anschlussberufung in erster Linie geltend, die Vorinstanz habe bei der Bewertung des ehelichen Vermögens unter die Passiven zu Unrecht einen Posten von Fr. 5001.20 für Rückstellungen auf Kundenguthaben aufgenommen. Eine solche Rückstellung wäre nach seiner Ansicht nur dann gerechtfertigt gewesen, wenn die Teilung sofort nach dem Tode der Erblasserin vorgenommen worden und die Einbringlichkeit der fraglichen Forderungen deshalb noch ganz ungewiss gewesen wäre. Im vorliegenden Falle, wo die Teilung erst viel später erfolgte, lasse sich dagegen - so führt der Beklagte aus - auf Grund der Buchhaltung genau feststellen, welche beanstandeten Forderungen tatsächlich voll, welche teilweise und welche gar nicht eingebracht werden konnten. Auch die Inkassospesen seien feststellbar. Da die Behörde somit bei den Forderungen (im Gegensatz zum Fahrzeugpark) nicht auf eine Schätzung angewiesen sei, sei sie verpflichtet, die realen Werte bei der Nachlassteilung zu berücksichtigen. Dies hätte auch dann gegolten, wenn eine seinerzeit als vollwertig betrachtete Forderung sich in der Folge als uneinbringlich erwiesen hätte. Für einen besondern Passivposten "Rückstellungen" sei nach Abwicklung des ganzen Inkassos kein Platz mehr. Mit ihrer gegenteiligen Annahme habe die Vorinstanz den Nachlass zu seinem Nachteil mit hypothetischen, in Wirklichkeit gar nicht bestehenden Passiven belastet. Damit habe sie Art. 214, 457 und 462 ZGB verletzt.
Dem Beklagten wäre im Ergebnis Recht zu geben, wenn die Kundenguthaben, für welche Rückstellungen gemacht wurden, selbst Gegenstand der Erbteilung wären. Dies trifft hier aber nicht zu. Die Guthaben gehören nicht zum Nachlass, sondern stehen dem Witwer zu. Der Beklagte ist als Erbe nur mittelbar daran interessiert, insofern nämlich, als sie die Höhe des Vorschlags beeinflussen, von dem ein Drittel zum Nachlass gehört, an dem er beteiligt ist. Bei diesem Vorschlagsdrittel handelt es sich um eine Forderung der Erbengemeinschaft an den überlebenden Ehemann der Erblasserin. Die Höhe dieser Forderung bestimmt sich ausschliesslich nach dem Vermögensstand am Todestag der Erblasserin. Auf später eintretende Ereignisse darf bei der Berechnung dieser Forderung nicht Rücksicht genommen werden, weil eben die Ehe, die eine Beteiligung der Ehefrau bzw. ihrer Erben am Vorschlag rechtfertigt, durch den Tod aufgelöst wird. Demgemäss sind die Guthaben des Ehemanns zur Ermittlung des Vorschlagsanteils mit dem Werte einzustellen, der ihnen nach den Tatsachen zukam, die am Todestag bekannt waren oder doch bekannt sein konnten. Für Guthaben, die damals mit Grund als zweifelhaft erachtet werden konnten, ist daher, falls sie mit ihrem Nominalbetrag unter die Aktiven aufgenommen werden, auf der Passivenseite eine entsprechende Rückstellung einzusetzen. Die Höhe der Rückstellung hat sich einzig und allein nach den Verhältnissen am Todestag zu richten, nicht nach dem Ergebnis nachher erfolgter Inkassobemühungen, das von Umständen abhängen kann, die beim Tode der Erblasserin nicht voraussehbar waren. Eine Forderung, die am Todestag als nicht oder nur teilweise einbringlich angesehen werden musste, war damals, was sich insbesondere bei ihrer Veräusserung gezeigt hätte, nicht vollwertig, auch wenn sie später voll bezahlt wurde, und darf daher nicht einfach mit ihrem Nennwert zu dem am Todestag vorhandenen Vermögen gerechnet werden. Umgekehrt muss eine Forderung, die nach den Verhältnissen an jenem Tage als gut erschien, ohne Einschlag in Rechnung gestellt werden, auch wenn der Ehemann damit später zu Verlust kam. Ereignisse, die bei einer unmittelbar nach dem Todestag vorgenommenen Berechnung des Vorschlags notwendigerweise ausser Betracht geblieben wären, dürfen auch später nicht berücksichtigt werden. Die gegenteilige Ansicht des Beklagten beruht auf einer Verkennung des wesentlichen Unterschieds zwischen der Teilung des Vorschlags, bei der es sich um die Berechnung eines Anspruchs aus einem durch den Tod aufgelösten Rechtsverhältnis handelt, und der Erbteilung, die eine Auseinandersetzung zwischen Gesamtberechtigten bedeutet.
Ob die grundsätzlich zulässigen Rückstellungen (die nicht Schuld-, sondern Wertberichtigungsposten darstellen) in Ansehung der Verhältnisse am Todestag richtig bemessen worden seien, ist im wesentlichen eine Tat- und Ermessensfrage, die das Bundesgericht nicht überprüfen kann. Dass die Vorinstanz mit der Nichtanordnung der von ihm beantragten Oberexpertise Bundesrecht verletzt habe, behauptet der Beklagte mit Recht nicht. Er hat vielmehr heute auf die Durchführung einer Oberexpertise ausdrücklich verzichtet.
Hinsichtlich der Rückstellungen ist die Anschlussberufung somit unbegründet. | de | Liquidazione dei beni per scioglimento del matrimonio a causa di morte. Computo dell'aumento (art. 214 CC). Per la valutazione dei crediti, che facevano parte della sostanza coniugale il giorno della morte, sono determinanti le circostanze esistenti a quell'epoca. | it | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-194%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
276 | 80 II 197 | Sachverhalt ab Seite 197
Am 11. Februar 1954 stellte das Waisenamt Schwanden den schwerhörigen S. im Sinne von Art. 393 Ziff. 2 ZGB unter Beistandschaft. Die Armen- und Vormundschaftsdirektion des Kantons Glarus wies die Beschwerde des S. gegen diese Massnahme ab und beauftragte das Waisenamt zu untersuchen, ob nicht wirksamere vormundschaftliche Massnahmen für S. zu treffen seien. Zur Begründung führte sie aus, S. sei durch seine Schwerhörigkeit und seinen Sprachfehler behindert und zudem leicht beeinflussbar. Auch verfüge er nicht über die nötigen Kenntnise und Erfahrungen in Geldsachen. Schliesslich zeige er verschwenderische Neigungen. Er sei daher zur Verwaltung seines Vermögens von ca. Fr. 30'000.-- (die bis 1949 seine Mutter besorgt hatte) nicht fähig. Eine Beistandschaft sei indessen ungenügend. Einen wirksamern Schutz gewährleiste die Anwendung von Art. 395 Abs. 2 ZGB. Wenn diese Massnahme nicht ausreichen sollte, sei die Bevormundung geboten. Im wesentlichen mit der gleichen Begründung hat der Regierungsrat des Kantons Glarus die Beschwerde des S. gegen den Entscheid der Armen- und Vormundschaftsdirektion abgewiesen und das Waisenamt eingeladen, die Errichtung einer Mitwirkungs- und Verwaltungsbeiratschaft für S. zu prüfen.
Auf Berufung des S. hin hebt das Bundesgericht die Anordnung einer Beistandschaft auf.
Erwägungen
Erwägungen:
Die in Art. 393 Ziff. 2 ZGB aufgestellte Regel, dass die Vormundschaftsbehörde bei Unfähigkeit einer Person, die Verwaltung ihres Vermögens selbst zu besorgen oder einen Vertreter zu bestellen, einen Beistand zu ernennen hat, falls nicht Vormundschaft anzuordnen ist, stellt einen Anwendungsfall des im Einleitungssatze von Art. 393 ausgesprochenen Grundsatzes dar, dass die Vormundschaftsbehörde das Erforderliche anzuordnen hat, wenn einem Vermögen die nötige Verwaltung fehlt. Voraussetzung für die Errichtung einer Verwaltungsbeistandschaft nach Art. 393 ist also in jedem Falle das Vorhandensein eines Vermögens, das niemand verwaltet. Dass eine Person im Sinne von Art. 393 Ziff. 2 zur Verwaltung ihres Vermögens oder zur Bestellung eines Vertreters unfähig sei, darf also nur dann angenommen werden, wenn sie hiezu faktisch nicht in der Lage ist. Besitzt eine Person die tatsächliche Möglichkeit, ihr Vermögen selbst zu verwalten oder einen Vertreter zu bestellen, ist sie aber infolge von psychischen Störungen, Charakterfehlern, Unerfahrenheit oder dergleichen nicht imstande, dies in gehöriger Weise zu tun, so kommt nicht eine Verwaltungsbeistandschaft, sondern nur eine Beiratschaft (die nichts anderes als eine mildere Form der Vormundschaft ist, vgl. BGE 80 II 17) in Betracht.
Eine Unfähigkeit, wie Art. 393 Ziff. 2 ZGB sie hienach voraussetzt, liegt beim Berufungskläger nicht vor. Insbesondere hindert ihn seine Schwerhörigkeit nicht daran, sein Vermögen zu verwalten. Er hat damit auch tatsächlich begonnen und kann mit der Bank verkehren, wie seine Mutter es an seiner Stelle tun konnte. Wenn ein Grund zu vormundschaftlichen Massnahmen besteht'so kann er nur in der Unerfahrenheit, der starken Beeinflussbarkeit und der Neigung zu übermässigen Ausgaben liegen, die ihm zugeschrieben werden. In einem solche Falle ist nach dem Gesagten nicht eine Beistandschaft'sondern nötigenfalls eine Beiratschaft oder, wenn dies nicht genügt, eine Vormundschaft zu errichten. Die Anordnung eine Beistandschaft, die auf die Handlungsfähigkeit keinen Einfluss hat (Art. 417 ZGB) und daher gegen nachteilige Verfügungen auch gar keinen wirksamen Schutz bieten kann, ist deshalb aufzuheben. Ob die Voraussetzungen für andere Massnahmen gegeben seien oder nicht, hat das Bundesgericht im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden. | de | Verwaltungsbeistandschaft gemäss Art. 393 Ziff. 2 ZGB. Voraussetzungen ihrer Errichtung.
Abgrenzung ihres Anwendungsgebiets gegenüber demjenigen der Beiratschaft (Art. 395 ZGB). | de | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-197%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
277 | 80 II 197 | Sachverhalt ab Seite 197
Am 11. Februar 1954 stellte das Waisenamt Schwanden den schwerhörigen S. im Sinne von Art. 393 Ziff. 2 ZGB unter Beistandschaft. Die Armen- und Vormundschaftsdirektion des Kantons Glarus wies die Beschwerde des S. gegen diese Massnahme ab und beauftragte das Waisenamt zu untersuchen, ob nicht wirksamere vormundschaftliche Massnahmen für S. zu treffen seien. Zur Begründung führte sie aus, S. sei durch seine Schwerhörigkeit und seinen Sprachfehler behindert und zudem leicht beeinflussbar. Auch verfüge er nicht über die nötigen Kenntnise und Erfahrungen in Geldsachen. Schliesslich zeige er verschwenderische Neigungen. Er sei daher zur Verwaltung seines Vermögens von ca. Fr. 30'000.-- (die bis 1949 seine Mutter besorgt hatte) nicht fähig. Eine Beistandschaft sei indessen ungenügend. Einen wirksamern Schutz gewährleiste die Anwendung von Art. 395 Abs. 2 ZGB. Wenn diese Massnahme nicht ausreichen sollte, sei die Bevormundung geboten. Im wesentlichen mit der gleichen Begründung hat der Regierungsrat des Kantons Glarus die Beschwerde des S. gegen den Entscheid der Armen- und Vormundschaftsdirektion abgewiesen und das Waisenamt eingeladen, die Errichtung einer Mitwirkungs- und Verwaltungsbeiratschaft für S. zu prüfen.
Auf Berufung des S. hin hebt das Bundesgericht die Anordnung einer Beistandschaft auf.
Erwägungen
Erwägungen:
Die in Art. 393 Ziff. 2 ZGB aufgestellte Regel, dass die Vormundschaftsbehörde bei Unfähigkeit einer Person, die Verwaltung ihres Vermögens selbst zu besorgen oder einen Vertreter zu bestellen, einen Beistand zu ernennen hat, falls nicht Vormundschaft anzuordnen ist, stellt einen Anwendungsfall des im Einleitungssatze von Art. 393 ausgesprochenen Grundsatzes dar, dass die Vormundschaftsbehörde das Erforderliche anzuordnen hat, wenn einem Vermögen die nötige Verwaltung fehlt. Voraussetzung für die Errichtung einer Verwaltungsbeistandschaft nach Art. 393 ist also in jedem Falle das Vorhandensein eines Vermögens, das niemand verwaltet. Dass eine Person im Sinne von Art. 393 Ziff. 2 zur Verwaltung ihres Vermögens oder zur Bestellung eines Vertreters unfähig sei, darf also nur dann angenommen werden, wenn sie hiezu faktisch nicht in der Lage ist. Besitzt eine Person die tatsächliche Möglichkeit, ihr Vermögen selbst zu verwalten oder einen Vertreter zu bestellen, ist sie aber infolge von psychischen Störungen, Charakterfehlern, Unerfahrenheit oder dergleichen nicht imstande, dies in gehöriger Weise zu tun, so kommt nicht eine Verwaltungsbeistandschaft, sondern nur eine Beiratschaft (die nichts anderes als eine mildere Form der Vormundschaft ist, vgl. BGE 80 II 17) in Betracht.
Eine Unfähigkeit, wie Art. 393 Ziff. 2 ZGB sie hienach voraussetzt, liegt beim Berufungskläger nicht vor. Insbesondere hindert ihn seine Schwerhörigkeit nicht daran, sein Vermögen zu verwalten. Er hat damit auch tatsächlich begonnen und kann mit der Bank verkehren, wie seine Mutter es an seiner Stelle tun konnte. Wenn ein Grund zu vormundschaftlichen Massnahmen besteht'so kann er nur in der Unerfahrenheit, der starken Beeinflussbarkeit und der Neigung zu übermässigen Ausgaben liegen, die ihm zugeschrieben werden. In einem solche Falle ist nach dem Gesagten nicht eine Beistandschaft'sondern nötigenfalls eine Beiratschaft oder, wenn dies nicht genügt, eine Vormundschaft zu errichten. Die Anordnung eine Beistandschaft, die auf die Handlungsfähigkeit keinen Einfluss hat (Art. 417 ZGB) und daher gegen nachteilige Verfügungen auch gar keinen wirksamen Schutz bieten kann, ist deshalb aufzuheben. Ob die Voraussetzungen für andere Massnahmen gegeben seien oder nicht, hat das Bundesgericht im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden. | de | Conditions auxquelles est subordonnée l'institution d'une curatelle de gestion selon l'art. 393 ch. 2 CC. Champ d'application de cette disposition par rapport au champ d'application de l'art. 395 CC (nomination d'un conseil légal). | fr | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-197%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
278 | 80 II 197 | Sachverhalt ab Seite 197
Am 11. Februar 1954 stellte das Waisenamt Schwanden den schwerhörigen S. im Sinne von Art. 393 Ziff. 2 ZGB unter Beistandschaft. Die Armen- und Vormundschaftsdirektion des Kantons Glarus wies die Beschwerde des S. gegen diese Massnahme ab und beauftragte das Waisenamt zu untersuchen, ob nicht wirksamere vormundschaftliche Massnahmen für S. zu treffen seien. Zur Begründung führte sie aus, S. sei durch seine Schwerhörigkeit und seinen Sprachfehler behindert und zudem leicht beeinflussbar. Auch verfüge er nicht über die nötigen Kenntnise und Erfahrungen in Geldsachen. Schliesslich zeige er verschwenderische Neigungen. Er sei daher zur Verwaltung seines Vermögens von ca. Fr. 30'000.-- (die bis 1949 seine Mutter besorgt hatte) nicht fähig. Eine Beistandschaft sei indessen ungenügend. Einen wirksamern Schutz gewährleiste die Anwendung von Art. 395 Abs. 2 ZGB. Wenn diese Massnahme nicht ausreichen sollte, sei die Bevormundung geboten. Im wesentlichen mit der gleichen Begründung hat der Regierungsrat des Kantons Glarus die Beschwerde des S. gegen den Entscheid der Armen- und Vormundschaftsdirektion abgewiesen und das Waisenamt eingeladen, die Errichtung einer Mitwirkungs- und Verwaltungsbeiratschaft für S. zu prüfen.
Auf Berufung des S. hin hebt das Bundesgericht die Anordnung einer Beistandschaft auf.
Erwägungen
Erwägungen:
Die in Art. 393 Ziff. 2 ZGB aufgestellte Regel, dass die Vormundschaftsbehörde bei Unfähigkeit einer Person, die Verwaltung ihres Vermögens selbst zu besorgen oder einen Vertreter zu bestellen, einen Beistand zu ernennen hat, falls nicht Vormundschaft anzuordnen ist, stellt einen Anwendungsfall des im Einleitungssatze von Art. 393 ausgesprochenen Grundsatzes dar, dass die Vormundschaftsbehörde das Erforderliche anzuordnen hat, wenn einem Vermögen die nötige Verwaltung fehlt. Voraussetzung für die Errichtung einer Verwaltungsbeistandschaft nach Art. 393 ist also in jedem Falle das Vorhandensein eines Vermögens, das niemand verwaltet. Dass eine Person im Sinne von Art. 393 Ziff. 2 zur Verwaltung ihres Vermögens oder zur Bestellung eines Vertreters unfähig sei, darf also nur dann angenommen werden, wenn sie hiezu faktisch nicht in der Lage ist. Besitzt eine Person die tatsächliche Möglichkeit, ihr Vermögen selbst zu verwalten oder einen Vertreter zu bestellen, ist sie aber infolge von psychischen Störungen, Charakterfehlern, Unerfahrenheit oder dergleichen nicht imstande, dies in gehöriger Weise zu tun, so kommt nicht eine Verwaltungsbeistandschaft, sondern nur eine Beiratschaft (die nichts anderes als eine mildere Form der Vormundschaft ist, vgl. BGE 80 II 17) in Betracht.
Eine Unfähigkeit, wie Art. 393 Ziff. 2 ZGB sie hienach voraussetzt, liegt beim Berufungskläger nicht vor. Insbesondere hindert ihn seine Schwerhörigkeit nicht daran, sein Vermögen zu verwalten. Er hat damit auch tatsächlich begonnen und kann mit der Bank verkehren, wie seine Mutter es an seiner Stelle tun konnte. Wenn ein Grund zu vormundschaftlichen Massnahmen besteht'so kann er nur in der Unerfahrenheit, der starken Beeinflussbarkeit und der Neigung zu übermässigen Ausgaben liegen, die ihm zugeschrieben werden. In einem solche Falle ist nach dem Gesagten nicht eine Beistandschaft'sondern nötigenfalls eine Beiratschaft oder, wenn dies nicht genügt, eine Vormundschaft zu errichten. Die Anordnung eine Beistandschaft, die auf die Handlungsfähigkeit keinen Einfluss hat (Art. 417 ZGB) und daher gegen nachteilige Verfügungen auch gar keinen wirksamen Schutz bieten kann, ist deshalb aufzuheben. Ob die Voraussetzungen für andere Massnahmen gegeben seien oder nicht, hat das Bundesgericht im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden. | de | Curatela per l'amministrazione d'una sostanza a'sensi dell'art. 393 cifra 2 CC. Presupposti cui essa è subordinata.
Delimitazione del suo campo d'applicazione per rapporto a quello dell'assistenza a'sensi dell'art. 395 CC. | it | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-197%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
279 | 80 II 200 | Sachverhalt ab Seite 200
Ernst Giesker hinterliess als gesetzliche Erben drei Kinder (Kläger, Beklagte 2 und 3) und die Tochter eines vorverstorbenen Kindes (Beklagte 1). Den Kläger und die Beklagte 1 hatte er auf den Pflichtteil gesetzt, jenen zugunsten der Beklagten 2 und 3, diese zugunsten der Beklagten 2 und 3 und der Ehefrau des Beklagten 3 (der Beklagten 4). Das obere kantonale Gericht ordnete die Teilung in der Weise, dass es zum Nachlass, Wert Todestag, in Anwendung von Art. 475 und 527 Ziff. 3 ZGB den Betrag einer Schenkung hinzurechnete, die der Erblasser kurz vor seinem Tode der Beklagten 4 gemacht hatte, von der so gewonnenen Summe je 3/4 von 1/4 = 3/16 (Art. 471 Ziff. 1 in Verbindung mit Art. 457 ZGB) dem Kläger und der Beklagten 1 zuwies, den nach Abzug dieser beiden Betreffnisse verbleibenden Rest des Nachlasses, Wert Todestag, im Verhältnis von 29: 29: 2 summenmässig unter die Beklagten 2-4 verteilte und bestimmte, dass "von den bruchteilsmässig zu teilenden Nachlassveränderungen vom Todestag bis zur endgültigen Teilung" (d.h. von der in dieser Zeit eintretenden Vermehrung oder Verminderung des Wertes des Nachlasses) je 18/96 auf den Kläger und die Beklagte 1, je 29/96 auf die Beklagten 2 und 3 und 2/96 auf die Beklagte 4 entfallen. (Diese Bruchteile erklären sich daraus, dass dem Kläger und der Beklagten 1 durch die Verweisung auf den Pflichtteil je 1/16 = 6/96 des Nachlasses entzogen wurden, sodass ihnen je 18/96 statt je 1/4 = 24/96 verbleiben, und dass der dem Kläger entzogene Bruchteil den Beklagten 2 und 3, der der Beklagten 1 entzogene den Beklagten 2-4 je zu gleichen Teilen zukommt, sodass die Quoten der Beklagten 2 und 3 von je 24/96 um je 3/96 und 2/96 auf je 29/96 anwachsen und die Beklagte 4 eine Quote von 2/96 erhält.) Das Bundesgericht bestätigt das Urteil der Vorinstanz, soweit es angefochten wurde.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
Der Streit geht für den Fall, dass es bei Dispositiv 1 des angefochtenen Urteils (Feststellung der Höhe des Nachlasses) und der Verweisung des Klägers und der Beklagten 1 auf den Pflichtteil sein Bewenden hat, nur noch darum, wie die in der Zeit zwischen dem Todestag des Erblassers und der endgültigen Teilung infolge von Wertveränderungen eintretende Vermehrung oder Verminderung des hinterlassenen Vermögens zu teilen sei. Die Vorinstanz hat entschieden, dass hievon auf den Kläger und die Beklagte 1 je 18/96, auf die Beklagten 2 und 3 je 29/96 und auf die Beklagte 42/96 entfallen. Während die Beklagten diese Verteilung gelten lassen, beantragt der Kläger, der Zuwachs oder Abgang sei unter die pflichtteilsberechtigten Erben im Verhältnis ihrer gesetzlichen Erbteile von je 1/4 zu verteilen. Das ZGB gehe nämlich von der verfügbaren Quote, nicht vom Pflichtteil aus. Mit der Teilung des hinterlassenen Vermögens, Wert Todestag, gemäss der oben wiedergegebenen Aufstellung sei "bezüglich des Klägers und der Beklagten 1 über den verfügbaren Teil per Todestag abgerechnet".
Art. 474 Abs. 1 ZGB bestimmt in der Tat, der verfügbare Teil, d.h. der Betrag, um den das Vermögen des Erblassers die Summe der Pflichtteile der Noterben übersteigt (vgl. Art. 470 ZGB), berechne sich nach dem Stande des Vermögens zur Zeit des Todes des Erblassers. Versteht man unter dem Stande des Vermögens zur Zeit des Todes des Erblassers den damaligen Bestand und Wert dieses Vermögens und nimmt man an, Art. 474 ZGB komme in allen Fällen, wo die komplementären Begriffe des verfügbaren Teils und des Pflichtteils eine Rolle spielen, uneingeschränkt zur Geltung, so muss dem Kläger wohl Recht gegeben werden. In diesem Falle könnte nämlich die Verweisung des Klägers und der Beklagten 1 auf den Pflichtteil, mit welcher der Erblasser gegenüber diesen beiden Erben die ihm nach Art. 470 ZGB zustehende Verfügungsbefugnis vollständig ausgenützt hat, wohl nur die Wirkung haben, dass der Betrag, um den der ihrer gesetzlichen Erbquote entsprechende Anteil am hinterlassenen Vermögen, Wert Todestag, ihren auf das gleiche Datum berechneten Pflichtteil übersteigt, statt ihnen den Beklagten 2 und 3 bezw. den Beklagten 2 bis 4 zuzuweisen wäre. Dies ist in der nicht angefochtenen Abrechnung über die Teilung des hinterlassenen Vermögens, Wert Todestag, geschehen. Soll es dabei bleiben, dass das Erbbetreffnis, das dem Kläger und der Beklagten 1 im Falle der gesetzlichen Erbfolge zukäme, um den erwähnten Betrag und nur um diesen Betrag zugunsten der Beklagten 2 und 3 bezw. 2 bis 4 verkürzt wird, so muss deshalb, wenn man bei der endgültigen Teilung jene Abrechnung zum Ausgangspunkt nimmt, ein infolge von Wertveränderungen in der Zeit vom Tode des Erblassers bis zur Teilung eintretender Zuwachs oder Schwund des hinterlassenen Vermögens gemäss den gesetzlichen Erbquoten unter die gesetzlichen Erben verteilt werden.
Art. 474 Abs. 1 ZGB hat jedoch nicht die Tragweite, die der Kläger ihm zuschreibt.
a) InBGE 65 II 218ff. hat das Bundesgericht erklärt, wo die Zuweisung eines landwirtschaftlichen Gutes zum Ertragswert in Frage komme, sei schon bei Ermittlung des verfügbaren Teils der Ertragswert, nicht der Verkehrswert, in Rechnung zu stellen. Dem stehe nicht entgegen, "dass Art. 474 in anderer Hinsicht einer abweichenden Bewertung bei der Pflichtteilsberechnung einer- und bei der Erbteilung anderseits Raum zu geben scheint, indem er auf den Zeitpunkt der Erbgangseröffnung abstellt, während Art. 617 den Zeitpunkt der Teilung als massgebend bezeichnet." Es könne offen bleiben, ob nicht Art. 474 durch Art. 617 näher bestimmt werde, weil in casu von einer seit dem Tode des Erblassers eingetretenen Wertveränderung nicht die Rede sei. "Jedenfalls will Art. 474 in erster Linie nur ausschliessen, dass die Frage der Herabsetzbarkeit einer Verfügung von Todes wegen nach dem früheren Zeitpunkt beurteilt werde, in dem sie getroffen wurde, statt nach dem Zeitpunkt des Todes, auf den sie wirksam zu werden hatte. Damit ist wohl nicht ausgeschlossen, auch für die Pflichtteilsberechnung einen noch spätern Zeitpunkt als massgebend zu erachten, soweit sich bei der Abwicklung des zur Verwirklichung der erbrechtlichen Ansprüche durchzuführenden Erbganges, der sich über eine längere Zeit hin erstrecken kann, Wertveränderungen ergeben, die bei der Teilung nach gesetzlicher Vorschrift zu berücksichtigen sind" (S. 223).
Der hier angedeuteten Auslegung von Art. 474 ZGB steht der Wortlaut dieser Bestimmung nicht im Wege. Während § 2311 des deutschen BGB bestimmt, der Berechnung des Pflichtteils werde der Bestand und der Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalles zugrunde gelegt, erklärt Art. 474 ZGB einfach den "Stand" (état, stato) des Vermögens zur Zeit des Todes des Erblassers als massgebend. Damit ist gesagt, dass es bei der Berechnung des verfügbaren Teils darauf ankommt, welche Aktiven und Passiven im Zeitpunkte des Todes des Erblassers (nicht etwa der Testamentserrichtung) zu dessen Vermögen gehörten. Was vorher an Vermögensgegenständen wegging oder an Schulden bezahlt wurde, zählt nicht mehr mit, auch wenn der Erblasser bei der Testamentserrichtung noch damit gerechnet haben sollte. Dagegen folgt aus dem Wortlaut von Art. 474 nicht ohne weiteres, dass bei der Berechnung des verfügbaren Teils die beim Tode des Erblassers vorhandenen Vermögensstücke auf diesen Zeitpunkt zu bewerten und später eintretende Wertveränderungen ausser acht zu lassen seien. Wie es sich in dieser Hinsicht verhalte, ist vielmehr aus andern Bestimmungen über den Schutz des Pflichtteils zu erschliessen.
Hiebei fällt vor allem in Betracht, dass die Herabsetzungsklage, welche die durch die Verfügungen des Erblassers in ihrem Pflichtteil verletzten Erben anstrengen müssen, um diese Benachteiligung abzuwenden, gemäss Art. 533 ZGB mit Ablauf eines Jahres von dem Zeitpunkte an verjährt, da die Erben von der Verletzung ihrer Rechte Kenntnis erhalten haben. Zur Kenntnis der Pflichtteilsverletzung gehört dann, wenn es sich darum handelt, ob der Pflichtteil durch eine Verfügung über eine bestimmte Summe oder einen bestimmten Gegenstand verletzt worden sei, dass der benachteiligte Erbe nicht nur über seine Berufung zur Erbschaft, seine genaue Erbenstellung und die in Frage stehende Verfügung, sondern auch über die Höhe der Erbmasse hinreichend unterrichtet ist (ESCHER, 2. Aufl., N. 2, und TUOR, 2. Aufl., N. 5 zu Art. 533 ZGB;BGE 78 II 15). Die Möglichkeit, sich vor Einreichung einer Herabsetzungsklage von der Höhe der Erbmasse eine Vorstellung zu bilden, besteht nur, wenn für die Bewertung der Nachlassgegenstände ein vor der Klageeinleitung liegender Zeitpunkt massgebend ist. Dabei kommt praktisch nur der Todestag des Erblassers in Betracht. Für die Wahl dieses Stichtages spricht, auch wenn man von Art. 533 ZGB absieht, der Umstand, dass er unabhängig vom Verhalten der Beteiligten und von den Zufälligkeiten des Verfahrensganges ein für allemal feststeht. Wollte man statt auf den Zeitpunkt des Todes des Erblassers auf denjenigen der Einleitung oder der Erledigung der Herabsetzungsklage abstellen, so würde diese Klage zu einem Werkzeug der Spekulation oder zu einem Spiel mit völlig unberechenbarem Ausgang. Letzteres träfe auch beim Abstellen auf den Zeitpunkt der endgültigen Teilung zu, der übrigens als Stichtag im Falle der Herabsetzungsklage schon deshalb ausser Betracht fällt, weil er bei Erledigung dieser Klage regelmässig überhaupt noch nicht bekannt ist. Bei Beurteilung der Frage, ob und allenfalls wieweit die Zuwendung einer bestimmten Summe oder einer bestimmten Sache herabzusetzen sei, ist somit der verfügbare Teil nach dem Werte der Vermögensgegenstände am Todestag zu berechnen. Ist eine solche Zuwendung nach dieser Berechnung nicht herabsetzbar, so bleibt es dabei auch, wenn der Wert des Nachlasses zur Zeit der Teilung geringer ist als am Todestag. Umgekehrt entgeht der Bedachte einer auf Grund dieser Berechnung verfügten Herabsetzung einer solchen Zuwendung nicht, auch wenn der Wert des Nachlasses in der Zeit vom Todestag bis zur Teilung zugenommen hat. Um derartige Fälle handelt es sich bei den Beispielen, die Tuor und Escher an den vom Kläger angerufenen Kommentarstellen besprechen (TUOR, 1. Aufl., N. 30, und ESCHER, 2. Aufl. N. 4 zu Art. 474 ZGB).
b) Im vorliegenden Falle hat man es jedoch (abgesehen von der Schenkung an die Beklagte 4, deren Herabsetzung nicht verlangt wird) nicht mit der Zuwendung einer bestimmten Summe oder eines bestimmten Gegenstandes zu tun, sondern mit einer Verfügung über einen bestimmten Bruchteil des Nachlasses. Die Verweisung eines Erben auf den Pflichtteil bedeutet nämlich nichts anderes als eine Verfügung über denjenigen Bruchteil des Nachlasses, um den die gesetzliche Erbquote des auf den Pflichtteil gesetzten Erben grösser ist als die aus Art. 471 sich ergebende Pflichtteilsquote. Die Verweisung des Klägers und der Beklagten 1 auf den Pflichtteil läuft also darauf hinaus, dass der Erblasser zulasten dieser beiden Erben über je (1/4-3/16 =) 1/16 des Nachlasses zugunsten der Miterben, d.h. der Beklagten 2 und 3, bezw. (im Falle der Beklagten 1) zugunsten der beiden Miterben und der Beklagten 4 verfügt hat. Um festzustellen, ob und eventuell wieweit eine auf einen Bruchteil des Nachlasses bezügliche Verfügung den Pflichtteil verletze, bedarf es keiner Berechnung des Betrages, den der verfügbare Teil ziffernmässig ausmacht. Es genügt die Gegenüberstellung jenes Bruchteils mit demjenigen, über den der Erblasser nach Art. 470/71 verfügen durfte. Auf diesen letztern Bruchteil ist gegebenenfalls die bruchteilsmässige Verfügung des Erblassers auf Klage des Verletzten hin herabzusetzen. Hat der Erblasser wie hier einzelne Erben auf den Pflichtteil gesetzt, so hat er, wie wenn er angeordnet hätte, dass die bruchteilsmässige Differenz zwischen gesetzlichem Erbanspruch und Pflichtteil der betreffenden Erben (hier: je 1/16) den Miterben oder Dritten zukommen solle, von vornherein nur über einen Bruchteil verfügt, über den zu verfügen er befugt war. Die Verweisung eines Erben auf den Pflichtteil verletzt den Pflichtteilsanspruch dieses Erben unter keinen Umständen, welches auch immer der Geldwert des Nachlasses sei. Bei Beurteilung der Frage, was im Falle einer bruchteilsmässigen Verfügung, insbesondere der Verweisung eines Erben auf den Pflichtteil, den Noterben und den durch diese Verfügung Bedachten zukommt, ist deshalb Art. 474 Abs. 1 ZGB, der eine ziffernmässige Berechnung des verfügbaren Teils vorsieht, nicht anwendbar. Vielmehr hat in einem solchen Falle einfach eine Berechnung des jedem Erben gebührenden Bruchteils stattzufinden. Diese Bruchteile sind für die Erbteilung massgebend. Es kann nicht der Sinn von Art. 474 Abs. 1 sein, die Verfügungsbefugnis des Erblassers in der Weise einzuschränken, dass er nicht in der Lage ist, über den durch die Pflichtteile nicht beanspruchten Bruchteil des Nachlasses oder der gesetzlichen Erbteile einzelner Erben zugunsten von Miterben oder Dritten mit der Wirkung zu verfügen, dass die Bedachten mit dieser Quote an der Teilung des Nachlasses nach Massgabe des dannzumaligen Wertes der Nachlassgegenstände teilnehmen.
c) Eine Frage für sich ist es, ob dann, wenn der Erblasser einen Erben auf den Pflichtteil gesetzt hat, bei der ziffernmässigen Berechnung des diesem Erben bei der Erbteilung zukommenden Betreffnisses Art. 475 ZGB anwendbar ist, wonach die Zuwendungen unter Lebenden insoweit zum Vermögen hinzugeschlagen werden, als sie der Herabsetzungsklage unterstellt sind (vgl. zu dieser VorschriftBGE 76 II 191ff.). Die Vorinstanz hat Art. 475 auf die Schenkung des Erblassers an die Beklagte 4 angewendet. In diesem Punkte ist ihr Urteil weder dem Grundsatze noch dem Quantitativ nach angefochten, sodass nähere Erörterungen hierüber nicht nötig sind. Es mag nur noch bemerkt werden, dass es aufs gleiche hinauskommt, ob man mit der Vorinstanz den gemäss Art. 475 zum Vermögen hinzuzurechnenden Betrag zum Nachlass, Wert Todestag, hinzuzählt, von der so gewonnenen Summe den Pflichtteil des Klägers und der Beklagten 1, Wert Todestag, berechnet, den Rest des Nachlasses, Wert Todestag, rechnerisch unter die übrigen Erben verteilt und bestimmt, in welchem Verhältnis die Parteien an Wertveränderungen zwischen Todestag und Teilung partizipieren, oder ob man einfach -bestimmt, dass jener Betrag zur Berechnung der Betreffnisse des Klägers und der Beklagten 1 zum Nachlass, Wert Teilungstag, hinzuzuschlagen und der nach Abzug der so berechneten Betreffnisse verbleibende Rest im Verhältnis der festgesetzten Quoten unter die übrigen Erben zu verteilen sei. | de | Erbteilung. Berechnung der Betreffnisse im Falle, dass einzelne gesetzliche Erben auf den Pflichtteil gesetzt wurden.
Beteiligung der Erben an den zwischen dem Tode des Erblassers und der Teilung eintretenden Veränderungen des Wertes des hinterlassenen Vermögens.
Tragweite von Art. 474 ZGB. | de | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-200%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
280 | 80 II 200 | Sachverhalt ab Seite 200
Ernst Giesker hinterliess als gesetzliche Erben drei Kinder (Kläger, Beklagte 2 und 3) und die Tochter eines vorverstorbenen Kindes (Beklagte 1). Den Kläger und die Beklagte 1 hatte er auf den Pflichtteil gesetzt, jenen zugunsten der Beklagten 2 und 3, diese zugunsten der Beklagten 2 und 3 und der Ehefrau des Beklagten 3 (der Beklagten 4). Das obere kantonale Gericht ordnete die Teilung in der Weise, dass es zum Nachlass, Wert Todestag, in Anwendung von Art. 475 und 527 Ziff. 3 ZGB den Betrag einer Schenkung hinzurechnete, die der Erblasser kurz vor seinem Tode der Beklagten 4 gemacht hatte, von der so gewonnenen Summe je 3/4 von 1/4 = 3/16 (Art. 471 Ziff. 1 in Verbindung mit Art. 457 ZGB) dem Kläger und der Beklagten 1 zuwies, den nach Abzug dieser beiden Betreffnisse verbleibenden Rest des Nachlasses, Wert Todestag, im Verhältnis von 29: 29: 2 summenmässig unter die Beklagten 2-4 verteilte und bestimmte, dass "von den bruchteilsmässig zu teilenden Nachlassveränderungen vom Todestag bis zur endgültigen Teilung" (d.h. von der in dieser Zeit eintretenden Vermehrung oder Verminderung des Wertes des Nachlasses) je 18/96 auf den Kläger und die Beklagte 1, je 29/96 auf die Beklagten 2 und 3 und 2/96 auf die Beklagte 4 entfallen. (Diese Bruchteile erklären sich daraus, dass dem Kläger und der Beklagten 1 durch die Verweisung auf den Pflichtteil je 1/16 = 6/96 des Nachlasses entzogen wurden, sodass ihnen je 18/96 statt je 1/4 = 24/96 verbleiben, und dass der dem Kläger entzogene Bruchteil den Beklagten 2 und 3, der der Beklagten 1 entzogene den Beklagten 2-4 je zu gleichen Teilen zukommt, sodass die Quoten der Beklagten 2 und 3 von je 24/96 um je 3/96 und 2/96 auf je 29/96 anwachsen und die Beklagte 4 eine Quote von 2/96 erhält.) Das Bundesgericht bestätigt das Urteil der Vorinstanz, soweit es angefochten wurde.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
Der Streit geht für den Fall, dass es bei Dispositiv 1 des angefochtenen Urteils (Feststellung der Höhe des Nachlasses) und der Verweisung des Klägers und der Beklagten 1 auf den Pflichtteil sein Bewenden hat, nur noch darum, wie die in der Zeit zwischen dem Todestag des Erblassers und der endgültigen Teilung infolge von Wertveränderungen eintretende Vermehrung oder Verminderung des hinterlassenen Vermögens zu teilen sei. Die Vorinstanz hat entschieden, dass hievon auf den Kläger und die Beklagte 1 je 18/96, auf die Beklagten 2 und 3 je 29/96 und auf die Beklagte 42/96 entfallen. Während die Beklagten diese Verteilung gelten lassen, beantragt der Kläger, der Zuwachs oder Abgang sei unter die pflichtteilsberechtigten Erben im Verhältnis ihrer gesetzlichen Erbteile von je 1/4 zu verteilen. Das ZGB gehe nämlich von der verfügbaren Quote, nicht vom Pflichtteil aus. Mit der Teilung des hinterlassenen Vermögens, Wert Todestag, gemäss der oben wiedergegebenen Aufstellung sei "bezüglich des Klägers und der Beklagten 1 über den verfügbaren Teil per Todestag abgerechnet".
Art. 474 Abs. 1 ZGB bestimmt in der Tat, der verfügbare Teil, d.h. der Betrag, um den das Vermögen des Erblassers die Summe der Pflichtteile der Noterben übersteigt (vgl. Art. 470 ZGB), berechne sich nach dem Stande des Vermögens zur Zeit des Todes des Erblassers. Versteht man unter dem Stande des Vermögens zur Zeit des Todes des Erblassers den damaligen Bestand und Wert dieses Vermögens und nimmt man an, Art. 474 ZGB komme in allen Fällen, wo die komplementären Begriffe des verfügbaren Teils und des Pflichtteils eine Rolle spielen, uneingeschränkt zur Geltung, so muss dem Kläger wohl Recht gegeben werden. In diesem Falle könnte nämlich die Verweisung des Klägers und der Beklagten 1 auf den Pflichtteil, mit welcher der Erblasser gegenüber diesen beiden Erben die ihm nach Art. 470 ZGB zustehende Verfügungsbefugnis vollständig ausgenützt hat, wohl nur die Wirkung haben, dass der Betrag, um den der ihrer gesetzlichen Erbquote entsprechende Anteil am hinterlassenen Vermögen, Wert Todestag, ihren auf das gleiche Datum berechneten Pflichtteil übersteigt, statt ihnen den Beklagten 2 und 3 bezw. den Beklagten 2 bis 4 zuzuweisen wäre. Dies ist in der nicht angefochtenen Abrechnung über die Teilung des hinterlassenen Vermögens, Wert Todestag, geschehen. Soll es dabei bleiben, dass das Erbbetreffnis, das dem Kläger und der Beklagten 1 im Falle der gesetzlichen Erbfolge zukäme, um den erwähnten Betrag und nur um diesen Betrag zugunsten der Beklagten 2 und 3 bezw. 2 bis 4 verkürzt wird, so muss deshalb, wenn man bei der endgültigen Teilung jene Abrechnung zum Ausgangspunkt nimmt, ein infolge von Wertveränderungen in der Zeit vom Tode des Erblassers bis zur Teilung eintretender Zuwachs oder Schwund des hinterlassenen Vermögens gemäss den gesetzlichen Erbquoten unter die gesetzlichen Erben verteilt werden.
Art. 474 Abs. 1 ZGB hat jedoch nicht die Tragweite, die der Kläger ihm zuschreibt.
a) InBGE 65 II 218ff. hat das Bundesgericht erklärt, wo die Zuweisung eines landwirtschaftlichen Gutes zum Ertragswert in Frage komme, sei schon bei Ermittlung des verfügbaren Teils der Ertragswert, nicht der Verkehrswert, in Rechnung zu stellen. Dem stehe nicht entgegen, "dass Art. 474 in anderer Hinsicht einer abweichenden Bewertung bei der Pflichtteilsberechnung einer- und bei der Erbteilung anderseits Raum zu geben scheint, indem er auf den Zeitpunkt der Erbgangseröffnung abstellt, während Art. 617 den Zeitpunkt der Teilung als massgebend bezeichnet." Es könne offen bleiben, ob nicht Art. 474 durch Art. 617 näher bestimmt werde, weil in casu von einer seit dem Tode des Erblassers eingetretenen Wertveränderung nicht die Rede sei. "Jedenfalls will Art. 474 in erster Linie nur ausschliessen, dass die Frage der Herabsetzbarkeit einer Verfügung von Todes wegen nach dem früheren Zeitpunkt beurteilt werde, in dem sie getroffen wurde, statt nach dem Zeitpunkt des Todes, auf den sie wirksam zu werden hatte. Damit ist wohl nicht ausgeschlossen, auch für die Pflichtteilsberechnung einen noch spätern Zeitpunkt als massgebend zu erachten, soweit sich bei der Abwicklung des zur Verwirklichung der erbrechtlichen Ansprüche durchzuführenden Erbganges, der sich über eine längere Zeit hin erstrecken kann, Wertveränderungen ergeben, die bei der Teilung nach gesetzlicher Vorschrift zu berücksichtigen sind" (S. 223).
Der hier angedeuteten Auslegung von Art. 474 ZGB steht der Wortlaut dieser Bestimmung nicht im Wege. Während § 2311 des deutschen BGB bestimmt, der Berechnung des Pflichtteils werde der Bestand und der Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalles zugrunde gelegt, erklärt Art. 474 ZGB einfach den "Stand" (état, stato) des Vermögens zur Zeit des Todes des Erblassers als massgebend. Damit ist gesagt, dass es bei der Berechnung des verfügbaren Teils darauf ankommt, welche Aktiven und Passiven im Zeitpunkte des Todes des Erblassers (nicht etwa der Testamentserrichtung) zu dessen Vermögen gehörten. Was vorher an Vermögensgegenständen wegging oder an Schulden bezahlt wurde, zählt nicht mehr mit, auch wenn der Erblasser bei der Testamentserrichtung noch damit gerechnet haben sollte. Dagegen folgt aus dem Wortlaut von Art. 474 nicht ohne weiteres, dass bei der Berechnung des verfügbaren Teils die beim Tode des Erblassers vorhandenen Vermögensstücke auf diesen Zeitpunkt zu bewerten und später eintretende Wertveränderungen ausser acht zu lassen seien. Wie es sich in dieser Hinsicht verhalte, ist vielmehr aus andern Bestimmungen über den Schutz des Pflichtteils zu erschliessen.
Hiebei fällt vor allem in Betracht, dass die Herabsetzungsklage, welche die durch die Verfügungen des Erblassers in ihrem Pflichtteil verletzten Erben anstrengen müssen, um diese Benachteiligung abzuwenden, gemäss Art. 533 ZGB mit Ablauf eines Jahres von dem Zeitpunkte an verjährt, da die Erben von der Verletzung ihrer Rechte Kenntnis erhalten haben. Zur Kenntnis der Pflichtteilsverletzung gehört dann, wenn es sich darum handelt, ob der Pflichtteil durch eine Verfügung über eine bestimmte Summe oder einen bestimmten Gegenstand verletzt worden sei, dass der benachteiligte Erbe nicht nur über seine Berufung zur Erbschaft, seine genaue Erbenstellung und die in Frage stehende Verfügung, sondern auch über die Höhe der Erbmasse hinreichend unterrichtet ist (ESCHER, 2. Aufl., N. 2, und TUOR, 2. Aufl., N. 5 zu Art. 533 ZGB;BGE 78 II 15). Die Möglichkeit, sich vor Einreichung einer Herabsetzungsklage von der Höhe der Erbmasse eine Vorstellung zu bilden, besteht nur, wenn für die Bewertung der Nachlassgegenstände ein vor der Klageeinleitung liegender Zeitpunkt massgebend ist. Dabei kommt praktisch nur der Todestag des Erblassers in Betracht. Für die Wahl dieses Stichtages spricht, auch wenn man von Art. 533 ZGB absieht, der Umstand, dass er unabhängig vom Verhalten der Beteiligten und von den Zufälligkeiten des Verfahrensganges ein für allemal feststeht. Wollte man statt auf den Zeitpunkt des Todes des Erblassers auf denjenigen der Einleitung oder der Erledigung der Herabsetzungsklage abstellen, so würde diese Klage zu einem Werkzeug der Spekulation oder zu einem Spiel mit völlig unberechenbarem Ausgang. Letzteres träfe auch beim Abstellen auf den Zeitpunkt der endgültigen Teilung zu, der übrigens als Stichtag im Falle der Herabsetzungsklage schon deshalb ausser Betracht fällt, weil er bei Erledigung dieser Klage regelmässig überhaupt noch nicht bekannt ist. Bei Beurteilung der Frage, ob und allenfalls wieweit die Zuwendung einer bestimmten Summe oder einer bestimmten Sache herabzusetzen sei, ist somit der verfügbare Teil nach dem Werte der Vermögensgegenstände am Todestag zu berechnen. Ist eine solche Zuwendung nach dieser Berechnung nicht herabsetzbar, so bleibt es dabei auch, wenn der Wert des Nachlasses zur Zeit der Teilung geringer ist als am Todestag. Umgekehrt entgeht der Bedachte einer auf Grund dieser Berechnung verfügten Herabsetzung einer solchen Zuwendung nicht, auch wenn der Wert des Nachlasses in der Zeit vom Todestag bis zur Teilung zugenommen hat. Um derartige Fälle handelt es sich bei den Beispielen, die Tuor und Escher an den vom Kläger angerufenen Kommentarstellen besprechen (TUOR, 1. Aufl., N. 30, und ESCHER, 2. Aufl. N. 4 zu Art. 474 ZGB).
b) Im vorliegenden Falle hat man es jedoch (abgesehen von der Schenkung an die Beklagte 4, deren Herabsetzung nicht verlangt wird) nicht mit der Zuwendung einer bestimmten Summe oder eines bestimmten Gegenstandes zu tun, sondern mit einer Verfügung über einen bestimmten Bruchteil des Nachlasses. Die Verweisung eines Erben auf den Pflichtteil bedeutet nämlich nichts anderes als eine Verfügung über denjenigen Bruchteil des Nachlasses, um den die gesetzliche Erbquote des auf den Pflichtteil gesetzten Erben grösser ist als die aus Art. 471 sich ergebende Pflichtteilsquote. Die Verweisung des Klägers und der Beklagten 1 auf den Pflichtteil läuft also darauf hinaus, dass der Erblasser zulasten dieser beiden Erben über je (1/4-3/16 =) 1/16 des Nachlasses zugunsten der Miterben, d.h. der Beklagten 2 und 3, bezw. (im Falle der Beklagten 1) zugunsten der beiden Miterben und der Beklagten 4 verfügt hat. Um festzustellen, ob und eventuell wieweit eine auf einen Bruchteil des Nachlasses bezügliche Verfügung den Pflichtteil verletze, bedarf es keiner Berechnung des Betrages, den der verfügbare Teil ziffernmässig ausmacht. Es genügt die Gegenüberstellung jenes Bruchteils mit demjenigen, über den der Erblasser nach Art. 470/71 verfügen durfte. Auf diesen letztern Bruchteil ist gegebenenfalls die bruchteilsmässige Verfügung des Erblassers auf Klage des Verletzten hin herabzusetzen. Hat der Erblasser wie hier einzelne Erben auf den Pflichtteil gesetzt, so hat er, wie wenn er angeordnet hätte, dass die bruchteilsmässige Differenz zwischen gesetzlichem Erbanspruch und Pflichtteil der betreffenden Erben (hier: je 1/16) den Miterben oder Dritten zukommen solle, von vornherein nur über einen Bruchteil verfügt, über den zu verfügen er befugt war. Die Verweisung eines Erben auf den Pflichtteil verletzt den Pflichtteilsanspruch dieses Erben unter keinen Umständen, welches auch immer der Geldwert des Nachlasses sei. Bei Beurteilung der Frage, was im Falle einer bruchteilsmässigen Verfügung, insbesondere der Verweisung eines Erben auf den Pflichtteil, den Noterben und den durch diese Verfügung Bedachten zukommt, ist deshalb Art. 474 Abs. 1 ZGB, der eine ziffernmässige Berechnung des verfügbaren Teils vorsieht, nicht anwendbar. Vielmehr hat in einem solchen Falle einfach eine Berechnung des jedem Erben gebührenden Bruchteils stattzufinden. Diese Bruchteile sind für die Erbteilung massgebend. Es kann nicht der Sinn von Art. 474 Abs. 1 sein, die Verfügungsbefugnis des Erblassers in der Weise einzuschränken, dass er nicht in der Lage ist, über den durch die Pflichtteile nicht beanspruchten Bruchteil des Nachlasses oder der gesetzlichen Erbteile einzelner Erben zugunsten von Miterben oder Dritten mit der Wirkung zu verfügen, dass die Bedachten mit dieser Quote an der Teilung des Nachlasses nach Massgabe des dannzumaligen Wertes der Nachlassgegenstände teilnehmen.
c) Eine Frage für sich ist es, ob dann, wenn der Erblasser einen Erben auf den Pflichtteil gesetzt hat, bei der ziffernmässigen Berechnung des diesem Erben bei der Erbteilung zukommenden Betreffnisses Art. 475 ZGB anwendbar ist, wonach die Zuwendungen unter Lebenden insoweit zum Vermögen hinzugeschlagen werden, als sie der Herabsetzungsklage unterstellt sind (vgl. zu dieser VorschriftBGE 76 II 191ff.). Die Vorinstanz hat Art. 475 auf die Schenkung des Erblassers an die Beklagte 4 angewendet. In diesem Punkte ist ihr Urteil weder dem Grundsatze noch dem Quantitativ nach angefochten, sodass nähere Erörterungen hierüber nicht nötig sind. Es mag nur noch bemerkt werden, dass es aufs gleiche hinauskommt, ob man mit der Vorinstanz den gemäss Art. 475 zum Vermögen hinzuzurechnenden Betrag zum Nachlass, Wert Todestag, hinzuzählt, von der so gewonnenen Summe den Pflichtteil des Klägers und der Beklagten 1, Wert Todestag, berechnet, den Rest des Nachlasses, Wert Todestag, rechnerisch unter die übrigen Erben verteilt und bestimmt, in welchem Verhältnis die Parteien an Wertveränderungen zwischen Todestag und Teilung partizipieren, oder ob man einfach -bestimmt, dass jener Betrag zur Berechnung der Betreffnisse des Klägers und der Beklagten 1 zum Nachlass, Wert Teilungstag, hinzuzuschlagen und der nach Abzug der so berechneten Betreffnisse verbleibende Rest im Verhältnis der festgesetzten Quoten unter die übrigen Erben zu verteilen sei. | de | Partage successoral. Calcul des parts dans le cas où certains héritiers légaux sont réduits à leur réserve.
Influence sur les droits des héritiers des modifications survenues dans la valeur de la succession entre le moment de la mort du testateur et le partage.
Portée de l'art. 474 CC. | fr | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-200%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
281 | 80 II 200 | Sachverhalt ab Seite 200
Ernst Giesker hinterliess als gesetzliche Erben drei Kinder (Kläger, Beklagte 2 und 3) und die Tochter eines vorverstorbenen Kindes (Beklagte 1). Den Kläger und die Beklagte 1 hatte er auf den Pflichtteil gesetzt, jenen zugunsten der Beklagten 2 und 3, diese zugunsten der Beklagten 2 und 3 und der Ehefrau des Beklagten 3 (der Beklagten 4). Das obere kantonale Gericht ordnete die Teilung in der Weise, dass es zum Nachlass, Wert Todestag, in Anwendung von Art. 475 und 527 Ziff. 3 ZGB den Betrag einer Schenkung hinzurechnete, die der Erblasser kurz vor seinem Tode der Beklagten 4 gemacht hatte, von der so gewonnenen Summe je 3/4 von 1/4 = 3/16 (Art. 471 Ziff. 1 in Verbindung mit Art. 457 ZGB) dem Kläger und der Beklagten 1 zuwies, den nach Abzug dieser beiden Betreffnisse verbleibenden Rest des Nachlasses, Wert Todestag, im Verhältnis von 29: 29: 2 summenmässig unter die Beklagten 2-4 verteilte und bestimmte, dass "von den bruchteilsmässig zu teilenden Nachlassveränderungen vom Todestag bis zur endgültigen Teilung" (d.h. von der in dieser Zeit eintretenden Vermehrung oder Verminderung des Wertes des Nachlasses) je 18/96 auf den Kläger und die Beklagte 1, je 29/96 auf die Beklagten 2 und 3 und 2/96 auf die Beklagte 4 entfallen. (Diese Bruchteile erklären sich daraus, dass dem Kläger und der Beklagten 1 durch die Verweisung auf den Pflichtteil je 1/16 = 6/96 des Nachlasses entzogen wurden, sodass ihnen je 18/96 statt je 1/4 = 24/96 verbleiben, und dass der dem Kläger entzogene Bruchteil den Beklagten 2 und 3, der der Beklagten 1 entzogene den Beklagten 2-4 je zu gleichen Teilen zukommt, sodass die Quoten der Beklagten 2 und 3 von je 24/96 um je 3/96 und 2/96 auf je 29/96 anwachsen und die Beklagte 4 eine Quote von 2/96 erhält.) Das Bundesgericht bestätigt das Urteil der Vorinstanz, soweit es angefochten wurde.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
Der Streit geht für den Fall, dass es bei Dispositiv 1 des angefochtenen Urteils (Feststellung der Höhe des Nachlasses) und der Verweisung des Klägers und der Beklagten 1 auf den Pflichtteil sein Bewenden hat, nur noch darum, wie die in der Zeit zwischen dem Todestag des Erblassers und der endgültigen Teilung infolge von Wertveränderungen eintretende Vermehrung oder Verminderung des hinterlassenen Vermögens zu teilen sei. Die Vorinstanz hat entschieden, dass hievon auf den Kläger und die Beklagte 1 je 18/96, auf die Beklagten 2 und 3 je 29/96 und auf die Beklagte 42/96 entfallen. Während die Beklagten diese Verteilung gelten lassen, beantragt der Kläger, der Zuwachs oder Abgang sei unter die pflichtteilsberechtigten Erben im Verhältnis ihrer gesetzlichen Erbteile von je 1/4 zu verteilen. Das ZGB gehe nämlich von der verfügbaren Quote, nicht vom Pflichtteil aus. Mit der Teilung des hinterlassenen Vermögens, Wert Todestag, gemäss der oben wiedergegebenen Aufstellung sei "bezüglich des Klägers und der Beklagten 1 über den verfügbaren Teil per Todestag abgerechnet".
Art. 474 Abs. 1 ZGB bestimmt in der Tat, der verfügbare Teil, d.h. der Betrag, um den das Vermögen des Erblassers die Summe der Pflichtteile der Noterben übersteigt (vgl. Art. 470 ZGB), berechne sich nach dem Stande des Vermögens zur Zeit des Todes des Erblassers. Versteht man unter dem Stande des Vermögens zur Zeit des Todes des Erblassers den damaligen Bestand und Wert dieses Vermögens und nimmt man an, Art. 474 ZGB komme in allen Fällen, wo die komplementären Begriffe des verfügbaren Teils und des Pflichtteils eine Rolle spielen, uneingeschränkt zur Geltung, so muss dem Kläger wohl Recht gegeben werden. In diesem Falle könnte nämlich die Verweisung des Klägers und der Beklagten 1 auf den Pflichtteil, mit welcher der Erblasser gegenüber diesen beiden Erben die ihm nach Art. 470 ZGB zustehende Verfügungsbefugnis vollständig ausgenützt hat, wohl nur die Wirkung haben, dass der Betrag, um den der ihrer gesetzlichen Erbquote entsprechende Anteil am hinterlassenen Vermögen, Wert Todestag, ihren auf das gleiche Datum berechneten Pflichtteil übersteigt, statt ihnen den Beklagten 2 und 3 bezw. den Beklagten 2 bis 4 zuzuweisen wäre. Dies ist in der nicht angefochtenen Abrechnung über die Teilung des hinterlassenen Vermögens, Wert Todestag, geschehen. Soll es dabei bleiben, dass das Erbbetreffnis, das dem Kläger und der Beklagten 1 im Falle der gesetzlichen Erbfolge zukäme, um den erwähnten Betrag und nur um diesen Betrag zugunsten der Beklagten 2 und 3 bezw. 2 bis 4 verkürzt wird, so muss deshalb, wenn man bei der endgültigen Teilung jene Abrechnung zum Ausgangspunkt nimmt, ein infolge von Wertveränderungen in der Zeit vom Tode des Erblassers bis zur Teilung eintretender Zuwachs oder Schwund des hinterlassenen Vermögens gemäss den gesetzlichen Erbquoten unter die gesetzlichen Erben verteilt werden.
Art. 474 Abs. 1 ZGB hat jedoch nicht die Tragweite, die der Kläger ihm zuschreibt.
a) InBGE 65 II 218ff. hat das Bundesgericht erklärt, wo die Zuweisung eines landwirtschaftlichen Gutes zum Ertragswert in Frage komme, sei schon bei Ermittlung des verfügbaren Teils der Ertragswert, nicht der Verkehrswert, in Rechnung zu stellen. Dem stehe nicht entgegen, "dass Art. 474 in anderer Hinsicht einer abweichenden Bewertung bei der Pflichtteilsberechnung einer- und bei der Erbteilung anderseits Raum zu geben scheint, indem er auf den Zeitpunkt der Erbgangseröffnung abstellt, während Art. 617 den Zeitpunkt der Teilung als massgebend bezeichnet." Es könne offen bleiben, ob nicht Art. 474 durch Art. 617 näher bestimmt werde, weil in casu von einer seit dem Tode des Erblassers eingetretenen Wertveränderung nicht die Rede sei. "Jedenfalls will Art. 474 in erster Linie nur ausschliessen, dass die Frage der Herabsetzbarkeit einer Verfügung von Todes wegen nach dem früheren Zeitpunkt beurteilt werde, in dem sie getroffen wurde, statt nach dem Zeitpunkt des Todes, auf den sie wirksam zu werden hatte. Damit ist wohl nicht ausgeschlossen, auch für die Pflichtteilsberechnung einen noch spätern Zeitpunkt als massgebend zu erachten, soweit sich bei der Abwicklung des zur Verwirklichung der erbrechtlichen Ansprüche durchzuführenden Erbganges, der sich über eine längere Zeit hin erstrecken kann, Wertveränderungen ergeben, die bei der Teilung nach gesetzlicher Vorschrift zu berücksichtigen sind" (S. 223).
Der hier angedeuteten Auslegung von Art. 474 ZGB steht der Wortlaut dieser Bestimmung nicht im Wege. Während § 2311 des deutschen BGB bestimmt, der Berechnung des Pflichtteils werde der Bestand und der Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalles zugrunde gelegt, erklärt Art. 474 ZGB einfach den "Stand" (état, stato) des Vermögens zur Zeit des Todes des Erblassers als massgebend. Damit ist gesagt, dass es bei der Berechnung des verfügbaren Teils darauf ankommt, welche Aktiven und Passiven im Zeitpunkte des Todes des Erblassers (nicht etwa der Testamentserrichtung) zu dessen Vermögen gehörten. Was vorher an Vermögensgegenständen wegging oder an Schulden bezahlt wurde, zählt nicht mehr mit, auch wenn der Erblasser bei der Testamentserrichtung noch damit gerechnet haben sollte. Dagegen folgt aus dem Wortlaut von Art. 474 nicht ohne weiteres, dass bei der Berechnung des verfügbaren Teils die beim Tode des Erblassers vorhandenen Vermögensstücke auf diesen Zeitpunkt zu bewerten und später eintretende Wertveränderungen ausser acht zu lassen seien. Wie es sich in dieser Hinsicht verhalte, ist vielmehr aus andern Bestimmungen über den Schutz des Pflichtteils zu erschliessen.
Hiebei fällt vor allem in Betracht, dass die Herabsetzungsklage, welche die durch die Verfügungen des Erblassers in ihrem Pflichtteil verletzten Erben anstrengen müssen, um diese Benachteiligung abzuwenden, gemäss Art. 533 ZGB mit Ablauf eines Jahres von dem Zeitpunkte an verjährt, da die Erben von der Verletzung ihrer Rechte Kenntnis erhalten haben. Zur Kenntnis der Pflichtteilsverletzung gehört dann, wenn es sich darum handelt, ob der Pflichtteil durch eine Verfügung über eine bestimmte Summe oder einen bestimmten Gegenstand verletzt worden sei, dass der benachteiligte Erbe nicht nur über seine Berufung zur Erbschaft, seine genaue Erbenstellung und die in Frage stehende Verfügung, sondern auch über die Höhe der Erbmasse hinreichend unterrichtet ist (ESCHER, 2. Aufl., N. 2, und TUOR, 2. Aufl., N. 5 zu Art. 533 ZGB;BGE 78 II 15). Die Möglichkeit, sich vor Einreichung einer Herabsetzungsklage von der Höhe der Erbmasse eine Vorstellung zu bilden, besteht nur, wenn für die Bewertung der Nachlassgegenstände ein vor der Klageeinleitung liegender Zeitpunkt massgebend ist. Dabei kommt praktisch nur der Todestag des Erblassers in Betracht. Für die Wahl dieses Stichtages spricht, auch wenn man von Art. 533 ZGB absieht, der Umstand, dass er unabhängig vom Verhalten der Beteiligten und von den Zufälligkeiten des Verfahrensganges ein für allemal feststeht. Wollte man statt auf den Zeitpunkt des Todes des Erblassers auf denjenigen der Einleitung oder der Erledigung der Herabsetzungsklage abstellen, so würde diese Klage zu einem Werkzeug der Spekulation oder zu einem Spiel mit völlig unberechenbarem Ausgang. Letzteres träfe auch beim Abstellen auf den Zeitpunkt der endgültigen Teilung zu, der übrigens als Stichtag im Falle der Herabsetzungsklage schon deshalb ausser Betracht fällt, weil er bei Erledigung dieser Klage regelmässig überhaupt noch nicht bekannt ist. Bei Beurteilung der Frage, ob und allenfalls wieweit die Zuwendung einer bestimmten Summe oder einer bestimmten Sache herabzusetzen sei, ist somit der verfügbare Teil nach dem Werte der Vermögensgegenstände am Todestag zu berechnen. Ist eine solche Zuwendung nach dieser Berechnung nicht herabsetzbar, so bleibt es dabei auch, wenn der Wert des Nachlasses zur Zeit der Teilung geringer ist als am Todestag. Umgekehrt entgeht der Bedachte einer auf Grund dieser Berechnung verfügten Herabsetzung einer solchen Zuwendung nicht, auch wenn der Wert des Nachlasses in der Zeit vom Todestag bis zur Teilung zugenommen hat. Um derartige Fälle handelt es sich bei den Beispielen, die Tuor und Escher an den vom Kläger angerufenen Kommentarstellen besprechen (TUOR, 1. Aufl., N. 30, und ESCHER, 2. Aufl. N. 4 zu Art. 474 ZGB).
b) Im vorliegenden Falle hat man es jedoch (abgesehen von der Schenkung an die Beklagte 4, deren Herabsetzung nicht verlangt wird) nicht mit der Zuwendung einer bestimmten Summe oder eines bestimmten Gegenstandes zu tun, sondern mit einer Verfügung über einen bestimmten Bruchteil des Nachlasses. Die Verweisung eines Erben auf den Pflichtteil bedeutet nämlich nichts anderes als eine Verfügung über denjenigen Bruchteil des Nachlasses, um den die gesetzliche Erbquote des auf den Pflichtteil gesetzten Erben grösser ist als die aus Art. 471 sich ergebende Pflichtteilsquote. Die Verweisung des Klägers und der Beklagten 1 auf den Pflichtteil läuft also darauf hinaus, dass der Erblasser zulasten dieser beiden Erben über je (1/4-3/16 =) 1/16 des Nachlasses zugunsten der Miterben, d.h. der Beklagten 2 und 3, bezw. (im Falle der Beklagten 1) zugunsten der beiden Miterben und der Beklagten 4 verfügt hat. Um festzustellen, ob und eventuell wieweit eine auf einen Bruchteil des Nachlasses bezügliche Verfügung den Pflichtteil verletze, bedarf es keiner Berechnung des Betrages, den der verfügbare Teil ziffernmässig ausmacht. Es genügt die Gegenüberstellung jenes Bruchteils mit demjenigen, über den der Erblasser nach Art. 470/71 verfügen durfte. Auf diesen letztern Bruchteil ist gegebenenfalls die bruchteilsmässige Verfügung des Erblassers auf Klage des Verletzten hin herabzusetzen. Hat der Erblasser wie hier einzelne Erben auf den Pflichtteil gesetzt, so hat er, wie wenn er angeordnet hätte, dass die bruchteilsmässige Differenz zwischen gesetzlichem Erbanspruch und Pflichtteil der betreffenden Erben (hier: je 1/16) den Miterben oder Dritten zukommen solle, von vornherein nur über einen Bruchteil verfügt, über den zu verfügen er befugt war. Die Verweisung eines Erben auf den Pflichtteil verletzt den Pflichtteilsanspruch dieses Erben unter keinen Umständen, welches auch immer der Geldwert des Nachlasses sei. Bei Beurteilung der Frage, was im Falle einer bruchteilsmässigen Verfügung, insbesondere der Verweisung eines Erben auf den Pflichtteil, den Noterben und den durch diese Verfügung Bedachten zukommt, ist deshalb Art. 474 Abs. 1 ZGB, der eine ziffernmässige Berechnung des verfügbaren Teils vorsieht, nicht anwendbar. Vielmehr hat in einem solchen Falle einfach eine Berechnung des jedem Erben gebührenden Bruchteils stattzufinden. Diese Bruchteile sind für die Erbteilung massgebend. Es kann nicht der Sinn von Art. 474 Abs. 1 sein, die Verfügungsbefugnis des Erblassers in der Weise einzuschränken, dass er nicht in der Lage ist, über den durch die Pflichtteile nicht beanspruchten Bruchteil des Nachlasses oder der gesetzlichen Erbteile einzelner Erben zugunsten von Miterben oder Dritten mit der Wirkung zu verfügen, dass die Bedachten mit dieser Quote an der Teilung des Nachlasses nach Massgabe des dannzumaligen Wertes der Nachlassgegenstände teilnehmen.
c) Eine Frage für sich ist es, ob dann, wenn der Erblasser einen Erben auf den Pflichtteil gesetzt hat, bei der ziffernmässigen Berechnung des diesem Erben bei der Erbteilung zukommenden Betreffnisses Art. 475 ZGB anwendbar ist, wonach die Zuwendungen unter Lebenden insoweit zum Vermögen hinzugeschlagen werden, als sie der Herabsetzungsklage unterstellt sind (vgl. zu dieser VorschriftBGE 76 II 191ff.). Die Vorinstanz hat Art. 475 auf die Schenkung des Erblassers an die Beklagte 4 angewendet. In diesem Punkte ist ihr Urteil weder dem Grundsatze noch dem Quantitativ nach angefochten, sodass nähere Erörterungen hierüber nicht nötig sind. Es mag nur noch bemerkt werden, dass es aufs gleiche hinauskommt, ob man mit der Vorinstanz den gemäss Art. 475 zum Vermögen hinzuzurechnenden Betrag zum Nachlass, Wert Todestag, hinzuzählt, von der so gewonnenen Summe den Pflichtteil des Klägers und der Beklagten 1, Wert Todestag, berechnet, den Rest des Nachlasses, Wert Todestag, rechnerisch unter die übrigen Erben verteilt und bestimmt, in welchem Verhältnis die Parteien an Wertveränderungen zwischen Todestag und Teilung partizipieren, oder ob man einfach -bestimmt, dass jener Betrag zur Berechnung der Betreffnisse des Klägers und der Beklagten 1 zum Nachlass, Wert Teilungstag, hinzuzuschlagen und der nach Abzug der so berechneten Betreffnisse verbleibende Rest im Verhältnis der festgesetzten Quoten unter die übrigen Erben zu verteilen sei. | de | Divisione dell'eredità. Computo delle quote nel caso in cui a determinati eredi sia stata attribuita la sola legittima.
Influsso sui diritti degli eredi delle modificazioni sopravvenute nel valore del patrimonio ereditario tra il giorno della morte del testatore e quello della divisione.
Portata dell'art. 474 CC. | it | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-200%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
282 | 80 II 208 | Sachverhalt ab Seite 208
(Tatbestand gekürzt; vgl. BGE 80 I 259).
A.- Der am 29. Mai 1952 verstorbene Michael Gisler, Eigentümer des bäuerlichen Heimwesens "Getschwiler" in Spiringen (Uri), hinterliess als Erben seine Frau Anna Gisler sowie 6 Geschwister. Mit notariellem Testament vom 23. Mai 1950 hatte er was folgt verfügt:
"Meine Ehe ist kinderlos geblieben. Ich vermache daher mein ganzes Vermögen, in was es alsdann bestehen mag, meiner lieben Ehefrau Anna geb. Arnold zu Eigentum, bis auf den gesetzlichen Pflichtteil, der meinen Geschwistern oder deren Nachkommen zusteht. An diesem Pflichtteil soll meine Frau die lebenslängliche Nutzniessung haben. Von einer Sicherstellung gegenüber diesen Erben soll sie entbunden sein, ausser wenn sie Land und Vieh verkaufen würde."
Das Testament wurde nicht angefochten.
Im Dezember 1952 stellte die Wwe. Gisler beim Einwohnergemeinderat Spiringen das Begehren auf Erbteilung und Zuweisung der Erbliegenschaft zum Ertragswerte gemäss bäuerlichem Erbrecht. Auf dieses berief sich auch die Schwester des Erblassers Frau Herger-Gisler für ihre Gegenansprache.
Im März 1953 schob der Gemeinderat den Entscheid auf, bis das Testament in materielle Rechtkraft getreten sei, und bestellte einen Erbenvertreter.
B.- Inzwischen erhob Wwe. Gisler im April 1953 überdies beim Landgericht Uri Zivilklage auf Feststellung ihres Erbanspruches auf 13/16 Eigentum und 3/16 Nutzniessung, Zuweisung der Liegenschaft und aller übrigen Vermögenswerte an sie und Ermächtigung des Grundbuchamtes zur Eintragung des Eigentumsüberganges.
Auf diese Klage trat das Landgericht "mangels sachlicher Zuständigkeit und zufolge anderweitiger Litispendenz" nicht ein (24. Juni 1953). Diesen Entscheid bestätigte das Obergericht Uri (18. September 1953). Auf eine staatsrechtliche Beschwerde gegen letzteres Urteil ist das Bundesgericht in der Folge nicht eingetreten, weil die behauptete Rechtsverletzung durch Berufung hätte gerügt werden können (30. Juni 1954, BGE 80 I 259).
C.- Im Verfahren betr. bäuerliches Erbrecht wies der Gemeinderat Spiringen mit Entscheid vom 14. November 1953 die Erbliegenschaft zum Ertrags- und die Gerätschaften zum Nutzwerte der Frau Herger-Gisler zu; der Witwe Gisler wurde eine jährliche Bodenrente sowie ein unentgeltliches Wohnrecht im Wohnhause zugesprochen.
Einen Rekurs der Wwe. Gisler gegen diesen Zuweisungsentscheid hat der Regierungsrat, als allgemeine Beschwerdeinstanz in Administrativsachen gemäss § 20 EG/ZGB, mit Beschluss vom 30. März 1954 als unbegründet abgewiesen.
D.- Gegen diesen Entscheid richtet sich die vorliegende Berufung der Klägerin Wwe. Gisler mit den Anträgen auf Aufhebung desselben einschliesslich desjenigen des Gemeinderates, mit Ausnahme der Erwägung, in welcher der Regierungsrat dem letztern die Zuständigkeit zur Auslegung des Testamentes abspreche, und Zuweisung der Erbliegenschaft an die Klägerin zum festgesetzten Ertragswerte; ev. Einräumung mindestens des vollen Nutzniessungsrechtes an der Liegenschaft und Beschränkung der Miterben auf die nuda proprietas; subev. Rückweisung an die Vorinstanz.
E.- Die Berufungsbeklagten Frau Herger und Geschwister tragen auf Abweisung der Berufung an.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die vorliegende Berufung stellt die Weiterziehung des Verfahrens vor Gemeinderat und Regierungsrat auf Zuweisung des landwirtschaftlichen Gewerbes nach bäuerlichem Erbrecht gemäss Art. 620 ff. ZGB dar. Die Bestimmungen über dieses Sonderrecht, Art. 620-625 bis, bilden die Ziff. V "Landwirtschaftliche Gewerbe" der lit. D "Besondere Gegenstände" im Abschnitt "Die Teilungsart" (Art. 607 ff.). Den Bestimmungen über die "Besonderen Gegenstände" voran gehen unter lit. A allgemeine Grundsätze über die Teilungsart und unter lit. B Bestimmungen über "Ordnung der Teilung". Hier nun steht Art. 608, nach welchem der Erblasser befugt ist, durch Verfügung von Todes wegen seinen Erben Vorschriften über die Teilung und Bildung der Teile zu machen (Abs. 1), und mangels eines ersichtlichen andern Willens des Erblassers die Zuweisung einer Erbschaftssache an einen Erben als eine blosse Teilungsvorschrift und nicht als Vermächtnis gilt (Abs. 2).
Im vorliegenden Falle hat der Erblasser in seinem unangefochten gebliebenen Testamente verfügt, er "vermache" sein ganzes Vermögen, in was immer es alsdann bestehen möge, seiner Frau zu Eigentum, vorbehältlich des Pflichtteils seiner Geschwister oder deren Nachkommen; an diesem Pflichtteil solle die Witwe die lebenslängliche Nutzniessung haben und von einer Sicherstellung entbunden sein, ausser wenn sie Land und Vieh verkaufen würde.
Aus dieser Verfügung geht hervor, dass der Erblasser seine Frau zur Erbin mit Bezug auf das gesamte Vermögen, vorbehältlich der Pflichtteile der Geschwister, einsetzte und ihr namentlich auch das Eigentum an "Land und Vieh", also an der streitigen Liegenschaft zuweisen wollte. Es liegt somit in dieser Bestimmung nicht nur eine Erbeinsetzung auf das ganze nicht durch die Pflichtteile der Geschwister beanspruchte Vermögen, sondern, mit Bezug auf "Land und Vieh", zugleich eine Teilungsvorschrift im Sinne von Art. 608 ZGB.
Hinsichtlich der Frage des Verhältnisses des Art. 608 zu den Bestimmungen über das bäuerliche Erbrecht hat sich die bisherige Lehre und Praxis übereinstimmend dahin ausgesprochen, dass eine Teilungsvorschrift des Erblassers nach Art. 608 für die Erben verbindlich ist und der Erbe, zu dessen Gunsten sie lautet, sie gegen widerstrebende Miterben rechtlich durchsetzen kann (ESCHER, Art. 608 N. 3; TUOR, Art. 608 N. 6, 9). Soweit der Erblasser solche Teilungsvorschriften gültig verfügt hat, sind die weiteren Bestimmungen des Gesetzes über Durchführung der Teilung und namentlich mit Bezug auf die Behandlung "besonderer Gegenstände" in derselben nicht anwendbar. Der Erblasser kann auch ein landwirtschaftliches Gewerbe einem der Erben oder sogar einem Dritten zuweisen, auch den Anrechnungswert bestimmen, mit der Wirkung, dass das bäuerliche Erbrecht, sowohl in materieller als in formeller Hinsicht, ausgeschaltet ist und kein Erbe sich darauf berufen kann. Die Teilungsvorschrift des Erblassers ist bezüglich der Erbliegenschaft für die Erben ebenso verbindlich wie bezüglich irgend eines andern Erbschaftsgegenstandes; angesichts derselben bleibt für einen Streit unter den Erben über die Zuteilung des Heimwesens und mithin für die Anwendung des bäuerlichen Erbrechts kein Raum. Art. 620 ff. enthalten kein zwingendes, sondern dispositives Recht; sowohl der Erblasser gemäss Art. 608 als die einstimmigen Erben können dessen Anwendung ausschalten (ESCHER, Art. 608 N. 1, Art. 620 N. 3; TUOR Vbm. zu Art. 620 N. 10; ebenso BGE 50 II 462 /3).
2. Es fragt sich, ob durch die partielle Revision der Bestimmungen über das bäuerliche Erbrecht gemäss Art. 94 des Bundesgesetzes über die Entschuldung landwirtschaftlicher Heimwesen vom 12. Dezember 1940, in Kraft getreten am 1. Januar 1947, dieses Verhältnis zwischen Art. 608 und 620 ff. ZGB dahin abgeändert worden ist, dass eine Zuteilungsvorschrift des Erblassers die Anwendbarkeit des bäuerlichen Erbrechts nicht mehr ausschliessen könne, wie dies in der Botschaft des Bundesrates zum LEG und seither von einzelnen Autoren angenommen wird (LIVER, in der Festschrift für Tuor "Zum schweizerischen Erbrecht", S. 76-83, und dort zit. Literatur).
Das Bundesgericht kann sich dieser Auffassung nicht anschliessen. Die durch das neue Gesetz am ZGB angebrachte Änderung bestand darin, dass die Art. 620, 621 und 625 aufgehoben und durch einen neuen Wortlaut ersetzt sowie durch einige neue Artikel (621 bis-quater, 625 bis) ergänzt wurden. Die das "Obligatorium" des bäuerlichen Erbrechts und die Einschränkung der Testierfreiheit des Erblassers begründende Änderung wird darin erblickt, dass es in Art. 620 anstelle des bisherigen Wortlauts "Befindet sich in der Erbschaft ein landwirtschaftliches Gewerbe, so soll es ... diesem Erben ... zugewiesen werden", nun heisst: "so ist es ... diesem Erben zuzuweisen", während am französischen und italienischen Text überhaupt nichts geändert worden ist (... elle est attribuée, è attribuata ed imputata). Aber ganz abgesehen von der Gleichheit der beiden letzteren Texte ist durch die Anbringung der kleinen Nuance im deutschen Wortlaut an der Geltungskraft der Bestimmungen gar nichts geändert worden und wäre es übrigens auch nicht, wenn der wohl noch entschiedenere Ausdruck im Entwurf von 1936 "muss ... zugewiesen werden" beibehalten worden wäre. Das "soll" des früheren Textes ist von der Rechtsprechung immer so ausgelegt worden, dass die zuständige Behörde, wenn die objektiven und subjektiven Voraussetzungen gegeben sind, das Gewerbe gemäss dem bäuerlichen Erbrecht zuweisen muss und der bezw. die Ansprecher darauf einen Rechtsanspruch haben. Die Hauptvoraussetzung dabei aber war und ist immer, dass das bäuerliche Erbrecht überhaupt zur Anwendung kommt, was eben nicht zutrifft, wenn der Erblasser eine Teilungsvorschrift gemäss Art. 608 gültig verfügt hat. Die Verbindlichkeit einer solchen Teilungsvorschrift ist der Grundsatz; nur wo eine solche fehlt, greifen die Teilungsregeln der Art. 620 ff. Platz und geben die Entscheidung.
An diesem aus der Systematik des Gesetzes selbst hervorgehenden Rangverhältnis zwischen Art. 608 und 620 ff. ist durch die Revision der letztern Artikelgruppe als Ganzes geschweige denn durch die vermeintliche Verschärfung des (deutschen) Textes von Art. 620 nicht das geringste geändert worden. Wenn die Einführung des "Obligatoriums" des bäuerlichen Erbrechts im Sinne der Einschränkung der Verfügungsfreiheit des Erblassers gemäss Art. 608 ein Hauptpostulat der mit dem LEG verbundenen Revision war (vgl. LIVER, a.a.O., S. 57, 62, 76 ff.), so hätte diese grundlegende Umkehrung der systematischen Stellung der beiden Normen im ZGB selbst unzweideutig zum Ausdruck gebracht werden müssen, sei es durch einen Vorbehalt im Art. 608, wonach solche Teilungsvorschriften bezüglich landwirtschaftlicher Gewerbe nicht verbindlich sind, sei es durch eine Bestimmung in Art. 620, wonach der Anspruch des berechtigten Erben einer anders lautenden Verfügung des Erblassers vorgeht. Diesen Sinn dem jetzt geltenden Gesetzestexte trotzdem zu unterlegen mit der Begründung, dies sei wenn nicht der Wille des Gesetzes, so doch jedenfalls des Gesetzgebers bei der Revision gewesen (a.a.O. S. 81), geht nicht an. Es bestand bisher bezüglich des Verhältnisses von Art. 608 zu Art. 620 ff., jedenfalls im Grundsatz, ein bestimmter, anerkannter Rechtszustand; um diesen in sein Gegenteil zu kehren, genügt es keineswegs, dass der Gesetzgeber einige Artikel formell aufhebt, durch neue ersetzt und dabei glaubt, jene Wirkung zu erzielen, ohne jedoch dies in den textlichen Abänderungen selbst irgendwie konkret und klar zum Ausdruck zu bringen. Das Erbrecht des Zivilgesetzbuches bildet ein systematisches Ganzes und muss aus sich selbst interpretiert werden können. Eine in einer grundsätzlichen Frage von der bisherigen abweichende Interpretation lediglich aus dem Sinn und Zweck eines neuen Nebengesetzes ist nicht annehmbar (vgl. auch FEHR, ZbJV 82, S. 1 ff. bes. S. 13-16).
3. Schliesst mithin nach wie vor eine Teilungsvorschrift des Erblassers gemäss Art. 608 ZGB die Anwendbarkeit des bäuerlichen Erbrechts aus, so kommt die mit einem Zuweisungsbegehren gemäss Art. 621 angerufene Behörde, entgegen der Auffassung des Regierungsrates, nicht darum herum, ein vorhandenes Testament zu prüfen und zu interpretieren, nämlich daraufhin, ob es mit Bezug auf das landwirtschaftliche Gewerbe eine Zuteilungsvorschrift enthält. Nur wenn dies nicht der Fall ist, bleibt Raum für eine Zuweisung nach bäuerlichem Erbrecht und kann sich die Behörde gemäss Art. 621 zum Verfahren und Entscheid zuständig erklären. Da diese Grundvoraussetzung weder vom Gemeinderat Spiringen noch vom Regierungsrat geprüft worden ist, hat das Bundesgericht es zu tun, mit dem Ergebnis, dass, wie vorausgenommen, das Testament des Michael Gisler die Liegenschaft ohne jeden Zweifel der zur Gesamterbin eingesetzten Ehefrau zuweist. Damit fehlt dem Verfahren gemäss Art. 621 und den darin ergangenen Entscheiden des Gemeinderates und des Regierungsrates auf Zuweisung der Liegenschaft an Frau Herger die notwendige Voraussetzung der Anwendbarkeit der Art. 620 ff.. Der Gemeinderat Spiringen als Zuweisungsbehörde im Sinne von Art. 621 hätte daher richtigerweise auf die Zuweisungsbegehren der beiden Ansprecherinnen nicht eintreten sollen in der Meinung, dass die Zusprechung der Liegenschaft gestützt auf das Testament Sache des Landgerichts sei, wo die Klägerin ja eine bezügliche Klage anhängig hatte. Das Landgericht aber hätte auf die letztere Klage eintreten sollen, statt dies "mangels sachlicher Zuständigkeit und zufolge anderweitiger Litispendenz" abzulehnen; denn zur Behandlung der sich auf das Testament stützenden Zivilklage war es zweifellos zuständig, und Litispendenz lag nicht vor mangels Identität der Streitsachen: einerseits des auf Art. 620 ff. gestützten Zuweisungsbegehrens beim Gemeinderat, anderseits der auf das Testament gestützten Zivilklage, die übrigens ja ausser der Zusprechung der Liegenschaft (auf Grund der Teilungsvorschrift des Testamentes) noch weitere Rechtsbegehren umfasste, bezüglich welcher Zuständigkeit des Gemeinderates überhaupt nicht in Frage kam. Zu einer Richtigstellung des den Nichteintretensentscheid des Landgerichts bestätigenden Urteils des Obergerichts hatte das Bundesgericht keine Gelegenheit, weil es auf die statt der gegebenen Berufung eingelegte staatsrechtliche Beschwerde nicht eintreten konnte (BGE 80 I 259).
4. Der angefochtene, die Liegenschaft auf Grund von Art. 620 ff. ZGB der Frau Herger zuweisende Entscheid ist mithin aufzuheben. Eine Zuweisung an die Klägerin kann jedoch in diesem Verfahren, das ausschliesslich ein solches gemäss Art. 621 ist, auch nicht erfolgen; denn ihr steht ein Anspruch auf die Liegenschaft nur gestützt auf das Testament zu, der auch in ihrer Person einen Anspruch gemäss Art. 620 ff. ausschliesst. Vielmehr sind - in diesem Verfahren - die auf diese Bestimmung gestützten Begehren beider Parteien angebrachtermassen abzuweisen. Die Berufungsklägerin hat aber die Möglichkeit, jetzt ihre aus dem Testament folgenden Ansprüche geltend zu machen, wenn nötig mittels Zivilklage, da der Nichteintretensbeschluss des Land- bezw. Obergerichts nur wegen sachlicher Unzuständigkeit und Litispendenz erfolgte, welche Einreden nach dem vorliegenden Entscheid nicht mehr zutreffen, und das landgerichtliche Urteil übrigens im letzten Absatz seiner Erwägungen ausdrücklich erklärt hatte, es wolle die Frage, ob die Klägerin später eine Klage aus Testament erheben könne, nicht präjudizieren. Dass Frau Gisler etwa mit der Anrufung des bäuerlichen Erbrechts auf ihre Ansprüche aus dem Testament verzichtet hätte, ist nicht ersichtlich. Der Zivilrichter wird also gegebenenfalls zu prüfen haben, ob der Wwe. Gisler das Heimwesen auf Grund der testamentarischen Zuweisung zugesprochen werden muss; erst wenn dies rechtskräftig verneint wäre, wäre wieder Raum für ein Verfahren gemäss Art. 620 ff.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird dahin gutgeheissen, dass der Beschluss des Regierungsrates des Kantons Uri vom 30. März 1954 und damit derjenige des Gemeinderates von Spiringen vom 14. November 1953 aufgehoben und die Begehren beider Parteien auf Zuweisung der Erbliegenschaft auf Grund des Art. 620 ZGB angebrachtermassen abgewiesen werden. | de | Bäuerliches Erbrecht. Hat der Erblasser mit Bezug auf das landwirtschaftliche Gewerbe eine gültige Zuweisungsvorschrift gemäss Art. 608 ZGB hinterlassen, so ist diese verbindlich und für die Anwendung des bäuerlichen Erbrechts kein Raum.
An diesem Verhältnis zwischen Art. 608 und Art. 620 ff. ZGB hat sich durch die Teilrevision der letztern Bestimmungen gemäss Art. 94 LEG nichts geändert. | de | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-208%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
283 | 80 II 208 | Sachverhalt ab Seite 208
(Tatbestand gekürzt; vgl. BGE 80 I 259).
A.- Der am 29. Mai 1952 verstorbene Michael Gisler, Eigentümer des bäuerlichen Heimwesens "Getschwiler" in Spiringen (Uri), hinterliess als Erben seine Frau Anna Gisler sowie 6 Geschwister. Mit notariellem Testament vom 23. Mai 1950 hatte er was folgt verfügt:
"Meine Ehe ist kinderlos geblieben. Ich vermache daher mein ganzes Vermögen, in was es alsdann bestehen mag, meiner lieben Ehefrau Anna geb. Arnold zu Eigentum, bis auf den gesetzlichen Pflichtteil, der meinen Geschwistern oder deren Nachkommen zusteht. An diesem Pflichtteil soll meine Frau die lebenslängliche Nutzniessung haben. Von einer Sicherstellung gegenüber diesen Erben soll sie entbunden sein, ausser wenn sie Land und Vieh verkaufen würde."
Das Testament wurde nicht angefochten.
Im Dezember 1952 stellte die Wwe. Gisler beim Einwohnergemeinderat Spiringen das Begehren auf Erbteilung und Zuweisung der Erbliegenschaft zum Ertragswerte gemäss bäuerlichem Erbrecht. Auf dieses berief sich auch die Schwester des Erblassers Frau Herger-Gisler für ihre Gegenansprache.
Im März 1953 schob der Gemeinderat den Entscheid auf, bis das Testament in materielle Rechtkraft getreten sei, und bestellte einen Erbenvertreter.
B.- Inzwischen erhob Wwe. Gisler im April 1953 überdies beim Landgericht Uri Zivilklage auf Feststellung ihres Erbanspruches auf 13/16 Eigentum und 3/16 Nutzniessung, Zuweisung der Liegenschaft und aller übrigen Vermögenswerte an sie und Ermächtigung des Grundbuchamtes zur Eintragung des Eigentumsüberganges.
Auf diese Klage trat das Landgericht "mangels sachlicher Zuständigkeit und zufolge anderweitiger Litispendenz" nicht ein (24. Juni 1953). Diesen Entscheid bestätigte das Obergericht Uri (18. September 1953). Auf eine staatsrechtliche Beschwerde gegen letzteres Urteil ist das Bundesgericht in der Folge nicht eingetreten, weil die behauptete Rechtsverletzung durch Berufung hätte gerügt werden können (30. Juni 1954, BGE 80 I 259).
C.- Im Verfahren betr. bäuerliches Erbrecht wies der Gemeinderat Spiringen mit Entscheid vom 14. November 1953 die Erbliegenschaft zum Ertrags- und die Gerätschaften zum Nutzwerte der Frau Herger-Gisler zu; der Witwe Gisler wurde eine jährliche Bodenrente sowie ein unentgeltliches Wohnrecht im Wohnhause zugesprochen.
Einen Rekurs der Wwe. Gisler gegen diesen Zuweisungsentscheid hat der Regierungsrat, als allgemeine Beschwerdeinstanz in Administrativsachen gemäss § 20 EG/ZGB, mit Beschluss vom 30. März 1954 als unbegründet abgewiesen.
D.- Gegen diesen Entscheid richtet sich die vorliegende Berufung der Klägerin Wwe. Gisler mit den Anträgen auf Aufhebung desselben einschliesslich desjenigen des Gemeinderates, mit Ausnahme der Erwägung, in welcher der Regierungsrat dem letztern die Zuständigkeit zur Auslegung des Testamentes abspreche, und Zuweisung der Erbliegenschaft an die Klägerin zum festgesetzten Ertragswerte; ev. Einräumung mindestens des vollen Nutzniessungsrechtes an der Liegenschaft und Beschränkung der Miterben auf die nuda proprietas; subev. Rückweisung an die Vorinstanz.
E.- Die Berufungsbeklagten Frau Herger und Geschwister tragen auf Abweisung der Berufung an.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die vorliegende Berufung stellt die Weiterziehung des Verfahrens vor Gemeinderat und Regierungsrat auf Zuweisung des landwirtschaftlichen Gewerbes nach bäuerlichem Erbrecht gemäss Art. 620 ff. ZGB dar. Die Bestimmungen über dieses Sonderrecht, Art. 620-625 bis, bilden die Ziff. V "Landwirtschaftliche Gewerbe" der lit. D "Besondere Gegenstände" im Abschnitt "Die Teilungsart" (Art. 607 ff.). Den Bestimmungen über die "Besonderen Gegenstände" voran gehen unter lit. A allgemeine Grundsätze über die Teilungsart und unter lit. B Bestimmungen über "Ordnung der Teilung". Hier nun steht Art. 608, nach welchem der Erblasser befugt ist, durch Verfügung von Todes wegen seinen Erben Vorschriften über die Teilung und Bildung der Teile zu machen (Abs. 1), und mangels eines ersichtlichen andern Willens des Erblassers die Zuweisung einer Erbschaftssache an einen Erben als eine blosse Teilungsvorschrift und nicht als Vermächtnis gilt (Abs. 2).
Im vorliegenden Falle hat der Erblasser in seinem unangefochten gebliebenen Testamente verfügt, er "vermache" sein ganzes Vermögen, in was immer es alsdann bestehen möge, seiner Frau zu Eigentum, vorbehältlich des Pflichtteils seiner Geschwister oder deren Nachkommen; an diesem Pflichtteil solle die Witwe die lebenslängliche Nutzniessung haben und von einer Sicherstellung entbunden sein, ausser wenn sie Land und Vieh verkaufen würde.
Aus dieser Verfügung geht hervor, dass der Erblasser seine Frau zur Erbin mit Bezug auf das gesamte Vermögen, vorbehältlich der Pflichtteile der Geschwister, einsetzte und ihr namentlich auch das Eigentum an "Land und Vieh", also an der streitigen Liegenschaft zuweisen wollte. Es liegt somit in dieser Bestimmung nicht nur eine Erbeinsetzung auf das ganze nicht durch die Pflichtteile der Geschwister beanspruchte Vermögen, sondern, mit Bezug auf "Land und Vieh", zugleich eine Teilungsvorschrift im Sinne von Art. 608 ZGB.
Hinsichtlich der Frage des Verhältnisses des Art. 608 zu den Bestimmungen über das bäuerliche Erbrecht hat sich die bisherige Lehre und Praxis übereinstimmend dahin ausgesprochen, dass eine Teilungsvorschrift des Erblassers nach Art. 608 für die Erben verbindlich ist und der Erbe, zu dessen Gunsten sie lautet, sie gegen widerstrebende Miterben rechtlich durchsetzen kann (ESCHER, Art. 608 N. 3; TUOR, Art. 608 N. 6, 9). Soweit der Erblasser solche Teilungsvorschriften gültig verfügt hat, sind die weiteren Bestimmungen des Gesetzes über Durchführung der Teilung und namentlich mit Bezug auf die Behandlung "besonderer Gegenstände" in derselben nicht anwendbar. Der Erblasser kann auch ein landwirtschaftliches Gewerbe einem der Erben oder sogar einem Dritten zuweisen, auch den Anrechnungswert bestimmen, mit der Wirkung, dass das bäuerliche Erbrecht, sowohl in materieller als in formeller Hinsicht, ausgeschaltet ist und kein Erbe sich darauf berufen kann. Die Teilungsvorschrift des Erblassers ist bezüglich der Erbliegenschaft für die Erben ebenso verbindlich wie bezüglich irgend eines andern Erbschaftsgegenstandes; angesichts derselben bleibt für einen Streit unter den Erben über die Zuteilung des Heimwesens und mithin für die Anwendung des bäuerlichen Erbrechts kein Raum. Art. 620 ff. enthalten kein zwingendes, sondern dispositives Recht; sowohl der Erblasser gemäss Art. 608 als die einstimmigen Erben können dessen Anwendung ausschalten (ESCHER, Art. 608 N. 1, Art. 620 N. 3; TUOR Vbm. zu Art. 620 N. 10; ebenso BGE 50 II 462 /3).
2. Es fragt sich, ob durch die partielle Revision der Bestimmungen über das bäuerliche Erbrecht gemäss Art. 94 des Bundesgesetzes über die Entschuldung landwirtschaftlicher Heimwesen vom 12. Dezember 1940, in Kraft getreten am 1. Januar 1947, dieses Verhältnis zwischen Art. 608 und 620 ff. ZGB dahin abgeändert worden ist, dass eine Zuteilungsvorschrift des Erblassers die Anwendbarkeit des bäuerlichen Erbrechts nicht mehr ausschliessen könne, wie dies in der Botschaft des Bundesrates zum LEG und seither von einzelnen Autoren angenommen wird (LIVER, in der Festschrift für Tuor "Zum schweizerischen Erbrecht", S. 76-83, und dort zit. Literatur).
Das Bundesgericht kann sich dieser Auffassung nicht anschliessen. Die durch das neue Gesetz am ZGB angebrachte Änderung bestand darin, dass die Art. 620, 621 und 625 aufgehoben und durch einen neuen Wortlaut ersetzt sowie durch einige neue Artikel (621 bis-quater, 625 bis) ergänzt wurden. Die das "Obligatorium" des bäuerlichen Erbrechts und die Einschränkung der Testierfreiheit des Erblassers begründende Änderung wird darin erblickt, dass es in Art. 620 anstelle des bisherigen Wortlauts "Befindet sich in der Erbschaft ein landwirtschaftliches Gewerbe, so soll es ... diesem Erben ... zugewiesen werden", nun heisst: "so ist es ... diesem Erben zuzuweisen", während am französischen und italienischen Text überhaupt nichts geändert worden ist (... elle est attribuée, è attribuata ed imputata). Aber ganz abgesehen von der Gleichheit der beiden letzteren Texte ist durch die Anbringung der kleinen Nuance im deutschen Wortlaut an der Geltungskraft der Bestimmungen gar nichts geändert worden und wäre es übrigens auch nicht, wenn der wohl noch entschiedenere Ausdruck im Entwurf von 1936 "muss ... zugewiesen werden" beibehalten worden wäre. Das "soll" des früheren Textes ist von der Rechtsprechung immer so ausgelegt worden, dass die zuständige Behörde, wenn die objektiven und subjektiven Voraussetzungen gegeben sind, das Gewerbe gemäss dem bäuerlichen Erbrecht zuweisen muss und der bezw. die Ansprecher darauf einen Rechtsanspruch haben. Die Hauptvoraussetzung dabei aber war und ist immer, dass das bäuerliche Erbrecht überhaupt zur Anwendung kommt, was eben nicht zutrifft, wenn der Erblasser eine Teilungsvorschrift gemäss Art. 608 gültig verfügt hat. Die Verbindlichkeit einer solchen Teilungsvorschrift ist der Grundsatz; nur wo eine solche fehlt, greifen die Teilungsregeln der Art. 620 ff. Platz und geben die Entscheidung.
An diesem aus der Systematik des Gesetzes selbst hervorgehenden Rangverhältnis zwischen Art. 608 und 620 ff. ist durch die Revision der letztern Artikelgruppe als Ganzes geschweige denn durch die vermeintliche Verschärfung des (deutschen) Textes von Art. 620 nicht das geringste geändert worden. Wenn die Einführung des "Obligatoriums" des bäuerlichen Erbrechts im Sinne der Einschränkung der Verfügungsfreiheit des Erblassers gemäss Art. 608 ein Hauptpostulat der mit dem LEG verbundenen Revision war (vgl. LIVER, a.a.O., S. 57, 62, 76 ff.), so hätte diese grundlegende Umkehrung der systematischen Stellung der beiden Normen im ZGB selbst unzweideutig zum Ausdruck gebracht werden müssen, sei es durch einen Vorbehalt im Art. 608, wonach solche Teilungsvorschriften bezüglich landwirtschaftlicher Gewerbe nicht verbindlich sind, sei es durch eine Bestimmung in Art. 620, wonach der Anspruch des berechtigten Erben einer anders lautenden Verfügung des Erblassers vorgeht. Diesen Sinn dem jetzt geltenden Gesetzestexte trotzdem zu unterlegen mit der Begründung, dies sei wenn nicht der Wille des Gesetzes, so doch jedenfalls des Gesetzgebers bei der Revision gewesen (a.a.O. S. 81), geht nicht an. Es bestand bisher bezüglich des Verhältnisses von Art. 608 zu Art. 620 ff., jedenfalls im Grundsatz, ein bestimmter, anerkannter Rechtszustand; um diesen in sein Gegenteil zu kehren, genügt es keineswegs, dass der Gesetzgeber einige Artikel formell aufhebt, durch neue ersetzt und dabei glaubt, jene Wirkung zu erzielen, ohne jedoch dies in den textlichen Abänderungen selbst irgendwie konkret und klar zum Ausdruck zu bringen. Das Erbrecht des Zivilgesetzbuches bildet ein systematisches Ganzes und muss aus sich selbst interpretiert werden können. Eine in einer grundsätzlichen Frage von der bisherigen abweichende Interpretation lediglich aus dem Sinn und Zweck eines neuen Nebengesetzes ist nicht annehmbar (vgl. auch FEHR, ZbJV 82, S. 1 ff. bes. S. 13-16).
3. Schliesst mithin nach wie vor eine Teilungsvorschrift des Erblassers gemäss Art. 608 ZGB die Anwendbarkeit des bäuerlichen Erbrechts aus, so kommt die mit einem Zuweisungsbegehren gemäss Art. 621 angerufene Behörde, entgegen der Auffassung des Regierungsrates, nicht darum herum, ein vorhandenes Testament zu prüfen und zu interpretieren, nämlich daraufhin, ob es mit Bezug auf das landwirtschaftliche Gewerbe eine Zuteilungsvorschrift enthält. Nur wenn dies nicht der Fall ist, bleibt Raum für eine Zuweisung nach bäuerlichem Erbrecht und kann sich die Behörde gemäss Art. 621 zum Verfahren und Entscheid zuständig erklären. Da diese Grundvoraussetzung weder vom Gemeinderat Spiringen noch vom Regierungsrat geprüft worden ist, hat das Bundesgericht es zu tun, mit dem Ergebnis, dass, wie vorausgenommen, das Testament des Michael Gisler die Liegenschaft ohne jeden Zweifel der zur Gesamterbin eingesetzten Ehefrau zuweist. Damit fehlt dem Verfahren gemäss Art. 621 und den darin ergangenen Entscheiden des Gemeinderates und des Regierungsrates auf Zuweisung der Liegenschaft an Frau Herger die notwendige Voraussetzung der Anwendbarkeit der Art. 620 ff.. Der Gemeinderat Spiringen als Zuweisungsbehörde im Sinne von Art. 621 hätte daher richtigerweise auf die Zuweisungsbegehren der beiden Ansprecherinnen nicht eintreten sollen in der Meinung, dass die Zusprechung der Liegenschaft gestützt auf das Testament Sache des Landgerichts sei, wo die Klägerin ja eine bezügliche Klage anhängig hatte. Das Landgericht aber hätte auf die letztere Klage eintreten sollen, statt dies "mangels sachlicher Zuständigkeit und zufolge anderweitiger Litispendenz" abzulehnen; denn zur Behandlung der sich auf das Testament stützenden Zivilklage war es zweifellos zuständig, und Litispendenz lag nicht vor mangels Identität der Streitsachen: einerseits des auf Art. 620 ff. gestützten Zuweisungsbegehrens beim Gemeinderat, anderseits der auf das Testament gestützten Zivilklage, die übrigens ja ausser der Zusprechung der Liegenschaft (auf Grund der Teilungsvorschrift des Testamentes) noch weitere Rechtsbegehren umfasste, bezüglich welcher Zuständigkeit des Gemeinderates überhaupt nicht in Frage kam. Zu einer Richtigstellung des den Nichteintretensentscheid des Landgerichts bestätigenden Urteils des Obergerichts hatte das Bundesgericht keine Gelegenheit, weil es auf die statt der gegebenen Berufung eingelegte staatsrechtliche Beschwerde nicht eintreten konnte (BGE 80 I 259).
4. Der angefochtene, die Liegenschaft auf Grund von Art. 620 ff. ZGB der Frau Herger zuweisende Entscheid ist mithin aufzuheben. Eine Zuweisung an die Klägerin kann jedoch in diesem Verfahren, das ausschliesslich ein solches gemäss Art. 621 ist, auch nicht erfolgen; denn ihr steht ein Anspruch auf die Liegenschaft nur gestützt auf das Testament zu, der auch in ihrer Person einen Anspruch gemäss Art. 620 ff. ausschliesst. Vielmehr sind - in diesem Verfahren - die auf diese Bestimmung gestützten Begehren beider Parteien angebrachtermassen abzuweisen. Die Berufungsklägerin hat aber die Möglichkeit, jetzt ihre aus dem Testament folgenden Ansprüche geltend zu machen, wenn nötig mittels Zivilklage, da der Nichteintretensbeschluss des Land- bezw. Obergerichts nur wegen sachlicher Unzuständigkeit und Litispendenz erfolgte, welche Einreden nach dem vorliegenden Entscheid nicht mehr zutreffen, und das landgerichtliche Urteil übrigens im letzten Absatz seiner Erwägungen ausdrücklich erklärt hatte, es wolle die Frage, ob die Klägerin später eine Klage aus Testament erheben könne, nicht präjudizieren. Dass Frau Gisler etwa mit der Anrufung des bäuerlichen Erbrechts auf ihre Ansprüche aus dem Testament verzichtet hätte, ist nicht ersichtlich. Der Zivilrichter wird also gegebenenfalls zu prüfen haben, ob der Wwe. Gisler das Heimwesen auf Grund der testamentarischen Zuweisung zugesprochen werden muss; erst wenn dies rechtskräftig verneint wäre, wäre wieder Raum für ein Verfahren gemäss Art. 620 ff.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird dahin gutgeheissen, dass der Beschluss des Regierungsrates des Kantons Uri vom 30. März 1954 und damit derjenige des Gemeinderates von Spiringen vom 14. November 1953 aufgehoben und die Begehren beider Parteien auf Zuweisung der Erbliegenschaft auf Grund des Art. 620 ZGB angebrachtermassen abgewiesen werden. | de | Droit successoral paysan. Lorsque le testament prévoit une attribution valable au sujet d'une exploitation agricole, au sens de l'art. 608 CC, cette clause lie les héritiers et exclut l'application des règles concernant le droit successoral paysan.
La modification des art. 620 et suiv. CC apportée par l'art. 94 de la loi fédérale sur le désendettement des domaines agricoles n'a rien changé au rapport existant entre les premières de ces dispositions et l'art. 608 CC. | fr | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-208%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
284 | 80 II 208 | Sachverhalt ab Seite 208
(Tatbestand gekürzt; vgl. BGE 80 I 259).
A.- Der am 29. Mai 1952 verstorbene Michael Gisler, Eigentümer des bäuerlichen Heimwesens "Getschwiler" in Spiringen (Uri), hinterliess als Erben seine Frau Anna Gisler sowie 6 Geschwister. Mit notariellem Testament vom 23. Mai 1950 hatte er was folgt verfügt:
"Meine Ehe ist kinderlos geblieben. Ich vermache daher mein ganzes Vermögen, in was es alsdann bestehen mag, meiner lieben Ehefrau Anna geb. Arnold zu Eigentum, bis auf den gesetzlichen Pflichtteil, der meinen Geschwistern oder deren Nachkommen zusteht. An diesem Pflichtteil soll meine Frau die lebenslängliche Nutzniessung haben. Von einer Sicherstellung gegenüber diesen Erben soll sie entbunden sein, ausser wenn sie Land und Vieh verkaufen würde."
Das Testament wurde nicht angefochten.
Im Dezember 1952 stellte die Wwe. Gisler beim Einwohnergemeinderat Spiringen das Begehren auf Erbteilung und Zuweisung der Erbliegenschaft zum Ertragswerte gemäss bäuerlichem Erbrecht. Auf dieses berief sich auch die Schwester des Erblassers Frau Herger-Gisler für ihre Gegenansprache.
Im März 1953 schob der Gemeinderat den Entscheid auf, bis das Testament in materielle Rechtkraft getreten sei, und bestellte einen Erbenvertreter.
B.- Inzwischen erhob Wwe. Gisler im April 1953 überdies beim Landgericht Uri Zivilklage auf Feststellung ihres Erbanspruches auf 13/16 Eigentum und 3/16 Nutzniessung, Zuweisung der Liegenschaft und aller übrigen Vermögenswerte an sie und Ermächtigung des Grundbuchamtes zur Eintragung des Eigentumsüberganges.
Auf diese Klage trat das Landgericht "mangels sachlicher Zuständigkeit und zufolge anderweitiger Litispendenz" nicht ein (24. Juni 1953). Diesen Entscheid bestätigte das Obergericht Uri (18. September 1953). Auf eine staatsrechtliche Beschwerde gegen letzteres Urteil ist das Bundesgericht in der Folge nicht eingetreten, weil die behauptete Rechtsverletzung durch Berufung hätte gerügt werden können (30. Juni 1954, BGE 80 I 259).
C.- Im Verfahren betr. bäuerliches Erbrecht wies der Gemeinderat Spiringen mit Entscheid vom 14. November 1953 die Erbliegenschaft zum Ertrags- und die Gerätschaften zum Nutzwerte der Frau Herger-Gisler zu; der Witwe Gisler wurde eine jährliche Bodenrente sowie ein unentgeltliches Wohnrecht im Wohnhause zugesprochen.
Einen Rekurs der Wwe. Gisler gegen diesen Zuweisungsentscheid hat der Regierungsrat, als allgemeine Beschwerdeinstanz in Administrativsachen gemäss § 20 EG/ZGB, mit Beschluss vom 30. März 1954 als unbegründet abgewiesen.
D.- Gegen diesen Entscheid richtet sich die vorliegende Berufung der Klägerin Wwe. Gisler mit den Anträgen auf Aufhebung desselben einschliesslich desjenigen des Gemeinderates, mit Ausnahme der Erwägung, in welcher der Regierungsrat dem letztern die Zuständigkeit zur Auslegung des Testamentes abspreche, und Zuweisung der Erbliegenschaft an die Klägerin zum festgesetzten Ertragswerte; ev. Einräumung mindestens des vollen Nutzniessungsrechtes an der Liegenschaft und Beschränkung der Miterben auf die nuda proprietas; subev. Rückweisung an die Vorinstanz.
E.- Die Berufungsbeklagten Frau Herger und Geschwister tragen auf Abweisung der Berufung an.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die vorliegende Berufung stellt die Weiterziehung des Verfahrens vor Gemeinderat und Regierungsrat auf Zuweisung des landwirtschaftlichen Gewerbes nach bäuerlichem Erbrecht gemäss Art. 620 ff. ZGB dar. Die Bestimmungen über dieses Sonderrecht, Art. 620-625 bis, bilden die Ziff. V "Landwirtschaftliche Gewerbe" der lit. D "Besondere Gegenstände" im Abschnitt "Die Teilungsart" (Art. 607 ff.). Den Bestimmungen über die "Besonderen Gegenstände" voran gehen unter lit. A allgemeine Grundsätze über die Teilungsart und unter lit. B Bestimmungen über "Ordnung der Teilung". Hier nun steht Art. 608, nach welchem der Erblasser befugt ist, durch Verfügung von Todes wegen seinen Erben Vorschriften über die Teilung und Bildung der Teile zu machen (Abs. 1), und mangels eines ersichtlichen andern Willens des Erblassers die Zuweisung einer Erbschaftssache an einen Erben als eine blosse Teilungsvorschrift und nicht als Vermächtnis gilt (Abs. 2).
Im vorliegenden Falle hat der Erblasser in seinem unangefochten gebliebenen Testamente verfügt, er "vermache" sein ganzes Vermögen, in was immer es alsdann bestehen möge, seiner Frau zu Eigentum, vorbehältlich des Pflichtteils seiner Geschwister oder deren Nachkommen; an diesem Pflichtteil solle die Witwe die lebenslängliche Nutzniessung haben und von einer Sicherstellung entbunden sein, ausser wenn sie Land und Vieh verkaufen würde.
Aus dieser Verfügung geht hervor, dass der Erblasser seine Frau zur Erbin mit Bezug auf das gesamte Vermögen, vorbehältlich der Pflichtteile der Geschwister, einsetzte und ihr namentlich auch das Eigentum an "Land und Vieh", also an der streitigen Liegenschaft zuweisen wollte. Es liegt somit in dieser Bestimmung nicht nur eine Erbeinsetzung auf das ganze nicht durch die Pflichtteile der Geschwister beanspruchte Vermögen, sondern, mit Bezug auf "Land und Vieh", zugleich eine Teilungsvorschrift im Sinne von Art. 608 ZGB.
Hinsichtlich der Frage des Verhältnisses des Art. 608 zu den Bestimmungen über das bäuerliche Erbrecht hat sich die bisherige Lehre und Praxis übereinstimmend dahin ausgesprochen, dass eine Teilungsvorschrift des Erblassers nach Art. 608 für die Erben verbindlich ist und der Erbe, zu dessen Gunsten sie lautet, sie gegen widerstrebende Miterben rechtlich durchsetzen kann (ESCHER, Art. 608 N. 3; TUOR, Art. 608 N. 6, 9). Soweit der Erblasser solche Teilungsvorschriften gültig verfügt hat, sind die weiteren Bestimmungen des Gesetzes über Durchführung der Teilung und namentlich mit Bezug auf die Behandlung "besonderer Gegenstände" in derselben nicht anwendbar. Der Erblasser kann auch ein landwirtschaftliches Gewerbe einem der Erben oder sogar einem Dritten zuweisen, auch den Anrechnungswert bestimmen, mit der Wirkung, dass das bäuerliche Erbrecht, sowohl in materieller als in formeller Hinsicht, ausgeschaltet ist und kein Erbe sich darauf berufen kann. Die Teilungsvorschrift des Erblassers ist bezüglich der Erbliegenschaft für die Erben ebenso verbindlich wie bezüglich irgend eines andern Erbschaftsgegenstandes; angesichts derselben bleibt für einen Streit unter den Erben über die Zuteilung des Heimwesens und mithin für die Anwendung des bäuerlichen Erbrechts kein Raum. Art. 620 ff. enthalten kein zwingendes, sondern dispositives Recht; sowohl der Erblasser gemäss Art. 608 als die einstimmigen Erben können dessen Anwendung ausschalten (ESCHER, Art. 608 N. 1, Art. 620 N. 3; TUOR Vbm. zu Art. 620 N. 10; ebenso BGE 50 II 462 /3).
2. Es fragt sich, ob durch die partielle Revision der Bestimmungen über das bäuerliche Erbrecht gemäss Art. 94 des Bundesgesetzes über die Entschuldung landwirtschaftlicher Heimwesen vom 12. Dezember 1940, in Kraft getreten am 1. Januar 1947, dieses Verhältnis zwischen Art. 608 und 620 ff. ZGB dahin abgeändert worden ist, dass eine Zuteilungsvorschrift des Erblassers die Anwendbarkeit des bäuerlichen Erbrechts nicht mehr ausschliessen könne, wie dies in der Botschaft des Bundesrates zum LEG und seither von einzelnen Autoren angenommen wird (LIVER, in der Festschrift für Tuor "Zum schweizerischen Erbrecht", S. 76-83, und dort zit. Literatur).
Das Bundesgericht kann sich dieser Auffassung nicht anschliessen. Die durch das neue Gesetz am ZGB angebrachte Änderung bestand darin, dass die Art. 620, 621 und 625 aufgehoben und durch einen neuen Wortlaut ersetzt sowie durch einige neue Artikel (621 bis-quater, 625 bis) ergänzt wurden. Die das "Obligatorium" des bäuerlichen Erbrechts und die Einschränkung der Testierfreiheit des Erblassers begründende Änderung wird darin erblickt, dass es in Art. 620 anstelle des bisherigen Wortlauts "Befindet sich in der Erbschaft ein landwirtschaftliches Gewerbe, so soll es ... diesem Erben ... zugewiesen werden", nun heisst: "so ist es ... diesem Erben zuzuweisen", während am französischen und italienischen Text überhaupt nichts geändert worden ist (... elle est attribuée, è attribuata ed imputata). Aber ganz abgesehen von der Gleichheit der beiden letzteren Texte ist durch die Anbringung der kleinen Nuance im deutschen Wortlaut an der Geltungskraft der Bestimmungen gar nichts geändert worden und wäre es übrigens auch nicht, wenn der wohl noch entschiedenere Ausdruck im Entwurf von 1936 "muss ... zugewiesen werden" beibehalten worden wäre. Das "soll" des früheren Textes ist von der Rechtsprechung immer so ausgelegt worden, dass die zuständige Behörde, wenn die objektiven und subjektiven Voraussetzungen gegeben sind, das Gewerbe gemäss dem bäuerlichen Erbrecht zuweisen muss und der bezw. die Ansprecher darauf einen Rechtsanspruch haben. Die Hauptvoraussetzung dabei aber war und ist immer, dass das bäuerliche Erbrecht überhaupt zur Anwendung kommt, was eben nicht zutrifft, wenn der Erblasser eine Teilungsvorschrift gemäss Art. 608 gültig verfügt hat. Die Verbindlichkeit einer solchen Teilungsvorschrift ist der Grundsatz; nur wo eine solche fehlt, greifen die Teilungsregeln der Art. 620 ff. Platz und geben die Entscheidung.
An diesem aus der Systematik des Gesetzes selbst hervorgehenden Rangverhältnis zwischen Art. 608 und 620 ff. ist durch die Revision der letztern Artikelgruppe als Ganzes geschweige denn durch die vermeintliche Verschärfung des (deutschen) Textes von Art. 620 nicht das geringste geändert worden. Wenn die Einführung des "Obligatoriums" des bäuerlichen Erbrechts im Sinne der Einschränkung der Verfügungsfreiheit des Erblassers gemäss Art. 608 ein Hauptpostulat der mit dem LEG verbundenen Revision war (vgl. LIVER, a.a.O., S. 57, 62, 76 ff.), so hätte diese grundlegende Umkehrung der systematischen Stellung der beiden Normen im ZGB selbst unzweideutig zum Ausdruck gebracht werden müssen, sei es durch einen Vorbehalt im Art. 608, wonach solche Teilungsvorschriften bezüglich landwirtschaftlicher Gewerbe nicht verbindlich sind, sei es durch eine Bestimmung in Art. 620, wonach der Anspruch des berechtigten Erben einer anders lautenden Verfügung des Erblassers vorgeht. Diesen Sinn dem jetzt geltenden Gesetzestexte trotzdem zu unterlegen mit der Begründung, dies sei wenn nicht der Wille des Gesetzes, so doch jedenfalls des Gesetzgebers bei der Revision gewesen (a.a.O. S. 81), geht nicht an. Es bestand bisher bezüglich des Verhältnisses von Art. 608 zu Art. 620 ff., jedenfalls im Grundsatz, ein bestimmter, anerkannter Rechtszustand; um diesen in sein Gegenteil zu kehren, genügt es keineswegs, dass der Gesetzgeber einige Artikel formell aufhebt, durch neue ersetzt und dabei glaubt, jene Wirkung zu erzielen, ohne jedoch dies in den textlichen Abänderungen selbst irgendwie konkret und klar zum Ausdruck zu bringen. Das Erbrecht des Zivilgesetzbuches bildet ein systematisches Ganzes und muss aus sich selbst interpretiert werden können. Eine in einer grundsätzlichen Frage von der bisherigen abweichende Interpretation lediglich aus dem Sinn und Zweck eines neuen Nebengesetzes ist nicht annehmbar (vgl. auch FEHR, ZbJV 82, S. 1 ff. bes. S. 13-16).
3. Schliesst mithin nach wie vor eine Teilungsvorschrift des Erblassers gemäss Art. 608 ZGB die Anwendbarkeit des bäuerlichen Erbrechts aus, so kommt die mit einem Zuweisungsbegehren gemäss Art. 621 angerufene Behörde, entgegen der Auffassung des Regierungsrates, nicht darum herum, ein vorhandenes Testament zu prüfen und zu interpretieren, nämlich daraufhin, ob es mit Bezug auf das landwirtschaftliche Gewerbe eine Zuteilungsvorschrift enthält. Nur wenn dies nicht der Fall ist, bleibt Raum für eine Zuweisung nach bäuerlichem Erbrecht und kann sich die Behörde gemäss Art. 621 zum Verfahren und Entscheid zuständig erklären. Da diese Grundvoraussetzung weder vom Gemeinderat Spiringen noch vom Regierungsrat geprüft worden ist, hat das Bundesgericht es zu tun, mit dem Ergebnis, dass, wie vorausgenommen, das Testament des Michael Gisler die Liegenschaft ohne jeden Zweifel der zur Gesamterbin eingesetzten Ehefrau zuweist. Damit fehlt dem Verfahren gemäss Art. 621 und den darin ergangenen Entscheiden des Gemeinderates und des Regierungsrates auf Zuweisung der Liegenschaft an Frau Herger die notwendige Voraussetzung der Anwendbarkeit der Art. 620 ff.. Der Gemeinderat Spiringen als Zuweisungsbehörde im Sinne von Art. 621 hätte daher richtigerweise auf die Zuweisungsbegehren der beiden Ansprecherinnen nicht eintreten sollen in der Meinung, dass die Zusprechung der Liegenschaft gestützt auf das Testament Sache des Landgerichts sei, wo die Klägerin ja eine bezügliche Klage anhängig hatte. Das Landgericht aber hätte auf die letztere Klage eintreten sollen, statt dies "mangels sachlicher Zuständigkeit und zufolge anderweitiger Litispendenz" abzulehnen; denn zur Behandlung der sich auf das Testament stützenden Zivilklage war es zweifellos zuständig, und Litispendenz lag nicht vor mangels Identität der Streitsachen: einerseits des auf Art. 620 ff. gestützten Zuweisungsbegehrens beim Gemeinderat, anderseits der auf das Testament gestützten Zivilklage, die übrigens ja ausser der Zusprechung der Liegenschaft (auf Grund der Teilungsvorschrift des Testamentes) noch weitere Rechtsbegehren umfasste, bezüglich welcher Zuständigkeit des Gemeinderates überhaupt nicht in Frage kam. Zu einer Richtigstellung des den Nichteintretensentscheid des Landgerichts bestätigenden Urteils des Obergerichts hatte das Bundesgericht keine Gelegenheit, weil es auf die statt der gegebenen Berufung eingelegte staatsrechtliche Beschwerde nicht eintreten konnte (BGE 80 I 259).
4. Der angefochtene, die Liegenschaft auf Grund von Art. 620 ff. ZGB der Frau Herger zuweisende Entscheid ist mithin aufzuheben. Eine Zuweisung an die Klägerin kann jedoch in diesem Verfahren, das ausschliesslich ein solches gemäss Art. 621 ist, auch nicht erfolgen; denn ihr steht ein Anspruch auf die Liegenschaft nur gestützt auf das Testament zu, der auch in ihrer Person einen Anspruch gemäss Art. 620 ff. ausschliesst. Vielmehr sind - in diesem Verfahren - die auf diese Bestimmung gestützten Begehren beider Parteien angebrachtermassen abzuweisen. Die Berufungsklägerin hat aber die Möglichkeit, jetzt ihre aus dem Testament folgenden Ansprüche geltend zu machen, wenn nötig mittels Zivilklage, da der Nichteintretensbeschluss des Land- bezw. Obergerichts nur wegen sachlicher Unzuständigkeit und Litispendenz erfolgte, welche Einreden nach dem vorliegenden Entscheid nicht mehr zutreffen, und das landgerichtliche Urteil übrigens im letzten Absatz seiner Erwägungen ausdrücklich erklärt hatte, es wolle die Frage, ob die Klägerin später eine Klage aus Testament erheben könne, nicht präjudizieren. Dass Frau Gisler etwa mit der Anrufung des bäuerlichen Erbrechts auf ihre Ansprüche aus dem Testament verzichtet hätte, ist nicht ersichtlich. Der Zivilrichter wird also gegebenenfalls zu prüfen haben, ob der Wwe. Gisler das Heimwesen auf Grund der testamentarischen Zuweisung zugesprochen werden muss; erst wenn dies rechtskräftig verneint wäre, wäre wieder Raum für ein Verfahren gemäss Art. 620 ff.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird dahin gutgeheissen, dass der Beschluss des Regierungsrates des Kantons Uri vom 30. März 1954 und damit derjenige des Gemeinderates von Spiringen vom 14. November 1953 aufgehoben und die Begehren beider Parteien auf Zuweisung der Erbliegenschaft auf Grund des Art. 620 ZGB angebrachtermassen abgewiesen werden. | de | Diritto successorio rurale. Una disposizione testamentaria che attribuisce validamente a'sensi dell'art. 608 CC un'azienda agricola è vincolante per gli eredi ed esclude l'applicazione delle norme del diritto successorio rurale.
La modificazione degli art. 620 sgg. CC, introdotta dall'art. 94 della LF 12 dicembre 1940 sullo sdebitamento di poderi agricoli, nulla ha innovato sul rapporto esistente fra tali disposizioni e l'art. 608 CC. | it | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-208%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
285 | 80 II 216 | Sachverhalt ab Seite 217
A.- Lawinen, die am 19. und 20. Januar 1951 in der Val Susauna (Gemeinde Scanfs) niedergingen, zogen u.a. die Grundstücke in Mitleidenschaft, die Campell dort besitzt. Haus und Stall wurden beschädigt und die Wiesen teilweise mit Schneemassen, Steinen, Schutt und Holz überdeckt. Dieses stammte aus den von den Lawinen durchquerten Gemeindewäldern.
Am 1. Februar 1951 teilte Campell der Gemeinde Scanfs mit, er wisse, dass sie als Eigentümerin des zerstörten Waldes das Recht auf das von ihrem Lande herrührende Lawinenholz habe. Sie könne aber darüber nur verfügen, wenn sie sich verpflichte, alle Lawinenschäden an seinen Wiesen und seinem Hause zu beheben. Unter diesen Umständen nehme er an, sie werde auf das Recht zur Räumung seiner Liegenschaften verzichten. Die Gemeinde antwortete, sie habe nach Art. 700 ZGB nur für den Schaden aufzukommen, der durch die Wegschaffung des Holzes entstehe, das sie abhole; sie werde mit dessen Zurüstung so bald als möglich beginnen. In der Folge führte sie die Stämme der von den Lawinen mitgerissenen Bäume vom Lande Campells weg. Die Wurzelstöcke, die Äste und das Faschinenholz überliess sie ihm.
B.- Nach Zustellung eines Zahlungsbefehls leitete Campell gegen die Gemeinde Scanfs am 22. Dezember 1952 beim Kantonsgericht Graubünden, das unter Übergehung der ersten Instanz anzurufen die Parteien sich geeinigt hatten, Klage auf Zahlung von Fr. 5000.-- nebst 5% Zins seit 15. Juni 1951 ein. Zur Begründung machte er geltend, nach der Schätzung, die im Auftrag des interkantonalen Koordinationskomitees für die Hilfsaktion zugunsten der Lawinengeschädigten des Winters 1951 durchgeführt worden sei, obwohl er die Hilfe des Fonds für Lawinengeschädigte nicht beansprucht habe, sei an seinem Kulturland ein Gesamtschaden von Fr. 6932.-- entstanden, der sich wie folgt berechne:
a) Entwertete Fläche, 2365 Aren, Arbeitsaufwand
für Wiederherstellung 331,5 Arbeitstage à Fr. 15.-: Fr. 4972.--
b) Zerstörte Fläche 44 Aren" 880.--
c) Ernteausfall 10 ha" 1000.--
d) Wiederherstellung von Zäunen" 860.--
Fr. 7712.--
e) Abzüglich Arbeitsleistung durch Studenten
52 Tage à Fr. 15.-:" 780.--
Totalbetrag des Schadens zu Lasten des Klägers: Fr. 6932.--
Der in der Korrespondenz ausserdem erwähnte Gebäudeschaden sei durch die Elementarschadensversicherung gedeckt worden. Vom Betrag von Fr. 6932.-- sei die Gegenforderung der Beklagten von Fr. 1377.-- für Überlassung von Holz abzuziehen, die er, um die Zustimmung der Beklagten zur Übergehung der ersten Instanz zu erhalten und eine bedeutende Weiterung des Prozesses zu vermeiden, in dem Sinne anerkannt habe, dass sie mit dem von ihm nachzuweisenden Gesamtschaden verrechnet werden könne. Vom Restbetrag von Fr. 5555.-- klage er Fr. 5000.-- ein. Die Ablehnung seiner Forderung durch die Beklagte widerspreche Treu und Glauben und der von andern Gemeinden in ähnlicher Lage befolgten Praxis. Während die Beklagte einerseits aus dem Verkauf des verwertbaren Lawinenholzes grosse Beträge gelöst habe, überlasse sie anderseits die Sorge für die Reinigung des Kulturlandes von Schutt, Steinen und Abfallholz dem privaten Eigentümer. Das Aufrüsten und Wegschaffen des Abfallholzes, mit welchem die Beklagte die geschädigten Grundbesitzer für die Ansprüche aus Art. 700 ZGB abgefunden haben wolle, verursache mehr Kosten, als es wert sei. Darüber hinaus müsse der Geschädigte sehen, wie er mit dem übrigen Material, mit dem Ernteausfall usw. fertig werde. Die Überlassung des Abfallholzes bilde daher keine angemessene Vergütung für die Reinigung der Wiesen. In Art. 700 ZGB sei allerdings nur von dem durch das Aufsuchen und Wegschaffen der auf das fremde Grundstück gebrachten Sachen verursachten Schaden die Rede. Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich aber, dass in den Beratungen des Nationalrates vor allem auch an den durch die Sache selbst beim Eindringen in das fremde Grundstück angerichteten Schaden gedacht worden sei. Das Gesetz weise in dieser Hinsicht eine Lücke auf, die der Richter in Anwendung von Art. 1 ZGB auszufüllen habe. Nach den Geboten von Treu und Glauben und eines gerechten und billigen Ausgleichs der Parteiinteressen sei die Gemeinde, nachdem sie sich einmal entschlossen habe, das Lawinenholz wegzuschaffen'zu verpflichten, die Grundstücke des Klägers gänzlich zu räumen bzw. für die entsprechenden Ausfälle des Privaten aufzukommen.
Am 14./15. Juni 1954 hat das Kantonsgericht die Klage gemäss Antrag der Beklagten abgewiesen.
C.- Mit seiner Berufung an das Bundesgericht erneuert der Kläger sein Klagebegehren. Eventuell beantragt er Rückweisung der Sache an die Vorinstanz. Die Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Da es sich um eine Klage gegen eine Gemeinde handelt, erhebt sich angesichts von Art. 59 Abs. 1 ZGB zunächst die von den Parteien und der Vorinstanz nicht erörterte, aber von Amtes wegen zu prüfende Frage, ob die streitige Entschädigungspflicht sich überhaupt nach Bundeszivilrecht, insbesondere Art. 700 ZGB, oder aber nach kantonalem öffentlichem Recht beurteile. Diese Frage ist im ersten Sinne zu beantworten, weil die Rechte und Pflichten der Gemeinde als Eigentümerin von Grundstücken und der darauf gewachsenen Bäume im Streite liegen und die Gemeindeorgane in dieser Sache nicht als Träger öffentlicher Gewalt, sondern so gehandelt haben, wie es auch ein privater Waldbesitzer hätte tun können. Es verhält sich hier ähnlich wie bei der Haftung des Gemeinwesens für mangelhaften Unterhalt der öffentlichen Strassen, für die nach ständiger Rechtsprechung die Vorschriften des OR über die Werkhaftung gelten (BGE 78 II 152).
2. Die Schadensberechnung des Klägers umfasst mit Ausnahme des durch die Versicherung gedeckten Gebäudeschadens alle Vermögenseinbussen, die ihm aus dem Niedergang der Lawinen erwachsen sind. Dem Kläger den ganzen Lawinenschaden zu ersetzen, ist die Beklagte jedoch nicht verpflichtet.
a) Der Kläger behauptet selber nicht, dass die Beklagte diesen Schaden selbst dann ersetzen müsste, wenn sie auf das Holz, das die Lawinen aus ihren Wäldern auf die Liegenschaften des Klägers rissen, keinen Anspruch erhoben hätte. Eine solche Pflicht lässt sich in der Tat nicht begründen. Sie ergibt sich weder aus Art. 41 OR, da die Beklagte den Niedergang der Lawinen nicht verschuldet hat, noch aus Art. 679 ZGB, da nicht die Rede davon sein kann, dass der Lawinenschaden daraus entstanden sei, dass die Beklagte als Waldeigentümerin ihr Eigentumsrecht überschritten habe. Ursache dieses Schadens ist vielmehr höhere Gewalt, für welche die Beklagte nicht einzustehen hat. Insbesondere lässt sich eine Haftung für den durch Naturgewalt verursachten Schaden nicht aus Art.700 ZGB ableiten, der in Abs. 1 bestimmt, dass dann, wenn Sachen durch Wasser, Wind, Lawinen oder andere Naturgewalt oder zufällige Ereignisse aufein fremdes Grundstück gebracht werden, der Grundeigentümer dem Berechtigten deren Aufsuchung und Wegschaffung zu gestatten habe, und in Abs. 2 vorsieht, dass der Grundeigentümer für den "hieraus" (franz.: "en") entstehenden Schadenersatz verlangen könne. Damit kann nur der aus dem Aufsuchen und Wegschaffen der Sachen entstehende Schaden gemeint sein. Der Kläger möchte zwar auf den italienischen Text von Abs. 2 abstellen, wo dem Grundeigentümer kurzweg ein Anspruch auf Ersatz des Schadens (risarcimento del danno) gewährt wird. Hierunter möchte er den Ersatz des ganzen Schadens verstanden wissen, der durch das Ereignis entstanden ist, das Sachen auf ein fremdes Grundstück geführt hat, hier also den Ersatz des ganzen durch die Lawinen verursachten Schadens. Er anerkennt aber mit Recht, dass eine Schadenersatzpflicht nach Abs. 2 nur in Frage kommt, wenn der Berechtigte von der ihm durch -Abs. 1 eingeräumten Befugnis Gebrauch macht. Dass Art. 700 Abs. 2 eine von der Ausübung dieser Befugnis unabhängige Schadenersatzpflicht habe statuieren wollen, was die Einführung einer unerhört weitgehenden Kausalhaftpflicht bedeuten würde, kann schon mit Rücksicht auf den Zusammenhang, in dem diese Vorschrift steht, nicht angenommen werden. Nach dem Marginale zu Art. 699-701 handeln diese Vorschriften nämlich nur vom Recht auf Zutritt und Abwehr.
b) Für den ganzen Lawinenschaden kann die Beklagte aber auch dann nicht haftbar gemacht werden, wenn man in Betracht zieht, dass sie das von den Lawinen auf das Land des Klägers geführte Holz wenigstens zum Teil weggeschafft hat. Der Berechtigte, der die durch Naturgewalt oder Zufall auf ein fremdes Grundstück gebrachten Sachen aufsucht und wegschafft, haftet nach dem klaren Wortlaut der deutschen und französischen Fassung von Art. 700 Abs. 2 nur für den aus der Aufsuchung und Wegschaffung entstehenden Schaden. Der italienische Text sagt dies freilich nicht klar. Er bestimmt aber auch nicht etwa ausdrücklich, dass der Berechtigte dem Grundeigentümer den ganzen durch die Naturgewalt oder den Zufall angerichteten Schaden zu vergüten habe, wenn er seine Sachen abhole. Nach dem Zusammenhang wäre der italienische Text wohl auch dann, wenn die klaren Fassungen in den beiden andern Amtssprachen nicht da wären, in dem Sinne zu verstehen, dass nur der Schaden aus dem Aufsuchen und Wegschaffen der zugeführten Sachen, von dem in Abs. 1 die Rede ist, zu ersetzen sei. Auf jeden Fall aber kann der undeutliche italienische Text nicht zu einer Auslegung führen, die dem klaren Sinn der beiden andern Fassungen widerspricht. Die rätoromanische Fassung, die von "indemnisaziun pil donn caschunau" (Entschädigung für den verursachten Schaden) spricht und somit die gleiche Unklarheit aufweist wie die italienische, hat keine Gesetzeskraft, sondern ist eine Privatarbeit Prof. Tuors.
Vergeblich sucht der Kläger seine Auslegung auf die Gesetzesmaterialien zu stützen. Im Nationalrat hatte Buri allerdings beantragt, die Worte "für den hieraus entstehenden Schaden" durch die Worte "für den entstandenen Schaden" zu ersetzen, um damit zum Ausdruck zu bringen, dass derjenige, der die auf das fremde Grundstück gebrachten Sachen (z.B. eine Tanne, die durch eine Lawine oder Wind mitten durch eine Scheune geworfen wurde) wieder herausbringen wolle, den ganzen Schaden, auch den durch die "Übertragung" der Sache verursachten, ersetzen müsse (Sten.Bull. 1906 S. 553). Der Antrag Buris, gegen dessen Ausführungen über den durch Naturereignisse angerichteten Schaden Eugen Huber einen Vorbehalt anbrachte, wurde dann aber bloss in der Form zum Beschluss erhoben, dass das Wort "entstehenden" durch "entstandenen" ersetzt wurde (a.a.O. S. 554), so dass die neue Fassung lautete: "Für den hieraus entstandenen Schaden kann er Ersatz verlangen..." (vgl. die für die Beratungen im Ständerat bestimmte Zusammenstellung des bundesrätlichen Entwurfs vom 28. Mai 1904 und der Beschlüsse des Nationalrats vom Juni 1906 sowie der ständerätlichen Kommission vom 24. September bis 4. Oktober 1906, bei Art. 689 des deutschen Textes). Diese Fassung unterschied sich von derjenigen des Entwurfs nur noch stilistisch. So mag es sich erklären, dass die bestehende Differenz im Ständerat nicht zur Sprache kam und schliesslich der Text des bundesrätlichen Entwurfs Gesetz wurde. Auf jeden Fall aber bildet die ohne Folgen gebliebene Episode aus der Entstehungsgeschichte, auf die der Kläger sich beruft, kein Argument zugunsten seiner Auslegung. Eher liesse sich das Gegenteil sagen, da der Antrag Buris so, wie er gefasst war, schon im Nationalrat nicht durchgedrungen ist.
Auf die Regelung im frühern kantonalen Recht (insbesondere § 196 des bündnerischen Civilgesetzbuchs) kommt nichts an, da heute eben das Schweiz. Zivilgesetzbuch gilt.
Schliesslich kann auch von einer Gesetzeslücke nicht die Rede sein. Das Gesetz hat die Frage, ob der Berechtigte, der die durch Lawinen auf fremden Boden gebrachten Sachen aufsucht und wegschafft, dem Grundeigentümer für den durch den Lawinengang entstandenen Schaden hafte, nicht offengelassen, wie der Kläger behauptet. Aus dem Gesetz ergibt sich vielmehr klar, dass diese Frage verneint werden muss. Art. 700 Abs. 2 verpflichtet den Berechtigten, der den ihm weggeführten Sachen nachgeht, wie schon gesagt nur zum Ersatz des aus der Aufsuchung und Wegschaffung dieser Sachen entstandenen Schadens. Eine Sonderbestimmung, aus der sich die Haftung des so handelnden Berechtigten für den Lawinenschaden ableiten liesse, besteht nicht. Aber auch die allgemeinen Vorschriften über die ausservertragliche Haftpflicht erlauben es nicht, den Berechtigten, der die ihm nach Art. 700 Abs. 1 zustehende Befugnis ausübt, zum Ersatze des durch die Lawinen verursachten Schadens zu verurteilen; denn der Berechtigte überschreitet damit keineswegs sein Eigentumsrecht (Art. 679 ZGB) und handelt auch sonst nicht widerrechtlich (Art. 41 OR), und hievon abgesehen besteht auch kein Kausalzusammenhang zwischen seinem Verhalten und dem Lawinenschaden, wie er nötig wäre, um eine Haftung nach den eben erwähnten Bestimmungen zu begründen. Das Gesetz schliesst also seine Haftung für diesen Schaden aus.
Zu Unrecht behauptet der Kläger, dieses Ergebnis sei so stossend, dass es vom Gesetzgeber unmöglich gewollt sein könne. Derjenige, dem durch eine Lawine Sachen fortgetragen werden, kann mit der Rücknahme dieser Sachen in der Regel nur einen geringen Teil des ihm entstandenen Schadens wieder einbringen. Dies gilt insbesondere bei der Zerstörung von Waldungen. Es wäre daher keineswegs billig, wenn die Rücknahme der weggeführten Sachen die Pflicht nach sich zöge, dem vom gleichen Naturereignis betroffenen Grundeigentümer, dem die Sachen zugeführt wurden, den ganzen durch dieses Ereignis verursachten Schaden zu ersetzen.
Der Kläger hat daher keinen Anspruch auf Ersatz des von ihm eingeklagten Schadens.
3. Von der Frage der Ersatzpflicht für den Schaden, den ein Grundeigentümer durch ein zufälliges Ereignis erlitten hat, das fremde Sachen auf seinen Boden führte, ist die Frage zu unterscheiden, ob Art. 700 Abs. 1 ZGB dem Berechtigten, dem durch ein solches Ereignis eine Mehrzahl von Sachen weggeführt wurde, die Befugnis gebe, nach seiner Wahl alle diese Sachen oder nur einzelne davon oder auch nur Teile einzelner Sachen vom Grundstück'auf das sie gebracht wurden, zurückzuholen, und ob er im Falle, dass er nur alles zusammen oder einzelne Sachen nur in ihrer Gänze zurückholen darf, aber gleichwohl nur einzelne Sachen oder nur Teile von solchen wegnimmt, zur Beseitigung auch der auf dem fremden Grundstück belassenen Sachen oder Sachteile oder, wenn der Grundeigentümer diese an seiner Stelle wegräumen musste, zum Ersatz der hieraus entstandenen Auslagen angehalten werden könne. Der Kläger macht in dieser Hinsicht geltend, die in Art. 700 Abs. 1 vorgesehene Befugnis könne nach Treu und Glauben nicht in der Weise ausgeübt werden, dass der Berechtigte nur die nutzbaren Sachen oder Teile weghole und die Last der Beseitigung des nicht brauchbaren Restes dem Grundeigentümer überlasse; wenn der Berechtigte die nutzbaren Sachen oder Teile verwerten wolle, müsse er die ganze Räumung übernehmen. Der Kläger beruft sich dabei auf ein Gutachten von Prof. Liver. Diese rechtlichen Ausführungen können jedoch nicht zur Begründung des eingeklagten Anspruchs dienen. Der Kläger verlangt weder die Wegräumung der von der Beklagten zurückgelassenen Sachen (Abfallholz, Steine, Schutt) noch den Ersatz der.Aufwendungen, die er zu machen hatte, um diese Sachen wegzuräumen, sondern klagt, wie schon festgestellt, auf Ersatz des ganzen durch die Lawinen verursachten Schadens. Im Posten von Fr. 4972.-- für "Entwertete Fläche, Arbeitsaufwand für Wiederherstellung" dürften die Kosten der Räumung des verschütteten Landes von den Sachen, die die Beklagte zurückliess, allerdings inbegriffen sein. Die Räumungskosten können aber den Kosten der Wiederherstellung nicht einfach gleichgesetzt werden, weil zur Wiederherstellung von Wiesen, die von Lawinen getroffen wurden, neben der Wegschaffung des aufgeschütteten Materials unter Umständen noch weitere Arbeiten gehören (Wiederauftrag von weggescheuertem Humus, Ausebnen des Bodens, der durch die von den Lawinen mitgerissenen Bäume und Steine zerwühlt wurde, Ansäen usw.). Welcher Teil des Aufwands für die Wiederherstellung auf die Räumung entfalle, sagt der Kläger nicht. Unter dem Titel des Ersatzes der Kosten der Wegschaffung des von der Beklagten zurückgelassenen Materials kann ihm daher schon mangels genügender Substantiierung der Klage nichts zugesprochen werden.
Zur Bezahlung der Kosten der Wegschaffung dieses ganzen Materials könnte die Beklagte im übrigen auch dann nicht verurteilt werden, wenn man über den erwähnten Mangel der Klage hinwegsehen und annehmen wollte, die Wiederherstellung habe im vorliegenden Falle nur in der Räumung des von der Beklagten nicht weggeschafften Materials bestanden oder der Anteil der Räumungskosten an den Kosten der Wiederherstellung lasse sich bestimmen, obwohl der Kläger darüber keine Angaben gemacht hat. Art. 700 ZGB gewährt demjenigen, dem Sachen durch Naturgewalt oder Zufall weggeführt wurden, das Recht zu deren Aufsuchung und Wegschaffung ohne Vorbehalt. Die einzige Pflicht, die diese Bestimmung ihm auferlegt, ist diejenige zum Ersatz des hieraus entstehenden Schadens. Das Recht zur Aufsuchung und Wegschaffung ist letztlich ein Ausfluss des Eigentums an den betreffenden Sachen, das nach der Ordnung des ZGB dadurch, dass sie durch Naturgewalt oder Zufall auf ein fremdes Grundstück gebracht werden, dem bisherigen Eigentümer nicht verloren geht. Gegenstand des Eigentums sind die einzelnen Sachen. Dem Berechtigten kann daher nicht verwehrt werden, einzelne Sachen zurückzuholen, andere dagegen liegen zu lassen und damit preiszugeben. Wird durch die Wegnahme einzelner Sachen die Beseitigung der übrigen erschwert, so liegt darin ein aus der Wegschaffung entstandener Schaden, für den der Grundeigentümer nach Abs. 2 Ersatz verlangen kann. Von diesem Falle abgesehen kann jedoch die Wegnahme einzelner Sachen unter Zurücklassung anderer grundsätzlich keine Schadenersatzpflicht begründen, weil eben der Berechtigte damit nur von seinen Rechten Gebrauch macht. Wäre die Wegschaffung fortgeführter Sachen nur in der Form der Räumung des fremden Grundstücks von allem Material zulässig, das die Naturgewalt oder der Zufall vom Grundstück des Berechtigten aus dorthin brachte, so wäre die Befugnis zur Wegschaffung praktisch sehr oft wertlos. Ein Verstoss gegen Treu und Glauben ist darin, dass die nutzbaren Sachen weggeschafft und die andern zurückgelassen werden, entgegen der Ansicht des Klägers nicht zu erblicken. Das Naturereignis, das Sachen auf ein fremdes Grundstück brachte, hat auch dann, wenn der Berechtigte die nutzbaren Gegenstände zurückholt und der Grundeigentümer die andern wegräumen muss, nicht zur Folge, dass der Berechtigte einen Profit macht, während dem Grundeigentümer nur Schaden erwächst. Der Berechtigte erzielt mit der Wegschaffung des von seinem Lande fortgeführten Materials keinen Gewinn, auch wenn er nur die noch verwertbaren Sachen wegschafft, sondern kann damit regelmässig nur den Schaden etwas vermindern, den das Naturereignis auf seinem Lande angerichtet hat. Dass nicht der Eigentümer des fremden Grundstücks, sondern der Sacheigentümer durch Verwertung fortgetragener Gegenstände sich teilweise von seinem Schaden erholen kann, ist keineswegs ungerecht.
Ob der Grundeigentümer auch dulden muss, dass der Berechtigte von einzelnen Sachen nur die brauchbaren Teile wegnimmt, die wertlosen Abfälle dagegen zurücklässt und zu diesem Zwecke die Sachen auf seinem Grundstück bearbeitet, oder ob nach Art. 700 Abs. 1 eine bestimmte Sache (z.B. ein Baum) nur ganz weggenommen oder ganz preisgegeben werden darf, und ob die Wegnahme der brauchbaren Teile unter Zurücklassung der unbrauchbaren den Berechtigten in dem Sinne schadenersatzpflichtig machen kann, dass er für die Kosten der Wegräumung der unbrauchbaren Teile aufzukommen hat, braucht im vorliegenden Falle nicht entschieden zu werden. Das Abfallholz, das die Beklagte dem Kläger zurückliess, war nicht wertlos. Der Kläger behauptete zwar in der Klageschrift, das Aufrüsten und Wegschaffen dieses Holzes koste mehr, als es wert sei. Er hat aber anerkannt, dass die Beklagte für die Überlassung dieses Holzes Fr. 1377.-- mit dem von ihm geltend gemachten Schaden verrechnen dürfe. Er ist daher mit der Behauptung ausgeschlossen, dass dieses Holz für ihn wertlos gewesen sei, auch wenn er jene Anerkennung nur aus Gründen der Prozessökonomie ausgesprochen hat. Im übrigen hat er es unterlassen, nähere Angaben darüber zu machen und Beweis dafür anzubieten, dass die Kosten der Zubereitung und des Abtransports des Abfallholzes dessen Wert überstiegen haben.
4. Dass das Aufsuchen und die Bearbeitung des Lawinenholzes auf seinem Grundstück und der Abtransport der Baumstämme einen Schaden an seinem Grundstück verursacht habe oder dass durch die Wegnahme nur eines Teils des von den Lawinen zugeführten Materials die Wegräumung des Restes erschwert worden sei, behauptet der Kläger selber nicht.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Kantonsgerichtes von Graubünden vom 14./15. Juni 1954 bestätigt. | de | Recht zum Aufsuchen und Wegschaffen von Sachen, die durch Naturgewalt (Lawinen) auf ein fremdes Grundstück gebracht wurden. Ist der Berechtigte verpflichtet, dem Grundeigentümer den Schaden zu ersetzen, den die Naturgewalt ihm zugefügt hat? Hat er im Falle, dass er einzelne Sachen (Bäume) wegschaffen will, die Räumung des Grundstücks von allem durch die Naturgewalt zugeführten Material zu übernehmen? Darf er von einer Sache die brauchbaren Teile wegschaffen und den Rest zurücklassen? (Art. 700 ZGB). | de | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-216%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
286 | 80 II 216 | Sachverhalt ab Seite 217
A.- Lawinen, die am 19. und 20. Januar 1951 in der Val Susauna (Gemeinde Scanfs) niedergingen, zogen u.a. die Grundstücke in Mitleidenschaft, die Campell dort besitzt. Haus und Stall wurden beschädigt und die Wiesen teilweise mit Schneemassen, Steinen, Schutt und Holz überdeckt. Dieses stammte aus den von den Lawinen durchquerten Gemeindewäldern.
Am 1. Februar 1951 teilte Campell der Gemeinde Scanfs mit, er wisse, dass sie als Eigentümerin des zerstörten Waldes das Recht auf das von ihrem Lande herrührende Lawinenholz habe. Sie könne aber darüber nur verfügen, wenn sie sich verpflichte, alle Lawinenschäden an seinen Wiesen und seinem Hause zu beheben. Unter diesen Umständen nehme er an, sie werde auf das Recht zur Räumung seiner Liegenschaften verzichten. Die Gemeinde antwortete, sie habe nach Art. 700 ZGB nur für den Schaden aufzukommen, der durch die Wegschaffung des Holzes entstehe, das sie abhole; sie werde mit dessen Zurüstung so bald als möglich beginnen. In der Folge führte sie die Stämme der von den Lawinen mitgerissenen Bäume vom Lande Campells weg. Die Wurzelstöcke, die Äste und das Faschinenholz überliess sie ihm.
B.- Nach Zustellung eines Zahlungsbefehls leitete Campell gegen die Gemeinde Scanfs am 22. Dezember 1952 beim Kantonsgericht Graubünden, das unter Übergehung der ersten Instanz anzurufen die Parteien sich geeinigt hatten, Klage auf Zahlung von Fr. 5000.-- nebst 5% Zins seit 15. Juni 1951 ein. Zur Begründung machte er geltend, nach der Schätzung, die im Auftrag des interkantonalen Koordinationskomitees für die Hilfsaktion zugunsten der Lawinengeschädigten des Winters 1951 durchgeführt worden sei, obwohl er die Hilfe des Fonds für Lawinengeschädigte nicht beansprucht habe, sei an seinem Kulturland ein Gesamtschaden von Fr. 6932.-- entstanden, der sich wie folgt berechne:
a) Entwertete Fläche, 2365 Aren, Arbeitsaufwand
für Wiederherstellung 331,5 Arbeitstage à Fr. 15.-: Fr. 4972.--
b) Zerstörte Fläche 44 Aren" 880.--
c) Ernteausfall 10 ha" 1000.--
d) Wiederherstellung von Zäunen" 860.--
Fr. 7712.--
e) Abzüglich Arbeitsleistung durch Studenten
52 Tage à Fr. 15.-:" 780.--
Totalbetrag des Schadens zu Lasten des Klägers: Fr. 6932.--
Der in der Korrespondenz ausserdem erwähnte Gebäudeschaden sei durch die Elementarschadensversicherung gedeckt worden. Vom Betrag von Fr. 6932.-- sei die Gegenforderung der Beklagten von Fr. 1377.-- für Überlassung von Holz abzuziehen, die er, um die Zustimmung der Beklagten zur Übergehung der ersten Instanz zu erhalten und eine bedeutende Weiterung des Prozesses zu vermeiden, in dem Sinne anerkannt habe, dass sie mit dem von ihm nachzuweisenden Gesamtschaden verrechnet werden könne. Vom Restbetrag von Fr. 5555.-- klage er Fr. 5000.-- ein. Die Ablehnung seiner Forderung durch die Beklagte widerspreche Treu und Glauben und der von andern Gemeinden in ähnlicher Lage befolgten Praxis. Während die Beklagte einerseits aus dem Verkauf des verwertbaren Lawinenholzes grosse Beträge gelöst habe, überlasse sie anderseits die Sorge für die Reinigung des Kulturlandes von Schutt, Steinen und Abfallholz dem privaten Eigentümer. Das Aufrüsten und Wegschaffen des Abfallholzes, mit welchem die Beklagte die geschädigten Grundbesitzer für die Ansprüche aus Art. 700 ZGB abgefunden haben wolle, verursache mehr Kosten, als es wert sei. Darüber hinaus müsse der Geschädigte sehen, wie er mit dem übrigen Material, mit dem Ernteausfall usw. fertig werde. Die Überlassung des Abfallholzes bilde daher keine angemessene Vergütung für die Reinigung der Wiesen. In Art. 700 ZGB sei allerdings nur von dem durch das Aufsuchen und Wegschaffen der auf das fremde Grundstück gebrachten Sachen verursachten Schaden die Rede. Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich aber, dass in den Beratungen des Nationalrates vor allem auch an den durch die Sache selbst beim Eindringen in das fremde Grundstück angerichteten Schaden gedacht worden sei. Das Gesetz weise in dieser Hinsicht eine Lücke auf, die der Richter in Anwendung von Art. 1 ZGB auszufüllen habe. Nach den Geboten von Treu und Glauben und eines gerechten und billigen Ausgleichs der Parteiinteressen sei die Gemeinde, nachdem sie sich einmal entschlossen habe, das Lawinenholz wegzuschaffen'zu verpflichten, die Grundstücke des Klägers gänzlich zu räumen bzw. für die entsprechenden Ausfälle des Privaten aufzukommen.
Am 14./15. Juni 1954 hat das Kantonsgericht die Klage gemäss Antrag der Beklagten abgewiesen.
C.- Mit seiner Berufung an das Bundesgericht erneuert der Kläger sein Klagebegehren. Eventuell beantragt er Rückweisung der Sache an die Vorinstanz. Die Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Da es sich um eine Klage gegen eine Gemeinde handelt, erhebt sich angesichts von Art. 59 Abs. 1 ZGB zunächst die von den Parteien und der Vorinstanz nicht erörterte, aber von Amtes wegen zu prüfende Frage, ob die streitige Entschädigungspflicht sich überhaupt nach Bundeszivilrecht, insbesondere Art. 700 ZGB, oder aber nach kantonalem öffentlichem Recht beurteile. Diese Frage ist im ersten Sinne zu beantworten, weil die Rechte und Pflichten der Gemeinde als Eigentümerin von Grundstücken und der darauf gewachsenen Bäume im Streite liegen und die Gemeindeorgane in dieser Sache nicht als Träger öffentlicher Gewalt, sondern so gehandelt haben, wie es auch ein privater Waldbesitzer hätte tun können. Es verhält sich hier ähnlich wie bei der Haftung des Gemeinwesens für mangelhaften Unterhalt der öffentlichen Strassen, für die nach ständiger Rechtsprechung die Vorschriften des OR über die Werkhaftung gelten (BGE 78 II 152).
2. Die Schadensberechnung des Klägers umfasst mit Ausnahme des durch die Versicherung gedeckten Gebäudeschadens alle Vermögenseinbussen, die ihm aus dem Niedergang der Lawinen erwachsen sind. Dem Kläger den ganzen Lawinenschaden zu ersetzen, ist die Beklagte jedoch nicht verpflichtet.
a) Der Kläger behauptet selber nicht, dass die Beklagte diesen Schaden selbst dann ersetzen müsste, wenn sie auf das Holz, das die Lawinen aus ihren Wäldern auf die Liegenschaften des Klägers rissen, keinen Anspruch erhoben hätte. Eine solche Pflicht lässt sich in der Tat nicht begründen. Sie ergibt sich weder aus Art. 41 OR, da die Beklagte den Niedergang der Lawinen nicht verschuldet hat, noch aus Art. 679 ZGB, da nicht die Rede davon sein kann, dass der Lawinenschaden daraus entstanden sei, dass die Beklagte als Waldeigentümerin ihr Eigentumsrecht überschritten habe. Ursache dieses Schadens ist vielmehr höhere Gewalt, für welche die Beklagte nicht einzustehen hat. Insbesondere lässt sich eine Haftung für den durch Naturgewalt verursachten Schaden nicht aus Art.700 ZGB ableiten, der in Abs. 1 bestimmt, dass dann, wenn Sachen durch Wasser, Wind, Lawinen oder andere Naturgewalt oder zufällige Ereignisse aufein fremdes Grundstück gebracht werden, der Grundeigentümer dem Berechtigten deren Aufsuchung und Wegschaffung zu gestatten habe, und in Abs. 2 vorsieht, dass der Grundeigentümer für den "hieraus" (franz.: "en") entstehenden Schadenersatz verlangen könne. Damit kann nur der aus dem Aufsuchen und Wegschaffen der Sachen entstehende Schaden gemeint sein. Der Kläger möchte zwar auf den italienischen Text von Abs. 2 abstellen, wo dem Grundeigentümer kurzweg ein Anspruch auf Ersatz des Schadens (risarcimento del danno) gewährt wird. Hierunter möchte er den Ersatz des ganzen Schadens verstanden wissen, der durch das Ereignis entstanden ist, das Sachen auf ein fremdes Grundstück geführt hat, hier also den Ersatz des ganzen durch die Lawinen verursachten Schadens. Er anerkennt aber mit Recht, dass eine Schadenersatzpflicht nach Abs. 2 nur in Frage kommt, wenn der Berechtigte von der ihm durch -Abs. 1 eingeräumten Befugnis Gebrauch macht. Dass Art. 700 Abs. 2 eine von der Ausübung dieser Befugnis unabhängige Schadenersatzpflicht habe statuieren wollen, was die Einführung einer unerhört weitgehenden Kausalhaftpflicht bedeuten würde, kann schon mit Rücksicht auf den Zusammenhang, in dem diese Vorschrift steht, nicht angenommen werden. Nach dem Marginale zu Art. 699-701 handeln diese Vorschriften nämlich nur vom Recht auf Zutritt und Abwehr.
b) Für den ganzen Lawinenschaden kann die Beklagte aber auch dann nicht haftbar gemacht werden, wenn man in Betracht zieht, dass sie das von den Lawinen auf das Land des Klägers geführte Holz wenigstens zum Teil weggeschafft hat. Der Berechtigte, der die durch Naturgewalt oder Zufall auf ein fremdes Grundstück gebrachten Sachen aufsucht und wegschafft, haftet nach dem klaren Wortlaut der deutschen und französischen Fassung von Art. 700 Abs. 2 nur für den aus der Aufsuchung und Wegschaffung entstehenden Schaden. Der italienische Text sagt dies freilich nicht klar. Er bestimmt aber auch nicht etwa ausdrücklich, dass der Berechtigte dem Grundeigentümer den ganzen durch die Naturgewalt oder den Zufall angerichteten Schaden zu vergüten habe, wenn er seine Sachen abhole. Nach dem Zusammenhang wäre der italienische Text wohl auch dann, wenn die klaren Fassungen in den beiden andern Amtssprachen nicht da wären, in dem Sinne zu verstehen, dass nur der Schaden aus dem Aufsuchen und Wegschaffen der zugeführten Sachen, von dem in Abs. 1 die Rede ist, zu ersetzen sei. Auf jeden Fall aber kann der undeutliche italienische Text nicht zu einer Auslegung führen, die dem klaren Sinn der beiden andern Fassungen widerspricht. Die rätoromanische Fassung, die von "indemnisaziun pil donn caschunau" (Entschädigung für den verursachten Schaden) spricht und somit die gleiche Unklarheit aufweist wie die italienische, hat keine Gesetzeskraft, sondern ist eine Privatarbeit Prof. Tuors.
Vergeblich sucht der Kläger seine Auslegung auf die Gesetzesmaterialien zu stützen. Im Nationalrat hatte Buri allerdings beantragt, die Worte "für den hieraus entstehenden Schaden" durch die Worte "für den entstandenen Schaden" zu ersetzen, um damit zum Ausdruck zu bringen, dass derjenige, der die auf das fremde Grundstück gebrachten Sachen (z.B. eine Tanne, die durch eine Lawine oder Wind mitten durch eine Scheune geworfen wurde) wieder herausbringen wolle, den ganzen Schaden, auch den durch die "Übertragung" der Sache verursachten, ersetzen müsse (Sten.Bull. 1906 S. 553). Der Antrag Buris, gegen dessen Ausführungen über den durch Naturereignisse angerichteten Schaden Eugen Huber einen Vorbehalt anbrachte, wurde dann aber bloss in der Form zum Beschluss erhoben, dass das Wort "entstehenden" durch "entstandenen" ersetzt wurde (a.a.O. S. 554), so dass die neue Fassung lautete: "Für den hieraus entstandenen Schaden kann er Ersatz verlangen..." (vgl. die für die Beratungen im Ständerat bestimmte Zusammenstellung des bundesrätlichen Entwurfs vom 28. Mai 1904 und der Beschlüsse des Nationalrats vom Juni 1906 sowie der ständerätlichen Kommission vom 24. September bis 4. Oktober 1906, bei Art. 689 des deutschen Textes). Diese Fassung unterschied sich von derjenigen des Entwurfs nur noch stilistisch. So mag es sich erklären, dass die bestehende Differenz im Ständerat nicht zur Sprache kam und schliesslich der Text des bundesrätlichen Entwurfs Gesetz wurde. Auf jeden Fall aber bildet die ohne Folgen gebliebene Episode aus der Entstehungsgeschichte, auf die der Kläger sich beruft, kein Argument zugunsten seiner Auslegung. Eher liesse sich das Gegenteil sagen, da der Antrag Buris so, wie er gefasst war, schon im Nationalrat nicht durchgedrungen ist.
Auf die Regelung im frühern kantonalen Recht (insbesondere § 196 des bündnerischen Civilgesetzbuchs) kommt nichts an, da heute eben das Schweiz. Zivilgesetzbuch gilt.
Schliesslich kann auch von einer Gesetzeslücke nicht die Rede sein. Das Gesetz hat die Frage, ob der Berechtigte, der die durch Lawinen auf fremden Boden gebrachten Sachen aufsucht und wegschafft, dem Grundeigentümer für den durch den Lawinengang entstandenen Schaden hafte, nicht offengelassen, wie der Kläger behauptet. Aus dem Gesetz ergibt sich vielmehr klar, dass diese Frage verneint werden muss. Art. 700 Abs. 2 verpflichtet den Berechtigten, der den ihm weggeführten Sachen nachgeht, wie schon gesagt nur zum Ersatz des aus der Aufsuchung und Wegschaffung dieser Sachen entstandenen Schadens. Eine Sonderbestimmung, aus der sich die Haftung des so handelnden Berechtigten für den Lawinenschaden ableiten liesse, besteht nicht. Aber auch die allgemeinen Vorschriften über die ausservertragliche Haftpflicht erlauben es nicht, den Berechtigten, der die ihm nach Art. 700 Abs. 1 zustehende Befugnis ausübt, zum Ersatze des durch die Lawinen verursachten Schadens zu verurteilen; denn der Berechtigte überschreitet damit keineswegs sein Eigentumsrecht (Art. 679 ZGB) und handelt auch sonst nicht widerrechtlich (Art. 41 OR), und hievon abgesehen besteht auch kein Kausalzusammenhang zwischen seinem Verhalten und dem Lawinenschaden, wie er nötig wäre, um eine Haftung nach den eben erwähnten Bestimmungen zu begründen. Das Gesetz schliesst also seine Haftung für diesen Schaden aus.
Zu Unrecht behauptet der Kläger, dieses Ergebnis sei so stossend, dass es vom Gesetzgeber unmöglich gewollt sein könne. Derjenige, dem durch eine Lawine Sachen fortgetragen werden, kann mit der Rücknahme dieser Sachen in der Regel nur einen geringen Teil des ihm entstandenen Schadens wieder einbringen. Dies gilt insbesondere bei der Zerstörung von Waldungen. Es wäre daher keineswegs billig, wenn die Rücknahme der weggeführten Sachen die Pflicht nach sich zöge, dem vom gleichen Naturereignis betroffenen Grundeigentümer, dem die Sachen zugeführt wurden, den ganzen durch dieses Ereignis verursachten Schaden zu ersetzen.
Der Kläger hat daher keinen Anspruch auf Ersatz des von ihm eingeklagten Schadens.
3. Von der Frage der Ersatzpflicht für den Schaden, den ein Grundeigentümer durch ein zufälliges Ereignis erlitten hat, das fremde Sachen auf seinen Boden führte, ist die Frage zu unterscheiden, ob Art. 700 Abs. 1 ZGB dem Berechtigten, dem durch ein solches Ereignis eine Mehrzahl von Sachen weggeführt wurde, die Befugnis gebe, nach seiner Wahl alle diese Sachen oder nur einzelne davon oder auch nur Teile einzelner Sachen vom Grundstück'auf das sie gebracht wurden, zurückzuholen, und ob er im Falle, dass er nur alles zusammen oder einzelne Sachen nur in ihrer Gänze zurückholen darf, aber gleichwohl nur einzelne Sachen oder nur Teile von solchen wegnimmt, zur Beseitigung auch der auf dem fremden Grundstück belassenen Sachen oder Sachteile oder, wenn der Grundeigentümer diese an seiner Stelle wegräumen musste, zum Ersatz der hieraus entstandenen Auslagen angehalten werden könne. Der Kläger macht in dieser Hinsicht geltend, die in Art. 700 Abs. 1 vorgesehene Befugnis könne nach Treu und Glauben nicht in der Weise ausgeübt werden, dass der Berechtigte nur die nutzbaren Sachen oder Teile weghole und die Last der Beseitigung des nicht brauchbaren Restes dem Grundeigentümer überlasse; wenn der Berechtigte die nutzbaren Sachen oder Teile verwerten wolle, müsse er die ganze Räumung übernehmen. Der Kläger beruft sich dabei auf ein Gutachten von Prof. Liver. Diese rechtlichen Ausführungen können jedoch nicht zur Begründung des eingeklagten Anspruchs dienen. Der Kläger verlangt weder die Wegräumung der von der Beklagten zurückgelassenen Sachen (Abfallholz, Steine, Schutt) noch den Ersatz der.Aufwendungen, die er zu machen hatte, um diese Sachen wegzuräumen, sondern klagt, wie schon festgestellt, auf Ersatz des ganzen durch die Lawinen verursachten Schadens. Im Posten von Fr. 4972.-- für "Entwertete Fläche, Arbeitsaufwand für Wiederherstellung" dürften die Kosten der Räumung des verschütteten Landes von den Sachen, die die Beklagte zurückliess, allerdings inbegriffen sein. Die Räumungskosten können aber den Kosten der Wiederherstellung nicht einfach gleichgesetzt werden, weil zur Wiederherstellung von Wiesen, die von Lawinen getroffen wurden, neben der Wegschaffung des aufgeschütteten Materials unter Umständen noch weitere Arbeiten gehören (Wiederauftrag von weggescheuertem Humus, Ausebnen des Bodens, der durch die von den Lawinen mitgerissenen Bäume und Steine zerwühlt wurde, Ansäen usw.). Welcher Teil des Aufwands für die Wiederherstellung auf die Räumung entfalle, sagt der Kläger nicht. Unter dem Titel des Ersatzes der Kosten der Wegschaffung des von der Beklagten zurückgelassenen Materials kann ihm daher schon mangels genügender Substantiierung der Klage nichts zugesprochen werden.
Zur Bezahlung der Kosten der Wegschaffung dieses ganzen Materials könnte die Beklagte im übrigen auch dann nicht verurteilt werden, wenn man über den erwähnten Mangel der Klage hinwegsehen und annehmen wollte, die Wiederherstellung habe im vorliegenden Falle nur in der Räumung des von der Beklagten nicht weggeschafften Materials bestanden oder der Anteil der Räumungskosten an den Kosten der Wiederherstellung lasse sich bestimmen, obwohl der Kläger darüber keine Angaben gemacht hat. Art. 700 ZGB gewährt demjenigen, dem Sachen durch Naturgewalt oder Zufall weggeführt wurden, das Recht zu deren Aufsuchung und Wegschaffung ohne Vorbehalt. Die einzige Pflicht, die diese Bestimmung ihm auferlegt, ist diejenige zum Ersatz des hieraus entstehenden Schadens. Das Recht zur Aufsuchung und Wegschaffung ist letztlich ein Ausfluss des Eigentums an den betreffenden Sachen, das nach der Ordnung des ZGB dadurch, dass sie durch Naturgewalt oder Zufall auf ein fremdes Grundstück gebracht werden, dem bisherigen Eigentümer nicht verloren geht. Gegenstand des Eigentums sind die einzelnen Sachen. Dem Berechtigten kann daher nicht verwehrt werden, einzelne Sachen zurückzuholen, andere dagegen liegen zu lassen und damit preiszugeben. Wird durch die Wegnahme einzelner Sachen die Beseitigung der übrigen erschwert, so liegt darin ein aus der Wegschaffung entstandener Schaden, für den der Grundeigentümer nach Abs. 2 Ersatz verlangen kann. Von diesem Falle abgesehen kann jedoch die Wegnahme einzelner Sachen unter Zurücklassung anderer grundsätzlich keine Schadenersatzpflicht begründen, weil eben der Berechtigte damit nur von seinen Rechten Gebrauch macht. Wäre die Wegschaffung fortgeführter Sachen nur in der Form der Räumung des fremden Grundstücks von allem Material zulässig, das die Naturgewalt oder der Zufall vom Grundstück des Berechtigten aus dorthin brachte, so wäre die Befugnis zur Wegschaffung praktisch sehr oft wertlos. Ein Verstoss gegen Treu und Glauben ist darin, dass die nutzbaren Sachen weggeschafft und die andern zurückgelassen werden, entgegen der Ansicht des Klägers nicht zu erblicken. Das Naturereignis, das Sachen auf ein fremdes Grundstück brachte, hat auch dann, wenn der Berechtigte die nutzbaren Gegenstände zurückholt und der Grundeigentümer die andern wegräumen muss, nicht zur Folge, dass der Berechtigte einen Profit macht, während dem Grundeigentümer nur Schaden erwächst. Der Berechtigte erzielt mit der Wegschaffung des von seinem Lande fortgeführten Materials keinen Gewinn, auch wenn er nur die noch verwertbaren Sachen wegschafft, sondern kann damit regelmässig nur den Schaden etwas vermindern, den das Naturereignis auf seinem Lande angerichtet hat. Dass nicht der Eigentümer des fremden Grundstücks, sondern der Sacheigentümer durch Verwertung fortgetragener Gegenstände sich teilweise von seinem Schaden erholen kann, ist keineswegs ungerecht.
Ob der Grundeigentümer auch dulden muss, dass der Berechtigte von einzelnen Sachen nur die brauchbaren Teile wegnimmt, die wertlosen Abfälle dagegen zurücklässt und zu diesem Zwecke die Sachen auf seinem Grundstück bearbeitet, oder ob nach Art. 700 Abs. 1 eine bestimmte Sache (z.B. ein Baum) nur ganz weggenommen oder ganz preisgegeben werden darf, und ob die Wegnahme der brauchbaren Teile unter Zurücklassung der unbrauchbaren den Berechtigten in dem Sinne schadenersatzpflichtig machen kann, dass er für die Kosten der Wegräumung der unbrauchbaren Teile aufzukommen hat, braucht im vorliegenden Falle nicht entschieden zu werden. Das Abfallholz, das die Beklagte dem Kläger zurückliess, war nicht wertlos. Der Kläger behauptete zwar in der Klageschrift, das Aufrüsten und Wegschaffen dieses Holzes koste mehr, als es wert sei. Er hat aber anerkannt, dass die Beklagte für die Überlassung dieses Holzes Fr. 1377.-- mit dem von ihm geltend gemachten Schaden verrechnen dürfe. Er ist daher mit der Behauptung ausgeschlossen, dass dieses Holz für ihn wertlos gewesen sei, auch wenn er jene Anerkennung nur aus Gründen der Prozessökonomie ausgesprochen hat. Im übrigen hat er es unterlassen, nähere Angaben darüber zu machen und Beweis dafür anzubieten, dass die Kosten der Zubereitung und des Abtransports des Abfallholzes dessen Wert überstiegen haben.
4. Dass das Aufsuchen und die Bearbeitung des Lawinenholzes auf seinem Grundstück und der Abtransport der Baumstämme einen Schaden an seinem Grundstück verursacht habe oder dass durch die Wegnahme nur eines Teils des von den Lawinen zugeführten Materials die Wegräumung des Restes erschwert worden sei, behauptet der Kläger selber nicht.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Kantonsgerichtes von Graubünden vom 14./15. Juni 1954 bestätigt. | de | Droit de rechercher et d'enlever des objets entraînés sur le fonds d'un tiers par l'effet d'une force naturelle (avalanche). L'ayantdroit est-il tenu de réparer le dommage que la force naturelle a causé au propriétaire? Supposé qu'il entende enlever certaines choses (arbres), doit-il débarrasser le fonds de tous les matériaux amenés par la force naturelle? Peut-il enlever d'un objet ce qui est utilisable et laisser le reste? (art. 700 CC), | fr | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-216%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
287 | 80 II 216 | Sachverhalt ab Seite 217
A.- Lawinen, die am 19. und 20. Januar 1951 in der Val Susauna (Gemeinde Scanfs) niedergingen, zogen u.a. die Grundstücke in Mitleidenschaft, die Campell dort besitzt. Haus und Stall wurden beschädigt und die Wiesen teilweise mit Schneemassen, Steinen, Schutt und Holz überdeckt. Dieses stammte aus den von den Lawinen durchquerten Gemeindewäldern.
Am 1. Februar 1951 teilte Campell der Gemeinde Scanfs mit, er wisse, dass sie als Eigentümerin des zerstörten Waldes das Recht auf das von ihrem Lande herrührende Lawinenholz habe. Sie könne aber darüber nur verfügen, wenn sie sich verpflichte, alle Lawinenschäden an seinen Wiesen und seinem Hause zu beheben. Unter diesen Umständen nehme er an, sie werde auf das Recht zur Räumung seiner Liegenschaften verzichten. Die Gemeinde antwortete, sie habe nach Art. 700 ZGB nur für den Schaden aufzukommen, der durch die Wegschaffung des Holzes entstehe, das sie abhole; sie werde mit dessen Zurüstung so bald als möglich beginnen. In der Folge führte sie die Stämme der von den Lawinen mitgerissenen Bäume vom Lande Campells weg. Die Wurzelstöcke, die Äste und das Faschinenholz überliess sie ihm.
B.- Nach Zustellung eines Zahlungsbefehls leitete Campell gegen die Gemeinde Scanfs am 22. Dezember 1952 beim Kantonsgericht Graubünden, das unter Übergehung der ersten Instanz anzurufen die Parteien sich geeinigt hatten, Klage auf Zahlung von Fr. 5000.-- nebst 5% Zins seit 15. Juni 1951 ein. Zur Begründung machte er geltend, nach der Schätzung, die im Auftrag des interkantonalen Koordinationskomitees für die Hilfsaktion zugunsten der Lawinengeschädigten des Winters 1951 durchgeführt worden sei, obwohl er die Hilfe des Fonds für Lawinengeschädigte nicht beansprucht habe, sei an seinem Kulturland ein Gesamtschaden von Fr. 6932.-- entstanden, der sich wie folgt berechne:
a) Entwertete Fläche, 2365 Aren, Arbeitsaufwand
für Wiederherstellung 331,5 Arbeitstage à Fr. 15.-: Fr. 4972.--
b) Zerstörte Fläche 44 Aren" 880.--
c) Ernteausfall 10 ha" 1000.--
d) Wiederherstellung von Zäunen" 860.--
Fr. 7712.--
e) Abzüglich Arbeitsleistung durch Studenten
52 Tage à Fr. 15.-:" 780.--
Totalbetrag des Schadens zu Lasten des Klägers: Fr. 6932.--
Der in der Korrespondenz ausserdem erwähnte Gebäudeschaden sei durch die Elementarschadensversicherung gedeckt worden. Vom Betrag von Fr. 6932.-- sei die Gegenforderung der Beklagten von Fr. 1377.-- für Überlassung von Holz abzuziehen, die er, um die Zustimmung der Beklagten zur Übergehung der ersten Instanz zu erhalten und eine bedeutende Weiterung des Prozesses zu vermeiden, in dem Sinne anerkannt habe, dass sie mit dem von ihm nachzuweisenden Gesamtschaden verrechnet werden könne. Vom Restbetrag von Fr. 5555.-- klage er Fr. 5000.-- ein. Die Ablehnung seiner Forderung durch die Beklagte widerspreche Treu und Glauben und der von andern Gemeinden in ähnlicher Lage befolgten Praxis. Während die Beklagte einerseits aus dem Verkauf des verwertbaren Lawinenholzes grosse Beträge gelöst habe, überlasse sie anderseits die Sorge für die Reinigung des Kulturlandes von Schutt, Steinen und Abfallholz dem privaten Eigentümer. Das Aufrüsten und Wegschaffen des Abfallholzes, mit welchem die Beklagte die geschädigten Grundbesitzer für die Ansprüche aus Art. 700 ZGB abgefunden haben wolle, verursache mehr Kosten, als es wert sei. Darüber hinaus müsse der Geschädigte sehen, wie er mit dem übrigen Material, mit dem Ernteausfall usw. fertig werde. Die Überlassung des Abfallholzes bilde daher keine angemessene Vergütung für die Reinigung der Wiesen. In Art. 700 ZGB sei allerdings nur von dem durch das Aufsuchen und Wegschaffen der auf das fremde Grundstück gebrachten Sachen verursachten Schaden die Rede. Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich aber, dass in den Beratungen des Nationalrates vor allem auch an den durch die Sache selbst beim Eindringen in das fremde Grundstück angerichteten Schaden gedacht worden sei. Das Gesetz weise in dieser Hinsicht eine Lücke auf, die der Richter in Anwendung von Art. 1 ZGB auszufüllen habe. Nach den Geboten von Treu und Glauben und eines gerechten und billigen Ausgleichs der Parteiinteressen sei die Gemeinde, nachdem sie sich einmal entschlossen habe, das Lawinenholz wegzuschaffen'zu verpflichten, die Grundstücke des Klägers gänzlich zu räumen bzw. für die entsprechenden Ausfälle des Privaten aufzukommen.
Am 14./15. Juni 1954 hat das Kantonsgericht die Klage gemäss Antrag der Beklagten abgewiesen.
C.- Mit seiner Berufung an das Bundesgericht erneuert der Kläger sein Klagebegehren. Eventuell beantragt er Rückweisung der Sache an die Vorinstanz. Die Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Da es sich um eine Klage gegen eine Gemeinde handelt, erhebt sich angesichts von Art. 59 Abs. 1 ZGB zunächst die von den Parteien und der Vorinstanz nicht erörterte, aber von Amtes wegen zu prüfende Frage, ob die streitige Entschädigungspflicht sich überhaupt nach Bundeszivilrecht, insbesondere Art. 700 ZGB, oder aber nach kantonalem öffentlichem Recht beurteile. Diese Frage ist im ersten Sinne zu beantworten, weil die Rechte und Pflichten der Gemeinde als Eigentümerin von Grundstücken und der darauf gewachsenen Bäume im Streite liegen und die Gemeindeorgane in dieser Sache nicht als Träger öffentlicher Gewalt, sondern so gehandelt haben, wie es auch ein privater Waldbesitzer hätte tun können. Es verhält sich hier ähnlich wie bei der Haftung des Gemeinwesens für mangelhaften Unterhalt der öffentlichen Strassen, für die nach ständiger Rechtsprechung die Vorschriften des OR über die Werkhaftung gelten (BGE 78 II 152).
2. Die Schadensberechnung des Klägers umfasst mit Ausnahme des durch die Versicherung gedeckten Gebäudeschadens alle Vermögenseinbussen, die ihm aus dem Niedergang der Lawinen erwachsen sind. Dem Kläger den ganzen Lawinenschaden zu ersetzen, ist die Beklagte jedoch nicht verpflichtet.
a) Der Kläger behauptet selber nicht, dass die Beklagte diesen Schaden selbst dann ersetzen müsste, wenn sie auf das Holz, das die Lawinen aus ihren Wäldern auf die Liegenschaften des Klägers rissen, keinen Anspruch erhoben hätte. Eine solche Pflicht lässt sich in der Tat nicht begründen. Sie ergibt sich weder aus Art. 41 OR, da die Beklagte den Niedergang der Lawinen nicht verschuldet hat, noch aus Art. 679 ZGB, da nicht die Rede davon sein kann, dass der Lawinenschaden daraus entstanden sei, dass die Beklagte als Waldeigentümerin ihr Eigentumsrecht überschritten habe. Ursache dieses Schadens ist vielmehr höhere Gewalt, für welche die Beklagte nicht einzustehen hat. Insbesondere lässt sich eine Haftung für den durch Naturgewalt verursachten Schaden nicht aus Art.700 ZGB ableiten, der in Abs. 1 bestimmt, dass dann, wenn Sachen durch Wasser, Wind, Lawinen oder andere Naturgewalt oder zufällige Ereignisse aufein fremdes Grundstück gebracht werden, der Grundeigentümer dem Berechtigten deren Aufsuchung und Wegschaffung zu gestatten habe, und in Abs. 2 vorsieht, dass der Grundeigentümer für den "hieraus" (franz.: "en") entstehenden Schadenersatz verlangen könne. Damit kann nur der aus dem Aufsuchen und Wegschaffen der Sachen entstehende Schaden gemeint sein. Der Kläger möchte zwar auf den italienischen Text von Abs. 2 abstellen, wo dem Grundeigentümer kurzweg ein Anspruch auf Ersatz des Schadens (risarcimento del danno) gewährt wird. Hierunter möchte er den Ersatz des ganzen Schadens verstanden wissen, der durch das Ereignis entstanden ist, das Sachen auf ein fremdes Grundstück geführt hat, hier also den Ersatz des ganzen durch die Lawinen verursachten Schadens. Er anerkennt aber mit Recht, dass eine Schadenersatzpflicht nach Abs. 2 nur in Frage kommt, wenn der Berechtigte von der ihm durch -Abs. 1 eingeräumten Befugnis Gebrauch macht. Dass Art. 700 Abs. 2 eine von der Ausübung dieser Befugnis unabhängige Schadenersatzpflicht habe statuieren wollen, was die Einführung einer unerhört weitgehenden Kausalhaftpflicht bedeuten würde, kann schon mit Rücksicht auf den Zusammenhang, in dem diese Vorschrift steht, nicht angenommen werden. Nach dem Marginale zu Art. 699-701 handeln diese Vorschriften nämlich nur vom Recht auf Zutritt und Abwehr.
b) Für den ganzen Lawinenschaden kann die Beklagte aber auch dann nicht haftbar gemacht werden, wenn man in Betracht zieht, dass sie das von den Lawinen auf das Land des Klägers geführte Holz wenigstens zum Teil weggeschafft hat. Der Berechtigte, der die durch Naturgewalt oder Zufall auf ein fremdes Grundstück gebrachten Sachen aufsucht und wegschafft, haftet nach dem klaren Wortlaut der deutschen und französischen Fassung von Art. 700 Abs. 2 nur für den aus der Aufsuchung und Wegschaffung entstehenden Schaden. Der italienische Text sagt dies freilich nicht klar. Er bestimmt aber auch nicht etwa ausdrücklich, dass der Berechtigte dem Grundeigentümer den ganzen durch die Naturgewalt oder den Zufall angerichteten Schaden zu vergüten habe, wenn er seine Sachen abhole. Nach dem Zusammenhang wäre der italienische Text wohl auch dann, wenn die klaren Fassungen in den beiden andern Amtssprachen nicht da wären, in dem Sinne zu verstehen, dass nur der Schaden aus dem Aufsuchen und Wegschaffen der zugeführten Sachen, von dem in Abs. 1 die Rede ist, zu ersetzen sei. Auf jeden Fall aber kann der undeutliche italienische Text nicht zu einer Auslegung führen, die dem klaren Sinn der beiden andern Fassungen widerspricht. Die rätoromanische Fassung, die von "indemnisaziun pil donn caschunau" (Entschädigung für den verursachten Schaden) spricht und somit die gleiche Unklarheit aufweist wie die italienische, hat keine Gesetzeskraft, sondern ist eine Privatarbeit Prof. Tuors.
Vergeblich sucht der Kläger seine Auslegung auf die Gesetzesmaterialien zu stützen. Im Nationalrat hatte Buri allerdings beantragt, die Worte "für den hieraus entstehenden Schaden" durch die Worte "für den entstandenen Schaden" zu ersetzen, um damit zum Ausdruck zu bringen, dass derjenige, der die auf das fremde Grundstück gebrachten Sachen (z.B. eine Tanne, die durch eine Lawine oder Wind mitten durch eine Scheune geworfen wurde) wieder herausbringen wolle, den ganzen Schaden, auch den durch die "Übertragung" der Sache verursachten, ersetzen müsse (Sten.Bull. 1906 S. 553). Der Antrag Buris, gegen dessen Ausführungen über den durch Naturereignisse angerichteten Schaden Eugen Huber einen Vorbehalt anbrachte, wurde dann aber bloss in der Form zum Beschluss erhoben, dass das Wort "entstehenden" durch "entstandenen" ersetzt wurde (a.a.O. S. 554), so dass die neue Fassung lautete: "Für den hieraus entstandenen Schaden kann er Ersatz verlangen..." (vgl. die für die Beratungen im Ständerat bestimmte Zusammenstellung des bundesrätlichen Entwurfs vom 28. Mai 1904 und der Beschlüsse des Nationalrats vom Juni 1906 sowie der ständerätlichen Kommission vom 24. September bis 4. Oktober 1906, bei Art. 689 des deutschen Textes). Diese Fassung unterschied sich von derjenigen des Entwurfs nur noch stilistisch. So mag es sich erklären, dass die bestehende Differenz im Ständerat nicht zur Sprache kam und schliesslich der Text des bundesrätlichen Entwurfs Gesetz wurde. Auf jeden Fall aber bildet die ohne Folgen gebliebene Episode aus der Entstehungsgeschichte, auf die der Kläger sich beruft, kein Argument zugunsten seiner Auslegung. Eher liesse sich das Gegenteil sagen, da der Antrag Buris so, wie er gefasst war, schon im Nationalrat nicht durchgedrungen ist.
Auf die Regelung im frühern kantonalen Recht (insbesondere § 196 des bündnerischen Civilgesetzbuchs) kommt nichts an, da heute eben das Schweiz. Zivilgesetzbuch gilt.
Schliesslich kann auch von einer Gesetzeslücke nicht die Rede sein. Das Gesetz hat die Frage, ob der Berechtigte, der die durch Lawinen auf fremden Boden gebrachten Sachen aufsucht und wegschafft, dem Grundeigentümer für den durch den Lawinengang entstandenen Schaden hafte, nicht offengelassen, wie der Kläger behauptet. Aus dem Gesetz ergibt sich vielmehr klar, dass diese Frage verneint werden muss. Art. 700 Abs. 2 verpflichtet den Berechtigten, der den ihm weggeführten Sachen nachgeht, wie schon gesagt nur zum Ersatz des aus der Aufsuchung und Wegschaffung dieser Sachen entstandenen Schadens. Eine Sonderbestimmung, aus der sich die Haftung des so handelnden Berechtigten für den Lawinenschaden ableiten liesse, besteht nicht. Aber auch die allgemeinen Vorschriften über die ausservertragliche Haftpflicht erlauben es nicht, den Berechtigten, der die ihm nach Art. 700 Abs. 1 zustehende Befugnis ausübt, zum Ersatze des durch die Lawinen verursachten Schadens zu verurteilen; denn der Berechtigte überschreitet damit keineswegs sein Eigentumsrecht (Art. 679 ZGB) und handelt auch sonst nicht widerrechtlich (Art. 41 OR), und hievon abgesehen besteht auch kein Kausalzusammenhang zwischen seinem Verhalten und dem Lawinenschaden, wie er nötig wäre, um eine Haftung nach den eben erwähnten Bestimmungen zu begründen. Das Gesetz schliesst also seine Haftung für diesen Schaden aus.
Zu Unrecht behauptet der Kläger, dieses Ergebnis sei so stossend, dass es vom Gesetzgeber unmöglich gewollt sein könne. Derjenige, dem durch eine Lawine Sachen fortgetragen werden, kann mit der Rücknahme dieser Sachen in der Regel nur einen geringen Teil des ihm entstandenen Schadens wieder einbringen. Dies gilt insbesondere bei der Zerstörung von Waldungen. Es wäre daher keineswegs billig, wenn die Rücknahme der weggeführten Sachen die Pflicht nach sich zöge, dem vom gleichen Naturereignis betroffenen Grundeigentümer, dem die Sachen zugeführt wurden, den ganzen durch dieses Ereignis verursachten Schaden zu ersetzen.
Der Kläger hat daher keinen Anspruch auf Ersatz des von ihm eingeklagten Schadens.
3. Von der Frage der Ersatzpflicht für den Schaden, den ein Grundeigentümer durch ein zufälliges Ereignis erlitten hat, das fremde Sachen auf seinen Boden führte, ist die Frage zu unterscheiden, ob Art. 700 Abs. 1 ZGB dem Berechtigten, dem durch ein solches Ereignis eine Mehrzahl von Sachen weggeführt wurde, die Befugnis gebe, nach seiner Wahl alle diese Sachen oder nur einzelne davon oder auch nur Teile einzelner Sachen vom Grundstück'auf das sie gebracht wurden, zurückzuholen, und ob er im Falle, dass er nur alles zusammen oder einzelne Sachen nur in ihrer Gänze zurückholen darf, aber gleichwohl nur einzelne Sachen oder nur Teile von solchen wegnimmt, zur Beseitigung auch der auf dem fremden Grundstück belassenen Sachen oder Sachteile oder, wenn der Grundeigentümer diese an seiner Stelle wegräumen musste, zum Ersatz der hieraus entstandenen Auslagen angehalten werden könne. Der Kläger macht in dieser Hinsicht geltend, die in Art. 700 Abs. 1 vorgesehene Befugnis könne nach Treu und Glauben nicht in der Weise ausgeübt werden, dass der Berechtigte nur die nutzbaren Sachen oder Teile weghole und die Last der Beseitigung des nicht brauchbaren Restes dem Grundeigentümer überlasse; wenn der Berechtigte die nutzbaren Sachen oder Teile verwerten wolle, müsse er die ganze Räumung übernehmen. Der Kläger beruft sich dabei auf ein Gutachten von Prof. Liver. Diese rechtlichen Ausführungen können jedoch nicht zur Begründung des eingeklagten Anspruchs dienen. Der Kläger verlangt weder die Wegräumung der von der Beklagten zurückgelassenen Sachen (Abfallholz, Steine, Schutt) noch den Ersatz der.Aufwendungen, die er zu machen hatte, um diese Sachen wegzuräumen, sondern klagt, wie schon festgestellt, auf Ersatz des ganzen durch die Lawinen verursachten Schadens. Im Posten von Fr. 4972.-- für "Entwertete Fläche, Arbeitsaufwand für Wiederherstellung" dürften die Kosten der Räumung des verschütteten Landes von den Sachen, die die Beklagte zurückliess, allerdings inbegriffen sein. Die Räumungskosten können aber den Kosten der Wiederherstellung nicht einfach gleichgesetzt werden, weil zur Wiederherstellung von Wiesen, die von Lawinen getroffen wurden, neben der Wegschaffung des aufgeschütteten Materials unter Umständen noch weitere Arbeiten gehören (Wiederauftrag von weggescheuertem Humus, Ausebnen des Bodens, der durch die von den Lawinen mitgerissenen Bäume und Steine zerwühlt wurde, Ansäen usw.). Welcher Teil des Aufwands für die Wiederherstellung auf die Räumung entfalle, sagt der Kläger nicht. Unter dem Titel des Ersatzes der Kosten der Wegschaffung des von der Beklagten zurückgelassenen Materials kann ihm daher schon mangels genügender Substantiierung der Klage nichts zugesprochen werden.
Zur Bezahlung der Kosten der Wegschaffung dieses ganzen Materials könnte die Beklagte im übrigen auch dann nicht verurteilt werden, wenn man über den erwähnten Mangel der Klage hinwegsehen und annehmen wollte, die Wiederherstellung habe im vorliegenden Falle nur in der Räumung des von der Beklagten nicht weggeschafften Materials bestanden oder der Anteil der Räumungskosten an den Kosten der Wiederherstellung lasse sich bestimmen, obwohl der Kläger darüber keine Angaben gemacht hat. Art. 700 ZGB gewährt demjenigen, dem Sachen durch Naturgewalt oder Zufall weggeführt wurden, das Recht zu deren Aufsuchung und Wegschaffung ohne Vorbehalt. Die einzige Pflicht, die diese Bestimmung ihm auferlegt, ist diejenige zum Ersatz des hieraus entstehenden Schadens. Das Recht zur Aufsuchung und Wegschaffung ist letztlich ein Ausfluss des Eigentums an den betreffenden Sachen, das nach der Ordnung des ZGB dadurch, dass sie durch Naturgewalt oder Zufall auf ein fremdes Grundstück gebracht werden, dem bisherigen Eigentümer nicht verloren geht. Gegenstand des Eigentums sind die einzelnen Sachen. Dem Berechtigten kann daher nicht verwehrt werden, einzelne Sachen zurückzuholen, andere dagegen liegen zu lassen und damit preiszugeben. Wird durch die Wegnahme einzelner Sachen die Beseitigung der übrigen erschwert, so liegt darin ein aus der Wegschaffung entstandener Schaden, für den der Grundeigentümer nach Abs. 2 Ersatz verlangen kann. Von diesem Falle abgesehen kann jedoch die Wegnahme einzelner Sachen unter Zurücklassung anderer grundsätzlich keine Schadenersatzpflicht begründen, weil eben der Berechtigte damit nur von seinen Rechten Gebrauch macht. Wäre die Wegschaffung fortgeführter Sachen nur in der Form der Räumung des fremden Grundstücks von allem Material zulässig, das die Naturgewalt oder der Zufall vom Grundstück des Berechtigten aus dorthin brachte, so wäre die Befugnis zur Wegschaffung praktisch sehr oft wertlos. Ein Verstoss gegen Treu und Glauben ist darin, dass die nutzbaren Sachen weggeschafft und die andern zurückgelassen werden, entgegen der Ansicht des Klägers nicht zu erblicken. Das Naturereignis, das Sachen auf ein fremdes Grundstück brachte, hat auch dann, wenn der Berechtigte die nutzbaren Gegenstände zurückholt und der Grundeigentümer die andern wegräumen muss, nicht zur Folge, dass der Berechtigte einen Profit macht, während dem Grundeigentümer nur Schaden erwächst. Der Berechtigte erzielt mit der Wegschaffung des von seinem Lande fortgeführten Materials keinen Gewinn, auch wenn er nur die noch verwertbaren Sachen wegschafft, sondern kann damit regelmässig nur den Schaden etwas vermindern, den das Naturereignis auf seinem Lande angerichtet hat. Dass nicht der Eigentümer des fremden Grundstücks, sondern der Sacheigentümer durch Verwertung fortgetragener Gegenstände sich teilweise von seinem Schaden erholen kann, ist keineswegs ungerecht.
Ob der Grundeigentümer auch dulden muss, dass der Berechtigte von einzelnen Sachen nur die brauchbaren Teile wegnimmt, die wertlosen Abfälle dagegen zurücklässt und zu diesem Zwecke die Sachen auf seinem Grundstück bearbeitet, oder ob nach Art. 700 Abs. 1 eine bestimmte Sache (z.B. ein Baum) nur ganz weggenommen oder ganz preisgegeben werden darf, und ob die Wegnahme der brauchbaren Teile unter Zurücklassung der unbrauchbaren den Berechtigten in dem Sinne schadenersatzpflichtig machen kann, dass er für die Kosten der Wegräumung der unbrauchbaren Teile aufzukommen hat, braucht im vorliegenden Falle nicht entschieden zu werden. Das Abfallholz, das die Beklagte dem Kläger zurückliess, war nicht wertlos. Der Kläger behauptete zwar in der Klageschrift, das Aufrüsten und Wegschaffen dieses Holzes koste mehr, als es wert sei. Er hat aber anerkannt, dass die Beklagte für die Überlassung dieses Holzes Fr. 1377.-- mit dem von ihm geltend gemachten Schaden verrechnen dürfe. Er ist daher mit der Behauptung ausgeschlossen, dass dieses Holz für ihn wertlos gewesen sei, auch wenn er jene Anerkennung nur aus Gründen der Prozessökonomie ausgesprochen hat. Im übrigen hat er es unterlassen, nähere Angaben darüber zu machen und Beweis dafür anzubieten, dass die Kosten der Zubereitung und des Abtransports des Abfallholzes dessen Wert überstiegen haben.
4. Dass das Aufsuchen und die Bearbeitung des Lawinenholzes auf seinem Grundstück und der Abtransport der Baumstämme einen Schaden an seinem Grundstück verursacht habe oder dass durch die Wegnahme nur eines Teils des von den Lawinen zugeführten Materials die Wegräumung des Restes erschwert worden sei, behauptet der Kläger selber nicht.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Kantonsgerichtes von Graubünden vom 14./15. Juni 1954 bestätigt. | de | Diritto di ricercare e riprendere le cose trasportate sul fondo d'un terzo da una forza naturale (valanga). E'tenuto l'avente diritto arisarcire al proprietario il danno cagionato dalla forza naturale? Nel caso che l'avente diritto intenda riprendere determinate cose (alberi), deve liberare il fondo da tutti i materiali portati dalla forza naturale? Può riprendere la parte della cosa che è ancora utilizzabile ed abbandonare sul posto l'altra parte? (art. 700 CC). | it | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-216%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
288 | 80 II 22 | Sachverhalt ab Seite 22
Aus dem Tatbestand:
A.- Bauunternehmer Lehner, der schon eine Anzahl Bauten in mehreren Kantonen ausgeführt hatte, begann im Jahre 1947 mit der Errichtung von Häusern in Steinhausen. Darunter befand sich ein auf Parzelle Nr. 275 geplantes Einfamilienhaus. Im Oktober 1947 nahm er beim Beklagten Hofmann ein Darlehen von Fr. 60'000.-- auf, das er bis zum 1. Mai 1948 mit einem Pauschalzins von Fr. 5000.-- zurückzahlen sollte. Als Sicherheit gewährte er dem Darleiher namentlich eine Grundpfandverschreibung von Fr. 80'000.-- im 1. Rang auf der erwähnten Parzelle. Das Darlehen wurde dann gegen besondere Verzinsung der Fr. 65'000.-- gestundet, und im Juli 1948 trat an die Stelle der Grundpfandverschreibung ein Schuldbrief von Fr. 70'000.-- im 1. Range, den der Beklagte als Faustpfand erhielt.
B.- Die Forderungen der Bauhandwerker liess Lehner zum grössten Teil unbezahlt. Sie liessen gestützt auf Art. 837 ZGB Pfandrechte für Beträge von Fr. 31'003.70 im Nachgang zum erwähnten Schuldbrief eintragen.
C.- In dem am 27. September 1948 über Lehner eröffneten Konkurse wurde der Beklagte mit seiner faustpfandgesicherten Forderung von Fr. 65'000.-- nebst Zinsen, zusammen Fr. 72'014.55, kolloziert, was unangefochten blieb. Das Grundstück Nr. 275 wurde vom Konkursamt auf Fr. 100'000.-- geschätzt, am 27. Juni 1950 aber für Fr. 73'000.-- versteigert.
D.- Das Konkursamt setzte den Handwerkern gemäss Art. 117 VZG Frist zur Klage nach Art. 841 ZGB. Sieben Handwerker traten ihre Forderungen dem Kläger Stadler ab, der selber als Handwerker Fr. 9352.-- zu fordern hat und nun insgesamt Fr. 34'012.-- geltend machen kann. Die vom Kantonsgericht und vom Obergericht des Kantons Zug abgewiesene, mit vorliegender Berufung erneuerte Klage geht dahin, es sei dem Kläger aus dem Verwertungsbetreffnis des Beklagten ein Betrag von Fr. 34'012.-- auszurichten.
Das Bundesgericht gelangt im Gegensatz zu den kantonalen Gerichten zur Annahme, es sei dem Beklagten im Sinne von Art. 841 ZGB erkennbar gewesen, dass das Grundstück durch die ihm eingeräumte Pfandverschreibung zum Nachteil der Handwerker und Unternehmer belastet wurde, aus folgenden
Erwägungen
Erwägungen:
Die Frage, ob der Beklagte bei Errichtung der Grundpfandverschreibung Ende Oktober 1947 damit habe rechnen müssen, dass diese den Handwerkern und Unternehmern zum Nachteil gereichen könnte, wird vom Obergericht verneint mit Hinweis auf den damaligen Grundbesitz des Bauherrn Lehner, der weit herum als Grossunternehmer bekannt gewesen sei und als kreditwürdig gegolten habe. Der Umstand, dass Lehner mangels flüssiger Mittel einen Kredit gebraucht, sei nicht geeignet gewesen, Bedenken zu erwecken. Solche Illiquidität könne bei grossem Liegenschaftsbesitz eintreten, weil berufsmässige Kreditgeber nur bis zu 65-70% der Bausummen zu kreditieren pflegen. Lehner habe beim Verkaufe von Bauten und Bauplätzen mit dem Freiwerden von Fr. 140'000.-- rechnen können, wie er selber bezeuge. Es sei glaubwürdig, dass der Beklagte zu ihm volles Vertrauen gehabt habe, wie denn auch Andere Lehner für kreditwürdig gehalten hätten. Mit der Aussage, er habe Lehner als Bauspekulanten betrachtet und sei daher vorsichtig gewesen, habe der Beklagte bei seiner Einvernahme nur auf dessen Geldanlagen in den Bauten angespielt. Auch aus der Äusserung des Beklagten, er habe gewusst, dass die Grundpfandverschreibung von Fr. 80'000.-- seinen Kredit nicht sicherstelle, dürfe nicht gefolgert werden, es sei ihm erkennbar gewesen, dass die Bauhandwerker dadurch geschädigt werden könnten. Der Baukredit übersteige immer den Bodenwert, sonst wäre er ja gar nicht dazu tauglich, das Bauen zu ermöglichen.
Diese Erwägungen gehen im wesentlichen dahin, der Beklagte habe annehmen dürfen, Lehner sei vermöglich, bedürfe des Darlehens nur, weil er zur Zeit nicht über flüssige Mittel verfüge, und werde die Bauhandwerker bezahlen. Daher sei ihm nicht erkennbar gewesen, dass die Belastung des im Bau befindlichen Einfamilienhauses zu seinen Gunsten den Handwerkern zum Nachteil gereiche. Diese Betrachtungsweise setzt voraus, dass die Belastung des Baugrundstückes über den Bodenwert hinaus den Bauhandwerkern nicht im Sinne von Art. 841 ZGB nachteilig sei, wenn bei Errichtung der vorgehenden Pfandrechte genug (nur nicht flüssiges) Vermögen des Bauherrn vorhanden wäre, um die Bauhandwerker zu befriedigen, so dass diese nicht auf den Bauwert greifen müssten. Das widerspricht jedoch dem Grundgedanken des Bauhandwerkerpfandrechtes. Danach sind die Werte, die im erbauten Werke liegen, den Handwerkern und Unternehmern, die sie geschaffen haben, zu ihrer Sicherheit bis zu ihrer Befriedigung durch den Bauherrn vorbehalten (BGE 43 II 611). Ihr Recht auf Eintrag besteht denn auch ganz ohne Rücksicht auf die Vermögensverhältnisse des Bauherrn, und zwar schon vom Tage an, da sie sich zur Bauleistung verpflichtet haben (Art. 839 ZGB). Das Gesetz bietet ihnen dingliche Sicherheit an den von ihnen geschaffenen Werten. Sie sollen sich daraus befriedigen können, was auch immer eintreten möge, also auch bei unerwartetem Vermögenszerfalle des Bauherrn nach Eintrag anderer Pfandrechte auf dem Baugrundstück (BGE 76 II 141). Wer ihnen diese Werte kraft eines vertraglich eingeräumten Pfandrechtes vorwegnimmt, kann sich, wenn die Bauhandwerker zu Verlust kommen, nicht darauf berufen, es sei ihm nicht erkennbar gewesen, dass jene die ihnen vom Gesetze zugedachte Pfandsicherheit am Bauwerte jemals nötig haben werden. An und für sich verringert jede vorgehende Belastung des Baugrundstückes über den Bodenwert hinaus die den Handwerkern und Unternehmern gesetzlich vorbehaltene Sicherheit, es wäre denn, dass ein Teil des Grundstückswertes unbelegt bliebe, und zwar soviel, als zur Sicherung der Bauforderungen genügt (indem keine höhern Bauforderungen mehr ausstehen). Nur unter besondern Voraussetzungen kann ein Pfandgläubiger, der sich erkennbar den den Bodenwert übersteigenden Bauwert verpfänden liess, die Handwerker und Unternehmer auf anderes Vermögen des Bauherrn verweisen. Es müsste sich um eine ausreichende dingliche Sicherheit anderer Art handeln, womit das Grundpfand am gebauten Werk entbehrlich geworden wäre. Fehlt es an solcher Ersatzsicherheit, so hat, wer sich den Bauwert vorgängig verpfänden lässt, dafür zu sorgen, dass der von ihm dafür zur Verfügung gestellte Geldbetrag, für den er selbst eben diese dingliche Sicherheit vorwegnimmt, den Bauhandwerkern zugewendet werde.
Gegenüber der vorliegenden Klage aus Art. 841 ZGB ist keine solche Einwendung begründet. Weder waren die Handwerker bezahlt (die meisten Arbeiten, aus denen die vom Kläger vertretenen Forderungen hergeleitet werden, waren noch gar nicht geleistet), noch waren sie sonstwie sichergestellt. Dabei war dem Beklagten bewusst, dass sein Pfandrecht den erst noch zu schaffenden Bauwert belegte. Wie wenig er sich übrigens auf die persönliche Kreditwürdigkeit Lehners verliess, geht daraus hervor, dass er sich noch zwei Schuldbriefe auf andern Grundstücken als zusätzliche Sicherheit geben und bis zum 1. Mai 1948 einen Pauschalzins von Fr. 5000.-- (das sind 16 2/3% für eine Jahresdauer) versprechen liess, was nur bei einem eigentlichen Risikogeschäft nicht als wucherisch bezeichnet zu werden verdient. Bei dieser Sachlage hatte er allen Grund, darüber zu wachen, dass der von ihm gewährte Kredit zur Bezahlung der Bauhandwerker und Unternehmer beim Einfamilienhaus in Steinhausen verwendet werde. Er behauptet gar nicht, in diesem Sinn etwas vorgekehrt zu haben. Und Lehner, der zugibt, mit dem vom Beklagten erhaltenen Gelde Löhne und Material für andere Bauten bezahlt zu haben, erklärt, der Beklagte habe sich um die Verwendung des Baukredites nie interessiert. Offen fügt er bei, er hätte das Geld von der Bank billiger bekommen, habe es aber lieber von Hofmann genommen, um einer Kontrolle über die Verwendung der Summe zu entgehen.
Die Klage ist somit zu schützen, soweit ein dem Zugriff nach Art. 841 ZGB unterliegendes Verwertungsergebnis vorliegt... | de | Bauhandwerkerpfandrecht. Klage gegen den vorgehenden Pfandgläubiger gemäss Art. 841 ZGB, 117 VZG.
Wann ist eine den Handwerkern und Unternehmern zum Nachteil gereichende Belastung des Grundstücks erkennbar? | de | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-22%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
289 | 80 II 22 | Sachverhalt ab Seite 22
Aus dem Tatbestand:
A.- Bauunternehmer Lehner, der schon eine Anzahl Bauten in mehreren Kantonen ausgeführt hatte, begann im Jahre 1947 mit der Errichtung von Häusern in Steinhausen. Darunter befand sich ein auf Parzelle Nr. 275 geplantes Einfamilienhaus. Im Oktober 1947 nahm er beim Beklagten Hofmann ein Darlehen von Fr. 60'000.-- auf, das er bis zum 1. Mai 1948 mit einem Pauschalzins von Fr. 5000.-- zurückzahlen sollte. Als Sicherheit gewährte er dem Darleiher namentlich eine Grundpfandverschreibung von Fr. 80'000.-- im 1. Rang auf der erwähnten Parzelle. Das Darlehen wurde dann gegen besondere Verzinsung der Fr. 65'000.-- gestundet, und im Juli 1948 trat an die Stelle der Grundpfandverschreibung ein Schuldbrief von Fr. 70'000.-- im 1. Range, den der Beklagte als Faustpfand erhielt.
B.- Die Forderungen der Bauhandwerker liess Lehner zum grössten Teil unbezahlt. Sie liessen gestützt auf Art. 837 ZGB Pfandrechte für Beträge von Fr. 31'003.70 im Nachgang zum erwähnten Schuldbrief eintragen.
C.- In dem am 27. September 1948 über Lehner eröffneten Konkurse wurde der Beklagte mit seiner faustpfandgesicherten Forderung von Fr. 65'000.-- nebst Zinsen, zusammen Fr. 72'014.55, kolloziert, was unangefochten blieb. Das Grundstück Nr. 275 wurde vom Konkursamt auf Fr. 100'000.-- geschätzt, am 27. Juni 1950 aber für Fr. 73'000.-- versteigert.
D.- Das Konkursamt setzte den Handwerkern gemäss Art. 117 VZG Frist zur Klage nach Art. 841 ZGB. Sieben Handwerker traten ihre Forderungen dem Kläger Stadler ab, der selber als Handwerker Fr. 9352.-- zu fordern hat und nun insgesamt Fr. 34'012.-- geltend machen kann. Die vom Kantonsgericht und vom Obergericht des Kantons Zug abgewiesene, mit vorliegender Berufung erneuerte Klage geht dahin, es sei dem Kläger aus dem Verwertungsbetreffnis des Beklagten ein Betrag von Fr. 34'012.-- auszurichten.
Das Bundesgericht gelangt im Gegensatz zu den kantonalen Gerichten zur Annahme, es sei dem Beklagten im Sinne von Art. 841 ZGB erkennbar gewesen, dass das Grundstück durch die ihm eingeräumte Pfandverschreibung zum Nachteil der Handwerker und Unternehmer belastet wurde, aus folgenden
Erwägungen
Erwägungen:
Die Frage, ob der Beklagte bei Errichtung der Grundpfandverschreibung Ende Oktober 1947 damit habe rechnen müssen, dass diese den Handwerkern und Unternehmern zum Nachteil gereichen könnte, wird vom Obergericht verneint mit Hinweis auf den damaligen Grundbesitz des Bauherrn Lehner, der weit herum als Grossunternehmer bekannt gewesen sei und als kreditwürdig gegolten habe. Der Umstand, dass Lehner mangels flüssiger Mittel einen Kredit gebraucht, sei nicht geeignet gewesen, Bedenken zu erwecken. Solche Illiquidität könne bei grossem Liegenschaftsbesitz eintreten, weil berufsmässige Kreditgeber nur bis zu 65-70% der Bausummen zu kreditieren pflegen. Lehner habe beim Verkaufe von Bauten und Bauplätzen mit dem Freiwerden von Fr. 140'000.-- rechnen können, wie er selber bezeuge. Es sei glaubwürdig, dass der Beklagte zu ihm volles Vertrauen gehabt habe, wie denn auch Andere Lehner für kreditwürdig gehalten hätten. Mit der Aussage, er habe Lehner als Bauspekulanten betrachtet und sei daher vorsichtig gewesen, habe der Beklagte bei seiner Einvernahme nur auf dessen Geldanlagen in den Bauten angespielt. Auch aus der Äusserung des Beklagten, er habe gewusst, dass die Grundpfandverschreibung von Fr. 80'000.-- seinen Kredit nicht sicherstelle, dürfe nicht gefolgert werden, es sei ihm erkennbar gewesen, dass die Bauhandwerker dadurch geschädigt werden könnten. Der Baukredit übersteige immer den Bodenwert, sonst wäre er ja gar nicht dazu tauglich, das Bauen zu ermöglichen.
Diese Erwägungen gehen im wesentlichen dahin, der Beklagte habe annehmen dürfen, Lehner sei vermöglich, bedürfe des Darlehens nur, weil er zur Zeit nicht über flüssige Mittel verfüge, und werde die Bauhandwerker bezahlen. Daher sei ihm nicht erkennbar gewesen, dass die Belastung des im Bau befindlichen Einfamilienhauses zu seinen Gunsten den Handwerkern zum Nachteil gereiche. Diese Betrachtungsweise setzt voraus, dass die Belastung des Baugrundstückes über den Bodenwert hinaus den Bauhandwerkern nicht im Sinne von Art. 841 ZGB nachteilig sei, wenn bei Errichtung der vorgehenden Pfandrechte genug (nur nicht flüssiges) Vermögen des Bauherrn vorhanden wäre, um die Bauhandwerker zu befriedigen, so dass diese nicht auf den Bauwert greifen müssten. Das widerspricht jedoch dem Grundgedanken des Bauhandwerkerpfandrechtes. Danach sind die Werte, die im erbauten Werke liegen, den Handwerkern und Unternehmern, die sie geschaffen haben, zu ihrer Sicherheit bis zu ihrer Befriedigung durch den Bauherrn vorbehalten (BGE 43 II 611). Ihr Recht auf Eintrag besteht denn auch ganz ohne Rücksicht auf die Vermögensverhältnisse des Bauherrn, und zwar schon vom Tage an, da sie sich zur Bauleistung verpflichtet haben (Art. 839 ZGB). Das Gesetz bietet ihnen dingliche Sicherheit an den von ihnen geschaffenen Werten. Sie sollen sich daraus befriedigen können, was auch immer eintreten möge, also auch bei unerwartetem Vermögenszerfalle des Bauherrn nach Eintrag anderer Pfandrechte auf dem Baugrundstück (BGE 76 II 141). Wer ihnen diese Werte kraft eines vertraglich eingeräumten Pfandrechtes vorwegnimmt, kann sich, wenn die Bauhandwerker zu Verlust kommen, nicht darauf berufen, es sei ihm nicht erkennbar gewesen, dass jene die ihnen vom Gesetze zugedachte Pfandsicherheit am Bauwerte jemals nötig haben werden. An und für sich verringert jede vorgehende Belastung des Baugrundstückes über den Bodenwert hinaus die den Handwerkern und Unternehmern gesetzlich vorbehaltene Sicherheit, es wäre denn, dass ein Teil des Grundstückswertes unbelegt bliebe, und zwar soviel, als zur Sicherung der Bauforderungen genügt (indem keine höhern Bauforderungen mehr ausstehen). Nur unter besondern Voraussetzungen kann ein Pfandgläubiger, der sich erkennbar den den Bodenwert übersteigenden Bauwert verpfänden liess, die Handwerker und Unternehmer auf anderes Vermögen des Bauherrn verweisen. Es müsste sich um eine ausreichende dingliche Sicherheit anderer Art handeln, womit das Grundpfand am gebauten Werk entbehrlich geworden wäre. Fehlt es an solcher Ersatzsicherheit, so hat, wer sich den Bauwert vorgängig verpfänden lässt, dafür zu sorgen, dass der von ihm dafür zur Verfügung gestellte Geldbetrag, für den er selbst eben diese dingliche Sicherheit vorwegnimmt, den Bauhandwerkern zugewendet werde.
Gegenüber der vorliegenden Klage aus Art. 841 ZGB ist keine solche Einwendung begründet. Weder waren die Handwerker bezahlt (die meisten Arbeiten, aus denen die vom Kläger vertretenen Forderungen hergeleitet werden, waren noch gar nicht geleistet), noch waren sie sonstwie sichergestellt. Dabei war dem Beklagten bewusst, dass sein Pfandrecht den erst noch zu schaffenden Bauwert belegte. Wie wenig er sich übrigens auf die persönliche Kreditwürdigkeit Lehners verliess, geht daraus hervor, dass er sich noch zwei Schuldbriefe auf andern Grundstücken als zusätzliche Sicherheit geben und bis zum 1. Mai 1948 einen Pauschalzins von Fr. 5000.-- (das sind 16 2/3% für eine Jahresdauer) versprechen liess, was nur bei einem eigentlichen Risikogeschäft nicht als wucherisch bezeichnet zu werden verdient. Bei dieser Sachlage hatte er allen Grund, darüber zu wachen, dass der von ihm gewährte Kredit zur Bezahlung der Bauhandwerker und Unternehmer beim Einfamilienhaus in Steinhausen verwendet werde. Er behauptet gar nicht, in diesem Sinn etwas vorgekehrt zu haben. Und Lehner, der zugibt, mit dem vom Beklagten erhaltenen Gelde Löhne und Material für andere Bauten bezahlt zu haben, erklärt, der Beklagte habe sich um die Verwendung des Baukredites nie interessiert. Offen fügt er bei, er hätte das Geld von der Bank billiger bekommen, habe es aber lieber von Hofmann genommen, um einer Kontrolle über die Verwendung der Summe zu entgehen.
Die Klage ist somit zu schützen, soweit ein dem Zugriff nach Art. 841 ZGB unterliegendes Verwertungsergebnis vorliegt... | de | Hypothèque légale de l'entrepreneur. Action dirigée contre les créanciers hypothécaires de rang antérieur selon les art. 841 CC et 117 ORI.
Quand peut-on reconnaître que la constitution d'hypothèques portera préjudice aux artisans et entrepreneurs? | fr | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-22%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
290 | 80 II 22 | Sachverhalt ab Seite 22
Aus dem Tatbestand:
A.- Bauunternehmer Lehner, der schon eine Anzahl Bauten in mehreren Kantonen ausgeführt hatte, begann im Jahre 1947 mit der Errichtung von Häusern in Steinhausen. Darunter befand sich ein auf Parzelle Nr. 275 geplantes Einfamilienhaus. Im Oktober 1947 nahm er beim Beklagten Hofmann ein Darlehen von Fr. 60'000.-- auf, das er bis zum 1. Mai 1948 mit einem Pauschalzins von Fr. 5000.-- zurückzahlen sollte. Als Sicherheit gewährte er dem Darleiher namentlich eine Grundpfandverschreibung von Fr. 80'000.-- im 1. Rang auf der erwähnten Parzelle. Das Darlehen wurde dann gegen besondere Verzinsung der Fr. 65'000.-- gestundet, und im Juli 1948 trat an die Stelle der Grundpfandverschreibung ein Schuldbrief von Fr. 70'000.-- im 1. Range, den der Beklagte als Faustpfand erhielt.
B.- Die Forderungen der Bauhandwerker liess Lehner zum grössten Teil unbezahlt. Sie liessen gestützt auf Art. 837 ZGB Pfandrechte für Beträge von Fr. 31'003.70 im Nachgang zum erwähnten Schuldbrief eintragen.
C.- In dem am 27. September 1948 über Lehner eröffneten Konkurse wurde der Beklagte mit seiner faustpfandgesicherten Forderung von Fr. 65'000.-- nebst Zinsen, zusammen Fr. 72'014.55, kolloziert, was unangefochten blieb. Das Grundstück Nr. 275 wurde vom Konkursamt auf Fr. 100'000.-- geschätzt, am 27. Juni 1950 aber für Fr. 73'000.-- versteigert.
D.- Das Konkursamt setzte den Handwerkern gemäss Art. 117 VZG Frist zur Klage nach Art. 841 ZGB. Sieben Handwerker traten ihre Forderungen dem Kläger Stadler ab, der selber als Handwerker Fr. 9352.-- zu fordern hat und nun insgesamt Fr. 34'012.-- geltend machen kann. Die vom Kantonsgericht und vom Obergericht des Kantons Zug abgewiesene, mit vorliegender Berufung erneuerte Klage geht dahin, es sei dem Kläger aus dem Verwertungsbetreffnis des Beklagten ein Betrag von Fr. 34'012.-- auszurichten.
Das Bundesgericht gelangt im Gegensatz zu den kantonalen Gerichten zur Annahme, es sei dem Beklagten im Sinne von Art. 841 ZGB erkennbar gewesen, dass das Grundstück durch die ihm eingeräumte Pfandverschreibung zum Nachteil der Handwerker und Unternehmer belastet wurde, aus folgenden
Erwägungen
Erwägungen:
Die Frage, ob der Beklagte bei Errichtung der Grundpfandverschreibung Ende Oktober 1947 damit habe rechnen müssen, dass diese den Handwerkern und Unternehmern zum Nachteil gereichen könnte, wird vom Obergericht verneint mit Hinweis auf den damaligen Grundbesitz des Bauherrn Lehner, der weit herum als Grossunternehmer bekannt gewesen sei und als kreditwürdig gegolten habe. Der Umstand, dass Lehner mangels flüssiger Mittel einen Kredit gebraucht, sei nicht geeignet gewesen, Bedenken zu erwecken. Solche Illiquidität könne bei grossem Liegenschaftsbesitz eintreten, weil berufsmässige Kreditgeber nur bis zu 65-70% der Bausummen zu kreditieren pflegen. Lehner habe beim Verkaufe von Bauten und Bauplätzen mit dem Freiwerden von Fr. 140'000.-- rechnen können, wie er selber bezeuge. Es sei glaubwürdig, dass der Beklagte zu ihm volles Vertrauen gehabt habe, wie denn auch Andere Lehner für kreditwürdig gehalten hätten. Mit der Aussage, er habe Lehner als Bauspekulanten betrachtet und sei daher vorsichtig gewesen, habe der Beklagte bei seiner Einvernahme nur auf dessen Geldanlagen in den Bauten angespielt. Auch aus der Äusserung des Beklagten, er habe gewusst, dass die Grundpfandverschreibung von Fr. 80'000.-- seinen Kredit nicht sicherstelle, dürfe nicht gefolgert werden, es sei ihm erkennbar gewesen, dass die Bauhandwerker dadurch geschädigt werden könnten. Der Baukredit übersteige immer den Bodenwert, sonst wäre er ja gar nicht dazu tauglich, das Bauen zu ermöglichen.
Diese Erwägungen gehen im wesentlichen dahin, der Beklagte habe annehmen dürfen, Lehner sei vermöglich, bedürfe des Darlehens nur, weil er zur Zeit nicht über flüssige Mittel verfüge, und werde die Bauhandwerker bezahlen. Daher sei ihm nicht erkennbar gewesen, dass die Belastung des im Bau befindlichen Einfamilienhauses zu seinen Gunsten den Handwerkern zum Nachteil gereiche. Diese Betrachtungsweise setzt voraus, dass die Belastung des Baugrundstückes über den Bodenwert hinaus den Bauhandwerkern nicht im Sinne von Art. 841 ZGB nachteilig sei, wenn bei Errichtung der vorgehenden Pfandrechte genug (nur nicht flüssiges) Vermögen des Bauherrn vorhanden wäre, um die Bauhandwerker zu befriedigen, so dass diese nicht auf den Bauwert greifen müssten. Das widerspricht jedoch dem Grundgedanken des Bauhandwerkerpfandrechtes. Danach sind die Werte, die im erbauten Werke liegen, den Handwerkern und Unternehmern, die sie geschaffen haben, zu ihrer Sicherheit bis zu ihrer Befriedigung durch den Bauherrn vorbehalten (BGE 43 II 611). Ihr Recht auf Eintrag besteht denn auch ganz ohne Rücksicht auf die Vermögensverhältnisse des Bauherrn, und zwar schon vom Tage an, da sie sich zur Bauleistung verpflichtet haben (Art. 839 ZGB). Das Gesetz bietet ihnen dingliche Sicherheit an den von ihnen geschaffenen Werten. Sie sollen sich daraus befriedigen können, was auch immer eintreten möge, also auch bei unerwartetem Vermögenszerfalle des Bauherrn nach Eintrag anderer Pfandrechte auf dem Baugrundstück (BGE 76 II 141). Wer ihnen diese Werte kraft eines vertraglich eingeräumten Pfandrechtes vorwegnimmt, kann sich, wenn die Bauhandwerker zu Verlust kommen, nicht darauf berufen, es sei ihm nicht erkennbar gewesen, dass jene die ihnen vom Gesetze zugedachte Pfandsicherheit am Bauwerte jemals nötig haben werden. An und für sich verringert jede vorgehende Belastung des Baugrundstückes über den Bodenwert hinaus die den Handwerkern und Unternehmern gesetzlich vorbehaltene Sicherheit, es wäre denn, dass ein Teil des Grundstückswertes unbelegt bliebe, und zwar soviel, als zur Sicherung der Bauforderungen genügt (indem keine höhern Bauforderungen mehr ausstehen). Nur unter besondern Voraussetzungen kann ein Pfandgläubiger, der sich erkennbar den den Bodenwert übersteigenden Bauwert verpfänden liess, die Handwerker und Unternehmer auf anderes Vermögen des Bauherrn verweisen. Es müsste sich um eine ausreichende dingliche Sicherheit anderer Art handeln, womit das Grundpfand am gebauten Werk entbehrlich geworden wäre. Fehlt es an solcher Ersatzsicherheit, so hat, wer sich den Bauwert vorgängig verpfänden lässt, dafür zu sorgen, dass der von ihm dafür zur Verfügung gestellte Geldbetrag, für den er selbst eben diese dingliche Sicherheit vorwegnimmt, den Bauhandwerkern zugewendet werde.
Gegenüber der vorliegenden Klage aus Art. 841 ZGB ist keine solche Einwendung begründet. Weder waren die Handwerker bezahlt (die meisten Arbeiten, aus denen die vom Kläger vertretenen Forderungen hergeleitet werden, waren noch gar nicht geleistet), noch waren sie sonstwie sichergestellt. Dabei war dem Beklagten bewusst, dass sein Pfandrecht den erst noch zu schaffenden Bauwert belegte. Wie wenig er sich übrigens auf die persönliche Kreditwürdigkeit Lehners verliess, geht daraus hervor, dass er sich noch zwei Schuldbriefe auf andern Grundstücken als zusätzliche Sicherheit geben und bis zum 1. Mai 1948 einen Pauschalzins von Fr. 5000.-- (das sind 16 2/3% für eine Jahresdauer) versprechen liess, was nur bei einem eigentlichen Risikogeschäft nicht als wucherisch bezeichnet zu werden verdient. Bei dieser Sachlage hatte er allen Grund, darüber zu wachen, dass der von ihm gewährte Kredit zur Bezahlung der Bauhandwerker und Unternehmer beim Einfamilienhaus in Steinhausen verwendet werde. Er behauptet gar nicht, in diesem Sinn etwas vorgekehrt zu haben. Und Lehner, der zugibt, mit dem vom Beklagten erhaltenen Gelde Löhne und Material für andere Bauten bezahlt zu haben, erklärt, der Beklagte habe sich um die Verwendung des Baukredites nie interessiert. Offen fügt er bei, er hätte das Geld von der Bank billiger bekommen, habe es aber lieber von Hofmann genommen, um einer Kontrolle über die Verwendung der Summe zu entgehen.
Die Klage ist somit zu schützen, soweit ein dem Zugriff nach Art. 841 ZGB unterliegendes Verwertungsergebnis vorliegt... | de | Ipoteca legale dell'imprenditore. Azione promossa contre i creditori ipotecari di grado anteriore secondo gli art. 841 CC e 117 RRF.
Quando è riconoscibile che la costituzione d'ipoteche sarà di pregiudizio agli operai ed imprenditori? | it | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-22%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
291 | 80 II 228 | Sachverhalt ab Seite 228
A.- Über Franz Keller in Bauma, der ein Baugeschäft betrieben hatte, ist der Konkurs eröffnet worden. Vorher, in den Jahren 1945-1951, hatte der Gemeinschuldner wiederholt seine Liegenschaft in Bauma der heutigen Klägerin, der Spar- und Leihkasse des Bezirkes Pfäffikon, für Konto korrentkredite verpfändet. Bei den Krediterhöhungen hatte er eine Anzahl von Maschinen und Geräten, die er für seinen Betrieb verwendete (Betonmischer, Kleinkran, Bauaufzug, Kompressor u.s.w.), als Zugehör zu der Liegenschaft im Grundbuch anmerken lassen. Diese Liegenschaft besteht aus einem Wohnhaus, in dem der Gemeinschuldner ein Bureau für kaufmännische und technische Arbeiten eingerichtet hatte, aus einem Garten, offenen und gedeckten Lagerplätzen und zwei Magazingebäuden. Hier wurden jeweilen Baumaschinen, -geräte und -materialien aufbewahrt, solange sie nicht auf den Baustellen verwendet wurden.
B.- Im Konkurse beanspruchte die Klägerin für ihre Darlehensforderung das Pfandrecht an der Liegenschaft und an den Gegenständen, die im Grundbuch als Zugehör angemerkt worden sind. Das Konkursamt Bauma als Konkursverwaltung wies jedoch den Anspruch auf das Pfandrecht an den erwähnten als Zugehör bezeichneten Gegenständen ab; es bestritt, dass diese als Zugehör zur Liegenschaft zu betrachten seien. Die Spar- und Leihkasse Pfäffikon erhob infolgedessen gegen die Konkursmasse Klage auf Anerkennung des bestrittenen Pfandrechts.
C.- Die II. Zivilkammer des Obergerichtes des Kantons Zürich wies die Klage durch Urteil vom 1. Juni 1954 ab.
D.- Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die Berufung erklärt mit dem Antrag, es sei aufzuheben und die Klage gutzuheissen.
E.- Die Beklagte hat Abweisung der Berufung und Bestätigung des obergerichtlichen Urteils beantragt.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
...
3. Dass der Entscheid der Vorinstanz Art. 805 ZGB verletze, wie die Klägerin geltend macht, ist offensichtlich unrichtig. Diese Gesetzesvorschrift bestimmt nicht allgemein, unter welchen Voraussetzungen Sachen als Zugehör zu einem Grundstück zu betrachten sind. In dieser Beziehung schreibt Art. 805 in Abs. 2 lediglich vor, dass solche Sachen, die bei der Verpfändung als Zugehör ausdrücklich angeführt und im Grundbuch angemerkt werden, als Zugehör gelten, solange nicht dargetan ist, dass ihnen diese Eigenschaft nach Vorschrift des Gesetzes nicht zukommen kann. Die Vorinstanz hat nun nicht übersehen, dass die Gegenstände, auf die sich das streitige Pfandrecht bezieht, insgesamt oder teilweise bei der Verpfändung als Zugehör bezeichnet und im Grundbuch angemerkt worden sind. Aber sie hat geprüft, ob bewiesen sei, dass ihnen diese Eigenschaft nach Art. 644/5 ZGB nicht zukommen könne, und damit getan, was Art. 805 Abs. 2 ZGB vorsieht.
4. Es kann sich somit nur fragen, ob, wie die Klägerin weiter behauptet, nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz die streitigen Pfandgegenstände dauernd für die Bewirtschaftung oder Benützung des Grundstücks des Gemeinschuldners bestimmt und zu diesem durch Verbindung, Anpassung oder auf andere Weise in die Beziehung gebracht sind, in der sie ihm zu dienen haben (Art. 644, Abs. 2 ZGB). Der Zweck der Verwahrung der Hauptsache kommt hier nicht in Frage, da das Grundstück im Gegenteil zur Verwahrung der streitigen Gegenstände dient. Anderseits ist unbestritten, dass die weitere Voraussetzung der Zugehör im Sinne des Art. 644 Abs. 2 ZGB, die Widmung durch den klaren Willen des Eigentümers der Hauptsache, vorliegt.
Wörtlich genommen, fehlt offenbar die wirtschaftliche Zweckbeziehung der als Pfand beanspruchten Gerätschaften und Materialien zum Grundstück des Gemeinschuldners; denn sie dienen nicht zu dessen Bewirtschaftung, sondern für ein Bauunternehmen und zwar für Bauarbeiten, die nicht auf dem Grundstück des Gemeinschuldners vor sich gehen. Lediglich der Sitz und das Bureau der Unternehmung befinden sich hier. Indem die Klägerin Gewicht darauf legt, dass die streitigen Gegenstände dem Baubetrieb des Gemeinschuldners dienten, nimmt sie den irrtümlichen Standpunkt ein, dass Art. 644 ZGB sich auch auf die sog. Unternehmenszugehör beziehe. Diese ist freilich dem schweizerischen Rechte nicht völlig fremd, wird aber von ihm nur in gewissen Fällen auf Grund von Sondernormen anerkannt (vgl. Art. 676 Abs. 1 ZGB, Art. 9 f. BG über Verpfändung und Zwangsliquidationen von Eisenbahnen und Schiffahrtsunternehmungen vom 25. September 1971).
Wohl herrscht in Lehre und Rechtsprechung die Auffassung, der Begriff der Zugehör im Sinne des Art. 644 ZGB solle nicht zu eng umschrieben werden, da das Gesetz den Zweck verfolge, die in gewerblichen und industriellen Betriebseinrichtungen festgelegten erheblichen Vermögenswerte auf dem Wege der hypothekarischen Verpfändung ohne Gebrauchsentfremdung der Kreditwirtschaft des Eigentümers nutzbar zu machen. Danach ist es z.B. nicht erforderlich, dass die Hauptsache für sich allein, ohne die Zugehör, überhaupt nicht verwendet werden könne oder dass die Zugehör der Hauptsache als Ganzes und in allen ihren Benützungsarten diene (BGE 45 II S. 190; HAAB, Komm. z. ZGB Art. 644/5 N. 1,9). Aber unter allem Umständen können doch nur solche Sachen als Zugehör gelten, die für die Bewirtschaftung oder Benützung oder Verwahrung der Hauptsache oder für die auf ihr selbst sich abspielende gewerbliche oder industrielle Tätigkeit nötig oder dienlich sind; denn nur unter dieser Voraussetzung besteht eine Beziehung zur Eigenart der Hauptsache, die von Art. 645 ZGB gefordert wird, wie die Vorinstanz hervorgehoben hat (vgl. HAAB a.a.O. Art. 644/5 N. 9). Sachen, die bloss wechselseitig mit einem Grundstück zusammen einem Gewerbebetrieb dienen, aber nicht zur Verwendung auf dem Grundstück oder für dieses selbst bestimmt sind, sind nicht seine Zugehör (LEEMANN, Komm. z. ZGB, 2. Aufl., Art. 644/5 N. 8). In den Fällen, wo die Rechtsprechung für einen Gewerbebetrieb dienende Sachen als Zugehör zu einer Liegenschaft im Sinne des Art. 644 ZGB betrachtet hat, handelte es sich denn auch um solche Sachen, die gerade dazu bestimmt waren, die auf der Liegenschaft selbst vor sich gehende Tätigkeit zu ermöglichen oder sie zweckmässig durchzuführen oder zu ergänzen, so im Fall des Hotelmobiliars (BGE 43 II S. 599 f.), der für eine Maschinenfabrik bestimmten Maschinen (BGE 45 II S. 181 ff.), der zu einer chemischen Fabrik gehörigen Kesseleisenbahnwagen (BGE 54 II S. 115 ff.), der für eine Weinhandlung dienenden Keltereieinrichtungen (BGE 56 II S. 185 f.), der für ein Säge- und Hobelwerk bestimmten Wagen (Urteil des sol. Obergerichts vom 26. Mai 1931, Zeitschr. f. Beurkundungs- und Grundbuchrecht 16 S. 215). In keinem dieser Fälle hatte man es mit einer Liegenschaft zu tun, auf der lediglich die Leitung des Unternehmens stattfand, die hiefür nötige Bureauarbeit vor sich ging; sondern die Liegenschaft "verkörperte" in allen Fällen den Unternehmensbetrieb, wie sich die Vorinstanz ausdrückt, und die als Zugehör bezeichneten Sachen wurden mindestens zu bestimmten Zeiten auf der Liegenschaft für den Betrieb benützt oder standen doch dort dafür zur Verfügung.
5. Freilich würde eine weitergehende Umschreibung des Zugehörbegriffs, wie sie die Klägerin vertritt, dem Kreditbedürfnis der Betriebsinhaber dienen. Aber anderseits sind die Interessen der Kreditgeber oder Dritter zu beachten. Grundsätzlich soll die Verpfändung von Fahrnis äusserlich sichtbar werden durch den Entzug des Besitzes (Art. 884 ZGB). Die gleiche Erkennbarkeit wird von Art. 644/5 in Verbindung mit Art. 805 ZGB für das Grundpfandrecht an der Zugehör insofern gefordert, als der wirtschaftliche und räumliche Zusammenhang zwischen Hauptsache und Zugehör äusserlich sichtbar sein muss. Wenn bewegliche Sachen, die einem auf einer Liegenschaft betriebenen Gewerbe dienen, mit dem Grundstück verpfändet werden sollen, muss deshalb die Dienstleistung sich gerade auf diejenige gewerbliche Tätigkeit beziehen, die auf diesem Grundstück selbst vor sich geht, von diesem "verkörpert" wird. Sonst würde ein Einbruch in den Grundsatz der Sichtbarkeit der Verpfändung vorliegen, und es wäre nicht leicht, praktisch untragbare Folgen durch Aufstellung weiterer, einfacher und klarer Merkmale zu vermeiden. Die Klägerin macht ja unter Berufung auf HAAB, Kommentar z. Sachenrecht, Einleitung N. 63, und OFTINGER, Kommentar z. Sachenrecht, 2. Aufl., Art. 884 N. 198, selbst geltend, das schweizerische Sachenrecht beruhe auf dem Publizitätsprinzip, d.h. auf dem Streben nach äusserer Erkennbarkeit der dinglichen Rechte. Dem entspricht es nicht, das Grundpfandrecht ausser an einer Liegenschaft auch an der darauf befindlichen Fahrnis zuzulassen, wenn diese zwar der auf der Liegenschaft betriebenen industriellen oder gewerblichen Unternehmung dient, aber nicht speziell demjenigen Teil des Unternehmens, der auf der Liegenschaft selbst vor sich geht. Wer einer Baufirma Kredit gibt, die Eigentümerin einer Liegenschaft ist und dort ihr Bureau hat, soll sich darauf verlassen dürfen, dass die auf der Liegenschaft befindlichen Baugerätschaften, die für anderswo vor sich gehende Bauarbeiten verwendet werden, nicht den Grundpfandgläubigern pfandrechtlich haften.
Für die Annahme des Gegenteils beruft sich die Klägerin zu Unrecht auf HAAB, a.a.O. Art. 644/5 N. 8, 9, 11. Die hier in N. 10 und 11 angeführten Beispiele von Zugehör zu einer Industrie- oder Gewerbeliegenschaft zeigen, dass der Verfasser Sachen im Auge hat, die der auf der Liegenschaft selbst durchgeführten Betriebstätigkeit dienen und dort verwendet werden oder hiefür zur Verfügung stehen, wenn auch ihr ordentlicher Standort sich ausserhalb der Liegenschaft selbst befinden kann. Bei dem dabei zitierten Entscheid des deutschen Reichsgerichts (Reichsger. in Zivils. 47 S. 197 ff.) handelt es sich um Gondeln, die der Eigentümer eines für einen Wirtschaftsbetrieb hergerichteten Grundstücks auf einem hinzugepachteten, benachbarten Teiche hielt, um Gäste in die Wirtschaft zu ziehen und festzuhalten. Das Reichsgericht hebt darin hervor, dass die Gondeln unzweifelhaft der Wirtschaft und damit dem wirtschaftlichen Zwecke des Grundstücks dienten.
6. Im vorliegenden Falle steht nun fest, dass die Bauarbeiten, für deren Durchführung die als Zugehör zu Pfand beanspruchten Sachen verwendet wurden oder zur Verfügung standen, nicht auf dem Grundstück des Gemeinschuldners ausgeführt wurden, die genannten Sachen also nicht speziell dazu bestimmt waren, der auf diesem Grundstück vor sich gehenden Betriebstätigkeit zu dienen, hiebei verwendet zu werden. Lediglich die als Bestandteile anerkannten Gegenstände dienten zur Ausführung gewisser Vorarbeiten auf dem Grundstück. Die Klägerin behauptet nicht einmal, dass einzelne Baumaschinen des Gemeinschuldners wenigstens gelegentlich auch zu Arbeiten an Ort und Stelle gebraucht worden seien. Die streitigen, zu Pfand beanspruchten Baugeräte und -materialien befanden sich somit lediglich zur Aufbewahrung zeitweise auf dem Grundstück des Gemeinschuldners. Deshalb können sie, wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, nach Art. 645 ZGB nicht als seine Zugehör gelten, obwohl das Grundstück teilweise auch dem Bauunternehmen diente. Der Vergleich, den die Klägerin mit den im Keller über den Sommer aufbewahrten Vorfenstern zieht, geht fehl; denn diese werden ja während des Winters im Hause selbst benutzt. Die Klägerin bestreitet, dass die streitigen Gegenstände sich nur zur Aufbewahrung auf dem Grundstück des Gemeinschuldners befunden hätten, indem sie darauf verweist, dass dieser hier kein Lagergeschäft betrieben habe. Dieser Einwand ist unverständlich. Es ist nicht einzusehen, wieso ein Grundeigentümer nicht auch eigene Sachen auf seinem Grundstück verwahren könnte, ohne sie hier für seine Lebensbedürfnisse oder für einen Geschäftsbetrieb zu benutzen. Die Aufbewahrung im Sinne des Art. 645 ZGB setzt keineswegs voraus, dass es sich um einen Hinterlegungsvertrag handle.
Die Vorinstanz hat also mit Recht entschieden, dass die streitigen Gegenstände nicht Zugehör des Grundstückes des Gemeinschuldners seien und daher nicht vom Grundpfandrecht an dieser Liegenschaft erfasst würden.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil der II. Zivilkammer des Obergerichts des Kantons Zürich vom 1. Juni 1954 bestätigt. | de | Grundpfandrecht, Erstreckung auf die Zugehör (Art. 805, 644 /5 ZGB). Nur solche Sachen können als Zugehör gelten, die für die Bewirtschaftung oder Benützung oder Verwahrung der Hauptsache oder für die auf ihr selbst sich abspielende gewerbliche oder industrielle Tätigkeit nötig oder dienlich sind.
Wenn ein Bauunternehmer auf seinem Grundstück, wo sich sein Bureau befindet, Baugerätschaften und -materialien aufbewahrt, die anderswo für Bauarbeiten verwendet werden, so sind diese Sachen nicht Zugehör seines Grundstückes. | de | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-228%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
292 | 80 II 228 | Sachverhalt ab Seite 228
A.- Über Franz Keller in Bauma, der ein Baugeschäft betrieben hatte, ist der Konkurs eröffnet worden. Vorher, in den Jahren 1945-1951, hatte der Gemeinschuldner wiederholt seine Liegenschaft in Bauma der heutigen Klägerin, der Spar- und Leihkasse des Bezirkes Pfäffikon, für Konto korrentkredite verpfändet. Bei den Krediterhöhungen hatte er eine Anzahl von Maschinen und Geräten, die er für seinen Betrieb verwendete (Betonmischer, Kleinkran, Bauaufzug, Kompressor u.s.w.), als Zugehör zu der Liegenschaft im Grundbuch anmerken lassen. Diese Liegenschaft besteht aus einem Wohnhaus, in dem der Gemeinschuldner ein Bureau für kaufmännische und technische Arbeiten eingerichtet hatte, aus einem Garten, offenen und gedeckten Lagerplätzen und zwei Magazingebäuden. Hier wurden jeweilen Baumaschinen, -geräte und -materialien aufbewahrt, solange sie nicht auf den Baustellen verwendet wurden.
B.- Im Konkurse beanspruchte die Klägerin für ihre Darlehensforderung das Pfandrecht an der Liegenschaft und an den Gegenständen, die im Grundbuch als Zugehör angemerkt worden sind. Das Konkursamt Bauma als Konkursverwaltung wies jedoch den Anspruch auf das Pfandrecht an den erwähnten als Zugehör bezeichneten Gegenständen ab; es bestritt, dass diese als Zugehör zur Liegenschaft zu betrachten seien. Die Spar- und Leihkasse Pfäffikon erhob infolgedessen gegen die Konkursmasse Klage auf Anerkennung des bestrittenen Pfandrechts.
C.- Die II. Zivilkammer des Obergerichtes des Kantons Zürich wies die Klage durch Urteil vom 1. Juni 1954 ab.
D.- Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die Berufung erklärt mit dem Antrag, es sei aufzuheben und die Klage gutzuheissen.
E.- Die Beklagte hat Abweisung der Berufung und Bestätigung des obergerichtlichen Urteils beantragt.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
...
3. Dass der Entscheid der Vorinstanz Art. 805 ZGB verletze, wie die Klägerin geltend macht, ist offensichtlich unrichtig. Diese Gesetzesvorschrift bestimmt nicht allgemein, unter welchen Voraussetzungen Sachen als Zugehör zu einem Grundstück zu betrachten sind. In dieser Beziehung schreibt Art. 805 in Abs. 2 lediglich vor, dass solche Sachen, die bei der Verpfändung als Zugehör ausdrücklich angeführt und im Grundbuch angemerkt werden, als Zugehör gelten, solange nicht dargetan ist, dass ihnen diese Eigenschaft nach Vorschrift des Gesetzes nicht zukommen kann. Die Vorinstanz hat nun nicht übersehen, dass die Gegenstände, auf die sich das streitige Pfandrecht bezieht, insgesamt oder teilweise bei der Verpfändung als Zugehör bezeichnet und im Grundbuch angemerkt worden sind. Aber sie hat geprüft, ob bewiesen sei, dass ihnen diese Eigenschaft nach Art. 644/5 ZGB nicht zukommen könne, und damit getan, was Art. 805 Abs. 2 ZGB vorsieht.
4. Es kann sich somit nur fragen, ob, wie die Klägerin weiter behauptet, nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz die streitigen Pfandgegenstände dauernd für die Bewirtschaftung oder Benützung des Grundstücks des Gemeinschuldners bestimmt und zu diesem durch Verbindung, Anpassung oder auf andere Weise in die Beziehung gebracht sind, in der sie ihm zu dienen haben (Art. 644, Abs. 2 ZGB). Der Zweck der Verwahrung der Hauptsache kommt hier nicht in Frage, da das Grundstück im Gegenteil zur Verwahrung der streitigen Gegenstände dient. Anderseits ist unbestritten, dass die weitere Voraussetzung der Zugehör im Sinne des Art. 644 Abs. 2 ZGB, die Widmung durch den klaren Willen des Eigentümers der Hauptsache, vorliegt.
Wörtlich genommen, fehlt offenbar die wirtschaftliche Zweckbeziehung der als Pfand beanspruchten Gerätschaften und Materialien zum Grundstück des Gemeinschuldners; denn sie dienen nicht zu dessen Bewirtschaftung, sondern für ein Bauunternehmen und zwar für Bauarbeiten, die nicht auf dem Grundstück des Gemeinschuldners vor sich gehen. Lediglich der Sitz und das Bureau der Unternehmung befinden sich hier. Indem die Klägerin Gewicht darauf legt, dass die streitigen Gegenstände dem Baubetrieb des Gemeinschuldners dienten, nimmt sie den irrtümlichen Standpunkt ein, dass Art. 644 ZGB sich auch auf die sog. Unternehmenszugehör beziehe. Diese ist freilich dem schweizerischen Rechte nicht völlig fremd, wird aber von ihm nur in gewissen Fällen auf Grund von Sondernormen anerkannt (vgl. Art. 676 Abs. 1 ZGB, Art. 9 f. BG über Verpfändung und Zwangsliquidationen von Eisenbahnen und Schiffahrtsunternehmungen vom 25. September 1971).
Wohl herrscht in Lehre und Rechtsprechung die Auffassung, der Begriff der Zugehör im Sinne des Art. 644 ZGB solle nicht zu eng umschrieben werden, da das Gesetz den Zweck verfolge, die in gewerblichen und industriellen Betriebseinrichtungen festgelegten erheblichen Vermögenswerte auf dem Wege der hypothekarischen Verpfändung ohne Gebrauchsentfremdung der Kreditwirtschaft des Eigentümers nutzbar zu machen. Danach ist es z.B. nicht erforderlich, dass die Hauptsache für sich allein, ohne die Zugehör, überhaupt nicht verwendet werden könne oder dass die Zugehör der Hauptsache als Ganzes und in allen ihren Benützungsarten diene (BGE 45 II S. 190; HAAB, Komm. z. ZGB Art. 644/5 N. 1,9). Aber unter allem Umständen können doch nur solche Sachen als Zugehör gelten, die für die Bewirtschaftung oder Benützung oder Verwahrung der Hauptsache oder für die auf ihr selbst sich abspielende gewerbliche oder industrielle Tätigkeit nötig oder dienlich sind; denn nur unter dieser Voraussetzung besteht eine Beziehung zur Eigenart der Hauptsache, die von Art. 645 ZGB gefordert wird, wie die Vorinstanz hervorgehoben hat (vgl. HAAB a.a.O. Art. 644/5 N. 9). Sachen, die bloss wechselseitig mit einem Grundstück zusammen einem Gewerbebetrieb dienen, aber nicht zur Verwendung auf dem Grundstück oder für dieses selbst bestimmt sind, sind nicht seine Zugehör (LEEMANN, Komm. z. ZGB, 2. Aufl., Art. 644/5 N. 8). In den Fällen, wo die Rechtsprechung für einen Gewerbebetrieb dienende Sachen als Zugehör zu einer Liegenschaft im Sinne des Art. 644 ZGB betrachtet hat, handelte es sich denn auch um solche Sachen, die gerade dazu bestimmt waren, die auf der Liegenschaft selbst vor sich gehende Tätigkeit zu ermöglichen oder sie zweckmässig durchzuführen oder zu ergänzen, so im Fall des Hotelmobiliars (BGE 43 II S. 599 f.), der für eine Maschinenfabrik bestimmten Maschinen (BGE 45 II S. 181 ff.), der zu einer chemischen Fabrik gehörigen Kesseleisenbahnwagen (BGE 54 II S. 115 ff.), der für eine Weinhandlung dienenden Keltereieinrichtungen (BGE 56 II S. 185 f.), der für ein Säge- und Hobelwerk bestimmten Wagen (Urteil des sol. Obergerichts vom 26. Mai 1931, Zeitschr. f. Beurkundungs- und Grundbuchrecht 16 S. 215). In keinem dieser Fälle hatte man es mit einer Liegenschaft zu tun, auf der lediglich die Leitung des Unternehmens stattfand, die hiefür nötige Bureauarbeit vor sich ging; sondern die Liegenschaft "verkörperte" in allen Fällen den Unternehmensbetrieb, wie sich die Vorinstanz ausdrückt, und die als Zugehör bezeichneten Sachen wurden mindestens zu bestimmten Zeiten auf der Liegenschaft für den Betrieb benützt oder standen doch dort dafür zur Verfügung.
5. Freilich würde eine weitergehende Umschreibung des Zugehörbegriffs, wie sie die Klägerin vertritt, dem Kreditbedürfnis der Betriebsinhaber dienen. Aber anderseits sind die Interessen der Kreditgeber oder Dritter zu beachten. Grundsätzlich soll die Verpfändung von Fahrnis äusserlich sichtbar werden durch den Entzug des Besitzes (Art. 884 ZGB). Die gleiche Erkennbarkeit wird von Art. 644/5 in Verbindung mit Art. 805 ZGB für das Grundpfandrecht an der Zugehör insofern gefordert, als der wirtschaftliche und räumliche Zusammenhang zwischen Hauptsache und Zugehör äusserlich sichtbar sein muss. Wenn bewegliche Sachen, die einem auf einer Liegenschaft betriebenen Gewerbe dienen, mit dem Grundstück verpfändet werden sollen, muss deshalb die Dienstleistung sich gerade auf diejenige gewerbliche Tätigkeit beziehen, die auf diesem Grundstück selbst vor sich geht, von diesem "verkörpert" wird. Sonst würde ein Einbruch in den Grundsatz der Sichtbarkeit der Verpfändung vorliegen, und es wäre nicht leicht, praktisch untragbare Folgen durch Aufstellung weiterer, einfacher und klarer Merkmale zu vermeiden. Die Klägerin macht ja unter Berufung auf HAAB, Kommentar z. Sachenrecht, Einleitung N. 63, und OFTINGER, Kommentar z. Sachenrecht, 2. Aufl., Art. 884 N. 198, selbst geltend, das schweizerische Sachenrecht beruhe auf dem Publizitätsprinzip, d.h. auf dem Streben nach äusserer Erkennbarkeit der dinglichen Rechte. Dem entspricht es nicht, das Grundpfandrecht ausser an einer Liegenschaft auch an der darauf befindlichen Fahrnis zuzulassen, wenn diese zwar der auf der Liegenschaft betriebenen industriellen oder gewerblichen Unternehmung dient, aber nicht speziell demjenigen Teil des Unternehmens, der auf der Liegenschaft selbst vor sich geht. Wer einer Baufirma Kredit gibt, die Eigentümerin einer Liegenschaft ist und dort ihr Bureau hat, soll sich darauf verlassen dürfen, dass die auf der Liegenschaft befindlichen Baugerätschaften, die für anderswo vor sich gehende Bauarbeiten verwendet werden, nicht den Grundpfandgläubigern pfandrechtlich haften.
Für die Annahme des Gegenteils beruft sich die Klägerin zu Unrecht auf HAAB, a.a.O. Art. 644/5 N. 8, 9, 11. Die hier in N. 10 und 11 angeführten Beispiele von Zugehör zu einer Industrie- oder Gewerbeliegenschaft zeigen, dass der Verfasser Sachen im Auge hat, die der auf der Liegenschaft selbst durchgeführten Betriebstätigkeit dienen und dort verwendet werden oder hiefür zur Verfügung stehen, wenn auch ihr ordentlicher Standort sich ausserhalb der Liegenschaft selbst befinden kann. Bei dem dabei zitierten Entscheid des deutschen Reichsgerichts (Reichsger. in Zivils. 47 S. 197 ff.) handelt es sich um Gondeln, die der Eigentümer eines für einen Wirtschaftsbetrieb hergerichteten Grundstücks auf einem hinzugepachteten, benachbarten Teiche hielt, um Gäste in die Wirtschaft zu ziehen und festzuhalten. Das Reichsgericht hebt darin hervor, dass die Gondeln unzweifelhaft der Wirtschaft und damit dem wirtschaftlichen Zwecke des Grundstücks dienten.
6. Im vorliegenden Falle steht nun fest, dass die Bauarbeiten, für deren Durchführung die als Zugehör zu Pfand beanspruchten Sachen verwendet wurden oder zur Verfügung standen, nicht auf dem Grundstück des Gemeinschuldners ausgeführt wurden, die genannten Sachen also nicht speziell dazu bestimmt waren, der auf diesem Grundstück vor sich gehenden Betriebstätigkeit zu dienen, hiebei verwendet zu werden. Lediglich die als Bestandteile anerkannten Gegenstände dienten zur Ausführung gewisser Vorarbeiten auf dem Grundstück. Die Klägerin behauptet nicht einmal, dass einzelne Baumaschinen des Gemeinschuldners wenigstens gelegentlich auch zu Arbeiten an Ort und Stelle gebraucht worden seien. Die streitigen, zu Pfand beanspruchten Baugeräte und -materialien befanden sich somit lediglich zur Aufbewahrung zeitweise auf dem Grundstück des Gemeinschuldners. Deshalb können sie, wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, nach Art. 645 ZGB nicht als seine Zugehör gelten, obwohl das Grundstück teilweise auch dem Bauunternehmen diente. Der Vergleich, den die Klägerin mit den im Keller über den Sommer aufbewahrten Vorfenstern zieht, geht fehl; denn diese werden ja während des Winters im Hause selbst benutzt. Die Klägerin bestreitet, dass die streitigen Gegenstände sich nur zur Aufbewahrung auf dem Grundstück des Gemeinschuldners befunden hätten, indem sie darauf verweist, dass dieser hier kein Lagergeschäft betrieben habe. Dieser Einwand ist unverständlich. Es ist nicht einzusehen, wieso ein Grundeigentümer nicht auch eigene Sachen auf seinem Grundstück verwahren könnte, ohne sie hier für seine Lebensbedürfnisse oder für einen Geschäftsbetrieb zu benutzen. Die Aufbewahrung im Sinne des Art. 645 ZGB setzt keineswegs voraus, dass es sich um einen Hinterlegungsvertrag handle.
Die Vorinstanz hat also mit Recht entschieden, dass die streitigen Gegenstände nicht Zugehör des Grundstückes des Gemeinschuldners seien und daher nicht vom Grundpfandrecht an dieser Liegenschaft erfasst würden.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil der II. Zivilkammer des Obergerichts des Kantons Zürich vom 1. Juni 1954 bestätigt. | de | Hypothèque, extension aux accessoires (art. 805, 644, 645 CC). Ne peuvent être considérées comme accessoires que les choses nécessaires ou utilisables pour l'exploitation, l'utilisation et la conservation de la chose principale ou pour l'activité artisanale ou industrielle exercée sur la chose principale elle-même.
Lorsqu'un entrepreneur conserve sur son fonds, où se trouve son bureau, un outillage ou des matériaux qui seront utilisés ailleurs pour la construction, ces choses-là ne sont pas des accessoires de l'immeuble. | fr | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-228%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
293 | 80 II 228 | Sachverhalt ab Seite 228
A.- Über Franz Keller in Bauma, der ein Baugeschäft betrieben hatte, ist der Konkurs eröffnet worden. Vorher, in den Jahren 1945-1951, hatte der Gemeinschuldner wiederholt seine Liegenschaft in Bauma der heutigen Klägerin, der Spar- und Leihkasse des Bezirkes Pfäffikon, für Konto korrentkredite verpfändet. Bei den Krediterhöhungen hatte er eine Anzahl von Maschinen und Geräten, die er für seinen Betrieb verwendete (Betonmischer, Kleinkran, Bauaufzug, Kompressor u.s.w.), als Zugehör zu der Liegenschaft im Grundbuch anmerken lassen. Diese Liegenschaft besteht aus einem Wohnhaus, in dem der Gemeinschuldner ein Bureau für kaufmännische und technische Arbeiten eingerichtet hatte, aus einem Garten, offenen und gedeckten Lagerplätzen und zwei Magazingebäuden. Hier wurden jeweilen Baumaschinen, -geräte und -materialien aufbewahrt, solange sie nicht auf den Baustellen verwendet wurden.
B.- Im Konkurse beanspruchte die Klägerin für ihre Darlehensforderung das Pfandrecht an der Liegenschaft und an den Gegenständen, die im Grundbuch als Zugehör angemerkt worden sind. Das Konkursamt Bauma als Konkursverwaltung wies jedoch den Anspruch auf das Pfandrecht an den erwähnten als Zugehör bezeichneten Gegenständen ab; es bestritt, dass diese als Zugehör zur Liegenschaft zu betrachten seien. Die Spar- und Leihkasse Pfäffikon erhob infolgedessen gegen die Konkursmasse Klage auf Anerkennung des bestrittenen Pfandrechts.
C.- Die II. Zivilkammer des Obergerichtes des Kantons Zürich wies die Klage durch Urteil vom 1. Juni 1954 ab.
D.- Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die Berufung erklärt mit dem Antrag, es sei aufzuheben und die Klage gutzuheissen.
E.- Die Beklagte hat Abweisung der Berufung und Bestätigung des obergerichtlichen Urteils beantragt.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
...
3. Dass der Entscheid der Vorinstanz Art. 805 ZGB verletze, wie die Klägerin geltend macht, ist offensichtlich unrichtig. Diese Gesetzesvorschrift bestimmt nicht allgemein, unter welchen Voraussetzungen Sachen als Zugehör zu einem Grundstück zu betrachten sind. In dieser Beziehung schreibt Art. 805 in Abs. 2 lediglich vor, dass solche Sachen, die bei der Verpfändung als Zugehör ausdrücklich angeführt und im Grundbuch angemerkt werden, als Zugehör gelten, solange nicht dargetan ist, dass ihnen diese Eigenschaft nach Vorschrift des Gesetzes nicht zukommen kann. Die Vorinstanz hat nun nicht übersehen, dass die Gegenstände, auf die sich das streitige Pfandrecht bezieht, insgesamt oder teilweise bei der Verpfändung als Zugehör bezeichnet und im Grundbuch angemerkt worden sind. Aber sie hat geprüft, ob bewiesen sei, dass ihnen diese Eigenschaft nach Art. 644/5 ZGB nicht zukommen könne, und damit getan, was Art. 805 Abs. 2 ZGB vorsieht.
4. Es kann sich somit nur fragen, ob, wie die Klägerin weiter behauptet, nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz die streitigen Pfandgegenstände dauernd für die Bewirtschaftung oder Benützung des Grundstücks des Gemeinschuldners bestimmt und zu diesem durch Verbindung, Anpassung oder auf andere Weise in die Beziehung gebracht sind, in der sie ihm zu dienen haben (Art. 644, Abs. 2 ZGB). Der Zweck der Verwahrung der Hauptsache kommt hier nicht in Frage, da das Grundstück im Gegenteil zur Verwahrung der streitigen Gegenstände dient. Anderseits ist unbestritten, dass die weitere Voraussetzung der Zugehör im Sinne des Art. 644 Abs. 2 ZGB, die Widmung durch den klaren Willen des Eigentümers der Hauptsache, vorliegt.
Wörtlich genommen, fehlt offenbar die wirtschaftliche Zweckbeziehung der als Pfand beanspruchten Gerätschaften und Materialien zum Grundstück des Gemeinschuldners; denn sie dienen nicht zu dessen Bewirtschaftung, sondern für ein Bauunternehmen und zwar für Bauarbeiten, die nicht auf dem Grundstück des Gemeinschuldners vor sich gehen. Lediglich der Sitz und das Bureau der Unternehmung befinden sich hier. Indem die Klägerin Gewicht darauf legt, dass die streitigen Gegenstände dem Baubetrieb des Gemeinschuldners dienten, nimmt sie den irrtümlichen Standpunkt ein, dass Art. 644 ZGB sich auch auf die sog. Unternehmenszugehör beziehe. Diese ist freilich dem schweizerischen Rechte nicht völlig fremd, wird aber von ihm nur in gewissen Fällen auf Grund von Sondernormen anerkannt (vgl. Art. 676 Abs. 1 ZGB, Art. 9 f. BG über Verpfändung und Zwangsliquidationen von Eisenbahnen und Schiffahrtsunternehmungen vom 25. September 1971).
Wohl herrscht in Lehre und Rechtsprechung die Auffassung, der Begriff der Zugehör im Sinne des Art. 644 ZGB solle nicht zu eng umschrieben werden, da das Gesetz den Zweck verfolge, die in gewerblichen und industriellen Betriebseinrichtungen festgelegten erheblichen Vermögenswerte auf dem Wege der hypothekarischen Verpfändung ohne Gebrauchsentfremdung der Kreditwirtschaft des Eigentümers nutzbar zu machen. Danach ist es z.B. nicht erforderlich, dass die Hauptsache für sich allein, ohne die Zugehör, überhaupt nicht verwendet werden könne oder dass die Zugehör der Hauptsache als Ganzes und in allen ihren Benützungsarten diene (BGE 45 II S. 190; HAAB, Komm. z. ZGB Art. 644/5 N. 1,9). Aber unter allem Umständen können doch nur solche Sachen als Zugehör gelten, die für die Bewirtschaftung oder Benützung oder Verwahrung der Hauptsache oder für die auf ihr selbst sich abspielende gewerbliche oder industrielle Tätigkeit nötig oder dienlich sind; denn nur unter dieser Voraussetzung besteht eine Beziehung zur Eigenart der Hauptsache, die von Art. 645 ZGB gefordert wird, wie die Vorinstanz hervorgehoben hat (vgl. HAAB a.a.O. Art. 644/5 N. 9). Sachen, die bloss wechselseitig mit einem Grundstück zusammen einem Gewerbebetrieb dienen, aber nicht zur Verwendung auf dem Grundstück oder für dieses selbst bestimmt sind, sind nicht seine Zugehör (LEEMANN, Komm. z. ZGB, 2. Aufl., Art. 644/5 N. 8). In den Fällen, wo die Rechtsprechung für einen Gewerbebetrieb dienende Sachen als Zugehör zu einer Liegenschaft im Sinne des Art. 644 ZGB betrachtet hat, handelte es sich denn auch um solche Sachen, die gerade dazu bestimmt waren, die auf der Liegenschaft selbst vor sich gehende Tätigkeit zu ermöglichen oder sie zweckmässig durchzuführen oder zu ergänzen, so im Fall des Hotelmobiliars (BGE 43 II S. 599 f.), der für eine Maschinenfabrik bestimmten Maschinen (BGE 45 II S. 181 ff.), der zu einer chemischen Fabrik gehörigen Kesseleisenbahnwagen (BGE 54 II S. 115 ff.), der für eine Weinhandlung dienenden Keltereieinrichtungen (BGE 56 II S. 185 f.), der für ein Säge- und Hobelwerk bestimmten Wagen (Urteil des sol. Obergerichts vom 26. Mai 1931, Zeitschr. f. Beurkundungs- und Grundbuchrecht 16 S. 215). In keinem dieser Fälle hatte man es mit einer Liegenschaft zu tun, auf der lediglich die Leitung des Unternehmens stattfand, die hiefür nötige Bureauarbeit vor sich ging; sondern die Liegenschaft "verkörperte" in allen Fällen den Unternehmensbetrieb, wie sich die Vorinstanz ausdrückt, und die als Zugehör bezeichneten Sachen wurden mindestens zu bestimmten Zeiten auf der Liegenschaft für den Betrieb benützt oder standen doch dort dafür zur Verfügung.
5. Freilich würde eine weitergehende Umschreibung des Zugehörbegriffs, wie sie die Klägerin vertritt, dem Kreditbedürfnis der Betriebsinhaber dienen. Aber anderseits sind die Interessen der Kreditgeber oder Dritter zu beachten. Grundsätzlich soll die Verpfändung von Fahrnis äusserlich sichtbar werden durch den Entzug des Besitzes (Art. 884 ZGB). Die gleiche Erkennbarkeit wird von Art. 644/5 in Verbindung mit Art. 805 ZGB für das Grundpfandrecht an der Zugehör insofern gefordert, als der wirtschaftliche und räumliche Zusammenhang zwischen Hauptsache und Zugehör äusserlich sichtbar sein muss. Wenn bewegliche Sachen, die einem auf einer Liegenschaft betriebenen Gewerbe dienen, mit dem Grundstück verpfändet werden sollen, muss deshalb die Dienstleistung sich gerade auf diejenige gewerbliche Tätigkeit beziehen, die auf diesem Grundstück selbst vor sich geht, von diesem "verkörpert" wird. Sonst würde ein Einbruch in den Grundsatz der Sichtbarkeit der Verpfändung vorliegen, und es wäre nicht leicht, praktisch untragbare Folgen durch Aufstellung weiterer, einfacher und klarer Merkmale zu vermeiden. Die Klägerin macht ja unter Berufung auf HAAB, Kommentar z. Sachenrecht, Einleitung N. 63, und OFTINGER, Kommentar z. Sachenrecht, 2. Aufl., Art. 884 N. 198, selbst geltend, das schweizerische Sachenrecht beruhe auf dem Publizitätsprinzip, d.h. auf dem Streben nach äusserer Erkennbarkeit der dinglichen Rechte. Dem entspricht es nicht, das Grundpfandrecht ausser an einer Liegenschaft auch an der darauf befindlichen Fahrnis zuzulassen, wenn diese zwar der auf der Liegenschaft betriebenen industriellen oder gewerblichen Unternehmung dient, aber nicht speziell demjenigen Teil des Unternehmens, der auf der Liegenschaft selbst vor sich geht. Wer einer Baufirma Kredit gibt, die Eigentümerin einer Liegenschaft ist und dort ihr Bureau hat, soll sich darauf verlassen dürfen, dass die auf der Liegenschaft befindlichen Baugerätschaften, die für anderswo vor sich gehende Bauarbeiten verwendet werden, nicht den Grundpfandgläubigern pfandrechtlich haften.
Für die Annahme des Gegenteils beruft sich die Klägerin zu Unrecht auf HAAB, a.a.O. Art. 644/5 N. 8, 9, 11. Die hier in N. 10 und 11 angeführten Beispiele von Zugehör zu einer Industrie- oder Gewerbeliegenschaft zeigen, dass der Verfasser Sachen im Auge hat, die der auf der Liegenschaft selbst durchgeführten Betriebstätigkeit dienen und dort verwendet werden oder hiefür zur Verfügung stehen, wenn auch ihr ordentlicher Standort sich ausserhalb der Liegenschaft selbst befinden kann. Bei dem dabei zitierten Entscheid des deutschen Reichsgerichts (Reichsger. in Zivils. 47 S. 197 ff.) handelt es sich um Gondeln, die der Eigentümer eines für einen Wirtschaftsbetrieb hergerichteten Grundstücks auf einem hinzugepachteten, benachbarten Teiche hielt, um Gäste in die Wirtschaft zu ziehen und festzuhalten. Das Reichsgericht hebt darin hervor, dass die Gondeln unzweifelhaft der Wirtschaft und damit dem wirtschaftlichen Zwecke des Grundstücks dienten.
6. Im vorliegenden Falle steht nun fest, dass die Bauarbeiten, für deren Durchführung die als Zugehör zu Pfand beanspruchten Sachen verwendet wurden oder zur Verfügung standen, nicht auf dem Grundstück des Gemeinschuldners ausgeführt wurden, die genannten Sachen also nicht speziell dazu bestimmt waren, der auf diesem Grundstück vor sich gehenden Betriebstätigkeit zu dienen, hiebei verwendet zu werden. Lediglich die als Bestandteile anerkannten Gegenstände dienten zur Ausführung gewisser Vorarbeiten auf dem Grundstück. Die Klägerin behauptet nicht einmal, dass einzelne Baumaschinen des Gemeinschuldners wenigstens gelegentlich auch zu Arbeiten an Ort und Stelle gebraucht worden seien. Die streitigen, zu Pfand beanspruchten Baugeräte und -materialien befanden sich somit lediglich zur Aufbewahrung zeitweise auf dem Grundstück des Gemeinschuldners. Deshalb können sie, wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, nach Art. 645 ZGB nicht als seine Zugehör gelten, obwohl das Grundstück teilweise auch dem Bauunternehmen diente. Der Vergleich, den die Klägerin mit den im Keller über den Sommer aufbewahrten Vorfenstern zieht, geht fehl; denn diese werden ja während des Winters im Hause selbst benutzt. Die Klägerin bestreitet, dass die streitigen Gegenstände sich nur zur Aufbewahrung auf dem Grundstück des Gemeinschuldners befunden hätten, indem sie darauf verweist, dass dieser hier kein Lagergeschäft betrieben habe. Dieser Einwand ist unverständlich. Es ist nicht einzusehen, wieso ein Grundeigentümer nicht auch eigene Sachen auf seinem Grundstück verwahren könnte, ohne sie hier für seine Lebensbedürfnisse oder für einen Geschäftsbetrieb zu benutzen. Die Aufbewahrung im Sinne des Art. 645 ZGB setzt keineswegs voraus, dass es sich um einen Hinterlegungsvertrag handle.
Die Vorinstanz hat also mit Recht entschieden, dass die streitigen Gegenstände nicht Zugehör des Grundstückes des Gemeinschuldners seien und daher nicht vom Grundpfandrecht an dieser Liegenschaft erfasst würden.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil der II. Zivilkammer des Obergerichts des Kantons Zürich vom 1. Juni 1954 bestätigt. | de | Diritto di pegno immobiliare. Estensione agli accessori (art. 805, 644, 645 CC). Sono da considerarsi come accessori solamente le cose necessarie o utili all'uso, al godimento e alla conservazione della cosa principale o all'attività artigianale o industriale esercitata sulla cosa principale stessa.
Gli utensili o i materiali lasciati da un imprenditore sul proprio fondo, ove si trova il suo ufficio, e destinati a costruzioni in altro luogo non sono accessori del fondo. | it | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-228%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
294 | 80 II 235 | Sachverhalt ab Seite 235
Aus dem Tatbestand:
A.- Die seit dem 19. April 1950 im Konkurs befindliche Neue Weinkellereien A.-G. in Zug unterhielt seit dem Frühjahr 1949 Geschäftsbeziehungen mit der Waren Giro-Genossenschaft in Zürich (Klägerin). Sie lieferte der Klägerin und ihren Girodienstmitgliedern Wein. Die Klägerin gewährte ihr mehrmals Darlehen, so am 28. Juli 1949 Fr. 18'000.--, am 17. November 1949 Fr. 50'000.-- und am 13. Februar 1950 Fr. 20'000.--. Als sie um ein weiteres Darlehen angegangen wurde, verlangte sie besondere Sicherheiten. In Ziff. 4 eines Zusatzvertrages vom 22. März 1950 wurde zu ihren Gunsten ein Pfandrecht an dem im Hause zur Münz in Zug befindlichen Weinlager der Schuldnerin ausbedungen. Zur Pfandbestellung übergab ihr X, der Hauptaktionär, einzige Verwaltungsrat und zudem Geschäftsführer der Schuldnerin, eine Garnitur der zu den Yaleschlössern der Kellertüren gehörenden Schlüssel. Dabei verheimlichte er ihr, dass er das gleiche Warenlager schon früher zweimal namens der Schuldnerin andern Gläubigern als Pfand zur Verfügung gestellt hatte. Am 8. März 1949 hatte er es von der Weinhandelsfirma Alfred Stotzer gekauft und zugleich vereinbart, es bleibe dem Verkäufer als Sicherheit für die Kaufpreisforderung verpfändet. X erhielt jedoch eine Garnitur Schlüssel ausgehändigt, konnte also über die Sache frei verfügen. Diese Schlüssel übergab er der Kredit- und Verwaltungsbank Zug, als er ihr am 20. Oktober 1949 das Weinlager als Sicherheit für ein Darlehen von Fr. 10'000.-- verpfändete. Dabei war vereinbart, dass er, um die Kellereien weiterhin - zur Pflege der Weine - betreten zu können, die Schlüssel jeweils bei der Bank abhole und sie nachher zurückbringe. Bei einer solchen Gelegenheit behielt er eines Tages die richtigen Schlüssel für sich und gab falsche zurück, was die Bank nicht bemerkte. So war es ihm möglich, beim Abschluss des Zusatzvertrages vom 22. März 1950 der Klägerin die passenden Yaleschlüssel auszuhändigen.
B.- Im Konkurs der Schuldnerin meldete die Klägerin eine pfandgesicherte Darlehensforderung von Fr. 68'407.20 an. Das Konkursamt anerkannte diese Forderung in vollem Umfange, wies aber die Pfandansprache ab, weil das Fahrnispfand am Weinlager nicht gültig bestellt worden sei. Die Klägerin erhob Kollokationsklage auf Anerkennung des Pfandrechtes und entsprechende Kollokation. In beiden kantonalen Instanzen abgewiesen, hält sie mit vorliegender Berufung an der Pfandansprache fest.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Mit den Vorinstanzen ist davon auszugehen, dass der Verpfändung des Weinlagers an die Klägerin kein gültig begründetes Pfandrecht des Verkäufers Alfred Stotzer entgegenstand. Dieser hatte der Schuldnerin eine Garnitur Schlüssel zu den Weinkellern in der "Münz" zu freiem Gebrauch überlassen. So war die Schuldnerin in der Lage, jederzeit ohne Mitwirkung des Verkäufers zum Weinlager zu gelangen und darüber frei zu verfügen. Das Weinlager war daher dem Verkäufer, der nur die andere Garnitur Schlüssel für sich zurückbehielt, nicht wirksam verpfändet (Art. 884 Abs. 3 ZGB).
2. Die zweite Verpfändung, zugunsten der Kredit- und Verwaltungsbank Zug, wurde dagegen gültig vollzogen durch Übergabe der einzigen (passenden) Schlüssel, die die Schuldnerin zu den Kellerräumen besass. Nun wurde später in gleicher Weise eine Verpfändung zugunsten der Klägerin vorgenommen. Ob sie gültig zustande kam, hängt davon ab, ob ihr jenes früher begründete Pfandrecht der Bank entgegenstand oder nicht. Beide vorinstanzlichen Gerichte halten die Verpfändung an die Klägerin für ungültig. Das Kantonsgericht nimmt an, die Schlüssel seien der Bank wider ihren Willen abhanden gekommen. Das Obergericht ist dagegen der Ansicht, die Bank habe die Schlüssel der Schuldnerin anvertraut. Daher hätte die Klägerin bei gutem Glauben das Pfandrecht erwerben können. Doch sei sie nicht als gutgläubig zu betrachten. Art. 884 Abs. 2 ZGB bestimmt:
"Der gutgläubige Empfänger der Pfandsache erhält das Pfandrecht, soweit nicht Dritten Rechte aus früherem Besitze zustehen, auch dann, wenn der Verpfänder nicht befugt war, über die Sache zu verfügen."
"Rechte aus früherem Besitze" stehen nach Art. 934 ZGB demjenigen zu, dem die Sache gestohlen wurde oder verloren ging oder sonst wider seinen Willen abhanden kam. Wer die Sache dagegen freiwillig in den Besitz eines Andern kommen liess, sie ihm also "anvertraute", muss, wenn der Andere die Sache veruntreut, also unbefugterweise darüber verfügt, den Rechtserwerb eines gutgläubigen Dritten gelten lassen (Art. 933 ZGB, dem die spezielle Regel des Art. 884 Abs. 2 ZGB für den Fall der Verpfändung entspricht). Hievon ausgehend, prüft das Obergericht die Frage des guten Glaubens der Klägerin beim Pfanderwerb. Wird indessen eine Sache vom Pfandgläubiger nicht irgendeinem Dritten, sondern dem Verpfänder selbst anvertraut, wie dies nach Ansicht des Obergerichts hier der Fall war, so erhebt sich die Frage, ob das Pfandrecht damit nicht überhaupt untergeht oder doch, solange der Verpfänder die Sache in seiner ausschliesslichen Gewalt hat, unwirksam ist (Art. 888 Abs. 1 und 2 ZGB). Das hätte zur Folge, dass jeder Dritte, gleichgültig ob gut- oder bösgläubig, Rechte an der Sache erwerben könnte (vergl. OFTINGER, N. 41 und 44 zu Art. 888 ZGB).
Nun ist aber der Betrachtungsweise des erstinstanzlichen Urteils zu folgen, wonach die Bank die Pfandsache dem Verpfänder, also der Schuldnerin, nicht "anvertraut" hatte, sondern den Pfandbesitz unfreiwillig verlor. Gewiss hat X ihr die Schlüssel nicht gestohlen, sondern sie jeweilen bei ihr abgeholt. Er erhielt sie aber nur wenige Male und nur zu bestimmtem Zweck und auf ganz kurze Zeit. So geschah es etwa zum Aufheizen des Lagers oder zur Entnahme eines Musters oder einer bestimmten Anzahl Fiaschi Chianti. Dabei musste er jedesmal eine Quittung über den Empfang der Schlüssel ausstellen, worin der Zweck des Zutrittes zum Lager angegeben und die Verpflichtung festgelegt war, die Schlüssel bis zum folgenden Tag oder "heute" oder "bis heute Abend" zurückzubringen. Nun ist der Lehre beizustimmen, die den Zutritt des Verpfänders zur Pfandsache nicht schlechthin verpönt. Wird er ihm vom Pfandgläubiger nur vorübergehend, zu einem bestimmten, namentlich einem der Erhaltung der Pfandsache (und damit des Wertbestandes des Pfandrechtes) dienenden Zweck ermöglicht, so wäre es widersinnig, diesen Besorgungen die Wirkung einer Gefährdung des Pfandrechtes beizulegen. Dem Verpfänder wird hiebei die Pfandsache nicht zu einem dinglichen oder persönlichen Recht "anvertraut"; er erhält keinen eigentlichen Besitz, sondern wird jeweilen nur Besitzdiener des Pfandgläubigers.
Auf die erwähnte Weise hat sich die Kredit- und Verwaltungsbank Zug jedesmal ihren Pfandbesitz eindeutig gewahrt. Erst durch das heimliche Vertauschen der Schlüssel (wie es das Obergericht feststellt) masste sich der Besitzdiener eigentlichen Besitz an, und erst dadurch verlor die Bank ihren Pfandbesitz, kam ihr also die Sache - wider ihren Willen - abhanden. Somit erwuchsen ihr "Rechte aus früherem Besitz" und konnte die Klägerin auch bei gutem Glauben kein Pfandrecht erwerben (vgl. LEEMANN, N. 75 zu Art. 884 ZGB; OSTERTAG, N. 4 und 6 zu Art. 934 ZGB; OFTINGER, N. 207-209, 244, 325 und 367 zu Art. 884 ZGB). Ob auch ein anderes Vorgehen, wie es in BGE 31 II 399 unten hypothetisch erwogen wird, den Pfandbesitz der Bank zu begründen und zu wahren vermocht hätte (dagegen OFTINGER, N. 238 zu Art. 884), kann dahingestellt bleiben. Denn im vorliegenden Fall hatte die Bank der Schuldnerin keinen zweiten Schlüssel zu dauerndem Gebrauch überlassen.
...
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichtes des Kantons Zug vom 29. Dezember 1953/3. März 1954 bestätigt. | de | Faustpfandbestellung (Art. 884 ZGB) durch Schlüsselübergabe. Ungültig, wenn dem Verpfänder ein zweiter Schlüssel zu freiem Gebrauche belassen wird (Erw. 1). Bloss gelegentliche Aushändigung des Schlüssels an den Verpfänder, auf kurze Zeit zu bestimmtem Zweck gemäss Weisung des Pfandgläubigers, macht jenen zum blossen Besitzdiener, so dass das Pfandrecht wirksam bleibt. Art. 888 Abs. 2 ZGB (Erw. 2). | de | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-235%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
295 | 80 II 235 | Sachverhalt ab Seite 235
Aus dem Tatbestand:
A.- Die seit dem 19. April 1950 im Konkurs befindliche Neue Weinkellereien A.-G. in Zug unterhielt seit dem Frühjahr 1949 Geschäftsbeziehungen mit der Waren Giro-Genossenschaft in Zürich (Klägerin). Sie lieferte der Klägerin und ihren Girodienstmitgliedern Wein. Die Klägerin gewährte ihr mehrmals Darlehen, so am 28. Juli 1949 Fr. 18'000.--, am 17. November 1949 Fr. 50'000.-- und am 13. Februar 1950 Fr. 20'000.--. Als sie um ein weiteres Darlehen angegangen wurde, verlangte sie besondere Sicherheiten. In Ziff. 4 eines Zusatzvertrages vom 22. März 1950 wurde zu ihren Gunsten ein Pfandrecht an dem im Hause zur Münz in Zug befindlichen Weinlager der Schuldnerin ausbedungen. Zur Pfandbestellung übergab ihr X, der Hauptaktionär, einzige Verwaltungsrat und zudem Geschäftsführer der Schuldnerin, eine Garnitur der zu den Yaleschlössern der Kellertüren gehörenden Schlüssel. Dabei verheimlichte er ihr, dass er das gleiche Warenlager schon früher zweimal namens der Schuldnerin andern Gläubigern als Pfand zur Verfügung gestellt hatte. Am 8. März 1949 hatte er es von der Weinhandelsfirma Alfred Stotzer gekauft und zugleich vereinbart, es bleibe dem Verkäufer als Sicherheit für die Kaufpreisforderung verpfändet. X erhielt jedoch eine Garnitur Schlüssel ausgehändigt, konnte also über die Sache frei verfügen. Diese Schlüssel übergab er der Kredit- und Verwaltungsbank Zug, als er ihr am 20. Oktober 1949 das Weinlager als Sicherheit für ein Darlehen von Fr. 10'000.-- verpfändete. Dabei war vereinbart, dass er, um die Kellereien weiterhin - zur Pflege der Weine - betreten zu können, die Schlüssel jeweils bei der Bank abhole und sie nachher zurückbringe. Bei einer solchen Gelegenheit behielt er eines Tages die richtigen Schlüssel für sich und gab falsche zurück, was die Bank nicht bemerkte. So war es ihm möglich, beim Abschluss des Zusatzvertrages vom 22. März 1950 der Klägerin die passenden Yaleschlüssel auszuhändigen.
B.- Im Konkurs der Schuldnerin meldete die Klägerin eine pfandgesicherte Darlehensforderung von Fr. 68'407.20 an. Das Konkursamt anerkannte diese Forderung in vollem Umfange, wies aber die Pfandansprache ab, weil das Fahrnispfand am Weinlager nicht gültig bestellt worden sei. Die Klägerin erhob Kollokationsklage auf Anerkennung des Pfandrechtes und entsprechende Kollokation. In beiden kantonalen Instanzen abgewiesen, hält sie mit vorliegender Berufung an der Pfandansprache fest.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Mit den Vorinstanzen ist davon auszugehen, dass der Verpfändung des Weinlagers an die Klägerin kein gültig begründetes Pfandrecht des Verkäufers Alfred Stotzer entgegenstand. Dieser hatte der Schuldnerin eine Garnitur Schlüssel zu den Weinkellern in der "Münz" zu freiem Gebrauch überlassen. So war die Schuldnerin in der Lage, jederzeit ohne Mitwirkung des Verkäufers zum Weinlager zu gelangen und darüber frei zu verfügen. Das Weinlager war daher dem Verkäufer, der nur die andere Garnitur Schlüssel für sich zurückbehielt, nicht wirksam verpfändet (Art. 884 Abs. 3 ZGB).
2. Die zweite Verpfändung, zugunsten der Kredit- und Verwaltungsbank Zug, wurde dagegen gültig vollzogen durch Übergabe der einzigen (passenden) Schlüssel, die die Schuldnerin zu den Kellerräumen besass. Nun wurde später in gleicher Weise eine Verpfändung zugunsten der Klägerin vorgenommen. Ob sie gültig zustande kam, hängt davon ab, ob ihr jenes früher begründete Pfandrecht der Bank entgegenstand oder nicht. Beide vorinstanzlichen Gerichte halten die Verpfändung an die Klägerin für ungültig. Das Kantonsgericht nimmt an, die Schlüssel seien der Bank wider ihren Willen abhanden gekommen. Das Obergericht ist dagegen der Ansicht, die Bank habe die Schlüssel der Schuldnerin anvertraut. Daher hätte die Klägerin bei gutem Glauben das Pfandrecht erwerben können. Doch sei sie nicht als gutgläubig zu betrachten. Art. 884 Abs. 2 ZGB bestimmt:
"Der gutgläubige Empfänger der Pfandsache erhält das Pfandrecht, soweit nicht Dritten Rechte aus früherem Besitze zustehen, auch dann, wenn der Verpfänder nicht befugt war, über die Sache zu verfügen."
"Rechte aus früherem Besitze" stehen nach Art. 934 ZGB demjenigen zu, dem die Sache gestohlen wurde oder verloren ging oder sonst wider seinen Willen abhanden kam. Wer die Sache dagegen freiwillig in den Besitz eines Andern kommen liess, sie ihm also "anvertraute", muss, wenn der Andere die Sache veruntreut, also unbefugterweise darüber verfügt, den Rechtserwerb eines gutgläubigen Dritten gelten lassen (Art. 933 ZGB, dem die spezielle Regel des Art. 884 Abs. 2 ZGB für den Fall der Verpfändung entspricht). Hievon ausgehend, prüft das Obergericht die Frage des guten Glaubens der Klägerin beim Pfanderwerb. Wird indessen eine Sache vom Pfandgläubiger nicht irgendeinem Dritten, sondern dem Verpfänder selbst anvertraut, wie dies nach Ansicht des Obergerichts hier der Fall war, so erhebt sich die Frage, ob das Pfandrecht damit nicht überhaupt untergeht oder doch, solange der Verpfänder die Sache in seiner ausschliesslichen Gewalt hat, unwirksam ist (Art. 888 Abs. 1 und 2 ZGB). Das hätte zur Folge, dass jeder Dritte, gleichgültig ob gut- oder bösgläubig, Rechte an der Sache erwerben könnte (vergl. OFTINGER, N. 41 und 44 zu Art. 888 ZGB).
Nun ist aber der Betrachtungsweise des erstinstanzlichen Urteils zu folgen, wonach die Bank die Pfandsache dem Verpfänder, also der Schuldnerin, nicht "anvertraut" hatte, sondern den Pfandbesitz unfreiwillig verlor. Gewiss hat X ihr die Schlüssel nicht gestohlen, sondern sie jeweilen bei ihr abgeholt. Er erhielt sie aber nur wenige Male und nur zu bestimmtem Zweck und auf ganz kurze Zeit. So geschah es etwa zum Aufheizen des Lagers oder zur Entnahme eines Musters oder einer bestimmten Anzahl Fiaschi Chianti. Dabei musste er jedesmal eine Quittung über den Empfang der Schlüssel ausstellen, worin der Zweck des Zutrittes zum Lager angegeben und die Verpflichtung festgelegt war, die Schlüssel bis zum folgenden Tag oder "heute" oder "bis heute Abend" zurückzubringen. Nun ist der Lehre beizustimmen, die den Zutritt des Verpfänders zur Pfandsache nicht schlechthin verpönt. Wird er ihm vom Pfandgläubiger nur vorübergehend, zu einem bestimmten, namentlich einem der Erhaltung der Pfandsache (und damit des Wertbestandes des Pfandrechtes) dienenden Zweck ermöglicht, so wäre es widersinnig, diesen Besorgungen die Wirkung einer Gefährdung des Pfandrechtes beizulegen. Dem Verpfänder wird hiebei die Pfandsache nicht zu einem dinglichen oder persönlichen Recht "anvertraut"; er erhält keinen eigentlichen Besitz, sondern wird jeweilen nur Besitzdiener des Pfandgläubigers.
Auf die erwähnte Weise hat sich die Kredit- und Verwaltungsbank Zug jedesmal ihren Pfandbesitz eindeutig gewahrt. Erst durch das heimliche Vertauschen der Schlüssel (wie es das Obergericht feststellt) masste sich der Besitzdiener eigentlichen Besitz an, und erst dadurch verlor die Bank ihren Pfandbesitz, kam ihr also die Sache - wider ihren Willen - abhanden. Somit erwuchsen ihr "Rechte aus früherem Besitz" und konnte die Klägerin auch bei gutem Glauben kein Pfandrecht erwerben (vgl. LEEMANN, N. 75 zu Art. 884 ZGB; OSTERTAG, N. 4 und 6 zu Art. 934 ZGB; OFTINGER, N. 207-209, 244, 325 und 367 zu Art. 884 ZGB). Ob auch ein anderes Vorgehen, wie es in BGE 31 II 399 unten hypothetisch erwogen wird, den Pfandbesitz der Bank zu begründen und zu wahren vermocht hätte (dagegen OFTINGER, N. 238 zu Art. 884), kann dahingestellt bleiben. Denn im vorliegenden Fall hatte die Bank der Schuldnerin keinen zweiten Schlüssel zu dauerndem Gebrauch überlassen.
...
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichtes des Kantons Zug vom 29. Dezember 1953/3. März 1954 bestätigt. | de | Constitution de gage mobilier (art. 884 CC) par remise de clefs. Elle n'est pas valable lorsque le constituant conserve une seconde clef dont il peut librement se servir (consid. 1). Une remise occasionnelle de la clef au constituant pour un court laps de temps et dans un but précis, selon les instructions de créancier gagiste, fait du constituant un simple détenteur, de sorte que le droit de gage demeure valable. Art. 888 al. 2 CC (consid. 2). | fr | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-235%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
296 | 80 II 235 | Sachverhalt ab Seite 235
Aus dem Tatbestand:
A.- Die seit dem 19. April 1950 im Konkurs befindliche Neue Weinkellereien A.-G. in Zug unterhielt seit dem Frühjahr 1949 Geschäftsbeziehungen mit der Waren Giro-Genossenschaft in Zürich (Klägerin). Sie lieferte der Klägerin und ihren Girodienstmitgliedern Wein. Die Klägerin gewährte ihr mehrmals Darlehen, so am 28. Juli 1949 Fr. 18'000.--, am 17. November 1949 Fr. 50'000.-- und am 13. Februar 1950 Fr. 20'000.--. Als sie um ein weiteres Darlehen angegangen wurde, verlangte sie besondere Sicherheiten. In Ziff. 4 eines Zusatzvertrages vom 22. März 1950 wurde zu ihren Gunsten ein Pfandrecht an dem im Hause zur Münz in Zug befindlichen Weinlager der Schuldnerin ausbedungen. Zur Pfandbestellung übergab ihr X, der Hauptaktionär, einzige Verwaltungsrat und zudem Geschäftsführer der Schuldnerin, eine Garnitur der zu den Yaleschlössern der Kellertüren gehörenden Schlüssel. Dabei verheimlichte er ihr, dass er das gleiche Warenlager schon früher zweimal namens der Schuldnerin andern Gläubigern als Pfand zur Verfügung gestellt hatte. Am 8. März 1949 hatte er es von der Weinhandelsfirma Alfred Stotzer gekauft und zugleich vereinbart, es bleibe dem Verkäufer als Sicherheit für die Kaufpreisforderung verpfändet. X erhielt jedoch eine Garnitur Schlüssel ausgehändigt, konnte also über die Sache frei verfügen. Diese Schlüssel übergab er der Kredit- und Verwaltungsbank Zug, als er ihr am 20. Oktober 1949 das Weinlager als Sicherheit für ein Darlehen von Fr. 10'000.-- verpfändete. Dabei war vereinbart, dass er, um die Kellereien weiterhin - zur Pflege der Weine - betreten zu können, die Schlüssel jeweils bei der Bank abhole und sie nachher zurückbringe. Bei einer solchen Gelegenheit behielt er eines Tages die richtigen Schlüssel für sich und gab falsche zurück, was die Bank nicht bemerkte. So war es ihm möglich, beim Abschluss des Zusatzvertrages vom 22. März 1950 der Klägerin die passenden Yaleschlüssel auszuhändigen.
B.- Im Konkurs der Schuldnerin meldete die Klägerin eine pfandgesicherte Darlehensforderung von Fr. 68'407.20 an. Das Konkursamt anerkannte diese Forderung in vollem Umfange, wies aber die Pfandansprache ab, weil das Fahrnispfand am Weinlager nicht gültig bestellt worden sei. Die Klägerin erhob Kollokationsklage auf Anerkennung des Pfandrechtes und entsprechende Kollokation. In beiden kantonalen Instanzen abgewiesen, hält sie mit vorliegender Berufung an der Pfandansprache fest.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Mit den Vorinstanzen ist davon auszugehen, dass der Verpfändung des Weinlagers an die Klägerin kein gültig begründetes Pfandrecht des Verkäufers Alfred Stotzer entgegenstand. Dieser hatte der Schuldnerin eine Garnitur Schlüssel zu den Weinkellern in der "Münz" zu freiem Gebrauch überlassen. So war die Schuldnerin in der Lage, jederzeit ohne Mitwirkung des Verkäufers zum Weinlager zu gelangen und darüber frei zu verfügen. Das Weinlager war daher dem Verkäufer, der nur die andere Garnitur Schlüssel für sich zurückbehielt, nicht wirksam verpfändet (Art. 884 Abs. 3 ZGB).
2. Die zweite Verpfändung, zugunsten der Kredit- und Verwaltungsbank Zug, wurde dagegen gültig vollzogen durch Übergabe der einzigen (passenden) Schlüssel, die die Schuldnerin zu den Kellerräumen besass. Nun wurde später in gleicher Weise eine Verpfändung zugunsten der Klägerin vorgenommen. Ob sie gültig zustande kam, hängt davon ab, ob ihr jenes früher begründete Pfandrecht der Bank entgegenstand oder nicht. Beide vorinstanzlichen Gerichte halten die Verpfändung an die Klägerin für ungültig. Das Kantonsgericht nimmt an, die Schlüssel seien der Bank wider ihren Willen abhanden gekommen. Das Obergericht ist dagegen der Ansicht, die Bank habe die Schlüssel der Schuldnerin anvertraut. Daher hätte die Klägerin bei gutem Glauben das Pfandrecht erwerben können. Doch sei sie nicht als gutgläubig zu betrachten. Art. 884 Abs. 2 ZGB bestimmt:
"Der gutgläubige Empfänger der Pfandsache erhält das Pfandrecht, soweit nicht Dritten Rechte aus früherem Besitze zustehen, auch dann, wenn der Verpfänder nicht befugt war, über die Sache zu verfügen."
"Rechte aus früherem Besitze" stehen nach Art. 934 ZGB demjenigen zu, dem die Sache gestohlen wurde oder verloren ging oder sonst wider seinen Willen abhanden kam. Wer die Sache dagegen freiwillig in den Besitz eines Andern kommen liess, sie ihm also "anvertraute", muss, wenn der Andere die Sache veruntreut, also unbefugterweise darüber verfügt, den Rechtserwerb eines gutgläubigen Dritten gelten lassen (Art. 933 ZGB, dem die spezielle Regel des Art. 884 Abs. 2 ZGB für den Fall der Verpfändung entspricht). Hievon ausgehend, prüft das Obergericht die Frage des guten Glaubens der Klägerin beim Pfanderwerb. Wird indessen eine Sache vom Pfandgläubiger nicht irgendeinem Dritten, sondern dem Verpfänder selbst anvertraut, wie dies nach Ansicht des Obergerichts hier der Fall war, so erhebt sich die Frage, ob das Pfandrecht damit nicht überhaupt untergeht oder doch, solange der Verpfänder die Sache in seiner ausschliesslichen Gewalt hat, unwirksam ist (Art. 888 Abs. 1 und 2 ZGB). Das hätte zur Folge, dass jeder Dritte, gleichgültig ob gut- oder bösgläubig, Rechte an der Sache erwerben könnte (vergl. OFTINGER, N. 41 und 44 zu Art. 888 ZGB).
Nun ist aber der Betrachtungsweise des erstinstanzlichen Urteils zu folgen, wonach die Bank die Pfandsache dem Verpfänder, also der Schuldnerin, nicht "anvertraut" hatte, sondern den Pfandbesitz unfreiwillig verlor. Gewiss hat X ihr die Schlüssel nicht gestohlen, sondern sie jeweilen bei ihr abgeholt. Er erhielt sie aber nur wenige Male und nur zu bestimmtem Zweck und auf ganz kurze Zeit. So geschah es etwa zum Aufheizen des Lagers oder zur Entnahme eines Musters oder einer bestimmten Anzahl Fiaschi Chianti. Dabei musste er jedesmal eine Quittung über den Empfang der Schlüssel ausstellen, worin der Zweck des Zutrittes zum Lager angegeben und die Verpflichtung festgelegt war, die Schlüssel bis zum folgenden Tag oder "heute" oder "bis heute Abend" zurückzubringen. Nun ist der Lehre beizustimmen, die den Zutritt des Verpfänders zur Pfandsache nicht schlechthin verpönt. Wird er ihm vom Pfandgläubiger nur vorübergehend, zu einem bestimmten, namentlich einem der Erhaltung der Pfandsache (und damit des Wertbestandes des Pfandrechtes) dienenden Zweck ermöglicht, so wäre es widersinnig, diesen Besorgungen die Wirkung einer Gefährdung des Pfandrechtes beizulegen. Dem Verpfänder wird hiebei die Pfandsache nicht zu einem dinglichen oder persönlichen Recht "anvertraut"; er erhält keinen eigentlichen Besitz, sondern wird jeweilen nur Besitzdiener des Pfandgläubigers.
Auf die erwähnte Weise hat sich die Kredit- und Verwaltungsbank Zug jedesmal ihren Pfandbesitz eindeutig gewahrt. Erst durch das heimliche Vertauschen der Schlüssel (wie es das Obergericht feststellt) masste sich der Besitzdiener eigentlichen Besitz an, und erst dadurch verlor die Bank ihren Pfandbesitz, kam ihr also die Sache - wider ihren Willen - abhanden. Somit erwuchsen ihr "Rechte aus früherem Besitz" und konnte die Klägerin auch bei gutem Glauben kein Pfandrecht erwerben (vgl. LEEMANN, N. 75 zu Art. 884 ZGB; OSTERTAG, N. 4 und 6 zu Art. 934 ZGB; OFTINGER, N. 207-209, 244, 325 und 367 zu Art. 884 ZGB). Ob auch ein anderes Vorgehen, wie es in BGE 31 II 399 unten hypothetisch erwogen wird, den Pfandbesitz der Bank zu begründen und zu wahren vermocht hätte (dagegen OFTINGER, N. 238 zu Art. 884), kann dahingestellt bleiben. Denn im vorliegenden Fall hatte die Bank der Schuldnerin keinen zweiten Schlüssel zu dauerndem Gebrauch überlassen.
...
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichtes des Kantons Zug vom 29. Dezember 1953/3. März 1954 bestätigt. | de | Costituzione di pegno manuale (art. 884 CC) mediante consegna di chiavi. Non è valida se il pignorante conserva una seconda chiave di cui possa liberamente disporre (consid. 1). Una consegna occasionale della chiave al pignorante per un breve termine di tempo e per uno scopo preciso, secondo le istruzioni del creditore pignoratizio, fa del pignorante un semplice detentore, di guisa che il diritto di pegno rimane valido. Art. 888 cp. 2 CC (consid. 2). | it | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-235%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
297 | 80 II 239 | Sachverhalt ab Seite 240
Résumé des faits:
Le 12 février 1949, C., agent de change à Paris, a informé le Greffe du Tribunal de Vevey de la disparition de ses caisses d'une coupure de cinq actions Nestlé and Anglo Swiss Cy Ltd portant les nos 211 701 à 211 705 (désignées ci-dessous en abrégé: actions Nestlé) et l'a prié d'entreprendre en son nom la procédure d'opposition.
Le 14 mars, le Président du Tribunal de Vevey a fait au détenteur inconnu de ces titres les sommations d'usage, en l'invitant à les produire dans le délai de six mois dès la première publication de l'avis dans la Feuille officielle suisse du commerce, faute de quoi l'annulation serait prononcée.
Le 15 septembre, Me G., avocat à Genève, a déposé au Greffe du Tribunal de Vevey, au nom d'un sieur T., courtier à Genève, cinq actions Nestlé-Alimentana portant les numéros 370 647 à 370 651 que ledit avait reçues le 17 décembre 1948 en échange des actions Nestlé nos 211 701 à 211 705, sur quoi le Président du Tribunal de Vevey a fixé à C. un délai au 15 novembre 1949 pour introduire une action en revendication de ces titres.
Le 12 novembre, C. a déposé un exploit à cet effet, fondant sa demande sur l'art. 934 CC.
T. a conclu au rejet de la demande en soutenant que le demandeur ne justifiait pas avoir été propriétaire des actions Nestlé nos 211 701 à 211 705 et encore moins d'un droit de propriété sur les actions Nestlé-Alimentana déposées au Greffe du Tribunal de Vevey. Il contestait en outre que le demandeur, à supposer même qu'il pût fournir ces justifications, eût été dessaisi de ces titres contre sa volonté.
Par arrêt du 13 avril 1954, la Cour de justice civile de Genève, en confirmation du jugement rendu par le Tribunal de première instance, a déclaré fondée la revendication de C. et autorisé ce dernier à se faire remettre par le Greffe du Tribunal du district de Vevey les cinq actions qui y avaient été déposées.
En ce qui concerne la manière dont le défendeur était entré en possession des titres les juridictions cantonales ont constaté ce qui suit:
Le demandeur a acheté, le 27 septembre 1948, à la Bourse de Paris, cinq actions de la Société Nestlé and Anglo Swiss Holding Cy Ltd portant les numéros 211 701 à 211 705. Il en a été dépossédé par suite d'un vol ou d'un abus de confiance. En décembre 1948, Sieur S., courtier à Genève, les a reçues d'un Français, inconnu de lui, qui était de passage à Genève. Il les a remis à T. Ce dernier les a échangés, le 17 décembre, contre cinq actions Nestlé-Alimentana portant les nos 370 647 à 370 651, cet échange résultant de la modification de la raison sociale de la débitrice. Tout comme l'ancienne action Nestlé and Anglo Swiss Holding Cy Ltd, l'action Nestlé-Alimentana nouvelle comprenait en réalité trois titres soit une action Nestlé-Alimentana, un bon d'amortissement et une action Unilac. Cette substitution n'avait apporté aucun changement aux droits des porteurs.
T. a recouru en réforme en concluant à nouveau au rejet de la demande.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours et confirmé l'arrêt de la Cour de justice civile.
Erwägungen
Extrait des motifs:
3. Le moyen tiré du fait que le recourant a été condamné à restituer à l'intimé d'autres titres que ceux dont ce dernier avait été dépossédé n'est pas fondé. En matière de revendication de papiers-valeurs, l'action tend bien en principe à la restitution des documents mêmes dont le demandeur s'est trouvé dépossédé. Mais encore faut-il que la restitution de ces documents-là le replace dans la situation dans laquelle il se serait trouvé s'il n'en avait pas été dépossédé par suite de perte ou de vol. Or, lorsque les droits qu'incorporaient les documents perdus ou volés ont été, depuis la perte ou le vol, rattachés à de nouveaux documents, tout comme ils l'étaient aux documents primitifs, il est clair que l'action en revendication ne change pas d'objet pour s'exercer contre la personne qui s'est fait remettre de nouveaux titres en échange des titres volés ou perdus et les détient encore au moment de la réclamation.
5. Le recourant reproche également à la Cour de justice de n'avoir pas tranché nettement la question de savoir s'il y a eu vente des titres entre le Français inconnu et Sieur S., ou si celui-ci a été le mandataire du recourant, ou si, au contraire, ce dernier n'a pas été le mandataire de Sieur S. La Cour de justice aurait en outre négligé le fait que ce n'est pas de Sieur S. que le recourant a reçu les actions Nestlé-Alimentana. Ce dernier argument a déjà été réfuté ci-dessus. Pour ce qui est des rapports entre le recourant et Sieur S., il est exact que la Cour de justice ne les a pas exactement définis. Mais cela est sans importance. En effet, d'une part, le recourant soutient, actuellement encore, qu'il a acheté les actions pour son compte, d'autre part, il est sans intérêt de savoir s'il les a achetées à Sieur S. ou au Français inconnu par l'entremise de Sieur S. Ce qui est décisif, c'est que, selon les contestations de l'arrêt attaqué, il n'était en tout cas pas de bonne foi lors de cet achat. Il conteste, il est vrai, la justesse de cette affirmation et prétend avoir traité des milliers d'affaires avec Sieur S. et n'avoir jamais eu l'occasion de se méfier de lui. Cela est possible, mais est indifférent en l'espèce. Ce qu'il suffit de relever, c'est que, d'après les constatations de l'arrêt attaqué, le recourant savait, lorsqu'il a acquis les titres, à la suite de quelles circonstances ils avaient passé en la possession du Sieur S., autrement dit que ce dernier les avait achetés à un inconnu, et comme il s'agissait de titres cotés à la Bourse, le fait que le vendeur s'était adressé à un courtier sans faire connaître son identité suffisait à rendre l'opération suspecte. Sieur S. et lui-même s'étaient du reste si bien rendu compte que les titres pouvaient avoir été volés qu'ils ont pris soin de consulter la liste des titres frappés d'opposition pour s'assurer qu'ils n'y figuraient pas. Or, en leur qualité d'hommes d'affaires expérimentés, ils devaient évidemment savoir qu'il se passe en général un certain temps entre le vol d'un titre et sa découverte et, à plus forte raison, entre le vol et l'ouverture de la procédure d'annulation, de sorte que si les titres litigieux ne figuraient pas sur la liste en question, ce n'était pas une raison suffisante pour dissiper leurs soupçons.
Il est exact que l'acheteur d'un titre au porteur n'a pas en général à se demander si l'aliénateur a qualité pour en disposer, mais cela n'est vrai cependant que s'il n'a pas de raisons particulières de suspecter la bonne foi de son cocontractant, et il est clair que les circonstances dans lesquelles l'affaire se présentait en l'espèce exigeait de la part du recourant la plus extrême prudence. La décision rendue par la Cour de justice ne peut donc qu'être confirmée. | fr | Klage auf Herausgabe gestohlener und verlorener Sachen. Art. 934 ZGB. Sind jemandem Aktien wider seinen Willen abhanden gekommen, die inzwischen durch neue, die nämlichen Rechte verleihendeTitel ersetztwurden, so kann er die neuen Titel gleichermassen zurückfordern.
Fall eines bösgläubigen Erwerbes. | de | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-239%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
298 | 80 II 239 | Sachverhalt ab Seite 240
Résumé des faits:
Le 12 février 1949, C., agent de change à Paris, a informé le Greffe du Tribunal de Vevey de la disparition de ses caisses d'une coupure de cinq actions Nestlé and Anglo Swiss Cy Ltd portant les nos 211 701 à 211 705 (désignées ci-dessous en abrégé: actions Nestlé) et l'a prié d'entreprendre en son nom la procédure d'opposition.
Le 14 mars, le Président du Tribunal de Vevey a fait au détenteur inconnu de ces titres les sommations d'usage, en l'invitant à les produire dans le délai de six mois dès la première publication de l'avis dans la Feuille officielle suisse du commerce, faute de quoi l'annulation serait prononcée.
Le 15 septembre, Me G., avocat à Genève, a déposé au Greffe du Tribunal de Vevey, au nom d'un sieur T., courtier à Genève, cinq actions Nestlé-Alimentana portant les numéros 370 647 à 370 651 que ledit avait reçues le 17 décembre 1948 en échange des actions Nestlé nos 211 701 à 211 705, sur quoi le Président du Tribunal de Vevey a fixé à C. un délai au 15 novembre 1949 pour introduire une action en revendication de ces titres.
Le 12 novembre, C. a déposé un exploit à cet effet, fondant sa demande sur l'art. 934 CC.
T. a conclu au rejet de la demande en soutenant que le demandeur ne justifiait pas avoir été propriétaire des actions Nestlé nos 211 701 à 211 705 et encore moins d'un droit de propriété sur les actions Nestlé-Alimentana déposées au Greffe du Tribunal de Vevey. Il contestait en outre que le demandeur, à supposer même qu'il pût fournir ces justifications, eût été dessaisi de ces titres contre sa volonté.
Par arrêt du 13 avril 1954, la Cour de justice civile de Genève, en confirmation du jugement rendu par le Tribunal de première instance, a déclaré fondée la revendication de C. et autorisé ce dernier à se faire remettre par le Greffe du Tribunal du district de Vevey les cinq actions qui y avaient été déposées.
En ce qui concerne la manière dont le défendeur était entré en possession des titres les juridictions cantonales ont constaté ce qui suit:
Le demandeur a acheté, le 27 septembre 1948, à la Bourse de Paris, cinq actions de la Société Nestlé and Anglo Swiss Holding Cy Ltd portant les numéros 211 701 à 211 705. Il en a été dépossédé par suite d'un vol ou d'un abus de confiance. En décembre 1948, Sieur S., courtier à Genève, les a reçues d'un Français, inconnu de lui, qui était de passage à Genève. Il les a remis à T. Ce dernier les a échangés, le 17 décembre, contre cinq actions Nestlé-Alimentana portant les nos 370 647 à 370 651, cet échange résultant de la modification de la raison sociale de la débitrice. Tout comme l'ancienne action Nestlé and Anglo Swiss Holding Cy Ltd, l'action Nestlé-Alimentana nouvelle comprenait en réalité trois titres soit une action Nestlé-Alimentana, un bon d'amortissement et une action Unilac. Cette substitution n'avait apporté aucun changement aux droits des porteurs.
T. a recouru en réforme en concluant à nouveau au rejet de la demande.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours et confirmé l'arrêt de la Cour de justice civile.
Erwägungen
Extrait des motifs:
3. Le moyen tiré du fait que le recourant a été condamné à restituer à l'intimé d'autres titres que ceux dont ce dernier avait été dépossédé n'est pas fondé. En matière de revendication de papiers-valeurs, l'action tend bien en principe à la restitution des documents mêmes dont le demandeur s'est trouvé dépossédé. Mais encore faut-il que la restitution de ces documents-là le replace dans la situation dans laquelle il se serait trouvé s'il n'en avait pas été dépossédé par suite de perte ou de vol. Or, lorsque les droits qu'incorporaient les documents perdus ou volés ont été, depuis la perte ou le vol, rattachés à de nouveaux documents, tout comme ils l'étaient aux documents primitifs, il est clair que l'action en revendication ne change pas d'objet pour s'exercer contre la personne qui s'est fait remettre de nouveaux titres en échange des titres volés ou perdus et les détient encore au moment de la réclamation.
5. Le recourant reproche également à la Cour de justice de n'avoir pas tranché nettement la question de savoir s'il y a eu vente des titres entre le Français inconnu et Sieur S., ou si celui-ci a été le mandataire du recourant, ou si, au contraire, ce dernier n'a pas été le mandataire de Sieur S. La Cour de justice aurait en outre négligé le fait que ce n'est pas de Sieur S. que le recourant a reçu les actions Nestlé-Alimentana. Ce dernier argument a déjà été réfuté ci-dessus. Pour ce qui est des rapports entre le recourant et Sieur S., il est exact que la Cour de justice ne les a pas exactement définis. Mais cela est sans importance. En effet, d'une part, le recourant soutient, actuellement encore, qu'il a acheté les actions pour son compte, d'autre part, il est sans intérêt de savoir s'il les a achetées à Sieur S. ou au Français inconnu par l'entremise de Sieur S. Ce qui est décisif, c'est que, selon les contestations de l'arrêt attaqué, il n'était en tout cas pas de bonne foi lors de cet achat. Il conteste, il est vrai, la justesse de cette affirmation et prétend avoir traité des milliers d'affaires avec Sieur S. et n'avoir jamais eu l'occasion de se méfier de lui. Cela est possible, mais est indifférent en l'espèce. Ce qu'il suffit de relever, c'est que, d'après les constatations de l'arrêt attaqué, le recourant savait, lorsqu'il a acquis les titres, à la suite de quelles circonstances ils avaient passé en la possession du Sieur S., autrement dit que ce dernier les avait achetés à un inconnu, et comme il s'agissait de titres cotés à la Bourse, le fait que le vendeur s'était adressé à un courtier sans faire connaître son identité suffisait à rendre l'opération suspecte. Sieur S. et lui-même s'étaient du reste si bien rendu compte que les titres pouvaient avoir été volés qu'ils ont pris soin de consulter la liste des titres frappés d'opposition pour s'assurer qu'ils n'y figuraient pas. Or, en leur qualité d'hommes d'affaires expérimentés, ils devaient évidemment savoir qu'il se passe en général un certain temps entre le vol d'un titre et sa découverte et, à plus forte raison, entre le vol et l'ouverture de la procédure d'annulation, de sorte que si les titres litigieux ne figuraient pas sur la liste en question, ce n'était pas une raison suffisante pour dissiper leurs soupçons.
Il est exact que l'acheteur d'un titre au porteur n'a pas en général à se demander si l'aliénateur a qualité pour en disposer, mais cela n'est vrai cependant que s'il n'a pas de raisons particulières de suspecter la bonne foi de son cocontractant, et il est clair que les circonstances dans lesquelles l'affaire se présentait en l'espèce exigeait de la part du recourant la plus extrême prudence. La décision rendue par la Cour de justice ne peut donc qu'être confirmée. | fr | Action en revendication de choses perdues ou volées. Art. 934 CC. Celui qui s'est vu déposséder contre sa volonté d'actions d'une société qui ont été remplacées depuis lors par de nouveaux titres conférant les mëmes droits est recevable à revendiquer les nouveaux titres à l'égal des anciens.
Cas d'une acquisition faite de mauvaise foi. | fr | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-239%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
299 | 80 II 239 | Sachverhalt ab Seite 240
Résumé des faits:
Le 12 février 1949, C., agent de change à Paris, a informé le Greffe du Tribunal de Vevey de la disparition de ses caisses d'une coupure de cinq actions Nestlé and Anglo Swiss Cy Ltd portant les nos 211 701 à 211 705 (désignées ci-dessous en abrégé: actions Nestlé) et l'a prié d'entreprendre en son nom la procédure d'opposition.
Le 14 mars, le Président du Tribunal de Vevey a fait au détenteur inconnu de ces titres les sommations d'usage, en l'invitant à les produire dans le délai de six mois dès la première publication de l'avis dans la Feuille officielle suisse du commerce, faute de quoi l'annulation serait prononcée.
Le 15 septembre, Me G., avocat à Genève, a déposé au Greffe du Tribunal de Vevey, au nom d'un sieur T., courtier à Genève, cinq actions Nestlé-Alimentana portant les numéros 370 647 à 370 651 que ledit avait reçues le 17 décembre 1948 en échange des actions Nestlé nos 211 701 à 211 705, sur quoi le Président du Tribunal de Vevey a fixé à C. un délai au 15 novembre 1949 pour introduire une action en revendication de ces titres.
Le 12 novembre, C. a déposé un exploit à cet effet, fondant sa demande sur l'art. 934 CC.
T. a conclu au rejet de la demande en soutenant que le demandeur ne justifiait pas avoir été propriétaire des actions Nestlé nos 211 701 à 211 705 et encore moins d'un droit de propriété sur les actions Nestlé-Alimentana déposées au Greffe du Tribunal de Vevey. Il contestait en outre que le demandeur, à supposer même qu'il pût fournir ces justifications, eût été dessaisi de ces titres contre sa volonté.
Par arrêt du 13 avril 1954, la Cour de justice civile de Genève, en confirmation du jugement rendu par le Tribunal de première instance, a déclaré fondée la revendication de C. et autorisé ce dernier à se faire remettre par le Greffe du Tribunal du district de Vevey les cinq actions qui y avaient été déposées.
En ce qui concerne la manière dont le défendeur était entré en possession des titres les juridictions cantonales ont constaté ce qui suit:
Le demandeur a acheté, le 27 septembre 1948, à la Bourse de Paris, cinq actions de la Société Nestlé and Anglo Swiss Holding Cy Ltd portant les numéros 211 701 à 211 705. Il en a été dépossédé par suite d'un vol ou d'un abus de confiance. En décembre 1948, Sieur S., courtier à Genève, les a reçues d'un Français, inconnu de lui, qui était de passage à Genève. Il les a remis à T. Ce dernier les a échangés, le 17 décembre, contre cinq actions Nestlé-Alimentana portant les nos 370 647 à 370 651, cet échange résultant de la modification de la raison sociale de la débitrice. Tout comme l'ancienne action Nestlé and Anglo Swiss Holding Cy Ltd, l'action Nestlé-Alimentana nouvelle comprenait en réalité trois titres soit une action Nestlé-Alimentana, un bon d'amortissement et une action Unilac. Cette substitution n'avait apporté aucun changement aux droits des porteurs.
T. a recouru en réforme en concluant à nouveau au rejet de la demande.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours et confirmé l'arrêt de la Cour de justice civile.
Erwägungen
Extrait des motifs:
3. Le moyen tiré du fait que le recourant a été condamné à restituer à l'intimé d'autres titres que ceux dont ce dernier avait été dépossédé n'est pas fondé. En matière de revendication de papiers-valeurs, l'action tend bien en principe à la restitution des documents mêmes dont le demandeur s'est trouvé dépossédé. Mais encore faut-il que la restitution de ces documents-là le replace dans la situation dans laquelle il se serait trouvé s'il n'en avait pas été dépossédé par suite de perte ou de vol. Or, lorsque les droits qu'incorporaient les documents perdus ou volés ont été, depuis la perte ou le vol, rattachés à de nouveaux documents, tout comme ils l'étaient aux documents primitifs, il est clair que l'action en revendication ne change pas d'objet pour s'exercer contre la personne qui s'est fait remettre de nouveaux titres en échange des titres volés ou perdus et les détient encore au moment de la réclamation.
5. Le recourant reproche également à la Cour de justice de n'avoir pas tranché nettement la question de savoir s'il y a eu vente des titres entre le Français inconnu et Sieur S., ou si celui-ci a été le mandataire du recourant, ou si, au contraire, ce dernier n'a pas été le mandataire de Sieur S. La Cour de justice aurait en outre négligé le fait que ce n'est pas de Sieur S. que le recourant a reçu les actions Nestlé-Alimentana. Ce dernier argument a déjà été réfuté ci-dessus. Pour ce qui est des rapports entre le recourant et Sieur S., il est exact que la Cour de justice ne les a pas exactement définis. Mais cela est sans importance. En effet, d'une part, le recourant soutient, actuellement encore, qu'il a acheté les actions pour son compte, d'autre part, il est sans intérêt de savoir s'il les a achetées à Sieur S. ou au Français inconnu par l'entremise de Sieur S. Ce qui est décisif, c'est que, selon les contestations de l'arrêt attaqué, il n'était en tout cas pas de bonne foi lors de cet achat. Il conteste, il est vrai, la justesse de cette affirmation et prétend avoir traité des milliers d'affaires avec Sieur S. et n'avoir jamais eu l'occasion de se méfier de lui. Cela est possible, mais est indifférent en l'espèce. Ce qu'il suffit de relever, c'est que, d'après les constatations de l'arrêt attaqué, le recourant savait, lorsqu'il a acquis les titres, à la suite de quelles circonstances ils avaient passé en la possession du Sieur S., autrement dit que ce dernier les avait achetés à un inconnu, et comme il s'agissait de titres cotés à la Bourse, le fait que le vendeur s'était adressé à un courtier sans faire connaître son identité suffisait à rendre l'opération suspecte. Sieur S. et lui-même s'étaient du reste si bien rendu compte que les titres pouvaient avoir été volés qu'ils ont pris soin de consulter la liste des titres frappés d'opposition pour s'assurer qu'ils n'y figuraient pas. Or, en leur qualité d'hommes d'affaires expérimentés, ils devaient évidemment savoir qu'il se passe en général un certain temps entre le vol d'un titre et sa découverte et, à plus forte raison, entre le vol et l'ouverture de la procédure d'annulation, de sorte que si les titres litigieux ne figuraient pas sur la liste en question, ce n'était pas une raison suffisante pour dissiper leurs soupçons.
Il est exact que l'acheteur d'un titre au porteur n'a pas en général à se demander si l'aliénateur a qualité pour en disposer, mais cela n'est vrai cependant que s'il n'a pas de raisons particulières de suspecter la bonne foi de son cocontractant, et il est clair que les circonstances dans lesquelles l'affaire se présentait en l'espèce exigeait de la part du recourant la plus extrême prudence. La décision rendue par la Cour de justice ne peut donc qu'être confirmée. | fr | Azione di rivendicazione di cose smarrite o sottratte. Art. 934 CC. Colui che è stato privato contro la sua volontà di azioni d'una società, che successivamente sono state sostituite con nuovi titoli conferenti i medesimi diritti, ha veste per rivendicare i nuovi titoli come se si trattasse dei vecchi.
Caso di malafede nell'acquisto. | it | civil law | 1,954 | II | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-II-239%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
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